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Full text of "Goltdammer's Archiv für Strafrecht"

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ARCHIV FÜR 
STRAFRECHT UND 
STRAFPROZESS 




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K1 .R33115 





L5 //«< 



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für 

trafredjt. 



©egriinbet burd> 

Dr. <goltöamm*r, 

»fnigt. Okt.Iti6unaI«ratl>. 



Jortgefefct oon 
mehrere» <£rtininaUf*eit. 



©erlitt, 1880. 

& t>. 2) c tf c r ' * ö e 1 1 a g 
HRarquarbt & S^cncf. 

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3it&alt0=!Jfnciitim&. 



3m aiu&lc gung von §. 498. 0b f. 2. ber 9teid)8ftrafproje*3orbnung (Äoftenpunft im 
©trafnerfabren beim Storbanbenfein Don Scttangeflagten). SJon $exm @eb- Suftij» 
ratb, Dr. J&erjog in 3ena 1 

Seitrag jur ßebre von ber ©elbftrafe. II. ©ertrag. Xic ©elbftrafe im ©tabium 
bcr ffonf trctfu ng. 3Jon £crrn Amtsrichter Dr. Jerone der in Slnqermünbe . . . 9 

55ie Cirnttoürfe bcr bäni|ct)cn >, nftnaefcfce. SJon £errn tyxol Dr. Seid) mann 
in jPafd . . . . ... . . . . V . . . . . . . . . . ..... 82 

3>ie JKef orm be& fronjöiifdjen ©traf projejieS. -üon 4>crrn ^rof. Dr. ®. SDiaöer 

in Wim 101 

5)ie SRucfroirfung ber ©ciftegfranfbeit nnb ©trafunninnbigfeit (§§. 51. nnb 55. 
~ ©t. ©-SP-) auf bae ^IiaTbeftauJbänteTfmni ber vpotilerei, bag Cyrlangtfein mittelft 
einer ftrafbareu Jjpanblung (§. 259), baß TJägfQcn be& oon Weljrcren begangenen 

t auofriebengbruQjg nnb bie in gleicher 3ßcife begangene Äprpcrt>erlcknng 123. 
_bX 3. 22.-8a. at. tt. y.V «Jon .ryn-n Panorichtcr ■ (M. .fierbft in ^inbtfberg n.Ä 112 
3ut Sntejrbtetotton befl §. 48. ber ©t. SJroy C S } on .frerrn Dberlqnfreägeruritgrath 

im guch e in 3ena . . . . I ii?* 

f 5)ic «ubbilbung ber preufiifd)en SReferenbarc bei ber ©taat8anwaltfd)aft. 

SJon .£>errn SBachler, ©rftem Staatsanwalt am öanbgericht SJerlin II 121 

Sie fflerjanblung bc3 9ioth ftanbe8 unb inSbejonbere bie SJerfchuIbung in 

öerbeifübrung beffelben. SJon £errn Dr. @öb in Sürfbeim 1S3 

i ftdlfchnng, tclcfl rapbifeiber 'Sepefchen. SJon ßerrn ganbgeria^tgratft Dr. .frermann 

D itlott in Weimar ...................... IM 

Ter foc r i d) t e ; fr a n t> un'am nienj)qngcnt>er ©trqifadien. Sjgrj .penn &mbgeriri)t6 » 
& ratli Dr. -Oer mann JC r 1 1 o f T in Weimar . . . '. i i . , 201] 

Die eigentlichen Unterlaffungdbelifte nach bem bcntfdjcn ©trafgefefebud). 



SJon £errn Dr. 8. ©eligfohn ju »erlin 210 

yu Cetleitttiifl Witt fttHj6*tt Ctbc. J8U>n_t&crtn X<ferenbar SJ. SJoigt in .6aUe 222 
2üü ffl bie S<orjdjrift beS §. 128. ber beutfdjen ©t. SJJrcn. C, wonach ber in ©emäfebeit 



be8 §. 127. eod. oorläufig geftgenommene unoerjüglid) bem Slmtörichtcr bed SJejirfS, 
in welchem bie 5eftnabme erfolgt ift, oorjufübren ift, ju oerfteben: — ifl inöbe« 
fonbere ber ämtöridjter berechtigt, bie Stnnabme bcS ipm SJorgefiibrten auS bem 
@runbe abjulefmen, meil bie )uftctnbige ©taatdanualtfcbaft fid> am 3 i r> bed ^imto 
cjerid)t8 bepnbetY SJon j£)errn Oberlanbe8gerid)tC)«©enatgpräjibenten Seffenborf 
in .ftönia^bera i. 8fr. . . . .... . . . ... ... ... . . . ai3 

Äue ber 5JJrari8 jur ^rariö. SJon £errn \?anbrirt)ter ®. «öerbft in i'anböbcrq a. 20. 321 
T i -. fr e n u n t a u gl i di c n W e r j u di b e t r e r" r" e n b e y I e n a r e n 1 f e t & u n b c- :K i ft. g • 

geridite. 8ml .perm W. ül. I>r. jur. 8fVWT9 l>ol)n p pÖR a. K '. . ~ . 3*ll 
§. 12-1. bcr bcutjften © trafproKftotf nnng. $cm .nerrn ©eh. Dbertribnnaleratb 

a<"öTTüe ........ . . . . . 3?>5 

§§. W. nnb 100- ©t. ^ro^. & p ^ cl ' : . ■V\ at 3 1 a a t ä li u ro a 1 1 f ct> a f t , f d b a 1 b bie in 
Jöefcbtag genommene ^oftlenDung nad) §. ioo. &bj. 3. ^r. ^roj. v. er» 
öffnet morben tft, Slnfprucb auf Äenntntfenabmc oon ii)rem "3nbalte? 

SJon ^errn ©eb- Obertribunalöratb SJoitug 401 

oft es jroecfmäfiig, bie $3eantn> ortung bcr §rage nad) milbernben Umftänben 
ben ©ef$n>orenen \u uberlaffen. SJon ^errn ©taatSanmalt $eterfon in 
Sd)neibemul)l . . . ... . . . . . . . . ■ . . . . . . . . . . 409 

3ur ftrafrcd)tlicben ^eurtljcilung ber ©d)u^genof fcnidinften. SJon ^errn 

Dr. (>or bc8 Alfi 

Ueber bic StHntfnbnng bc8 §. 244. bcr ?H. ©t. SJroj. D. SJon .€>errn ©taatSamoglt 
pon yrmroiB n. tparrron in ^omnqen 42H 

DeutfcbeS ©trafreetjt. 

ferfenntniffe be*lReid)8gerid)te 27, 126, 243, 398, 434 

gittratiir 79. 161. 307. 468 

^ucllenregi'ter 17 '> 

caarcgntft 4i7 



118218 



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Mr äitf Ityimg ron §. 498, 

9U>fa$ 2 bcr ^et^dftraf^rojegorbnttttg. 

(Äofienpuntt im ©traf ©erfahren beim 83orI>anbenfetn ©on 

3Ritangeflagten.) 



«on fcerrn ®ef). 3uftia*9tatf) Dr. §erjog in 3fena. 



2>et jiocite Slbfafc ©on §. 498 bcr SÄ. ©t. $roj. 0. ©erorbnet: 

„Utfitanaetl., roeld)e in $ejug auf biefelbe fclwt &u Strafe ©erurtyeitt 
ftnb, haften für bie Auslagen al« ©efammtfcbulbner. 5Dted gilt nidjt 
©on ben burdj bie ©trafoollftrecfung ober burd) bie UnterfudjungS* 
baft entfkbenben Äoften." 
3m Uebrigen beftimmt bie 6t. $roj. 0. im SUfaemeinen nid)t« übet' bie 
SBertyeilung ber ßoftenlaft beim SBorfjanbenfein von 3Kitangefl.; benn bie ge* 
fammtfd)ulDnerifd)e Haftung mehrerer Äläger unb mehrerer Slngefl. für bie 
Äoften in einem 23erfa^ren auf erbobenc Sßrioatflage ift eben nur von ftngu» 
lärer 'sRatur. dagegen ©erroeifen bie amtlichen s JRoti©e ju § 419 be« ©nttourf« 
— getoijf ermafeen jur (Ergänzung ber in SRebe fiebenben, an mt nur fragmen» 
tarifdjen JBorfdjrift — auÄbrücflid) Darauf bin, b a b biefelbe ba£ im Wcridus- 
foftengefe^e jur 2tnerfennung fommenbe ^rineip $ur SSorauSfefeung babe, bafe 
bie in ber red)t£fräftigen ©ntfebeibung oerbängte Strafe ben 3Jta&fiab für bie 
frö^c ber Soften geben folle unb bafi, wenn eine Unterfudjung gegen mehrere 
Üngcfl. gerietet fei, ber beftimmte Jariffafc ©on jebem Verurteilten befonberS, 
nadjj 3Kafegabe ber Um treffenben ©träfe, jju ergeben fei: woraus fid) bann 
weiter nur in Slnfefning ber ber ©taatSfafte eriöad)fenen baaren Auslagen, 
unb aud) Ijicr nur mit gennffen, auf TOigfeitÄrü<f|"id)ten bcr üben ben Crin-- 
fd)ränhmgen, bie pglidjteit einer folibarifdjen ftaftbartett mehrerer 3JUtangefL 
ergebe. 

Da« a. a. 0. an erfler ©teile angebeutete ^rineip ift benn aud) in 
§. 61 beS ©eriajtSfoftengefefeeS oom 18. 3uni 1878 jur »nerfennung gelangt. 
3)enn ^ier Reifet e«: 

„betrifft eine ©traffadje mehrere 3lngefd)ulbigte, fo ift bie @ebüf>r, 
©on jebem Verurteilten befonber« nad) Maßgabe ber gegen ü)n et* 
fannten ©träfe $u erbeben." 
öier ift alfo lebtglid» ©on ben @ebü&ren (IV. «bfd)nitt be* ©eridjt«* 
tofiengefejjeÄ) bie Dtebe. 

2>te im V. &bfd)nitte be&anbelten baaren Auslagen bagegen Idnnen 
felbftüetftänbÜd) in iebem »volle immer nur ein eimtaeä ÜJlal in Snfafe 



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2 3ur Huglegima üon §. 498. 

fie [ollen aber nach bem aflegirten ^weiten 2lbf. oon §. 498 cit. unter bett bort 
bezeichneten SSorauSfefcungen oon jebem 3J?itangefl. jum oollen ©etragc oer< 
treten werben. 

3nfomeit liegt baS 6achoerhältnifj im 3ufammenhalte ber ^orfchriften 
ber 6t. $ro3. D. unb beS ©erichtSfoftengefefeeS flar oor 2lugen, wenn fchon 
bie SJertheilung ber in ftrage fiehenben, ihrem SBefen nach jufammen gehörigen 
Sorfchriften in jroei oerfqiiebene ©efefce feierlich £ob oerbient. dagegen ftnb über 
bie Auslegung unb ftanbhabung ber betreff enben SBorfchrift im (Sin je Inen be- 
reite einige Ijweifel unb 9JteinungSoerfdhtebenheiten unter ben Kommentatoren 
entftanben, mit benen mir uns an biefer ©teile fürjlich befchäftigen wollen, ju> 
mal ba minbefienS einer oon ben fjter in Betracht fommenben fünften unter 
Sntereffe augletdr; noch mittelbar in leerem ©rabe unb in weiterem Umfange 
in »nfpruch nimmt, als bie* bei einer grage ber Koflengeltung für fio> allem 
ber %aU fein mürbe. 

3unäcbft nämlich ^anbelt eS fich um baS richtige SSerflänbntfj ber SBorte 
„in 8ejug auf biefelbe 23mt." SBä^renb mir in biefer ^inficht j. 8. bei 
6d>war je (Kommentar jur 6t. $roj. 0. 6. 614) unb bei Xbilo (6t. $roj. 0. 
f. b. 2). St 6. 543 !Wote 2) eine nähere ©rläuterung nicht ftnben, lehrt £öwe 
(Kommentar 6. 926 9tote 3), eS fei mit ben betreffenben Söorten leineSwegS 
baS ©rforbernife aufgehellt, ba§ bie 9Jiitangefl. ju etnanber gerabe in bem SJer* 
hältnifj oon 3Ritthätern ober Teilnehmern fielen müjjtcn; otelmebr fei auch ber 
Segünftiger unb ber ßeftfer als „in 8e$ug" auf bie Zfytt beS X^äter« ober 
J^eilne^mer« oerurü)eut an^ufe^en. dagegen fteUt Keller (6t. ^ßroj. 0. f. b. 
2). 9t 6. 527 «Rot. 4) unter 93e$ugnat)me auf oerfegiebene ältere (b. h nur 
MS in ba« Safn: 1870 hmeinreic&enbe) @ntf Reibungen beS 5?. SnperÜ^en Kaffa- 
tionShofS ben 6afc auf, ba§ im §inbli(fe auf bie angebogenen ©efefceSworte 
\. 93. ber ©egünftiger unb Später niebt fammtoerbinblich in bie Koften oerur* 
tljeilt werben fönne, ebenfowenig amei $8efd)ulbigte, welche, ohne SRitthäter ober 
£l)eilnel)mer *u fein, bei einer unb berfelben Gelegenheit ©emalühätigtetten 
gegen etnen Beamten begeben; wotjl aber bei einer 6$lägerei bie Ilicilnchmcr 
beiber Parteien. ÜDfit fteller in Uebereinftimmung befinbet ftd» auch tfJieoeS 
(in o. fcolfcenborf'S öanbbu* beS 6t. ^ßtoj 9t. II. 8b. 6. 522), welker über 
unfere ftrage im SBeTentlictten ftdh bafnn auSläfct: 

„Sei berfelben ftraf baren §anblung fann ein 3ufammentreffen oer- 
fdnebener 6ubjecte nur in ber gorm ber 3Rttthätcrfchaft ober ber 
$f>eilnaljme ih* en jmei Slrten eintreten, unb wenn auch bie ©e- 
aünftigung unb bte Hehlerei ber S&eilnafmte nahe fielen, enthält ihr 
^^atbefianb boeb befonbere 9Retfmale, fo bafj bie $erurtheilung 
wegen berfelben bo$ nicht als in $e)ie(mng auf biefelbe Zhai erfolgt 
anjufe&en ift. 3">ar beruht fte auf ber Ermittelung ber ^auptt^at, 
unb liejje fidt) ^terauS folgern, bafj bie Auslagen, weldje für bie 
(Sruirung biefer aufgewenbet worben, aud) oon bem 53cgünftiger ober 
§et)ler mitoerfcbulbet ftnb, fomit aud) oon ihm mit getragen werben 
müfeten. S)er SBortlaut beS ®ef. fte^t jeboeb biefer Folgerung ent* 
gegen. 4 ' — 

UnfereS Dafürhaltens ift bie Slnftdjt oon Cöwe bie allein richtige unb 
fac^gemäfee. söon ben beiben biffentirenben 6ttmmen fällt äuoörberfl biejenige 
oon Äeller um beSmiUen weniger fdiwer in'S ©ewid)t, weil biefelbe, ojjne 
fpecieUe eigene SRotioirung i^rer Sluffaffung, nur auf mehrere oberftrichterliche 
6ntfd)eibungen 93ejug nimmt, welche — wie bereit« angebeutet würbe — auf 
einem anberen rechtlichen ©oben erwachien ftnb, als gerabe bemjenigen beS 
6t. ©. ©. unb ber 6t. ^ßroj. Orb. für baS beutfdje SReic§. Uebria.enS beftreiten 
wir auch unter bem lederen ©efichtSpunfte lebiglich bie Stichtigfett beS erflen 
ber oon Keller gegebenen brei »eifpiele. 6ooiel bagegen bie 9JIemungSäufeerung 



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3ur Hiialegung Don §. 498. 



3 



oon ÜReoe« betrifft, fo Fattn cor 3lflem nid)t ^gegeben toerben, ba§ bet fjter 
befonber« betonte Wortlaut bc« ©efefee« einer Slufraffung entgegenftefje, meiere 
aua) ben mitoerurtbeilten Segünftigcr ober £el)ler al« unter ber Vorfdjrift oon 
§. 498 2lbf. 2 mit inbegriffen anfielt, ©erabe im ©egentljetle bürfte bie SBort* 
fajjung unferer ©efet$c$|tcUc mit 9totl)wenbigfeit ju ber Slnnafjme funbrängen, 
baß eine Verurteilung in Vejug auf biefelbe 3tyat etwa« Slnbere« fein unb 
refp. einen weiteren Snfjalt Ijaben müfje, al« eine Verurteilung wegen ber* 
fclben Ztyat, weldje legtere SluäbrucfSweife befanutlid) bie im 6t. ©. V. übliche 
unb in ber linu audj bie für bie gewölmlic&en ^öQe ber Verurteilung au« 
Snlafe be« ober jenen befonberen Vrudj« ber 9tedJt«orbnung allein angemeffen 
ift. ©ine foldjc Verurteilung nie gen einer befHmmten ftraf baren $fwt erfolgt 
aber, um aläbalb einem möglichen öinwanbe $u begegnen, nidjt blo« gegen ben 
Später ober mehrere SWitt^ätcr , fonbern eintretenben $-alIe« audj gegen bie 
^crbred&ctuätfjeilnelnncr im engeren ©inne, alfo ben Slnfttfter unb ben ©einIfen, 
beren §anblungen ja feinem anberen <pauptflrafa,efct}e unterfallen, als biejenigen 
bes Später« refp. ber 9Jtitt&äter. ©o ift 3. V. ber allein richtigen unb nun 
roobl aud> in ber $raji« allgemein reeipirten Sluffaffung jufolge bann, wenn e« 
na) um bie Vorau«fe$ungen ber 9tücffaU«ftrafen beim SDiebftaljle im ©inne 
oon §. 244 be« 9t 6t. ©. 83. fjanbelt, aud) ber blojje Slnftifter ober ©e&ilfe eine« 
$ieb« ,,al« 2)ieb", m. a. 20. „wegen 2>iebftatyl«" ju beftrafen, u. f. ro. 
Sollte e« fid) alfo in unterem 3weiten 3Xbf. oon §. 498 lebiglid) um mitange* 
llagte 9}tittljater unb fonftige Verbred)en«ttieilnef)mer im ©inne ber §§. 47— oO 
bc« 9t ©t. ©. V. ijanbeln, fo mtifete bie f)ier beliebte Vejeia)nung«wetfe : 
„ajiitangefl., welche in Vejug auf biefelbe £ljat $u ©träfe uerurt^eilt fmb," für 
eine ganj ucrfetjlte unb faum begretfltd)e gelten, ba mit berfelben aläbann oljne 
jeben triftigen ©runb bie genauere unb jubem üblidbe 2lu«bruct«metfe be« 
©trafredjt« oerlaffen worben märe, dagegen erhält biefelbe einen oerftänbigen 
6inn unb rechtfertigt fid> minbeftene injofern — benn glürflia) gewählt ift eine 
fo wenig präcife 2luabrud«mcife unter teinerlei Umftänben — roenn man am 
nimmt, baft ber ©efefcgeber unter jenen „in Vejug auf biefelbe $f)at" oerur* 
feilten $erfoncn aufecr ben Verbred>en«teilneljmern au$ ben Segünftiger unb 
§et)ler Ijabe mitoerftanben miffen wollen. $enn nad) ber 00m 9t. ©t @. V. 
einmal aboptirten Säuffaffung wirb ja beifptel«wetfe ber Vegünftiger be« Später« 
ober Xfjetlnelnner« beim thebftafyle refp. ber Jpeljler allerbing« jmar nia)t 
wegen $>iebftaljl« ober aud? nur wegen begünfttgten £iebfhu)l« (&e{jtere« in 
bem ©inne, wie man wo^l oon einer Veftrafung wegen 3lnftiftung ober Sei* 
f)ilfe jutn S)iebftal)le ju fpredjen pflegt), fonbern eben nur wegen Vegünftigung 
refp. ^e^lerei alg eine« delictum proprium beftraft; immerhin aber erfolgt biefe 
Öeftrafung oermöge ber nur accefforifdjen 0latur tti fraglichen Vergebend in 
^ejug auf einen S)iebftotu\ o^ne beffen Vor^anbenfein oon ber fpeiieUen SSer* 
urt^eilung einer anberen Sßerfon wegen ©egünftigung refp. §eljlerci gar nic^t 
bie Siebe fein tonnte, ©erabe biefer facfjUctye 3«f ami wenbang jmifa)en bem 
^auptoerbrec^en unb ber Vcgünftigung, ben übrigen« aud? 9Reoe£ a. a. 0. 
feine^weg« t>erfennt, mufe aber bei ber Auslegung unferer ©cfe|e«fielle oon 
entfebeibenbem ©emid)te fein, jumal ba berfelbe al& folc^er auf auSbrücflic^er 
gefeilid^er 2lnerfennung beruht. 9Benn nämlid) in §. 3 ber 9t. ©t. 38roj. 0. 
jur näheren erläuterung be« in §. 2 auftretenben Begriffs oon „jufammen* 
^ängenben ©traf fachen" gefefct wirb: 

„©in 3ufammen^ang ift oor^anben, wenn eine ^erfon mehrerer ffraf* 
barer ^anblungen befdjulbigt wirb, ober wenn bei einet ftraf* 
baren ^anblung mehrere ^ßerfonen al« Später, a^eilne^mer, 
©egünfiiger ober ^e^ler befa^ulbigt werben;" 
fo baben wir tjier jebenfatt« bejüglic^ ber 3uftänbigfeit«frage eine erfc^öpfenbe 
Slufftettung ber gäüe eine« 3ufammen^ang« mehrerer ©traffac^en, tn«befonbere 



I 



4 $ux STuSUaung oon §. 498. 

bcr und jefct allein tntereffirenben objj cctiocu ßonnerität, cor und: benn bic 
in §. 236 bcr 9t. St. ^ßroj. 0. auf etncn noch weiteren begriff bed 3ufammen* 
hangd oerfduebener bei bemfelben ©crichte anhängiger Straffachen ge 
grünbete Serbinbuna ber Unteren junt $mdt ber gleidjjeitigen 3?ert|anblung 
ßat einen gan$ oerfchiebenen Gharafter. hierüber waltet benn roohl auch bei 
ben Kommentatoren (Sinocrftänbnitj ob. Bergl. roenigftcruS ^öroe a. a. 0. @. 215 
9tot. 1, 2f)ilo a. a. 0. 6. 7 9iot. 4 unb Äeller ebenbafelbft S. 4 «Rot. 4. 
ÜBärc bieS aber felbft nicht anbem, unb gäbe und §. 3 im Sinne bed ©efefc* 

Sebcrd nur ben oornel)mften unb rcichtigften ftaU eined berartigen 3ufammen* 
anged mehrerer Straffachen, geroiffermafcen oen ,3ufammcnl)ang Kai i&xyy, 
an Die §anb, fo mürbe boch immerhin einer fo wichtigen Borfchrift auch nach 
ber Seite ihrer roörtlichen Raffung fyin erhebliche Bebeutung beizulegen fein. 
2)iefe 5 a ff un 9 ift nun nocr » foroeit biefelbe für und l)ier in Betracht fommt, in 
ber $h flt fehr d^araftcrifiifch. ©in 3uf«mmen^ang ift oorbanben — fo Reifet 
ed — roenn bet einer firaf baren ^anblung mehrere $erfonen ald Zfyätcx, 
$heilnehmcr, Begünftiger ober §cf)ler befchulbigt roerben. £er Begünftiger unb 
$cl)ler, ber fia) freilich auch fchon im St. ©. B. — trofc feiner äufeerltd&en 
2lb|onberung oon ben BcrbrechendtheUnehmern — immer roieber an bic lederen 
heranbrängt (ogl. j. B. nur §§. 63, 64, 247. Schlufefafc), rangirt alfo bezüglich 
ber ftrage na $ öcr objectioen Äonnerität nicht nur gleich mit ben Jätern 
unb Xtjcilne^mern, fonbern ed roiberfährt bem ©efefcgeber fogar, bafj er — 
geroifferma&en bem Crange einer einfach natürlichen 9ted)tdauffaffung folgenb, 
barüber aber freiließ ber im St. ©. B. beliebten fünftlidjen ©onberftellung ber 
Begünftigung ijalb unb tyalb oergeffenb — oon einer ftrafbaren ^anblung 
[priest, bei melier mehrere ^erfonen nicht nur ald Später ober Teilnehmer 
(foroeit roäre ja bie gemähte äudbruefdroeife richtig), fonbern aud) ald Bcgün^ 
ftiger ober fehler befchulbigt roerben: in welcher (enteren fttnficht jene 2lud* 
bruddroeifc i.Jii bedrotücn minbeftend ungenau iß, roeil eben, fobalb ein Bcgün- 
ftiger ober fehler mit in ^rage fommt, nad) ber Softematif bed St. ©. B. oon 
einer im iDfütel liegenben einzigen unb in fich abgesoffenen ftrafbaren 
§anblung nicht mehr bie 9tebc fein fann. @d liegen bann oielmehr regelmäßig 
jroei ftrafbare §anblungen oor, nämlich bad ^auptnerbrea)en unb bad foge* 
nannte delictum proprium ber Begünftigung ober Hehlerei. 9)tit 9ied)t bemerft 
in btefer &inficht bereits UUmann (in bem Äapttcl über ben (Sinflufe bed 
3ufammenhangd mehrerer Straffad>en auf bie fachliche 3uftänbigfett in o. ftolfcen* 
borf'd &anbbuch bed St. $roj. 9t I. Bb. S. 147), bafe bie (oon bcr 91. St. ^roj. 0. 
beramuüd] ncrfcijuniiitc'! Hegel einer unbebingten, alfo nidjt bem richterlichen 
©rmeffen anheimgefteliten Bereinigung für alle 5t^ctlncl;mcr beffelben 5Jer* 
brechend fyötyt bebenflidh crfd>einen roürbe, „namentlich roenn bar unter auch 
bie blofeen SJegünfttger mit oerftanben roerben, roie bieg in §. 3. ber 91. St. 
ißroj. 0. ber #all ift," — 

3Bir unfercr Seit« glauben nun aber aus ber foeben befprochenen SBor* 
fc^rift in §. 3. cit. ßroeierlä folgern ju bürfen. einmal für unfern näd))ten 
3roecf, namlia) für bie Auslegung oon §. 498. 2lbf. 2 bcr 91. St. $roj. D. 
footel, ba§ bie hier gebrauchte, an fid) oage unb nicht tedmifche Zeichnung 
oon ÜJtitangeflagtcn , roelche in ijejug auf biefclbe ^h°t ju Strafe oerurtheilt 
fmb, fo roett — aber auch nic^t roeitcr — reichen muffe, als ber in §. 3. firirte 
begriff ber objectioen Gonnerttät, unb baft jene Bezeichnung gerabe in biefer 
Unteren Sorfdjrift ihre nothroenbige unb im ©efefee felbft allein naa^roeidbare 
Erläuterung ftnbe. 3 roe i ten!g QDer abliefen roir in ber mehrbefprochenen Bor* 
fchrift beS §. 3. cit. einen neuen unb recht überjeugenben Beleg für bie oon und 
bereit« an anbercr Stelle (ogl. namentlich ©erichtdfaal XXIX. Bb. S. 161 ff.) 
ausführlicher ju begrünben oerfuebte Behauptung, bafj bie ßinftellung ber Be* 
günftigung in einem befonberen Slbfchnitte bed jrociten Iheild bed 9t. St. ©. B. 



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3ut Huoleßung oon §. 498. 5 

auch im Sinne be« ©cfefcgeber« unter allen llmflänben nicht fo ferner wiegen 
folle, um hiermit bie eigentliche Statur ber ©ac&e für oerfehrt unb ben unjroei- 
relt)aft befiehenben inneren 3ufammenhang jrotfehen ber Segünfiigung unb ber 
begünftigten £auptthat für gelöft erachten, auf btefen rein äußerlichen ©runb 
t)in ober bie £eljre oon einer Slrt abfoluter Selbftftänbigfeit ber Segünftigung 
al« Vergebens gegen bic Suftijgcroalt conftruiren 3U bürfen. £>er Strafgefefy» 
geber felbft nämlich giebt an biefer ©teile — thetl« unmittelbar burd) ben §n 
tjaü fetner $t«pofitton , theil« mittelbar burdt) feine nicht fhreng fnftemgetreue 
Äusbruc&roetfe — ju oerftehen, bafe it)m tro$ Slllem unb 2lllem jener innere 
ßufammen^ang $roifchen bem ^auptuerbrechen unb ber Segünftigung ebenfo 
fottroährenb oorfchroebt, roic folgerichtig auch bie nahe Serroanbtfcbaft jiotfcrjcn 
ber Xljeitna^me (im engeren Sinne) unb ber 93egünftiguna ober Hehlerei; bafc 
rotr batjer auch bei allen anberen in biefe« Äapitel etnfchlagcnben fragen ooll- 
fommen im Siedete finb unb refp. in feinem Sinne tjanbeln, wenn mir ber oon 
bem Strafgefcfcgeber beliebten 2>erroetfung ber Begünftigung au« bem allgemeinen 
Steile in ben befonberen $heil be« ©t. ©. 53. lebiglic^ fol$e rechtlichen folgen 
ja 3$eil werben laffen, benen fein innere«, au« ber begriffsmäßigen 
ßtgcnthümltchfett ber SegünfHgung al« eine« flctö nur accefforifeben Selifte 
refultirenbc« Söcbenfen entgegensteht. (®ertd)t«faal a. a. ö. S. 174.) $)au 
übrigen« für ba« richtige &crftänbni| ftrafrechtlicher Materien bte $i«pofütonen 
be« £trafpro$efegefc$0eber« nicht minber mafegebenb finb, wie biejenigen be« 
Straigefefcgeber« felbjt, ba§ m. a. S5J. bie 5ftöglichfcit einer grunbläfclieben Ser 
iduebenhett ber Sütffaffungeroeifc in biefen beiben ©efe$e«roerfen fchlechterbtng« 
nicht ftatuirt roerben barr, h fl t ber Serfaffcr SDiefe« ebenfall« bereit« bei einer 
früheren ©elcgenbeit, roo e« ftd) um ^eftfteDung be« mehrbeuttgen ©egriff« ber 
„frrafbaren <jjanblung" im Sinne be« St. ®. ©. Imnbclte (®ertcht«faal 
XXX. ©b. 6. 294 ff.), im (Sinjelnen banuthun oerfud)t unb c« mag hierauf an 
biefer Stelle roenigften« betläufig oerroiefen roerben. 

ftad) bem iborbemerften roürbe ftch alfo richttqer 2lnftd)t jufolge bie 33or* 
l'chrift in §. 498. 2lbf. 2. auf oerurtheiltc üBegünfttaer ober fehler mitbc* 
jiet)cn, unb äroar tjinftc^tlid) ber lederen ofme Unterld)teb jrotfehen Hehlerei in 
$ejug auf ^erfonen (§. 258.) unb Hehlerei in $e*ug auf ©acjien (§. 259. be« 
St. ©. ».): benn einerfeit« macht ba« ®cfe& felbjt (§. 3. ber 6t. $roj. 0.) 
feinen Unterfdj>ieb jroifc^en ben oerfchiebenen Slrten oon fehlem, anbererfett« 
habet auch bei ber bloßen Sßartircrei eine, roenn gleich roeniger in bie Slugen 
fallenbe SBerurtheilung be« Sßarttrer« unb be« §auptoerbred;er« in ©ejug auf 
biefelbc %t)at Statt. Äämen übrigen«, um aud) bie« nid)t unerroäl;nt ju 
laffen, in einem %aüt biefer Slrt mehrere 2l)ätcr in ©etradjt, roela)e nic^t 
al« SRitt l)ät er tm tedfmifdjen Sinne oon §. 47. be« St. ©. 53. angefetjen 
toerben bürften, fonbem lebiglid) al« *u fällige Miturheber eine« unb be«' 
ielben f(f}äbtgenben (sreigniffe« (j. 93. bet einer burdj bie gemcmfd&aftlidje Xbätig 
feit mehrerer ^erfonen herbeigeführten fulpofen ÄÖrperocrle^ung), fo mürben 
nach bem analog 5U oerroerthenben principe im §. 3. cit auch bergleichen 9Jlit* 
angeflagte gefammtfchulbnerifch für bie 2lu«lagen haf^n müffen. 2>enn auch 
hier liegt in objectioer ^inftcht nur eine frrafbare ^anblung im Mittel, bei 
roelcher mehrere $er fönen ,,al« ^hater" befchulbigt roerben; eine infolge baoon 
eintretenbe Sicrurtbetlung jener mehreren 9Rttangeflagten bezieht ftch be«halb im 
Sinne be« ©efefce«, ba« an biefer Stelle ben engeren begriff ber 3Ritthäter^ 
fa)aft nicht betont ober fonft fidt)er anbeutet, immer auf biefelbe Xfjat. 
freilich ift e^ richtig, ba§ einzelne frühere Strafpro3e6gefe|e (j. 8. bie $hüringifche 
öt. ^Jroj. D. Slrt. 360.) bei gemeinfdmftlich begangenen «erbrechen au« gaf)r = 
laffigteit bie folibarifche jQaftung ber mttangeflagten gleichen ober ungleichen 
ihetlnehnter, ju benen übrigen« blo§e Begünstiger nicht gehörten, au«fchloffen. 
$iefe ©efe^e befanben fich inbeffen auch f$ on infofecn auf einem anberen 



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6 3ur au&Uauna oon §. 4ü*. 

Stanbpunfte, rote bie 31. 6t. ^roj. D. f als eS ftd) bort nidjt um ein« blo&e 
folibarifdie Haftung für bie baaren Auslagen, fonbern uielme^r (mit einigen 
bier nidht weiter intereffirenben ßmfd&ränfungen) um eine folc^c für bie @e> 
fammtfoften beS Straf oerfabrenS Ijanbelte. 

SBaS nun ferner ben Umfang ber in ^rage fteljenben ©efammtfyaftbar* 
feit für bie SluSlagen betrifft, fo mufe aua? in biefer ber 2lnficbt £öme'S 
(a. a. 0. 9iot. 4.) infofern beigetreten werben, als jene ©efammtfjaftung nur 
eben bejüglid) ber bureb, bie Strafoollftredfung ober bie UnterfucbungSfyaft ent* 
ftanbenen «often niebj ^la$ greift, ^djroarje (Kommentar $ur St. $ro$. 0. 
6. 614) roill in biefer Öejiefjung geroiffe S)iftinftionen gemadjt roiffen. @r 
meint, eS fönne oorfommen, bafe einzelne Auslagen lebiglicb, bureb Anträge, ©e- 
fd&werben u. f. ro. eine« ber Slnaeflagten in bem au*fa)liefelicben Sntereffe 
beS Scfctcren oeranlajjt roorben feien, unb ebenforoenig fönnten bie Soften ber 
Verhaftung, ber Vertagung, welche burd) Sd)ulb eine« ber 2lngeflagten oerur« 
fac^t roorben u. f. ro., unter jene folibarifdje Haftung fallen. &ie «eftimmung 
in 3Hbf . 2. fpred&e mithin bie folibarifdje Haftung nur bejüglidj folajer Auslagen 
aus, für meldte fämmtlicbe einzelne 2lngeflagte aus allgemeinen ©rünben auf« 
fommen müfeten; bann nämlicb, fofle eine Haftung nadi stopft feilen für bie 
Verpflichteten auSgef$l offen fein. — Allein mit s Jted)t bemerft hiergegen bereits 
Söroe, bafj für berartige Untertreibungen, fooiel ft$ aud) oieUcidjit de lege 
ferenda für bicfelben geltenb machen laffe, bie gaffung nnferer Vorfdjrift feinen 
9lnf)att biete, ebenforoenig bie amtlichen ÜNotioe. s )iur barin gebt Söroe $u weit, 
wenn er in s Jtot. 7. ju §. 498. ber obigen Vcmcrfung oon Schmarre gegenüber 
behauptet: eine Haftung nach Äopftljcilen fennc baS ®efefc überhaupt nid^t. £)ie 
Strafprojefeorbnung fpriebt jroar nicht auSbrücflicb oon biefer, nach allgemeinen 
SRecbtSgrunbfäfcen am näcbftcn liegenben unb bcStjalb beim ÜJiangel einer anber* 
weiten Vorfcbrift uon felbft gebotenen 3lrt ber öaftung, aber fie .fefct bie* 
felbe offenbar in einem gemiffen ftafle oorauS. S)ic ßoftenfrage geftaltct fid> 
nämlich nach flftafjgabe ber einfd)lagenben gefe^lid)en ©eftimmungen im galle 
beS VorlrnnbenfeinS mehrerer UMitangeflagten üb er ficht Ii dt) in folgen* 
ber Seife: 

1. $)ie ©ebüfjr wirb unter allen Umftänben oon jebem Verurteilten be* 
fonberS nact> SJiafcgabe ber gegen iljn erfannten Strafe erhoben unb ca 
ftnbct infomeit eine folibarifdie Haftung ber übrigen Verurteilten feines 
Salles ftott. 

2. Von ben Auslagen bagegen werben biejenigen für bie Strafoott* 
ftredung ober bie UnterfucbungSbaft gleichfalls unter aücn Umftänben 
nur oon bem betroffenen einzelnen ÜMtangeflagten, ber auSgängticb §u 
Strafe ocrurtbeilt worben ift, erhoben, olme bafe auch ^icr eine foliba* 
rifc^e öaftung ber übrigen SBerurt^ctltcn $lafc greift. 

3. $n 2lnfebuna ber fonft igen Auslagen aber (alfo aufjer benjenigen 
für StrafoollTtrecfung ober UnterfudjungStjnft) ift baljin ju untertreiben, 
bar, IKitnitgcflagte, welche in 8cjug auf bicfelbe %\)at ju Strafe 
ocrurt^eilt finb (alfo nacb ber Incr oertretenen änfiebt ; mehrere Später 
refp. ÜJUtt^äter, 3:t)cilncbmer im engeren Sinne, SBegitnftiger ober gebier), 
für bergleidjen Auslagen als ©cfammtfa^ulbncr aufjufommen haben, 
m. a. SB. ein 3 c ber oon i^nen ju beren oollem betrage; wohingegen 
anbere 3)ütanacf tagte für berglcicben Sluelagcn nur in bem gemöijn- 
liefen attafje einftel)en, fo nämlicb, ba& nad) bem allgemeinen (Srunbfa^e 
in §. 497. ber s Jt. St. $ro$. D. jeber einjelne bie fpeciell burc^ feine 
Sctbciligung bei ber Untcriudjung entftanbenen 2luSlagcn ganj, anbere 
Auslagen aber, welcbc jugleia^ im ^ntcreffe ber übrigen 3)titangef tagten 
ober emjelner berfelben erwaa)fen finb, nur 5U feinem Slnt^eilc, 
b. eben ju einem Äopft^eile überträgt: felbftoerftänblicl) alfo aud^ 



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3ur Jlu^lcfiunq Don §. 196. 7 

ohne jebwebe eoentueUe fiaftung für bie Äopft&etfe her übrigen in 
^rage fomraenben 2)iitangeflagten. 
©nblich ftimmen wir jwar auch barin bet Vemerfung Söme'S (a. a. 0. 
y Hot. 6.) bei. öiifj bie meljrbefprod&ene ©efammtbaftbarfeit nicht baoon abhängig 
fei, baß bie Verurteilung ber mehreren ÜMitangeflagten }u Strafe gerabe in 
öemfclben Urteile erfolge, baß eS oielmehr genüge, wenn wiber biefelben nur 
eine gemeinfcbaftlicbe Unterfudjung geführt roorben fei: eine $rage, welche 
üJteoeS a. a. 0. ofjne «oingenben Slnlaß als „zweifelhaft bleibenb" bezeichnet. 
Senn untere ©efc&eSftelle legt in biefer §inficht nur eben auf }wei 3/tomente 
®eiuid)t, nämlich baS 3)titangeflagtfein unb bie auSgängltche Verurteilung 
ju ©träfe in Vejug auf biefelbe $bat; eine gleichseitige Verurteilung aller 
N J)Utangeflagten aber erforbert biefelbe nicht unb eS wäre audj tu o l) L faum ein 
gleichmäßig burchgreifenber ©runb für eine folche Veftimmung abjufehen. 2Öir 
unb beSbalb fcblechterbtngS nicht in ber ßage, hier etwa in einzelnen gälten 
$iUigfcitSrücffichten obwalten ju laffen, V. wiber einen alSbalb oerurtbetlten 
3Jlitangcflagten, welchem burdj eine ofme feine Sdjulb nothwenbtg werbenbe 
wettere £auptoerhanblung wiber einen anbern SJtitangcf tagten eine neue Saft 
anklagen crroäcbft. Sagegen bürfte bie anficht Söwe's in 91ot. 7. ju§.498., 
baejin gehenb, baß bie ©efammthaftbarfeit meljrecer SRttangeflagten für bie Aus- 
lagen nicht auSbriicfüch ausgesprochen ,ui werben brauche, weil foldje in 
tomeit fie überhaupt begrünbet fei, aud ber Verurteilung in bie Äoften oon 
fclbft folge, nicht ju billigen fein. Siefelbe läuft unfereS VeDünfenS im SBefent» 
liefen auf benfelbcn fchwer m rechtfertigenben Sa| hinaus, ben Schwarbe 
(Äommcntar S. 613) ju §. 497. aufftellt. wo gefagt wirb: 

„9iad> ber ftajfung ber Vorfchrift bebarf eS im ^aHe ber Verur> 
tbeilung nicht eine« bejonberen AuSfpruchS (über bie Äoften) in bem 
Urtbeile felbft; bie obige Verpflichtung tritt traft beS ©ef. ein." 
Sa jeboch §. 496 ber St. $roj. 0. oon jebem Urteile, jebem Straf* 
befehle unb jeber eine Unterfuchung einflellenben Gntfdjeibung in fategorifeber 
Söeifc auch eine Veftimmung barüber oerlangt, oon toem bie Äoften beS Ver* 
fahrenS ju tragen feien, fo bebarf eS febon um beSmillen auch im ftaQe ber 
Verurteilung eines 2lngefl. ju Strafe regelmäßig eines ÄuSfprucbS über bie 
Verpflichtung jur Äoftentragung, mag ftcb tolcbe auch noch fo unjweifelbaft aus 
bem ©ef. feftft ergeben; ioie OieS übrigens bei einer großen Slnjabl oon achter* 
liehen SluSfprüchen in gleich bobem ®rabe ber $all ift. 2öaS nun aber oon 
ber Äoftentragung im Sfllgemeinen gilt, gilt unfcreS VebünfenS auch *m Oer 
gefainmtichutbnertfchen Haftung für bie Äoften refp. einen X^eil bcrfelben, 
nämlich bie Auslagen. Senn eine folche Haftung läuft tm SBefen ber 
Sache boch immer auf bie Pflicht ber Äoflentragung hinaus ober hangt boch 
mit berfelben genau jufammen-, bie bieSfallfige ^age bebarf aber auch — oont 
prattifchen Stanbpunfte auS betrachtet — geraoe im Sinblicfe auf bie eigen 
thumliche Raffung oon §. 498. 2lbf. 2. im einzelnen ^aue roeit mehr einer be* 
ftimmten Veantroortung, als manche anbere jroeifelSfreiere f^rage, über welche 
bemungeachtet fein richterliches Urtheil hinweggehen barf. Von felbfi oerftebt 
es fia) jeboch hi^oei, baß wir in fallen biefer 3lrt oon bem ^aupturtheile 
lebiglich einen allgemeinen 2luSfpruch barüber ju erwerben haben, baß bie unb 
bie ilMtangefl. fofltenp flichtig feien, unb eoentuell, baß bie ober jene 3ttitanaefl. 
für bie unter ben Äoften mit begriffenen Auslagen (mit ben bereits öfters 
erwähnten beiben 2luSnahmen) gefammtfchulbnerifch $ u Mttn hatten: 
toohingegen bei etwa entftehenbem Streite über bie §öhe ber Äoften ober über 
bie 9tothmenbigfeit ber unter ihnen begriffenen SluSlagen fletS eine befonbere 
gntfeheibung m erfolgen hat (§. 496. 2lbf. 2. ber % St. ^ros. 0.) 

Schueßlich mag ber Vollftänbigfeit halber nicht unerwähnt bleiben, wie 
es jwar feinem Zweifel unterfällt, baß im galle einer hierauf abaielenben Ver* 



g 3ut ÄusSlcßung von §. 498. 

urthcilung mehrerer 2Ritangefl. bie (Srftattung ber m ftrage fiehenben SfoÄlagen 
6etten8 ber ©erichtSfaffe fowohl oon jebem dinjelnen pro rata, wie oon hinein 
im ©efammtbetrage geforbert werben fann, ba ja ber erftere ÜNobuS ber 2ln« 
forberung für ben Verpflichteten offenbar ein weniger läfttger ift; baß bagegen 
bie 3. & oon £f)ilo (a. a. D. 6. 543 «Rot 2.) unb oon 3Jieoe8 (a. q. 0. 
6. 521 unb 522) mit in Betracht gezogene unb anfdjeinenb in oerfdjiebenem 
6inne beantwortete weitere ftrage nac§ ben rechtlichen Sötrfungen biefer gefammt* 
fchulbnertfchen Haftung im IBerhä'ltniffe ber Verpflichteten unter ein* 
anber, inäbefonbere nach ber ©tatthaftigfeü einer Sftegrefjnahme Seitens be8 
einen OKitangcllagten wiber ben anberen im Salle einer (über ben rechnerifchen 
2lntt)cil be£ (£in$elnen an jenen 2lu£lagen Irinaus) geleiftcten äRchrjahlung, an 
biefer ©teile ganj auf ftch beruhen fann, ba biefelbe feine ftrafprojeffualifche, 
fonbern oielmehr eine rein cimlrcdjtlidjc ift, welche ftch überbieä leicht mög» 
lieber SBeife je nach ben oerfdnebenen «anbeärechten oerfdneben beantworten 
aijen wtro. 



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3weiter ©eitrag. 
$te ©elbffrafc im Stabimn bct »oHfhrerfung. 



Son §errn SlmtÄrid&ter Dr. Äroneder in Slngermünbe. 



I. ftrciwilliflc Belang. 

§. L $ie freiwillige 3afclung burd) ben Verurteilten felbfl 

3m Stabium bcr Strafoollftreäung bcftc^t ptfdjen bcr ©elbftrafe unter 
ber greifjeitSftrafe ein wefentlicfcer Untertrieb. Soic $reit>ett$ftrafe bebarf ju 
ü^rer SBoUftrecfung einer £&ätigteit bcr Staatsgewalt, wel$c nur bei tljrem 93e* 
ginn burd) einen uBillenäaft be« Verurteilten — ben freiwilligen ©trafantritt — 
ergänzt werben fann, bie ©elbftrafe hingegen bebarf jener £l)ätigfeit ber Staat«* 
gemalt nid)t; fie fann burd) einen 28illen«aft be« Verurteilten allein, bie 3<tluna,, 
realifirt werben. 2luf ben erften Vlict fd)eint hierin eine ertjeblidje $et)nlid)feit 
$wi|a)en ber ©elbftrafe unb ber ©elbobligation §u liegen. 

Allein biefe $lel»üid)feit oerfd)roinbct bei näherer Verrentung '), benn bie 
©elbobligation ift realifirt, fobalb tf)r Setrag in ba« Vermögen bc« ©laubiger« 
übergegangen ift, mag berfelbe Dörfer au« bem Vermögen be« Sdjulbner« ober 
eine« dritten auägefc&ieben fein; bie ©elbftrafe bagegen ift realifirt, fobalb üjr 
betrag am bem Vermögen be« Scfculbigen ausgetrieben ift, mag berfelbe naa> 
$er in ba« Vermögen bc« %i$tuä ober einer anbern $erfon übergeben ober oer 
nietet werben. 9Ia$ ber befteljenben ©efefcgebung aller bing« , weld)er grofeen- 
teil« bie Sluffaffung ber ©ebftrafe al« einer ©elbforberung be« Si«fu« ju 
©runbe liegt, wirb in Vejua auf bie ©elbftrafe auber« su urteilen fein; tnÄ*- 
befonbere nad) §. 495. ber St. $ro$. 0., nad& welker bie VoUftredung ber 
. über eine Vermögen«ftrafe ergangenen ©mfteibung nad) ben Vorfdjriften über 
bie Vollftredung ber cimlgerid)tlid)cn Urteile erfolgt"), wirb analog aud) bei 
ber freiwilligen 3a$lung bie ©elbftrafe erft bann al« realifirt anjutefjen fein, 
wenn ibr betrag au« bem Vermögen be« Verurteilten in ba« be« %i&tvß ober 
fonftigen Verecbtigten übergegangen ift. Stenn alfo ^emano au« irgenb welken 
©rünben ben betrag bcr ©elbftrafe nia)t an ben $i«fu« ober ben fonftigen Ve* 
redjtigten, fonbem an einen Unberechtigten abführt ober nerntdnet, fo würbe 
biernadj ber Staat bie Strafe nod) einmal ju oollfirecfen ^aben. 2)ie« wiber- 
ipridjt aber bem ^rinjtp ber ©elbftrafe unb fann ^öc&ften« burd) 3we(fmäfeig^ 



1) Sgl tjierfüt §. 2. be« «ften »titragc«. 

2) hierüber unten auSfü&rlid). 



10 «nlrap jur Scljte oon Der ©elbfhafc« 

feitägrünbe, tnäbefonbere um böswillige Bernidjtung beä ©traf betrage*, foioie 
bie böswillige 3 a Wung an unberechtigte ^erfonen ©eitenS bcS Berurtheilten 
ju f)inbern gerechtfertigt werben. 

$>ie ©elbftrafe weidet auch barm oon ber ©elbobligation ob, bafj erftere 
burch bie meiflen übrigen, oufeer ber 3 a htong n0 $ oorhanbenen SlufhebungS* 
grünbe ber Obligation nicht beteiligt werben fann. ©ine Beteiligung ber ©elb* 
firafe bürde) Berglei d) ift felbftoerftänblich unbenfbar; ober aud> etne Tilgung 
burch Eingabe an 3af)lungSftatt ift un$uläffig, weil biefelbe feine Sidjer^ctt 
bafür bieten mürbe, ba§ genau ber in bein ©rfenntnife feftgefefcte Betrag auS 
bem Vermögen beS ©dnitbigen auSfcheibet; bagegen wirb man eine Äompen* 
fation ber ©elbftrafe mit einer gorberung beS Schulbigcn an biejenige Äaffe 
beS fttSfuS, in welche bie ©elbftrafe ftiefet (§. 369. I. 16. 21. ß. 91.) ober an 
ben fonfl pr Empfangnahme Berechtigten julaffen muffen, weil hier wirflich ber 
Betrag ber ©träfe bem vermögen beS Schulbigen entzogen wirb. $er ©rlafj 
einer ©elbftrafe fann, wie ber einet anbern Strafe, nur im ©nabenwege erfol* 
gen. 3weifell)aft bagegen ifi eS, ob bie« auch oon bem 2luffd)ub ber 3ahlung 
unb ber Bewilligung oon Xheiljahlungen p gelten h<*t. hierüber ent* 
halten bie früheren preufeifchen 6t. $roj. ©. unb % 6t. Sßroj. 0. feinerlei 
33orfct)riftcit. Soewe») meint baher, biefer Sßunft unterliege ber Siegelung im 
3nflrufttonSwea,e. Slbcr bei Beantwortung biefer ftrage wirb ju berücfiichttgen 
fein, bafc ein längere 3eit nach ©ntftehung ber RahlungSpflicht zahlbarer betrag 
etwas fpcjififch SlnbereS unb jwar ©ertngereS für ben 3 a ^l cnöen barftcllt all 
ein gleicher fofort nach ©ntftehung ber 3<»ljluna«pfltcr)t }u entrichtenber. tiefem 
©ebanfen wirb im Gioilrecht burch baS ^nftitut beS SnterufuriumS SluSbrucf 
gegeben. $er Suffchub ber ©elbftrafe unb bie Bewilligung oon X^dha^lun^tn 
charafteriftren fich baher als ein theilweifer @rlafj, welcher ebenfalls nur im 
©nabenwege erfolgen fann. 

Söenn nun ber Berurtfjeilte an bie berreffenbe fiSfaltfchc Äaffe aufeer ber 
©elbftrafe noch Soften ober aufeerbem noch äBerthSerfafc (wie in ftorftfachen) ju 
entrichten £at, unb eine ©umme jat)U, welche nicht genügt, um jene Beträge 
fämmtlich ju beefen, fo fragt es fich, ob bie geleitete 3«hlung auf bie ©elbftrafe, 
— ober aber auf SBertfjSerfafc unb Äoften anzurechnen ift. $>aS frühere Obertri- 
bunal ju Berlin*) unb baS preufeifche ^uftUminifterium ») nehmen baS ©rftere 
an, erftereS unter Berufung auf ben cioilrechtlichen ©aß, bafc geleiftete 3ahlungen 
pnächft auf bie für ben ©chulbner brüefenbere ©chulb anjurechnen feien. Allein 
biefe Berufung erfcheint nicht mtreffenb, weil, wie in §. 2. beS erften Beitrage« 
ausgeführt ift, bie ©elbfrrafe als eine ©chulb nicht angefehen werben fann. $ic 
ftrage nach bem 8InrechnungSmobuS gewinnt nur bann praftifche Bebeutung, 
wenn baS Bermögen beS 2lngefl. nicht grofe genug ift, um jene oon ihm ju 
jahtenben Beträge fämmtlich ju beefen, wenn alfo nach ber freiwilligen 3°h^«9 
einer jene Beträge nur ttjeilweife beefenben ©umme ber 9teft auS bem Bermögen 
beS Berurtbeilten burch freiwittige 3ahlung wie burch 3wangSoollfrrecfung gar 
nicht ober nur jum $heil erlangt werben fann. $ür biefen ^all aber wirb • 
burch ben ©eitenS beS ^uftijminifterium« gebilligten SlnrechnungSmobu« bem 
pönalen (Sljarafter ber ©elbftrafe nicht in auSreichenber SBetfe Rechnung getragen. 
$enn auf bie Äoften unb ben 2öerth$erfafc fleht bem g-isfu«, bejietjungSwcife 
berjenigen phoftfehen ober juriftifchen $erfon, welcher ber 2Berth«erfa| gefe|lich 
juerfannt, ein gorberungSrecht ju. 3)ie jur Tilgung biefe« gorberungSrecht« noth- 
wenbigen ©elbbeträge befinben fich bemgemäfe jwat formeu noch im ©igenthurae 



3) Komm. j. W. ©t. ^tog. D. %nxn. 3. jn §. 395. 

4) Befctfufj teö L Straffen, uom 1. Jvcbr. 1861 (Cppenb. 9ie«tf^r. «t. L 2. 239). 

j) »f. »om 23. «o». 1S39 (3. SR. »I. 40) »om 29. SKai 1877 (3. SK. »L S. 95) 
unt öont 30. «ug. 1879, §. 18. 9h:. 3. 



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»cittafl iut dou Der ©elbftrafe. 1 1 

beS Verurteilten; materiell jeboch ftellen Tie einen Veftanbtheil feitted Vermö* 
gcnS nicht mehr bar 4 ). 6S ifr baher bie 3«!)tong btefer materiell für ben Sin* 
gell, bereits oerlorenen Beträge als eine Grrbulbung beS ihm rechtSträftig auf* 
erlegten ©trafübelS nicht anjuferjen; als eine folche fann oielmerjr nut bie 3Q5tong 
eine« VetraaeS angefeljen werben, auf melden bem ftiSfuS ober anberen pbnufchen 
ober juriftifchen Prionen roeber ganj noch trjetlroeife ein cioilrect;tUct)er Slnfprud) 
rnftebt ©ehr häufig roerben allerbingS foldtje rioilreehtlichen Slnfprücrje ber 
6trafooUftrecfungSbehörbe unbefannt bleiben unb beSroegen feine Verücfftchtigung 
finben; anberS ift bieS im oorliegenben §alle, too biefe Wprüd&e auS ben Äri* 
minalaften erhellen. SDte bejeiepnete Slnorbnung beS SuftiaminifieriumS, für 
welche auch überrotegenbe praftifdje ©rünbe nicht fpredjen, bürfte baher nicht ju 
biüigen fein. 

§. 2. Safjtung ber ©elbftrafen burdf> anbere ^erfonen 
als ben Verurteilten. 

S)ie ©elbobltgation erlifcht buret) 3af)lung trjreS VetrageS, mag biefe 
3ar)lung bureb ben ©cbulbner felbjt ober einen dritten erfolgen. 2)iefer ©a$ 
ift im römtferjen Stecht T ) unb root)t faft allen neueren ©efefcgebungen 8 ) aner* 
fannt. S)ie Verfechter beS ©afceS, bafe bie ©elbftrafe als eine gorberung beS 
giefuS aufjufaffen fei, t)aben bie ©ültigfeit beS angeführten ©ajjeS auch für biefe 
behauptet. ©o ßillefiuS »)r oon neueren Ärüninaliften unter änberen 
Schroarje 10 ), unb Oppenhoff in ben erften beiben Auflagen feines kommen* 
tarö. 3" bieiem Sinne fprtdjt (ich auch ein Schreiben beS ^uftiaminifterS Wühler 
an baS Sanb* unb ©tabtgeriebt ju ©tallupönen oom 4. 2lug. 1832 ") auS. 
es heifjt bort, es laffe fid) bei ber eigentümlichen 9tatur biefer ©trafart, roeldje 
nicht gegen bie ^erfon beS Verbrechers, fonbern gegen beffen Vermögen gerietet 
fei, gar nict)t oertjinbern, ba§ ein dritter biefeS Ucbel für ben ©cfulbtgen auf 
fidtj nehme, unb entroeber bemfelben bie jur ©riegung ber ©elbbufee erforberlidje 
Summe hergebe, ober biefe für itjn unmittelbar jur ©taatsfaffe jahle. $er 
(Staat, welcher bei ber @in^iec)ung erfannter ©elbftrafen nur wie jeber anbere 
© lau biger $u betrauten fei, iiabe ebenforoenig als biefer baS ütetfjt, Darnach 
ju fragen, roorjer ber jatjlenbe ©chulbner baS ©elb entnommen t)abe, unb ber* 
leibe fei ebenfo rote jeber anbere ©laubiger nach §§. 49—50 I. 16. 91. S. 3t 
cerpfUctjtet, bie oon einem ©ritten für ben eigentlichen ©chulbner offerirte 3a^ 
lung anzunehmen. 

SDiefe 2lnftdjt fann nach bem bisher Ausgeführten als richtig nicht an* 
erfannt roerben. $5ie ©elbftrafe ift nicht gegen bäs Vermögen beS Verurteilten 
gerichtet, fonbern gegen feine Verfon, forern fie ©ubjeft oon Vermögensrechten 
ift. ©er ©taat ift bei ihrer ©tmiehung nicht mie jeber anbere ©läubiger ju 
betrachten, fonbern als Inhaber oer ©traf geroalt, ber barüber ju machen h^^ 
bafe bie über ben ^chulbigen oerhängte ©träfe auch roirflich oon Ibiefem unb 
nia)t oon einem Unfchulbigen erlitten werbe "). 



6) Sergt. 1. 39 §. 1. D. 50., 16. Bona intelliguntur cujusque, quae dedueto aerc alieno 
•u per sunt. 

7) 1. 78 §. 2. D. de solutionibus et UberationibuB 46, 3. 

8) Cod. Maxim. Bav. cir. IV. cap. U. §. 3. Säd)f. ®. S. §. 690. MT\d)tt ®. 8. 
§• 1042; Code civil francaii art 1236. Codice ciTÜe d'Italia (1865), «rt. 1238. »bf. 2. §§. 
49-50 I. 16. «. 2. ». 

9) o. a. O. (»gl. «nm. 4 «im 1. beitrage) @. 142 Der 2. Infi 

10) Äoram. x ik. @rr. ®. ». not. ju §. 28. ^. 219 ber 3. «ufl. 

11) äatjrb. »b. 40 @. 247. 

12) uebeteinftimmenb Oppcnb;. in ben foäteren Auflagen fetneö ÄommentatS n. o. 9h>L 15 
?u§. 28. in ber 7. «ufl.; — anSfiibrlu* «ermann in biefem «r*. ©D. 22 S. 184 ff. $• SKeoer 
©trafr. @. 278 ber 2. Xufl.; «tubing bte «Rönnen unb ib,re Uebcrtrettrag »b. L «btr>. 1. 



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12 »ertrag jur «ebre oon ber ©elbftrafe. 

3>tefe lefctere Sluffaffung Iwt aud) baS frühere Dbertribunal Berlin 
(II. ©traffenat) burefj ©efölufe oom 28. 3uli 1874 als ridjtig anerfannt "). 
£aS ©ad>oerl)ältnif} mar folgenbeS. eine ©elbftrafe, ju roela)er ber SHfäof 
Martin oon ^aberborn wegen 3 uroiöcr ^ ön ^ un 0 9 e fl en oag ©efc^ oom 
11. 9)toi 1873 oerurtljeilt toorben, war oon einem dritten, Unbeteiligten, Äauf* 
mann Ä., bei bem ÄreiSgeridtf au Sßaberborn eingejagt unb oon bem leiteten 
angenommen toorben. 2)c\ remonftrirte hiergegen unb beantragte bie ^ortfe^ung 
bec ©refution gegen feine ^erfon; baS ÄreiSgeridjt eradjtete aber unter 2k$ug* 
nafjme auf bie obengebad&te 3- SB. Serf. eine jur Gntlaftung beS Sterurtfjeilten 
oon einem dritten auS eigenen Mitteln gcleiftete 3#ung für ftattfjaft unb leimte 
ben Antrag beS 3J?. ab; eine oon SDt. gegen biete Verfügung an baS 2lpp. ©. 
eingelegte Öefc^roerbc blieb erfolglos. $unmef)r legte ber OberftaatSamoalt 93e* 
fajroerbe gegen ben appeUattonSgeric&tlidjen Sefdjcib ein, in $olge melier baS 
Obertribunal bie Slufbebung beS 93efd>eibeS unb ber freisgcridjtlidjcn Verfügung 
auSfprad), bie 2lnnaljme ber oon St. geletfteten 3öbiim9 für unjuläffig erflärte, 
unb bie gortfefcung ber (Srefution gegen 3Jt anorbnete. 25ic ©rünbe beS 
fdjluffeS ftimmen im 2öef entließen mit obiger Darlegung überein ; baS Ober* 
trtbunal tjebt nod) befonberS h error, bajs bie ©elbftrafe roic jebe anbere ©träfe 
nur benjentgen treffen fönne, aber aud) treffen müffe, gegen ben fie oerfyängt fei. 
Ueber bie 9iatur ber ©elbftrafe allerbinaS fpridjt fidj baS Obertribunal nicfjt 
mit oöüiger Älar^ett aus, benn toenn eS fagt: 

„68 iffe jtoar anjuerfennen, ba§ bie redjtSfräftig erfolgte 93erl)ängung 
einer ©elbftrafe eine ftorberung beS ©taateS gegen ben 2*erurtf>eiltcn 
begrünbet", 

uitb gleich barauf fortfährt: 

„barauS folgt aber no<$ nid)t, bafe ber Slnfprudj beS Staates auf 
eine ©elbftrafe eine cioilredjtlidje, ben Sorfdjriften beS GiotlredjtS 
unterliegenbe ^-orberung barfteHt", 

fo ift ntdjt crfidulid), roorin bie SorberungSnatur ber ©elbftrafe liegen foll, roenn 

ifjr bie cioilred)tlid>e ©eite abgesprochen wirb. 

II. ^U)niifl«üoUftrctfunfl tocgen ©clbffrafen. 

§. 3. 3roangSöoUfire(fung wegen ©elbftrafcn gegen ben sBerur^ 

tt)eiltcn felbfl. 

A. SBenn ooHftrecfbare Gioilforberungen nidjt fonfurriren. 

#or (SrlaB ber 91. ©t. $ro$. 0. pflegten bie ©erid&te mangels entgegen* 
fte^enber gefe|lid)er $ejtimmungen bie ©elbftrafe erft bann ju ooUftrecfen, menn 
fie binnen einer burdj ricfjterltc&e Verfügung M ) ju beftimmenben %tit nid)t ge* 
jaf)lt rourbc. ;)e&t tritt in ©emäfjljeit beS §. 495. ber ©t. $roj. 0. f roonact) 
bie eine ©elbftrafe feftfefcenben Äriminalurtlietle in berfelben SBeife toie bie auf 
©elb$a()lung lautenben Gioilerfenntmffe oollftrerft roerben foUen, o^ne SöeitereS 
BtoangSooUftrccfung ein, unb bie freitoiüige 3af)lung fann nur in ber 3eit oom 



@. 167 Not. 285: ©toojj (öejiv^gencbt^räfitcnt in »er«) jut 9iatut Der ScrmögenSflrajcn 
(53crn 1878) p.5— 6. (S)iefe trefflidje ©djnft tp erft nad) SJoUenfcung tcö etilen Beitrages t>urd) 
tie Äüte fceö öerm 3>erfa[jer3 in meine ftfribe gelangt). 

13) Optentj. «ecbtfpT. »D. lf>. 6. 514 ff. 2)ie« «r*. 8b. 22. e. 406 ff. 

14) Do lege ferenda n>äre eine gejco'.tdic Seftimuiung oonujiefyen, ta, tok oben gejeigt, eine 
türjere $t\t naä) bem drgeben ui Ürtbeilö tooUjrrctf bare Strafe ein gröjjcrc* (Btrafübel barftetlt. 
atö eine längere ^eit nadiber realifuenbe, unb ber Siebter fotnit nur bei ber (Spftcnj einet 
feften gefeilteren ^ablungfrift »etfe, »tld)e3 Strafübel er bind) gefrfefeung einer befhmmten öetb- 
ftrafe »etbängt. 



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«ertrag jur Sebre Don ber ©elbftrafe. 13 

grgehen beS Urtcjeite bis jur SuÄftthrung ber fofort nad) bcr 9tcct)tarraft be« 
im. oerfügten 3wang3üoÜfrrecfung erfolgen **). 

$jor ©riefe ber 31 6t. ^roj. 0. war e8 zweifelhaft, ob bie jwangSweife 
itoUftrcdung ber ©elbflrafe in Ermangelung baaren ©elbcä aud) auf anbere 
eaeben auägcbehnt werben fann. 9tubo ,6 ) fpracb fich bagegen, bie SHebrjahl 
ber 6d)riftfteller bafur au$; ben lederen folgte bie $rariö, welche nur unbe* 
roegltdjc Saasen unter ÄuÄbefmung einer einzelnen fpejiefl für 3ollbefraubationS* 
frrafen gegebenen $orfd)rift ,r ) ausnahm. SDie le&tere 2luffaffung ift burdj ben 
§. 495. ber 91 (St. Sßroj. 0. gefefelid) fanftionirt. 9tod) ber flaren öeftimmung 
biefeS Paragraphen mujj aua) bie oon„älteren 6a)rift|1cllcrn 18 ) befämpfte »b» 
nähme beS öffcnbarungSeibeS in Dem auf iMftretfung einer ©clbftrafe gerichteten 
Verfahren für erforberlich erachtet werben. 3)enn wenn es bort Reifet, bafj 
bie ^oUfrrctfung einer auf eine ©elbflrafe lautenben (Sntfcbeibung naa) ben 9Sor* 
febriften über bie Sollftrecfung ber Gtoilurtheile erfolgt, fo tft bamit gefügt, 
ba& alle SoUftrecfungSmittel, welche nach ben ^iorfchriften bcr (Stoilprojefcorbnung 
Seitens bcS obfieglichen il)eilS mv Erlangung ber jugefprochenen ©elojablung 
angeroenbet werben tonnen, Seitens beS 6taatcS jur Erlangung ber red)tS* 
fräftig erfannten ©clbftrafe angewenbet werben müffen, bcoor jur ißollftrecfung 
ber fubftituirten ^rctheitsftrafe geldjritten werben barf. S)aS belieben in $ejug 
auf bie JluSmatjl ber anjuwenbenben 3roangSmittel, meldjeS bem ©laubiger im 
ßioilprojefe gewährt wirD, fann nach bcr $atur beS ÄriminalproaeffeS bcr Straf* 
rjoUfrredungSbehörbe unzweifelhaft nicht eingeräumt werben. 

3n bcr SßrariS wirb atierbingS ber QffcnbarungSeib im oorltegenben 
gaüc auch feit bem ^nfrafttreten ber 5R. 6t. $roj. 0. in bcr Siegel nicht abge* 
nommen, naiuMadUid) wohl wegen bcr Umftänblichfeit, welche baburch baS Straf* 
DoUftrecfungSöcrfahren erhält; allein biefe Umftänblichfeit ift eine unabweisbare 
Äonfcauenj beS §. 495. 

De lege ferenda wirb jebodj ber Anficht Siubo'S, bafe bie 3TOong3oolI* 
ftreefung wegen ©elbftrafen net) nur auf baS äöaaroermögen beS SBcrurt heilten, 
nicht auf ben fonftigen 9Jtobtliarbefi& beffclben erftreefen barf, ber SBonua, ju 
geben fein. $>ie meiften ©rünbe freilich, welche SRubo für feine 2tnftct)t beibnngt, 
finb lebiglich au« ber Raffung beS §. 28. unb anberer §§. beS 91. 6t. ®. & 
entnommen unb beSljalb nia)t mehr in Betracht $u jiehen. 3)urchgreifenb ift 
bagegen ein anbereS oon 9tubo nur nebenfächlich w ) ermähntes Slrgument. 

3ebe 6ache fmt in ben §änben Oed ßigenthümerS einen ©e braucht ober 
inbioibuellen SBerth ); berfelbe ift gleich berjenigen 6umme, welche für ben 
Eigentümer ber Sache nach beren Weggäbe erforOerlich ift, um fuh biejenigen 
$$ortbeile wieber $u oerfdmffen, welche u)m bie ©ache gewahrt b Qt - 3)ie)er ©e» 
brauchSwerth wirb meift höher fein, als ber SBerfaufSwertb, - benn wo erfterer 



16) De leg« ferenda ift bie« nid>t ju biüifltn. ®em gu gteibeit^rafe Skrurttieitten »itb «ine 
ryuü )um freiiDiUigen Strafantntt gemärt (§ 489 Abj. 1. a a. D.)\ analoa mügte aud) mit 
bem ju Öetcfttaic Ikrurtbeilten verfahren merken. — i>cv neue engtifä)e @ttafgefebbud)'&nt« 
rentf »itt bie ttinjicfcung ber Strafe niö)t burdj ^»angsooQfirccfung, fonDern burO» Cfrelnti»« 
l>aft bis jur Dauer »on 2 SJabren erjroingen. am l Xt). 2. wet, 11.) 

16) Äomm. juni St. ®. ®. 5Rr. 3. ju §. 28. 

17) ©ef. wm 23. 3an. 1838 §. 5t 

18) Unter Unteren oon ®ectin^tnf4iu«3eitfdjriftöb.L @. 190 ff. 3>et bort an erftetiSteae 
angeführte Qkunb, bog bie Ärim. O. Den 6ib be8 «ngett. perbiete, erfd/eint nidjt jutreffenb, ba 
bies «erbot feinein @mnc nad) fl* offenbar nur auf ba« ©traf ©erfahren, ntctjt audj auf ba« 
StrafxjoÜftredungÄtterfa^ren bejieben tann 

19) „9hd)t außer «d)t mag autft bleiben, baß ber 93ctrag einer erfannten ©elbftrafe in 
ben meiften fallen erhöbt toirb, roenn bie Oefd^affung ber bie Strafe au«mad>enben Ciklbfumme 
baburd) gefd)iebt, baß öegenftänbe hn SBege befl 3»ang«»ertaufe8 »ex äußert werben; benn bei 
einer folgen «eräufeernug nxrben erfatjrungssmäüig nur geringe greife erjieü." 

20) «gl. §. 5. 9lnm. 16. be« erften beitrage«. 



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14 "Frtrrag jur &fire oon ber (»elbftTafe. 

niebriger ift al« letzterer, ba wirb bcr (Sigenthümcr bic ©adjc in ber Siegel oer* 
faufen, um bie $)ifferen& ju geroinnen, um jene $ifferenj alfo sroifchen bem 
©ebrauchS* unb bem niebrigeren Verfauferoerth ber abgepfänbeten ©egenjtänbe 31 ), 
roo3u noch bie burch ©tnrücfung ber Vetftcigerun^ Vcfanntmachung in bic 
Rettungen entftehenben Äoften") treten, roirb bie ©elbftrafe erhöbt, wenn it>rc 
Vollftreduna burch Slbpfänbung unb Verfauf gclbroerttjer ©egenftänbe erfolgt. 
2)ic3 roiberfpricht aber bem 2Sefen ber ©trafoollftrccfung,, roelche nur Dasjenige 
©trafübel bem Verurteilten jufügen barf, roelcheä im (trfenntnifj feftgefejjt ift. 
$)icfe ©leichheit ift allerbingÄ bei ber ©elbftrafe nicht oöllig Durchführbar, roeil 
ba« Vermögen be<8 Verurteilten in ber 3eit oom ergeben beS ©trafurtbctls 
bte jur Vollftrecfung fich oeränbern fann; allein bie s J)iöglid)feit biefer Ver* 
fchtebenl)eit berechtigt ben ©taat nicht, burch bie 9lrt ber ©trafoollftrccfung eine 
weitere $)ifferenj aroifchen bem feftgefefcten unb bem zugefügten 6trafübel her* 
betjuführen. 

$er Verurteilte ^at atterbing« nadt) VoUftrecfung ber fubftituirten grrei* 
heitäftrafc noch bie £aftfoften ju tragen") unb behufs (Simiefning biefer ift 
ber ©taat unzweifelhaft jur spfänbung unb sunt Verfauf oon 9JJobilicn beS Vcr* 
urteilten berechtigt ; allein biefe öaftfoften fmo ftetö geringer als ber Vctrag 
ber an erfier ©teile erfannten ©elbjttafe 84 ). SBemt ber Verurthcilte abgefehen 
Neroon bic VoUftrecfung bcr fubftituirten ^rett)eitsftrafe alä ein Uebel empftnbet, 
roelcheS für il;n fa)roerer roiegt, al£ bcr Vcrluft eine« nach ben jcjjigen gefc^ 
liehen Vorfchrtften abpfänbbaren ©cgenftanbeS, fo bleibt ihm nach bem tner ge> 
billigten Verfahren unbenommen, biefen ©egenftanb in ber #eit bis 5um Hblauf 
ber in ber fiabung jum ©trafantritt feftgefefcten $rift frcihänbtg ju oerfaufen unb 
oon bem ©rlöfe bie ©träfe ju bejahten. Vei einem folchen freihänbigen Verfauf 
pflegt ein höherer (SrlöS erhielt $u roerben, roie bei einer 3roang8oerfteigerung. 

B. SBenn oottfrrecfbare Gioilforberungen fonfurriren. 

@S fann ber ftall eintreten, ba§ gegen eine Sßerfon, welche ju einer ©elb* 
[träfe oerurtheilt ift, gleichzeitig oon ßioilgläubigern ooUfirecfbare gorberungen 
auf 3flf)luna einer ©umme gcltenb gemacht roerben. £)ic3 macht feine Schwierig,* 
feit, roenn ba£ Vermögen beä Verurteilten ausreicht, um fowobl bic ©elbfrrate 
als bie ßioilforberungen ooll auszahlen, 3ft bic« aber nidtjt ber $all, fo 
fragt [ich, in welchem Verhältnis bie ©elbftrafe unb bic ßioilforberungen au« 
jenem Vermögen $u beefen finb. 3>ie Veantroortung biefer ^rage ift burch bie 
9latur bcr ©clbftrafe gegeben. S)ie ©clbftrafc fod ben Vcrurthcilten in ihrer 
ganjen, burch ©rfennintfe feftgefefcten §öhe, aber auch nur ben Vcrurthcilten 
treffen. 55arau$ folgt, bafj erft alle fonfurrirenben ßioilforberungen ooll bc* 
friebigt werben müffen, che jur S)ecfung ber ©elbftrafe gefchritten roerben barf, 
unb ba§, roenn in ^olge bicfesS Verfahrend bie ©elbftrafe ganj ober theilroeife 
nicht jur ©injiehung gelangt, bie fubftituirte greiheitgftrafe ganj ober theilroeife 
oollftredt roerben mufe. 3)arau8 folgt ferner, bafe jebc 3)ia§regel, bie barauf 
abjielt, bie @injiehung ber ©elbftrafe gegenüber ben Gioilgläubigern bes5 
Vcrurtheiltcn ju fichern, ^auptfächltch alfo bic Äonftituiruna eines $fanb»> 
recht & für bie ©elbftrafe, unbebingt auSgcfchloffen fein mufj. Jcbe Slbrocichung 
oon biefen Äonfequenscn, inäbefonbere jeber 2lbjug, bcr $u ©unften bcr 
einjichung einer ©elbftrafe einem Gioilgläubiger gemacht roirb unb 



21) ©cfonfcerS groß totrt tiefdbe bei ©egenfiänten fein, axldje aum Öcbraud) einer bf 
fhminten ^erfon angejertiat jlnb, 3. ©. bei ItleiDungöftüdcn. 

22) 6. 79. 9tr. 3. be8 ©criebtitoftengefe^e«. 

23) §. 79. 9lr. B. be* <Serid)tStopengc(ctte3. 

24) X ic ^afttofien bettagen in Greußen 70—85 ^ßf. pro Xag, irdbrcnt bet Xaa ^reibeitd» 
jhafe bei bet Unwanbtung bet Äetbfhrafe in eine ^fteibeitaptafe mtnbeften« einet (»elbfttafe »on 
einet Statt gleifbgeadjtet »heb. 



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"Beitrag jut ?ehrc von ber Welbftrofc. ^5 

jebc «eftcUung eined <ßfanbre<Jjt8 für eine ©elbfitafe, enthält eine 
doppelte Ungetechtigfeit. 3)aburcfi werben nämlich erfteno Die 33er* 
urteilten einem Steile ber Strafe, welche fie treffen folltc, ent* 
Sogen unb jweitenS Unfchulbige, nämlich bie fonfurritenben unb 
benachteiligten Gioilgläubiger, oon bemjenigen Steile ber Söc ^ 
ftrafung betroffen, meinem ber SBerurthetlte entjogen ift 

3n ©emäfeheit biefer Slnfd^auuna hat auch ba8 römifche 88 ) unb frühere 
preufeifdhe 9led>t, lefetereS auSbrücflicb fowohl für bcuS ÄonfurSoerfabren* 6 ) al£ 
für baS Damalige nkioritätSoerfahren in ber @refution£inftan$ 27 ) oerorbnet, 
bafj bie ©elbflrafcn ben Gtoilforberungen nachgehen. 

$ie 91. Äonf. D. $at bteS <Prinjip feftgehalten. M ) 

3m entfehiebenen ©egenfafce ^ierju ftef>t ber mehrfach ermähnte §. 495. 
9t 6t. $roj. 0. 

„$)ie SoHftrecfung ber über eine SSermögenSftrafe ober über eine 
&ujje ergangenen ©ntfeheibung erfolgt nach ben Söorfchriften über bie 
«oUfrrecfung ber Urteile ber gioilgertcbte." 

9tuä) nach bem früheren Verfahren mürben, roie bereits angeführt, bie 
©elbftrafen iunä^ft nod> ben SBorfd^riften über bie dretution ber ©ioilertenntniffe 
DOÜjrrectt. SÜSar baareS ö>clö beim 6cbulbner nicht oorhanben, fo mürben anbete 
SkrmögenSgegenftänbe beffelben mit SBefdjlag belegt unb im 2Bege ber 3mang«= 
oerfteigerung oerfauft. ^ene Sefcblagnabme aber gab ben oollftrecf baren ^orbe* 
rangen ber Stoilgläubiger gegenüber fein SBoraugSredjt; bie ©oilgläubiger fonnten 
ber SJefdjlagnarjme beitreten, unb ber 2luftion£erlö$ rourbe im SBege be£ $rio* 
ritätSoerfatyrenS in ber (SrefutionSinftanj oettheilt, mobei bie ©elbfrrafen ben 
Gioilfotberungcn nachftanben. 

©an*, anber« geftaltet fidf) bie Sadje nach ber obigen SBorfchrift ber 
9t 6t. $ro*. 0., meldte bie SJotfchtiften ber 91. <£. $roj. Ö. als majjgebenb 
für bie «ouffrecTung ber ©elbftrafen (nnftellt. 9tacb ber 9t. G. $roj. 0. aber 
(§. 709.) erwirbt ber ©laubiger bureb bie Sßfänbung im ßwangSooUftreefurtgSs 
»erfahren ein 93 f anbrecht an bem gepfänbeten ©egenftanbe. &ie3 Sßfanbrecbt 
gemährt bem ©laubiger im 9?erhältnifj ju anbern Gläubigern biefelben fechte, 
roie ein burch Vertrag erworbenes ^auftpfanbreo^t, unb baS burcr) eine frühere 
^ifänbung begrünbete $fanbte$t gebt bemjenigen oor, welches burch eine fpätere 
^fänbung begtünbet roirb. Sei bem SertbeilungSoerfabren (§. 758. ff.) roirb 
lebiglicb biefe Reihenfolge ber ^fänbungen berüetfiebtigt; für bie ©elbftrafe finb 
fpejieUe 2lnorbnungen nicht gegeben, hiernach gebt ber ^iSfuS, welcher wegen 
einer ©elbftrafe pfänbet, ben ^nbabetn oollftrecf barer gorberungen, welche 
nachher biefelbe 6acbe pfänben, oor, unb es entfielt, wenn bie @toilgläubiger 
nicht hierbei ober auf anbere Söeife ben betrag itjrer gorberung ganj erlangen, 
bie oben bargelegte boppeltc 9tecbtSwibrigfeit. — 3)er ©runb biefer auffallenben 
Abweichung oon ben Sßrinjipien ber früheren ©efefegebung unb ber 91. Äonf. 0. 
roirb in ben 9)iotioen nicht aufgeflart. 2)iefelben befebränfen fia) bei §. 495. 
auf bie Semerfung, bafe eS geboten crfd)eine, einer jum 3wecfe ber Beitreibung 
einer ^ermögenSftrafc ober ^ußc oorgenommenen Stbpfänbung biefelbe üEBirtung 
beizulegen, roie einer ^ßfanbung im @ioilpro^effe. $ie£ tann nach bem hier 
ausgeführten nur in Setreff ber 8ufee unb ber Äoften, nicht aber in SBetreff 
ber ©elbfttafe für richtig erachtet werben. 



25) L 17. D. de jure fisci 49. 14. (Modestinas) In summa sciendum est, omnium ti«- 
caüum poenarum petitionem creditoribus postponi. 

26) §. 476. 9h. L L 50. a. ». O.; §. 84. 9hr. 1. Äont O. 

27) §. 368. %b\. 3. «ont O. 

28) §. 56. 9fr. 3. 



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16 Beitrag pr 8djw oon Der (Mbftrafe. 

§. 4. 3wangSoollftrecfung wegen einer ©elbftrafe gegen anbete 

Sßerfonen als ben ©chulbigen. 

A. ©egen haftbare $erfonen w ). 

3n ber preufeifdejen ©trafgefefcgebung finbet fid) oielfad) bie SJorfchrift, 
bafe für ©elbftrafen, ju benen $erfonen oerurtheilt werben, welche unter ber 
©ewalt, ber Slufftdjt ober im £>ienft Ruberer freien, Sefetere im jjalle toes Un« 
oermögenS ber ^Berurtheilten für haftbar ju erflären jtnb 80 ). SDicfc Haftung 
ift ein SÄut beS (Sioilrcct/tS; ber ©laubiger ift im $alle beS UnoermögenS 
beS ©chulbnerS berechtigt, feine öefriebtgung bei bera burch Vertrag ober ©. 
fubftbtartfch Verpachteten 81 ) ju fuchen. Sei bei ©elbftrafe giebt es aber, wie 
oben aufgeführt, weber einen ©laubiger noch einen ©chuumer. Ter ©taat, 
welchem ein ftorberungSrecht QU f bie ©elbfrrafe nicht jufteht, ift oerpflichtet, bie 
fubftituirte $reiheitSftrafe ju oollftrecfen, um bem ©chulbigen baS ihm gebührenbe 
6trafübel jujufügen. 2Birb bie ©elbftrafe nicht gegen ben ©chulbigen, fonbern 
gegen einen Slnbcrn ooüftrccft, fo wirb eine boppelte Stech tSwtbrigfeit begangen ; 
ber ©chulbtge geht frei au«, unb Der UnfdnUbige leibet, $fi ein Slnberer 
aufeer bem ^erurtheilten mitfchulbig, fo mu§ beffen Seftrafung prinjipaliter er- 
folgen, nicht aber oon bem Unoermögen beS §auptoerurtheilten jur 3 tt &tonfl 
ber ©elbftrafe abhängig gemacht werben. 

SDte fubfibiäre Haftung für eine ©elbftrafe ift bat)er ein unbenfbareS 
3techt«gebilbe; es müjfen bemgemäfe auch olle $erfuche fcheitern, fie juriftifch ju 
fonftruiren, inSbefonberc feftjuftellen, ob fie als eine bebingte SBefteafung ober 
als eine fubfibiäre ßioilfchulb beS haftbaren ansehen ift. 

S)aS neuefte ber Inert] er gehörigen ©efefee, baS ftorftbiebftahlS*©. o. 
15. Bpril 1878 (©. 6. 6. 222) beftimmt in §. IU 

„$ür bie ©elbftrafe, ben äßerthSerfafe unb bie Soften, ju benen $er* 
fönen oerurtheilt werben, welche unter ber ©ewalt, ber 2tuffid)t ober 
im 3)ienft eines 2lnbern flehen unb §u beffen ^auSgenoffenfchaft ge* 
bören, ift Sefcterer im galle beS UnoermögenS Der $erurtt)eilten für 
haftbar ju erflären, unö *war unabhängig oon ber etwaigen ©träfe, 
ia welcher er felbft auf ©runb biefeS ©efefceS ober beS §. 361. 
mv. 9. ©t. ©. 8. oerurtheilt wirb. 
$er §. 361. 9lr. 9. beS 6t. ©. beftraft benjemgen, welcher Äinber 
ober anbere unter feiner ©ewalt ftchenbc ^erfonen, welche fetner 2luf ficht 
unterworfen finb unb ju feiner §auSgenoffenfchaft gehören, oon ber 8eger)ung 
beftimmter Vergehen abzuhalten unterlägt. 

hiernach feheint bie haftbar feit rein rioilrechtlicher s Jtatur ju fein; benn 
als ©träfe wäre fie unbenfbar, wenn ber betreffenbc für biefelbe Untcrlaffung 
gleichseitig unb unabhängig baoon aus §.361. 9lx. 9. ©t. ©. $3. beftraft würbe, 
©egen biefe cioilrechtliche Anficht fpricht jeboch ber zweite 9tbf. beS §. 11: 
„SBirb feftgeftcllt, bog bie 2hat nicht mit feinem 28iffen oerübt ift, 
ober bafe er fie nicht oerhinbern fonnte, fo wirb bie $aftbarfeit nicht 
auSgefprochcn;" 

ferner ber §. 12. bcffelben ®., nadt) welchem berjenige, welcher in ©emäfeheit 



29) S)iefe 2ebre rft meine« SBifienS bisher twber in ben 2ebrbfld>ern bt« ©trafrecbtS, noch 
monograjjbifcb bearbeitet toorben. 

80) Diefe iBorfdjriften finben ein eigcntbümtidjeS «natogon im älteren römifeben (ronra- 
lifeben) Wecbt, nacb welchem bie «Kenten bie «elbftrafen ibrer jablungäunfäbigen Patrone ent» 
rifbten mußten. Dionys, öon Haliearnas« lib. 2. cap. 10: nv( di ntlämt tdtT, . . . . 
u OTUxyiQouv ol nariqK x9^M" nat ' • • • tl/**«t öqköyntv fyuooias aqyvQtxoy ijovaas rifutpa 
ix 1MV idiatf kvta9at xi>1 Liaju,y - 

31) ©o läßt ba« A. m. unter Umftfinben ben ©ebottmaebtigten für ben bur* ein 8et^ 
feben be« $tad)tgebcr8 ennlanbenen 6cbaben fubfloiarifdj baften. 



Beitrag aur &I>re uon ber ©elbfrrafe. 17 

bes§. 11. haftet, äut3af>tottg ber ©elbftrafe unmittelbar oerurtheilt wirb, wenn 
ber Ztyättx baS jwölfte fiebcnSjahr nod^ nicht ooDenbet fjat ober wegen Unju* 
recb^ungSfähigjfeit ftraffrei bleibt 31 ). 

9iach biefen ©eftimmungen, inSbefonbere nach ber beS §. 12., meldbe bie 
prinzipale SSerurt^eilung ber nach §.11. haftbaren $erfonen oorfd^reibt r fdjeint 
biefe ipaftbarfeit einen pönalen Gtjarafter ju (mben. 3n biefem ©imte fpridjt 
Fia) auch ber treffliche Kommentar oon Detf cblaeger unb 93ernharbt M ) auS: 
„$er gefe&geberifdje ©runb ber öaftbarfeit rufjt in ber SBermuthung 
einer Äoraplicität beS ©ewalthaberS mit bem ^auptfcfmlbigen. 
SDie £aftbarfeit ift als ©träfe aufouf äffen." 
$)ann enthalten aber biefe Seftimmunaen, inSbefonbere bie beS §. 12. 
einen offenbaren Söiberfpruch mit bem ©runbfaft „non bis in idera". 2)enn ba 
naa) bem SBortlaut beS ®. bie Seftrafung aus §.12. ebenfo nrie bie ^aftbarleit 
au& §. 11. unabhängig oon ber ©träfe auSjufpredjen ift, bie ben haftbaren 
aus & 361. 9er. 9. St. ©. 8. trifft, — ba ferner bie #aftbarfeit aus §§. 11. 
unb 12 be£ gorflbiebfiahlSgefefceS nur bann eintritt, wenn ber haftbare bie 
3^at ni#t oerhinbern fonnte, — unb bie ©träfe beS §. 861. 9tr. 9. ©t. ©. 33. 
benjenigen trifft, ber cS unterläßt, bie feiner ©cwalt unterworfenen ^erfonen 
oon ber Segetjung berartiger ©traftbaten abju^ alten, — fo werben fner jwei 
Dcrfa)iebene ©trafen für ein unb biefelbe, in einer Unterlaffung beftehenbe lieber* 
ttetung oerljängt. 

$a3 3agbpoli$eigcfe| oom 7. 2Jlärj 1850 (©. ©. ©. 165) bejtimmt 
in & 19: 

# „2öcr jur Begehung einer ^agbpolijei'llebertretung fia) feiner 2ln* 
gehörigen, SDtenftboten, fiebrlinge ober Tagelöhner als $lieilnet)mer 
ober ©ehülfen bebient, baftet, wenn biefe nicht zahlungsfähig fmb, 
neben ber oon ihm felbft oerwirften ©träfe für bie oon benfelben 
ju erlegenbcn ©elbftrafen unb ben ©chabenerfafc." 

Sleljtilic^ baS ftifcheretgefeft oom 30. 3Jtai 1874 (©. ©. ©. 197.) §. 52.: 
„2öer jur 93eaef)ung etner burdj biefcS @. mit ©träfe bebrofjten 
Uebertretung ftd^ femer Stngehörigen, ©ienfiboten , Sehrlinge ober 
Arbeiter als ifjcilneljmer beoient, baftet, wenn biefe mcj>t jahlungS* 
fällig finb, neben ber oon ifjm fclbft oerwirften ©träfe für bie oon 
benfelben 3U erlegenbcn ©elbftrafen." 

$a biefe beiben ©efefce bie als haftbar bezeichneten ^erfonen noch aufcerbem 
bic fonft oerwirften ©trafen erletben laffen unb Seftimmungen in ber Hrt beS 
§. li. 3lbf. 2 unb §. 12. beS ftorftbicbftahtSgcfefeeS nicht enthalten, fo mufe bie 
tfatur ber £aftbarfcit in biefen beiben ©efefcen als eine mefentlich cioile angefehen 
werben. 

S)te praftifdje Durchführung ber #aftbarfeit im ©trafoolljtrecfungSoer* 
fahren ift in ber preufeifehen ©efefcgebung in feljr oerfdnebener 28eife georbnet. 

3)aS bereits ermahnte gorftbiebfiahlSgefe^ befhmmt in §. 13.: 
„Sin bie ©teile einer ©elbftrafe, welche wegen UnoermögenS beS 
Serurthcilten unb beS für haftbar ©rflärten nicht beiaetrieoen wer- 
ben fann, tritt OJcfängnifeftrafe. ©iefelbe fann oollftrecft werben, 
olme bafe ber 35crfuch einer Beitreibung ber ©elbftrafe gegen ben 



32) <Wid?t »öüifl äutreffenb ifl c8 f wenn S)alcfc, ©trafrccfjt unb ©traforojejj @. 506 
iJtnm. 41 jagt: „SJorauflfctjung ber ^aftbarteit ift alfo biet (im §. 11.) bic SJerurttietlimg, unD 
au$erbem tritt fte nur c»cntuctt ein, »äbrcnb fie im gfalle beS §. 12. für ben ^all ber iyrei* 
\prcd)ung ctntriU unb eine prinji)>ate ift." yn §. 12. tritt Die ipaftbarteit ntebt nur für ben 
Jali ter ^reifpreebung ein, fonbern audf für ben ftafl, bo§ gegen t>cn Später wegen ©trafun- 
münbigteit gar nid)t »erfaßten »erben barf. 

33) 5RoL 3. 3U §. 11. 

«r*it> 188a 1. $eft- 2 



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13 Seitrag jur St-tjrc oon bcr ©dbftrafe. 

für haftbar @rflärten gemalt ift, fofern beffen 3af)lung$unfäf)igfeit 
geric^tsfunbig ift" 34 ). 
£iernaa) pngt oon bem sufäHigen Umftanbe, ob bcr haftbare Vermögen 
l;at, ober nia)t, bic ©ntfdfjeibung barüber ab, ob bcr Sdjulbi^e bie oerbiente 
Strafe leiben, ober aber frei ausgeben foü*. Srofcbcm ifi biete Siegelung ber 
SJoHftredung oon allen bie §aftbarfeit anorbnenben Öefhmmungen bie am raeiften 
facbgcmä&e. 

SBäfjrenb näralid) ba£ ^ifdjereigcfefc unb baS Sagboolijeigefefe über bic 
SÖollfrrccfung beim SBorbanbeniein haftbarer $erfonen aar (eine Sßorf Triften 
enthalten, befttmmt bie ^elbpolijeiorbnung in §. 49. 2lbf. 2. golgenbeS: 

„Äann bie ©elbbufee gegen ben etgentlia) Sa)ulbigen md)t oollfirerft 
werben, fo fic^t bcr SBcl;örbc frei, naefy ibrem Gmneifen entroeber bic 
©elbbufjc oon jenem fubfibiarifa) bafür oerpffia)teten ^erfonen ein* 
jujie^cn, ober mit SBerjtajtung hierauf bic im $atte be£ UnoermögcnS 
an bie ©teile bcr ©elbbu&e tretenbe ©cfängnifjftrafe ober ©trafarbeit 
an bem 93erurtf)ctlten oollftrerfen ju laffen." 
$icrnacb ift eS für ben ftaU beS UnoermögenS beS Sdjulbigen in baS 
ßrmeffen ber StrafooUftrecrung£be()örbe geftellt, ben Sajulbigen bie oerbiente 
Strafe erbutben, ober ihn frei ausgeben ju laffen, unb einen möglid&erwcife 
ganj ttnfdjulbigen (bic gelbpolijeiorbnung ocrlangt jur Statuirung ber §aft* 
barfett bie 9)iitfdmlb bc3 haftbaren md;t) bcr Strafe ju untertoerfen. GS ift 
nidjt erftebtlid), meldte Momente bcuS ©efefc für geeignet eradjtet, um baS „@r* 
meffen" ber #efjörbe nad) ber einen ober ber anbetn Stiftung cntfd)eiben ju laffen. 

hiermit ift jebod) baS 3Jtafe ber ftcfjlgnffe, weld>e bie preufeifdje.. ®ef% 
gebung in biefer sDJaterie begangen bat, nidu erfa)öpft. 

$aS 3ollftrafgefefe oom 23. San. 1838 1 fa)reibt in §. 19. 3lbf. 2. 
golgenbeS oor: 

„Ser 3olloerwaltung bleibt in bem gaUeJ, wenn bic ©clbbufjc 
oon bem 2lngefd;ulbigten nia)t beigetrieben werben fann, oorbcljalten, 
bic ©elbbufje oon bem fubfibiartfq SSerfjaftetert einjujic^cn ober ftatt 
beffen unb mit Seräidjtung hierauf bie im UnoermögenSfaHe an bie 
Stelle bcr ©elbbufcc tretenbe $rcihcitsftrafe fogleia) an bem Inge* 
fdntlbigtcn oollftrerfen ju laffen." 
(Sbcnfo §. 3. beS ©. oom 21. Sept. 1860, betreffenb bic 2lbänberung 
beS SBranntwctnftcuergcfcfceS oom 8. ^cbv. 1819, too bic Steueroerwaltung 
biefclbc Stellung einnimmt, toie nad) ber obigen SBeftimmung beS 3°Uftrafgefe&e£ 
bie 3olfoerwaltung. 

•Jtaa) beiben ®efefceSoorfd)riften roirb bie ^cfugntfe, welche nacb bem oben 
angeführten Sßaragrapben ber ftelbpolijeiorbnung bcr StrafoollftrccfungSbcljörbc, 
alfo einem jur SRealiftrung beS 9Ua)tS jur 2luSübung ber ftaatlid>en Straf* 
gemalt mitberufenen Organe beS Staates pflegt, einer ginanjbeljörbc ein 
geräumt, bie lebiglid) ben ^ntereffen beS ftiSfuS 3u bienen beftimmt ift. £)ic 
oon bem möglicberroeife unfdjulbigcn S)rittcn ju jablenbc ©elbfrrafe unb bie oon 
bem Sajulbigen ju oerbüfjenbe ^reibeitSftrafe werben l)ier als jtoei gleichwertige 
s J)tobalitätcn ber Seiftung auf ein bem Staate juftebenbcä ^orberung«rccfjt be* 
banbclt 35 ). SBä^renb aber bic ©elbfrrafe n>emgftcn3 äufeerlia) als eine foldf>c 
Seiftung crfa)eint, fo ift bieä bei ber $reu)eit$ftrafe feineSmeaS ber ftafl. (£ö 
burfte bal;er einer ^inonsoebörbe jene 6ntfo)cibung o^nc 2lufftcHung oon bc 
fonbem 9iormatiobefttmraungcn fa)on bcS^alb nid^t übcrlaffen werben, roeil für 



34) 9?id)t bewuttetcu ift bcr «nft^t von ©aide, ireLtcr a. a. O. Änm. 46. bem ge- 
bauten fa^t: „®e()en bat $erurtt)eitten mug ber 93erfuA ber Veitreibutta. cjemadöt n>erbcn, 
.K{icu ben haftbaren nia)t." s .1ud) qegen ben haftbaren mujj nad) bem SBortlaut bed §. 6. bcr 
iBcitreibung*toerfud) jteti gemalt »erben, außer wenn feine ö a ^ u «aSunfab,tgteU notorif5) ifl- 
36) lögt, bie in §. 1. be8 erften beitrage« befprodjene .frcin&c'fäe 2t)eorie. 




Beitrag jut ?eb,re toon Der ©einträfe. 19 

eine foldje $3er)örbe bic (Sntfdjeibung jwifd&en ber SBoUfrrccfung ber ©elbftrafe, 
reelle bera ftisfus 93ortbeü, unb oer SoUfrrecfung ber $retbeitsftrafe, welche 
ihm 9iad^t^eil bringt, ohne s Jtücfficht auf ben einzelnen %a\l von oornheretn ge- 
geben ift. 

2113 Stefultat biefer Erörterung mufj bemgemäfc ber Safc aufgefteüt werben, 
bafc bic fubfibiarifche Haftung für ©elbftrafen überhaupt ju uerwerfen ift. 6ie 
ift ebenfo wenig julafftg, wie bie fubfibiarifche Haftung bei greibeitsftrafen. 
&uh ein prattifcheS Sebürfnife liegt bafür nicht cor; bie burchaus fachgemäße 
Sefhmmung bes §. 361. 5Rr. 9. genügt pollfommen. 

3n ehter Abbanblung über bie Vererbung reebtsfräftig erfannter (Mb* 
faafen 36 ) erjählt 20 alt her folgenben SKecbtsfall. 211s in einem chtneftfcb» 
frarQöfif^en Äriege bie fean^öfifc^e ©efanbtfchaft ben Sßeifjo ^inauffubr, würbe 
ein frau$öfifcber 3Ratrofe uon einem (S^inefen ermorbet. 3)er aJtörber würbe 
arretirt unb nun £obe oerurtheilt. S)a erfaßten bei bem ©efanbten eine 3)epu< 
tatton au« bem £eünatbsborfe bes 6t)inefen unb [teilte if)tn einen alten 3Jcann 
als 6tellrjertreter jum ©traftwUpge »or. $er SJerurt^eilte fei ein junger 
2Rann, ber eine SRutter burch feine Arbeit ernähre, unb es werbe bem ®e* 
lanbten wohl gleichgültig fein, ob ein alter ober ein junger SJtann hingerietet 
werbe. @s würbe jebod) biefes Anerbieten ebenfo wie ein weiteres, jwei alte 
Männer anflatt bes jungen jur Einrichtung ju ftellen, feiten« ber franjöfifdjen 
©efanbtfchaft abgelegt. 

9Jtit s Jtecbt wirb ber 6afc bes djmefifchen Rechts, beffen Anwenbung im 
Dortiegenbcn $alle oerfud&t woröen war, — bie 3uläffigtcit ber ©telloertretung 
bei ber ©trafooHftrecrung — feitens ber beutfajen @trafred)tslebre gemifjbilligt. 
Stefclbe 3fttfebtUigung mufi aber mit bemfclben Stecht gegen bie fubfibtare Haftung 
für ©elbftrafen gcridjtet werben. 

$n ber ©efefcgebung fommt aufjer ber «Subftbtarhaft juweilen nodj eine 
Soltbartjaft für ®elbftrafen oor. 6o beifct es in §. 23. bes ©efefces, betreffenb 
bie ©eftcuerung bes ©ewerbebetriebess im Umherziehen, oom 3. 3uli 187G 
(®. 6. 6. 287) §. 23.: 

„SBirb feftgeftcüt, bafe bie in ben §§. 18—21. bezeichneten firaf baren 
£anblungen im Auftrage unb für Rechnung einer anbern $erfon 
ausgeübt fmb, fo ift gegen ben Auftraggeber auf bie gleite 6trafe, 
wie gegen ben Beauftragten su erlernten, unb haften beibe folt* 
bartfdj für bie ©trafbeträge, bie Äoften unb bie vorenthaltene 
©teuer." 

3)cr code p£nal läjjt im Art. 55. ganj allgemein ben $auptthäter unb 
$chülfen folibarifch für bie oerwirfte ©elbftrafe haften. 

®icfe 6olibarhaft ift eben fo ocrwerfHcb, wie bie Subfibtarhaft. 2>as 
A Jlafc ber jebem $h^ n eh m er auftuerlegenben Strafe ift lebiglich nach feiner eigenen 
Serfdhulbung, nicht aber nad; ber größeren ober geringeren 3ahlungsfätngfcit 
ber anbern Sheünehmcr 3 U bemeffen. 

Sehr treffenb fagt Diolan 37 ) in ber 93efprea)ung bes erwähnten 
Art 55.: 

„Rendre ces derniers (.ftauptthäter unb ©ef)ülfen) solidaires meine 
quant au payement de Tarnende, pour un criminaliste, c'est abso- 
lument comme si on les rendait solidaires meine quant ä la reclu- 
sion ou ä remprisoimement prononces, de teile sorte que, quelques 
uns s'ätant soustraits a ces peines, celui qui reste fut oblige de 
les subir pour eux. Peine corporelle ou peine d'argent, d^8 qu'il 



SS) ®txim\aa\ tion 1867 ©. 26a 3Jflt. ben folgtnDen «betritt. 
37) Elements de droit penal. 4. Sluägabe öon »omtiet. $<m3 1875 »t). 2. 6. 190. 
% 1584. 

2« 



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20 »citrag 3Ut ?ebrc öon bei ©etbfrrafc. 

s'agit d'une peine, eile doit etre exelusivement proportionn6e a la 
culpabilite* de chacuii, et par consequent personeile." 

» 

B. StrafooUfrrecfung gegen bie ®rben beö Serurtyeiltcn. 

SBon bem Safte, bafe bie Strafe nur gegen ben Sd&ulbigen noHftrecft 
werben barf, Ijat bie ©efefcgebung unb tfjeilwetfe audb, bie Sbcortc eine 
weitere tenafyme fiatuirt, nämud) bie Vererbung redjtssfraftig erfannter 
©elbftrafen. 

S)ie römifdfje ©efefegebung fennt eine Vererbung von $ermögenSfirafcn 
nur bei ber wegen $od0öerratt)3 (crimen majestatis) erfannten ©üterfonftö* 
fation. 38 ) Jpier würbe ftc felbft für noaj ntdit ret^töfräftige 39 ), ja fogar ftlr 
noa; ntd&t erfannte 40 ) Strafen uorgef daneben. 3)iefe Scftirnmungen tyaben in 
ber befonbcrS ftrengen, »on unferer 2lnfdf)auung wefentlidj uerfdnebeneu 33eur* 
Teilung i&ren ©runb, weld&e baS Strafredjt ber römifd&en Äatfcrjeit bem £ocf^ 
uerratf) *u SDjeil werben läßt. 4 ') Sei anbern Straftaten fajliefjt bog römifdje 
Ärimtaalred&t bie SBererbltcr)fcit ber nod& ntdf)t erfannten 4 *), wie ber erfannten 
Strafe 43 ) unbebingt au£. 

2>a3 Sßrinjip ber Unoererbtid^feit aller Strafen ftnbct fidD femer im 
fanonifd&en Siedet 44 ) unb im Sadftfenfptegel 45 ) auSgefprod&en, olme bafä für bie 
©elbftrafen eine SUuSnaljme gemacht würbe. 

SlnbcrS bie neueren beutfdfjen Sßartifulargcfcfcgebungcit. 3m 2Infa)lu& qu 
bie Slnfid&t ber meiften gemeinrecf)tud(jen *praftifer 4,! ) laffen fte wofjl fämmtüd) 47 ) 
bie redjtSfräftig erfannte ©elbfrrafe auf bie (Srben übergeben. 

3$nen fdljlofe fid) ber ©ntwurf eines Straf gefcjjbudfjeS für ben norb* 
beutfdjjen 33unb in §. 27. an; bie betreffenbe 93efhmmung würbe im ^Rcic^Stagc 
nadj einer eingef)cnben Debatte, 48 ) bei welker Ijauptf ablief) ber Sunbeäfommtffar 
Dr. ftriebberg unb bie Slbgeorbneten SBagner (SUtenburg) unb u. $ennig 
aU «ertfjeibiger, bie Stbgeorbneten Dr. SR et) er (3:r)orn) unb n. Sßuttfammer 



38) L 20. D. de accu8ationibu8 ot inscriptionibns (48,?.). 

39) 1. 3. C. 8i pondontc appcllationc mors intervencrit (7,66.). 

40) 1. 11. V. ad legem Juliam mnjestatis (48,4.). 

41) 3)icfc§ ©trafreebt läßt bei derartigen Skrbredjcn ber (ittern außer ber ©ütcrfonftSfatiou 
aud) nod) anbere 9icd)t8nad)tbeilc für bie Ätnbcr entfkbcn, 3. bie Unfäbjgteit jum SJcnnögens^> 
errcerb burd) (fcrbfcbaft (1. 5. §. 1. c 9,8.). hieraus gebt and) f)en>or, baß Die 35ermi5gcnS= 
tonftetation nid)t auf (Bnmb ber rittilre<ötliti>en Snfdjauung t>on einer auf bie ©rben überge • 
gangenen ©djulb an ben 2fi3tu§ »erbängt nmrbe, fonbern ' aus bem trintinalred)tud)en ©eftdVt«« 

S' untte ber «eftrafung ber Äinber für bie ©cbulb tyrer ttltcrn, tr-eldjer ftd) aud) im 2Kofaifd)cn 
ledjt unb nod) im IL ?. fö. (§. 95. I. 20.) finbet 

42) L IL D. 48,4. (Ülpiauus): „Is, qui iii reatu decedit, integri «talus decedit; extinguitur 
enlm crimen mortalitate, nisi quis majestatis rcus fuit" 

43) 1. 20. D. de poenis 48,19. (Paulus). Si poena olicui irroguhir, reeeptum est com- 
menticio jure, nc ad heredes transeat, cujus rei illa ratio videtur, quod poena constituitur in 
emeodationem hominum, quao mortuo eo, in quem constitui videtur, desinit. 

44) Can 6. Caus 1. qu 4.: Crimen vel poena patcroa nullam maculam filiis intligero 
poteat. Namque unuaquisque ex auo admisso sorti subjicitur, nec alioni crirainis successur 
conBtituitur. 2Ründ>en, tan. 8trafred)t (ÄÖln, 1874) <g. 97. 

45) II. 17. §. 1.: Die sone antwerdet vor den vader nicht; swenne he «tirft, avat so he 
ungerichtea hevet gedan. 

46) SBgl unten. 

47) @o bie @trafgefc<?bü£ber von ©aiern 1813 «rt. 138., 18G1 «rt 91., Oftenburg 1814 
«rt. 143., @ad)fen 1838 «rt. 14., »raunfAtr-eig 1835 §. 67., ö<mito»er 1840 «rt 87., iQt\\t\x - 
SDarmftabt 1841 SCrt. 123., 9iaffau 1849 Slrt. 122., Thüringen 18CK) »rt. 68., Greußen 1851 
§. 20., @äd)f. 8t. *roj. O- 1855 «rt 424. 

48) @ten. »er. 0. 1870 ©. 201 ff. 



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SBeitrag jur Sefjre »on ber ©elbfirafc. 21 

(grau (labt) als ©erntet ber Vorlage auftraten, angenommen unb bemnäd&ft 
juin ©efefc erhoben. 49 ) 

2>aS öfterrei<f)ifdje ©trafgefefcbudf) von 1852 enthält in §. 527. fotgenbe 
jroeifelfwfte ©cfrtmmung: 

„55er Xoo be$ ©d&ulbigen Ijebt alle UnterfudEjung auf, unb wenn 
bereit« ein Urtbeil ergangen ift, audj alle Sßtrfung beffetben, aujjer 
infofern baburdp auf Erfafc ober Entfd&äbigung erfannt roorben." 
tiefer $"ßaragrapb ift oon einzelnen ©df)riftfteü'ern so ) $u ©unften ber Un* 
Dcrcrblid^feit re$tSfräfttg erfannter ©elbflrafen ausgelegt, amtli<$ jebodj im 
enigegcngefc&ten 6inne interpretirt roorben. ©ine Verfügung beS ^u|h> 
nrnnftcriumS com 3. Slpril 1859 5I ) fprid(jt fi$ barüber folgenbermafeen au£: 

„Ueber entftanbene «Sroeifel ro* 1 * 0 * n 5°^9 e Sltler^öd^fler Entfa)lie&ung 
oom 30. 9J?är$ 1859 in Erläuterung ber befieljenben ©efe§e erflärt, 
bafe alle, . foroofcl in bem allgemeinen ©trafgefefcbudf)e als tn anbern 
©efefcen oerbängten ©elb* unb übrigen 33ermbgenSflrafen auf bie 
Erben bcS ^erurtbctlten übergeben, roenn ber %ob bc£ fieberen 
erft nad) eingetretener 9ted&t£fraft be£ ©traferfcnntniffeS erfolgt." 
$er franjöfifAe Code pönal fdjroetgt M ); ebenfo ber neue englifdEjc 
(rntrourf. S)er belaif dfje Code penal fd&liejjt bie Vererbung rcdfjtsfräftig erfannter 
©clbftrafen auSbrüchia) aus bagegen haben Defterrcicr) unb Italien nad& 
racbrfndfjem ©d&toanfen in ben meine« SBiffenS neueften Entwürfen bie Sßererbung 
beibehalten. M ) 

$n fepr oerfajiebcner 2Seife I;at man ocrfudfjt, bie Vererbung recbtSfräfri«. 
erfannter ©elbfrrafcn ju redjtferttgcn. 

3iUefiuS w ) behauptet, bie ©traffumme gebe fdfjon mit bem Urtbeil in 
baS Eigentum bcS ftiSfuS über. 2)iefc 2luffaffung ift aber audfi cioilifiifd") un* 
haltbar. 2)aS Eigentum einer inbioibucU beftimmten ©adje fann, roie bei ber 
ßonfi&fation einzelner ©egenftänbc, bureb Urtfjeil bem ©a^ulbtgen endogen unb 
bem RiSfuS erworben roerben; bei einer ©clbfumme ifl bieö unmögUqS, weil 
eine jold)e oor ber roirflid&en B^lung nodlj nia)t als eine beS Eigentums fähige 
eaa)c inbioibuolifirt ift. 

Eine äbnlicbc, aber oorftdfjtiger gefaxte Argumentation braute ber 2lb* 
georbnete oon ,§cnnig in ber oben ermähnten 9tcidf)StagSocrb«nblung oor. 3)ic 
(Srben beS SBerurtbeilten, fagte er, bitten gar fein 3lnrea^t mebr auf ben burdfj 
bie Strafe oenoirften SßermögcnSbeftanbtbetl. 2tber auä; bie« ift nitbt fttd^baltig. 
35ie Erben haben ein 2lnrcd)t auf ben ©traf betrag ebenfo roie auf jeben anbern 
%il beS 9ta$laffeS. 2>er ©trafbetrag roirb Urnen allerbtngS aueb bann ent* 



49) 8. 30. 3n ben 9?ad)lap lann eine ©cttflrafe nur bann eoUfiretft werben, wenn baS 
Urtbeil bei «breiten be3 Serurtödltcn reebtölräftig geworben ift. 

50) ©o ®eöer in biefem Ärcbit» 55b. 13. 161—163.; in Sejug auf ben wefentlicb 
3le^(autcnben §. 271. Xb. n. beö ©t ®. ». »on 1H03. @cari in ber 3tf*r. f. Öflr. «cdjtS- 
^lefirfamfeit (18.m) II. ©. 247. fßiniwartcr Äommentar UI. ©. 32. fterbf* ^anbbueb 
». S. 269. 

51) Defrr. 9J. ®. »I. 9ir. 52. 

52) Jebodj i>at fi£b nad) ber Angabe »on ^tie (trait^ d'instruction criminelle DDL ©. 515) 
ber $arifcr ÄaffarionStjof jictä gegen bie Sererblidjteit auägefbrodjen. 

53) Ärt 86. Les peines prononc^e« pnr des arreu ou jugementa doventu irrcvocable» 
s'öteigncnt par la mort du condamnö. 

54) ®er Öflcneia)ifd)c Entwurf ben 1863 folgte ber bcrrfd)enben «nficb.t; ber toon 1867 
fctrloB bie »ererbung auö; ber neuefte ^at bicfclbc in &. 29. wieber aufgenommen. 2>er italienifc&c 
<httttnrf »on 1867* fdjticb ben Uebergang auf bie (rrben »or; auf ben Xabet mehrerer Ärimi- 
naliften, namentlicb »on (Sarrara, ließ ber (Entwurf »on 1869 biefe 3Befiünmunq fallen: ber 
wm 1874 bat fie in Brt. 103. wieber aufgenommen, unb *war, wie bie 9Jiori»e @. 97 anbeuten, 
befonberS mit «üeffiebt auf bie glcicbe »brfd)rift beS beutfdjen 9t. ©t ®. ». 

55) a. a. O. ©. 158. 



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22 Seürag jur £et>« bon ber Oklbjttafe. 

Bogen, roenn ba« UttfjeU bei fiebjeiten beS ©rblafferS ooUftretft roirb; in biefem 
tfalle ifi abet bic (tntjiehung eine bloße Steflerroirfung ber gegen ben 
Schulbigcn erfolgten Strafe oilftrecfung. 

$)erfelbe ©ebanfe, ben ber Slbgeorbnete oon £ennig im Reichstage xum 
2luSbrucf braute, mag auch einem ber angefefyenften Strafred)tSlehrer ber 9ceu* 
seit, Äöftltn, oorgefchroebt haben, als er in feinem Softem beS StrafredhtS M ) 
(ich boljtn auSfprach, baß bie Strafe als noch bei Scbjciten beS Schulbigen ooll* 
ftretft gebaut werben muffe. %n ber oorliegcnben gorm erfcheint baS Argument 
aber burchauS oerfetjlt; roenn bie Vollftrecfung als bereits gegen ben Schulbigen 
gesellen fingirt roirb, fo fann fic nicht noch einmal gegen beffen (Srben ooH* 
fireeft roerben. 

®ie meiften Vertheibiger ber Vererbung rechtfertigen biefelbe burch bie 
Vchauptung, baß bic ©clbftrafe burd) baS Urteil fich in eine ©elbfchulb oer 
roanblc, bic auf bem Vermögen bcS Uebcltl)äterS lafte. 

So fagt 3lbccjg s7 )r bic Unmöglidtfeit ber Vollftrecfung eines X^eilS ber 
Strafe rocgen $ob lunbere nicht bic (Mtenbmachung bcS übrigen Xtyitä bc5 
Urteils, 5. V. in Anfehung ber VermögenSfirafen, roclche als Saften bcS 33er* 
mögens oon ben (Srben getragen roerben müffen. 

gtroaS abroeid&enb äußert ftd) Beuerbach roeld&er roemgflenS in ber 
ormulirung ben G&araftcr ber ©clbftrafe als einer öffentlich rechtlichen Strafe 
fyuhaltcn fudjt, baljin, baß bic Strafe auf bem Vermögen bcS UcbclthäterS als 
öffentliche Sd&ulb lafte. 

Ausführlicher §aeberlin M ). 

„SDurd; ben £ob erlifcht baS Verbrechen, roenigftcnS inforoeit eS $urü<f- 
roirfen fönnte, b. h- & roirb baburch bie Strafbarfeit getilgt, weil 
ber jenige, ber allein ftrafbar, bem irbifdjen dichter entjogen i(t; bahet 
hebt ber £ob bcS Verbrechers jebe, fclbft bic bereits erfanntc Strafe 
auf, forocit fic gegen bic $erfon gerichtet ift. 2lnbcrS bei ben Ver* 
mögenSfirafcn. SDiefc finben auch felbft nach bem Stobc bcS Verbrechers 
noch einen ©egenftanb ber ©refution in beffen Vermögen, ba baffclbc 
auf bie Grbcn nur de dueto acre alieno übergeht. 3 U c * nct au f 
bem Vermögen h<iftcnbcn Schulb roirb aber bie ©elbftrafe in bem 
3lugcnblicf, in roelchem baS biefelbe auSfprechenbc ßrfenntniß rechts* 
fräftia,, b. h- uollftrecfbar roirb. hieraus folgt, baß bie bereits bei 
£ebjetten bcS Verbrechers rechtzeitig erfannten nicht altcrnatioen 
©clbftrafen oon beffen erben aus feinem Nachlaß getragen roerben 
muffen." 

^cimlich Vcrncr 60 ). 

„$aS redjtSfräftige Urtheil (jat biefe ©clbflrafen fdron bei Sebjcitcn 
bcS Verbrechers auSgcfprodjcn unb fic bamit 5U einer (Mbfdjulb 6I ) 
gemacht, bic auf bem Vermögen beS Verbrechers laftet." 

$ie Vejcidjnung ber ©elbfirafc als einer ©elbfchulb finbet ftd) auch " l 
Den SHottoen $u § 27 beS ßntrourfs eines St. ©. V. für ben norbbcutfdjen Vunb: 
„Gine ©clbfdmlb, bic aus einem Vcrbrcdjen (!) entftanben ijt, barf 
uor anbern ©clbfchulbcn nicht prioilcgirt fein.'' 



5G) §. 126. 0, 475. 

57) i'cljrlmd) §. 175. 

58) ücfitbüd) 14. «ufl. §. 139. 

59) tÄrunbfäfoc SBD- I. Q. 181. 

<?o) ©traft. 10. «ufl. ©. 310. (tfatfo in ber Äritit beS Worbb. ©traf«,, entw. ©. 15. 
Gl) ^it ben ftüljcren «ufl. (tot ber 5.) fteltf ftott „®elbf*ulb" baö' bur* qefpenten 
Erucf l)«roorfl€tfobcne SBort „ISicUfdjulb". 



Beitrag anr Se^te toon ber Gfctbfrrafe. 23 

3m 3lnfd>luf? an bie ©erner'fdje ftormulirung erflärte bcr SBunbeS* 
fornraiffat Dr. griebberg in bcr ermähnten 9teiä>8tag3»erf)anblung, „bic (£rben 
Ijätten nur bic folgen baoon ju tragen, bafj iljr (Srblaffer ttjnen ben -Jiadjlafj 
mit biefer Sdmlb belaftet fjabe." Zloty ftärfer mürbe ber angebitdj cimlifttfd£>e 
(ibarafter ber ©elbfrrafe in jener 33er^anblung non bem 5lbgeorbneten Söogner 
(2ltenburg) betont, meld&er e8 für ben ©runbgebanfen ber ©elbfrrafe erad)tet, 
bafc bem SJeftraften eine iljn emnfinblidj treffenbe Git>tlfd)ulbüerbtnbltd)fett 
auferlegt werbe; bie ©elbftrafe muffe b<u)er nadj cioilen 9tücfftcf)ten befjanbett 
verben. 

3>er ©ebanfengang &aeb er UnS finbet ftä), jebod^ in etgentljümltdjer 
?ointirung, in ben 3Jiotn>en ju bem italientfd)en Strafgefe|bu$*@ntrourf 
D«m 1874 roteber. 6$ Reifet bort: a ) 

„E questione molto dibattuta tra gli scrittori di cose penali, se per 
la morte del condannato estinte anche le pene pecuniarie pronun- 
ziate con sentenze divenute irrevocabili prima che il condannato 
cessasse di vivere. Vogliono alcuni ß3 ), che, morto il colpevole, piü, 
non si posso agire sopra i suoi beni contro gli eredi tra gli pel paga- 
mento delle pene pecuniarie, perche „poena non excedit personam," 
e la persona colpita della pena non e piü. Ma altri pensano, che 
sia da distinguere tra le pene afflittive, che veramente sono 
personali, perche colpiscono la persona del condannato, e le pene 
pecuniarie, che cadono snl di lui patriraonio e costituis- 
cono una passivitä dal momento, in cui la condanna c 
divenutaesecutoria, ne puö dipendere dalla niaggiore 0 miniore 
sollecitudine degli agenti de fisco nel promoverae la riscossione, il 
far si che la pena venga 0 non soddisfata." 

SMefe @intf>eiluna ber Strafen in affliftioe (ober uerf online) unb 
pef uniatre ift jebod) unhaltbar. 2)enn affliftio, baS fjetfet ber $erfon beS $t>äterS 
cm Uebel jufugenb, finb alle Strafen Untern 3me(f na $; al5 pefuniair ift 
eine befrimmte Strt oon Strafen nadj bem ÜJiittel ju bejetclmen, bura) melc&eö 
jener Qmtd Der UebelSjufügung realifirt rairb. 

Sitte l)ter mitgeteilten Ausführungen miberlegen fidr> burd) bie Sbatfadje, 
bafc bie ©elbfrrafen roeber oor nod& nad) ber 9fted)t3fraft beS Urteils ©elbfdmlben 
nnb unb bafjer aud) ntdjt auf bem Vermögen beS UebeltljäterS laften fönnen. 
25ie ©elbfrrafe foU ni$t baS Vermögen beS tlebeltbäterS aU foläjeS, fonbern 
feine $erfon' treffen, fomeit fie Subjeft non 2$ermögen3red)ten ift, 
baS Vermögen alfo nur infomeit, als burd) bie «ermtnberung beS 
Vermögen« bie ^erfon beS <©df)ulbigcn getroffen wirb. 

HRerfiuürbig ift cS, bafj fomo&l SBerncr M ) als bic Sftottne beS ttalienifdjcn 
ßntmurfS auf bie lanbeSljerrlidfe ©nabe nerroeifen, „che e una delle piü belle 
prero^ative della Reale corona'% welche burd) (Srlafj bie in jener Scftimmung 
für bic erben liegenbe $ärte befeitigen fönnc. SMefe ^erroeifuna erfdjeint un= 
juläffta.. S5enn im ©nabenmege fann ber £anbeSl)err rool)l Strafen, nidfjl aber, 
roaS bicr oorlicgen mürbe, ©elbforberungcn bcS fttätuä erlaffen. 

SDer Vertreter ber cljcmaligen preufeifä^cn ©cneral*Staat3anroaltfd)aft 
fprad) fia) in bet oben §. 2. ermähnten 2lnflagefa(^c mtber SKartin ba^in aus, 
bttfe bie $ererblid)feit rec^tSfräftig erfanntcr ©elbftrafen nur eine mit 9tü(fftd)t 
auf bie frühere 53cr;anblung ber ©elbfrrafe unb au« 3mccfmaBigfeitSgrünben 



62» 3U 8rt 193 @. 96. 

63) ßiermtt tft «titct Slnbcren Sarrara gemeint 8gl %nm. 54. 

64) Ärittt teä Cntautfö eines @tr. ®. 33! für tat nottfccutf*en »unb @. 15. 



24 Beitrag jur Sc^rc öon ter ©dtflrafe. 

gemalte 2lu$nal)me uon ber SRegcl fei, bafj ©elbftrafen roic alle anbete Strafen 
nur ben 6d>ulbigen treffen bürfen. — $)icS fann jebodj alä ridjtig niä)t anerfannt 
roerben. ES gibt feinen ^rocdmäfeigfeitSgrunb, roeldjer für bie Vererbung ber 
®clbftrafe fpräetje; oielmetyr fpredjen erf)eblid)e 3roerfmäj3igteitggrünbe bagegen, 
inäbefonbere bie Sa)roierigfcit bei* prafitifd)en S)urd)fül)rung, bie nod) fdjärfer 
Ijeroortreten mürbe, roenn ntd&t bie Slnrocnbunggfälle bc£ §. 30. in ber SjkarüS 
fcljr feiten mären. Sie Ermittelung ber Erben unb geftftellung be$ SfaufclaffeS 
ift fcäufig fa)on bann fdjroterig, roenn bie betreffenbe Xljätigfctt tu ^ntereffe ber 
Erben erfolgt unb non biefen untcrftüfct roirb, — bei ber 9Jad)la§rcguUrung; 
um roie mci mcljr muß bicS Jjicr ber fiall fein, rao bie Erben bie % fyätigfeit bc3 
®eri$t3 aegen fict> gerietet fcf)cn unb il;r bafjer alle möglichen giifbeatiffe in 
ben 2öeg legen roerben. 

Unter ben $f)eorctifem gehörte früher bie 9)le^rjal;l ju ben 2ln^ängern 
ber Vererbung; in neuefter 3 e *t überroiegen jebod) bie ©cgner bcrfclben. 

SDic Vererbung nerü)eibtgen unter 2(nberen % ab er"), Earpsoo 6 *) (biefc 
beiben ©djriftftellcr laffen ben Uebergang auf bie Erben fd)on bann erfolgen, 
roenn bie Unterfudjung gegen ben So5ulbigen $u beffen Scbjcitcn eröffnet roar), 
aJUoiuÄ 67 ), &arpprea)t w ), Gocccji 69 ), tfoa) 70 ). Äeincr oon biefen 6a;rift* 
ftcUcrn f>at oerfudjt, feine 2lnfid)t nd^er ju begrünben unb fid) mit ben roiber* 
fpredjenben IßanbeftenfteUen aus cinanber ju fefoen. %üx bie SBererbliajfcit 
ferner 3Ulcjiu3, beffen 23egrüubung oben gcroürbigt roorben ift. 

93on fpäteren Strafredjtälebrern oert^etbigen bie Vererbung Stbega, 
^aeberlin, $euerbadj, Äoeftltn, Serner (bie 3Slnfia)ten biefer ©djrift* 
fteller fmb oben befproajen), ferner olme nähere 33egrünbung tflcin 71 ), 
ü. iQuifiorp Martin"), 2Böa)tcr M ), &effter"), £aclfd)ner 76 ) 
unb §8 au er"). 

Unter ben neueren Eiutlificn fpridjt fid> ju ©unften ber Vererbung 
f)auptfäd)lidj Wernburg 78 ) au£. 3)ie Selwupturtg bicfeS (SdjriftftelleriS, bie 
33ererblicf>feit ber ©clbftrafen berulje barauf, bafe burd) ba£ Urtljeil ber 9lnfprud> 
eine neue ©runblagc erhalte, ift nia)t oerftänblia). SBcnn überhaupt bie ©elb- 
ftrafc al5 ein 2(nfprud) bcS giSfuä dwraftertfirt roirb, fo fann biefer Slnfprud) 
bod) erft burd) baS Urteil entfielen. 

3115 ©egner ber Vererbung roirb aus bem nötigen 3«l)ri)unbert ange* 
füfyrt Joachim Andreas Munter, de parentum poenis in liberos non exten- 
dendis, Lugd. Bat. 1779. Stefe Sdjrift ift mir nidjt äugängltdj geroefen. 3" 
ben ©egnem ber Vererbung gehören ferner Zi ttmann 79 ), 3aa)a* 



65) cod. def. lib. 9. tit. 2. def. 5. Mr. 3. tit. 10. dcf. 2. 9fr. 1. 

66) Jur. for. Paris 4. coust. 42. def. 12. 

67) Decis. Wismar. Paris 5. Decis 392. 

68) Cons 48. 9hf. 65. 

69) De obligat. Iiercd. cxdcliilo defunttorum soct. 4. §. 50. 

70) Instit. jur. crim. § 80. 

71) ^ruutfdyc Cc« ptOÜ. Wccfttö §. 179 
7-J %khxl )Hvbt »t. 1. e. 167. 

73) Jet>rf>. §. 99. 

74 Vcbtb. Le. 276. 

7;Y i'cbrb. ?j. 192; tiefer €»d)riftft«Ocr giebt aii, taß feine anft^t aud) in ter flemeiurcdji 
ltdien k Pravi'3 tie iicrrfd:onte aewefen fei. 

7H) ^reuf;. itra«'r. St. 2. §. 151. 

77) Ücbrtui* 135. 

78) ^reuß. -i*nv. ÜH. »t. I. ®. 254 not. 11. 

79) ettafr. <ij. 60. 



«etaag jut Vtiftt »on ber (»elbfttafe. 25 

riae 80 ), 9tif<$ 81 ), 2Baltf)er 82 ), Sd&ü|e 83 ), ficinfce 84 ), ftriebrt<ij SRener 86 ), 
ber frühere Slbgeorbnete aßet) er* $f)o ttt, hinbin g w ), &ugo 9)tener 87 ), 
Stoofe -*), oon öuri* 9 ); oon öftteidjifdjen 6trafredf)t£lel)rern Scari, SBinni» 
roarter, &erbft, ®eoer (über biefe oter jtef)e oben); oon franjofif^cn 
^elte 90 ); oon belgifdf)cn 9t«peU 91 ); oon italieniftijen Garrara 93 ), roeldjer 
m au<$ in ber ermahnten beutfdjen 9tei<$Stag«oerf)anblung erroetynte 2)loment 
geltenb tnad&t, bafe e$ ber ©ered)ti<jfeit offenbar roiberfpredfje, bie ßrben barunter 
leiben §u laffen, bafc beim 2$oruegen oon Strafminberung3grünben auf eine 
©«loftrafe anftatt ber ebenfalls juläfftgen $reü)ett3ftrafe erfannt werbe. 

ÜJon Gnuliften oertf)eibigen bie Unoererblid)!eit fjauptf äd&ltd) oon Sa* 
oign» 93 ) unb tfoeppen 94 ). 

§. 5. fiegi^latorif^e Jßorfd&läge. 

SMe ©ebanfen biefeS peilen Beitrages bürften fidf) legtölatorifcij etwa 
burd) bie nadjfolgenbcn gcfefclid)cn Seftimmungen roiebergeben laffen. 

A. SRooeße 3um s Jteid)$frrafgcfct$bud(). 

$ie §§. 30. unb 361. 0lr. 9 be« föcidjaftrafgefcfebud&cS in ber burdf) bie 
Öefe&e oom 15. 2Hat 1871, 10. Sccembcr 1871 unb 2(5. Februar 1876 feftgo 
feilten f^affunö roerben burd(j nacfjfteljenbe, ben bisherigen 3tff erjagen ent* 
fpred&enoe iöefttmmungen erfefct. 

§. 30. 3n ben 9iad)lafj bcS 3krurtl)eilten bürfen ®elbffrafen niajt ooU* 
ftredt roerben. 

§. 361. 9lr. 9. 23er Äinber ober anbere unter feiner ©croalt fte^enbc 
Jerfoncn, roeldf)e feiner 2luffia)t untergeben ftnb unb ju fetner &au$genoffen* 
fa)aft gefjören, oon ber Scgefjung oon 2)tcbftäf)len, foioic oon ber $egef)ung 
fhrafbarcr Verlegungen ber 3oll* ober 6teuergcfefce, ober ber ®. pm Sd)u|jc 
ber £orfien, ber ftelbfrüdjte, ber Qagb ober ber $tfd&erei abgalten unterläßt. 

$>ic Vorfd&riftcn biefer ©cfcjjc über bie ^nftbarfeit für bie ben Sljätcr 
treffenben ©elbftrafen roerben aufgehoben. — $te ^Borfc^riften berfelben ®efcfce 
über bie £aftbarfcit für bie ben tljäter treffenben anbern ©clbleiflungen roerben 
l)ierburd) nid&t berührt. 

B. s ^ooeHe jur atetdfjSftrafproccfjorbnung. 

55er §. 495 ber ^ei^Sfrrafprojefeorbnung rotrb baljin abgeänbert: 
©ine re$t£rräfttg erfannte (Mbfrrafe fann freiroillig, jebod& nur burd) 
ben SScrurtheilten perfönlidfj ge$af)lt roerben. 2Birb ein Setrag gejault, roeldfocr 
nid&t auSreidjt, um ©elbftrafe, Äoften unb ben etroa erfannten 3Sertf)£erfafe 
aleidfoeitig $u beden, fo rotrb bie geleiflete 3aljlung $unäd)fi auf ben SBertteer' 
)a$, bann auf bie Soften unb erft in iefctcr 9*eif)c auf bie ©elbfrrafe oerred^net. 



80) *r$ UeS Srim. >R. 1853. ©. 398 ff. 

81) 3n Soümann Wifdj Äomm. 3. batr. ©t. ®- 33- I. 8- 844 f. 

82) CfcricfctSfaat 1867 0. 268 ff. 

83) ©traft. 2. «ufl. §. 75. noi. 63. 

84) 0. §oH5cntorff'§ §antb. S3b. II. 8. 591 f. 

85) Äomm. 5. SR. ©t. ©. 3. 38. 

86) Äritit bc3 ueuepen öftmeidjif^cu ©t. ©. 39. (Sntro. in @rünb,utä 3eitfd)rift »b. 2. 
1875 ©. 710 f. 

87) ©trafr. 2. Äufl. ©• 278. 

88) 3" obtn angeführten ©4rift ©. 14 ff. 

89) ©eritftSfaal 1878 ©. 241 ff. 

90) Trait^ d'instruction criminelle. 8b. 3. ©. 512. 

91) Le cod<< pönal intorpr^tC-, BruxeUea 1868 ©. 194 f. 

92) 3n feiner ftriti! bc« italicnifäen ©t. 39. Gnt». »on 1865 ©. 45 f. 

93) ©üftem. »b. 5. ©. 49. 

94) Grbrecfet ©. 180. 



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26 »«trag jut M)xt öon fccr »etblftafc. 

©tfolgt innetfwlb jtoeiet SSodjen oon bet 9ted)tÄftaft be3 (Stf. ab feine 
ftehoiUige 3<*&tong, fo tritt jroang&oeife SoUftrecfung ein. 2He SoHftrecfung 
barf nur in ba£ bem SBerurtljeilten gehörige baare ©eib erfolgen. $ie Äoflen* 
forbetung beS ftiSfuS, forote alle anbem gleichzeitig mit ber ©elbfrtafe beiju» 
treibenben ftotberungen geljen hierbei ber ©etbffrafe oor. 

Äann bie ©elbftrafe niäjt beigetrieben werben, fo ift bie im (Sxf. fubfti* 
tuirte grei(>eit$ftrafe in ©emä^eit bec §§. 487 — 494. ju oollftrecfen. $i8 jum 
Strafantritt fann ber SSetuttfjeUte butd) 3af)lung ber ©elbjftafe bie Mftreäung 
bet gfteujeitäfttafe abroenben. 

@in Straf auffdjub bei ©elbfrrafen, foioie eine Setoittigung oon Xtjeü* 
jaljlungen auf biefelbcn batf nut im ©nabenroege erfolgen. 

2)ie SSoHfrredung ber Strafurüjeile, foroeit in benfelben auf eine anbere 
iöermögcnj&ftrafc , eine Jöu&e obet auf 2öettl)£etfafc etfannt ift, foroie bie (Sin* 
äiefjuna bet ßoften etfolgt nad) ben Sorfdjriften über bie SJoHftrecfung bet 
Uttyeue bet (SioÜgetidjte. 



leutfdjc* itrafredjt. 

tvrfcnnf niffc ttS 9lcidj*gcrid)tö. 



§. 328. @t. <B. B. §. 74. <B. ». 25. 3uni 1875. Die Uebergabe ber 
an einen auswärtigen, bie verbotene 2Jusftu)rung aus bem @perrbe3irf 
beabfufjtigenben fiäufer, »erfauften Ct^iece ifl nld)t als £r>äterfd)aft, 
fonbern nur ab 2Ttittt?aterfö)aft, Qtnfiiflung ober imtyilfe bes §. 328. 
@t <B. B. (Vergeben gegen öperrmafcregcln bei üiefyfeud)en) \u bejhafen. 

(Eine „wfffentlid)e u Eerlefcung bes Jlusfufyroerbots ift nid)t »or- 
(janben, wenn ber Iljätcr irrttyümlid), mag aud) immerhin ber 3rrtfyum 
ein unentfd)ulbbarer fein, angenommen fyat, burd) feine f?aublungen 
nid)t gegen bic polisetgefefcc 3U r»crflo|cn. 

§u|länbige Beerbe 3ur Qlnorbnung r»on 6d)ut$ma£regeln gegen 
ble t)lef;feud)en ifl in preufien nia)t nur bie Canbespo^eibetjörbe, 
fonbern aud) bie <Drt8poli3eibet}örbe. 

Ott. be£ n. ©troffen. 00m 21. Oft. 1879 c/a. Änop, burd) meld)e3 ba« 
ßtf. II. 3fnft. üetmd)tet worben ifl. 

§. 223. a. bes @t. <B. B. <£s pnbet feine fiompenfation 3mifd)en ber 
nad) §. 223. a. 6t <B. B. jlrafbaren fiörpen>erlet$ung mit gefährlichen 
U3erf3eugen unb ber aus §. 223. »erfolgbaren letzten Äörperuer- 
lefcung (tatt. 

(Stf. beS I. ©traffenatä v. 23. Oft. 1879 c/a. Sofjcmn tö#u, 2lcferbürger, 
unb bic 6d)nctbermetfter ÄebjiennnSfVfdjcn (Seeleute, burd) weläje$ bic % 93. 
ber angesagten jurüefgewiefen ift. 

© r ü n b e. 

§. 232. be£ ©t. ®. 33. beäeid)net als leiste flörperocrle&ungen, bejügUd) 
bereit ein ©trafantrag jur Verfolgung erforberlid) erfd)emt, nur biejenigen bc£ 
§. 223. be3 ©t. @. », unb ifl eS m<$t erfiä)tlid), bafj biefer in §. 233. wieber* 
fefjrenbe ^Begriff f)ler ein anberer fein fofle. $8on §. 223. aber ifl burd) ba£ 
®. 00m 26. gebr. 1876 bie $örpen>erlefcung be£ §. 223. a. wegen u)rer größeren 
fubjefttDcn unb objeftioen ©efätyrlidjfeü ejinürt worben, unb eS mufi barum 
anaenomnten werben, bafe fte fnermit aud) bem SlnwenbungSgebiet ber §§. 232. 
unb 233. bes ©t. ©. entjogen worben fei. 



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28 



3>eutfd)e§ Sttafrectit ©rtcnntnifje fceö Sftcid^Sgcric^tö. 



§§. 29. uno 30. bes Braufkuer-ß. vom 31. JTlai 1872. Kct^tebcgriff 
ber Braufteueroefrauöation. — Begriff 6es „oorgefunbenen Bräu- 
nt al3ftr;rote u in §. 29. be* Braufteucr-05. 

ßrf. beS L Straffen, o. 27. Oft. 1879 c/a. SB., burd) meines baS Gr* 
fenntnifj II. Snfiatij oernidtjtctt toorben ift. 

3)aS ÄreiSgeridjt ju SBrieg t)at ben roegen 40 Sfraufteuerbefraubationcn 
mit einer ber ©efammiquantität entfpredbenben Strafe oon 232 üJlt. belegt, baS 
2lppeflationSgericr;t ju ^Breslau bagegen bic Strafe auf 1200 SRI. erf)öf)t, inbem 
es auf ®runb beS §. 30. beS ®. com 31. SJtai 1872 unb ber ^rinjiuien über 
3lealfonFurrcm jebcS ©ebräu als für fidj bcftcfjcnbcn 2)efraubationSfaH eradjtctc. 
S)er 2lngefdmibigte legte hiergegen baS SRecfjtSmittel ber 9t. SB. ein, unb würbe 
bemjufolge baS ätocitinftatiälidtjc Grfenntnifj oermd&tet. 



fälle für r-orliegenb erflärt, im s Jted)tSbegriffc ber $cfraubation, wie er bem 
§. 30. cit. $u ©runbc liegt. 

2)cr S)cfraubation maajt fid) nadj §. 27. fd&ulbtg, roer bic im §. 1. bc* 
üeidjnctcu Stoffe sunt brauen oertoenbet, ofjne bie gefetjlidje Slnmelbung jur 
(Entrichtung ber 23raufteuer beroirft ju fmben. liefen Sfmtbeftanb Ijatte baS 
ftefolut ber Steuerbcf)örbc in 48 in bie^eit oom l.^an. bis «um 26. 3tug. 1878 
fallcnben üttalen für erroiefen cradjtct unb baneben, bafj am 28. 2lug. bei einer 
oorgenommenen SHeoifion ber ^Brauerei an einem nid&t beflarirtcn Orte 50 üjfunb 
©erftenmaljfa^rot, alfo eine Quantität oorgefunben fei, welche bic juläffige 
Spenge um merjr als 10 ü „ beS für biefen Sag bcflarirten 3}orratl)S überftieg. 
£)ie ©eridjtc Ijabcn aber eine anbere SeftfteUuug gemadjt, nicr)t ben §. 27., 
fonbem ben §. 29. Safc 1. für übertreten angenommen. %üx biefc 2lnnal)mc 
feljlt aber bie gefefelidje ©runblage. 2>cr Scblufjfeftftellung oon minbeftcnS 40 
SDefraubationen ift ju ©runbc gelegt bie tljatfädjlicrje geftfteüung, bafj Quantitäten 
©crftenmalsfa^rot oon je minbeftcnS 50 ^funb über bie angemelbcte üDicnge 
9M«,fcrjrot nad) erfolgter Slnmclbung oon ^öraumaifdjungcn in ber Srauftättc 
iid^ befunben ^aben. 2)iefe $eftftcHung erfcrjöpft ntdjt bic Sftcrfmale ber Straf* 
ttjat beS §. 29. cit. 9iaa) §. 29. roirb es ber Sefraubation gletdf)gcacr)tet, 
raenn Sraumalsfdjrot nact) erfolgter 2lnmelbung oon Ginmaifajungcn in größerer 
3Jtenge oorgefunben roirb. hiermit ift im 3ntereffc einer Sicherung ber Steuer 
ein .Tbatbcuano mit Strafe belegt, ber ohne foldje pofitioe SBorfd^rift mehr mein, 
als ein ^nbi?, für bie 2lbftd>t einer £)cfraubation enthalten mürbe. Um bic 
$orfc(jrift $ur 2lnrocnbung ju bringen, bebarf es beSt)alb ber präjifen SHerfmnlc 
ber bebrorjten Xfmt. 2>aju gehört, bafj bic ungcfe^liajen SWcngen — bei oor* 
genommener Steoifton — oorgefunben finb, nid)t genügt, wie bic ^nfiansen feft* 
jtcllen, bafe fic fiä) /r in ber Srauftättc befunben Ijaben". ^ener Wortlaut beutet 
an, bafj baS fid) SBcfinben in bie 3«t oon ber 2lnmclbung bis jur (Sinmaifa^un0, 
bejiebungSnieifc lüäljvenb ber aJcaifa^bercitung fallen mufe. 2ötrb in biefer 3 cit 
bie unjuläffige 3Jicngc betroffen, fo roirb bie 2lbfid)t ber Stcucrbcfraubc oer* 
mutzet. 5iBirb fic aber nidjt oorgefunben, fonbem fteüt fid) hintertjer IjcrauS, 
bafe eine Quantität fic^ in ber betreffenben 3eit an bem oerbotenen Orte be 
funben tjatte, fo fpria^t, roenn fic aud) nadj ooUcnbetcr Ginmaifa^ung noeb 
oorrjanben ift, biefer Umftanb gegen bic 2Innaf)me ber ^efraubationSabfia^t, unb 
mürben oorrjanben getoefene, aber nidjt oorgefunbene Quantitäten bei fpätercr 
Ginmaifcr)ung mit ferneren nidfjt angcmclbctcn Quantitäten 3ufammen roirflicb 
oerroenbet fein, fo roirbe nur (rinc roirflid^c S)cfraubation nad) §. 27., niebt 
aber mehrere ber S)cfraubation glcidt>5uad)tenbe ^anblungen, roic fic ber §. 29. 




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a>etitf(^cS 6traf«d)t. Crtcnntitiffe fce« 5Rcici)Sgeri<$t8. 29 

oorfief)t, jur ^fmbung fommen fönnen. @S würbe fonft audj btefelbe Quantität, 
weil fie, efje fie oerwenbet würbe, bei mangelnber Kontrolle bereits wäljrenb 
mehrerer §inmatfd;ungen oorlmnben gewefen war, eine meljrfadje $>efraubation&» 
frrafe begrünben. Unb ift ber jur Rtit ber aJtaifd)bereitung unbered)tigt cor* 
f)anben gewefene Sraufioff übrig getanen, um etwa jum nädjften ©ebrerue au* 
gemelbet ju werben, fo fonn feine «orfinbung in ber 3wifd)en3cit als unoer* 
fänglid) nidjt ju einer 93eftrafung auS §. 29. cit. führen. 

S)ie tf}atfä$U$e fteftftellung erfdjctnt (jiernadj unoollftänbig unb ift bie 
Sadje ju anberweiter üüerfjanbiung in bie Söeruföinftanj jurüetjuwetfen". 

§§. 123, 61. 0t. <B. B. Unbefugtes Verweilen in 6er Wohnung ber 
rjcrrfcfyaft feitens 6es fofort oljne vorangegangene Slufrunötguna, aus 
6em Dienftc entlajTcnen uno \ut (Entfernung aufgeforberten Dlenftboten 
qualijtcirt fia) als fjausfrieoenöbrudj. Jtflfiellung bes Dolus. Be* 
red)ti<\ung bes fllietyers $ur Qlufforbcrung unb 5ur Stellung bes 
etrafantrages mit Bejug auf bie tym 3ur 'imtbenufcung überwiefenen 
Cofalitäten. 

grf. b. II. Straffen. D. 3. 9too. 1879. c/a. §ippc, burd) welajcS bie 91. 93. 
beS Stngefl jurüefgewiefen worben ift. 

© r ü n b e. 

$n ben ©ntfAeibungSgrünbcn beS Grf. beS 81. ©. ift $atfä$li$ feftge* 
ftcUt, bajj ber Hngcfl. Anfang« 2)es- 1878 $u 93reSlau auS ben ©efa^äftSräumen 
ber oerwittweten ©aftwirtlun 9Jt., in welchen er ofync 33efugnifj oerweilte, auf 
bie Slufforberung berfclben, als ber 5öerea)tigten, ftd) nidjt entfernt Ijat. $)iefe 
ftcftftellung erfa)öpft ben begriff beS &auSrricbenSbru$cS im Sinne beS §. 123. 
beS s Jt. St. ®. 23. 3war maa)t bic Sä. 33. geltcnb, bie Sorinftanj I)abe baS 
3>ienftoerl)ältnife beS 2lngefl. ntr SBittwe 2Jt. unb feinen ©influfj auf bie fltcdjtS* 
wibrigfeit beS SerweüenS nidjt gewürbigt. SlUein mit Unreajt; benn bie $or* 
inflan3 W 3unäd)ft ben ^atbejtanb beS ^au«friebcn5brua)c« fdwn bartn ge* 
funben, bafj ber Slngefl. als Sortier bei ÜBittwe 3K. im SMcnftc ftanb, unb 
bafe, nadjbcm Sejtcrc mit ü)m im fog. SBeinjimmcr in Streit gerot^cn unb ilm 
ju beffen Scrlaffung wieber|olt aufgeforbert fjattc, er gleid)woI)l unbefugt 
barin oerweilte. 2)tcfe tfjatföa?lid)e ftcflftellung, bei weiter ein 9ied)tStrrtf>um 
ntd)t erftä)tUa) f fann mit ber % 33. niajt weiter angefoa;ten werben, unb bie 23e 
baiiptung, bafe ber Slngefl. nad) feinen $)tcnftfunftionen bort ju oerweilen 
befugt gewefen fei, oerbient nlö blo&er SBibcrfprua; feine $3cad)tung. 2)ic 
91. 93. behauptet ferner, baft ber 3lngefl., fo lange fein £>tcnftoerI)ältnifj 
beftanb, jebenfalB im^ausSflur, wo fia^ bie Portierloge befanb, ^um Serweilen 
befugt war, wcla;^ weber burd) ©nttaffung, noa) bura) 2lufforberung jur @nt* 
femung rcd)töwibrig werben fonnte. Slllcin aud) biete ©elwuptung ift grunblo«, 
benn Söittwe ÜJ?. ^atte — wie bie Sorinftanj fefrftellte — in ^olge be« Sa^im» 
)fen8 unb ber Sljätliajfeiten bt& SHngefl. gegen fie benfelben wicberfjolt jum 
ofortigen SBerlaffen be£ §auf aufgeforbert unb fo ifm o^nc 2luffünbigung 
ofort auS bem 2)ienfte entlaffen; wenn nun, ba gleid>wol)l ber 3lngefl. im ^auSflur 
oerweilte unb bafelbfl oerblieb, bis ein Ijcrbcigeeilter Sd;u^mann i^n auswies, 
bie Sorinftanj in biefem Verweilen, als unbefugt, abermals ben Sbatbeftanb 
beS ^auSfriebenSbrua)eS erblicfte, fo ift aud) hierbei ein SHedjtSirrt^um nia)t 
erfennbar, ba nad^ preufeifa)em Sanbreajt tyl TL %it. 5. §. 116. ofme 3luf^ 
fünbtmmg bie ^errfdjaft ein ©efinbc fofort entlaffen fann, wenn, wie ^ier, 
baffelbe bie fierrfd^aft burd^ Sa)impfworte unb £f)ätlid)feiten beleibigt. Die 
9193. irrt alfo, wenn fie il>re Ausführungen auf Slnnabme beS nod) fortbe- 
fianbenen S)ienftoerpltnifieS ftü^t, unb mad)t beS^alb o^ne erfolg geltenb, 



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30 



2>eutfc$e§ ©trafrec$t. ertenntniftc fec§ töeid>8geri($t3. 



bafj ber 2lngefl. nafy bct 2lufforberung, ba« §au« ju oerlaffen, nocfi 3um Ver* 
weilen barin berechtigt qewefen fei. (Sbenfo unbegrünbet tft bic Velmuptung 
bct 9t. 93., bafe bic SStttwe ÜJi., al« 9Jtietherin ber ^artcrrelofalitaten, worin fia) 
bie Portierloge für ben Stngefl. befanb, jwar *ur 27iitbenut$ung ber $au«flur 
berechtigt, fcine«weg« ober jum Strafantrag, welcher nur bem £>au«hcrrn felbft 
äuftehe, befugt gewefen fei. $a« 9t. 6t. ®. 93. giebt in §. 123. jebem 93 1* 
red)tigten, fofnn auch jebem oon mehreren berechtigten ^Mitinhabern einer 
2Bof)mmg ober eine« ©efdjäftöraumcö bic Vefugnife, ben olme Vcfugnifj 
barin Verweilenben aufeuf orbern, ftch barau« au entfernen, unb gemattet, toenn 
biefer 2lufforberung nicht golge geleifiet roirb, auf Antrag bie Verfolgung wegen 
^aiiSfrieberoSbrua)«; ba& nun aber im oorliegenben Balle bie jur 2lufforberung, 
fid> ju entfernen, berechtigte ©aftwtrthSwtttwc Wl auch §um Strafantrage roegen 
be« ,§au«friebett«bruche« berechtigt roar, erfa)eint felbftoerftänblieh; benn mr 
Stellung be« Strafantrage« ift überhaupt ber Verlebte ober beffen gejc|$Üc|er 
Vertreter (§. 61. St. @. 93.) berufen; al« Verlebter fteHt fia) aber eben ber 
berechtigte ober 3Jtitberechtigte bar, beffen 9ted)t«befugniffe ber 2lngefl. oer* 
lefct hat. 

©nblich hat bie Vorinflanj thatfächltd) fefrgefteUt, bafj ber Slngefl. foroohl 
im SBcinjimmcr al« im &au«flur fid; ber 9tcd)t«roibrigfcit feinet nach &er erften 
(Sntfernung«aufforberung feiner 2>icnftberrin unbefugt geroorbenen roeiteren 93er* 
weilen« auch bewufit gcroefen fei; unb mit Unrecht rügt bie 9t. 93., biefc 
ftcHung fei ungenügenb begrünbet; benn bie 6ntfd;cibung«grünbc führen weiter 
au«, bafj bem ©cridjtöhofc IT. Inflam nach bem oon ben 3eua.cn befunbeten 
Stuftreten be« Singet tagten beffen fragliches Vewufetfein nicht zweifelhaft fei, unb 
ba§ namentlid; fein Inhalt bafiir oorlieqc, bafj ber 2lngef tagte auch nu * wn 
feiner fubjeftioen Sluffaffung au« ber Anficht gcroefen, er brauche fid) nicht eher 
m entfernen, al« bi« er feine Sachen au« ber Portierloge fortgefchafft, mit 
$rau 9Jt. abgerechnet unb ihr bie Sd)lüffel äurüdgegeben habe. 



§ 288. Str. <B. 8. Die nach § 288 Str. <B. B. 51t oerfolgenbe ücr- 
äuf;crung bei brohenber Sroangsoollftrccfung roirb babureb. niebt ftrafioe, 
bafj fic;in ber 2lbficb,t, einen gefe^lia) bcoorjugten (Bläubiger $u be- 
liebigen, gefd)ah. 



(xrf. be« III. Straffen, o. 5. 9too. 1879 c/a. föeibelmann, rooburdj bic 
9t. 93. bc« 2lngc[d;ulbigtcn surüefgeroiefen roorben ift. 



9Benn man annehmen wollte, bie 9t. 93., fo roic fie erhoben ift, umfaffe 
bie ©eltenbmachung eine« etwa oon bem Vorberrichter bei feiner iluuiädUidKii 
$cftftellung unterhaltenen 9tcdjt«irithumS mit, fo ift ein foldjer 9tedjt«irrthum 
nicht erfennbar. ©er Vorberrichter Ijat tlmtfä'chlich feftgeftettt, bafj ber 2lngefl. 
bie Veräußerung oorgenommen hat, um bie aJttetbforberung feine« Vermiether« 
ju beefen. $)aburco wirb inbeffen nicht au«gefchloffen, bafe ber Slngefl. jugleidh 
bie 2lbficht hatte, bie Vefricbigung feine« anbem ©laubiger« 9t. burch biefe Vcr* 
äußerung m oereiteln. @ben fo wenig wirb biefe &bficht baburch au«gefchloffcn, 



$orberung ein Vorjjug«rea)t cor ber gorberung 9t. juftanb. Unb auch bie Straf* 
barfeit ber Jpanblungen bc« Slngefl. wirb weber bureb jenen Vorjug noch ourch 
bic Ucberjeugung oon biefem Vorzugsrecht au«gcfchloffen. 

S)er Umftanb, auf welchen ber Vefchwerbcführer ©ewicht legt, war fomit 
fo wenig für bic geftftcüung bc« erften 9tia)tcr« wie für bie be« Ä. 9t. oon 
Vei)cutung. 



® r ü n b c. 




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3>etttf(fc8 @trafre$t. Ctfcnntniffe bc8 Wet*«gerid)t8. 31 

§ 170. @tr. prc5. <D. (Eine Befchweroe gegen 6ie Suructweifuna von 
etrafoerfolgungeanträgen feiten» bee (Dberftaateanwalte mitten} (Erhebung 
6er nach §. 170. @tr. PW5. <D. 5ulä|figen öffentlichen filagc fann nur 
in ben 0ad)en bei bem Heicbsgericht angebracht werben, in welchen 
baflelbe in erfter unb le%ter 3njtan5 fontpetent ift 

Sefchluß oeS I. Straffen. ». 6. Nov. 1879 (in ©a$en §eutie c/a. (Seeleute 
Selten. 

8 e f $ l u ß. 

3n Erwägung, baß unter bem ©ericht, not welchem „eine Sache gehörig 
ift", bem tedmifchen Sprachgebrauch nadh im Straf oerfahrett regelmäßig baS* 
jenige oerftanben wirb, welches bie ganje Saa)c im erftett 9tea)töjuge auSju* 
tragetx bat, nidjt ein ©ericht, welches erft oermöge eines, in ben eoentuel» 
leti 2Biucn ber Parteien gelegten, Rechtsmittels mit ber Sache befaßt 
werben fann; 

baß eben fo in §. 176. ber 6t. ^roj. D. unter ben Straffachen, „melcbe 
jur ßuftänbigfeit beS StetchSgerichtS gehören", wie in §. 198. ber St $ro$. 0. 
unter ben „oor bem Reichsgerichte ju oerhanbelnben" Straffachett bie im erfien 
5lechtS$uge oor biefeS gebörtgen Sachen atu8fd^liefelicr) begriffen ftnb; 

baß btefem Sprachgebrauch gemäß in §. 170. 2lbf. 3. ber St. ^Sroj. 0. 
unter ben uor baS 9tei$Sgeri(ht gehörigen Sachen nur jene $u oetftegen finb, 
weldje in I. (unb legtet) 3nflans Sur 3uftänbigteit beS &eict)8gcrtchts gehören; 

baß ber angeführte Sinn ber bejeichneten Sorte tn §. 170. 2tbf. 3. ber 
St $roj. D. auch bem muthmaßlichen Men beS ©efefegeberS entfpricht; 

baß bie Unterteilung, eS fyabt ber ©efejjgcbcr in §. 170. 2lbf. 3. ber 
St. $ro$. D. mit ben oor baS 9leicr)ögericr)t gehörigen Sachen ber in §. 136* 
beS ®. @. bezeichneten Sachen, alfo jene gemeint, welche mitteilt beS s JtechtS* 
mittel« ber SRemfion eoentuell an baSfelbe gelangen fönttten, ber wörtlichen 
unb logifchett Auslegung wiberfpricht, unb §war um fo mehr, als in jenem 3eit* 
puntte, in welchem nadt} Maßgabe beö §. 170. ber St. $roj. 0. baS ©ericht 
über einen oon bem Staatsanwalt unb oon bem biefem oorgefefctett Beamten 
ber StaatSattwaltfchaft abwetSlich »orbefchiebetten Antrag ju ctttfa)etben hat, fidh 
melfach noch gar nicht ermeffen läßt, ob möglicherweife jemals bie sBorauSfefcungen 
m einer gerabe an baS s Jteich«gericht gelangenbett SRetrifton oorhanben feien 
(ogl. @. h ©. §. 123'); 

baß hienwer) inSbefonbere bie non SEfteoeS Strafoerfahren S, 43. ben 
§. 170. Slbf. 3. ber St. $roj. 0. gegebene Auslegung unhaltbar ift ; 

in Erwägung, baß fonadj, ba jur erftinftan^lidpen $tburtf)eilung 
ber oom Sefchroerbefuhrer bejeidmeten ftrafbaren öanblungen baS Reichsgericht 
nicht suftänbig feilt würbe, baS Reichsgericht $ur ©ntfeheibung auf ben 2lntrag 
auf Erhebung einer öffentlichen #lage wegen jener £anblungeit nia)t juftänbig 
ift, befa)loffen: 

baß bie Sefchwerbc gegeit bie Verfügung beS Haiferlichen ©eneral-^ßrocu^ 
tatorS m Colmar o. 15. Dct. 1879 wegen Unjuftänbigfeit beS 9teich$gericht3 
abjuweifen fei. 



§ 259. 6tr. (P. B. Die Annahme Don Darlehen un6 (Pelbbeträgen, 
welche wiffentlich burch fhafbaren Betrug erlangt finb, unterliegt 'als 
Hehlerei ber Bcjhafung aus §. 259. 0t. (B. B. 

Crt beS I. Straffen. t>. 27. «Roo. 1879, woburä; bie pi. ber angefchulbigtett 
Gäcilie 3ßadhtel in ^Jofeit unb @en. oerworfeit worben ift. 



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32 2>eutfäc3 ©trofted&t. (Wcmttttifie be« ffleic&$gerid)t§. 

© t ä n b e. 

@S famt fernem ^weifet unterliegen, baß bte Einnahme von ©elbbeträgcn 
als ©arlcfjen unter ben begriff bc5 „an fia) SringenS" im Sinne beS §. 259. 
6t. ©. fäUt. 

§ 283 6t <B. B. Die in tfolge von übermäßigem Qlufwanb unb un- 
orbcntlidjcr Budifübrung eingetretene 5<*fylun9Bcinftellung eine» ßauf» 
mann» ift nur als eine Straftat an^ufetycn. 

@rf. beS III. Straffen, v. 15. 9tov. 1879 c/a. 2öagner, woburd) baS 
©rfenntntß ber II. ^nftanj vernichtet worben ift 

© r ü n b e. 

S)ie 33. ift begrünbet. S)er Slngefl. ift wegen etnfadjen SanferuttS in 
jwei Ratten befrraft, cS liegt aber nur eine 3af)lung§einftcllung vor. S)ie ver* 
fdjiebenen ©rünbe, weld;e bie 3al)lungSeinftelIung im Sinne beS §. 283. als 
ftrafbar erfd&einen laffcn # baß Der Slngeflagte a) burdj 2lufwanb übermäßige 
Summen »erbraust, b) baS vorgetriebene (Sopirbud) nia)t geführt f)at, fönnen 
nidjt als eben fo viele oerfdjiebenc felbftftänbige ^anblungen aufgefaßt werben. 
SÖielme^r ift bte leta)tfmnige £anblungSwcife beS Singefl., melier bemnäa)ft feine 
3aljlungen eingeftellt f>at, in t&rcr ©cfammtljeit als eine Straftat anaufeljen. 
3>aS von ber s Ji. 25. naa) biefer Stiftung angegriffene 2lppellationSurtt)cil t)at ben 
§ .74. unb refp. 283. unrichtig angeraenbet unb unterliegt beSlwlb ber süemia)tung. 

§ 246. et. <B. B. U C. K. I. 9. 3. Slbfdm. Das Aneignen eines 
auf frembem (Brunb unb Boben gefundenen @d>a^es qualificirt fiöj narfi 
preujj. Hea)te als Unterfajlagung ber einen bem (Brunbcigentyümer 5U- 
jtcljenöen fjälfte. 

@rf. beS I. Straffen, v. 17. 9too. 1879 c/a. Sieb ig. 

S)ic von bem 2lpp. ©. $u ©logau beftätigte (Snt)d^eibung beS ÄretS* 
geriapts ju greift ab t, woburd) jroei jungen, welaje einen mit ©olb* unb Silber* 
münjen aus bem 17. ßa^unbert gefüllten £opf beim Umgraben beS SanbcS 
iljreS $>ienfüjerrn gefunben unb jene veräußert Ratten, wegen llnterfd&lagung 
foroie ber Ääufer wegen £etylerei beftraft worben mar, würbe bura) 9ttd)tigfeitS* 
bcfd)roerbe mit ber 5öcl;auptung angegriffen, baß ber gittber in ber Verfügung 
über einen gefunbenen Sdmfc feine unterfd;lagung begeben fönnc, ba eine foldje 
eine frembe SadEje oorauSfefje, ber Sa)a{j aber weber als im (Stgcnttmm eines 
präfumirten unbefannten ©igent^ümcrS beftnblidj angefcfjcn werben fönne, noa) 
bura) bie eoentuell in II. 3nftan$ hervorgehobene St^atfaä^c, baß bie &älfte beS* 
felbcn bem ©runbeigcntlnimer gebühre, rea)tlid) ber Schluß begrünbet werbe, 
er fei jur 3eit feiner ©ntbeefung für ben ginber jur §älfte frembcS (Stgentfntra. 
S)ie ^itt)tigfeitSbefd)rocrbc rourbe verworfen. 

© r ü n b e. 

®ie $ur Gntfa)cibung geftellten fragen, roorin baS 9ted)t beS ginberS 
eine« Sd)a^eS unb bejro. bcS (Sigcntln'unerS Des ©runb unb Kobens, auf welkem 
er gefunben wirb, befiele, unb wobura) baSfelbe bem Güten unb bem 2lnbem 
erworben werbe, finb vorliegenb, wo eS fid> um einen im 9teä)tSgebiet beS 
preußifd^cn allgemeinen i^anbre^tS aufgefunbetten unb von ben ginbern veräußerten 
©egenftanb Ijanbclt, nad; ben SBorfdjrtften beS 3. 2lbfa;n. im I. ZU 9 ba- 
felbft ju beantworten. S)ie SSorinftatt^cn gelten baoon aus, baß bie ©rwerbSart 
für ben ginber bie Sefifcergreifung fei, wela)e naaj § 9. beS 1. Slbfdm. baS Gigen- 
t^um an ^errenlofen Saasen begrünbet, allein fie nehmen übcretnftimmenb an, 
baß bie öefifeergreifung erft wirffam werbe mit ber (Srfolglofigfeit ber jum 3wecf 



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2>«utfcfcS ©trankt, Cfrtcnntmffe *c8 «eid^geri^tS. 33 

ber ©rmittelung be« ßtgentbümer« angeorbneten öffentlichen Sefanntmachung, 
inbem erfl bierburcb bic aufgefunbene ©ache m einet berrenlofen werbe, bafc 
ber ftinber erfi nach Ablauf ber im Aufgebot beftimmten ftrift ba« @igenthum 
an ber aeeeptirten ©ache erwerbe. 

tiefer Sluffaffung ber betreffenben @efefce«oorfd(jriften fann nicht bei* 
geftimmt werben. 6ie beruht einzig auf ber gaffung ber 8egriff«beftünmung 
De« ©cbafee« im §. 74. Sit. 9. Abfcbn. 3. „in ber @rbe oerborgene wertboolle 
©adjen, infofern ber (Sigenthümer berfelben unbetannt ift" uno bem 
2lu«brud im §. 81. bafelbft: „ift ber ©igentpmer nicht auSjumitteln" ic. 2c, 
fte roiberfprid^t aber bem begriff be« ©djafce«, wie er gemeinrechtlich jweifello« 
ifk — 1. 31. §. 1. D. de A. R. D. 41. L ut jam dominum non habeat, quod 
non alterras est — unb oom £anbrecbt nicht fyat abgeänbert werben motten. 
2)a«felbe unterf treibet nicht, roie ba« A. ©. unterteilen mufj, jroifd^en einem wirf" 
lieben ©cha£, ber erft baburch biefe Qualität erhält, bafj ber ©igent^ümer nicht 
au*3uraitteln ifi, unb einer „objectio für ben ginber fic^ al« ©df)a& barfteflenben 
©a<he"; bie Untere ift aber fein ©dtjafc, roenn fte auch wertbooH ift unb unter 
ber @rbe oerborgen roar f benn ju beffen begriffe gehört, baß ber (Sigentbümer 
nicht mehr m ermitteln ift Um bie« m confiatiren, bafj bie ©erthgegenftänbe 
ein ©dtjafc finb, orbnet ba« ßanbreebt, fo roeit nicht bie 9catur ber ©aa> c« 
erübrigt, eine öffentliche Aufforberung an, e« macht aber nidbt biefe oorherige 
Gonftatirung ber Unbefanntfd&aft be« 6igentr)ümer«, ben erfolglofen Serlauf be« 
aufgeboten ju einem Segriff«merfmal be« ©a)afee«. Reibet fidt) lein eigentt)ümer, 
fo ftebt feft, bafj bie aufgefunbenen Sadtjcn jur 3eit ber Auf finbung berren* 
lo« waren, nicht entftebt erfl burch bie ^ic^tcrmittelung be« (Sigentbümer« ein 
Sdt)a§ unb bic SJtöglicbfeit be« (&gentbumerwerbe« an ben Dbjecten. SBenn 
bie oerlorene ©ache erft in ^olac be« Ausbleiben« als 00m ©igenttyümer aufge* 
geben angefehen unb burch ritterlichen 3ufcblag bem ginber enoorben wirb, 
fo ifl ber ©dtjafc bogegen eine ©ache, bie burch bie Sänge ber ßett al« herrenlo« 
fidt) barftellt unb beren — früherer — <üa,entl)ümer nicht oon ber ©eltenbmadrmng 
feiner (£igentbum«anfprücbe präclubirt wtrb, fonbem bie ©ache aufgegeben hat, 
unb roenn bog Verfügung« recht trofc ©efifcoerlufte« fortbefteben fann unb bei 
oerloreuen ©acben bi« jum 3ufd)lag wirflich fortbefteijt, fo bezeichnet ber ©cba& 
ben Stedtjtöbegriff einer ©adtje, an welcher @igentt)umöanfprücbe tbatfäcblicb nicht 
mehr geltenb gemacht roerben tonnen. Au« ber angeorbneten Ermittelung bt& 
unbefannten ©igentbümer^ ergiebt fid) nicht foroohl, bafe ber ©d)a| oor (frlafe 
beö Aufgebots rechtlich feine herrenlofe ©ache fei, al3 oielmehr, bafj e« gäUe 
geben fann, in benen eS einer (Ermittelung bebarf, ob factifch ein ©chah, b. i. eine 
herrenlofe ©adtje, oorliegt, unb roenn ein ©dfmfc einen ©igenthümer feinem S3e« 
griffe nach nicht höben fann, fo foüen bie Söorte im §. 81. nicht« Slnberc« 
beieen, al« bafc ein eigenthümer ber ©adtjen nicht ermittelt, oielmehr buret) ba« 
Aufgebot jeber 3roeifel an beren ©chafceigenfchaft befeitigt ift. 

3fi baher in biefer Stiftung ber 91. JB. 9ledt)t ju geben unb bie oor* 
inflanjliche Ausführung für recbtSirrtbümlicb ju erflären, To ift boch bie ange" 
griff ene (Sntfdheibung unter bem weiter heroorgehobenen ©efichtSpunft aufrecht 
ju erhalten. S)ie vt. 33. oertritt bie Anficht, bafj e3 fich al« eine nothroenbige 
6onfequenj ber Sinnahme be« ©igentbumäerroerb« bc« ^inbec« bura) 3)efi^* 
ergreifung ergebe, ba§ ber Anfprucb be« ©gentbümer« be« ©runb unb Soben« 
auf Xheilnajme am %unbt a\& perfönliche ^orberung an ben öfteren betraditet 
roerben mü)|c unb unter ben „®ebür)ren" be« §. 82. eine obligatorifche Sßerbinb* 
lichfeit be£ ginber« ju oerflehen fei. Allein roie gemeinrechtlich berjeit bie Am 
ficht at£ bie berrfchenbe anjufehen ift, ba^ fo roemg nie ber 05 ob ante be« Acceffo« 
rium«, eben fo aua) ber ber Occupation beim ©rroerb beÄ (Sigenthum« am ©cha^e 
ber mafegebenbe ift, ber (ftgentbumSerroerb oielmehr im Augenblicf beö 3utagc* 
treten« be« ©cbafce« füh ohne weitere« au« bem ©efefce ju fünften be« (Sntbeder« 

»r^io 1880. 1. Oeft. 8 



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34 SDcutffyS etrafredjt eritnntniffc fceS 9iei$8geri$tS. 

unb bjw. be£ ©runbetgenthümerS oolljieht, fo liegt biefe SKechtSauffaffung jrocifellod 
auch bcn Scfiimmungen beS allgemeinen £anbred)ta ju ©runbe, welches unter 
ben unmittelbaren ©rwerbSarten, oon benen ber 9. %xt. hanbelt, auf ben 1. unb 
2. Slbfdm., oon ber originären Sefifcnabme unb ber 53efi|er greif ung 
oerlaffener unb oerlorener ©achen ben 3. SSCbfd^n. oon gefunbenen ©ehäfcen 
folgen lägt unb im §. 82. ben SluSbrucf „gebührt" gegenüber bem „gehört" Oed 
§. 81. nur nrit SHücffic^t auf bie unter ben swet berechtigten erforberltche 9lc^ 
gulirung ber HntheilSoerhältntffe gewählt hat. 5)iefeS Serjlänbnife ber Umbrecht- 
liefen ©eftimmungen ifi in ber Literatur über biefelben ftets geseilt worben unb 
eS ifl anzunehmen, bafj baSfelbe aud> in ber (*ntf$eibung be£ 21. ©. im (Sinflang 
mit bem franjöftfd)en Stecht unb gegenüber ber im ©ebiet be£ gemeinen 9tcd)t£ 
beftehenben ßontrooerfe baiuu hat jum $lu$brucf gebracht werben foüen, bafi ba$ 
@i gentium on ber $älfte be£ ©<|a|e8 für ben ©runbeigenthümer unmittelbar 
aus bem ©efefec entftc|e. 

§ 137. @t <B. 8. (Eine Slrrefranlegung ifl nur bann oorfyanben, roenn 
jid) bte mit Qlrrefl belegten 6ad)en yxt §eit ber Bebänbigung be* 
7lrreftbefet>ls in ber reä)tltä)en ober thatfächlichen Diepojition befien 
befinben, an welchen ber Slrreftbefehl ergangen ifl. 

§rf. be« II. 6traffen. o. 18. 9loo. 1879 c/a. Dinner, moburd) bo« ©rf. 
II. ^nfianj ocrnidjtet worben ift. 

© r ü n b c. 

S)er 3wecf ber Slrreflanlegung ifl bie SidjerfleHung einer gorberung, 
welche ber angebliche Grebitor %\x oerliercn beforgt, roenn bem ©chulbner über 
baS Object be« SrrefteS bie freie Mpofition oerbiiebe (ogl. §§. 1., 29., 30., 47. 
Sit. 29. 2$L L ber SÄUg. ©. DA 

daraus folgt, bafj bie Aufgabe beS ben Slrrefi anorbnenben 9üdt)ter3 
barin befleht, bem Sdmlbner, bejru. bemjenigen, in beffen ©efifce bie $u arreftiren- 
ben ©achen fid) befmben, bte fciSpofttion über biefelben au entgehen. ®tefe @nt* 
äiehung fann nun jwar burch einen an ben ©chulbner bjw. an ben Inhaber ber 
©adjen erlaffenen richterlichen öefehl, fich ber 2)i3pofition über bie mit Srreft 
beleaten ©egcnftänbe ju enthalten, bewirft werben. 2>er rechtliche ©rfolg biefer 
Httafiregel hängt aber baoon ab, bafj bie mit Slrrcft belegten ©achen jur 3cit 
ber Söetjäntogung be£ SlrrefibefehlS ber rechtlichen ober tlmtfächltchen $>i£pofttion 
bemjenigen unterliegen, an ben ber Slrreftbefehl ergangen ift ftehlt csS an biefer 
SSorauifefcung, b. 1;. r)at berjenige, welchem ber Sirrcftbefchl oeijänbigt roorben, 
fich bereits oorljer beS iÖefifecS unb be£ 9ted)t$ an biefen ©ad>en entäufjert, fo 
ifi bie Slrreftanlegung thatfächlidj gegenflanbSloS. eine Sefdjlagnahmc ift in 
biefem $atte nicht erfolgt, weil berjenige, an bcn ber Sefehl ergangen, bie redjt* 
liehe unb tliatf actiUdic $)i£pofitton über bie ©ad>en nidit mehr bat, Derjenige aber, 
welcher bie 6achen erworben r)at unb thatfächlich befifct, burd) ben an ihn nicht 
ergangenen Slrreftbeferjl nicht betroffen wirb. 

S)iefe 9techt£grunbfä$e werben oon ben ^nfian^richtem oerfannt. £efetere 
gehen in thatfäa)üd)cr söejiebung Daoon aus, bafi ber ©erichtSbote ©$. am &or* 
mittage beS 22. 9too. 1878 um 11& Uhr ben ftranfe'fchen ©hauten in beren 
©aftlocal bie 3lrreftoerfügung nebft bem fpcctellen ^er$eidmifj ber arrefttrten 
©achen behänbigt habe, baf fürs oorljer, unb jwar am borgen be« 22. 5too. 1878, 
oon ben gebachten ©achen mehrere, inSbefonbere 2 ©opljaS, 12 ©tücf 3öiener 
©tühle, lü eichene ©tühle, 1 SBafchtifd) unb 1 ©üffet, welche ©egenftänbe ber 
Slngefl. ffi. oorher oon ben (Eheleuten g. gefauft h«bcn wollte, oon ben Unteren 
bem ^8. übergeben unb oon biefem in einem $ur ©teile gebrachten unb oor bem 
&aufe ftel;cnben 3)iöbelwagen oerlaben worben, bafj ber Möbelwagen noa) nicht 



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2Deirtfc&e8 @trafte<$t Örtenntnific bc8 föei#8geti#t8. 35 

fortschafft war, al« bcn (Seeleuten %. bie Slrreftoerfügung be^änbigt würbe, tmb 
entließ, bafe bei ber Sebänbigung zugegen geroefen unb bie Verfügung gelefen 
Iwbe. Söenn auf ®runb biefer £hatfaä)en bie Sdjlufjfcftftellung getroffen wirb, 
bafj ber Sngefl. Saasen, roeldje bura) bie jitftänbige Scbörbe in Sefcflag genommen 
roaren, oorfäfclia) ber Serftriclung entjogen t)abe, fo ift bie« re$töirrtf)ümlid>. 
Die ^nftanjria;ter ^aben nid)t feftgeftcUt, bafj ber 9trreftbefeljl auaj gegen ben 
SngeZL 9$. erlaffen ift unb eben fo roenig, ob nur flauf aroifdjen biefem unb ben 
(Seeleuten über bie fraglichen Sadjen rottflid) ftattgefunben fjat. 2ßar aber 
bie SSneftoerfügung, roie bie 3nftan$ridjter anfdjeinenb annehmen, nur ben 6f>e* 
leuten gegenüber erroirft unb ift ferner bie Sefjauptung be« Slngefl. richtig, 
bafe bie oor ber Scbänbtgung ber SÄrreftoerfügung erfolgte Uebergabe ber Sadjen 
auf ©runb eine« Äauf« an ifm gefa)e^en ift, fo §at nadj ben oben entroicfelten 
©runbfäfccn eine Sefcblagnabme ber fraglichen Saasen nidt}t ftattgefunben , weil 
biefe bereit« jur 3eit ber Seljänbigung be« 2lrreftbefef)l« ber S)i«pofitton ber 
Sirreftaten entrüeft roaren. 

§. 263. 8t <B. 8. Abgabe unb Qlnna^me von @cbeingeboten als 
Dorfpiegelung falfa)et tyatfatyn bei einer 2luftion. 

(5rf. be« II. Straffen. 00m 30. 9too. 1879 c/a, 2luftionator Slnton 
2icrf$, Kaufmann 9öolf Sßergamenter u. @cn., roobura) auf ßurücfroeifung 
ber 9t. ber 2tngefd)ulbigten erfannt roorben ift. 

© r ü n b e. 

®te 91 SB. ergebt ben Sorrourf, bajj bie Seftimmungen be« §. 263. 
6t. ©. unrichtig angeroanbt roorben feien, ba in bem tl)aifacf)lid(> feftge* 
ftellten Umftanbe, bafe bei ben Sluftionen be« 8. ber 3lngefl. 3t jum Sdjetne 
mttgeboten unb ber 2lngefl. SJJ. bie Sdjcingebote angenommen babe, eine Sor* 
fpiegelung falfdjer Xtjatfaeben mit Unrea)t erblicft roerbe. 2lbgefe§en baoon, 
bafj bie ^nftansgeridjte nebenbei nodj eine SSorfpiegelung falfa)cr Xbatfadjen 
barin gefunben I>aben, bafe bem Dr. 3J. gegenüber bie 2luftion al« efne amt* 
lia)e ausgegeben unb bie« Vorgeben burd) Huffefcung einer llniformmü&e äu&erlid) 
benötigt, fobann bajj Sß. bem @. ebenfo bie 3luftton al« eine amtliche ober 
polijeilia)e bejeidmet Imbe, beibe 2lngefl., rote 3t., aber nadj ber Bestellung 
ber 3nftanägerid)te gemcinfdjaftlid) jur 2lu«fül)rung eine« uerabrebeten $lane« ju< 
fammengerotrft fmben, bafe alfo felbft bann nod> ba« (Srforbcrnifc einer $or* 
fpiegelung für ben Segriff be« ^Betrüge« al« gegeben ju gelten hätte, roenn auch 
ba« bieten jum Scheine unb bie Slnnafmte ber ©ebote al« eine Sorfpiegelung 
im Sinne bc« oben bejeidmeten Segriff« ntdjt in Setracbt ju fommen bätte, ifi 
3ubem bie oon ben3lngcfl. oertretene Snfia)t eine unhaltbare. SHira) ^eftftellung 
ber 3;nftanjgericbte, ba]g bie burdt) HWitbieten befunbete St^ätigfcit oon Seiten be« 
ÜHttangeflagtcn Äorbmadtjer« £. gegenüber Dr. rote oon Seite be« 2lngetl. 3t. 
gegenüber ©., roä^renb in beiben ftäflen ty. al« ^u«rufer bie ©ebote entgegen 
nabm, tMtig roar, &u bem 3roecte oorgenommen rourbe, bie Sefajäbigten jur 
Abgabe pö^erer ©ebote ju oeranlaffen, foroie burd^ bie weitere geftftellung, bafe 
bura^ bie, rote e« ntd&t in Sbrebe gcftellt roirb, nur jum Sd)ein abgegeoenen 
©ebote in unb ©. ein 3frrt^um erregt rourbe, bura) roeldtjen ber Qmd t bem 
fi. einen red)t«roibrigen 33ort^eil $u oerfd^affen, erreia^t unb jugleia) bie 8e* 
ft^äbigung be« «ermögen« ber ©rfterjenbett berbeigefü^rt rourbe, finb fämmtlidtje 
TOerfmale bc« betrüge«, in«befonbcrc aua) ber 3rrt^um«erregung burd) Sor^ 
fpiegelung falfdtjcr X^atfa^en, o^ne erfia)tlia;cn 3ted)t«irrtl)um feftgcfteHt. 
s 3tamcntlia) tonnte in ber 2lbgabe unb Snna^me oon Sa)cingeboten eine 3ior- 
fpiegelung falfa^er Slmtfadjen, nämlidt) emftlio> abgegebener ©ebote, feljr rool)l 
getunoen roeroen. 

3* 



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3g .ütiujujcß ^traircctii. yrrienntnnie cm ineicD6C|cncpt3. 

§. 123. 6t <B. B. Da« Betreten einet fremben TDohnung ijt aud) 
bann, wenn nur ein befd) ränftes Hedjt ;u folgern beflanb, als ein 
rechtswtbrige* 5U bezeichnen, wenn es aiiferr/alb biefer Berechtigung 
gefdjah. 

@rf. be« I. 6ttaffen. o. 24. 91oü. 1879 c/a. Änoll u. ©en. 

$)er 2lngeR., als Obferoator über ba« ber gerichtlichen Söefchlagnahme 
unterworfene @ut be« 3. befteUt, hatte fidt) auf ©runb einer gegen £efcteren 
rechtÄfräftigen ^orberung in Begleitung eine« ©cricht«cyetutor« unb eine« ^weiten 
©laubiger« be« * n beffen Söofmung begeben unb bort mehrere ©egenftänbe 
gepfänbet. äöegen <öau«frieben«bruch« oerurtheilt, legten bie 2tagefc$ulbigten 
bie 31. ©. ein. Shefelbe würbe jeboch oerworfen. 

© r ü n b e. 

©ie 91. 53. geht oon ber Stuffaffung au«, bafj ba« berechtigte eingehen 
in ba« frembe 33eft&tt)um nicht baburdb, ju einem wtoerrechtlichen einbringen 
werbe, bafj ber SJcitangeflagte 1 währenb feiner oermöge feine« 2lmte« erlaubten 
Slnwefenheit fich nach ^fanbobjeften umgefehen jjaben follte. Sie fteht mit biefer 
2luffaffung aber im 2ötberforuch ju ber beweglichen fteftftettung be« 21. ©., baß 
ber oon oorn herein bei bem betreten be« ©runbftücf« oerfolgte 3wect einer 
unberechtigten Sßrioatpfänbung bjw. $au«fuchung ba«felbe al« ein wibcrrechtliche« 
Einbringen charafteriftre, unb in biefer Söürbigung ber ttjatf ächten Hergänge 
fann ein 9iecf)t«irrthum unb eine Serlefcung ber $egriff«merfmale be« §. 123. 
be«St. ©. 33. nicht ertannt werben; benn ba« Betreten einer fremben Söolmung 
ifi auch bann, wenn nur ein befchränfte« Siecht m folchem beftanb, al« rechte-- 
lüibrigc« su bezeichnen, wenn e« außerhalb biefer Berechtigung gefchah, unb 
ber erforberliche 2)olu«, ba« Semufjtfein ber SÖiberre^tlichfett be« einbringen«, 
erfcheint burd) bie ^eftfteUung erbracht, „bafj bie Angeklagten ba« BewuBtfein 
gehabt, bafj ba« 2lmt be« Obferoator« fein Ütfy gebe, ju bem oben gebauten 
3wecf ba« ©runbftücf be« Sdmlbner« $u betreten, unb bafj ba« Verweilen auf 
bemfelben ju folgern 3wecfe oon bem eigentt)ümer be«felben nicht werbe ge* 
bulbet werben." 

§. 123. @t. <B. B. Der (Ehemann ijt nicht befugt wiber ben Willen 
oes TDormungsbejtfeers, welcher beffen Chefrau gegen (Entgelt 5um mit- 
wohnen oerjtattet, in bie tDohnungeräume einzubringen. * 

erf. be« IL Straffen, o. 25. 9too. 1879 c/a. Sd>neiber, woburch bie 
9i. 50. be« ängefchulbigten jurüefgewiefen worben tft. 

@ r u n b e. 

$er 2lpp. dichter unterteilt bie Üttichtigfeit ber oon bem Slngeflagtcn be* 
Ijaupteten Xh«tfadbe, bafj beffen ehefrau, nadjbera fie ihn oerlaffen unb fich su 
ihren eitern begeben hatte, mit töücfftcht auf ein swifchen ihr unb ihren eitern 
gcfchloffcne« $ertrag«öerhaltnifj gegen entgelt HJcitbewohnerin ber elterlichen 
Sßohnung geworben ift. er erachtet ba« ihr eingeräumte Siecht für ein höchft 
»erfönliche« unb nicht fo geartete«, bafj barau« ber Singefl. berechtigt worben, 
bie Sefugnifj herzuleiten, in ber SBoljnung ber Schwiegereltern gegen beren 
2öillen ju oerweilen, er nimmt cnblidt) an, bafj ber 2lngefl. fid) beffen wohl 
bewufjt gewefen ift, weil er bie erlaubnifj, bie Söofmung ju betreten, um fein 
tfinb su fehen, oon ber SAwtegermutter eingeholt hatte. 

2)afe bei biefen thatfächltchcn Unterlagen ber oon bem 2lop. dichter bei* 
behaltenen erfirichterlichen thatfäd)lichen gefiftettung ein 9techt«irrthum be«felben 



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©euiftyä etrafred)t (Wemttaiffe toeö 9Ui4Sgeri«t3. 37 

ju ©runbe liegt, fann m$t anerfannt werben. Um einen 2Rietb«oertrag, burdj 
weisen bie @befrau be« 2fogefl. Zäunte jum Söoljnen gefonoert erroorben, 
banbelt e« fic§ nu&t. 6ie tf* nur für ir)re $erfon oon ijjren (Eltern in beren 
Söolmung jum ÜWitroolmen gegen ©ntgeit aufgenommen. S)ie SRed&te, roel#e 
bem Slngeflagten gegen feine ßfefrau an beren ^erfon ober Vermögen ober in 
ftolge ber burd) fic beroirften gortfd&affung oon 6aa)en au« feiner Selwufung 
aufteilen motten, burfte berfelbe md)t, raie gefdjefjen, baburd) geltenb machen 
unb in Sollpg fefcen, bafc er in bie 9ted&te ber 6dbroiegereltem an ber SBofjmmg 
eingriff unb beren <QauSfrieben ßörte. ^orliegenb r)«t ber Sfagefl., roeld&er ftc§ 
überhaupt nidjt auf eine 3uftimmung feiten« feiner <Sf>efrau ftü^t, wie ber 
2lpp. 9ttd)ter geroorbebt, oon ber 6ä)roiegermutter, um fein Äinb ju fefjen, bie 
(xrlaubnifc, bie 2Sof)nung ju betreten, eingebolt. SBenn ber 3lpp. 9*ic^ter ba« 
Senoeilen be« 2lngefL unb feine« ©enoffen fc. na$ ber oon ber 6a)roicger* 
mutter gef dienen 2lufforberung, ft$ 3U entfernen, für ein unbefugte« unb 
gemäfe §. 123. 2lbf. 3. be« 6t ©. firafbare« cradjtet l>at, fo ift barin ein 
iRea)t«irrtf>um nid&t $u finben. 3n«befonbere trifft ben tipp. ftidjter nidjt ber 
ißorrourf, bafj er bie $ftea)te au« bem 9flietb«oertrage unb bie SRedjte be« @fje* 
mann« an bem Vermögen unb an ber $erfon feiner @f)efrau oerfamtt fjabe. 



§. 263. et. (F. 8. Qlrt. 108. Hr. 5. 6ce <8. 0. 3. Jtlai 1852. Sao 
Derfdjroeigen oon Jtfylern beim üerfauf einee pferbeo fann, infofern 
00t bem 2lbfd)lujj besfelben feine «frage nad> ber ^eb^ojigfeit gejtellt 
roorben ift t nidjt ate ftrafbar gelten. 

@rf. be« L ©troffen. 0. 4. 9loo. 1879 c/a. 6d>mibt, rooburdj ba« 
©rf. II. ^nftanj oerni$tet roorben ift. 

© r ü n b e. 

2>a« im §. 263. be« 6t. ©. al« Stöttel jur 3rrt^um«eneaung ge* 
baä)te Unterbrücfen einer magren X^atfa^e Eann jroar fd)on an bem abn$tu$en 
SSerf Zweigen einer 2$atfa$e, wenn eine 9ted)t«pfltd)t, biefelbe mitgutyeilen, 
beftanb, gefunben werben. SBorliegenb ^at aber ber &pp. Siebter nur eine 
raoralifo>e $flid)t be« 2lngett $ur aWitt&eilung ber ^batfad&e, bafj ba« $ferb 
ein Jtrippenfefeer mar, an ben 3eugen GWb- a ^ beftebenb angenommen, unb 
eine foldje ^ßflicbt genüat nidjt, ba« blofee abftct>tUd^c 6djroeigen über biefe %f)<xt* 
faaje al« Unterbrütfen berfelben im ©inne be« §. 263. 6t. ©. 8. ju beurteilen. 
3ft r)tcmad) biefe ©trafoorfäjrift oerlefct, fo ergiebt fidt) barau« aud), ba§ ber 
Eintrag be« 3lnaefl. auf ißemebmung be« itaigen 26. barüber, bafe bie {Jrage 
naa) ber ^e^lerloftgfeit be« Sßfcrbe« oon 6d). oor $bfd)lufr be« ^anbel« über» 
baupt iiutt geftellt morben, au« einem retbtUdj nidjt ptre^enben ©runbc abge« 
lel)nt unb babura) bie 33ertbcibiguna be« Singeft. im 6inne be« 9lrt. 108. iRr. 5. 
bc« @. 0. 3. 3flai 1852 in unjuläffiger Söeife, roie ber Slngefl. behauptet, be* 
fa)ränft morben ifi. 



§§. 11. 13. bw K. <P. 0. 10. 3uni 1869, betr. bie tDccbfclftempclfreuer. 
Sur Jreifpreö^ung roegen TDed)feljlempeljlcuercontra»ention ijl bie Jtjl- 
jtcllung erforberliö), ba^ bie üertoenbung ber tarifmäßigen Stempel- 
marfe red)t3eitig erfolgt ijh 

erf. be« 1U. 6traffen. 0. 26. ^00. 1879 c/a. ftofenberg, mobura) 
ba« 6rf. II. ^"f* 01 ^ ocmia)tet roorben ift. 



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38 3)tutf<^eS ©tra|rcd)t. (Sttenntniffe txä 8lei<i$gcnd)tö. 

© r ü n b e. 

Slngcfl. hatte bcn mr $rage fiebenben, au« crfter §anb oon bcn Au& 
ftcltern empfangenen 2öcd)fel, wenn betfelbe nicht bereite oerfteuert war, nad) 
§§.11. unb 13. beS ©effelftempelfteuergefe&eg vom K). $uni 1869 buri Auf- 
heben ber tarifmäßigen 9Jtorfe am testen Orte unb burdj tfaffirung berfelbcn 
in oorgefchriebener §orm ju oerfteuem, ehe er «Batyluna auf benfelben entgegen* 
nahm. Auf SBerle&ung biefer ©teucrpfücbt ift Sic Anflage gegrünbet, wenn fic 
heroorhebt, baß Angcfl. auf ben Steffel fraglidje Gablung empfangen unb ben* 
felben au$ ber &ano gegeben habe, ohne baß bie Verteuerung nach §§. 1.— 6. 
unb 13. beS ®efe&e8 unb nad) ber Vefanntmachung be8 ^tetd^SCanjlcrg com 
11. 3uli 1873 erfolgt gewefen fei. S)aß bie Auflage md)t auch auSbrüdlid) 
eine Verlegung be$ §. 11. be8 ©efefeeS rügt, ift um fo mehr ohne 83ebeutung, 
alö fie bie hier interefftrenbe SBeftimmung jenes Paragraphen burch ben Vorwurf 
bc3 3al)lung*empfang« auf einen nidjt oorfcbrtftämäßig oerfteuerten SBedjfel 
genau bezeichnet unb ben otrafantrag auf §. 15. be3 ©efetjeä geftüfct hat, nad) 
meinem mit bem fünfzigfachen Vertage ber Unterzogenen Abgabe zu firafen ift, 
„wer ber nad) ben §§. 4—12. ihm obliegcnben Verpflidjtung zur Entrichtung 
ber 6tempelabgabe nidjt rechtzeitig genügt bat". 2öar bemnad) Angesagter zu 
beftrafen, roenn bie Verwenbung ber tarifmäßigen 3)larfe ganz unterblieben ober 
nicht in oorfd)rtft3mäßiger gönn ober nidjt rechtzeitig erfolgt mar, fo fonnte 
umgefehrt bie gfteifprechung nur erfolgen, wenn t& ber Anflage nidjt gelungen 
mar, eine Verlegung ber ©teuerpflid)t in einer ber heroorgehobenen Stiftungen 
barzulegen. (Sin (Srfenntniß, meines nur bie Verwenbung ber tarifmäßigen 
2)}arfe in oorfchriftSmäßigcr $orm befmnbelt hätte, würbe bie Anfinge nidjt er* 
fdjöpft ^aben. £enn teuere enthielt nach il)rer Raffung eben auch bcn Vorwurf 
nicht rechtzeitiger Verwenbung. S)er zweite 9ltdt)ter hatte .baher aud) nad) biefer 
Dichtung ju prüfen unb feffyuftetlen, ob bie SDierfmate einer Verlegung ber 
(Steuerpflicht burd) nicht rechtzeitige Verwenbung gegeben waren ober nicht. 3n 
biefer Beziehung oerftößt aber ber App. 3fttd)tcr gegen §. 353. ber ©t. s #roj. 0. 
©ein ©rfenntniß enthält nicht, was eS nad) ber angezogenen gefefelichen Vc* 
ftimmung enthalten muß. S)enn bie oom App. föidjter gebilligte tfeftfieüung 
bc£ erften 9tid>ter£ h a * ohne Ermittelung beS zeitlichen Verhältmffe« ber ©tcmpel* 
oermenbung zum 3ol)fang8empfange nur baS Aufheben ber tarifmäßigen OHarfc 
auf bie deficite be$ 2Bechfel8 fonftatirt, unb ber zweite dichter tyat nad) ber 
oon ihm befdjloifenen VcmeiSaufnaljme allein über bie ftrage oorfchriftSmäßiger 
Äaffiruna eine weitere geftfteUung erforberlid) erachtet. «Die ftcftfteHung be« 
erften Achters aus ben in ben ©rünben oorauSgefefcten Erwägungen eine 
weitere Vebeutung zu geben, biefelbe tnSbefonbere auch au f bie Rt\t ber SScr* 
wenbung zu erfireefen, erfcheint aber fd)on au& bem ©runbe beoenflicb, weil 
Angcfl. fid; bei feiner oorauSgegangencn gerichtlichen Vernehmung über Sic $cit 
ber Verwenbung überall nid^t auSgclaffen h fl l- S)w zweite dichter Im* öud) 
nach biefer Dichtung eine Interpretation ber erftinftanzlichen geftftcUung nicht 
unternommen, ©ein (Srfcnntniß entbält baher allerbings bie in ber 91. 23. qc* 
rügte Surfe. $a$felbe war baher auförunb ber §§.353. 386. ber ©t. $roz. 0. 
o. 25. 3uni 1867 zu oernidjten, bie ©ad)e fclbft aber zur anberweitigen ^er* 
hanblung unb ©ntfeheibung in bie II. Sttftanz zurüefzuoerweifen. 

§. 16. bes K. (B. ». 21. (Dft 1878. Die auf (Brunb bts §. 16. 6c« 
K. <P. gegen gemeingefährliche Bcjlrebungen ber 0o3ial6emofratie »om 
21. (Dft. 187S poUseilicherfett» crlaffenen unb publisirtcn Verbote unter- 
liegen bei Tlnflagen aus ben §§. 20. unb 21. bes CiL (Befc^es nid)t 
einer ridjtcrlid)en Prüfung. 

(£rf. bc& U. ©traffen. oom 2. $ej. 1879 c/a. 3)?., woburch bie S J2. & 
bea Angefchulbigten zurüefgewiefen worben ift. 



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2)cutfd}e6 ©trafrecbt. (Jrttnittnifjt beS SReidj$gtri(fit§. 39 

© r ti tt b e. 

2>aS ©efefe gegen bie gemeingefährlichen Seftrebungen ber ©ojialbemo* 
Itatie »om 21. Oft. 1878 (91. ®. 331. 6. 351) beftimmt im §. 16.: 

„SDaS ©infammeln »on Seiträgen jur görberung »on fojtalbemofratifchen, 
fojialiftif d)en ober fommunifttfehen, auf ben Umfturj ber befle^enben Staate 
ober ©efeUfchaftSorbnung genuteten Seftrebungen, fomte bie öffentliche Stuf* 
forberung jur Seiftung folget Beiträge finb polizeilich gu »erbieten. 2)aS 23er* 
bot ift öffentlich befannt ju machen. ®ie Sefd&werbe finbet nut an bie SBfof* 
fichtSbehörben ftatt." 

@S finb fobann in ben §§. 20., 21. ©trafen gegen benjenigen feftgefefet, 
roclc^er einem nach §• 16« erlaffenen Serbote xuwtberhanbelt, je nachbem bie« 
mit ober ohne ßenntnifj jebodj nach erfolgter Sefanntmachung beS SerbotS ge* 
flehen ift. 

Durch bie in bem SWelligenjblatte uora 9. 9?o»ember 1878 unb in 
bem betreffenben 2lmtSblatte »om 15. SRooember 1878 »eröffentlichte Ser* 
fügung beS flöntgl. $poliaet*$ßräfibiumS ju Berlin »om 6. 9to». 1878 ift auf 
©runb beS §. 16. beS @. gegen bie gemeingefährlichen Seftrebungen ber 6o* 
3ialbemoftatte oom 21. Oft. 1878 baS ©infammcln »on Beiträgen jut Unter* 
ftüfcung »on Vereinen, ^njtituten unb ^rioatperfonen, welche bur<$ bie 2luS* 
füfjrung beS gebachten ©efefceS betroffen finb ober in 3utu n ft etwa betroffen 
werben, fowie bie öffentliche 2tufforbcrung jur Seiftung folcher Seiträge für ben 
^olijeibejirf »on Serltn oerboten. 

Daburch, bafe bie Verfügung auSbrüdflich auf ben §. 16. beS ©. oom 
21. Oft. 1878 gegrünbet ift, ift baS ©infammein oon Beiträgen jur Unterftüfeung 
ber barin bezeichneten Vereine, fjnfritute unb ^rioatperfonen, fowie bie öffent- 
liche 2lufforberung jur Seiftung folcher beitrage als baS (Sinfamraeln »on Sei* 
trägen zur görberung oon fozialbemorratifchen, fosialiftifdcjcn ober fommuniftifchen 
auf ben Umfhitz ber beftehenben Staats» ober ©efellfchaftSorbnuna, gerichteten 
Seftrebungen, beziehentlich als bie öffentliche Slufforberung zur Setftung folcher 
Beiträge gefennjeichnet unb wegen biefer (Stgenfchaft für ben angegebenen söejttf 
oerboten- ®8 ift beShalb ber in ber 9iichtigfeitSbcfchwerbc erhobene Sorwurf, 
bafj baS polizeiliche Verbot fuh ü&cr M« burch baS ©. felbfi gezogenen ©renken 
hinauf beioege, unbegrünbet. (fine weitere Prüfung aber tfl, wie ber 2lpp. dichter 
mit Stecht annimmt, wegen beS nur an bie AuffichtSbehörben jugelaffenen Se* 
fchwerbcwegcS auSgefchlojfen. 3n &en 2Jioti»en beS ©. ift auSbrücfltch auSge* 
f prochen, bajj bie Ausführung beffelben, abgefehen oon ben Strafbeftimmungen, 
lebiglich in bie §anb ber (Srcfutiobehörben gelegt werben folle, ba es fich um 
bie Sbwenbung einer gemeinen ©efahr, alfo recht eigentlich um eine Säufgabe 
ber $olUet fyanbk. Die babei in Setradjt fommenben fragen feien weniger 
oon juriftifchen als oon politifchen ©cftchtSpunften aus zu beurteilen, unb eben 
beShalb fei auch Seurthetlung berfelben nicht richterlichen, fonbern politifchen 
Organen zu übertragen. 2luch eine gerichtliche ÄontroHc ber oon ben Serwal* 
tungSbehörben auf ©runb beS ®. getroffenen 2ttajjnahmen fönne nicht in fitaac 
fommen, wenn ber Bwecf beS ©. erreicht werben folle. Gine folche ÄontroÖc 
würbe bem in $>eutfa)lanb geltenben SerwaltungSrechte nicht entfprechen unb bie 
wirffamc Durchführung beS ©. gefährben (3J?otioe 6. 15). S)ie ©runbfäfie fmb 
»on ben gefefcgebenben ^aftoren aboptirt. 

®er 3lpp. dichter hat für erwiefen erachtet, bafj ber 2lngcfl. im 5too. unb 35es. 
1878 ju Serlin nadj erfolgter ScFanntmathung beS SerbotcS uom 6. 5loo. 1878, 
wenn auch ohne Itcnntnif; beffelben, Seiträge bis jum ©efammtbetrage oon 
22 Wl 75 ?|8f. gefammelt hat, um befrimmten ^erfonen, welche auf ©runb bess 
©. »om 21. Oft. 1878 »on Serlin auSgemiefen, alfo burch bie Ausführung beS 
qebachten ©. betroffen waren, eine Steifeunterftü^ung ju gewähren, ©einer 
JcftfieUung, bafj ber 2lngefl. baburch einem nach §• 16. beS ©ef. »om 21. Oft. 1878 



40 2xutfdjes ©trafrcdjt (£rtcnntniffc bcö iReicbögeticfjtö. 

erlaffenen Verbote nad) erfolgter SBefanntmadjung beweiben jurotber gcljanbelt 
bat, liegt f)iemad) ein 9tecr)t3trrtf)um nidjt ju ©runbc, unb ift auf ben feftge* 
ftettten $l)atbcftanb ber §. 21. bc3 gebauten ©. richtig angeroenbet. 

§§. 147., 73 M 74. 6t <B. B. 3n bem auf einmal ftattftnbcnben 
6icb»erfd)affcn falfdjen (Belbee fann eine ßonfucren3 mehrerer felbjl* 
ftänbiget fjanblungen nidjt gefiinbcn werben. 

©rf. be3 I. Straffen, o. 4. 2)cj. 1879 c/a. rooburd) greifpredjung be£ 
2lngcfd)ulbigten erfolgte. 

© r fi n b c. 

$n bem Sidjoerfcljaffen bc« falfdjcn ©elbeS auf einmal barf eine Äon* 
furrens mehrerer felbftftänbiger öanblungen ntc^t crblicft werben, c3 erfdjeint 
uielmeljr baffelbe aU eine $anblung, beren (Sinfjeit aud) baburd) nidjt befeitigt 
rourbe , bafj baS auf einmal ud) oerfdjafftc ©elb fpäterl)in in ^Teilbeträgen — 
in ©nefen unb Steinig — jur Verausgabung gelangte. 9tun mar aber bie 
eine fcanblung beS Sid&ücrfdjaffen£ beS falfdcjcn ©clbcS burdj bie Aburteilung 
in ©nefen jur ooUftänbigcn ftrafred)tlid)en (Srlebigung gebracht roorben, unb Tie 
Durfte barum ntdjt nochmals in 33rc3lau als ba£ Ausgeben be3 falfdjcn ©elbcsS 
in Seipjig im (Sinne be£ §. 147. 6t. ©. 8. qualifairenb beftroft roerben. 
Snrotefern aber etroa ba« 2lu3geben bc£ falfdjcn ©clbeä in fieipjig otjne öinblid 
auf ba£ ,,Sid>crfd)afftt)abcn'' bcffclbcn ein felbftftänbig frrafbareS ©elift bar- 
fteHen tonnte, ift ntdjt jum ©egenftanb ber Slnflage gemadjt roorben. 

§. 283 3 ) et. <B. B. (Erforoernif ber Qluffielluna, raujmännifa)er Bilan5 
in jebem geitja^re. 

(Srf. beö IT. Straffen, o. 2. $ej. 1879 c/a. ^acobn, rooburd) bie 
91. SB. beS 2lngefd)ulbigten 3urädgeroiefen roorben ift. 

© r ü n b e. 

23a£ bie Verpflichtung $ur Vilamanfcrtiaung betrifft, fo cntfpridjt bie 
33ef)auptung bem ©efefce nidjt, bafj foldjc in jebem Äalenbcrjabre ju erfolgen 
fjabc, alfo beren Unterlnffung für ba3 3al;r 1878 bem 2lngefl. md)t jur Saft 
fallen fönne, roeil bei 2lu3brud) be§ ÄonfurfcS bas $at)t nod) ntd)t oerftrid)en 
geroefen. 2lrt. 29. beS 2). ©. 33. oerorbnet beftimmt, bafe bas än^entarium 
cine§ Kaufmanns unb bie barauf gegrünbete Silanj juerfl beim Seginn feine« 
©eroerbeS unb bemnädjjt in jebem ^afjre aufjuflctten fei, roag 3ur ©enüge er* 
fetten läftf, bajj babei nicf)t an baS Äalenberjafjr, fonbern ba3 an ben ©efd)äft3' 
beginn ficr) anfd)licfjenbe 3citjaf)r <]ebad)t unb für jcbeS 3 cit i ft ^ eine Silanj 
erforbert rourbe. 

2Bcnn nun nad^ ben tf)atfäd)üd)cn Ermittelungen ber ^nftanjgeridjtc 
fcitfjcr ber Januar ber Wlonat geroefen ift, in rocidjem bic S3ilattj für baS ©c- 
fa^äft beS 3lnaefl. auf jufteUen roar, fo fann e£ bem 3lngcfl. niebt 3ur 5öefd^roerbe 
gereiajen, bnfe ber $erufung$ridf>tcr ben ^Ijatbcftanb bc« §. 283. 3»ff- D ^ 
% St. ©. 58. bcS&alb für nnmcnbbar craajictc, roeil Slngcfl. uon feiner testen 
Silanjaufflcllung im Januar 1877 an ben ganzen 3ett^wni b& sum September 
1878 oerftrcia)en lieB, olnie ber gefeilteren ^flid)t ju genügen. 

§. 195. St. (B. B. Bewältigung bes (Ebemanne, Me feiner <£b e f rau 
jugefüaten Beleibigungen aua) noch nad) bem lobe berfelben gerld)tltd) 
5U verfolgen. 

@rf. bcS TL Straffen, oom 9. 3)cj. 1879 in ber ^njuricnfaaje G. c/a. 
rooburd) bic SR. 8. bes Scrt tagten jurüefgeroiefen roorben ift. 



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«t/ VM» f v*y V» • • *• | 4 VW »» Vi" * 4 V«» •44»4*j|V "Vir W» V ■ ■*! * * J_ 

© r ü n b e. 

$>er 2lpp. Siebter nimmt als erroiefen an, ba§ bic SBerflagte ju Berlin im 
Sommer 1877 in SBcflieljung auf bic baraalS nod) lebenbe (Sljcftau be£ fflaatxä 
eine Xfmtfaä)e behauptet fjiat, roeldje biefelbe in ber öffentlidjen Meinung I;erawu> 
roürbigen geeignet unb nidjt erroeislicb roafjr ift, unb bat auf bie oon bemßbe* 
mann bec Selcibigten nad) bereu Xobe im (Sioilprojeffe erhobene Mage bie $Ber* 
Ilagte au« §. 186. 6t. ©. 23. beftraft, inbem er ben Umftanb, bafc bie beleibigte 
Gl;cfrau injroifa^en, obne oon ber Seleibigung tantnifj erlangt ju (wben, »er* 
ftorben ift, als baS Älagred)* beS GbcmanneS, melier erft furje Sfo* 
jteHung ber Älage oon ber beleibigenben 2leufjerung Äenntnifj erfjalten, nidjt 
berübrenb eradjtct 

SDer als oerlefct beaciajnete §. 195. 6t ©. beftimmt: 

„6inb @^efrauen ober unter oäterlidjer ©eroalt ftebenbe Äinber bc> 
leibigt roorben, fo Ijaben forooljl bie SSeleibigten, als oeren ß^emänncr 
ober SBäter baS SRed&t, auf ©eftrafung anjutragen." 

2)iefe 3?orfd)rift giebt naä) ibrem Wortlaute, roic nad) bem ©egenfafce 
Mi ber baS 9IntragSred)t gefefeliajer Vertreter betreffenben 5Kegel beS §. 65. ba^ 
felbft ben (Sljemännem unb Katern ein fclbftftänbigeS 9tedf)t, roegen ber ifjrer 
©fjefrau ober bem in tyrer oätcrlicbcn ©eroalt ftcljenben ftinbe zugefügten Se* 
ütbtgung auf 5öeftrafung anzutragen. £>ieS 3ted)t tft an feine weitere iBorauS* 
fe&ung, ^fonbern nur an bie %$atfaä)t gefnüpft, bafc (£I)efraucn ober unter 
Däteriidfoer ©eroalt ftebenbe jfinber beleibigt roorben finb, unb baf)er mit bem 
Gintritt biefer 5£^atfac^c — ber 8eleibigung ber ©Ijcfrau ober beS ÄinbcS — 
gcjefcliä) erroorben. Sabci ift eS nidjt nur felbftocrftänblidf), bajj cS fiaj um 
eine ber ©hefrau ober bem Äinbe bei beren Sebjeitcn jugefügte SBeleibigung 
banbetn mufj, rocil 2lcufjerungen, roeldjc fidj auf einen ^erftorbenen besiegen, 
überhaupt nur naa) SMafegabe beS §. 189. bafelbft ftrafbar unb ocrfolgbar finb; 
fonbern eS ift aud) als rociter erforberlia) auSgcbrüdt, bafe bie ©eleibigung ber 
ßbefrau roäljrenb beS SBeftebenS ber (*be, — bie »eleibigung beS ÄinbeS roäbrcnb 
be3 33efte^en« ber oäterlidjen ©eroalt — gegeben ift. 5ßon bem Umftanbe 
aber, bafe bie beleibigte (sljefratt ober ba§ beleibigte Äinb oon ber beleibigenben 
^anblung felbft Äenntntfj erbatten l;at, ift baS 2lntrag3rcdjt be« ©bemanroS ober 
bcsS SBaterä ebenfo roenig abbängig, alä baoon, ob bie ©befrau ober baä Äinb 
telbft bie ^anblung als Seleibigung empfinben unb rügen roollen. SBie i^r 
^Sollen, ebenfo finb aber audf, bie i|re $erfon fpäter betreffenben Umftanbe auf 
ba£ gefe^liai einmal begründete Slntragdrea^t beS GbemanneS ober beS SaterS 
" obne 6influ§. @S ift baber aua^ bem fpäter erfolgcnben Xobe ber beleibtsten 
(äbefrau ober bc« beleibigtcn .^inbeS ober ber anöerroeit berbeigefübrten 2luf* 
löfung ber @be ober ber oätcrlicben ©eroalt nia)t bic äßirfung beijumeffen, ba§ 
ba3 gefepa) entftanbene 2lntragirea)t beä Gbemanneä ober be« S3ater« roieber 
oerloren gegt. 

3lUerbingS fpred>en fta^ bic aWotioe ju bem §. 195. 6t. ©. SB. babm aus, 
baft biefer niajt bie fogenanntc mittelbare ^njurie bcrü(fficf)tige, oiclmebr nur 
bie Steckte beleibtster ©befraucn ober unter oätertidjer ©croalt ftebenber tfinber 
befonberS roabren roolle unb barmn aua^ bem ©b cmannc un0 oem 33ttter ber 
Seleibigten baS 9tea)t, bie ^eftrafung bc§ SclcibtgerS $u beantragen, cttl)cilc. 
hieraus ift jebod,, abgefeben oon ber grage, roelajc 58cbeutung für bic 3lu3* 
legung be£ gegebenen ©efe^eö ben 3Kotioen beijumeffen ift, eine ber oorftebenben 
entgegengefe^tc 3luffaffung niebt ju entnebmen, ba barin nur ber ^malmte einer 
bie '^erfon beS ©bemanne« ober $atcr£ mittelbar treffenben Seleibigung ent* 
gegengetreten roirb, im SBeitcren aber gegenüber bem 9tea;te ber beleibigtcn 
(sfiefröu unb be« beleibigten Äinbe« ein ^Hccbt bc« ©bemannet unb Katers an- 
erfannt roirb, roeltbcS jroar als in Nücffify auf ben größeren Sajufe ber @b^ 



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A n. T.ntU«.-' - s., . i., ix _».,, ,, i „iff« v,u WciAAnovi/fttä 

4.2 ji;tut]Cpcö (©ttaiTccDt. ucTtcnnintii*. Des jnciajö^encpte. 

frau unb oet Äinbet gegeben bejeidmet, feiner 9tatur nadj aber einer weiteren 
Erörterung nicfyt untersogen ift. $>er Slnnabme, bafe baS 2lntragSred>t beS @f)e* 
manneS unb Vaters nur ein proscffualifdjeS Vertretungsrecht unb beSfjalb oon 
bem Vcftebcn beS bie Vertretung begriinbenben Vcrf)ältniffeS abhängig fei, fteljt 
nid)t nur bie .§erauSljcbung ber im §. 195. gebauten $ätte aus ber s Jtegel beS 
§. 65., fonbern audj bie SBortfaffung beS §. 195. entgegen, weiter bem dbe* 
manne unb bem Vater ber Veleibigten wegen ifyrcS pcrfönltd&en Ver&ältmffeS 
3u benfelben ein bem 9ied)te biefer gleid) ftebenbcS SfatragSrecbt beilegt unb 
bamit als ©runb ein gleiches ^ntereffe an ber Veftrafung beS VeleibigerS untere 
ftcHt. ES fommt für biefe Auslegung als ein nid)t uncrbeblid)eS SJlomcnt ^inju, 
bafe ber §. 195. 6t. ©. V. — abgefeljen oon ber tebtglid) rebaftioncüen ©ub* 
ftituirung beS am ©d&luffe befinbKdjen SSortcS: „unb" für „ober" — mit bem 
§. 162. beS spreufe. ©t. ©. V. com 14. 2lpril 1851 übereinirimmt unb bafc 

beffen @ntftebungSgefd)id)te ergiebt, bafc bureb bie Söorte: „ fo Imbcn fomobl 

bie Veleibigtcn als beren (Seemänner ober Leiter baS 9ledt)t ... ." ein über bie 
$ro$efeüertretung binauSgetjenbeS Stedjt §at anerfannt unb jum Su^brudf gebraut 
werben f ollen (oergl. ©oltb. 2lrd). Vb. 15. ©. 301. flg., 362. flg.). 

$>ie SluSfüljrung be« Slpp. Stifters, bafe ber flläger bei ber ftrafredjt* 
liefen Verfolgung ber feiner Ehefrau sugefügten Veleibtgung ein eigenes ftntcreffe 
ocrfolgt unb ein eigenes 9ted)t wahrnimmt, unb bafe er baran burd) ben nad) 
ber Velctbigung eingetretenen £ob feiner @f)efrau nidjt geljinbert wirb, ift biet* 
na$ für richtig ju erachten unb baf)er bie 9tüge einer Verlegung beS §. 195. 
©t. ©. V. als begtünbet nidjt anjuerfennen. 

§. 284. et. B. §§. 250., 376. 6t ^05. <D. Cl)atbe(lan6 öee 
(felütffpicte. (Bewetbemäfjigfett. <£rforocrnt£ eince <Berid)t8befd)lufic& 
5um Detlefen oon üetnebmungeprototollen in 6er IjauptoerJjanölung. 

<£rf. beS III. Straffen. 0. 10. ^5. 1879 c/a. ©cl5er unb tfatfjel, woburdj 
baS Vorerf. oemiajtct wotben ift. 

© r ü n b e. 

I. ©ie gerügte Verlegung beS §. 284. beS ©t. ©. V. liegt ntdit oor. 
es ift feftgeftellt, bajj ber 3euge ß., nadjbcm unter ben Slngefl. alle Vorberct* 
tungen 3um beginne beS ßümmelblättcbcnfptcls getroffen waren, unb als 
feinen ©mfafc 100 bem 2Jtitocrfl. ©. übergeben fjatte. fid) f)at befitmmen 
laffen, einen ©afe oon 100 2Jlf. ju roagen. 9Jtit biefem ©cfcen 3U bem 3 ro crfe, 
bamit ©eminn ober Verluft oon bem burd) 3ufatt 3U beflimmenben Ausgange 
beS ©piels feftgcfteUt werbe , ift ber Xfwtbeftanb beS ©lücffpicls gegeben; ber 
©efcenbe oerfutjt nia^t 311 fptelen, wenn er feinen ©nfa^ mad)t, fonbern er fpielt 
bereits. 2)ajj baS ooraufgeljcnbc ©e^en beS Knaefl St. ein blofe fictioeS war, 
ift nid)t feftgeftettt. 6S wäre bicS übrigens aua) o^nc Einfluß auf bie ©cur* 
tljeilung ber erhobenen Vcfa^wcrbc, wie aufy fonft bctrügcrifcrjc Manipulationen 
beim ©piele an bem Sljatbeftanbe beS ©pieleS nia^tS änbem. S)emnaa) lag 
bereits ein ©piel oor, als ©. ben iljm oon ^. bebänbigten (Sinfafc o^ne suoorigeS 
2lbfa)lagen ber Äarten bem übergab unb biefer mit bem ©elbe ent* 
ternte. 

II. Wlit Unred)t ift aueb im Termine biefer ^"^3 ^om Vert^eibiger ber 
Slngefl. bie crfiri(^terlid)e geflfteHung ber ©ewerbSmä'jjigfeit angegriffen, 
2lnfcl)ung beS &. erfd^eint bie ßinweifung auf bie Vorbcfirafungcn beSfclbcn 
wegen beS alcia^cn Vergebens allcrbingS als auSreidjenb, um ben oorliegenbcn 
galt in Verbinbung mit bem früberen auf (Srwerb bur(b ©piclgcwinn gerichteten 
Xrciben ber 9lngcf(. als einen auf bcnfelbcn 3n>ecf gcrid>teten, fomit als einen 
gewerbsmäßigen aufjufaffen. 3ittdC fid^tUd^ beS ©. f)at ber ^nfianäric^ter ange* 



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2>oitf*e$ Strafred&t. fcrtenntmffc fce« Wtiäfamm- 



43 



nommen, bafj na$ Vereinbarung unter bat Efogefl. ©d&lepper gewefen, ©. 
aber baS Socal unb bie harten bergegeben fjat unb fo gemeinfdfiaftlidj von Seiben 
alles sunt Setriebe be« Spiels @rforberltd)e fjergcridjtet f et r bafe ferner aufeer 
Ä. noeb anbere notorifdjc 6pieler bei 6. ifcren Serfelrc gehabt tyaben. £iefe 
tbatfädjlicben Erwägungen fyabtn bem 9lid&ter olme föeajtäirrtfium bie Stonatnne 
geftattet, bafe ber »orliea,cnbc %aU fein oereinjelter fei, »ielmcfjr auf einen go 
roerbSmäfiigen Setrieb tynmtft. 

ID. dagegen f>at ber 3weite föeüifiongantrag für begrünbet crad)tet werben 
BiüfTcn. 3)er 3euge §• ift Eröffnung beS §auptt>erfaf)ren8 wegen großer 
Entfernung auf ©eridjtsbcfdjütfe burd) einen erfüllen 9tid)ter oentommen. 3)te 
Serlcfung be3 Seme&mung3protofoll£ in ber §auptocr()anblung mar jroar ftatt» 
Imft, mu|te aber naef) §. 250. 2tbf. 3. ber <St. ^roj. 0. burd) ©eridjtSbefdjluij 
angeorbnet, audd mufete ber ©runb ber Serlefung mit einem Semerfen über bie 
Seeibigung ber oemommenen $erfon oerfünbet werben. 2ln bie SeobaAtung 
biefer Sorfdjriftcn ift bie in §. 250. aufgehellte 2lu8nal)me oon ber 9leael be« 
§. 249. gebunben. $er frttfjerc Sefdjluf} bc$ ©eridjtö über bie commiffarifdje 
Vernehmung ift nidjt biejenige Sefd)luf?faffung, meldje ba$ ©efefc für bie &aupt* 
oerbanblung felbft erforbert. 2)a3 ©eridjt bat oielmetn* unb jwar im $mblt<f 
auf eine mögliche Seränberung ber ©abläge in ber ^wifd&enjeit ben früheren 
Scfd&lufj einer Üiadjprüfung $u unterbieten unb in ber &auptöerfjanbtung feine 
Entfdjliejjung barfiber, bafe unb am wettern ©runbe bie Serlefung bc3 $roto* 
foIIeS ftatt ber Scrncfmtung erfolgen foüe, ju oerfünben. SDie Scrfünbung 
bc£ mit 2tngabe beS ©ntnbcS ocrfefjenen ©eridjtSbefd&luffeS mufj ba3 ^rotofott 
nadjmcifen, ba e£ ftcb um bie Seobadjtung einer wcfcntliajcn görmlidjfeit fjanbclt. 
$n twrliegenber @ad)e ergibt ftd) aber au3 bem Sßrotofolle nur, bafj bie Serlefung 
ber pro toroHarif d)en eiblidjen 9IuSfagen beä 3 cu 9 cn §• untcr 3 u ft" nmun 9 Dcr 
©taat3anwaltfa>ft unb bc3 SBertfjcibigerS cincS ber llngcfl. erfolgt ift. 2)icfc 
3uftimmung erfe^t nid)t ben im §. 250. gebauten ©ertdjtSbcfdblufj, welker eine 
g,efe§lidje $orau$fcfcung für bic «Stattfjaftigfeit ber Serlefung bilbet. S)a biefer 
iöcf(|lu| nadj bem für bie Seobadjtung ber oorgefdjriebcncn ^örmliajfeiten mafc 
gebenben SßrotofoHc meber ftattgefunben fjat, noeb oerfünbet roorben ift, fo burfte 
bie 3eugenau3fage bei ber UrtljeilSfällung nidjt benu^t werben, ^in ber %$at 
ift fte aber für bie ^ftfaKung be« 9ii(^ter5 fo wefentlid) gewefen, ba§ ledere 
auf berfclbcn mitberubt. ©icmadj beruht baß Urtfjeil felbft auf einer ©efeßeS* 
uerlefcung. 6« bat baljer bie 2lufljebung bcSfelben mit feinen ^eftfteUungcn unb 
bie 3uriUfoerweifuiig ber 6aa)e in bie 3nfian$ erfolgen müjfen. 

§. 166. @t (P. B. «Eine in einem ar>irtb8b<uije abgegebene ?leu|erung 
in (Pegenwart jweier perfenen fann als eine öjfentlicbe erad)tet werben. 
Die Codierung (Cbrijli flellt ftd) als (Bottesläjlerung bar. Ijerabwürbigung 
unb Cäftetung bura) befd)impfcnbe 'Jleujietungen* gelten mö)t als gleid)* 
wertbige Begriffe. 

(srf. beS UI. 6traffcn. o. 13. 2)e$. 1879 c/a. 6tort, wobura) baä Erf. 
II. ^nftanj oemid)tet worben ift. 



ü?aa) ber crjtridjtcrlidjcn, in ber 3lpp. 3 n ftflt3 beibehaltenen ^cftftcllung 
bat ber 3lngctl. im 6eutbe'fa)cn Sföirtpljaufc ju ^rönbenberg in ©egenwart ber 
3eugen ©. unb dl bic Steuerung gctljan: 



© r ü n b e. 




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44 Acutiwco otratiu. t. i&tieuntmpe dcs Jtctaf&gcnciHö. 

il)m öorgcfchwafct, ber iictlnic ©eift wäre übet HHaria gefommen unb 
baoon wäre baS ßinb". 
Ser erftinftanjliche 9ticbter finbet, ba& biefe Steuerung eine £crabwürbi* 
gung ©otteS enthält unb erachtet nach wetteren drrörterungen, welche ftd) auf 
ine Oeffentlichfeit Der 2leufjerung unb baS baburd) ^erangel)obene 2lcrgerni§ be* 
Riehen, hiernach für tbatfächlich fcftgcfteUt: bafe ber Slngeflagte baburdj, bafe er 
öffentlich in bef dumpf enben Steuerungen ©Ott geläftert, ein 2tergerni§ gegeben 
abe. ©eine Verurteilung ift aus §. 166. beS St ©. 8. erfolgt. Sie gegen 
öS @rf. beS 21. ©. $u ßaram oora 8. SJtoi b. emgewenbete 9i. B. beS Slngefl. 
richtet it)re materiellen Eingriffe auf SSerfennung unb unrichtige 2lnwenbung ber 
9lccbtSbegriffc ber ©otteSltifterung unb ber Oeffentlichfett unb rügt gunächfi eine 
Berletwng beS gefe^lid)en Begriffs ber ©otteSläfterung nad) §. 166. beS ©t. @. S.; 
bie incriminirte 2leu&erung enthalte gar feine, auch nicht einmal eine anbeutuna> 
weife 6rwäl)nung ©otteS, fonbern nur bie 9legirung eines SogmaS ber chrtjt* 
liehen Äirche burch bie Behauptung, bie ©eburt ß^rifti fei baS ^robuft einer 
natürlichen 3 eu 9 un 9 ßewefen. Stefe 2leu(jerung fönne wohl als eine Seleibigung 
ber christlichen $ir$e bie Slnwenbung beS ©trafgefefceS bcarünben, falle aber 
fcinenfalls unter ben Segriff ber ©otteSläfterung; auch etne Säfterung (Styxifti 
ober beS h^l^cn ©eifteS fei barin nicht ju finben, ba roeber bem einen, noch 
bem anberen ircjtnb welche 2lctioität pgefchrieben, ihnen oielmchr eine rein 
paffiue Wolle sugeroiefen werbe, unb bie fonft ermähnten unb betroffenen ^erfonen 
mit bem Segriff ©otteS offenbar nichts ju fchaffen hatten. 9tach ber (SnftehungS* 
gefliehte beS St. ©. S. fei man jur Beibehaltung ber ©trafuorfchrift gegen 
©otteSläfterung nur in bem ©inne gelangt, bafe bobei ber Begriff bor ©ottheit 
überhaupt, fowie er allen SteligionSgefcHfdjaften im Staate gemeinfam fei, in 
Betracht fommen fönne unb fotle; in biefem ©inne enthalte bie feftgefeöte 2leufjerung 
über ©ott unb ©ottheit gar nichts, fic fönne bcShalb auch «i^t unter ben Bfc* 
griff einer ©otteSläfterung fubfumirt werben unb fei biefeS nur in ftolge einer 
unrichtigen 9tedjtSanfchauung gefchehen. 

Sie Staatsanwaltschaft machte bagegen geltenb, bafe ©otteSläflerung jebc 
ßcrabroürbigung beS Begriffes ber ©ottheit fei, eine fold)e aber auch in ber 
£äfterung CSt)rifti liege unb unbebenflich in ber feltgefteötcn 2tcufecrung ju finben 
fei, welche ßbrifiuS *Ö einer unmoralifchen gefchlechtlichen Serbmbung 
herftammenb bezeichne. 

Sie 91. S. rügt femer als Berlefcung beS ©efefceS, bafj ber 9. 91. baS 
9tequiftt ber Oeffentlichfeit beShalb als äutrcffenb angefehen £abe, weil baS ©c* 
fpräch mit bem Beugen 91., in welchem oom Stngcflagten bie infriminirte 2teufjc 
rung in ©egenwart beS SBirthS ©. gemacht fei, in einer öffentlichen SBirthSftube 
beffelben ftattgefunben Imbe, worin ber Sutrttt einer unbcflimmtcn Mehrheit 
aus bem <jSubltfum ieben 2lugenblicf Iwbe erfolgen fönnen unb bemnächft auch 
erfolgt fei. 

Ser 31. 9t. fyatti oic f cn ©tunb für bie Annahme ber Oeffentlichfeit ber 
Säfterung bem oom erften 9tid)ter angeführten hinzugefügt, bafe bie 2leufeerung 
in einem öffentlichen ©trthshaufe fo laut gefchehen fei, ba§ ber SBirth, ber in 
baS ©efpräch ^wifchen bem Slngcflagtcn unb bem 3eiigen % nicht oerwicfelt 
war, fic gehört höbe. 

$aS ©efefc beftimmt ben Begriff ber Oeffentlichfeit nicht, unb bie ÜKotfoe 
mm Gntwurf beS ©t. ©. B. fprechen aus, bafe baoon abjufehen fei, weil ber 
3luSbrucf „öffentlich" nicht überall bcnfelben Umfang höbe, fid) oielmchr nach 
bem 3 ,ü ccf unb ben fonftigen BorauSfc^ungcn ber oerfchiebenen ©trafbeftim* 
mungen oerfchieben gcftaltcn fönne. SaS 9Jierrmal beS öffentlichen DrtcS foH 
nicht mehr baS entfeheibenbe fein, oielmchr wirb baoon ausgegangen, bajj baS 
wefentltchfte Äennjeichen ber Oeffentlichfeit bem ©prachgebrauchc gemäfc barin 
bejiehe, bafe bie fragliche §anblung in einer 2lrt unb Söeife oorgenommen 



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2>eutf($e& Straftest. Srtctmtnifie t>e« 3teic$«gerid>t$. 45 

würbe, ©ermöge beren fic — unbeflimmt oon welken unb rate Dielen $erfonen 
— wahrgenommen werben tonnte; währenb bie Ocffcntltc^feit oemeint wirb, 
wenn bie ^anblung ober Sleufeerung nur für bie SBahrnehmung gewtffer ^5cr- 
fonen beftimmt war unb, oon 3ufälligfeiten abgelesen, auch nur oon biefen 
bewerft werben fonnte. 3 u 8Wä) nnrb aber auSgefprodjen, baf$ ba£ ©efe$, im 
Slnfölujj an baS bager. 6t. ®. eS ber ©eurtheilung beS Richters überlaffen 
wolle, nach ber 2Irt beS Verbrechens ober ben Umfiänben, unter benen es be- 
gangen würbe, zu entfdbeiben, ob bie Oeffentltchfeit als norhanben anzunehmen 
fei. $arnad) ift eS wefentlidj als eine Jtjatfrage anjufe^cn, ob im einzelnen 
gaH, Deffentlichfett anzunehmen ift, unb fann bem 3njtanjrid)ter jcbenfaHS bann 
feine ©efefceSoerle&ung oorgemorfen werben, wenn er bie $rage für ben 
gegebenen $all mit Ulücf fiept barauf bejaht, bafj bie in s Jtebe fte^enbe 
2teufjerung in einem 2BirthSlofal, einem bem $ubtifum zugänglichen Ort, m 
ben jeben 2lugenblicf eine Mehrzahl weiterer ^erfonen jjabe eintreten fönnen 
unb bemnädjft auch eingetreten fei, in ©egenroart jwetcr Sßerfonen gemacht 
war, oon benen auch biejenige, an welche fte nicht gerietet würbe, fte per* 
nommen fyat. 

SBaS nun im Uebrigen ben 9ted)tSbegriff ber ©otteSläfterung unb beffen 
behauptete Serfennung unb Serlefcung angebt, fo ift in ber beftraften 2leufje* 
rung eine auSbrücfUche öeroorljebung beS göttlichen 9tamenS allerbingS nicht 
enthalten, wohl aber wirb in berfelben bie $3et)auptung aufgehellt, bafj bie We- 
hret ©^rifii auf ein unzüchtiges aef dt)Iedt) tlid^ed Serhältmfj jurücfmfüljren fei. 
llnwefentlid) ift eS für ben Sjatbeftanb beS §. 166. beS 6t. ®. bafj ber 
geldwerten $erfon felbft pofttioe £anblungcn irgenb einer 2lrt nicht zur Saft 
gelegt werben. 2)enn auch ohne biefe ©orauSfe|$ung fann eine Saffenttta in 
befcr)hnpfenben Sleufjerungen fein; wohl gebadtjt werben. S)afj ber Sfogeflagte 
bureg feine Sleufjcrung 2lcrgernifj gegeben habe, ift ohne SteebtSirrthum au« ber 
(srflärung eines Beugen geschloffen, wonach fein reltgiöfeS @efüt)l baburd) tief 
oerlefct fei. 

6S f)ängt alfo bie Sinnahme beS £fjatbeftanbs ber ©otteSläfterung baoon 
ab, ob ferner anzunehmen ift, bafj bie Sßerfon ©hnfre ohne weiteres unter ben 
©otteSbeartff fubfumirt werben tonn. 2)afj bieg nach ben ©runbanfa)auungen 
ber chrifttieben Jttrche gesehen fann unb gefchehen mufj, ift nach oem Inhalt 
beS $icänifchen unb Sthanafianifchcn ©laubenSbefenntniffeS, fomie ber SlugS' 
burgifchen Äonfeffion nicht zweifelhaft. @S fann ftcb alfo nur barum Imnbeln, 
ob ber §. 166. ben ©otteSbegriff m ber bei ben ©efennern ber im 6taate an* 
erfannten Äonfcffionen, alfo inSbefonbcre in ber chriftlichen Ätrdje auf ber 
©runblage ü)rer pofitioen ©efenntniffe lebenbigcn ©ebeutung oerftanben twt, in 
welcher er auch bie $erfon (Sfreifti umfaßt, ober ob baS 6trafgefe| u)n von 
jeber bogmatifchen SSluffaffung irgenb eine« 9tcligion«befenntniffe« f)at loSlöfen 
unb auf bie allen Steligionen unb aller s Jteligiofität jum ©runbe liegenbe 3bee 
eines 1)'6<S)$cn 2BefenS befchränfen wollen. 

Sei Söfung biefer ^rage mufe oorjugSweife ber Sßortlaut, bie ©ntftehungS* 
aef Richte unb ber 3wecf bcS ©efefceS in Betracht gejogen werben. $er §. 166. 
Stellt in feinem ©ingange ben Segriff ber ©otteSläftcrung feft unb fügt bann 
unter berfelben ©trafanbrohung bie ©efebimpfung ber chrifllichen Äirchen unb 
ber in SUeutfchlanb mit ßorporationSrechtcn oerfehenen SfteligionSgefeUfchaften 
binju. ®ie enge SSerfnüpfung beiber Sltematioen unb bie in Der zweiten aus* 
brücflicb enthaltene befonbere £ert>orhcbung ber chrifilichen Äirchen beutet fetjr 
entfehicoen barauf l;in, bafj man auch in ber erfieren bie funbamentalc 3luffaffung 
beS ©otteSbegriffS, wie er ftch in ben chriftlidjcn Kirchen ausgeprägt hnt, nicht 
habe atiSfchlic&cn unb biefen tfirchen nicht erft in ber zweiten SÜternatioe einen 
6a)u^ gegen Sefd)impfungen gewähren wollen. 

Such bie §ntftehungsgefchichte be« 6t. ©. S. führt nicht zu einer ab- 



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46 2>eutf<f)e6 ©trafredjt. Qrrtenntnifie bc§ Weirtftierfc&t«. 

weichcnben 2luffaffung. SMe 3Kotioe fprechcn jumt beutlich aus, ba§ ©ort ntdjt 
als burdj eine menfebtiebe ^anblung nerlefcbar a,ebacbt werben fann unb barum 
auch nicht ber ©üfmung burdj menfchlicbe ©trafen, wie eine beteiligte irbifebe 
$erfon bebarf; [ic fbiben aber in ber ©otteSläftcrung eine Verlegung beS 
religiöfen ©efühlS Slnberer nnb erFennen an, bafc ein foldjeö ©efübl fd^on barum 
auf ben ©chuft beS ©cfcfceS Slnfprucb machen bürfe, um nic^t bic 9Jtetnung auf* 
fommen ju laftcn, bafj ber ©taat an ber Erhaltung biefcS religiöfen ©efüijlS im 
Volte feinen 2lntljcil nehme unb eS als gleichgültig betraute; aus biefem ©runbe 
habe eS einer auSbrticfliebcn ©trafanbrolmng gegen bic ©otteSläfterung unb nicht 
bloS einer folcben gegen bic Säfterung oon ©egenftanben ber Verehrung beburft, 
worunter bie ©ottbeit ftiUfchwcigenb ju fubfuniircn fein würbe. SluS biefer Er* 
örterung ergiebt fiel), bafe ber ©efefjgeber ben ©nmb ber ©trafanbrolmng gegen 
bie ©otteSläfterung barin finbet, bafj fie einen Angriff auf bie ftttlictjc Drbnung 
beS ©taateS enthält, als beren ©tüfcc unb ©runblagc baS religiöfe ©efüljl beS 
Golfes anerfamtt wirb, weldjeS aber beStwtb gegen befchimpfenbe 3Jtonifefiationen 
folchcr Angriffe ju fdjüfcen fei. 2)aS reltgiöfe ©efübl beS VolfeS aber tfl bebingt 
burd) bie Religion, ber es 3ugcf)ört unb bic ©lauoenSbcfcnntniffc, bie cS t^etlt. 
®a nun ber überwiegenbe ber Veoölfcrung beS beutfeben SfteichcS aus 
Anhängern ber djriftlidjcn Religion befielt, fo lief fi<h minbcjtenS nicht aner^ 
fennen, bafe bie beutfehe ©efcfcgebunq non ihrer ©trafbeftimmung gegen bic 
©otteSläfterung ben auf bem cbriftlicijcn ©laubcnSbcfenntnifj ruhenben ©otteS* 
begriff ^abe auSfdjltejjen wollen. 

S)er auScjefprodbcnc 3wecf beS ©efefeeS würbe fonfl ^tnfid^tlid^ aller berer 
unerreichbar bleiben, oeren religiöfcr ©laubc auf bem ©runbc ber Vcfcnntniffc 
ber chriftlichcn tfirchc ruht; alfo beS überroiegenb jahlrcichftcn feiles ber Sc* 
oölferung beS Geichs. 

Sfitenn nun aber auch foldjergeftalt bic grunbfäfclia)e 3luffaffung beS Ve* 
griffcS ber ©otteSläfterung, wie fic bem angefochtenen Erfenntniffe 511m ©runbe 
gelegt ift, nicht als rccbtSirrig augefeljen werben fann, fo unterliegt baSfelbe 
glcia)wol)l ber Vernichtung. 

9iach bem Sortlaut beS §. 1 66. unb nur Säftcnmgcn burdh befchimpfenbe 
Seufeerungen ftrafbar. 2)cr crftinftanjlicbc dichter bat aua) biefcS 3)toment in 
feine ©chlufefeftftcllung aufgenommen, allein es ift nidtjt erftchtlicb, bafj er bic 
$eftftcUung beffclbcn aus anberen tlmtfäcbUd)cn 3Jcomcntcn abgeleitet ^abe, als 
aus ber Eingangs feiner Erwägungen auSgcfprocbcnen Slnnabmc, bie feftgeftcUtc 
äleufjcrung enthalte eine ^crabwürbigung ©ottcS. -Jtun ftnb aber öcrabwürbigung 
unb Üäfterung burch befdumpfenbe Slcüfjentngcn feine gleichwerthigcn begriffe. 
Eine .^erabwürbigung , welche nur einen Langel an Sichtung bethätigt, ift 
noch feine $efd)impfung. ^n Schiebung auf Scfen ober Serhältniffe, welche 
Verehrung, ^cilighaltung, Scthciligung ber Pietät forbem (§§. 160., 168., 
189. beS ©t. ©. befunbet eine befchimpfenbe Scufeerung bie SBeracbtung 
beS ^eiligen, beffen, was Achtung unb Verehrung forbert. 3^ach oiefer 
9ttchtung entbehrt baS norberrtchterlichc (Srfenntnifj ber erforberlichen 5«ft* 
ftcllung, ba nicht Umftänbe aufgenommen worben finb, aus benen fic£ ableiten 
ließe, bafj Slngcfl. ©Ott burch befchimpfenbe Steuerungen in biefem ©innc ge* 
läftert habe. 

S)arin, baß biefeS in feiner 2öcifc gefchchen ift, liegt ein 3)iangcl ber 
oorinftanslichcn ^cfrflcUung beS 2h«tbcflanbcS beS beftraften Vergehens, welcher 
bie Vernichtung beS angefochtenen UrtheilS, fowic, ba cS in biefer 9tidjtung 
nod) anberweiter thatfäd)lichcr Ermittlungen unb ^cftficllungcn bebarf, bic 3mitä* 
uerweifung ber ©ad>e ju weiterer Verhanblung unb Entfchcibung an baS ©ericht 
ber porigen M<Mh erheifcht. 



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3>eutfät$ ©trafwAt ©rtenntmn'e 1*8 9kic6§gcric&t8. 47 

§. 184. 0t <B. B. Chatbefranb bes §. 184. 0t. <B. B. bei in öffent- 
lichen Blättern »erbreiteten Annoncen, betr. ben Derfauf »on prefer- 
oatioe ober Corbone. 

grf. bc« T. ©troffen. 0. 15. 2>ej. 1879 c/a. ©ch Ott unb TOielf r wo- 
burd) bie 91. ber 2lngcfchulbigten jurüefgeroiefen roorben ifl. 

© t ä n b e. 

93eibe Slngcflagte rügen rccht«irrthümlichc« Serftänbniß be« §. 184. be« 
6t. @. weil untüchtige ©cljriftcn nur folche feien, reelle in gefchlechtltcher 
SJejiehung bie ©chamhafttgfeit unb ba« ©ittlichfeit«gefühl grob Ii et) oerlc&en, 
roo« nicht fcjtgcftellt roorben, weil ba« betreffenbe ©chriftftücf objeftio nichts 
Slnbere«, als eine ba« Angebot einer ÜBanre cntljaUcnbe geroerbliche Annonce 
fei, weil roeber bie Vornahme eine« außerehelichen 23eifchlaf«, noch bie babei 
anniroenbenbc 3}orfiä)t etroa« abfolut unfitiliche«, noch auch in ber 3?orm ber 
Sinnige eine 3lnreyung *ur Unmcfyt enthalten fei. 2)ie %xa^t, ob eine ©djrift 

geeignet fei, einen gefcglecrjtlidjen 9iei$ ju üben unb ob biefe ihre (sigenfehaft 
e als eine untüchtige erfa^einen laffc, ift aber eine thatfädjliehe. $a« 2lpp. 
©ericr)t hat für enoiefen erachtet, bafj ba« öffentliche SuSbtctcn von ©dw&mitteln 
gegen fnptjilitifc^e Slnftccfungen bei ^olljtebung bc« 5Bcifd)tafcjS geeignet erfc^cine, 
iiefer aur Sornabme außerehelichen Süeifchlaf« anzureisen unb Da« ©cham* unb 
©Utlichfcit«gcfübl 2tnbercr ju ocrlc&en. ÜMit biefer 2lu«lcgung bc« oorlicgenb 
in #rage ftchenben .Scüunggtnferat« fefct fia) ba« 2lpp. (Bericht nicht in 38iber* 
fprucfi mit ben 23 cgriff«mcr fatalen ber im §. 184. be« ©t. ©. 23. aufgehellten 
©trafthat. S)iefclbcn erforbem roeber einen befonberen ©rab ber SJerlefeung 
oon ©chamhaftigfeit«> ober StttlichfeU«gefübl — noch fließt ber tyaxatttx ber 
geroerblichen 2lnjeige ben ^hatbeftanb be« Vergehen« au«, auch ift ba« Unfitt* 
liehe nicht in ber Inbeutung außerehelichen ^cifchlaf« ober ber gegen bie babei 
kjtehenbcn ©efahren gegebenen ©a)u6mittel an ftch, fonbem in ber burch bie 
Offcrirung folcher ©chu&mitiel in öffentlichen blättern enthaltenen 3lnrciäung 
Sur Ausübung ber Unjucht unb bjro. bem hierburch cinjclneit Seferrretfen ge* 
gebenen 2lnftoß gefunben roorben. 

äöcun ber 9Jcitangeflagte ©cf>. außerbem rügt, baß ba« Ipp. ©cricht in 
feinem gugeftänbniß gcroußt ju haben, baß bie angebotenen ©cr)u&mittel bei 
Vollziehung bc« 33eifa)laf« benufct werben, ba« weitere finbc, gemußt ju haben, 
baß biefer ©ebrauch bie Verhütung fnphilüifdjcr Slnflccfung bepeefe, fo ifl biefe 
23eroei«frage nicht mit ber 9c. 23., in«bcfonbere al« 2lftenroibrigfcit anzugreifen; 
ben 2)olu« aber, roie t(m bie 9L 23. für erforbcrlich Wilt, bat oa« 3lpp. ©ericht 
auöbrücflich bahin feftgeftellt, baß ber Singeft ba« 23crouBtfein uon bem un* 
Süchtigen Inhalt ber Annonce nicht nur fyabc haben muffen, fonbem auch roirflich 
aehabt hat 

§. 288. 0t. <B. B. unb §. 9. ber 6ubha(tation8-<D. v. 15. fllärj 1869. 
jDie (Einleitung ber 6ubhaftation ifl feine brohenbe Sroangswllftrecföna, 
berjenigen Healgläubiger, roelchc biefclbe nicht beantragt $«ben ober ihr 
nicht beigetreten ftnb. Besüglich ihrer er,ljtlrt feine nach 8- 288. 0t. <B. B. 
(traf bare Beifeitefchaffung von Dermögeneobjeften feitene bee @a)ulbncrd. 

erf. be« II. ©traffen. o. 16. 2)ej. 1879 c/a. &, rooburch ba« @rf. be« fianb' 
gericht« ju ^- aufgehoben unb auf $reifpred)ung erfannt roorben tft. 

© r ü n b e: 

Set »orberrichter legt ben 8. 288. ©t. ©. richtig bahin au«, baß 
ber ©chulbner, welcher »eftanbtheile feine« Vermögen« oeräußert ober beifeite 



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48 $cutf<fic3 (Straftest ©rtenntnific beS fflei^Sgericty«. 

famfft, in ber 2lbfid)t gebanbelt haben mufe, bte Vcfriebtguna eines befHmmten 
©laubiger«, unb äroar eines folgen, oon welkem ^er ihm 3n>angSoollftrecfung 
brobt, ju oereiteln. S)tefe Auslegung ergiebt fid^ nicht nur aus ben Söorten 
beS §. 288, fonbern aud) aus bem 3n , edEe ber ©trafnorfebrift, roelcber nad) ben 
amtlichen SJtotiocn (©. 137—138) baf;in gebt, ber böswilligen Vereitelung einer 
©pe3ial*Erefution entgegenzutreten. Söenn nun ber Vorberri<f)tcr erroäbnt, bafc 
bie ©laubiger ©d). unb ©cb. einen Srefutiotttel ftch nicht oerfd&afft Ratten, fo 
fommt eS für bie graae, ob bem >ilng'cflagtcn oon ihrer ©eite eine 3roang8oolI' 
ftreefung brobte, auf btefen llmftanb aHerbtngS nicht an. 3lad) bem 3ufammen* 
bange ber EntfcbetbungSgrünbe f>at ber Vorberricbtcr jebod) angenommen, bajj 
nur bie auf Slntrag beS neuen ^ofener ÄrebttoeremS eingeleitete ©ubbaftation 
unb bie Eigenfdt)aft ber ©laubiger ©dj. unb ©cb. als ^ypotbetengläubiger bei 
^Beurteilung ber £anblung beS Slngefl. tt)atfäc^ltdt) in Vetrad)t tritt, unb es 
ftnb inSbcfonbere feine S^atfadjen feftaefielit, roeldje ergeben, bafj biefe beiben 
©laubiger roegen ihrer ^orberungen fclbft eine ^roangSooUftreefung berbeijufübren 
unternommen ober auch nur beabfiebttgt Ijaben. ES fragt ftcb ba^er lebtglicb, 
ob bie Einleitung ber ©ubbaftation eine oon feiten berjenigen Sftealgläubtger, 
meldte biefelbe nidjt beantragt f>aben ober ihr nic^t beigetreten ftnb, brol)cnbc 
3roangSoolIftrecfung barftettt, unb biefe ftrage ift nad) ber fjier anmenbbaren 
prcuf?ifd)en ©ubbajtattonS'O. oom 15. 3Jfdr§ 18G9 ju oerncinen. 

3roar bewirft nach §. 9. baf. bie Einleitung ber ©ubbaftation }u ©unften 
ber ©laubiger, welche biefelbe beantragt haben ober u)r beigetreten finb, forote 
ber jur 3^it ber Einleitung oor^aubenen 9teatgläubiger eine Vefd)tagnabmc bc§ 
©runbfrücfs — fclbftoerftänblid) aud) beS geblieben 3ubebörS — unb macht 
baffelbe in Vejua, auf biefe ^erfonen ju einer ftreitigen ©aa)e. StatauS folgt 
jebod; md)t f bat? bie ©ubbaftation eine 3n>ang<SöolIfrrc<Jung ber jur 3cit ber 
Einleitung oorbanbenen föealgläubtgcr ift. Eine fola)c ift bie ©ubbaftation nad) 
ben §§. 5.-8. baf. nur oon feiten berjenigen ©laubiger, roela)e biefelbe beantragt 
haben ober welche ir)r beigetreten ftno. ES ergiebt fidj bieS aud) barauS, bafj 
ber Setrieb unb Fortgang ber ©ublmftatton oon it;rer unb nur oon ihrer 
2ÖiHen3entfd)lieBung unb oon bem Veftanbe ihrer ftorberungen, roegen roeld)er 
fie Vefriebigung fud)cn, abfängt; benn nad) §. 32. baf. fönnen bie ©laubiger, 
auf beren Antrag bie ©ubbaftation betrieben wirb, ben Slntrag bis 3um ©d)luffe 
beS VerfteigerungS*^rotofoUcS 3urücfnebmen unb bamit bte Aufhebung beö Vcr* 
fafyrenS herbeiführen. Ebenfo fann nad) §. 33. ber ©d)ulbner bie Einfettung 
beS Verfahrens herbeiführen, roenn er bis $u jenem 3citpunftc bte ©umme ber 
6d)ulb, roeld^e burdj bie ©ubbaftation beigetrieben roerben foU, nebfl 3^ n f cn 
unb Sofien gericf)tlid[) nicbcrlcgt unb für bie Soften beS Verfahrens ©t^erbeit 
leiftet, ober roenn er nad) SDialgabe beS §. 35. bie Vefriebigung beS ©läubigerS, 
roelcber bie ©ubbaftation beantragt ^at f nad^roeift. Dlacb §. 39. 9tr. 4. fott femer 
ber 3ufa)lag oerfagt roerben, roenn bte gorberung, roegen beren bie ©ubbaftation 
eingeleitet roorben ift, mittels berfelben nid^t beigetrieben roerben barf. S)ie 
SHcalgläubiger, roeltbe bie ©ubbaftation nid&t beantragt b^ben ober ibr nidjt bei* 
getreten Tinb, ftnb bei bem Verfahren nur beSbalb beteiligt, roeil baffelbe ibre 
9ted)te berührt unb nad) feinem 3roecfe ohne il)re 3u3i c bmu3 nid)t burebfübrbar 
ift. Sludh ber Umfianb, bafe bie Einleitung ber ©ubbaftation aud) }u ihren 
©unften eine Vefdjlagnabme beroirft unb aua) rü(fftd)tlicb ihrer baS ©runbftücf 
unb beffen gcfc^licbeS 3^^| 0 ^ 5 U emcm ftreitigen macht, btent nur jur ©iebe* 
rung ihrer fechte bei bem Verfahren, b at ftt)er «i<^t bie Vebeutung, bafe bie 
3roangSoollftrecfung als oon ihnen auSgehenb ober aud) nur in il)rem ^ntereffe 
gefebeben angefebeu roerben fann. 

$)cr Vorberrid)tcr t;at biernad), inbem er oernetnt, bafe bem Stngefl. oon 
fetten bev ©laubiger ©<h- unb ©a). eine 3roangöooaftrccfung gebrobt h^t, ben 
§. 9. ber ©ubbaftationS-D. oom 15. 9Jtär$ 1809 unb aud) burch feine Auslegung 



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SDcutfäeS ©trafwät örtemitmfie bc$ Wei#Sgeri#tS. 49 

beS §. 288. 6t. ©. 8.'« btefe 6trafoorfchrtft m<$t oerlefct. dagegen hat ber* 
felbe auf ben feftgeftcliten Xhatbeftanb ben §. 288. unrichtig angewenbet, inbem 
er, obwohl bura) ben 6trafantrag ber genannten Stealgläubiaer unb mit 
ber ^anblung be$ Slngefl. nur in ihrer Sfti$tung gegen btefe befafjt, tro|bem 
bafe er ein £!jatbeftanbgmerhnal oerneint, auf ©mjteüung beä Verfahrens unb 
nicht melmel;r auf ftreifprechung be£ Singet! erfanut hat. fcaju tonnte ihm 
aud) ber §. 259. 6t. 0. feine Berechtigung geben, weil banach bie (Stnjiel- 
lung be« Verfahren« nur aisbann au&ufprechen ift, wenn bei einer nur auf 
Antrag ju oerfolgcnben frraf baren $anblung [vfy ergiebt, bat ber erforberliche 
Antrag nicht oorliegt ober wenn ber Intrag rechtzeitig äurücfgenommen ift. 

äßegen ber $ur Auflage gefaßten Staat lag aber feiteruS ber in ber 2ln* 
flage befrimmt als oertefct bezeichneten Sßerfonen ein 6trafantrag cor, wät)renb 
es auf ben 5Rangel eine« 6trafantrage$ beä neuen $ofener ÄrebitoereinS 
nidtjt anfam, ba eine gegen biefen oerübte Sttaft^at in ber änflage nicht 
gerügt war. 

2a* angefochtene Urteil ift baber als berubenb auf unrichtiger Hnwen* 
bung be£ §. 288. 6t. ©. 8.'$ auf bie bemfelben ju ©runbe liegenoc geftftellung, 
gemäfe §. 393. 6t. % 0. aufzuheben; in ber 6a$e felbft aber ift, ba e3 weiterer 
that)äcfc)Iicher (Erörterungen nicht bebarf, bei bem feflgcfteüten ^ichtoorhanbenfein 
eines $hatbefknbserforberniffeS m & 9lüctfid^t auf §. 343. unb gemäj} §. 394. 
baf. auf greifprechung beS 2lngefl. oon bem ihm als gegen ben Kaufmann 6d). 
unb ben SRentier Sdt). oerübt jur Itaft gelegten Vergehen gegen §. 288. 6t. ®. $.'3 
ut erfennen 

§. 316. Tibi. 2. et u\ B. Die für ben Dienjt ber Bahnbeamten er* 
laflenen 3nftruttionen haben nicht bie Bebeutung eines cBef. im Sinne öes 
%tt 107. 6es CBef. 0. 3. tHat 1852, fo ba| auf bie unrichtige Stmoenbung 
einselner Paragraphen 6er3njrruftionen einell.B.gegrünbet werben fönnte. 

erf. be* ÜL 6traffen. 0. 17. fce*. 1879 c/a. Xl)it t wobura? bie 91, ». 
be£ 3lngefchulbigten jurüefgeroiefen worben ift. 

© r tt n b e. 

$>ie 3c. greift burchgängtg auf thatfächliche SSer^ältniffe mrücf, weiche 
oon bem 21. dl. unrichtig beurteilt worben fein foUen. darauf fann aber bie 
s Ji. nicht gegrünbet werben. 

$)er R. 5t. hat junächft ausführlich erörtert, welche Obliegenheiten ber 
StattonSoorfteber £t)- Vermeibung oon ©efahren bei bem 3urücfgehen beS 
©üterjugeä auf ba£ Ucberholungageleis $u erfüllen hatte; er ftellt bemnächft fe^, 
baB ber 6tation$üorfieher SCh- oic f c Obliegenheiten erfüllen fonnte; er fieUt 
namentlich feft, bafe ber 6tatiow8oorfteher Zf). oon bem Jierron au« eÄ fehen 
raujjte, wenn bie SBeiche falfch ftanb. @r ftellt enblich feft, bajj bie 93kiche 6 
bei bem 3urücfgehen b& ©titerjugeö nur eine 3eit lang oorher falfch gejtanben 
tjat; erörtert babei bie möglichen eine Sßerfchulbung beg Sefchwerbeführer« 
aueichliepenben Urfachen, fommt ju bem 9lefultate, ba^ folche Urfachen nicht 
oorgetegen haben, unb jieht nun ben 6chlufe, bafe ber ©efchwerbeführer feine 
Obliegenheiten nicht erfüllt hat. 

S)a£ 9L ®. bewegt [ich babei auÄfchliefelich auf bem «oben ber Beweis 
frage, unb bie 2öürbigung biefer ^raae ifi ber Nachprüfung beö 3Uchtigfeit«richter« 
entjogen, bie 91. ©. ij! au& biefem ©runbe $u oerwerfen. 

^nfonberheit geht bie 31. ©. fehl, wenn fie baraulegen oerfucht, ber Sorber* 
ridjter tyabt ben iHecht^grunbfa^ oerle^t, 

„ba^ bie Sermuthung bafür ftreitet, bafe ber Beamte feine Pflichten 
erfüüt habe, unb bafe ba« ©egentheil ü>m bewiefen werben müffe. 

%xi)VO 1880. L ^«ft. 4 



SDic Verfdmlbung be« 3lngefl. raufe jebe« 2M bewiefen werben, nicht blo* 
bie in ber unterlaffenen Pflichterfüllung begrünbete Verfdwlbung eine« Beamten, 
fonbern jebe Verfcr)ulbung, auct) bie eines lUtdjtbeamtert , wenn berfelbe befrraft 
werben foOL $)a« fyat aud) ber 8t. 9*. nidt)t oerfannt, er h** melraefjr nach bem 
Vorau«gefchicften bie Vewei«grünbe für eine Verfct)ulbung be« 2tngefL eingehen* 
erörtert unb ba« fo begrünbete 9tefultat feiner Prüfung in bem (5rf. niedergelegt. 

3)ie für ben SKenfl ber Valmbeamten erlaffenen ^nftruftionen haben nict)t 
bie «ebeutung eine« ©ef. im Sinne be« 2lrt. 107. be« ©ef. o. 3. 9Rai 1852, 
fo bafe auf bie unrichtige Slnwenbung einzelner Paragraphen ber ^nffrufnon 
eine 31. V. unmittelbar gegrünbet werben fönnte. Eurer) bie i^nftruirion werben 
Obliegenheiten nur für ben engen tfretö ber ©afmbeamten unb nur gegenüber 
ber Vahnoerwaltung normirt. ftür ben 6trafrid)ter hat bie S)ienfrinftruttion 
bie Vebeutung eine« Vcwei«mittel«, wie etwa bie Vertrag«urfunbe, um am ber" 
felben ju erfennen, melier perfon innerhalb ber Vetrieb«oerwaltung bie Ver* 
pflichtung oblag, eine beftimmte gunftion im einzelnen galle auszuüben. S)ie 
Üöürbigung biefe« Beweismittel« gehört jur Acftftcllung ber tbcitfadblicbcn Unter- 
lagen einer Verurteilung be« betreffenben üifenbahnbeamten. Ob ber dichter 
richtig gewürbigt t)at, ob er namentlich bie Verpflichtungen be« Vefchmerbefütrrer« 
au« §. 22. ftatt au« §§. 15. unb 22. abzuleiten hatte, tonnte ber »ngefl. hiernach 
jum ©egenftanb feiner % V. nia)t machen. 

§§. 243-246 0t. proj. <D M §. 8. be* preujj. <Bef. ». 6. Ulat 1369, 
§. 1. beo 2lu8führung8-(Bcf. t>. 24. 3lpril 1878, §. 9. bts preu& (Bef. 
r». 3. Hlai 1879. Ablehnung erft in ber fjauptoerhanblung benannter 
geugen feiten« 6es erfennenben (Berichts wegen Unerheblichfeit ihrer be- 
haupteten Tlasfagen aUt nicht ale Sefchränfung ber Dertheiötgung. 
— Befähigung ber Heferenbarlen 511 (Benchtofchrelbergefchäflen. 

©rf. be« m.©traffen. o. 10. San. 1880 c/a. 6<hul*e*Värfthaufen, woburch 
bie Üteuifton be« änaefchulbiaten jurüefaewiefen worben ift 

@ r ü n b e. 

3)er Vefdjmerbeführer ift burch Unheil be« preufj. tambgericht« £). 00m 
29. Oct. 1879, wegen oorfä&licr)er unb recht«wibriger Vefchäbiaung einer fremben 
Sache — eine« bem Defonomen auf 8. gehörigen ^agbhunbe« — oierjelnv 
tägigem ©efängnifj uenuttieilt. Seine unter Beobachtung ber gefefelichen formen 
unb Triften eingewenbete totfton ftüfet fich barauf, bafe biefe« urtheil auf einer 
Verlegung be« ©ef. beruhe, inbem 

1. ein oon ihm in ber münblichen Verhandlung geftellter 2lntraa auf Ver- 
nehmung ber 3)ienftmagb 6cp. darüber : bafj ber §unb f dinurftr ad « auf 
ben Sngetl. zugelaufen fei unb biefer erft bann, al« berfelbe nur noch 
wenige ©chritte oon ihm entfernt gewefen, gefmoffen habe, womit ber 
Antrag oerbunben mar, bie Verbanblung behuf« ber Sabung ber 6d». 
au«jufe|en, — burch @ericht«befchlufj abgelehnt, unb baburch feine S3er* 
theibigung in einem für bie @ntf Reibung wef entlichen fünfte unjuläffig 
befchränft fei: unb inbem 

2. ba« erfennenbe ©ericht nicht oorfchrift«mäBig befe^t gewefen fei, ba eine 
Vertretung be« ®ericht«fchretber« nur m befonbem ^rhinberung«fällen 
ftattfinbe, eine Verhinberung be« orbentlichen ©ericht«fchrciber« aber hier 
nicht bargetban fei, unb be«halb bie 3 u $ ie ^ un d 9leferenbar« an 
©teile be« ©ericht«fchrciber« ben gegebenen Vorfchriften nicht entfpreche. 

S)ic 9teoifton«antrage grünben fich formt auf bie Veftimmungen in 9fc. 8.u. 1. 
be« § 377 ber 9t. 6t. $roj. 0., unb bittet Vefchwerbefühter: 

unter Aufhebung be« angefochtenen Urtheil« bie Sache jur anberweiten 



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Berhanblung unb (Sntfchetbung an ein erfttnfianjlicbeS Oertdjt wrücfyu 
oerwetfen; eoentueH nur auf eine ©elbftrafe ju erf ernten. 

Unter ber BorauSfe&ung, bafe bie @rforberniffe ber bezeichneten ^ofitionen 
beS §. 377. gegeben wären, würbe baS Urtbeil als auf einer Verlegung beS 
©efefceS berutjenb olme weitere Darlegung anjufehen fein. 6ie liegen aber in 
beiben Richtungen nicht cor. 

2BaS junäajfi bie Rr. 8. beS §. 377. angeht, fo ift in ber Slblehnung 
beS oom Bertbeibiger beS Slngefl. geftctltcn Eintrags auf Bernebmung ber dnU 
lanungSjeugin 6dtj. unbebenflich eine Befcbräufung ber Bertbeibigung ju finben. 
GS müfj femer anerfannt werben, bafe ber s #unft, auf ben fich ber Beweisantrag 
bejog, nämlich bie mehr ober weniger brofjenbe unb eine ©efäfcjrbung beS Slngeff 
bcgrünbenbe SSeife, in ber fich ber frembe §unb ihm näherte, unb bie mu 
fernung, bis ju welker ber §unb herangefommen war, als Slngefl. fdwjj, in fo 
fern als ein erheblicher angefehen werben fann, als barauS Folgerungen auf 
bic 2Biü"enSrichtung unb bie S^tSwibrigfeit ber §anblung beS Slngefl. gwaen 
werben fönnen, benen für bie Beurtbeüung feiner ©trafbarfeit unb beS 3JcafeeS 
ber oerwirften Strafe möglieherroeife ein entfdjeibenber (Sinflufe jujugefte^en 
wäre, (rn blieb ruht bie oorliegenbe Befcbränfung ber Bertheibigung auch auf 
einem Befcblu| beS ©erichtS. 6ie mufc aber nam ben SBorten DeS ©efefeeS ju* 
gleich eine unjuläffige gewefen fein, um nadb §. 377. ohne weitere« bem Rechts* 
mittel ber Reoifion juv ©runblage bienen ju fönnen. $)ieS würbe nur bann an« 
zunehmen fein, wenn bem Slngefl. ein gefefelicher Slnfpruch auf bie Slbhör ber 
^eugin wgeftanben hätte, unb baS ©ericht folgemeife ocrpfftchtet gewefen wäre, 
ttc zu Sewirfen. Run ift eS zwar richtig, ba§ baS erfennenbe ©ericht naa) 
§. 244. ber 6t. $roj. 0. über ben Umfang ber Beweisaufnahme nid)t lebigliä) 
nach freiem ©rmeffen ju entfdfcjeiben fyd. 2)ie ©renjen, bie feinem @rmeffen be* 
Zfiglich ber abfjör oon 3 eu ß cn öom ©efefte gezogen finb, befd)ränfen ftch aber 
barauf, bafe bie Beweisaufnahme nach § 244. auf fämmtltche oorgelabene 3eugen 
crttrccf t werben mufe, unb baf? nad) §. 245. ein BeroeiSantrag mdn bcs halb ab 
geleimt werben barf, weil baS Beweismittel zu fpät oorgebract)t fei. ©er lefctere 
galt liegt nicht oor unb bie 3eugin 8di. war nicht oorgelaben. Cre fann audj 
m bem Umftanbe, bafc früher gehörte 3^gen bei ihrer Bernehmung in ber 
£>auptoerfjanblung neue Angaben machen, für fich allein eine Beränberung ber 
Sachlage, wie fie bie in §. 264. 2lbf. 4. ber 6t. Sßroj. D. enthaltene S3orfdbrift 
über bie Sluäfe^ung ber §auotoerE)anblung ooraudfe^t, noch nia)t erblicf t werben. 
*Be$üglich ber Seurtjeilung ber 9cothwenbigfett unb Slngemeffenheit ber 2lu3* 
behnung einer Beweisaufnahme auf bie Vernehmung nicht Vorgelabener, alfo 
namentlich auch ber erft in ber ^auptoerhanblung benannten beugen, unterwirft 
baS ©efe^ ba* richterliche ©rmejfen feiner ©efchränfung, unb ift baher ba$ er* 
tennettbe ©ericht oottfommen berechtigt, eine folcfje Jöernehmung abzulehnen, 
wenn eS nach ben ©rgebniffen ber Verhanblung bie Ueberjeugung aewinnt, bafj 
We SluSfage ber Beugen, felbft wenn fie bie Behauptung be« Antrags be* 
flätigen follten, ohne einffafe auf bie (Sntfcheibung ber 6chulbfraac bliebe unb 
überhaupt feinen näheren 3luffd)lu§ gewähren würbe. Ueber bie Cnrgebmffe ber 
BeweiSaufnabme entfeheibet ba« ©ericht nach f«wer freien aus bem Inbegriff 
ber SerbanbUing gefchöpften Ueberjeugung, unb wenn e« auf ber ©runblage 
einer folchergeftalt gewonnenen Ueberjeugung baS Stugnib ber Seh- über ben 
oom Slngefl. bezeichneten ^unft beShalb für tbatfächlich unerheblich erflärt, weil 
für bie anflage ein berartig überjeugenber Beweis geliefert fei, bafe berfelbe 
burch baS 3 eu ß ni 6 oer ©4- n ^ entrräftet werben tonne, fo ^at eS ben beS* 
halbigen Beweisantrag nicht un^uläffig, fonbern aus innerhalb ferner richterlichen 
Beiuqniife belegenen ©rünben, alfo berechtigter«- unb juläffigerweife abgelehnt. 

%ud) bie Verlegung einer materiellen Rechtsnorm fann nicht anerfannt 
werben. 2>ie aügemeine ©efe^gebung gewährt im §. 65. beS SUlg. Sanbrecht« 

4» 



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52 Skutfdx« Straftest «rleontnifl'e be« W«i#«geri<$t«. 

%fjl. II. Xit. 16. nur bem ^agbberc^tiqten unb aud& biefem nur unter gereiften 
VorauSfefcungen ba« 9ted}t auf Stöbtung im ^agbrcnicr betroffener frember 
£unbe unb baS ©efte^en einer ^olijerocrorbnung, nadj welcher bem&ngefl. oor- 
Hegenb eine fou$e SBefugntfc sugeftauben fjättc, ift nid&t anerfannt. 

$>en ^weiten gJunft ber WeoifionSanträge (§. 377. 9fr. 1. ber 6t. $roj. 0.) 
betreffenb, ift bie Segrünbung berfelben ebenfall« eine red)t£irrige. 9ieferenbarien 
fönnen na<$ §. 8. be« fönigl. preufe. ©. d. G. 3Jtai 1869 bie Verpflid&tungen 
eines ©eridjtSfc&retbcrS roatyrnetmten; §. 1. bes 3lu£fül)rung*gef. o. 24. Slprü 1878 
befagt, bafi ber VorbereitungSbienft ber 9teferenbare au$ ferner naaj ben Vor* 
fdfjriften beS ©efcfeeS oon 1869 erfolge, unb ba« fpätere, bie Sttenftoerljältniffe 
ber ©eriaMdbreiber betreffenbe ®. o. 3. 9Rai 1879 enthalt in §. 9. bie Vor* 
fdfjrift beS §. 8. beS oorerroäfjnten ®. oon 1869 auSbrücflici) aufregt. 9tad> biefen 
gefefclid&en Sefiinrmungen war ber Sieferenbar jur SSaljme^mung oon ©e« 
ri(^t«fd)retberaefdbäftcn an ftd) befähigt unb befugt, unb beburfte e$ Daber für ben 
oorliegcnben §all, in roeldjcm er ht ©cgenroart beß ©eriajt« unb be« Vorfifcenben 
beffelben, alfo mit bereu Siffen unb ÜBillen, ba« «ßrotofott ber ©ifcung führte 
unb fomit als ©eriäjtsfd&reiber tyätig mar, feiner weiteren unb befonberen 
Legitimation, um bie oorfc|riftSmäfetge »efefcung beS ©eric&ts mit einem baju be- 
fähigten ©erid&tsfd&reiber flar ju legen. 

8§. 61. 172. @t. <B. B. Der vor eingetretener Heä)t*fraft öes (E^e- 
föeibungeerfenntniffe« gepellte unb fobann nidjt roieber^olte @traf- 
antrag roegen £bcbruö)8 ift unroirffam. 

§rf. beS III. ©troffen, o. 3. %an. 1880 c/a. Sttüllcr, rooburd) ba£ (srf. 
II. ^nftanj oerniebtet roorben ift. 

© r ü n b e. 

$)ie e^e be$ Kaufmanns 91. mit feiner @f>efrau, ber SJiitangeflagten, 
ift burdj bie ©rfenntniffe be8 ©tabt* unb £rci*geria)fc8 ju SJtagbeburg oom 
6. aJtärj 1878 unb be« 2lppell.*@eritf>t3 bafelbft oom 7. SJej. ej. wegen beS oon 
ber HJtitangefl. jugeftanbenermafeen mit bem äRitangefl. föeftaurateur ©. be- 
gangenen (fljebrudjeS getrennt roorben. 

$a$ ergangene ©d&eibungSurt&eil l)at gegen bie 9Jfttangefl. 9t. mit bem 
23. SJtärj 1879 bie 9ted&tSfraft erlangt. Ä. ®. 0. I. 16. §. 1. 

$er @^emann ber SJtitangefl. 9t. bat ben na$ §. 172. 6t. @. 8. jur 
ftrafrecfytliajen Verfolgung roegen @f>ebru(f)$ erforberlidjen Slnrrag gegen beibe 
Slngefl. juerft unterm 23. 2ü>ril 1878 unb unterm 15./18. gebr. 1879 geftellt, 
fpäter^in aber nid&t raieber^olt. 

S)er Antrag auf ©trafoerfolgung ifl fona$ geftellt roorben, beoor bie 
e^e roegen be« in Siebe fte^enben (S^ebruc^S getrennt roorben roar. 

S)ie 58orbcrria)tcr Ijaben angenommen, bafj berfelbe rea^tjeitig geftellt. fei, 
roeil es8 nad^ Vorfajrift bed §. 61. ©t. @. ^. nur barauf anfomme, ob jur^eit 
ber 6teHung be$ Slntrag« ber e^ebrua), alfo bie in g-ragc (oramenbe ^anblung 
bereits begangen geroefen fei. 

Sluf biefe ©runblage ^in ift bie Verurteilung ber SlngefL erfolgt. 

2)ie 31. ©. behauptet ißerle|ung be* ©., roeil erft mit ber red)t3fräftig 
erfolgten ©Reibung bie ©trafbarfeit be$ 6§ebruc^eS begrünbet, unb ber Antrag 
auf ©trafoerfolgung fona* im oorliegenben ^aUc ocrfrtü)t fei. 

S)ie 3ticbtigfcitSbefa)roerbe erfdjeint aua) begritnbet 

SDie breimonatlidje in §. 61. ©t. ®. georbnetc ^rift für ben Slntrag 
auf ftrafrcct)tliei>e Verfolgung eines ÄntragSbeliftS beginnt mit bem Sage, feit 
roela)em ber 9lntragSbered()ttgte oon ber §anblung unb ber ^Jerfon beS X^äterS 
Äetrntnil erhalten bat. 5)er beginn ber grijt fefct mithin oorauS, einmal, bafe 



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üfcatfc&eS ©ttafteAt. ötfenntnifk fceä WcicbSamcbtS. *3 

bie in Siebe ftehenbe fteafbare .ftanblung nadj intern, im ©ef. oorgefehenen flraf» 
redjtlidjen X^atbcftanbc begangen unb fobann, bafc fie biefem ihrem X^atbeflanbe 
nadj jur Äenntnif? beS 2lntrag3beredjttgten gelangt ift. 

2)anadj fann bie ftrage aufgeworfen werben, ob nid)t bie ber ©trafbe* 
frimmung be3 §. 172. 0t @. 8. hinzugefügte 8efdjränfung: „wenn wegen bes 
©bebrudjs bie (Sf)e gefdjieben ift," eine 8ebingung für bie (Strafbarfeit biefe« 
Vergehen*, nid)t bloS für bie Stattljaftigfeit ber "©trafoerfolgung barfteüt unb 
mithin bem Stjatbcftanbc beS @bcbrudje3 feinem 8egriffe nact) angehört. $)araud 
würbe bann gefolgert werben müffen, bafe nicht bie begangene joanblung ber 
felcfcung ber cbelidjen 'Treue, weldje ben auÄ ber fittlidjcn 8er[djulbung bes 
2$äter£ lerjuleitenben ©trafgrunb für bie 8eftrafung be« ©hebruebes barbietet, 
an fidt>, fonbem oielmebr biefe fconblung, infofern auf ©runb berfelben bie <$be 
gerieben ifi, ben Stbatbeftanb beä in §.172. 6t. ©.8. oorgefehenen Vergebens 
Mibe, unb bafc mithin fd)on au« biefem ©runbe ein oor eingetretener ^tedjtäfraft 
beS ©c^ibungsurthetls, beoor bie in Siebe fie^enbe ftrafbare Jpanblung bem 
ganjen Umfange ü)re« objeftioen $batbeftanbe£ nadj oorlag, geseilter ©trafantraa 
ungeeignet erfdjeme, ben 3tblauf ber in §. 61. a. a. D. oorgefdjriebenen griff 
ju hinbern. 

$ür bie Bejahung ber aufgeworfenen ftrage fann geltenb gemalt werben, 
bafe jwar ber ©trafantrag bes 8etbctligten, fobatb er oon bem ©ef. für erforberlidj 
eradjtet wirb, feiner überwiegenb projieffualifdjen 8ebeutung nach nidjt bie ©traf* 
barfeit be« Bergehen«, fonbem lebiglidj bie ßuläfftgfeit ber ©trafoerfolgung 
bebinge, bafj aber ©leidjed nidjt oon einer in bog ©t ©ef. felbft aufgenommenen 
Borausfefcung gelten fönne, nad) meldjer bem fragltdjen Bergehen ber ßbarafter 
eine« öffentlichen $>elift3 nur bann beigelegt wirb, wenn e« in feinem erfolge 
bie Trennung ber <Sbe herbeigeführt hat. 

SMefer Sluffaffung finb eine Steide ©on ©ntfdjeibungen beutfdjer ^öct)ftet 
©eridjtShöfe, inäbefonbere audj be« preujj. Ob. £rib., fowic wiffenfdjaftltcbe 2lu* 
toritäten gefolgt. 

BgL u. a. Oppens, Äommentar, 7. Sfufl. Ut. 15. ju §. 172.; (£rf. b. preufe. 
Ob. 2rtb. bei Oppen!)., ftedjtfpr. 8b. 1. ©. 450, 8b. 10. ©. 34, 8b. 14. 
©. 697; ©e^warje bei £ol|enborff, ©t. 9». 8b. in. ©. 297, 300. 

©8 farrn htbeffen oon ber Beantwortung ber gebauten, in Sßiffenfd^aft 
unb iHedjtSübung frreitigen grage (ogl. u. a.: 

@rf. b. preufe. Ob. Xrib. oom 19. $ebr. 1873, Oppen*). L 8b. 14. 
©. 145: @rf. o. 7. 3Wai 1863, @oltb. Stra). 8b. EL ©. 485; 

jr. SWencr, Äommentar ju §. 172. 9tr. 13; 

§ugo aJcetjer, ©trafreebt ©. 615) 
abgefe^en werben, weil oöHig ba^in gehellt, ob bie erfolgte Trennung ber ©bc 
fieb nach §. 172. ©t. @. 8.'$ ate eht 8eftanbtbeil be« Sf^ftonbeS oe * 
gebend be5 @f)ebrud)eS barfteßt, in erfter Sinie fd)on ber llmfianb aU entfebeibenb 
ju erachten ift, ba§ ba« ©t. ©ef. bie wegen be« ©bebrud?e<S erfolgte ©Reibung 
unzweifelhaft, wenn nidjt als eine 8ebingung ber ©trafbarfeit, fo boa; jebenfall« 
als eine notbwenbige 8orauÄ)e^ung ber ©trafnerfolgung erfemten lä|t. 

3fr nämlidj bie ©trafoerfolgung unmittelbar burd) baä einfdjlagenbe 
©t ©ef. bis ju bem Beitpunfte au8gefd)loffen, su wela)em bie <£i)t gefdjieben ift, 
fo ergiebt ftd) barau« mit natürliAer Äonfequenj, bafj ber naa) §. 61. ©t @. 8.'* 
erforberlid)c Eintrag, welcher be|tinrmt ifi, bie ©trafoerfolgung nad) SRajjgabe 
be^ ©ef. berbeijufübren, inljalt* unb bebeutung^lo« erfd)eint, fo lange er biefe 
2ötrfung herbe ijufübren nidjt geeignet ift, unb bafc mithin au« einem berarttgen 
oerfrühten Eintrage meber 9tea)te hergeleitet nod) 3ted)t3nadjtheile baran gefnüpft 
werben tonnen, bafj er nidjt geftettt ift, beoor bie ©djeibung redjtöfräftig ftattfanb. 

©teidjeö folgt au8 ber 9latur eines auf ©trafoerfolgung gerichteten 9lm 
trage« aud) infofern, al« berfelbe ben SBißen beö 8eredjttgten erfennen laffen 



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mufe, bie Verfolgung ber fraglichen ©traftlwt nach 9Jcafjgabe beS ©trafgefefceS 
alsbalb hetbeijuftihren , unb jonach nid)t oon bcm Eintritte einer Vcbmaung, 
atfo auch nicht oon bem noch ungewtffen (Sretgntffc ber Eünftigen ehefd&eibung 
abhängig gemacht loerben tatm. 

3u bemfelben ©rgebntffe laffen enblich auch bte @ntfte^ungdgcfd^td^tc fowie 
bie inneren beftimmenben ©rünbe beS ©efefceS gelangen. 

$)ie neueren ©trafgefetaebungen werben bei ber Veftimmung über bie 
jtrafrechtliche Verfolgung beS lljebrucheS neben bem ©eftcbtSpunfte beS oerleftten 
Rechtes beS beleibiaten ©Regatten oorjugSmeife oon ber Ätftcht auf bie ftttliche 
Söürbe ber ©he unb beren (Schaltung, fowett fie möglich erfcheini, geleitet 

Von folgen ©runbfäfcen batte fdjon eine Steide früherer beutfctjer ©traf* 
gefefcgebungen, oergleiche pr. ». 2. 9t. II. 20. §§. 1061. 1062, preuj». ©t. ©. V. 
§. 140., braunfchwetg. Ärim. ©. V. oom 10. 3uli 1840, lübecfer ©t. ®. V. oom 
20. 3uli 1863, baoer. ©t. ®. 33. oom 10. 9too. 1861, bie «erfolgung beS Ehe- 
bruches nicht allein oon bem Anträge beS Verlebten, fonbern auch baoon ab* 
gängig gemacht, bajj bie @he wegen beS Ehebruches gef (hieben fei. $aS 3t ©t. ®. V. 
ift bicfem Vorgänge gefolgt. 6S erfd&eint nicht olme Vebeutung, bafj einzelne jener 
©efefegebungen, mSbefonbere bas lübecfer unb baS bancrifdje ©t. ©. V., aus ber 
gebauten Vorfd&rift bereits bie weitere Äonfequenj gejogcn unb auSbrücflich be* 
ftimmt Ratten, bafe ber ©trafantrag erft nad) rechtskräftiger ©Reibung ber (She 
geftellt werben fönne 1 ), fo wie baff ber Entwurf jum ©t. ©. V. für oen norb* 
oeutfchen Vunb fowie beranächft baS ©t. @. V. felbft eine abweidtjenbe Veftim* 
mung, wie fef)r fie anberenfalls nach bem ^n^alte ber generellen Veftimmung 
beS §. 61. ©t. ©. V. auch angezeigt gewefen wäre, nicht aufgenommen hoben. 

Anlage I. ju ben SJiotioen beS norbbeutfd)en ©trafgefefcentmurfs ©. 172: 

3n ber Xfwt ift bte 3ulaffung beS ©trafantrags oor gefdfnebener Ehe mit 
bem inneren ©runbe unb ber Stbficht ber Vorfchrift beS §. 172. ©t. ©. V. 
oölltg unoereinbar. 

2Benn nad) ber mafegebenben Sluffaffung beS ©cfefceS mit ber Unterfud&ung 
wegen Ehebruches ir eine noch befte^enbe S^e nid)t eingegriffen werben fott, unb 
bie Vefirafung eine» ©Ratten wegen 6^ebrud)eS mit bcm Söefen ber nod^ fort» 
bauemben Glje nid)t oerembarlia) erachtet wirb, fo muB bie« aud) oon bem 9ln- 
trage gelten, weld&er bat)in gerichtet wirb, biefe Veftrafung ^erbeijufü^ren. 

©ollte femer ber ©eginn ber 2lntragSfrtfl bereits an bie bem Antrag» 
berechtigten befamtt geworbene ^^atfacbe beS (SljebrudjeS gefnüpft fein, fo würbe 
ber berechtigte jumeifl in bte 3roangSlage gefegt erfebeinen, ben Antrag auf SBe* 
fhafung, um beS Stentes baju nidjt burc| ben Ablauf ber ftrtft oerluftig ju 
gehen, bereits oor ber ©ntf Reibung über bte Trennung ber (She jiu ftellen. — 
$)abei fommt in 83etradf)t, bafe eine 3u^ücfnahme beS unter bem (Imbrucfe ber 
begangenen Sreueuerle&ung gesellten SlntragS fobann nicht mehr juläfftg ift, 
§. 64. ©t. ©. 53. 

$amit würbe ber SluSföhnung ber ehegatten unb ber @rh<*ltung ber ©h^ 
ber erftcbtlichen Xenbenj beS ©efe^eS offenbar auwiber, ein fchwerwiegenbeS 
^inbernip entgegenfteUt. 

©er 3tpp. dichter hat fonach, inbehi er ben oor eingetretener föechtsfraft 
beS GhefcheibungSerfenntniffeS geftettten unb fobann nicht wtebcrlwlten Eintrag 
für ftatthaft unb wirffam erachtete, bie §§. 61. unb 172. ©t. ©. 33. burch 
unrichtige Slnwenbung oerle|t, unb baS 2lpp. (£rf. unterliegt fonach ber Ver- 
nichtung. 

S)a aber ferner unbefitrttten ift, bafj ber aum Slntraae berechtigte ©hemann 
einen wirffamen ©trafantrag nicht gefteüt unb bie gefe|ltchc StntragSfrifi nicht 



») «ergU ^otja, fcntamrf einem ©t ®. ». @. Ä»8. 



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benuftt \)at, fo mar in ber Sache baS erftricbtcrlicbe (Srf. nahm ab.umnbern, 
bafj Die Verfolgung bcr 2lngeft. wegen (Ehebruches für unftatthaft ju er- 
achten fei. ') 

§. 173. 2lbf. 2. 6t <B. 8. Die T)oll3tehung. bes 8eifalafe stDifdjen 
0tief»ater unb Stieftochter ift fhafbar, 6a beibe im DerfySltnij? Don 
t ,Derfd)tt>agerten auf unb abfleigenber Cinie** im 6inne bes §. 175. 
2lbf. 2. et <B. 8. flehen. 

(Srf. beS I. Straffen, o. 19. San. 1880 c/a. bracht, rooburd) ber 9te* 
otfionSantrag »enoorfen morben ift. 

§. 180. 0t. <P. 8. Das 8etreiben eines polUelUcherfeits conjeflfionirten 
8orbells (teilt fleh als ßuppelei bar. 

(Srf. beS I. Straffen. ». 29. $an. 1880 c/a. ftochen, rooburch ber $e* 
utfionSantrag beS Angefchulbigten oenoorfen roorben ift. 

« 

© r ü n b e. 

$)ie Segrttnbuna. ber SRemfton fufet auf ber Sinnahme, bafe baS galten 
eines Horbells mit poltaeilicher ©eftattung nicht unter bie Strafbeftimmung beS 
§. 180. St. ©. 8. faße. 3Kit fted&t t)at baS angefochtene Urteil baS ©egen* 
tl)cil angenommen. SDte Söortfaffung bcS §. begreift rect)t eigentlich bie $anblung 
fold^cr, bie ein ©noerbSgefchäft barauS machen, Räbchen 3U bem 3mecfe ju galten, 
bafc Tie jur Ausübung ber Unzucht gegen ßohn benufct werben rönnen, unb baS 
Strafroürbige folgen ©efchäftS mirb baburef) nicht berührt, ob bie $olijei ilmt 
•Qinbemiffe bereitet ober nicht. 

SKit Unrecht finbet bic fteoifion in ber Scfhmmung beS §. 361. £iff. 6. 
St. ©. 53. ein HRoment für eine befebränfenbe Auslegung beS §. 180.-, benn 
bie Seförberung ber Unjudjt fann auch ba, roo ledere fclbft nicht unter Strafe 
aefteßt ift, gar rootjl ffrafroürbig fein; bie geroinnfüchttge Ausbeutung fittlicber 
^erfornmenbeit unterliegt aanj anberen 9tücffid)ten ber Strafgefefcgebung, als bie 
niebrige ©efinnung unb Eingabe einer feilen $>ime. ©S ift ein §rrtbum, menn 
bie 9teoifton in oer Äuppclet nur eine befonbere $orm ber ^t>eilnahnie an 
einem Un$u<htSoergehen erblicft, ba ihre SorauSfefcungen auch bei jtraflofer Un* 
judjt jutreffen, ber ©rab ü)rer Strafbarfeit gerabe in folgern ^aHe um fo höber 
lein fann. Unb eine gegenteilige Argumentation au« ber ^tftehungSgefchichte 
einer entfprechenben StrafbefHmmung be$ ehemaligen preu§. St. ©. ». fann 
fchon barum nicht ju einem anberen 9tefultate führen, roeil baS St. ©. 8. für 
ba£ beutfebe bleich aud ftch felbft erflart werben muH, unb ber Nachweis, ba§ 
einer SJorfchrift beSfelben eine gleiche Seirimmung einer früheren ©efefegebung 
3u ©runbe liegt, nicht babin führen fann , alle für bie Auslegung ber lefcteren 
in «erreicht fommenben Momente auch für ba« Ser|tänbni& jener Sorfehrift ent> 
fcheiben ju laffen. 

Aber auch barin ift bem angefochtenen Urtheile ^echt ju geben, bafj es 
in fubjeftioer S3ejiehung mehr nicht erforbert, als bie Wicht, ber Unzucht 33or* 
fchub m leiften , baS Seroufetfem ber SRechtSroibrigfeit folcher ^anblungSroeife 
aber für ben ^batbeflanb beS Vergehens unerheblich erachtet unb einem 
oerjeihlichen ^rrthum nur bei ber StrafauSmeffung öerücfiichtigung ange* 
beü)en läßt. 



1) 3>€itfelben örunbfa^ Bdtt baö U. beö l ©ttafftn. ». 23. 2Kätj 1880 c/a. «au 
auf, wobur* *>a& Sorert. aufgt^oben »orten tjt. 



56 3>eittfd)eB ©ttafredjt. «rtcnntnifie fce« ««ASgtrt*«. 

8§. 18— 21 M 23. bts <B. v. 3. 3oli 1876. Die etrafe bes §. 23. trifft 
ben Tluftraggeber aud) bann, wenn er nid)t gewuft tyat, bafc 6er Be- 
auftragte feinen (Bewerbe! d)ein eingelöft habe. 

@rt o. 25. «Rod. 1879 c/a. Sübecfe, butd) weldjc« bic 9t. beS Angefl. 
juriufgewiefen werben ift. 

© r ü n b e. 

9tod) bem Haren Wortlaut be« §. 23. be« ©. t>. 3. 3uli 1876, betr. bic 
Sefieuerung beS ©ewerbebetriebeS im Umrjerjiefjen :c, ift bic bort bem Auftrag 
geber angeorofite Strafe oermirft, wenn bie in ben §§. 18—21. bejeidmeten 
jirafbaren §anblungen im Auftrage unb für 9teajnung bcffelben ausgeübt ftnb. 
3>ies8 ift im uorliegenben gafle in ©etreff beS 3Ritangefl. 2. tum bem ^weiten 
9U(f>ter fcftgefteUt, olme baß in ber ©egrünbung be§ Urtycitö, bq. in ber fteft* 
fefcung ber Strafe em föedjtSirrtljum Sage tritt. 

Die Ausführung ber 5R. 33., baß bei Auftraggeber nur bann ftrafbar fei, 
wenn er gemußt gäbe, baß ber oon i|m ^Beauftragte einen ©ewerbefdjein nid^t 
eingelöft gat, läßt fufc roebet aus bem §. 23. be« citirten ©efefceS, weites ein 
berattiqeS Srforbcrniß ntdu aufftellt, nod) au? allgemeinen ftrafred)ttid)en 
©runbfäfcen ableiten, ^nbem baS ©efefc demjenigen, in beffen Auftrage unb 
für beffen 9led)nung ein dritter, olme einen ©emerbefdjcin eingelöft ju t)abcn, 
ein ber Steuer com ©ewerbebetrieb im Umherliefen unterworfenes ©eroerbc 
betrieben hat, mit Strafe bebroljt, olme bie Strafbarfeit oon ber f enntnife ab- 
gängig ,;u madjen, baß ber dritte einen ©ewerbefdjein nicht eingelöft habe, legt 
eS bem Auftraggeber bie Verpflichtung auf, nur folgen ^erfonen einen Auftrag 
iu crtljeilen, welche nadb ber beftehenben Steuergefcfegebung einen berartigen 
Auftrag übernehmen bürfen. 



§. 246.' bee 6t <B. B. llntcrfä)lagung be* Ilommifftonsgut*, be$. be* 
(Erlöfes. 

<Srf. ». .2. ttan. 1880 c/a. aBitte, butet) welches bie SR. «. Des Angefl. 
jurüdfgeroiefen worben ift. 



© r ü n b e. 

$ie tftüge wegen ©efefceSöerlefmng ift grunbloS. 

SSenn ber App. dichter barm ben * Xt)otbeftanb ber Untcridjlagung 
gefunben Ijat, baß ber Angefl. entweber bie itmt in Aommiffion gegebenen 
SBaaren ober ben (SrlöS für bicfclben ocrbraudjt hat, fo fann barin ein Slcchts- 
irrtfmm ntd)t norgefuuben werben, jumal baS angefochtene (*rfenntniß feftficUt, 
baß Inhalts beS abgefajloffenen ÄommifiionSoertrageS baS JtommiffionSgut als 
anoertrautes ©ut unb ber ©rlöS für bie oerfaufte 2öaare als Afferoat $u bc- 
^anbeln war. 



§§. l. t 2., 7. 6e» (B. ». 7. Tlpril 1869. (Ein von ber Regierung (in Preußen) 
bejiellter (Drtsfommijfar tfl ale foltber nicht ohne Heiteres befugt, lln- 
orbnungen su erlajfen, beren Hid^tbefolgung bie etrafbarfeit begrünbet, 
fonbem nur, wenn er baju bie (Ermcicbtigung ber Hegierung erhalten ^at. 

@rf. beä IL Straffen, o. 14. giooember 1879 c/a. Son ber mann, burdj 
weld;e« bas8 ®rf. II. ^nfi. oernidjtet worben ift. 



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<Tv«ii»{/tt»x £h>»l«/(i» . =.„» , ,,,,»,,, ,, , . ,u ,, j, . , „„,,4,, . r n 

jütutiu)C9 fetrarrecpt. vrrtennntnie cc» mciais^einrotö. q7 

© r ü n b c. 

2)ie v Jt. 8. ift begrünbet. 

9(acf) bcm 4?- 1. bc3 ©. o. 7. Slpril 1869, 2)fafjregetn gegen bie 9tinber 
peft betreff cnb (Sunb. ©. 331. 6. 1&5), finb, wenn bie Winberpcft in einem 
©unbeSftaat ober in einem ©rentfanbe ausgebrochen ift, bie juftänbigen 
sßerroaltungSbebörben ber betreffenben Söunbeäftaaten oerpfttd&tet unb er* 
raad&tigt, alle SDtaferegcln ju ergreifen, wcla)e geeignet finb, bie ©tnfcf)leppung 
unb besiebentlid) bie SBeiteroerbreitung ber ©euebe ju oer^üten unb bie im 
£anbe )clbft aufgebrochene (Seuche 3u unterbrütfen. 3 U °^f cn 2Haf?regeln 
affjört na$ §. 2. a. a. 0. aud) bie SCbfperrung einzelner ©eböftc unb 
Drtötbeüe. 

SBcld^c Seljörbcn in ben cinjelnen Staaten 3ur 2lnorbnung ber fraglichen 
Spcrrmafercgeln auftänbig fein follcn, wirb in bem genannten ©efefce nic^t f eft - 
gefefct, bie $efttmmung hierüber oielmefjr ben Ginjelftaaten überlaffen (ocrgl. 
§. 7. beS ctt. ®efefcc£). 9lad& v ber einfdjlagcnben ©efefegebung finb bie$ in 
Greußen bie Regierungen (oergl. §. 3. ber o. 20. $C3. 1808, §. 2. 9fo. 3. 
ber Steg, ^nftr. o. 23. Oft. 1817, §. 10. ber Merl), ßab. 0. o. 8. 3Iug. 1835 
unb §§. 2-4., 6., 7. ber SB. o. 27. 3Kärs 1836). §ieran ift audfj burd£> bie 
fpä'tere ©efefegebung, namentlich bureb baS ©. com 25. ^uni 1875, betr. bie 
5lbrocbr unb Untcrbrüdung oon Sßiebfeuapen, niäjtö geänbert, ba baffelbe nacb 
§. 1 . Slbf. 2. auf baö Verfahren $ur 3tbroetjr unb Unterbrücfung ber 9tinberpcft 
feine Slmocnbung fmbet. 

3n bem oorliegenben ^aU ift nun oon bcm Snftanjrid&ter als erroiefen 
angenommen, bafe ber Slngefl. eine Sperrmaferegel wiffentlid) oerlefct habe, welche 
$roar nicht oon ber Regierung, wofu" aber oon einem oon biefer beftellten Orts 
fommiffariuä erlaffen ift. S)cr aweite Siebter erachtet bieS für gleichwertig, 
ohne feftguftellen, welche SBefugnitte bem Äommiffar im gegebenen galle beigelegt 
finb, tnbem et baoon ausgebt, bafe ber äommiffar m foleber ermächtigt fei, 
2lbfperrungj8maftregeln anjuorbnen. $)iefe 2luffaffung erfdjeint rechtöirrtbümltd). 
Sie märe nur richtig, wenn bem ÄommiffartuS burch bad (Sefefc ober burch eine 
auf ©runb be« ©efefceä crlaifene, für bie SKegieruna oerbmbliche Verfügung ber 
(£entral^erroaltungöbet)örbe eine berartige öefugnift beigelegt märe. 3ln einer 
folgen Skfttmmung fehlt e£ jebod) unb inSbefonbere fann au£ bem oom peiten 
Richter allegirten §. 22. ber oeränberten ^nftruftion jum ©. o. 7. 2lpril 1 80*.» 
(% ®. fßl. 6. 147) nid^t entnommen werben, bafe ber Ortöfommiffar genercU 
ermächtigt fei, bie 6petrmafcregeln fclbftftänbig an^uorbnen. £5ie Uebcrroadhung 
ber Slu*fübrung ber nötigen 6perrmaferegeln, melcbe im §. 22. oit bem 
Äommiffar übertragen wirb, fc|liefet ba« oict weiter ge^enbe 3lea)t, bie nötigen 
Sperrmaferegeln an^uorbnen, nic^t in fid^. 

§iemaa) unterliegt ba& angefod^tene <Srfenntni§ ber Söermdjtung. @ine 
alsbalbige ^reifprca)ung be3 Stngefl. fonnte jebod^ nia)t erfolgen, oielmebr mar 
bie ©ao)e gut anbenoeitigen ^c4anblung unb @ntfd)eibung in bie TL Snftanj 
surücfjuroeifen. $enn ber Umftanb, bafe ber Äommiffar als folcfjer triebt o^nc 
SÖeitereS befugt mar, bie bier fraglichen s i)ia§rcgeln anjuorbnen, fc^liefet nic^t aus, 
bafe er nid^t im oorliegcnbcn ^all bie ermäd^tigung baju feiten« ber Regierung 
erhalten, ober leitete felbft bie 6perrmaferegel angeorbnet unb ber Äommiffar 
in 2luSfuf)rung biefer ^erorbnung bie ißemagclung ber %f)üx oerfügt bat. 3" 
bem einen, wie in bcm anberen §aH mürbe eine oon ber 3uftänbigen SBcfjörbc 
angeorbnete €pcrrmn^regel oorliegcn. 3Mc Sacbc ift ba^er behuf« ber SBor^ 
nabme ber hiernach weiter crforbcrlidf)cn t^atfächlidhen ©rmittelungen an bie 
jweite ^nftanj 3U oerweifen. 



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Oo AJcuqajte ©trayreuji. vineumiunc ras wetaisgencats. 

■ 

§. 548. @t <B. B. Regiftet uno Bücher, welche »on einem Beamten 
lediglich 5U 6cm gweefe, als Beweismittel gegen ihn felbft 3a bienen 
geführt »erben, gelten nicht als öffentliche im ©inne bts §. 348. 
0t. <B. B. 

<£rf. beS ü. ©troffen, r>. 23. 5Deg. 1879 c/a. 3ft|e, wobur<h bie gteuifton 
für begründet erachtet worben ifi. 

© r ü n b c. 

9Benn ber erfte Stifter unter ben öffentlichen Stegiftern unb Büchern, 
welche ber §. 348. beS St. ®. 93. als ©egenfianb eines fall eben SintragS Aber 
eine red^ttieb erheblidje 2;^atfadc)e im 2Uige fjat, foldt)e SöüAcr unb iKegifter 
nerßanben wiffen will, welche für baS mit ber betreffenben Segörbe oerfehrenbc 
s #ublifum ober biefera gegenüber als 93cwciSmirtet ju bienen befHmmt finb, fo 
ermeift fich biefe 2luffaf|ung nicht als erfdböpfenb, inbem bie Stücf ficht auf baS 
mit ber SBcprbe oerfehrenoe Sßublifum, alfo concrete ^erfonen, rodele mit ber 
üBcbörbc in SBerfeljr treten, nicht allein entleibet. S)aS SKerfmal ber Deffent* 
lidjfcit bringt es nämlich mit fich, bafj jene Urfunben für bie Allgemeinheit 
ber 2trt beftimmt finb r bafj fic bie 3Jcöglidjfctt gewähren, nicht blofe im 
^ntereffc ber Sicherheit beS SRechtSoerfehrS als Beweismittel für unb gegen 
äebermannju bienen, fonbern auch, bafe ffe «uS allgemeinen SItucf flehten ber 
ftaatlidhen 9Bot)l^eit rechtlich erhebfiche X^atfatyn autbentifd) fcftftcttcn, ohne bafj 
gerabe, roie btefcS 3. 55. oon ben SßerfonenftanbSrcßtftem gilt, bie Söahrung von 
(Itnjelmtcreffen beS$ublifumS bie entfeheibenbe unb auSfchttcfclichcSHücfficht bilbete. 

SDaS angefochtene @rf. ergiebt nun nicht, bafj eS fich ber richtigen 58e* 
griffsbefttmmung in biefer Unteren Begehung bemufjt gewefen ift, inbem es bie 
üeffentlichfett ber in ftragc ffebenben fiiftcn unb Sücher allein barauS herleitet, 
baft fie uon bem Slngcfl. gemäfj ber SDienfHnftruftion im ftntereffe beS Staates 
behuf« ©ontrolirung ber t>on ihm gemachten Einnahmen unb Ausgaben geführt 
roorben feien. $enn folche Bücher unb SRegifter, roclche oon einem Beamten 
nicht um biefer ihrer objectioen BeweiSfraft willen, fonbern nur ju bem ftxocdc 
geführt werben, sunächft nur gegen ben Beamten felbft als Beweismittel ju 
bienen, fallen nach bem Bemertten nid;t unter ben DeffenttichfettSbegriff, felbft 
roenn berjenige, $u beffen ©unften bie BcweiSfraft roirfen foH, ber Staat felbft 
ifi. 2)er Severe fleht aisbann biefen Urfunben nur als ^rioatintereffent, nicht 
als Vertreter beS öffentlichen 2öof)leS gegenüber. 3 U benfelben gehören aber 
alle biejenigen, welche nur beS inneren $>ienfteS ber Behörbe wüten jur Sluf* 
rechthaltung ber Orbnung unö ©ontrole geführt roerben, unb beShalb mögen fie 
aua) thatfächtlich für fidt) aüetn als SeroeiSmtttel auch ©ritten gegenüber, welche 
bei ihrer ©ntftehung nicht mitgeroirft t)abtn, nicht unerheblich fein, in fich felbft 
eine autbentifche SBeroetSfraft su tragen nidbt befrimmt ftnb unb als unbefchroorene 
^eugniffe noch beS ^hijutretenS beS eiblichen 3cugniffeS non 6eiten ber Beamten 
felbft bebürfen, um für unb gegen dritte ihre ooue Sebeutung ju gewinnen. (SS 
fmb btefeS biejenigen Südber unb Stegifler, bereu ^älfchung 2c. tn §. 351. bes 
St. ©. 33. jum ©egenflano eines befonberen ©rfchwerungSgrunbeS bei ber Unter* 
fchlagung eines Beamten gemalt wirb. 

S>er ©efichtSpunft, ba§ bie 00m 2lngefl. geführten ßifien unb Bücher jur 
(Sontrolirung ber oon ihm gemachten (Sinnahmen unb SluSgaben beftimmt ge* 
mefen feien, reicht baber für baS 3Jler!raal ber Deffentlichfeit nicht aus, fonbern eS 
mufete 3ugleich geprüft werben, ob unb in welchem Ütt afce bie (Anträge jur fier* 
ftellung objectioer 2öahrheit, b. h- jum Seweife für unb gegen Hermann, we^er 
fich barauf berufen möchte, ober sur Gonftatirung beftimmter rechtserheblicher 
Zfyatfafyn aus allgemeinen »fliehten beS öffentlid^en 2öohleS h^ben bie- 
nen foUcn. 



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2tatff<$e£ ©ttafrecfct. (Menittniffe b<3 9tettf)8geTid)tsL 59 

164. 0t <B. B. TDifientlidb falfa)e Tlnfdjul&igung öura) ^eige 
6cm Tlmtsoorfre^er. (Preu|en). 

@rf. beS IL (Straffen. ». 23. $e$. 1879. c/a. «RoadE, wobura) baS 93ot* 
cncnntntB oettattgt woroen tjt. 

© r ü n b c. 

2)er erfie Sfttdjter bat bie aefejltdjen HKerfmale ber wiffentuä) fallen 
2lnfa)ulbtgung — §. 164. beS 6t. ©. & — Üwtfädjlia) fcftgcftellt. 

SEBenn ber 2tngefl. gcltenb raoajt, bafj bcr StottSoorfieljer, bei welkem 
oorltegenb bte 2fajeige am 25. Steril 1879 gemalt morben, eine SBe&örbe im 
©inne be$ §. 164. ni$t fei unb fta) für feinen ©inroanb auf ben §. 50. ber 
ÄreiSorbnung t>. 13. 3)ej. 1872 unb auf ben §. 6. beS @efe|e3 über bie ^3oli§ci- 
oerwalrung o. 11. 2Wära (nidjt ÜRai) 1850 beruft, fo ift bieS nid&t mtreffenb. 

9tadj §. 50. bcr ÄretSorbnung finb bie Organe ber AmtSoerwaltung in ben 
2(mtfibejtrfen „naä; näherer Söorförtft btefeS ©efefeeS" aDerbingS ber Amts* 
üorfteOer unb ber AmtSauSfajufj. IDura) §. 59. baf. ift aber bie felbftjtänbige 
SBerwaltung ber ^olijei, fo weit fie nidjt burä) befonbere ©efefce bem ßanbratge 
ober anbercn ©eamten übertragen ift, bem SlmtSoorfteber beigelegt. 3»n feiner 
©tgenfdrjaft al$ ^ßolijeioerwalter be8 2lmt3be$irt3 ift ber SlmtSoorfterjer berufen, 
SInjeigen fhaf barer ipanblungen entgegenjune^men, nötigenfalls weitere (Sr* 
mittelungen 3U bewirf en unb Die ©aa)e, fo fem er nidjt felbft befugt ift, bie 
Strafe fefoufefcen (§. 63. baf.), an bie jur ©trafoerfolgung suflänbtge Se&örbe 
abjugeben (ogl. §. 4. ber SJerorbnung o. 3. ftan. 1849). 5Da ber AmtSoorfleber 
tnernacfc ein Organ ber Staatsgewalt ift, weldjem bie Verpflichtung obliegt, 2ln* 
jetgen ftrafbarer £anblungen beljufs ber öerbeifü&rung bcr 53eftrafung Bolge ä u 
geben, fo tfl er aua) im Sinne beS §. 164. beS ©t. @. 8. eine Setjörbe, bei 
welker feigen ber bort angegebenen 2lrt gemalt werben tonnen; ber §. 6. beS 
©ef. r*. 11. 3Kärj 1850 fommt hierbei überhaupt nidjt in »etradjt. £>erfelbe 
)ät)lt bie ©egenfiänbe auf, burd) weldje bie nad) §. 5. bafelbft unter ©traf* 
anbrotjung gu erlaffenben ortSpolijeiltajen #orfd>riften fic^ erftretfen bürfen. Um 
folcfje S3orf<|riften, welche unter .Rufrimmung beS SlmtSauSfdrjuffeS $u erlaffcn ber 
AmtSoorfteber übrigens naä) §. 62. ber ÄreiSorbnung befugt ift, Rubelt es fta) 
\)itx nity. 

§. 29. 147. Hr. 3. K. (Bern. <P. r>. 21. 3uni 1869. Die Beilegung 
es (Titels „eraminirter fjeilbiener" feiten« einer als Qeilbiener ge- 
prüften Perjbn fann nid?t als "Hnwenbung eines bem Ölr^t är>nlidr;en 
Titels gelten. 

@rf. beS HI. ©troffen, o. 24. $>ej. 1879 c/a. ©d)oobt, woburdj bog 
SSorerf. oernicr;tet, unb ber Slngefd&ulbigte freigefprod)en worben ift. 

© r ü n b e. 

§. 147. 5Rr. 3. ber 9t. ®cw. 0. bebrobt nid&t biejenigen, welche ben 
©lauben $u erweefen fuäjen, ba§ fie geprüfte 9Jiebt$tnalperfonen feien, fonbern 
in engem 2lnfä)luffe an §. 29. ber 9t. ©ew. 0., nact) wetdbera ber füa) als 2lrjt 
ober mit gleid)bebcutenbem Xitel Sejeicfjnenbc einer 3lpprobatton bebarf, bieje^ 
nigen ^erfonen, welche o^nc Approbation fid) als Slrjt bejeia)nen ober fia) einen 
ciijnlic&en Xitel beilegen, bura) welche ber ©laube erweeft wtrb, ber «Jnljaber fei 
eine geprüfte 2Jiebiäinalperfon. Jöiernaa; ift bie Beilegung einer unmittelbar auf 
2lpprobation im ©inne ber ©emerbcorbnung Ijinweifenben öejeicrjnung ober eine« 
äbnlicben Xitel«, welcher bie 2lnnalmte einer folgen Approbation erweefen fann, 
ba« wefentlia)e X^atbeftanbÄmertmal ber jur grage fie^enben gefeilteren *Be* 




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60 3>eutf$e« ®ttafrtd>t. (Srtenntniffe beS «tei*8gert*t$. 

fltmmuna. Sei Slnroenbung berfelben ht bet peilen SUternatioe ifl bie fteft^ 
fteHung oafier aunäd&fl barauf ju rieten f ob ein „äljnlid&er ^ttel" gebraust 
roorben ifl 3>iefc ^eftfteüun^ ift aber nidjt rein t^atfädjUcfcer 9?atur. ®er 
gebrauste ^ttcl fott ber Sejetcljnung „Strjt" äfjnlidf) fem; lefctcrc Ijat nad&. bet 
©ero. 0. eine tedfmifd&e Scbeutuna; fie gebührt, be^ro. in ber Spejittliftrung als 
3a^n=> unb Xbierarjt, nur bemjenigen, welcher nadj beftanbener oorgefd&riebener 
Prüfung oon ber juftänbigen Segörbe bte Approbation als Slrjt, bejro. als 
3alm* ober Xlnerarjt, erhalten tat. Sei ber grage, ob eine anbere Sejeid)* 
nuna ber Srrjtbejeldbnung ähnelt, ift ber Stifter ba^er nidbt auf auSfdtjlte§lld) 
tl)atfäd^lict)em ©ebiete. @S ift ju prüfen, ob bie geroäblte Sejeidfmuna. nad) 
3nl)alt unb Sebeutung bem gefefelicb firirten Segrtffe beS STr^ted nafjefommt. 
hierbei fönnen felbftoerftänblid) bie llmftänbe beS fonfreten ^adeS oon erbeb* 
ltcf)er Sebeutung fein, immer aber mufe baS ©rforbernifj geroabrt bleiben, bafe 
bie gerollte Sejeicfmung int)altltdtj einen bem Strjte ä^nlia)en Xitel barjuftellen 
geeignet ift. Ob bann roeiter bie Sejeid&nung bie 2fanabme einer Prüfung als 
txti erroedfen fann, ift auf ©runb aller etnfd&lagenben Scrtjälrniffe ber tlwt* 
fäcf)lta)en Seurtljeilung überlaffen. 

Sei Stnroenbung biefer ©eftdjtSpunfte ift bie oom angesagten aufgeteilte 
Nuge unnötiger Slmoenbung beS §. 147. 9lt. 3. ber ©ero. 0. als begrünbet 
anjuerfennen. ftretltcb fjat ber erfie Stidjter, beffen geftfieHung ber sroeitc 
Siebter für bebenfenfrei erachtet, in feiner ©cblufjfeflftellung ausgesprochen, bafc 
3lngefl. fta) einen einem Slr^te abnltcfjen Xitel beigelegt Imbe, bura) melden ber 
©laube erroeeft roerbe, bafj er eine geprüfte ^Jtcbisinalpcrfon fei. SDiefe geftfteüung 
ifl inbeffen auSfcbltefjlidb gegrünbet auf bie itorerroägungen, meiere ausführen, 
bafj ber oon bem 2tngefl. gebrauste Xitel „eraminirter £eilbiener" na<$ ben 
tlmtfäajlia^cn Serbältniffen geeignet geroefen fei jur örroeefuna, beS betreffenben 
©laubenS. 3)er „älmUdje Xitel" ift alfo in ber Sejetcfmung „eraminirter ßeil- 
biener" gefunben. 35icfe ^eftftellung trifft aber ntcf)t bte oom ©. oorauSgefe^tc 
Beilegung eines „ä^nlia^en XitelS". Ob Slngefl., melier nad& ben Sitten oom 
s ÜJebijinalfollegium §u Hamburg als geprüfter £eilbiener jugelaffen ift, fidb als 
geprüfter ober eraminirter §eilbicncr bejeidjnct, fann fad&lia) feinen Unterfdtneb 
begrünben. $)aS 3Bort ,,.§eilbiener" roetft aber auf ein feit längerer Rtit in 
Greußen befter)enbeS ^nflitut ^in, meines feiner 9cü$lid)feit roegen au$ naa) 
bem ^fnrrafttreten Oer ©ero. 0. auf ©runb oon §. 6. beS ©efefceS beibehalten 
ift, unb fi$ in feiner Sefd^ränfung auf fleine #irurgifdt)e Operationen fo be* 
ftimmt oon bem Segriffe eines SlrjteS im 6inne ber ©ero. 0. unterfd&eibet, 
bafe oon einer 2lel>nlia)fett beS XitelS „ipeilbiener" mit ber Sejeid^nung „3lrjt" 
niebt gef proeben werben fann. @S fefjlt baber für bie Inroenbunä beS §. 147. 
9tr. 3. ber ©ero. 0. an einem roef entließen XljatbeftanbSmerfmale. 5^ gleicbroobl 
bas Sßublifum nacb ben Annahmen beS erften unb jroeiten 9iicl)terS getäufc^t, 
fo ift bie Xäufcbung boeb ni$t bura^ bie Slnroenbung eines bem Slrjte äbnlicben 
XitelS berbeigefübrt. 2)emnacb unterlieat baS angefochtene ©rfenntnift roegen 
unria)tifler 3lnroenbung beS §. 147. 3tr. 3. ber Semiajtung. 



§. 286. 3lbf. 2. et. <B. B. (Eine nad> §.286. 0t. (B.B. fhfafbare öffentUAc 
'huefpietung obne obrigf ertliche €rlaubni^ liegt auch bann vor, roenn 
bet fut bie Beteiligung an ben Untetnebmet xu geroätjrenbe Prete 
mit bet (Begenteiflung für eine anbm Ceijhing foltber (Bcflalt oerfnüpft 
ifl, 6a^ et im XDege bet @d)5^ung niebt etmittclt 3U toetben 
oetmag. 

fixt. beS II. Straffen, o. 9. 3<m. 1880 c/a. ^eoer, rooburd^ baS «or 
erfenntnife oemidtjtet roorben ift 



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2>ttttfc$e8 Straftest. (Jttenntaifie b«8 «ci*«gcti*t*. fil 

© r ü n b e. 

$)er 2lpp. Mietet irrt, wenn er $war jugiebt, bafe ber ^rei« für bic 
2f)eilnaf)me an ben mit bem ©efudt)e be« 5£h*ater« be« Singet! uerbunbenen 
;Hu«fpielungen in bem ©intritt«gelbe für ba« Xfytattt entgolten fei, nicht« befto* 
weniger aber eine 9lu«fpielung im ©inne be« §. 286. ©L ©. SB. bc«t)alb nicht 
als oorhanben anerf ennen miß, weil bie §öhe be« gejagten ©infafceS nicht erfennbar 
fei, rooju erforbert werbe, bafe ber leitete bureb 2lu«merfung eine« greife« für 
ben ^eaterbefuc^ an unb für fich »on bem Unternehmer felbft angegeben ober 
baburch, bafj ber Sßerth ber Eheateroorfteuung in ©elb erfennbar oorliege, bur<h 
©ered&nung ju ermitteln fei. 

5Denn jum Siefen ber 2lu«ipietung gehört m biefer SRtd&tung nur, bafc 
für ba« Slnreit, im SKege ber §lu«lofung ein befhmmte« $ermögen«objeft ju 
gcroinnen, ein £mfa$ geletftet werbe, unb biefer ßtnfafe uerliert feinen ßlmrafter 
al$ folcher baburch nicht, bajj er mit bet ©egenletfhmg für ein aubere«, oor* 
Uegenb in bem ©enuffe einer I^eateroorftellung beftehenbe« Anrecht ber 3lrt in 
3?erbinbung gebraut wirb, bafj beibe Seiftungen in it)rer 3«bi»ibualitar nicr)t 
befonber« tjeroortreten. ©elbft in bem $aüe mürbe biefer Umfianb einen Unter* 
fctjieb nicht begrünben, wenn fidt) im Söege bet ©dbäfcung unb Berechnung ber 
©tnfafc nic^t ermitteln lie&e, wie biefe« ber ftall fein mürbe, toenn, toic ber 
2lpp. dichter annimmt, ber eigentliche Söcrth eine« £h*aterbtllet« ft<^ jeber 
Sd)ä§ung entziehen, babura) alfo auch eine XuSfdjeibung be«felben au« ber ©e* 
fammtleiftung unmöglich werben foUte. $er ©ebanfe be« ©efefcgeber«, welker 
hat oert/tobern wotten, bafj burä) bie 2lu«ficht auf einen ba« gebraute Bermögen«* 
opfer mehr ober weniger überfteigenben ungewiffen ©ewinn bie ©pietteibenfd&aft 
obne oorgängige Prüfung unb guftimmung oer Setjörbe öffentlich erregt werbe, 
bleibt oouftänbig bcrfelbe, mag Die gemalte SermogenÄaufwenbung auf bie $e* 
Heiligung am ®lücf«fpiele allein ober jugletd) an einem anberen an fich unuer* 
werflieben ®enuffe abfielen unb bie 3ulaffung eine« berartiaen Verfahren«, wo* 
bura) ber ©acbe nach bie 9ca<htheile be« öffentlichen ®lücf«fptcl« fyttbtiQtftyxt, 
bie bagegen jugelaffcnen 9tepreffiomafjregeln aber au«gefcblojfen werben, würbe 
nur m einer ooUftönbigen Umgebung be« ©efeje« ben 2öeg bahnen. 2lucb auf 
ben 3wecf, meldten ber Unternehmer babei für fich erreichen wollte, faim e« nicht 
anfommen; benn nidt)t ber 3wecf, welcher felbfi ein löblicher unb ju billigenber 
fein fann, fonbem ba« jur (Erreichung be«felben gewählte Nüttel entfeheibet für 
bie ©trafbarfeit ber $anblung, unb e« ericheint Deshalb auch nlcichgiltig, ob 2ln* 
geflagter beabfuhtigte, ben Befuch feine« Sttjeater« unb baburch ferne (Stnnafrau 
ju erhöhen, inbem er für benfelben betrag, anftatt wie früher ben blofeen Sheater- 
befuch, ie&t jugleich bie Setheiligung an ber Su«fpielung gewährte. 

§. 263. 0t. <B. B. Der Dermögeneoortheil beö §. 263. St <B. B. 
umfaßt nicht nur bie bejinitioe Vermehrung 6es Permögene, fonbern 
auch bte thatfächlich gün|tigere <Befialtang ber Dermögenslage in Be* 
3iehung auf Kealifirung r»on be|hittenen Hea>ten. 

{Sxl be« III. ©traffen. o. 10. San. 1880 c/a. woburch bie «Heoifion 
jurütfgewiefen worben iji. 

© r ü n b e. 

S)ie oorigen ^Richter haben folaenbe« fefigeftettt. 3^^°)^ °em ßigarren^ 
fabrifanten 8. unb bem Slngell. 3ß. oeftanben mehrere, jum ^h e ^ un ^ e ' 
ftrittene ©ajulb« unb $orbcrung«Derhältni)fe. ^befonbere hatte 8. gegenüber 
bem 9lngefl. einen SBechfel aeeeptirt, beffen betrag jwar gefchulbet, aber nach 
feiner Behauptung burch eine ihm gegen ben Singen, aufiehenbe gorberung auf* 



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62 3)«utf*«8 Straftest. (Jrtemrtmffe b«8 9tei#Sgert#t$. 

gewogen war; audj ^atte ber Slngefl. erflärt, bafj tym ber SBedbfel nur jur 
6td)erbeit bis jur 2lbreä)nung über bicfe gorberung bicncn fottc. S. gerietb, in 
©elboerlegenfjetten unb fudjte feinen Gigarrenporratf) ju perfaufen. 3m 2Rai 
1878 machte tym ber Singet! wiffentlid& Die unwahre SDfttt^etlung, et l)abe brei 
Sremer Äaufleute gefunben, meldte bereit wären, ben ganjen Gtgarrcnporrauj ju 
guten greifen }u taufen unb binnen 3 Xagen an 33. felbfl ju sohlen; bie ßigarren 
müßten fofort in ba£ öauä beS an einem anberen Orte wofmenben Slngefl. 
gefAafft werben, wo bielBremer Äauffeute fie abnehmen wollten ; er, ber Slngefl., 
werbe r-on bem 2Öunfd&e geleitet, bem 33. au« ber SBerlegent>eit ju Reifen. (53 
war nidjt baoon bie föebe, bafj bie Gigarren jur Secfung jene« SBed&felS bienen 
foUten, au$ t>atte ni$t bie 2Xbfidt>t r fie &u biefem 3wedte bem Slngefl. &in$U' 
geben, jumal er ben materiellen 9lea)t$beftanb ber 2Sea)felforberung beftritt, unb 
ber 2öed)fel erft am 4. Oft. fällig war. 9tur burdj bie ü)m Pom Slngefl. auf 
bie angegebene SBeife eröffnete SluSftd&t auf fofortigen 33aaroerfauf unb empfang 
be£ greife« würbe er §ur Ueberlieferung ber Gigarren in bie £änbe unb bie 
SBofmung be£ Slngefl. bewogen. S)ie Äaufleute aus 33remen tarnen nid&t, wo&l 
aber crflärte na$ einiger 3ett ber Sngefl., er behalte bie Sigarren als S)ectung 
beS am 4. Oft fälligen SBed&felS, flagte na$l)er benfelben ein, unb liefe bie 
Gigarren, beren 2öert$ auf 7000 ütt. gefd&äfct ift, öffentlich mit einem (Srlöfe 
oon etwa 3700 Wl. perfaufen, ofjne baS 33. in bie Serwert^ung berfelben jur 
$ecfung beS SöedjfelS eingewilligt £atte. S)abura), bafe ber Slngefl. ujm pr 
SDecfung für bie md>t unbeftrittene, jebenfaUS erfl nad& Monaten fällige 2ßeajfeU 
fotberung bie Zigarren als baS einzige üftittel jur öefriebigung brängenber 
©laubiger aus ben §änben fpielte, würbe 33. jutn Äonfurfe gezwungen. Sluf 
©runb biefer befonberen ^eftfteUungen tyaben bie porigen 9lid)ter fajlie&Ucf) für 
thatfäcpa) feftgefkUt erad&tet, bafe ber Slngefl. im 3ttai 1878 in ber Slbfid&t, fict) 
emen redJtSwibrigen SkrmögenSoortfjeil ju perfd&affen, baS Vermögen beS 33. 
baburdf) befdjäbigt Ijabe, bafc er in btefem burd& 33orfpiegelung falfä)er Sfjatfad&en 
einen ärrtjmm erregte, unb ben Slngefl. wegen ©etrugeS (§. 263. 6t. ®. 33.) 
perurüjeilt. 

S)er Slngeflagte bat Slenifion perfolgt unb finbet ft$ befd&mert, weil auf 
ben feftcjefteUten £j)atbeftanb ber §. 263. niajt ^abe angewenbet werben fönnen. 

tn ber 9teoifionSfd)rift, ujeilö in ber f)ieftgen «er^anblung ifl pon ujm 
namentudfj gerügt, bafe t& an ber fjefrftellung einer SBermögenSbefajäbigung beö 
ber Slbfid^t eineÄ red^tiSmibrigen 3$ermögen3oort()eil3 für ben Slngefl., unb 
be£ ©aufaljufammen^ang^ swifdjen ber angenommenen ^rrt^umSerregung einer- 
feit« unb ber $ermögen3bef$äbigung anbererfeitö fe^le. 

SDie Sefd^merbe ifl unbegrünbet. 

s Jla<^ ber ^eflftellung ber porigen Stifter bewirfte ber Slngefl. burd^ 
«orfpiegelung ber falfd^en £ljatfadf)e, Wremer Äaufleute wottten in feiner Söolj* 
nung bie Siganen be£ ©. gegen f^leunige Saarja^lung an lederen faufen unb 
abnefimen, bie Uebergabe ber (Siaarren am ilm feitewS beÄ 8. S)er (Saufal* 
jufammen^ang jwifd^en jener SSorfpiegelung, bem baburdb ^erporgerufenen 3rr* 
tljume beS 33. , unb ber Uebergabe ber Sigarren, ebenfo bafe bie Slbftdjt be« 
Slngefl. bei ber Sorfpiegelung auf Semirfung ber $rabition, alfo auf ben 
IXebergang beS Sefi^e« oom föigent^ümer 33. auf ü)n, ben Slngefl., ging, ift 
aufeer 6treit. 

9n ber Uebertragung be« Seft^e« ber Zigarren oon 33. auf ben Slngefl. 
lag aber für ben lefcteren fdjjon beSljalb ein SöerraögenSPort^eil, weil er 
baburdjj bie t^atfäd)li(^e 3Köglid^feit ber Verfügung über ein wertbpolleS ©ut $u 
eigenen, feinen SJermögenSbeftanb angefjenben ^meefen erlangte; biefer SSortfjeil 
ifl bie unmittelbare ftolge jebe8 ©efifo, unb eben bie 3Högli(^feit tfjatfädilufcer 
Verfügung unb JBerwertljung be8 bettnirten ©uteS madbt ben 33eftft als fola)en 
icpon iu entern jtfermoaenswerto. söct oen reajutepen iöcjietjungen jrotiqien -ö. 



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unb bera Sfagefl, welche burch baS Seftetjen gegenteiliger, theilS jwetfeüofer, 
theilS beftrittener ftorberungSoerhältniffe unb ine bebrängte Sage beS quo) an 
beren ©läubigera nerfchulbeten S. charafterifirt waren, Derfdmffte ber 8efi$ bet 
Zigarren bem Stagefl. ben befonbeten Sortheil, bafe et babur d) ein öefriebigungS 
mittel, welches bem unmittelbaren Sereiche fowotjl beS 6ct)ulbnerS als auch ber 
übrigen ©laubiger endogen mar, für feine 2lnfprüa> in bie £änbe befam, wo» 
burch er bis m einem erbe blicken betrage nd) vox 93erlufi fchüfcen tonnte, unb 
biefen Süortfjcil I>a: ber ©eftj} ber Zigarren bem 2tngell. nicht bloS ber SJtögltchfeit 
nach, fonbem in ©irflidtfeit gemährt. 2)er SermögenSDortheil beS §. 263. be* 
greift aber nicht bloS eine bejtnitioe Vermehrung beS Vermögen«, fonbem auch 
bie tbatfäa)lia) günftigere ©eftaltung ber Vermögenslage in SJejiehung auf 
9tealiftrung oon Stedten, befonberS von befrrittenen s Jlea)ten. 2)er dinwanb beS 
SngelL bafe ber öejtfc frember Sachen an fta) nicht nothwenbig ein Vermögens* 
oortyeil, fonbern ^äufig eine Saft fei, beruht auf einer Verwedtfelung ber 
ZfctfaAe beS VeftfceS als folcher unb ben unter Umftänben mit biefer ^atfaaje 
perfnüpften obligatorifdjen Verpflichtungen, welche le&teren ihren ©runb auch 
gewöhnlich nicht in ber oorttjciltjaften Xhatfache beS VeftfceS felbft, fonbern in 
Denjenigen §anblungen Imben, welche ben (Srwerb ober bie Öortbauer beS %k* 
ftfceS bewirf en. $a| inSbefonbere ber Xhatbeftanb beS VetrugS nid^t babur ch 
aufgehoben wirb, bat; neben bem erlangten VermögenSoortheil läflige Verpfitch< 
tun gen eytfitren, beten ©elbwerth ben Vortheil fogar überfteigen tonn, ergiebt 
fid) barauS, baf$ jeber Vetrug minbefienS bie Veroinbltchfeit, baS babura) ©e* 
wonnene §u erfefcen ober ju reftituiren, unmittelbar naa) fidE» jieht. UeberbieS 
gebärt jum Xliatbeftanbe beS VetrugeS nicht einmal bie ©rlangung eine* Ver* 
mÖgenSoortheilS, fonbern nur, bafe bie Erlangung eines fo leben beabfidcjtigt 
würbe; bie Slbficht beS Singet! aber mar auf ben ©eftfe ber (Sigarren unb bie 
au« bemfelben entfprtngenbe tfwtfächliche VerfügungSmögltchfeit gerietet, nicht 
auf bie barauS fia) etroa entmicfelnben weiteren folgen beS SinilrechtS ober 
Strafrechts. Sludj ber (Sinwanb beffelben, bajj er oon bem söenu ber Zigarren 
erft bann einen Vorthetl gehabt habe, als er fie §ur SDecfung feiner Slnfprüche 
oerfaufen lief, ifi unbegrünbet, benn bafj er fie auf biefe UÖeife für ftch uer* 
merken tonnte, mar eben ber Vorthetl, welchen ü)m bie blofee Shatfadje beS 
VefifceS »erlief 

2>er VermögenSoortheil, welcher bem Sngetl. aus bem erftrebten unb 
erreichten ©eft^e juging, mar ein rea^tSroibriger. 2)er non i^m getäufajte 
hatte nia)t bie 2lbfta5t, ttjra bie Möglichkeit beliebiger Verfügung ober irgenb einen 
anberen i&ortbeil ju gemähten, ben ber $3eft$ als folcher bem Sefi^er ocrjdjafft, 
unb inSbefonbcre nicht bie iilbficht, ihm burch ben iBefitj bie ä)cöglichteit ber 
Leerung non ftorberungen einzuräumen, fonbern er wollte lebiglich oen ^öerfauf 
ber ßigarren an bie ©remer Äaufleute gegen Zahlung an ihn felbfi ausführen 
laffen; eben biefeS wollte ber finget l. nicht, ba ibm bewußt war, baf> ein folcher 
SSerfauf oöllig aufeer grage jtanb. ^eber Jöeftfe, aufeer jum $md ber erflärten 
Slbftcht ©.'S als beS (&genthümer$, enthielt aber eine SJerle^ung ber Siechte beß 
eigenthüraerS. unb jmat hi« eine bewufete SSerlefeung. Sttefe s JtechtSwibrigfeit 
befteht für fiep neben Derjenigen, welcbe in bem 2lfte ber ©efifcerlangung burch 
abfielt liehe Xäufchung lag; ber 3lngetl. haftete feit beginn feines $efi^eS für 
dieftitutton nicht bloS aus bem SDoluS, fonbern auch weil aus bem beeinträchtigten 
Eigentumsrecht jeber $tit bie SSiubifation gegen ihn begrünbet war. SUta) ent* 
ftanb bie objeftioe StechtSwibrigfeit beS Seft^eS nicht erft aus einer eigenmächtigen 
öcnufeuug beffelben ju weiteren com ©igentbümer nicht gematteten Maßregeln. 
s iiicnn ber Slngefl. einwenbet, ban f. aus freiem -Willen bie Zigarren traötrtc 
unb naa) ber Xrabition ihm beliefe, fo ijt in leitetet öejiehung überfehen, bafe 
bie blofee 3iichtbefeitigung eines rechtSwibrigen 3ujtanbeS bie SlechtSwibrigfeit 
nicht «ufhefo, in erflerer Ziehung aber, bafe ju bera XrabitionSafte buraj 



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64 StartfäeS Strafrtät. «rtcnntniflc be8 8iciif>8geTiä)t8. 

falfd^e Vorfptegelungen, baS fpejtfifche Littel $ur Ausführung bcS betrüge« im 
®egenfafce anbeten 5l5crgc^cn r bewogen war, unb bie 9techtSwtbrigfeit beS vom 
xUngefl. geübton x^cütu^ mdu baburdj wegfallen tonn, bafj fdwn bie ©ntftehung 
bcrfclbcn eine unerlaubte war. 2luch gaben bie §wifchen 33. unb bem Angefl. 
fchwebenben Scbulboerhältniffe bem lederen feinen Anfpruch auf ben iöcfig ; benn 
felbft wenn bie 2Becbfelrorberung, ju beren t^eilroeifer 2>ecfung nachher bie Gigarren 
ueräujjert mürben, materiell ju ^ted^t beftanb, was uon V. nicht anerfannt mar, 
unb wenn fdron im ÜJtai bie 3öl)lung berfelben ^ätte verlangt merben tonnen, 
währenb bie ^ättigfeit erft im Ott. eintrat, fo ging biefer 9lnfprua) boa) nur 
auf Ballung, nicht auf Sachen, bie fpäter jur Vefrtebigung bienen tonnten. S)afj 
bie befonberen VorauSfefcungen, unter benen ber SBechfelacceptant oor bem Ver- 
falltage jur ©icherheitSleiftung herangezogen merben tarnt, hier uorgelegen hätten, 
ift oora Stngefl. nid^t einmal behauptet; auch oerlangte er eine folaje Sicherhetts* 
leiflung nicht, unb V. beroiUigte fie nicht. (Sbenfowenig finb, um bie 9ted>tS* 
mibrigfeit beS VeftfeeS su befeitigen, bie VorauSfefcungen eine« ^Retentionsrechts 
oorfjanben. 

2>er SCngcll. befreitet enblich, bafc burch feine ,§anblungSweife eine Ver* 
mögenSbefdjäbigung beS V. bewirft roorben fei; er beruft fta) barauf, ber @rlöS 
aus ben ©igarren habe bie @a)ulb beS V. an u)n oerraiubert. Auch biefer Singriff 
auf baS oorige Urtbeil entbehrt inbeffen ber Vegrünbung. Sie bem V. »erur* 
fadste SßermÖgenÄbefa)äbigung traf fuer mit bem oom Angefl. bcabfidjtigten 35er» 
mögenSoortheile äufammen; jene unb biefer beftanben in bem Vefifcc ber (Sigarren, 
melden V. oerlor unb ber Slngett. gewann. 2>afj V. aufeer ©tanb gefegt würbe, 
über einen roertfjoollen ©cftanottjeil fernes Vermögens thatfächlich naef fernem 
Veueben unb ju feinem 9Zufcen ju oerfügen, mar ber VermögenSnachtbeil, ben 
er burch bie $äufchung beS Slngetl. erlitt-, ob fich an biefen unmittelbar burd) 
ben Vcftfcoerluft herbeigeführten s Jlac^tb.eU noch anbere mittelbare Vcfchäbigungen, 
roie bie Unmöglia)feit, brängenbe ©laubiger ju befriebigen unb ber in ^olge 
tneroon eintretenbe ÄonfurS, angefd)lojfen haben, brauet nid)t erörtert ui merben. 
$af? V. bie SReftitution ber Zigarren f orbern tonnte, fleht ber Annahme feiner 
Vefa)äbigung nicht entgegen, ba baS Älagredjt auf einen entäogenen Vermögend 
beftanbüjeil bem thatfächlichen £abcn beSfelben nicht gleia)ftebt; bie 9Köglichfeit 
eines Ausgleiches ber burch bie falfdjen Vorfpiegelungen bcS Angefl. oeränberten 
Vermögenslage mittels Stejritutton unb (Sntfd^äbigung, roenn nötlng burch Anrufen 
ber (Senate, fd&licfjt nicht aus, fonbern beroeift gerabe, bafj bie Vermögenslage 
bura) einen ungerechten Vorteil auf ber einen, unb einen ungerechten ^cad^tr)eil 
auf ber anberen Seite oeränbert mar. $ene nachherige Verwerfung ber ©tgarren 
Sur theilroeifen Sedung einer ^orberung, bie fta) ber Angefl. gegen V. jufdjrieb, 
hebt aua) tn bem ^aüe, wenn babei feine neue 6chäbigung burdt) eigenmächtige 
«efriebigung eines befhittenen 2lnfpruchS ober burcf> ungünftige Afaufpreife oor^ 
gefommen fein foUte, bie X^atfadhe nicht auf, bafi bis jum Verfaufe V. baS 
(beinige nicht in £änben h attc ; ourc h Verwerthung würbe bewirft, bafj 
baS bura) $äufchung ©rlangte bem ©etaufchten niebt fortwährenb entjogen blieb, 
fonoem ihm in ber §orm ber Aufrechnung ganj ober theilweife wieber suruef- 
gegeben würbe, aber biefe Ausgleichung erfolgte erft, nad)bem bie Vefchäbigung 
bereits gefächert war, unb fonnte bie ^hatfache ber Vefchäbigung, unb bamit 
baS VegriffSmerfmal beS oottenbeten VetrugS, ebenfoweng ungefchehen machen, 
als roenn ber Slngefl. baS burch betrug erlangte nachher in Natura bem Vc< 
fchäbigten juruef gegeben hätte. S)afj ein bura) Säufchung jur 3 Q ^w«9 ^ x 
roirflid) beftehenben unb anerfannten 6a)ulb inbucirter 6d;ulbner nicht nottjwenbig 
als befchäbigt angefehen werben mufe, h ot feinen ©runb barin, bafj fner fajon 
im 2lugenblicfe ber Zahlung fich 2öertb gegen SBerth oollftänbig ausgleicht, ein 
Verhältnis, roelcheS uon bem jroifchen V. unb bem Slngefl. beftehenben wefentlich 
abroeicht; ber Slngefl. verleitete ben V. nicht jur 3ahlung einer gorberung, am 



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fceutföe« Strafet. GrtcimtttifTe fcc3 9leiä)§äcrid)t3. 65 

roenigfien einer anerfonnten unb bereits fälligen gorberung, fonbem nahm üjm 
burd) Säufcbung ein Vcrmögenäobjeft ab, auf beffen Sushänbigung er feine 
ftorberung befafj unb $u befifcen auch nicht oorgegeben bat, unb liefe im Slugen* 
blief ber Abnahme auch nicht ba« oolle 2lequtoalcnt feinem Vermögen roieber 
juaehen, fonbem machte itm in biefem 2lugenblidfe um ben ganjen s J3erth beS 
«efiftc« unb alle aus bem &c|t&e &u jiehenbe 58ermögen£üortt)eile ärmer. 



§§. 292., 295.» 305., 307. 6t. Pn>5. <D. etattyaftighlt 6er Qlufna^me 
6er erfebwerenben Umjtänbe in ber Hauptfrage unb ber uneingefa)ränften 
Beantwortung Unterer feitene ber (Befajroorcnen mit 3<* ober Hein. 

@rf. beS II. Straffen, u. 13. 3<m. 1880 c/a. 3}curawSfi, woburch bie 
Sceoifton beS Stngefajulbigten jurüclgewiefen werben ifi. 

© r ü n b e. 

Söäre tn ber 6t. ^roj. D. oom 1. gebr. 1877 oorgef abrieben, bafj über 
foldjc uom Strafgcfefee befonberS norr^ergefebene Umftänbe, welche bie Straf* 
barfeit oerminbern ooer erhöhen, ben ©efdjworenen ftetä befonbere fragen 
Oflebenfragen) oorgelegt werben muffen, fo mürbe allcrbingS mit ©runb in 
Zweifel gebogen werben fönnen, ob bann, wenn unrichtiger 2öeife bie fraglicben 
Umftänbe mit in bie Hauptfrage aufAcnommen finb, bie einfache Bejahung ber 
ftragc feiten« ber ©efchworenen ate eine genügenbe Beantwortung betrachtet 
werben fönnte. SlUein eine berartige Vorfctyrift enthält bie St. $ro$. £). nicht. 
3war Reifet c« im §. 295. ber St. $roj. D., bafe über berartige Umftänbe 
„geeigneten g-ollS" ben ©efchworenen befonbere fragen oorjulegen finb. 

8Iuj8 btefer Söeftimmung läfjt fiel) aber nicht folgern, bajj überall ba, wo 
foldje Umftänbe in ftrage flehen, aua) abgefeljen oon bem gaU bc$ §. 296. ber 
St. $roj. D., ber Stifter febon oon Slmtswegen eine befonbere grage fteHen 
mu&. $>er §. 295. ber St. ^roj. 0. ifi oielme^r bafjin §u oerftejeu, bafe bie£ 
bann ju gefebehen ^abe, wenn ber einzelne gall baju geeignet ift, ba$ Reifet, 
wenn e3 nach richterlichem (Snneffen jwecfmäfjiger erfcheint, eine befonbere $rage 
ju fteUen, anfrort ben erfchwerenben Umftanb in bie Hauptfrage aufjunehmen. 
$n ben SWotioen jum §. 295. (§. 253. beS Entwurfs) wirb allerbina^ gefagt, 
baj} ftcr) bie SluSfc^eibung foldjer Umftänbe au3 ber Hauptfrage unb u)re $er= 
weifung in bie ÜRebenfrage al« jwecfmä&ig empfehle, weil fte burdb Vereinfachung 
ber Hauptfrage ba3 Verftänbniji berfelben erleichtere unb }ugleid> ben ©efd&wo* 
renen eine Slnleitung in Betreff beS ^bftimmungSoerfahrenS gewähre. 2Öie 
wenig aber barauS ju fchlicfjen ift, bafj nach bem Söillen beS ©efefegeberS ber 
Siebter bie bcgleitenben Umftänbe immer in eine befonbere $rage oerweifen 
müffe, ergiebt fich au« ber ©eflimmung be§ §. 305. Slbf. 2. ber St. ^roj. 0. 
$>enn bie h^r ben ©efchworenen gegebene 93efugnife, bie ^rage tf)etlweife 3U 
bejahen, theilweife ju oerneinen, ift it;nen wefentlia) mit Slucfficbt auf gälle ber 
uorliegenben 2(rt eingeräumt warben, weil nämlich, lllie e ^ Ul ben 3){otioen jura 
§. 30&. (§. 262. be3 Entwurf«) h^ifet, bie 9tothwenbigfcit einer Stellung ber 
fragen fich oft unb namentlich ba geltcnb macht, wo erfchwerenbe Um^ 
ftänbe, welche bie ©efchworenen nicht für erwiefen anfetjen, in bie £<*upt* 
frage aufgenommen finb. 

Hat man hernach baoon auszugehen, ba§ eS pro$cffualtfch ftatthaft i|t, 
bie erfch'werenben Umjtänbe, wie t& im oorliegenben $aU gefchehen ijl, in bie 
Hauptfrage mit aufzunehmen, fo fann e3 auch oei bem Langel einer entgegen* 
Sehenben Vorfchrift nicht für un$uläfftg erachtet werben, bafe bie ©efchworenen bie 
$rage mit einem einmaligen „3a, ber 2Cngefl. ift fdntlbig mit mehr alö 7 Stirn* 
inen" beantworten. 

*r$iv 1880. L ^«ft b 



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(j(5 3>cutfd)c8 SttafteAt. 8rtcm i tnifl< te8 9ici*ägcridE>t8. 

2)lan barf unb muft in foldjcm ?^flUc aui.cbmcn, baft bie ©cfdjmorencn 
feine SRcrnnlaffung gefunben Imbcn, oon ber ilmen im §. 305.Slbf. 2. ber St. Sßroj. 0. 
frcigclaffencn Scfuguijj, eine ftvagc tljcilmcife 511 bejahen nnb tOcilwcifc ju »er 
neinen, ©ebraud) 51t madjen, ober mit nnberen Söorten, bafj fic bic gaiue ftrage 
uncingcfdjränft Ijabcn bejahen wollen. SDcr com 23efd)merbcfül)rcr für feine 
gegentfjettiae 2Infid)t in SBcjng genommene §. 307. fielet ber l;icr »ctttctcncn 
?lnficfjt niebt entgegen. £cr 2lbf. 2. biefcö ^aragrayljcn, weldjen ber ©cfdjwcrbc* 
füljrcr im 2lugcl)at, ift erft burd) bic 9tcid$tag$fommiffion eingefügt unb bc 
•iwctftc lebiglid), im ©egenfafee jum 9legicrung8cntwurf (§. 2G4.), welket bic 
Angabe be« StimmcuucrtyältniffcS ausfließen wollte, ein (£rfcnnbarmad)cn bc£ 
lederen l)erbei3ufül)ren. darüber ober, wie im Ucbrigcn eine grage beantwortet 
werben mufe, enthalt nid;t ber §. 807., fonbern ber §. 305. ber et. $roj. 0. bic 
mafegebenbe $Heftimmung. 



§. 38L 6t. pro$. (D. Unjutäjiiajeii 6er (Einlcgung 6er lUoiftou 
mitteilt (Telegramme. 

©cfd)lu§ bc<3 III. Straffen, o. 24. 3an. 1880 c/a. 33rüfcr, woburd) bic 
9tcuifion bc$ 2tngcfd)ulbigtcn jurüdgewiefen raorben ift. 

GS ift bem Äöntgl. £anbgertd)t barin beijuftimmen, bafj eine einlcgung 
ber 9tcuifion burdj Telegramme ber SBorfdnüft bc§ ©efctjcS nid)t cutfprid)t, mo^ 
nad) bic (iinlcgung entroeber 51t ^rotofoll bc$ ©crid)t8fd)rcibcr$ ober fdjriftlid) 
gefdjeben foü, ba "ein Telegramm ntä)t für eine oom 53efd)mcrbcfiU)rcr aiuSigcbcnbc- 
6d)rift gehalten werben fann. (§. 381. ber 6t. $ro$. D.) (*3 fehlte baber 
oon Seiten bes 2fagcfl. $3. au ber (Sinlcgung überhaupt, unb finb au§ biefem 
©runbe bic 9tet>ifioni8anträgc bcffclbcn niä)t 3U beachten. 

§§. 359 n 358., 581. @t. proj. 0>. Unroirtfamfeit ber Qlninclbung unb 
Kcd)tfcrtigung »on Hccbtemittcln feltcns eine« ntcfyt im Vorverfahren 
bie Vertilgung geführt Imbcnbcn Anwalt» für 6en erjrcrc erj> nad) 
Ablauf 6er Qlnmclöungefrifr gcncbmigcn6cn fingen. 

(Srf. bc« II. Straffen, n. 10. San. 1880 c/a. ^ragjcjaf, woburd) bic 
9tcotfion beS 2lngefd)ulbigtcn surttefgewiefeu worben. ift. 

© r ü u b c. 

©egen ba<3 in 2lnwefcnf)cU bc§ SIngcfl. mit ben Ur%il£grünbcn am 
7. 9?oo. 1879 oerfünbete Urtycil ber Straff ammer l)at ber 9tecbt3ariwalt 91. am 
14. bcffclbcn 9)ionat3, unb $war lebiglid) burd) bic (5l;efrau beS 3lngcfl. baju 
ocranlafjt, bie 9teuifion angcmclbet unb naa)bcm bem Slngcfl. beglaubigte 2lbfdjrift 
bc5 Urtl)eil3 am 24. bcffclbcn 3)?onatÖ sugeftellt war, am 26. beäfelben Monats 
bic 9tcoifionöfd;rift eingereiht, (srft am 28. 9ioo. 1879, nadibem bic gcfc^lidöc 
Stnmclbung^frift mit bem 14. bcöfelbcn 3Ronat« abgelaufen war, bat ber angelt 
bic 9tumclbung ber 9tcoifion, wie ben ^n^alt ber 9tea)tfcctigungi8fc4rtft, ju ^rotofoll 
bcS ©erihtSfa)rcibcrj5 genehmigt. 

ßiernah liegt eine red)t$citige Stnmclbung ber Dlcoifion nid)t oor. 

9cad) §. 338. ber St. ^roj. 0. fielen bie juläffigcn JHcc^tömittcl gegen 
gcridjtlic^c Gntfdjcibungcn fowo^l ber StaatSanwnltfc^aft atö bem $c; 
fdjulbtgtcn ju. Sofern bic Ginlcgung beö 9tcd;t!gmittel3, wie foldjcS nad) 
§. 381. baf. bei ber Stcoifion ber gall, burd) bas ©. an eine bcftimmlc Jtrift 
gefnüpft ift, t;at bieS bic S3cbcutung, bafj ber jur Ginlcgung 5)crctt)ttgtc 
innerhalb biefer grift feinen äßiltcu, oon bem 9tcd)t$mittcl ©ebraud; su machen, 
Funb gegeben l)aben mu§. 



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£eutf<$c3 StrafreAt. Srtenntnific tcS MeidjSaeriAtä. 67 

Räch §. 339. fantt ,für bcn Scfdmlbtgtcn bcr Sßertheibtger, jeboch 
nicht gegen bellen auSbrücflichcu äBiflen, RcdjtSmittel einlegen, unb nach §. 340. 
fönnen bcr gefefctiche Vertreter eines 23cfcbulbigtcn, bcSglcicben ber (Seemann 
einer bcfchulbigten #rau binnen ber für ben bcfchulbigten laufcnben ^yrift felbft* 
ftänbig oon ben 5uläffigcn Rechtsmitteln ©ebraud} machen. SDic §§. 338. bis 
340. eruhöpfen bie allgemeinen Scftimmungcn über bie jur (Anlegung eines 
Rechtsmittels befugten ^erfonen, unb bie 6t. $roj. D. bietet feinen 2luf)alt bafür, 
baß eine oermuthetc SSoHmacht jur ©inlegung oon RedjtSmittcln als ben RedjtS* 
anmalten juftcljenb angenommen ift. (Sbcn bcSljalb fann bie nad) 2lblauf bcr 
flnmclbungsfrift oon Seiten beS 23efchulbtgten crfolgenbe (Genehmigung bcr oon 
einem Rechtsanwälte, als folgern, gcfchcbcncn Slnmclbung beS Rechtsmittels nidjt 
bie 2tfirfung hoben, baß baS Rechtsmittel als oon bem 23efd)ulbigtcn innerhalb 
bcr gefe^licncn ftrtft angemclbct gilt. 

2>orliegcnb ftanb bem Rechtsanwalt R., als er am legten Sage bcr bem 
2lngcfl. äuftehenben $rift bie Reoifton unter bem tarnen beS 3lngcfl. anmclbctc, 
bcr §. 339. bcr 6t. $1*03. D. nid)t jur Seite, weil er im ooraufgegangenen 
Verfahren bte 3krthcibigung beS 2lngcfl. nicht geführt Iwttc, alfo nicht „$er* 
tljeibiger" im Sinne biefer Utorfdrttft mar. Seine Slnmclbung entbehrte bcr 
rechtlichen 2öirfung für bcn 2lngcfl unb l;at folc^c auch burch bie nad; 2lolauf bcr 
^InmclbungSfrift erfolgte ©enehmtgung bcSfclbcn nicht erlangen fönnen. 

. 47., 48. 0t <B. 8. grolfchen bcn cfigcnfchaftcn einer perfon als 
ertjfug imb als illittclsperfon liegt in abstracto fein lüibcrfprucb. 

(Srf. beS m. ©traff. 00m 17. 3an. 1880 ca. Sdj., woburch auf 3urücf< 
roeifung ber 23efchwerbe erfannt worben ift. 

© x ü n b c. 

S>er Söefchrocrbefühcer behauptet SBerlefcung ber oon bcn oorigen Richtern 
Sur Slnrocnbung gebrachten Strafgefefce, nämlich ber §§. 47. unb 48. St. ©. 23. 
unb beS §. 1. beS ©ef., betreffenb ßurotberhanblungcn gea,en bie jur Slbmcljr 
ber Rinberpeft crlaffenen SBtehctnfuhroerbote, oom 21. 2)cat 1878. £>ie oorigen 
Richter h^ben feftgcfteüt, bafj ber 33efchn)erbeführer r welcher oom flWitangeflagten 
23. oicr Dchfen gefauft Imtte, bie fich noch auf preufjifchem Territorium befanben, 
,ui 23. ging, i^n ocranlafjte, roiber ein oon Sadjfen erlaffcneS Verbot bie oicr 
öchfen über bte fäd^fifd^c ©renje hereinholen ju laffen, bafj 23. in $olgc beffen 
baS Sich h CTC tah°l cn liefe, bafj bcr 23cfchmerbeführcr herbei ben 25., ber baS 
(Stnfuhrocrbot nicht gefannt höbe, als 9)ctttelSperfon unb SBerfjeug benufcte. ba* 
bura) baS ©. oon 1878 übertrat, unb bafj bicS oon ihm oorfafchch gefchah, 
weil er baS Verbot gefannt unb bann fofort bie nötigen Seranftaltungen ge* 
troffen fyabc, um fid) noch fchleunigft in ben 23efifc beS 23iehS ju fefeen. Sluf 
©runb biefer geftflellungcn ift ber 23efchwerDeffihrer nach bcn §§. 1. unb 2. beS 
WefefecS oon 1878 *u ©efängnifj ocrurthcilt. S3on 33. bagegen ift burch bie oorigen 
Richter fcfigcflellt, bafj er, obgleich Sichhanbler unb nia^t über 15 km oon bcr 
©renje wohnhaft, baS öinfuhroeroot nidpt gefannt, unb ben RadhioeiS nicht 3U 
führen oermocht habe, bafe er obne fein Scrfchulben burch befonbere llmftänbc 
rjerhinbert geroefen fei, oon bcmfclben Äenntnil 3U erlangen, baher er in 2ln* 
roenbun^ beS §. 3. beS ©efc^cS oon 1878 wegen fahrläfttgen 3umiberhanbelnS 
ju ©clbftrafc oerurtheilt ift. S)er Sefa^ioerbcführcr ftnbct eine SBerlcfcung bcr 
Eingangs angeführten Strafgcfcfce barin, bafj 58. einerfcitS für einen fulpofen 
©cfcfeeSübertretcr, alfo fclbfl wegen ber SBcrbotSübertretung oerantwortlidfj, 
anbererfeits für ein blofecS SBerfaeug beS 53cfchwerbcführerS erflärt fei, worin 
ein SBtberfprud) liege; bafe er ferner für baS Söerfjeug eines anberen unb boä) 
nic^t für un3uredmungSfähig ober gewaltfam geswungen erflärt fei, folglich als 

f.* 




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(J3 3>eutfcf>c3 ©trafrc<f>t. (Sttcnntniffe t»c6 ÖlttdjSgctid&tS. 

blofjcS SScrftcug nidjt Ijabc betrautet roerben biirfcn; fobann barin, bafe er 
nid)t allein für ein SBerfjcug beS VcfdjrocrbefüfjrcrS, fonbern gleichseitig für 
beffen 3)UttcliSpcrfon erflärt fei, roaS ebenfalls einen SBiberfprudp enthalte, ba 
„9)tittclSpcrfon" einen beroufjten Vermittler ber ©efd^äfte anberer bebeute, bafe 
bafjer, wer eine aJlittelSperfon sur VerÜbung einer ©traftfjat gebraute, nid&t 
Urheber ber ©traftbat, als rocld&cn bie norigen Stifter ben Vefd&rocrbcfülnrcr 
oerurtyeüt Ratten, fonbern nur Slnfttfter babe fein fönncn, roäfjrenb bodf) eine 
Slnjnftung nid^t angenommen fei unb, ba 33. nur wegen eines fafyrläfftgen Vcr* 
geljenS oerurtljeilt roorben, audfj nid&t fmbe angenommen roerben fönncn; aus 
biefen ©rünben wirb bie ftreifpredjung beS VefäroerbefüljrcrS beantragt. 

2)er in ber geftfteüung beS angefochtenen UrtfjeileS gefunbene 2ö«>erfprud) 
jroifcljcn ber Vejeiddnung beS V. als eines SöerfjeugeS unb sugleid) als einer 
s JWittclSpcrfon, unb bie Behauptung, ba& bie ©igenfd&aft beffeloen als einer 
s J)iittelSperfon beS VcfdjwerbcfüljrerS ber 2lnnaf>me, legerer &abe als Später 
— Urheber — geljanbelt, roiberftreite, erlebigt fid; baburd), bafj ber unbeftimmte 
2luSbrucf „ÜJfittelSperfon", welker an fich auf fcljr ocrfd)icbcne 2lrten ber Vcr- 
mittelung frember 0cfa)äftc ober j^ntereffen pajjt, toeber ein ^anbeln burä)auS 
nad) frember Seitung unb olme Veroufjtfein beS Vermittlers oon ben ^werfen 
beS anberen, benen er bient, nod) aud& bie oollftänbigftc beroufjte ©elbftftä'nbig- 
feit beffelben auSfcfjliejjt. 3m erfteren galle wirb er als SBerrjeug beS anberen 
benu{jt, bafjer ein SBibcrfprudb jroifdjen ben (ftgenfdjaften einer ^erfon als 
aöerf^eug unb als MttelSperfon in abstracto nidpt anerfannt roerben fann. 
28eld)en fonfreten ©inn aber bie oorigen 9tid^ter mit ilpm 2luSbrucf ,,3RtttclS« 
perfon" nerbunben f)aben, ift oon if)ncn eben burdfj bie 3ufammcnfiellung mit 
bem 2luSbrucfc „Söerfyeug", in Verbinbung mit ber 2lnnal)me, bafj V. baS Vcr* 
bot nidjt fannte, flar gemaajt. $)emnad) wirb buref) ben erfteren 3luSbrucf aud) 
nidjt, roie ber 35efd)wcrbcfiil;rer behauptet, ber SluSbrud roiberlegt, bafe er felbft 
als Später ge^anbelt Ijabe. (SS Kommt oielme^r barauf an, ob V. unter ben 
fcflgcfteUten Umfiänben mit Siedet als fein SBcrfjeug, unb ob er fclbft, wenn 
er fidj beS V. als feines SßerfjeugcS bebiente, mit 9ied)t als Später angcfcf)cn 
locrbcn tonnte. 

9iun ift aber bie Venu&ung einer anbern perfon als blofccn Littels 
ober SföerfaeugeS nieijt blos, wie in ber SBcfd^roerbc auszuführen oerfud)t ift, 
bann möglid),' wenn bie ledere unjuredjjnungSfäfjig ober burdfc überlegene ©eroalt 
ge$roungen geroefen ift. $wax mufj, roenn 3emanb burd) einen anbern su einer 
^anblung beftimmt ift, unb ftrafloS ober nur rocgen galjrläffigfcit ftrafbar fein, 
jugleid) aber ber anbere rocgen ber ,§anblung als einer norfätjlid) oerfdfnübetcn 
beftraft roerben foU, ein befonbercr ©runb norbanben fein, roeldfjer baS 6traf" 
gcfc<5 roo^l auf ben lebteren, niefit bagegen auf ben erfteren anroenbbar mad^t, 
unb biefer ®runb roirb regelmäßig in ber Vcrfdjiebentjcit ber fubjeftioen £agc 
ber beiben ^perfonen liegen. SDafj er jcbod& in einem ^ftonte allgemeiner Un- 
5urcd)nungSfäf)igfcit ober in einer abfoluten ©croalt liege, ift nid&t not^roenbig. 
S)enn ba bei uorfäfclidjcn ©clitten bie Äcnntni§ beS ^anbelnbcn oon ben bie 
(Strafbarfeit bebingenben Umftänbcn 3U feinem Vorfatj, alfo aud^ ju feiner 
6 traf bar feit erforbcrlidjj ift, f erlieft t aud^ bie Unfenntnife unb ber 3^t|um über 
berartige llmftänbe bie ©trafbarfeit aus (§. 59. <St. ®. V.), unb fo fteljt cS im 
uorlicgcnben ^alle, ba ber oom 93cfdf>roerbefül)rer beftimmte V. nad^ ber $eft* 
ftellung ber oorigen Stifter non bem einful;ruerbote feine jlenntnife Imtte, alfo 
baffclbe nid^t norfä^Iid^ übertreten fonnte. 33ei bem Vcfd^roerbefü^rcr bngegen, 
ber baS Verbot fannte, unb fid) beS V. sur Verocrfftelligung ber Viefjcinfuljr 
bebiente, roaren bie SDicrfmalc ber uorfä^lid^en ^^äterfd^aft oollftänbig uorljanben. 
5)enn ba, nad^ ber $eftftellung ber oorigen Stifter, ber Vcfd^rocrbefübrcr burd) 
ben oon tym ^icrju beftimmten V. bie Vicljeinfu^r beroerfftelligen liefe, ol^ne 
ba& ber ßcfctere herbei fi(^ als »orfäfclidfjer Uebertreter beS einfu^roerboteS 



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2>eutfd)c§ ©trafredjt <£rtamtnific fccS Bki$3geridn$. 69 

firafbar machte, ofme bafj alfo bic SBorauSfefcung einer SlnfHftung oorlag, fiubct 
auf ben Söefchwcrbcführer ber allgemeine 9lcd^tjSfnfe 2lnwenbung, bafe, wer 
fta) einer fremben £anb jur SuSjiihrung einer Xi)at bebtent, für biefe %i)at 
ebenfo haftet, als wenn er fie unmittelbar felbfl ausgeführt hätte, alfo, fofern 
md)t fonftige ^ier nicht in Betracht fommenbe Sßerljältniffe bicfeS auSfchliefjen, 
im einne bcS St. ®. 53. aß %i)ätcx bafür haftet. 

$>a& 23. feinerfeitS aiuS bem ©runbe, weil er bem ©efefee oon 1878 
gemäfj als in fatyrläffiger Seife feine Unfenntnifj beS Verbotes ücrfdjulbenb 
angefchen merben mu§te, wegen faljrläffigen 3uwiberbanbeln£ ftrafbar mar, frnt 
auf bic Stellung be$ ©efchwerbefübrerä $u ü)m feinerlei öejug. S)enn auch 
wenn er an feiner llnfcnntnifj unfdmlbig gcroefen märe, ober wenn er wenig* 
ftcnS ber burch §. 3 be3 ©efefceS oon 1878 für gewiffe ^crljältniffe aufgefteUtcn 
$räfumtion ber fal;rläffigcn llnfcnntnifj nicht unterlag, blieb feine Stellung $um 
JÖefchroerbeführer genau bicfelbe, unb mürbe inSbcfonbere in ber SÖCjicjjuug, bafe 
er nun etwa leichter oom 23efchmerbcführcr hätte befhmmt, ober mit mehr ©ruub 
als beifen Söcrfjeug angefehen werben fönnen, nichts geänbert. $ie Uriacbe, 
warum er nicht wegen oorfäfelichcr Uebertretung be£ (SinfubrüerbotcS $u bc* 
ftrafen, warum alfo ber S3efa)wcrbefü§rer, ber iljn ju beffen Uebertretung oer* 
anlafete, nicht als Slnftifter, fonbern als S&ätcr su bcl;anbcln war, lag in ber 
£fmtfad>c ber Unfenntnife oon bem Verbote als folajcr, nicht in ber 3lrt, wie 
bicfelbe herbeigeführt war. 



§§. 205., 227. t 259. I>cm errennenöen Hicbtcr fleht oie Beurteilung 
ber »frage $u, ob ein an partieller (flcijtcojtörung leiöenber Slngcfl. fid) 
im Sujtanoe ber DerhanMungefä^igfeU beftnoct. 

erf. b. III. Straffen, o. 17. San. 1880 c/a. £aacf, woburch bie ftcoifion 
ber StaatSanwaltfchaft aurüefgewiefen worben ift. 



® r iin b e. 

S)er Slngeflagte hat nadj ben ftcjiflcllungen be£ angefochtenen örf. ben 
Sd^mieb 2. mit einer geile förperlia) mifrtmnbclt unb ben Seefahrer 2*. mit 
einem SRcoolucr bebroht. 23cibcä ift am 12. Üluguft v. 3- gcfdjcfjcn. £>a£ 
^anbgericht in Altona nimmt aber an, bafj 2lngefl. fich 3u biefer 3^it in einem 
^uflanbc franfl;aftcr Störung ber ©ctfTcStbättgfeit befanb, bura) welken feine 
freie SöiUcnSbeftimmung auSgefcbloffcn war, unb fnricht Um frei, weil bemnarb 
nicht für fcftgcftcHt angefeben werben fönnc, bafe er bie erwähnten Straf* 
traten uorfäfclid; begangen habe. 

Dcach §. 51. bc0 St. ©. 23. ift eine ftrafbare £anblung nidjt oorljanbcn, 
wenn ber Später [\d) jur ^cit ber söegeljung ber .t»anblung in einem ^uftmtbe 
franf^after Störung ber ©eiftcStljätigfcit befanb, burd) wcldjcn feine freie SBtt* 
IcnSbeftimmung au§gcfd)loffeu war. S)ura) biefe ^eftimmung bcsS St. ©. 23. ift 
bic gtcifpredjung bcs3 Stngcfl. auf ©runb ber bewirften jcftficllung materiell 
ooUfommcn gerechtfertigt. XU von ber Staatäanwaltfdjaft emgewenbete iHcuifton 
gegen baä Urtl;cil beftreitet bieS nid)t; fie maa;t nur gcltcnb, bafe mit einem 
(9ciftc*franfen eine gerichtliche Sßcrlmnblung uumöglia) fei, unb folgert barauä, 
6q& ba5 @eria)t gegen ben nad; feiner 2lnnalmic gciftcörranFeu Stngett über bic 
3eit hinöuf, wo cf ju biefer Ueberjeugung gelangte, bic ^auutocrbanblung 
nicht habe fortfefoen unb alfo auch "i<ht 3W einem bcfinitiiicn frcifprcchcnbeu 
(frfenntmfe fyabc gelangen fönnen; bie ^crljanblung l;abc uiclmehr bi« 311 ber 
Seit ausgefefct werben müffen, 31t weldjer ber Slngcfl. foweit h^öcftcüt fein 



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7() £eutfd)cä ©ttafrcdjt. ©rtcnntniff« bc3 fflcidj&jeridjtä. 

werbe, bafe mit iljm eine ^auptocrljanblung möglidj fei. £>tc ©taatSanmaltfd&aft 
fjält §§. 203., 227. unb 259. 6t. «ßroj. 0. für ocrlefct unb beantragt, baS an* 
gefod)tcne Urteil aufsubeben unb btc Vertagung ber ^auptocrlrnnblung bis mx 
$}ieberl)erftcllung beS Singe! legten ju bcfd;licfecn. Die belogenen gefcfclidjcn 
#orfd)rtften entfdjciben btc oorliegenbc ftrage nidjt; §. 203. gefitattet nur bem 
über bic Eröffnung beS $auptocrfal)rcnS entfdjeibenben ftidjter bic uorläuftge 
Ginftcllung beS SBcrfatjrcmS 51t bef fließen, wenn ber 2lngefd)ulbtgtc nad> ber 
£lwt in ©etfteSrranftjett oerfallen tft; §. 227. überweift bem Script bic 
Gntfa^eibung über Anträge auf SluSfejiung ber öauptucrljanblung, unb nad) 
§. 259. fdjlicfet bie ftauptucrljanblung mit (Haftung beS UrtljeilcS, welches 
nur auf greifprcdmng, Skrurtljcilung ober ßtnftcllung bcö SJerfafjrcnS lau- 
ten faun. 

©lctd)wof)l mufj eingeräumt werben, bafj nadj ber DJatur ber ©adje unb 
bem ©inne beS ©cfc|}cS, ii>ic er fid) inSbcfonbcrc aus §. 203. ergtebt, eine 
.^auptoertjanblung nur mit Slngcflagten geführt werben foll, bic nidjt burd) 
©ciftcSfranffjcit ocrljinbert finb, bem 3wctfe iljrer 2lnwefcnl)eit entfprcdjcnb in 
ber itolrnnblung tljre ^ntcreffen oernünfttg 311 oertreten, tljtc 9tccf)tc ju magren 
unb il;re Skrtljeibigung in oerftänbiger unb ucrftänblidjcr SiScifc 511 fül;rcn. 
daraus allein aber, bafj Scmanb $ur 3eit ber uon il;m begangenen %% at fid; 
in einem 3wftönbe franflmfter ©törung ber ©eifteSt&ätigfcit befanb, burd) mcl* 
djen bie äuredjnung ber Sljat auSgefdjloffen tfl, folpt an fid) nod> nidjt, bajs 
biefer 3 u T tano fl "$ Sur 3 c ü ocr SBerlwnblung in einer Sßctfc oorljanbcn war, 
bic tyn an ber uernünftigen ©eltcnbmad&ung feiner 9ica)tc ucrliinbcrn tonnte, 
©ollte ber 9tid;tcr uon biefer ^orauSfefcung ausgegangen fein, fo wäre aller* 
bingS feine £auptocrl)anblung mit bem Slngeflagten unb folgeweife aud) fein 
2tbfd)lufe ber ©ad&c burd) llrtljcil, fonbern nur bic 2luSfc|jung beS üüerfaljrenä 
bis jur s iBicbergencfung juläffia gewefen. DaS Sanbgcridjt Tpridjt nun aus, 
bafc illngcflagtcr an ber firen ^bce leibe, uon Unbcfanntcn befdjimpft unb oer- 
folgt 3u werben, unb ftdj baburd) in söejicl;ung auf eine beftimmte Stiftung 
feiner ©ciftcStljätigfeit in einer franfljaftcn ©törung berfclbcn befinbe; cS fpridjt 
aud) auS, bafe btc 2lufl)cbung beS geiftig franfen ^uftanbcsS bei tym mdjt $u 
erhoffen fei; cS gcfteljt tym aber fonft ein richtiges logifdjcS Deuten, ÜHeben 
unb ^anbeln su. 

Daraus erljeUt, bafj eS nur eine partielle auf einzelne firc 3°ccn ober 
falfd)e 2$orftellungen befdjränftc franffjafte ©törung ber ©eifteStljätigfett bcS 
2lngeflagten untcrftcHt Ijat, bic ftdj Icbiglic^ in einer beftimmten 9liajtung offen- 
bare, mäljrenb im Uebrigcn ber ©ebraud) feiner SHcrftanbcSfräfte unb bic %ici* 
beU feines ^anbelnS nidpt bcfd;ränft fei. S)a cS nun aua; mirflid) bic ^3cr- 
Ijanblung mit bem 2lngcflagten bewirft, feine ßiflärungcn entgegen genommen, 
feinen $crjid)t auf 3 cu 9 cn berüdfta;tigt unb bic 5cflftcllung ber Zfyat auf fein 
(^cftänbnife geftüfct Jat/fo mufe angenommen werben, bafj cS 3ur 3cit ber $cr- 
ijaublung einen geifiigen 3 u f tan0 2lngeflagten als uor^anben angenommen 
fjaL weldjer bic S3orna^mc biefer iyer^anblung mit t^m crmöglia^tc. 2)ic söc 
urtlieilung ber Sragc aber, ob ein Slngeflagtcr fidj in einem folgen 3uftanbc 
geiftiger ?yrcil;cit befinbe, bafe mit iljm in gültiger Sföcifc ftrafgcria)ttic^ ucrljanbclt 
werben fönnc, ftc^t lebiglid; bem crfcnncnbcn 9tia)tcr ju. 

iQiclt alfo uorltcgcnb baS 2anbgcrid;t biefe 58er^anblung für mög* 
lid) unb juläffig, fo war cS au<$ uom ©cfe(j nidbt bcl)inbcrt, ftc ju bc> 
wirfen unb bic (Srgcbniffe berfclbcn einem fccifpccdjenbcn Urteile jum ©runbc 
$u legen. 



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2>eutf<f)c3 @trafred)t. (Srfcnutniffe t-cS «ct^erid)t«. 71 

§. 113. £t. ®. B. Pen feitens einer (Bemeinoc $um 6Au^e it>rc« 
außerhalb ocö (Femein5ebc$lrfc8 belegenen prioateigeutbum« beftellten 
Perfoncn »oimt nidjt 6ic (Dualififation als Dolljtrccfungebeamtc im 
einne 6t8 §. 113. et. <£. inne. 

(*rf. beS II. Straffen, oom 27. $an. 1880 c/a. ©ölbencr, moburd) 
bic Sicuifion ber St. 21. oerroorfen roorben ift. 

© r ü n b e. 

SDaS Urteil ber Straffammer geljt tfmtfä<i)lid) bouon aus, baß bic Stabt 
gemeinbe Berlin 511 Srcptoro, außerhalb bcS ftäbtifdjcn StktdnMlbeS im Drt$* 
bewirf Xrcptow belegene ^arfanlagcn etgenthttmlic^ befifet, unb baß ber SNagi* 
(trat 3U Berlin ben 3cugen & als 2luffehcr unb Jiöäd&ter btefer anlagen 
angcjleUt f)at. £iernad) ift 311 verneinen, baß 8. ein Beamter ift, weiter im 
Sinne beS §. 113. bcS 6t. ©. 33. 3ur VoUftrccfung von ©efefcen ober r»on 23e* 
fehlen unb Slnorbnungen ber VcrioaltungSbel)örben berufen ift. SMefc Sigen* 
fdjaft rootjnt nidt>t olme Weiteres ben mit ber Söafnrung ber $rtoatrecf)tc ber 
©emeinben betrauten ©emeinbebeamten bei, uielmcljr ift in biefer öetfebung oon 
loefcntudfocm (rinflnfe, ob bie ©emeinbe auf ©runb ber il;r für itjren iöc^trC 3U* 
ftetjenben ©yerutingeroalt bcS Staates bie Stnfieflung für biefen üöcjirf bewirft 
Imt. Heber benfclben l)inauS Ijat bie ©emeinbe 9tcd)te ber Staatsgemalt nad) 
außen Inn ntd)t wafn^unclnncn. 3" 2lu|el)ung beS SdjufceS UjvcS außerhalb 
bcsS ©cmeinbebe3irfcS belegenen ^rioatcigcntfjumS ftcljen ber ©emeinbe lebiglid) 
bie SKecfytc jeber anbern ^rioatperfon 3U. 25ie angegebene Vefdjranfung ift 
burd) ben §. 50. ber fyelbpoliset ^ Orbn. 00m 1. N Jioo. 1847 3um 2luSbrucf gc* 
bracht, TOonacf) bie ©emembe bcfdjließen fann, baß für ben gangen ©cmcinbcbciirf 
ober für einjelne Sljeilc bcffclben ftclbjütcr bcftcllt werben, meiere bann burd) 
bie 2lnftcüung bie Gigenfc&aft als VoüftrccfungSbcamte ber ©emeinbe erlangen. 
®aß abgefeljen oon ber Ijiernad) ntcfjt maßgebenben Slnftcllung ber Stabtgemeinbc 
Berlin eine Sljatfadjc oorltcgt, burd; weldje ber Beuge 8. für bic sunt Statte 
bejirfe Treptow gehörigen ^arfanlagcn als VoUftreauugSbeamter bcftcllt morben, 
ift weber feftgeftcüt nöd) behauptet. S)tc öefugttife bcS 3 eu fl cu & &l£ ©eauf^ 
tragter beS ©tgentljümcrS, perfoncn, locldjc er bei 53efd)äbigung ber Sßarfanlagen 
betroffen, beljufs geftfteüung tfjrcr ^erfönltd)fett feftjunetjmcn, fommt für bic 
ftragc, ob bcrfelbc VoUftrecfungSbcamter im Sinuc bcS §. 113. St. ©. 23. ift, 
nidjt in üBctraajt. 

§§. 194. @t, (F. 8. *£inc offene Ijanc-clegcfcllfcbaft fann $war unter 
ihrer ,f irma vor (Pcricbt flagcn, ijt aber nidjt berechtigt, unter 6crfclben 
Einträge auf 0trafberfolgung wegen BeleiMgung ju gellen. 

förf. bcS III. Straffen. 00m 31. Sott 1880 c/a. bitter, moburdj bas 
l>orerrcnntniß ocrnid)tet unb auf greifpred)ung erfannt morben ift. 

© r ü n b c. 

S)ie Verfolgung einer Sclcibigung tritt naa^ §. 194. St. ©. 53. nur auf 
Slntrag ein. Söcnn ber äum 2lntrag 33ercd)tigtc cS unterläßt, ifjn ju ftcllcn, fo 
ift fic nidjt ju verfolgen. 911S $um 2lntragc berechtigt fann nur btejenige ?|Scrfon 
angcfcl;cn werben, bereu (Sljrc burd) ben in ber 5)clcibigung enthaltenen iUtuS^ 
bruef ber 3JMßad)tung oerlc^t ift. Vorlicgcnb ift nun ber Slntrag auf ftrafrcdjt* 
lidjc Verfolgung bcS 2lngcflagten nid;t oon beftimmten cinjclncn ^ierfonen, 
fonbern oon ber finita ©. unb SD. gcftcllt unb mit bem tarnen biefer ^irma 
untenei^met. ^ic Jinua cincS ÄaufmanueS ftcllt aber nidjt beffeu s #cx]on bar. 
Sie ift naa) ben iBcftimntungcn bcS ©. V. 2lrt. 15. nur ein 3iamc, unter 



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welkem im $anbel ©efchäfte betrieben unb Unterschriften abgegeben werben. 
Ginc offene &anbcl£gefeUfchaft, wie fie fyicx ofme jebe nähere Darlegung unter* 
ftcltt wirb, fann jroar unter ihrer ftirma Siebte aller Slrt erwerben unb uor 
Script flogen (£. ©. 93. 2lrt. 111.). SMefe Berechtigung ift aber über ben 
Umfang ber eigentlichen ^anbclSgefchäfte unb ber bamit jufammenhängenben 
auilrecj)tlichen VermögenSoerhältmffe hinaus nicht auSjubchncn. $cr 2lnfpruch 
ouf äufjere Sichtung, olfo baS Stecht auf Gbre, gehört bahin nicht. Gr ifl oieU 
mehr mit 9Jothmcnbigfett an bie ^erfon ber berechtigten Snbioibuen gefnüpft. 
Die Verfolgung einer Verlegung bcS Rechtes auf Ggre fann baf>cr nur ben 
einzelnen baoon betroffenen ^erfönlidjfeUcn juftchen unb nur burdj biefe per* 
fönlid) unb felbft bei Veteibtgung einer s Mt^a\)i ju einer ^anbclSgcfeUfchaft 
uerbunbener ^Jcr fönen nicht anftatt berfelben burd> U;rc nur tn IwnbelS* unb 
fonftigeu vermögensrechtlichen sOcgicljunpcn in befchränfter äöeife jur Vertretung 
legitimirte $irma veranlaßt werben. S)ie blofje Unterjeicbnung beS 23crfolgungS* 
antragcS burdj bie ftirma würbe cS fogar unbeftimmt laffen, ob alle ober welche 
2;ijciUjabcr ber ©efcllfchaft fieb für bcleibigt galten unb bie ftrafreä)tlid)C Ver* 
folgung wollen (£. ©. V. Slrt. 8(5. 3ßr. 4. unb 2lrt. 102.) $te Vemgnahmc 
beS 6taatSanwaltcS auf bie befonbere Vefltmmung beS §. 187. 6t ©. 8., wo^ 
nadj bie quo) bei £>anbelSgcfeu"fd)aften unb ^men mögliche Ärebitgefährbung 
ber Vclctbigung in bem befonberen Salle ber Verleumbung glcichgcftcllt wirb, 
fann fd)on bcSlmlb nid)t für jutreffenb befunben werben, weil nicht auS §. 187., 
fonbern lebiglich wegen Seleibigung auS §. 186. gefrraft unb bie ÜJtöglidtfeit 
einer Ärcbitgcfährbung ber girma nur für bie 5tage ber 6trafauSmeffung er* 
wogen ift. GS fann Daher nicht oerfannt werben, baß baS blecht, bie ftrafredjt* 
liehe Verfolgung ber Vcleibiguug ju beantragen, auch bann, wenn fie bie Ve* 
leibigten vermöge ihrer SheUnaljme an einer &anbelSgcfcUfchaft betroffen fyat, 
nur biefen perfönlicb juftefjt unb nicht anftatt tbrer oon ber fiixma ber ^anbclS* 
gcfcUfdjaft ausgeübt werben fann. weil cS fein Vermögensrecht ift unb auf 
inbioibueUer Vefuanife beruht. Snfofcrn alfo ber Eintrag nur oon ber ftirma 
als foleber unb ma)t oon ben cin3elncn fid) als bcleibigt anfeljenben %$tiU 
babern ber ©efcllfchaft geficUt ifl, liegt ber 3ur 6trafoerfolgung crforberliche 
Antrag nicht oor, unb burfte baljer jitr 3cit feine Verurteilung beS Singeft. 
ausgebrochen werben. 

Söenn bie SRcoifton weiter barauf gcftüfot wirb, bafj eine ftanbelSfirma 
überbauet nicht bcleibigt werben fönne, fo muß auS ben oben erörterten ©rün* 
ben bie iUidjtigfeit biefer 2luffteHung anerfannt werben, inbem eS bei firmen 
an ber ^>crfon fcl)lt, auf wcld)e eine Velcibiaung belogen werben fönntc, unb 
aud) bie unter bem tarnen einer ^anbclSgefcUfcbaft äurammcngcfafjtc ^erfonen- 
mctjrl)cit ein oon ben inbtuibucllen ^Serfonen, bie i^re 2l;eUncf)mer finb, oer^ 
fdjicbcneS StecbtSfubjcft bleibt, bie Veftimmungcn bcS 6t. ©ef. aber, wcld)c bie 
Üüiöglidjfeit einer Vcleibiguncj oon Vel;örbcn unb uolitifdjen Hörperfd)aften er* 
geben, feine 2lu3befmung auf anbere unter ÄoUeftiobeseidjnungen begriffene 
$erfoncnmcl;rl)eiten gcflattcn, unb ber fa)on früljer erwähnte §. 187. eine auf 
bie eigentliche Vcrlcumbung fkh befchränfenbe befonbere 93eftimmung enthält. 

§. 56. 21r. 2. unb 3. unb §. 242. 6t. Pro$. <D. §. 161. et. <B. B. 
Tic 5 c ag"if>anfähigfeit wirb nicht bind) ücrurtbeilung wegen Beihülfe 
$um Illcineibe begrünbet, infofern auf erflcrc nicht auebrücflicb erfannt 
worben Ift. — tte Jrage bec Dcrbäcbtigfcit eines §cugcn als Cheil- 
nchmer ber 0trafthat ijl thatfädjlicher Tlatur. — Die vom ^Ingcfl. in 
ber fjauptrerhanblung ungerügt gclaifenc Uerlefung von Qlftenjlücfcn 
auö früheren llntcrfuchungcn vor feiner üernebmung bilbet feinen ac- 
fe^lichen Dcr|lo|i. 



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fceutfäeö ©trafst. ©rtenntnifie fccS töciäSgcrtdjtö. 73 

Erf. beS III. 6traffen. oom 24. San. 1880 c/a. £ampe, woburdj bic 
Steoifion beS Hngefchulbigtcn verworfen worben tfi. 

© x ü n b c. 

$)er erftc aaCngriff ftüfet fid) auf §. 56. s Jir. 2. bcr St. $ro3. 0., unb 
finbct biefc gefefelichc Söcjtimmung baburdfj ocrlcfct, bafe ber 3 eu 9 c mcldjcr 
burcb bic ^uftisfanjlci in SBücfcburg wegen 93eitnilfe jum 9)lcineib 3u<httwuS* 
ftrafe ocrurtljcilt mar, bemtod; oor bem 6d)wurgerid)t als 3cugc beeibigt ifl. 
ES bebarf bier nicht beS EingcljenS auf biejenigen Erörterungen, woburejj bcr 
söcfcötücrbcfüljrcr beizulegen oerfuebt bat, bafe bic ^uWanjlei gegen 2). nach 
§. 101. beS 6t. ©. SB. auf baucrubc Unfälngfett, als 3cuge ctblidj oernommen 
m werben, hätte erfennen muffen, ungeachtet bcrfclbc nur einer 23cil)ülfe $um 
lUcincib fdjulbig befunben war. S)enn es ift aufeer Siocifcl, ba& bic ^uftij* 
fanjlci auf folebe Unfähigfett nicht erfannt hat; nun aber ift bic lefetere nicht 
eine gefefcltchc $;olge bcr erfannten 3u<htl)auSftrafe als foldjcr (ugl. §. 31. bcS 
6t. 0. 8.), nod) auch eine gefe&lidjc unb oon feibft cintreteube ^olgc bcr 33er* 
urttjcilung wegen 2ttcincibS, fonbem eine SHebcnftrafc, auf welche jwar in ben 
burcb §. 161. baf. bezeichneten ftäHen immer erfannt werben fott, bic jebod) erfl 
bann eintritt, wenn baS Erf. fic auSgefprochen bat. 

$er zweite Angriff finbet ben §. 56. <Hr. 3. bcr 6t. $1:03. 0. baburd) 
oerlefet, bafe wenn er nicht burd) bic Serurttyeüung wegen S8eU;ülfc p 
ÜKetnctb für unfähig $um etblid;en 3 eu aaife erachtet werben bürfe, bo<h bcSljalb 
nicht habe beeibigt werben fönnen, weit er Ijinfkhtlid) bcr ben ©cgenftanb bcr 
Untetfu$ung oor bem 6cbmurgcrtcht in Sremcn bilbenben Xl;at als Sbeilneljmer 
ucrbädjtig gcioefen fei. £inft(htlid& btcfcS Eingriffs fann baoon abgelesen wer* 
ben, bafe bcr SBefcbwerbefüljrer wäl;rcub beS .§auptocrfaf)rcnS in Bremen biefen 
©runb, bic Seeibigung bcS 23. m untcrlaffen, nidjt gcltcnb gemalt, auch jefct 
nicht angegeben bat, bcr SBcrbacbt, weldjer 2lrt oon Sljcilnaljmc auf bemfelbcn 
rufje, unb bafe bic ©rünbe bcS oorigen UrtbcilS baS ^orbanbenfein cinciS folgen 
itebacbtS überhaupt wiberlegcn. ^ebenfalls fann bie ftrage ber SHerbächtigfeit 
cincS 3 cu 9 en a ^ ^cilnebmcr an bcr ben ©egenftaub einer Unterfudjung bil- 
benben £ljat nur auS ben tljatfäcblicbcn SBerljaltniffcn beS einzelnen gallS beur* 
tf>eilt, unb bcSljalb in bcr SteoinonSinftanj eben fo wenig entfdneben werben, 
wie bic %xaat, ob gegen einen 2lngefl. ber 6a)ulbbeweiö geführt fei. 2lucf) be* 
burfte e3 fctneS auSbrücf lieben SJefcbluffcS bcr oorigen 9ticptcr, bn^ 33. beeibigt 
werben bürfe, weil fein Serbad)t bcr $bcilnaf)me gegen ibn Dorljanbcu fet; 
benn ein hierauf gerichteter Slntrag war ntd;t gcfteUt, unb in Ermangelung eines 
folgen brauste nicht bic Befolgung bcr Siegel, wonach jeber 3cugc ju beeibigen 
ifi, befonbcrS motioirt ju werben, fonbem cS Ijätte bic Abweichung oon bicTer 
Siegel eines SefchluffcS unb einer Sßotioirung beburft. 

2)cr brittc Angriff beS SfcfcbwerbefübrcrS rügt, bafe bcr 3Sorfi|cnbc bcS 
6d)tourgerid)tS nach '^erlcfung bcS SefötuffcS über Eröffnung beS |iauptocr- 
fafjrenS nicht fogleich bic Scrne^mung beS 2lngcfl. über bie ©cfd)ulbigung folgen 
liefe, fonbern oorher ben wcfentlithen 3"halt bcr ^crbanblungen in ben früher 
gegen 50., bie Eheleute aß. unb ben Angcfl. fclbfl geführten Untcrfuchungen, an 
welche fid) bic sycr^anblung in Bremen anfd&lofe unb aus benen fic ftch ent* 
widclte, ben ©efehworeucn mitteilte, eben fo ben ^nl)alt bcr beiben ©c^veiben, 
woburch bic Unterfudjung gegen ben 35cfd^wcrbcfül)rer auS ©rünben bcr gerid)t^ 
liefen 3ufiänbigfeit oon bcr 5uftt$fnn3lei in Sücfeburg an bic Ätronanwaltfdjaft 
in Heroen, unb oon biefer an bic 6taatSanwalt)a>ft in Bremen abgegeben 
würbe, unb bafj hierauf bcr iüorl'i^enbc gewiffe »Schriftftüdc ocrlefen liefe, 
namentlich bie 33.'fchc Stcfuröfdjrift, weldje ju Derjenigen eiblichen ^emebmung 
bcS ^efd;wcrbcfül)rerS 2lnlafe gab, bic ben ©cgenflanb ber jefetgeu s J)feinetbS- 



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74 $eutfd)c« Straftest, ©rtcnntnifte fcc§ föei$3flcrt*ts. 

unterfud&ung gegen bcnfelbcn btlbct, ba$ Urtbeil ber ^uftijfanjlei in 23üdfeburg, 
meines bie Unjuftcinbigfeit berfelbcn ^inft<^tltdE) beS SerfabrcnS gegen ben So 
fd)rocrbefüf)rer au$fprad&, baS ErfudOungäfdjrciben bc$ lippcfdjcn 2lmtö &agen* 
bürg an ben Unterfud)ung3rid)tcr in Bremen, in ftolge beffen bie ctblid&e $er* 
uc()mung be3 $efd[)roerbefüf)rcra gcfdml), unb baS gkototoU über biefe cibUdjc 
Scrnefmtung , roorauf bie jefcige s Jftctneib8unterfudfmng fid) grünbet. 3n biefen 
2)iittf)cilungcn nnb Seriefungen fmbet ber Scfd&roerbefüfjrer eine Serlc^ung ber 
burdf) §. 242. ber <St. $roj. £>. oorgefd&riebenen Orbnung be£ ScrfatyrenS. 
2lber aud; biefer 2lngriff ifl nid)t genügenb motioirt. S)a bie @t. s }ko3. 0. 
roeber eine SSerlefung ber 2lnflage, noä) eine Erläuterung bcrfclben bnxä) ben 
Staatsanwalt fennt, unb bie blofce SBerlefuug bc8 ©efdfuuffcS über Eröffnung 
be<3 $auptocrfaf)ren3 unter folgen $erf)ältniffen, rote fie l)icr burdd ben 3"* 
fammenl)ang ber 3lnflage mit ©erfd&tcbcncn früheren ^rojeffen gegeben roaren, 
Ijäufig ntdjt ausreißt, um ben ©efdjroorenen bcutlidf) $u machen, um roa§ c<8 
fid) bei bem folgenben 9?erf)ör bcS Slngcflagtcn über ben ©egenftnnb ber 3lnflngc 
Imnbelt, unb ba bie @t ^03. 0. ba$ beriefen non llrfunbcn unb anbern abS 
^Beweismitteln bienenben Sd&riftfrüden, namentlid) audfo uon früher ergangenen 
©traf urteilen nt#t au^fd^Ucfet (§. 248.), bilben bie Iner com Öefdjroerbefüljrcr 
gerügten 3)iittbeilungen unb SJerlcfungcn nid)t fd&on an fia) einen Sßcrftofi gegen 
ba£ ©efefe. ©ic fönnen jroar 3U einem SScrftofe roerben, inSbcfonbcre roenn fie 
in einer 2lrt gcfd&cben, bie geeignet ift, nadjtljeilig auf bie Sßertbeibigung beS 
Slngefl. cinauroirfen. Slbcr ber 2Jefdf>rocrbcfüf)rer bat roeber im Saufe bc$ 
£>auptucrfal)rcn3 g.cgcn bie TOtljeilungen unb Sßcrlefungen einen Einfprud) cr> 
Ijoben, nod; aud) lefct behauptet, baß baburd) ein Wadjtbcil für feine s -8crtl)cibi> 
gung entftanben fei; audj I)at er nidjt bie $3cf)fluptung aufgehellt, bafj ba£ gegen 
U)n ergangene Urteil f roenn Ijicr naa) ben Umftänben bc£ fiattS eine (3cfc^e3^ 
ücrlcfeung uorgcfommcn roäre, auf bcrfclben beruhe. (§. 37(5. 6t. ^roj. 0.) 

§. 6t (P. B. IDaarcnbcjleUung unter ber ffllftblicbcn Porfpiegc« 
lung ber fofortigen Bc^a^lung naa) ftattgefunbenem (Empfange feitens 
eines infoluenten bereits manifejtirt babenben Uattftnanncs quafifoirt ftcb 
als Betrug. 

(Stf. besS III. ©troffen, 00m 24. 3an. 1880 c/a. Ulbricht, rooburd) bic 
9lcvifion bc§ 3lngefa)ulbigtcn uerroorfen roorben ifit. 

© r ü n b c. 

SäujS ber tljatfäd&lidfjen ^cftflellung bc3 SUorbcrric^terS ift $u cntncljmcn, 
baf] ber Slngcflagte bei ben in bem Grf. genannten firmen Söaaren in größeren 
Soften befteUt liatte, obrooljl er fid) im 3uftnnbe üoüfiänbiger Sermögcnkofigfcit 
befaub, in ucrfd)icbcncn $rojefefaa;cn manifeftirt Imtte unb feljr rooljl roufetc, 
bafj er baarcj3 ©clb nic^t befafj, unb beim Empfang von Sönaren roeber eine 
fof ortige nod^ eine alsbalbigc 33oarjol;lung werbe leiften fönnen; ferner, bafe ber 
3lnge(l., um jene ginnen jur Slbfcnbung ber Sßaarcn an il;n ju uerleiten, i^nen 
fälfdjlic^ üorfpicgclte, bafe er bie überfanbten 3öaaren fof ort nad) Empfang ber» 
felben bcjablcn, '6310. einen oon il;m über ben Kaufpreis aeeeptirten 2)rcimönat8» 
roeddfel cinlöfcn roerbe, unb ba3U im ©taube fei, obroofjl er bei Slbfcnbung ber 
iBcftellbricfe nid^t beabfid)ti^tc, bic 2öaaren überhaupt jcmalö 3U bejahten, roie 
benn bic Scrfäufcr aud) etne .R'Ujlung nidjt erlangt Ijabcn; bafe ber 2lngefL 
burd^ bic SBorfpicgelung ber falfa^cn tyatfafyc, er tmbc bic 2lbficbt f bic firmen 
3U befriebigen, unb burd) bic Untcrbrüdfung ber warjrcn Xfyatfafyz, bafj er noll* 
fommen ucrmögenSlo^ fei unb bereits manifeftirt Ijabc, jene firmen in ben 
^rrtbum werfest unb ftc bierburdj beftimmt l;at, ilmt 3Baarcn §u überfenben, fo 
bafj fie einen «ermögen^fdjaben erlitten Ijabcn, ben ftc nid^t erlitten Imben 



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$euifd)e3 @trafre<$t. (StfenntKiffc tcS «cidö§fjcri<^tS. 75 

würben, wenn fte gcroufjt Ijättcn, bafe ?tngcft unnfanbbar fei unb feiner roaljrcn 
2lbfi$t cntfpreienb, Ballung nidjt leiften werbe. 

SDamit ift ber £hatbeflanb be3 $etrugc$ gegen ben 2utgcfl. in ausreißen* 
bcr SGBcifc fcftgeftcUt. ©in Kaufmann f welker oermögenSloS unb fid& beroufct 
ift, bic übernommenen 33erbinblid)!eitcn mdfjt erfüllen ju tonnen, aud) uon ber 
3lbfid}t auSgcfyt, bic bcficllten 2öoaren ntcfjt 311 bejaMen, f;nnbclt betrügerifa); 
roenn er Seftellungcu mad&t, beren ßffeftuirung, wie er tueife, nur unter bcr 
$orau£fc&ung ber gablungSfäljigfctt be$ ÖeftellerS erfolgt. $cm Kaufmann, 
welcher itjm burcr) Uebcrfeubung bcr SSoarcn frebitirt, ift uon uorntjercin jebe 
9lu3fid)t bcr Sefriebigung entjogen; bic, mit bem guten 2öittcn be3 tfunben, 
S3cfricbigung au«3 bem von üjm bciuirften Umfafc 511 erlangen, nur bic, roiber 
ben SlUUcn bcffclbcn aus beffen 2>crmöa,en im s löcgc bcr 3wang8ooUftrecfung 
3al;lung ju geroinnen; bafe rocnigftcnS einer uon beiben SBegcn offen fterje, ift 
bie notljroenbige SßorauSfefcung jebeS gctuärjrtcn ÄrcbiteS, bcäfjalb f)at bcr 
^orbcrrid&tcr mit 9Red)t in bcr jrocifad&en Säufajung bc3 Slngcfl. bie* ^crlc^ung 
ber $fttdn gefunben, rocldjc ber 2lngcfl. burd) Angabe beä roal)ren ©ad)ucrl)altc3 
feinem s ittuhmtraljentcn gegenüber erfüllen mufete, unb burd) beren Öctfcitc* 
fefcung er ben §. 203. et. ©. 23. übertrat. 

§. 266. et <P. B. 3m 6inne bes §. 266. 6t. <B. ö. (Untreue) ijt 
„abficbtUd)" glcid)bebcutcn6 mit „»orfÄfeliay \ — 5um Ibatbciranbc bcr 
Untreue ift niajt erforberlid) , baj| bcr Dormunb ben 2Tad>tt>ei( bes 
Illünbelö um feines Dortrjcils willen t3croollt r>at. 

(*rf. bc-3 III. ©traffen. uom 28. San. 1880 c/a. Soormann, rooburd) 
auf bic ftaatSanroalttidjc Sfteuifton baS SBorcrfemtfuifj ucrnidf)tct roorben ift. 

(3 t ü n b c. 

9iad) bcr tl)atfäd)lia>m fteftficllung bc3 Sorbcrrtd&terjS t)at ber Slngefl., 
weldjer SJormunb bcS uneljelidjen ÄlinbcsS bcr if. £. roar, mit bcr 9)htttcr einen 
^rojefc gegen ben ©cbroängcrcr auf 3a()lumj uon Sauf*, ©ntbinbungS* unb 
SüoÄcnbcttfoficn im betrage uon 00 3Jff., foroic auf 3«()lung uon Alimenten 
für ba$ Äinb geführt. S)er SKcrflagte ift unter bem 18. i^uni 1878 3ur 3 ft f) s 
lun>3 uerurtfjcilt. ©djon oor bem (Srfcnnrniffc Ijatten Sßormunb unb Butter mit 
bem ©djtuängerer einen bcmnäd)ft gcrtcbtlid) uerlautbartcn unb oberoormunb* 
fdjaftlid; genehmigten SSergleid) abgefdjloffen, nacb roelcbcm bcr ©dforoängerer im 
©anjen 900 9Jtf. Slbftnbung jaljlen foHtc. 2luf bie ^ergleid)3fummc tyat ber 
edjtuängercr an bie *Dlutter abfcljläglid) ben betrag uon 315 W. gejault. 6ic 
bat bauon bem Sängcfl. auf beffen 2öunfcb ben Söctraa uon 150 Wl als 2tntljeil 
beS aflünbelS Zugegeben, unb sroar jum cinftrociligen ©ebraud^e, jebod) unter bcr 
Ü5cbingung ber bemnäebfitgen 3u r ^cf c ^ at tung. 5E)er 2tngcfl. bat baS (3clb jur 
Tilgung eigener ©c^ulbpoftcn oerroenbet unb jroar obne bie Nüttel jum fofor* 
tigen (Srfn^e gu beffen. 2)a£ ^anbgcridjt ^at ben 9lngcfl. freiaefproeben ; c<3 
gebt bierbet nnd^ ber Segrünbung feinet Urtfjcil^ baoon au$, bap ba3 ^Hcqixifit 
bcr 2U'Ft$tliAfcit in §. 266. (St. ©. 53. babureb bebingt fei, bafe bie Slbfic^t auf 
ben Öiadr)tr)cil alä ©rfolg ber ^anblung gerietet ift, fo baft c8 nid)t genüge, 
roenn baö ^panbeln trculoÄ mit bem ^icrouBtfein bcr 2öibcrred()tltcbfcit unb 
barauö für ba& SSermögen be3 ^flcgcbefoblenen fjcroorgcljcnbcn 9iadr)tf;eilcS ge* 
fd&eljc. (Sine fotdr)c Slbfidfulid^fcit fei auf ©eitc beS SlngcU. nid&t oorljanbeu 
geroefen. 

2>ic ©taatöanroaltl'djaft bat 9icuifion eingelegt, rocil ba3 Urteil roegen 
falfcbcr 2lnrocnbung bc« §. 260. ©t. ©. 33. auf einer Skrlcfcung bcS ©cfet5c§ 
bcrulje. ^l;rem Anträge ift ftatt $u geben. 



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7fi 2)cutf*cä ©traftcdit. (Srlctiutnifie bc$ Äeid>ö«rid>t$. 

2)aS Strafgefefcbud) wenbet bie 2öorte „2tt>fi$t, beabfidjtigen unb ab* 
fid)tlidj'' fcincSwegS auSfdjliefjlid) in bcm oon bcm 33orberri$ter angenommenen 
Sinne an. 

SBobl wirb in einer 2ln$al)l oon Straf befummungen, in roelcben bie 
2lbfid)t fd^lcd^t^in ober eine näfjer flefennjeidmete 2lbfuf)t als SjjatbeflanDSmerf' 
mal tycroorgeljoben wirb, bie 2lbfi<$t ajeid&bebeutenb mit ober 3Jtotio 

beS ftanbelnS genommen, al0 ber auf einen gereiften Erfolg ber §anblung ge* 
richtete SBiUe. 

Sin anberen ©teilen aber ift bie Slbfidjt als gleidjbcbeutenb mit SBorfafc, 
abfiebtlicb gleidjbcbeutenb mit uorfäfclid) ober wiffentlid) gebraucht. 3n Uebcr* 
cinftimmung mit bem gemeinen Sprad&gebraudje wirb ^ier ba£ ahmlitlidic 
^anbeln wie fonft baS oorfäfclidje ober wiffentlidjc §anbcln in ©cgenfa|$ ju 
einem §anbeln aus SBerfeben unb 9Zad)täffigfeit acfteUt. ©S umfafjt biejcnigen 
»yälle, in welcbcn ber Später jwar aus anberen ÜJfottoen fyanbclt, aber mit bcm 
$croufjtfeirt, oajj feine %\)at eine söerlcfouna. ber tym obliegenbcn $flicbt ein* 
fdjliefet, bo{j fie mit einem uerbotenen (Srtolgc oerfnüpft ift. ©cSljalb ift fie 
oon bem ©efefce in berfelben 2öeife unter Strafe gefiettt, wie wenn ber Später 
ben redjtSwibrigcn (rrfolg unmittelbar gewollt bätte. 

53ci ber ftcftftettung beS Sinnes, in meinem ber 2luSbrucf jcbcSmal ge* 
braud;t ift, fommt oorncmlia) bie 9iatur ber flrafbaren £anblung unb ber 3roccf 
ber betreffenben Strafbefttmmung in 8ctra<f)t. 

SBaS nun baS in §. 266. 6t. ©. & bebroljte SBergcljen ber Untreue 
anlangt, fo befielt baS SBefcn bcffelben barin, bafj eine ju ben bort aufgehellten 
Kategorie cn gehörige Sßcrfon burd) eine &anblung ober Untertaffung bie ibr in ber 
fragfidjen (Sigcnfdmft obliegenbcn $flid)tcn ocrlclst unb auf biefc Söeife bie ibrer 
3luffid)t unterteilte s ^3crfon ober Stiftung, ben Auftraggeber u. f. w. bcnadjt^ciligt. 

SHefcm Glmraftcr beS Vergebens cntfpridjt cS, wenn in fubjeftioer $o 
5icl)ung nia)t mcljt geforbert wirb, als ba& ber Später mit bem $ennifetfcm 
geljanbclt babe, bafe er feine SßfUdjten in ber oorbejekfmeten Süeifc jum s Jlacb» 
ttycil beS SJiünbclS u. f. 10. oerle^c. 

Söic bei ber llnterfdjlagung ber 9fad;tl)cil beS ßigentl)ümerS, bie 9ied)tS* 
wtbrigfeit ber Zueignung regelmäßig ber ben Später beftimmenbc öeweggrunb 
nid)t fein wirb unb nicfyt 511 fein brauet, fo ifl eS $um Jlwtbcftanbe ber Un* 
treue nifyt erforberltd), bofe ber $ormunb, «erroaltcr, ^öeooUmäd)tigtc u. f. 10. 
ben 9Jad)u)eil bcS ®efä)äft$l;crrn um be« 9tacbtljcilej3 mitten gewollt bat. @3 
mufe t)ict mic bort genügen, bafe ber ©efd;äftöfübrcr, wenn er um be5 eigenen 
$8ort(jetle6 mitten, aus Seu^tfhtrt, um einem britten etroaö jujuroenben, ober 
aus anberen ©rünben gebanbclt ^at, bnS 93ciou§tfein b^ttc, ba^ Dasjenige, 
was er ttmt, sum SiadMeile beS TOnbelS, 33oUmad)tgcbcrS, ©efa^äftSfjerm 
gereiche. 

%m ^weiten 3tbfa^e beS §. 266. wirb eine Straffd)ärfung für btejenige 
Untreue auS(jefuroc^en f welche ber Xf)äter begebt, um fieb ober einem anberen 
einen SkrmögenSoorujeil su oerf Raffen. (SS läßt fid^ nid)t annebmen, ber ©e> 
fe|jgebcr ()abe einen fo feltencn unb Kaum fcftjuftellcnben ^all unter Strafe 
ftelicn wotten, wo ber ^bätcr ben eigenen SBortbcit unb ben Stäben beS ©c* 
fd)äftsj)crrn, einen jeben um feiner felbft willen neben cinanber erftrebt, um 
ben bäufigen unb gcfäl;rlicben ^all ftrafloS su laffen, in welcbem ber Später 
fid; in feinem ^anbeln allein burd) ben eigenen ^ortbcil beftimmen, aber bureb 
ben Umftanb mdjt abbalten läftt £ bajj jener eigene ÜJortbcil, wie er wciB, mit 
einem 9iad;tbeilc für ben ©efcbäjtSberrn oerbunben ift, fo bafe er jenen niebt 
erreicht, ol)ne bafe er biefen bcm ©efcbäftSljcrni zufügt. iUclmebr ift anju^ 
nebmen, ber ©efefcgeber ^abe fid) für bic im §. 266. bejcicbnctcn ^erbältniffe 
beS ^ßrioatreebts oon bemfelbcn ®cfid)tSounft leiten laffen, wie im §. 92. unter 
3. für bic bort genannten ^erbältniffe beS öffentlichen 3lcd)tS. Sli^ic im §. 92. 



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ScutfäcS ©trafred&t. (Jrtenntnifle fee3 9iei*8cjeric$t8. 77 

mit ©träfe bebrobt wirb, wer uorfäfclidj ein itjm aufgetragenes ©taatöocfdjäft 
5um 9Zad)tI;etl beffen fütjrt, ber tljm ben Auftrag crtljcilt bat, fo wirb in §. 266. 
ba« abfid)tlid;e £anbeln unter 6trafe geftellt, oljnc bafj Ijter mit ber 2lbfid)t 
etwa« Ruberes bcjeidjnct roirb, als baS mit beut SSorfag. 

©droit im preufj. ©t. ©. 23. §. 246. mar für bie Untreue nidjt meljt 
geforbert. <5<3 mar bort ber unjroeibeutige StuSbruct oorfäftlid) gebraucht, 
daraus aber, bafj ba« beutf^e 6t ©. 23. ben 2Iu£brucf ooriäfclid) an biefer 
©teile in ben 9luSbrucf abftdjtltd) umgeänbert hat, fann eine 2lbänberung bc8 
©inneS nid)t abgeleitet roerben. £)enn in ben SWotioen jum ©ntrourf be$ beut* 
fd)cn 6t. ©. 33. ftnb bie SHenberungen, reelle an bem SCfmtbcfronb bcS Vergehen« 
im (Sntrourf im Vergleich mit bem preufj. ©t. ©. 23. oorgenommen roorben finb, 
bcröorgehoben unb begrünbet, babei ifl aber bie eben bejeidmete 2lenberung 
übergangen, ein 23eroctS bafür, bafc iljr eine tiefere 2Jebeutung nid)t beigelegt ift. 

3>ie tyatfäcpdfje geftftellung bcS SanbgcricbtS unb ba$ barauf gegrünbete 
Urteil berufen hiernaa) auf einer Verlegung be« §. 266. be« ©t ©. V. 

§. 274. 1. 0t. (B. B. llnterbrücfung ober Dernichtung einer jtempelpfUöV 
tigen Urtunbe 5um gtoetfc ber Stempclbinter^iebung ijt nur als Icfctere, 
nicht aber aus §. 274. 1. 0t. (B. B. 3U bcflrafen.^ 

@rf. bc« III. ©traffen. com 4. gebr. 1880 c/a. Äodj, rooburdj auf 8er* 
nid)tung bei VorerfenntniffeS unb greifpredjung erfannt roorben tfl 

© r ü n b e. 

Slngefl. h<*t nad; ben tt)atfädE)lid)en fyeftftcöungen be<8 23orberrid}terS eine 
^unftation, welche er über ben jroifchen u)m unb einer ftrau 23. über fein 
ütfotynlwuiS abgefa^loffenen Äaufoertrag aufgenommen hatte, olme innerrjalb ber 
gefefclidjen §rift oon oierjehn STagen ben flaufftempel mr Urfunbe j\u oerroenben, 
tn ber 2lbfia)t oerniebtet ober unterbrüeft, bem ©tcucrftSfu« burch (£ntjiefmng be« 
©tempelbetrage« unb ber ©tcmpelftrafc einen 9tod)theil jujufügen. @r ift beäljalb 
oon ber ©traffammer bei bem tat Amtsgericht ju ©kleben aus §. 274. 5tr. 1 . 
beS ©t. ©. 23. ju einer ©efängnifeftrafe oerurtljeilt. 

SDie oon bem Slngetl. eingelegte Steoifton rügt Verlegung biefe« §. 274. 
beS ©t ©. 93. 

$ie ©traffammer nimmt an, bie tfaufpunftation jmbe bem SKngefl. um 
beSroiüen nid^t allein gel; ort, roeil ber Käuferin fein jroettcS Grcmplar auSge* 
fertigt roorben fei, 3lngcfl. |abe alfo eine Urfunbe oernicfitct, roeldjc ifmt nicht 
au3fd)lief)lich gehörte. (SS fann bah in gejteüt bleiben, ob nicht fdjon btefe f ehr 
bebenflidje ftcftftellung einen «RecbtSirrtljum einfa^lie^t, roegen beffen ba« oorber* 
richterliche urtyeil ju oemiajten fein roürbe. S)cnn eine Vernichtung au« biefem 
©runbe roürbe nur su einer gurütfoertoeifung 5 cr ©ad^c führen. 

S)cr 2lngefl. ift aber unter Hufljcbung bc8 erftinftanjtidjen Urtheil« fretju* 
fpred)en, roeil e$ an einem anberen 2Jferfmale bc« gefc^lid)en Xljatbeftanbcg fcljlt 

3unäa)ft läfet fid) bie 2lbfia;t be£ Sljätcr« bem ©teuerft!§fu§ bie ©tempcl- 
flrafe ju ent^icljen ntd)t unter bie oom ©ef. geforberte Slbfidjt fubfumiren, einem 
Slnberen 9lad)thcit ^uju fügen. 3m ©innc bcsS ©efcfceö liegt c& nid)t, bie oon bem 
6d)ulbigcn oenoirfte ©elbftrafe unter ben ©cfid)t$punft cincsS oom giäfuS ge- 
malten @rrocrbe§, bie Vereitelung be« ©trafanfatjeS unter ben ©eTtdjtSpunft 
eines bem $i$tu& jugefügten 9lad)tl)cilej8 ju stehen : oietmeljr bat aud) bie ©elb« 
frrafe allein bie 93ebeutung eine« oon bem ©djulbigen ju eroulbenben Uebcl«, 
roelche« mit Zwangsmitteln jum SoUjug ju bringen tft, roenn ftd) ber ©djulbige 
ber oerroirften ©träfe p entjieljen fud)t. 

©obann fe|jt ber §. 274. eine roibcrrcd)tlid)e S8enad)tbeiltgung oorauS, unb 
ba berjenige, beffen 9iad)tl)eil beabfid)tigt ift, nia)t ber <£igentf)ümer ober ber 



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78 3>catfc$e3 ©trafred)t. ertcnntnifa fceS «ctcf)^cri*t§. 

aKttctgcnt^ümcr bcr Urfunbe ju fein braucht, ein rechtliches ^ntcreffe auch auf 
©citen beS benachteiligten Anbeten, njeld^cö burdj Vernichtung bcr Urfunbe 
Beriefet wirb. Slber nach bcr Vorfdjrift beS ©efe^cö genügt bie Verlegung eine* 
folgen SHccbtS beS Ruberen allein nicht, um bie Vernichtung ober Unterbrücfumi 
bcr Urfunbe ju einem ftraf baren Vergehen }u machen; c£ mufj Ijinjutrctcn, ban 
ber Später nicht an unb für fid) berechtigt ifi, über bie Urfunbe 511 uerfügen, 
bajj U)m bie Urfunbe nid)t ober ntdjt auSfchlicfelich gehört. 60 gereift bei llr* 
funben, welche über ^rtoatred;tSgcfd;äftc errietet Unb, baS ©efefe aujicr bem 
SHechte beS ©igcnthümerS unb ber uJUtcigenthümcr aud) ben prtoatrcchtlichcn 
Sntcreffcn folcher ^erfonen §uin Schufee, welche ein unmittelbares unb bireftcS 
Siedet an bcr Urfunbe nicht haben, welche aber bie Urfunbcn cinfehen, tt)rc Vor- 
legung junt Vcweife if;rer 9ted)te forbem bürfen. 

SDtc ftrengen Verpflichtungen, wcldjc ben Kontrahenten gegen ben Steuer 
fiSfuS auf Entrichtung beS gcfcfclichen (Stempels obliegen, gewinnen nun aber 
einen flrafrcd)tlid)en Sdjutj nicht erft burch bie -iDfithcranjicImng beS bem Unter- 
brüefer ober Vcrnicbter einer ftcmpctpflidjtigcu Urfunbe nid;t äufieljenbcn Gigen* 
tfmmS. Vielmehr ift oft gerabe bcr Gigenthümer ber Urfunben aud; berjenige, 
weldjer für ben Stempel haftet, öcgen feine Stempclbinterjichung mufi ftd) 
alfo auch ber ftrafrechtliche Schüfe richten, welcher bie Sicherheit bcr Stempel- 
erhebung forbert, unb in bcr Stcmpclftrafc finbet. 

Sluf biefen Schüfe oerweift auch baS preuj?. Stempelgefefe, wenn bie 
fkmpclpflidjtige Urfunbe oerheimltdjt wirb. 9cad) bem ©ef. oom 7. 3Wär$ 1822 
§. 34. fönnen auch ^rioatper Ionen oon ben StempclfiSfalcn aufgeforbert werben, 
fich über bie gehörige Beobachtung ber Stcmpclgcfefee auszuweiten, wenn erheb- 
liche ©rünbe oorhanben finb, biefe Beobachtung ju bezweifeln. Stftber biejenigen. 
welche folcher Slunorbcrung nicht ftolge leiften wollen, f ollen bie ftiSfale ben 
Veiftanb ber ©c richte nachfuchen, unb swar, wie fich aus ben analogen Vc* 
ftimmungen beS ©ef. 00m 19. ^uli 1867 §. 27. für bie neuen Sßrooinjen er* 
giebt, bcr Strafgerichte, pr bie ftraf richterliche Unterfuchung wegen Stempel* 
hinterjiehung h°t aber bie ftcmpclpflichtige Urfunbe nur bie Vcbeutung eines 
ber oerfchicbcncn möglichen UcberführungSmUtel, beffen Untcrbrücfung fo wenig 
unter ein befonbercS Strafgefefe ju fteucn ift, wie bie Vcfeitigung anbcicr 
Spuren eine« begangenen Vergehens. 

2ßic baS ftSfalifcbc Stempclintercffc ben Sduife beS § 274. beS St. ©. V. 
ntdjt bebarf, fo würbe ihm biefer Schüfe in jatjlrcichcn fällen nicht 3U Xljcil 
werben. @S läßt fich barnach nicht annehmen, bafj bie Vernichtung ober Unter* 
brüefung einer ftempclpflichtigen Urfunbe, wcld;e 3um Vehuf bcr (»tempclhinter* 
jicljung erfolgt, unter ein anbcreS ©cf. gefteüt worben wäre, als bie einfache 
Stcmpclluntcrjiehung, bafi ju ben im §. 274. 9ir. 1. gebachten s Jiad)thcilett eines 
Slnbercn auch folcher 9tacbthetl bcS ©tempclfiSfuS 31t rechnen wäre. ©er Vor* 
berrichter ^at §. 274. auf ben oorliegenben %a\i unrichtig angewenbet. 



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ftteratur. 



(eingegangene SScrfe: 

2lllgemeine ©eridjtSseitung für baS Königreich Saufen, 
herausgegeben von Dr. griebrid) OSfar non Sdnuarje in 
S)re§bcn f ©cneralftaatSanroalt fiir baS Königreid) Sadjfcn. 13. 3afjr* 
gang, 1879. Seidig, ftucS Verlag. (91. *9lct«tanb.) 8. 

Sie Umgeflaltung ber ^ufltsßcfc^öebung Ijat aud) auf bicS alte bewährte^ 
Unternehmen infofern (Sinflujj geübt, als fie eine tljeilroeife 2lbanbcrung 
bcS urfprünglid&en Programm« bebingte, meldte inbeffen bejügltd) beS StrafrcdKS 
nnb Strafverfahrens als belanglos ju gelten Ijat. Sie ©erid)ts$eitung wirb in 
3ufunft jährlich in 6 $cftcn ju einem greife oon G 5)lf. erfreuten. 

SaS erfie Jpcft bcS 14. Jahrgangs 1880 enthält aujjcr Sinei äRotio* 
grapl)icen „über bic ^ppot^cfatifd;e Succcffion" non £errn D. 21. ©. ^Jräfi* 
beuten Dr. Sieben haar in Bresben nnb „jroet Bälle ans ber SjJrariS" oon 
$>errn £anbgcrid)tSratlj SRubolf Ortmann in Bresben, 5Jiittl)cilungcn auS ber * 
$rariS beS materiellen GiuilrechtS unb einen 2luffafc über bie „&Juchcrfrage 
in Ungarn." 

Sic ©efefee unb SBcrorbnurtgen nebft ben fonfligen ©rlaffen für 
ben prcufn1d)cn Staat unb baS bcutfa)c SHctch 1870 — 1879. 2luS 
ben ©efejjfammlungen für baS Königreich ^reufeen unb baS bcutfdjc 
9teid). $hronologtJ$ sufammcngcftcllt unb fommentirt non ©. 21. 
©rotefenb, WcgtcrungSrath. 7. ßieferung. Süffelborf. Srucf 
unb Verlag ber £. Set) mannten 23erlagShanblung 1879. 8. 

Sic norliegenbe Lieferung umfafjt bie IcgiSlatioen (gr^eugniffe nom 
G. attär$ bis 7. September 1879. Ser praftifebe äöerth bicfeS baS gefammte 
ÜJiaterial erfchöpfenben 3BerfcS, roeld)eS bcS 33cfi&cS aller tociteren Hilfsquellen 
oöllig überhebt, ifl an biefer Stelle bereits mehrfach hcroorgeljobcn tuorben, 
unb fann juriftifdjen Äreifen nicht genug feine ^Beachtung empfohlen werben, 
jumal bic SSerlagSljanblung ^infitytliq ber 2luSftattung allen 2lnfprücben su ge 
nügen befrrebt gemefen ift, ©er SubfcriptionSpreiS für baS gefammte SBerf 
betragt ca. 50 Wll 

Scr ©crichtSfaal, ßettfehrift für Strafreeht, Strafproufj, 
©ertchtltche 3Jcebi$in, ©cfängnifjfunbc unb auSlänbifdje 
Literatur, herausgegeben oon Dr. Rr. D. n. Sehnjarjc, ©eneral« 
fiaatSanroalt tn SrcSben, S3b. 31, $eft 7 unb 8. Stuttgart. Verlag 
oon $crbinanb 6nfc. 1880. 8. 

Sie in ben gegenwärtigen ben 31. ftaljrgang befcMiefjenben heften ent* 
haltcnen 2(uffä&c bel)anbcln nadjftehenbe Xtjemata: „lieber bie ©rcn3cn bcS 
Kriminal* unb SiSsiplinarftrafrecbtS bei ^füdjtoerle&ung, ber 6ioil^eamten unb 
a)?ilitärperfonen." SSon St. §cc!er, ^uftiäratlj unb SioifionS * Stubitcur ju 
Breslau. „Vergehen, welche ftd) auf bie Religion begehen" non öerm SRechtS* 
anmalt Dr. SBillnon) ju $ofen. „^ur fiel;re non ben eckten UnterlaffungS' 



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I 



8Q Siteratut. 

bellten". Son öerrn Dr.2f>. ©cbroalbadj ju ©trafiburg. „3u bcn §§.56., 57. 
D. 9t. 6t. ©. S. unb §§. Gl., 62. öfterr. GntrourfS." Son (5. Ullmann. 3m 
8. §efte bcfinbet fia) ferner eine oon £errn Dr. o. ©chroarje oerfafete Stogra< 
phie beS berühmten RccbtSlebrerS Dr. Äarl ©eorg o. Pächter, welche ftreuu- 
bcn beS Serftorbenen fc^r roillfommen fein bürfte. 

Seiträge jur (Erläuterung beS beutfeben Rechts, in befon* 
berer Sejiebung auf baS preufeifche Recht mit @in(djlufj beS fcanbelS* 
unb SöecbfelrecbtS. Segrünbet oon Dr. 3. 3t. ©ruebot, heraus- 
gegeben oon Raff 010, RcicbSgericbtSratb, unb Mnfcel, SanbgericbtS* 
ratb, 3. golge, 3. 3ab*9<*"9/ 2. bis 4. §eft. Serlin. Serlag oon 
ftranj Sabten, 1880. 8. ©. 153—628. 

Die ben erften £beil auSmacljenben Abhanblungen ber oorlicgenbcn 
.§cfte umfaffen: „Springs Definition beS Stents", von &errn Amtsrichter 
Jtühnaft in Rummelsburg in „Der (Sinroanb ber unjuläffigen Jllageänbc* 
rung nach bem neuen ^rojcferecr)t in formeller Seäicbung", oon &errn Sanb* 
richtet Silber t SBefterburg in Duisburg. „®iebt eS noch eine Abroeifung in 
angebrachter Art?" oon ßerrn Sanbrichter Albert SBefUrburg in Duisburg. 
„eibeSocrfäumnife unb SerbanblungSocrfäumnif3. 3u §. 430. ber beutfeben 
G. ^ro$. D." von ßerrn Amtsrichter Soft in Sergen. „Die Segrünbung oer 
änteroentionSflagc auf Verausgabe abgepfänbeter 9Jlobilicn." Son £errn ©e* 
ridjtSaffeffor Dr. 0. ©lafenapp in Serlin. „lieber bie reebtjeitige Annahme 
# beS einem Abroefenben überfenbeten Antrages jum Abfchlufe eines Scrficbe* 
rungSoertrageS nach bem ^reufj. Sanbrecht unb bem £anbclSgefcfcbudj." Son 
öerrn ©eh- 3ufH3ratf) Dr. 0. Ärärocl in Naumburg. „Die burch ben ^rojefe* 
rtchtcr vermittelte Sormerfung." Son &errn fianbriebter Äinbet in Salle. 
„ÄoHifion jroifcbcn äMbferoitutcn igib ftorfifultur." Son §erm ©eh- Öber- 
^uftiarath $artS. „2öirb na* preufe. Stecht bie oäterltche ©eroalt über einen 
©rofjjäbrigcn burdh ben ohne Sorroiffen beS SaterS begonnenen Setrieb eines 
eigenen ©eroerbcS aufgehoben?" Unter rocfcntlidher Scnufeung eines Urteils 
bcs frühern Reichs *DberbanbclSgericbtS, mitgetheilt oon einem 9Jtitaliebe btefcS 
©crichtShofcS. „lieber baS ^rinjip beS forum contractus." Son §crrn 
Dr. jur. Alcy. Bieter in ficipjig. Den peiten SCt)cil bilben cioilrechtliche 
(Sntfchcibungcn beS Reichsgerichts unb jroar mit befonberer Se$iebung auf baS 
preufe. Stecht. 

Das Unrecht unb bie allgemeinen Sehrcn beS ©traf* 
reebts oon Dr. (Sbuarb £er|j. 1. 8b. Hamburg. Serlag oon 
^ offmann unb Gampc. 1880. gr. 8. 

Der &err Scrfaffer behanbelt in 4 Abfdmitten: baS Unrecht, feine an* 
geblichen Arten unb Rechtsfolgen, bie Sertefcung beS RccbtSfcbufcobjcfteS , ben 
©chufebegriff unb feine demente, unb baS $hatmomcnt, unb ftellt ftch bie 
Aufgabe, bie $>nftbarfcit geroiffer unter einanber sufammenbängenber heute in 
ber ©trafrcchtsiüiffcnfchaft in Anfeljen ftcljcnbcr allgcincincr ©äfoe an bem Ein* 
fluffc ju prüfen, welchen fic auf bie bogmatifchc ©eftaltung einer Reihe ber 
roichtigften Ginscllchren ausüben. Die DarftellungSrocife ift äuperft anstehenb, 
unb bie reiche 8enu|uit0 beS oorhanbenen HiatcrialS, foroic bie fritifchc Sc* 
hanblung bcffclben muö bie oorlicgcube ©djrift, auf bereu weitere Sefprcchung 
roir noo) nach ihtem Abfchluffc jurüdffommcn roerben, als eine rocrthoolle Sc* 
rcicherung ber triminaltftifchcn Literatur erfreuten laffen. Dr. B. 

< -~: > 

«erlin, 5>ru<f so« iB. «flfcnfldn. 



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JHe (ffntntörfe ücr dänifdien Juffygefetje- 



Bon «ßrof. Dr. 31. Seichmann in Bafel. 



2öie £err ©eridjtSrath Dr. uan ©minberen oor nicht langer $eit i n 
biefem %xä)ir> (XXV. 120 ff.) mit oollem Stecht beflagte, bafj bie wichtigen 
ftortfchritte feinet £eimat auf bem ©ebiete ber 9lcc^t^pftcge unb ber 9te$t£* 
roiifcnfd^aft namentlich in S)entfd)lanb nur wenig befannt mürben, fo barf oiel* 
leicht mit noch größerer Berechtigung ein folcheS Bebauern auSgefprodjen roerben 
^inftd>tlic^ ber bäntfehen Literatur unb ber nun fd>on feit 2 fahren oeröffent* 
listen Entwürfe einer ßioiU unb ©trafpro^efeorbnungunb ber @e* 
richtSoerf affung für 3)änemarf. 9lachbem bie beutfe^en Sleic^öjufttjgefe^e 
in Äraft getreten finb unb bie öfierretchifche ©t. $roj. 0. in längerer ©eltung 
ftcb im ©anjen bewährt hat bürfte bie Hoffnung einigermaßen berechtigt fein, 
ba| neben ber englifdjen ©trafgefefegebung, über beren (Entwurf in oerbanfenS* 
werther 2Öeife iperrflSrof. ©. UWauer näher berichtete, auch ben bäntfehen Gnt* 
würfen ein wohl oeroienteS ^ntereffe geroibmet werbe, öanbelt eS fich ja hier 
um gefefcgebertfehe Arbeiten, bie in bie $anb ber tüchtigften unb heroorragenb« 
flen HRännet gelegt, baS im 2lu3lanb nur irgenb geleiftetc Vortreffliche unb 
Ütachahmendwerthe nach reiflicher (Srwägung, wenn möglich, in noch ooflenbeterer 
ftorm, für $änemart feftyuftelien beftimmt unb. 9cur baä Berou&tfein, bafj bis* 
her niel geeignetere Strafte bie Slufmerffamfeit auf jene Entwürfe noch "icht 
gclenft ^aben, läfet mich ben Berfuch wagen, oon jener «Seite uießeicht eine 
auch fritifch werthoofle 2leu|erung über biefelben an$uregen, burch bie ber in 
UebenSwürbigfter gorm an bie 9techt<5oerftänbigen beS SluSlanbeS ergangenen 
Slufforbetung sur ©iitwirfung an bem hochwichtigen SBerfe entfprochen würbe. 
6o oielfach auch, au« 2lnla| ber öfterreichifchen unb beutfehen ©efefcgebungS« 
arbeiten ber jüngflen ßeit, bie 2lnforberungen an ein ©trafprojefegefefe, ba£ oöUtg 
auf ber §öhe unferer jefcigen wiffenfehaftlichen ©rrungenfehaften ftehen foll, 
erörtert worben finb, beftehen boch noch in Bielen fünften tiefgreif enbe 9Jtei* 
nungäoerfchtebenheiten, wie foldje j. B. oor Äurjem in ber ftrage ber Bebeu- 
tung ber fticchtsbelehrung be8 Borftfeenbcn für bie ©efchmorenen ju Sage traten. 
s Jßog ber ©injelne auch noch fo fehr oon ben Vorzügen einer ernft burchgeführten, 
emgehenb bie frembe Siteratur unb ©efefcgebung in Betracht jiehenben Arbeit 



») Ciinige «enberungen (in §§.48., 49.. 448., 457. unb 460.) beantragte am 24. Ort. 1879 
»bg. 2ienba(her unb öen. (fteue freie treffe »out 26. Oct. 1879, «t. 5448.). 

*r$io 1880. *. fteft 6 



82 entwürfe ber bätrifäcn Suitygefcfce. 

überzeugt fein unb in mannen fragen mit feinem Urteile auch beÄf>alb 
jurücfhalten, weil für einen SluSlänber bie 3wecfmäfeigfeü unb $)urchführbarfett 
für baS beftimmte fcanb, namentlich auch rüafid^tlid^ beS bisher ©efefc ©ewefenen 
)\\d)t ju entf Reiben tfi, fo wirb jweifeHoS ber mit größerem ©djarffinne unb 
ausgebreitetem Erfahrung 2luSgerüftete hodjerwünfehte wefentuche S)ienfte leiften 
fönnen. &ierju anzuregen, ift mein &md. 



35ie renibirte bäntfdje Verfaffung non 1866 §. 74. oerheifjt (wie fd&on 
bie t>on 1849) möa,licbft balbige Durchführung beS $rin$ipS ber De ff entlich' 
feit unb HRünbltdbfeit im Verfahren, fomie Einführung ber äuru für 
Verbrechen unb polittfehe 2>elifte. 2)ur<h tönigl. SReffr. com 28. ??ebr. 1868 
würbe eine auS ben angefehenften Triften u. f. w. beftebenbe Eommtffion 
ernannt, welche bie betr. „OTttjgefeJje" auf ©runb eines ber früheren Entwürfe 
non 1864 aufarbeiten foUte. 3 UI " Vorfifcenben würbe £err ©ebeimeetaatSraab, 
Dr. jur. et phil. Ärieger (mehrmals HJtinifter, auch Sufhäminifter, a. o. 3Jätgl. 
beS £öd)ftengerichtS unb beS SanbStbingS) ernannt; ju Sftitgliebern: 1) ber 
jetzige ^uftijminifter , £err Dr. jur. Vellern ann (früher $rof. an ber Unioer* 
[ität Kopenhagen, 3Ritgl. beS SaubSthingS, — 2) £err Dr. jur. Älein (in $wet 
*DJinificricn Sufttammijter, 3Kitgl. beS plfcthincjs, lange ^Jräfibent beS 6ee* unb 
§anbelSgcrichtS in Kopenhagen, — 3) §err Sitearb, SepartementSchef tm^u- 
ftijmimftertum , a. o. 2Ritgl. beS fööchftengertchtS), — 4) öerr Uff in g (früher 
s JJiitgl. beS lederen ©erichteS, jefet einer ber Srtrertoren ber ytattonalbanf , 2Ritgl. 
beS £anbStf)ingS), — ö) £err $rof. Dr. jur. ©ooS (a. o. 3Ritgl. be£ fiöchta* 
gerichtS), — 6) <perr Slboofat Siebe, Gräfes beS SanoStlnngS, — 7) ^err 
Moofat Vrocf, SKitgl. beS £anbSthingS, — 9) $err Siimeftab, SHitgl. beS 
höchften ©erid)ts unb golfthinaS, — 10) §err 5Ruholm, 9Jtitgl. beS Dbergerid)tS 
in Kopenhagen. 3roci äJittglteber finb injmifchen uerftorben. 

£)ie Arbeiten ber Gommiffion mürben ausgegeben 2Jtär$ 1878 unb 
umfaffen: 

1. Entwurf ber 6t. Sßroj. D. — Ubfajt til \)ov om Straff eretSplejen, 
3JiartS 1875, Äjöbenhaon 1875 (IV., 184 <5. Xert: SRotioer IV., 
188 ©. umfaffenb, lü Slbfchnitte unb 492 §§. 

2. Entwurf ber ©crichtSoerfaffung u. f. ro. — Ubfaft til hoo om 2)omS< 
magtens, ben offentlige SlnflagemunbighebS, ^olittmnnbipbebons famt 
Sagförerr-äfenatS > Orbning. — ftebr. 1876, ftjöbenhaon 1876 (II., 
53 6. Sert; 2Kotioer 75 6.) umfaffenb 6 Slbfchnitte unb 153 §§. 

3. Entwurf einer E. $roj. 0. — Ubfafl ttl §ov om ben borgerlige 
9ted)tSpleje, 3uni 1877, Äjöbenhaon 1877 (205 <§. Stert; ^otioer 
268 6.) umfaffenb 10 Slbfchnitte unb 652 §§. 

5öci oorjügli^em Xuui zeichnen fidj biefe ^ublifationen auch au£ burd; 
fplcnbibe, umfangreiche s Jlotijen geftattenbe SluSfiattung. Verfchiebene ©rünbe, 
meift politifdjer s Jlatur, h^en bisher Vorlegung ber Entwürfe an ben Reichstag 
gclnnbert. 

(SS fommen l)kx nur bie 2 erften Arbeiten jur Vefpredjung unb auch 
oon biefen hauptfächltd; nur bie erfte. 3)iefe bejroecft baS ^Jrinäp ber Oeffent- 
liebfeit unb Mnblichfeit (Unmittelbarfeit), foroie ba« Slnflageprincip ftreng 
unb confequent burchjuführen gegenüber ben abroeichenben, bisher in ©eltung 
geroefenen, namentlich gegenüber bem 3"^fitio"Sp^cip- Nähere (Sinficht in 
ben bisher geltenben bänifchen ©trafproieß ju geroinnen, roar faum möglich, ba 
gute ältere SiSerfe burch bie neuere ©efefcgebung oielfach wenig brauchbar 
geworben waren, fo baß nur in UnioerfttätSoorlefungen eine richtige 2tnfchauung 



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Die (Sntoürfe t>et fc5nif<$en Suftia^efe^e. g3 

uom geltenben Stecht gewonnen werben tonnte. (£rft in btefem 2tugenblicfe 
ermöglicht baS foeben erfdnenene jmeite £eft ber „Nordisk Retsencyklopädi 
(cntfjaltenb : Den danske og norske Proces, ved Joli. Ipsen " kriminal-og Politi- 
nets-assessor) 6. 178 — 215 folgen ©inblict, wobei melletdit bie fehnlichft 
erwünichte Umgestaltung bct ©efcfcgebung ju einet fürjeren Öebanblung, als 
$iele erhofften, ueranlafjt fyaben mag. 2)en wefentlichften 2lntljctt an bem 
StrafprojefjorbnungSentwurfe bürfen mir §errn $rof. ©ooS sufchreiben, ber 
unermüblich thätig ift, bie ©runbfäfee eine« auf ber £öhe ber äßiffenfchaft 
ftcticnben berartigen ©efefeeS barjulegen unb ber namentlich beftrebt ift, ba<S 
3uruinftitut, na* Anleitung ber englifd)*amerifamfdjen $rarte, in ber für ba3 
;}nlanb theilweife wünfd)baren llmgeftaltung einzubürgern. 63 mag hierbei 
auf öerrn $rof. ©ooä'ä gebiegene Verfechtung biete« ^nftitut« uor bem brüten 
norbiföen ^uriftentage ') in feiner ©chrift: Om Lägdotnmere i Straffesager, 
Kbhn. 1878 unb namentlich bie uor treffliche Einleitung ju einer Vor* 
lefung über bänifchen 6t. $proj. (erfreuen in ber Indbydelserskrift til kjöben* 
havns Univertets Aarfest til Erindring om kirkens Reformation, Kbhn 1878: 
Strafleretsplejens almindelige Grundsätninger p. 56—93), bie mir in beutfdjem 
©ewanbe lebhaft begrüben mürben, oerwic)en fein. 



3lu£ bem ©erichtSoerfaffungSentwurf e mag erroäbnt werben, bafe 
al£ orb entließe ©erid;tö(;öfe fungiren follen: 1) ein h°$uer ©cricr)rjS^of, 
2) fe<$8 £anbgerid)te, 3) Untergerichte: abS befonbere: ber 9leicf)3geri<f>t$* 
tjof („9Ug3ret" nach §. 08. ber Verfnftung), ©effionen bc$w. ber Wehrpflicht^ 
ange Legezeiten, geift liehe unb Militärgerichte nebft mehr abminiftratioen. 
£>a$ See* unb ftanbelSgericht in Kopenhagen wirb bem bortigen, mit 1 iüor* 
fifeenben unb 15 Richtern $u befefcenben itanbgerichtc eingefügt, inbem für btefe 
Sachen 4 funbige dichter hinzutreten. %m lu)<hften ©erichte foHen an ben 
6ifeungen minbefienS 9 dichter, in ben £anbgcricf)ten minbeftenS 5») Xfyil 
nehmen. 2)ie Untergeri&te finb mit ©injelrichtern unb ©crichtsf Treibern 3u 
befefcen. SHefelbcn fyabin auch (Sompctenj für Sitte ber freiwilligen @ c * 
richtSbarfeU. 

2öa3 bie 3«siehung oon ©efchwornen betrifft, fo ift fähig jum ©efchroo*- 
nenamte jeber, ber jum golfething wahlberechtigt ift (nergl. Vcrfaffung §. 30.), 
auch nicht burch törperliche Mängel ober ungenügenbc Äenntnifj bc$ ©änifchen 
aufeer6tanb ift, bie Pflicht eine« ©efchworenen m erfüllen. (Entwurf II. §. Gl.) 
©ewiffe höhere Beamte (§. 62.) finb auSgcfchloffcn; befreit, wer auäfchliefelich 
ober überwiegenb ftch mit feiner £änbe 3lrbcit ernährt. (§. 63.) ©ewiffe Ver- 
femen (§. 64.T fönnen Befreiung begehren (ungefähr bie beS §. 35. be$ beutfdjen 
®. 93. ©.). kern beutfd)cn Wccht entfprechen im ©anjen bie 53eftimmungcn über 
bie Ur* unb ^ahreSliften, wie über bie Sprudjliftcn. (§§. 66 — 93.) 2)er oor* 
tefcte (5.) 2U>fdmitt beS ©efefeentwurfä Ijanbelt oon ben Rechtsanwälten unb 
beren Vereinen (§§. 137 — 145), woran fich im 6. 9lbfchnitt UcbergangSbcftim 
mungen fchliefcen. 

lieber bie jefcige ©erichtSoerfaffung giebt Nähere« Spfen a. a. O. 
(©. 3 24). 



') S5gl. Üagbladet 1878. 9tr. 200. 201. 202. 

») Stud) bei 3urttfo#ai. «gl. SWottec gu Gntnmrf n. §. 17. ff. — 3>rei Winter reerten 
cmuifuti im {Entwurf I- §. 257. 

6* 



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84 2Hc entwürfe ber bänif*«« Sujttjgefetje. 

28tr gehen nun junt ©trafprojefjentrourfe über, beffen roichtigfte fünfte, 
olme aUjufehr in baS detail einzugehen, erroähnt werben foüen. 



L antritt 

Slllgemeine Veftimmungen. 

1. 2lnroenbung£gebiet ber ©t. ^iroj. 0. — ^n §. 1. befHmmt ber 
(Sntrourf, baj? äße ©achen, in benen csJ fid) um Veftrafung ^anbclt, foroett fie 
nicht ben ©efefcen gemäß ohne befonbereS ©trafoerfahren abgemalt werben, 
ober oor befonöere ®ericht«höfe gehören, nach ben Veftimmungen biefe« ©efefceä 
ju erlebigen finb. $a$u treten nach §. 2. ©achen, betr. Aufhebung eines Ver* 
eines, Uebertretung beS Verbots ber Verbreitung frember ©Triften, $riebenS* 
bürgf djaften. 

Ön Verbinbung mit ber ©traffache unb nad) ben betr. Vorfchriftcn wirb 
abgeurteilt, auf Slntrag beS 2lnftägerS, über fianbcSoerroetfung, ÄonfiSfation, 
©icherheitSmafjregeln gegen geifteSfranfe Verbrecher, ÜHottififation oon ^njurien, 
Verluft beS (Erbrechts '), Slmtäoerluft (roo biefer nic^t als ©träfe uorgefefnueben), 
Verluft uon 9tang, Xitel, Orben ober e^rcnjct^cn, foroic über 9U<htigteitSerflä* 
rung einer tro§ Verroanbtfchaft ober ©chroägerfchaft — wenn biefe unbcbingteS 
(S^el)inbemi6 btlben — ober trofc beftehenber @he eingegangenen (Sl)e. 

2luS ftrafbaren ßanblungen entftanbene Gioilforberungen fönnen nach 
§. 4. com Verlebten mit ber ©traffache »erfolgt werben, foroett lefetere baburd) 
nicht to cfcntlidje Verzögerung erleibct. 3 ) 

2Bo bie VeutthcUung ber ©trafbarfeit einer £anblung baoon abfängt, 
ob 5ur 3eit ber Zfyat ein beftimmteS SHechtSoerhältnifj beftanb, geflieht biefe im 
©trafoerfahren nach beffen formen. $ie etroaige (fntfeheibung beS Gioil* 
rtchterS präjubicirt ber Beurteilung ber ©traffrage nicht.*) (Sine 
SluSnabmebefttmmung, wie fie Dcfterreid) §. 5. !ennt, oerroerfen bie üttotioc. 
§• 8- ff- 

2. ©adjlidje ßompetenj ber ©cridjte. £e nad) ber gröfjcrcn 3Ötch 
tigfeit bcr einzelnen ©traffachen roerben bicfelben ben Untergerichten ober 2anb* 
gerieten jugerotefen §§. 8. ff. Sei ben lederen roirfen ©efehroorene mit, roo 
XobeSftrafe ober lebenslängliche ©trafarbeit angebrol;t ift, foroie in ben fällen 
ber Äap. 9 — 11. beS ©trafgefefeeS unb bei angebrotjter ©trafarbeit, fall« ber 
2lngefd)ulbtgte ober fein Vormunb nicht 3lburtbeilung ohne ©efchroome roählt. 
3ft;)cmanb, angefchulbigt eine« bcr Verbrechen oer Äap. 23—27., früher wegen 
eines folgen ju ©trafarbeit oerurtheüt roorben, fo finbet Bujictjung oon ©e* 
fajroorcncn ftatt, wenn ein Verbreerjen in fyaQi fteljt, für DaS bei erftmaliger 
Vegefjung ©trafarbeit bie niebrtgftc ©träfe ift, ober 10 %al)xt feit Verbüjjung 
ber früheren ©träfe bis ju bem neuen Verbrechen oerflofien. 3 n ocn üor baS 
fcanbgertcht getjörenben ©achen, roo ©efchroorene nicht sugejogen roerben müffen, 



') Deuntzor in Nordisk Retsencyklopacdie 1878. p. 91 — 93. 

*} %n baS belgifdje öefe^ »>om 17. aprit 1878 »»urbe 3U «rt. 4 bcr neuen St.^ßroj.O. ein 

^Ufafe: „Toutcfols le tribunal criminel pourra urdouner le renvoi devant le tribunal civil, s'il 
eatirao que cc renvoi est motivf pi»r la ii»'ccs«it<! d'une plus longue inatruetion" — nid)t v1»;mv • 

nommen. »ergl. Nypels le livraison p. 4G. — «nberS Oeflencid) §. 4. (3)1 aper, Kommen« 
tar II. 26. H.) 

3 ) »bweicbcnb obige belgif(b,e 8t. ^ßroj. O. 8trt. 15 — 19. — 2Me entgegengefetjte ?rragc 
unterfaßte neuerbing« €>aripoloS in Rivisia penale VIII. 185— 20G. «us'ber neueften frah- 
jbflfdjen 3«bitatur i^ 3U nennen ber arrot du 31 d6c. 1878 (Nimes); »gl. Morin, Journal du 
droit criminel art. 10414 (mars 1879 p. 89). — Ueber § 261 3D. W. St. fc. O. »gl. 3)0(^0», 
®er 9iei(b>8trafproje6 (2) 8. 153 ^ote 6, 154 unb bie Gominentare. 



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25ie (fntoütfc btt bäntföcrt 3uftidgcfcfee. 85 

fann bie ,3u3ielning berfelben vom Änttäger unb 2tngeflagten beantragt werben 
(§. 11.) S)a« ©eridf)t Ijat oon §tmt«wegen feine Sompetenj unb bie 9tot(jwen* 
bigfeit ber ,3u$tef)ung oon ©efclnuorenen ju prüfen. 2ßo bie ßntfajetbung ab* 
bängt oon ber im einzelnen f^aHe oerwirften Strafe ober ber (Srflärung be« 
2lngeflagten, Imt e« bie SDietnung be« Slnf läger« (ogl. jeboä) §. 197) »orerfl au 
befolgen unb fann erfl nad; ber ^auptoerfjanblung au« folgern ©runbe abweifen. 
5£iefe SKbweifung fann in berfeloen nid&t erfolgen, weil bie oor fianbgeridjt oer* 

?ianbelte Sad&e oor baS Untergeria*)t gehöre ober nidfjt ©efd&worenenfacije fei, 
aü"S ntd^t bie Verweifung oor bie 3uro ber gcfefelid&en 2öaf)l be« Stngeflagten 
wiberftreitet unb oor ber 2lu$loofung ©infprua} erhoben wirb. (Sine bura) 
Urtheil erfolgte Verweifung oor ba« Untergerid)t binbet biefe«, wie eine an ba« 
£anbgeria)t gefa>l)ene Untere«. (§. 13.) 

2>te £anbgeria)te urteilen bei Sfteotfton unb Vefdnoerbe gegen Urteile 
ber Untergebene, ba« Ijödfrfte ©eric^t übet Steoifton unb Vefajwerbe gegen fold&e 
ber £anbgerid&te, fowie bei Vefd&werbe über Verfügungen eine« SDlttglteb« als 
Unter) ua)ung«rtd)ter«. (§. 14.) 

Voruntcrfud&ung unb anbere accefforifefje ^rojef banblungcn in Sad&en biefe« 
©efejje« werben oon Unterrictytem al« UnterfudfjuugSricgtern wahrgenommen ; bod& 
fönnen für Sad&en ber Sanbgeriajte ober be« ^bdiften ©erid&töljofeS ttmbrittjter 
als Unterfu$ung«rid&ter befteUt werben. (§. 6.) 

3. 2lblel)nung ber ©eridjt«perfonen beljanbeln bie §§. 15—22 unb 
entfpred&en im 2Befentli$en ben Veftimmungen ber beutfa)en unb bfterreid&. 
et. $roj. 0. 

4. Slnflageberedjttgung, 2lnflageprincip. ftür bie Verfolgung 
firafbarer ^anblungen forgen bie öffentlichen 2lnfläger mit unb neben ben $oli* 
jei* unb VerwaUuna^bef)örben, fowie Sßrioatanf läger. (§§. 23. 33.) 2lm ftöd^ften 
©eridjt fungirt ein DberfiaatSanwalt. £>er Suftipiinifter fann bem betr. Staat«» 
anwalte auftragen, eine Sad&e $u oerfolgen, baoon abjuftefjen, fowie 3tea)tSmittel 
einjutegen. (§. 25.) $a« 9iäf>ere ergeben bie §§. 23—30. 

s Jiur auf 2t n trag eine« Vercd&tigten treten bie ©eria)te in Xpigfeit. 
$te Slnflage fann fallen gelaffen werben, fo lange fein Urtel ober ^urofprua) 
gefällt ift; fällt bie Auflage nad& beginn ber «pauptoerljanblung fort, fo erfolgt 
^reifpred)ung; fonft ftettt auf ©erlangen ba« ©eriäjt Vefdjeinigung über ben 
Jortfall ber Verfolgung au«. (§. 32.) 

2>ie ^oliseianwälte (^Polijcimciftcr) haben nad& §. 35. 9lnf lagerest in 
geringfügigeren Sadfjen. Sie, ebenfo wie bie Staatsanwälte, flagen gemäfe §. 36. 
oon StaatSwcgen an; bo<$ ift erforberlia^ 

1) Verebt be« ^uftUminiilcr« oc * 2lmt«beliften unb in eimeinen fpejicllen 
Sällcn (§. 36.) — 3Jtotioc S. 30; 

2) Antrag ber betreffenben Dbrigfcit bei einzelnen Gelitten ; 

3) Antrag oon SJJrtoatcn, wenn baoon bie öffentliche Verfolgung abfängt, 
wobei alle aWitfd&ulbtgcn jur Verantwortung gejogen werben müffen. 

Unauffdfjiebbare Stritte finb oorjune^men, wo bic £t)at oermuthltd) bem 
betreffenben uubefannt unb feine Slnflage wa^rfajeinlta;. SBirb ber Vefef)l ober 
Antrag oor Fällung bc« Urtelö ober Slbgabe beS ^un;fpruo58 mrücfgejogcn, fo 
fällt weitere l*erf)anblung fort; bei ^Jrioatanflage in ben pUen ber §§. 159. 
175.254. be£ 6trafgcfe|e«. 3u jeber ßeit ift bic« möglta) bei 2lnwenbung bc« 
§. 299. ebenba. 

28o ber Staatsanwalt bei Saasen feiner Gompetenj Scbulbigerflärung 
erwartet, fann er nur infolge jufti^minifterieller Vorfa^rift iKnflageer^ebung 
unterlagen ober einjietten, fall« nidjt ba« ©efe^ foldfje« ^allenlaffcn gefiattet, 
o^ne jener erlaubnife ju erwäfmcn ober (in fällen ber 2lnwenbbarfeit ber 
7. u. 64. be« Strafgcfefee«), wenn l)öd()ftcn« eine unbebeutenbc Strafe in 
2luSficf)t fteljt unb Verurtljeilung für fpäteren Jlücffaü" feine Straffa)ärfung bc 



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86 2>ic entoürfe bcr b&nifdjcn guffygtfetje. 

grünbet ober wo bcr Sßriuatanflöger (aufeer obigen $äUen) nach 2lnflageerhebung 
feinen Slntrag surücfjieht unb ber Staatsanwalt (ein öffentliche« ^ntereffe an 
bet Verfolgung annehmen fann. $ie (Sntfcbeibung über gallenlaffen ber Slnflage 
foll oom OTtymtntfter eingeholt werben in ben fällen ber §§. 36. lefcteS 2lltnea 
unb 70 Strafgcfefc. $ie nähere Vegrünbung ber Stellung ber Staatsanwalt* 
fetjaft gegenüber bem ^uftiaminifter ift in ben ÜJcotioen jum ©ntwurf n. S. 51 
gegeben. ') 

enthält ein ^rioatanflagebelift jugleicb ein Öffentlich oerfolgbareS S)elift, 
fo finb bic öffentlichen 2lnfläger berechtigt, auf Slntrag, jencS mit Unterem ju 
»erfolgen. 3)iefer 2lntrag fann jeberjeit äurücfgejogen werben. 2Bo biefclben 
ungerechtfertigt Slnflageerbebung oerweigern, fann ber ^rioate als ^rioat* 
anfläger auftreten gemäfe ber Vorfehriften ber §§. 441 ff. 

5. Stellung beS 2lngef lagten. derjenige, welchen ber SSerbaeht einer 
ftrafbaren §anblung trifft, gilt als Slngeflagter („anfcrS fom figtet" 8 ), wenn 
Unterfuchung gegen ihn oon bem UnterfuchungSric^ter ober bem urtbcilenben 
(Vertcbtc eingeleitet ober biefclbe oorbereitet ift bureb oorläufige $eftnahme 
(„Slnholbelfe''') ober fonftige gegen ibn gerichtete aJto&regeln. 3ft 2lnflage er> 
Ijoben, fo fann ber Slngeftagte einen Sertheibiger erwählen, ber in ben Sifcungen 
fein 33efteS wahren unb bei Slbfaffung oon $rojefefchriften ihn unterfrüfcen foll. 
Dieben einem foldjen baS 2Bort ju ergreifen, ift ber 9lngeflagte nicht fjehtnbert. 
Mehrere Vcrthcibiger fönnen bei ber £auproerhanblung cor tfanbgertcht juge- 
laffen werben. SSaljrenb bcr Voruntersuchung fann ein SÖahloertbeibiger fd^rift* 
lia)e Anträge an baS ©erid)t ftellcn, auch Vefchmerbe beim Dbergericht einreichen, 
bei SlugenfdiciTiScinnahmc unb Vernehmungen jugegen fein, bie foätcr benu^t 
werben follen. £er ftreiS oon ^erfonen, bie als Verthcibiger jugclaffen werben, 
ift ein weiter, etwaigen 9)cifjbrauch hat baS ©eriebt ju hebern. (§. 45.) 3ft 
bcr 2lngcflagte oerbaftet, fo fann er münblicb unb febriftlich mit bem Verthcibiger 
oerfebren, jebod) fo lauge Slnflage nod) nicht erhoben ift, nur unter (Jontrole, 
bie ber Siebter für nötlng erachtet; bei Si&ungen fann er fich mit ihm — foweit 
nicht baS ©cgentheU beftimmt ift — beraten. 

Von 9lmtSwegcn ift ein Vertheibiger p beftcllen in lanbgerichtüchen 
€ad;cn, falls ©efchworene mitwirfen follen ober VcrmögenSbefcblagnahme in 
ftrage fommen fann, fowie wo bcr SRorfifecnbc bicS nicht für unnötfng erachtet. 
(§. 48.) Sei Sachen oor Untergericht fann ein folcher in befonberen fallen, 
gcwöbnlicb nur auf Vegchren, beftcUt werben, falls bie VermögenSoerhältniffe 
bcS 2lngcflagten fo befebaffen, bafj er, ohne baS Öiötljige fid) ober fetner ^amilie 
ober jur ftortfefcung feines ©ewerbcS ju entziehen, einen Vertbetbiger bejahlen 
fann. j$üt unauffebiebbarc 3^«9cnocrnehmungcn u. bgl. ift felbft nor Anfinge* 
erljebung ein öffentlicher Vertheibiger ju befteucn, wenn baoon in ber &auut-< 
ocrhanblung ©ebrauch gemacht werben foll. (Sbenfo bei Sachen oor bem höchffen 
©cricht. %\ix münblichen unb fcbrtftlichcn Vcrfcfjr mit bem Sfngetlagten fteben 
SlmtSoertbcibiflcr freier ba, als Söahlocrtheibigcr unb erhalten nach Umfang ber 
©ad)c fcfaufcfcenbe Gntfdjäbigung. Veftellung eines öffentlichen SßertbcibigcrS 
cntjiebt bem Slngcflagtcn nicht baS 9ied)t, felbft für feine Verthcibigung Sorge 
5U tragen. 

6. ©cridjtSjtanb, örtliche 3uftänbigfeit. %üx innerhalb beS Äönig* 
rcidjS begangene Verbrechen ift baS gewöhnliche forum, baS foniui ber began- 



') 3» ber ©itsung untcrflcfit ber ©taatdaniratt ber *£i|&unq3)50li3ci bc§ Qterid)t$. ötciür 
aud) 5Barfjl)a, SJerttjeibiguna, <55. 737. 738. VlnberS f^uetjä in .^oltjcnborff'ö §anbbud) II. 78. 

-) &kc\t\i bic feinen Üntcrfdicibitn^en (93efcf)iilbiflteT, Änqef dtjuttifttcv , Ängettagter) bcr 
neueren ©t.^roj.O. fpredjen fieb bie 2Höttoc S- 37. aucJ; ätjulict" ö. ajötbernborf j üt »ugöb. 
ÄUg. Stj. Ib7l) Dir. 326. ®. 4974. 



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Die (intttürfc btt b&tnfd^ext Suftijgefelje. 

gencn Xljai, wobei eoent. bie legte §anbluna in Betracht fommt ober oor einem 
ber mehreren an fich competenten fora bie &erhanblung erfolgen fann. (§. 62.) 
Sin S3orb eines bänifeben 6cbtffeS ober oon ber 3Jcannfdwft beffelben begangene 
«erbrechen werben abgeurteilt, wo baS Schiff bei ber 9iücffcl)r löf^t ober 
labet. (8. 63.) S3or bem ©ertöte beS 23ejirfS, in meinem ber 2tn$uflagcnbe wohnt 
ober, o|ne Söohnung im Sanbe, fiefa aufhält, ober, falls er nicht im fianbe be* 
troffen wirb, beS lefeten 2öofm* ooer Aufenthaltsorts fönnen oerfolgt werben 
1) bie oor bäniftfe ©erichte gehörenben, außerhalb beS ÄöntgrcidjS begangenen 
Verbrechen, 2) Sachen, bie oor ben ^olijeianwalt gehören unb StntragSbelifte, 
3) anbere Serorechen, wo bie Seoingungen beS §. 62. fehlen. S)änifche, im 
2luSlanbe anfäffige erterritoriale Beamte unb baS ©efanbtfcbaftSperfonal gelten 
in Äopenhagen anfäffig, wenn fie feinen anbem SBobnfifc im Sanbe höben, was 
auch flilt bei bänifeben Unterbauen, bie nach Verträgen nicht an ihrem je&igen 
ober früheren SBobnftfce oerfolgt werben fönnen. (§. 64.) 3n lederen %äutn 
fann auch baS forum deprehensionis jur Slnwenbung gelangen. 3n bringenben 
gäHen fönnen oorläufige ©abritte auch oon an fiep nicht competenten Unter* 
gerieten oorgenommen werben unb fönnen bie höheren ©erichte Abweichungen 
befchliefjen, wie auch bie Parteien bei ^rioatanflagen. (§. 67.) 

2>aS ©eridjt urtheilt oon SlmtSwegen, ob bie Sache oor baS jufiänbige 
forum gebracht ift. SBct ber t §auptoerbanblung unb ^rioatanflagen fann 2lo* 
weifung wegen Unjufiänbigfeit nur gefchehen { wo oor SBerlcfung ber Slnflage* 
fdhrift ober SluSloofung ber ©efehworenen (Smfpruch erfolgt, welcher wegfällt, 
wenn ber 2lngellagte früher baut ©elegenheit hotte. S3orunterfuchung , jowic 
fonftige ^rojcfchanblungen aufeerfjolb ber öauptoerhanblung, oorgenommen feitenS 
eine« incompetenten ©erichtS, fmb beSljalb nicht ungültig. 3 lin fö cn mehreren 
fompetenten fora hat ber 2tnfläger bie SBabl $or bem ©ertchte, baS bie 33er* 
folgung juerft einleitet, fann bie Sadbe an ein anbereS ©eridht übergehen, wenn 
in einer Sßrtoatanflageiacbe ber Slngeflagte einwilligt, bei öffentlicher Slnflage baS 
©eridht auf Antrag beS 2lnflägerS wegen 3 c ^gcu u. bgl. bicS swecfmäfetg erachtet. 
Ueber Bereinigung mehrerer 6traf fachen ©erhalten fich §§. 70—75., über 
Rechtshilfe §§. 76—78., über StuSfcblufe ber Oeffentlichfeit 8§. 79—82. (hierbei 
werben in gewiffen fällen jwei ©erichtSjcugen jugejogen ooer befttmmten $er* 
fonen ber Zutritt bewilligt). ®ie SitJungSpolijci betrifft §. 83., ben Inhalt ber 
^rotofoüe §§. 84—90., bie ©erichtsfprache unb $olmetfcber §. 91., bie Au- 
fteilung ber Labungen, (Sinrücfung in Leitungen §§. 93.— 104. @S folgen Sc* 
frimmungen über ftetS mit ©rünben ju oerfeljenbe llrt heile ((Srfenntnttfe) beS 
urtbetlenbcn ©ericbteS („©ommo" genannt), oon benen gewiffe (Sntf cheibungen, 
j. f&. beS UnterfudhungSrichtcrS betr. Slbwcifung ber beantragten 33oruntcrfua)ung 
ober ber Slbweifuna, beS Antrags ber SSerweifung 3ur ßauptocrhanblung feitenS 
beS ©erichtcS, fowte Wchlüffc über Serhaftung, ^auSfuchung u. f. w. als eben* 
falls ju begrünbenbe „ßjenbelfer" gerieben werben '), gegenüber ben jahlreicheu 
Sefchlüffen mannigfaltigfter 9lrt („Seflutninger"), ogl. 3ttottoe §. 57. ff. 
£>ie geheime 2lbftimmung erfolgt naa) bem 2)ienflalter, baS jüngfte s JJtitalieb 
frimmt juerft.') §. 106. entfpricht im ©anjen §§. 197. 198. beS beutfehen 
©. Serf . ©. 



l ) Dtcfc Untertreibung ift nidjt neu. »gt. 3*>fen 1. r. @. 85. 
») 2>ie entqegengcfefctc Seftimmunq fceS §.19. Bjtett. et.^toj.O. tabclt öcoct in Revue 
de Gand VI. 374. 



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gg 2>te Cfntoürfc ber b<inifd}en Suftiagefefce. 

» 

2. giftnitt 

SSon 3roangS* unb SeroeiSmitteln. . 

1. 2)ie Seftimmungen übet 2)urd)fudMng oon SBofmimgen, 9täumlicbfeiten, 
^erfonen unb papieren (§§. 112—124.), foroie über $Befd)lagnabme (§§. 125. 
bis 128) jetgen baS JBeftreben, fo wenig roic irgenb mit ben 3roecfen beS ©traf* 
oerfabrenS oereinbar, in baS <QauSred)t, bie perfönlicbe $reibett, ßigentbum u. bgl. 
einzugreifen. $)urcbfucbung oon gtauenSperfonen foU unter «eaebtung ber 
©cbambaftigfeit, nötigenfalls unter 3ujiebung ehrbarer grauen unb bann obne 
Slnroefenbeit oon 2J?ännern gcfdt)eben, foroeit nid)t bamit oerbunbene 2lugenfdjcin£* 
einnähme bieg forbert. ©egen fiefctereS fpradt) ftcb jüngft aud) SSargba, 33er* 
tbeibigung ©. 515 aus. 1 ) UebrigenS fotien bie bei ber Äopenbagencr @ntbin* 
bungSanftalt angepeilten Beamten, ©ebienftete, £ebeammen betr. ©<$roangerfcbaft 
ober (Sntbinbung bafelbft, foroeit nt du bureb baS ^euanin gerabe bic Söbtung 
ober fonftige ftrafbare §anblung gegen ein Äinb aufgeftärt roerben foU, oom 
«Jeugniffc befreit fein (§. 130. 3.) engere ©renjen als §. 90. @t. Sßroj. D. 
jtebt §. 122. binftcbtlid) ber Sefcblagnagme oon Jsbrieffcbaften unb Xelegrammen. 

2. 3 c ug.nifj. 2öem etwas über ben ©egenftanb ber Unterfucbung bc* 
fannt ift, ber ift jeugnifepfltajttg, roaS aud) für ben einen ©rfafcanfprud) neben 
bem öffentlichen 2Infläger ^crfolgenben gilt. befreit finb aujSer ben genannten 
^erfonen: 

1. bie ©eiftlidjcn ber ©taatSfirdjc unb anerfannten religiöfen ©efcUfdt)aften 
betreffs beffen, toaS ibnen bei ber Seilte') ober im Uebrigcn in ber 
(Sigenfcbaft als ©eelf orger anoertraut mürbe; 

2. Skrttjeibiger betreffs ber in biefer @igenfd)aft empfangenen Sflit* 
tbcilungen. 

SOSilligt ber ju ©ebeimbaltung 23erecbtigtc ein, ober ift fonft flar, bafe 
3eugnifjablegung feinem 2öunfd)e nia)t roiberftreitet, fo finbet btefelbe ftatt. Söcr 
oon Begebung eines SkrbrecbenS 3Jiittl;eilung machte, fann jur eiblicben <&rf)äu 
tung ocrbaltcn roerben, um ju oerbinbern, bafe Unfdnübigc oerurtbcilt roerben. 
£>en Beamten fann im ^ntereffe beS ©taatcS für öffentliche Angelegenheiten 
3eugnifeablegung oom betr. aJMniftcr oerboten roerben. 3eugni| fönnen oerroct* 
gern unb finb hinüber ju belebren: 

1. roer bamit ftcb ober eine ber 9br. 2. crroäbntcn ^erfonen ber Sefrrafung 
ober ©ajanbe ober febroerem SSermögenSoerluft auSfefcen mürbe; 

2. ber (Sbeaatte, Gltern unb Äinber beS 2lngeflagten; 

3. in ^rcfjfacben, roer felbft bie &erantroortung übernehmen roill ober roenn 
3 3)?onate feit Scfanntmadjung beS ©rfcbeinenS ber ©ebrift in einem 
öffentlichen Statte oer hoffen finb. 

$)te ^erfonen, welche, roenn überhaupt ocrnebmungSfätjig, nur itttciblidt) 
oernommen roerben bürfen, giebt §. 140. an. 2ln ©teile beS (SibeS treten in 
beftimmten fällen anbere 33etbeuerungSformeln. S)ic Söeeibtgung erfolgt gc* 
roölmlicb erft in ber ipauptoerbanblung unb jroar oor ber SluSfage, wenn nicht 
baS ©eriebt erft fpätcr barüber befcbltefjen roill. Außerhalb berfelbcn beftimmt 
baS ©criebt, ob fie oor ober nacb ber 2luSfage 511 gefdjehen bat. Sßor ber 
2luS[age fdjroört ber 3euge: r ,bie reine 2Babrf>eit fagcii unb nicbtS jur Ruf- 



•) 9Jg(.baä»on fiolhenfcorff tn f. $antbud> I. ®. 325 citirtc belgifcfie CS. ». 20. Äprit 1874 
urt. 25. (Annuaire IV. 419.) 

3 ) 3)te »eftimmung im D. L. 2. 5—20. roar nur für ^rotcftameii gegeben. Obige gilt 
für Äatbotiten, ta fattifd) »cnigjien« tic t>rote[tantif*c Ätrdjc tie »eiebte hidjt mcb.r tennt, 



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3>ic Sntofirfe ber bfittifäen SufHagefefce. 39 

flärung bcr ©a*e ®ienli*e$ t>erf*roeigen au tooHen" — na* berfelben, „ba& 
bic Auäfage gan* unb coli roa&r unb nt*t3 r>erf*roiegcn ift." $>er 9ti*ter 
fd^ärft bie fieiligteit beö @ibe3 ein unb be3ei*net bie gefe|jli*en Strafen. 2)ie 
geugen roerben au* na* Umftänben befragt, welche auf ifjre ®laubroürbigfeit 
©influfj ^aben fönnen, namentli* über SBeftrafung, unb wirb befonber« beamtet, 
ob 3*uge auf eigene SBabmebmung unb (Srfafjrung fi* flü^t. Ungcborfam beS 
3eugen jicfjt $aft na* fi*, bis er fiel) gefügig jeigt, bö*ften£ aber bis $u 6 ÜJto* 
naten 1 ), auf einmal ober im ®anjen. (§. 145.) Allgemein wirb Ungeljorfam 
gegen SJorlabung, neben ©rftattung§pfli*t ber Unfoften, mit 20—200 Stv. ©träfe 
geafmbet, in 3urnfn*en btjS 400 Stx., nötigenfalls au* fofortige «orfi*rung 
anaeorbnet. SCuf grofje Entfernung rairb bie nötige $ücffi*t genommen, $er 
«poltjeianroalt fann ju unbeeibigt abjugebenben (Srflärungen unter Slnbrofjung 
oon ©clbftrafc bis ju 4 Är. oorlaben. 

Heber ben ri*tcrlt*en Augenf*em unb ©a*ocruanbige fyanbeln bie 
§§. 148—165.; »eflimmungen, wie fie bie beutf*e ©t. ^roj.D. §§. 87—93. 
giebt, finb befonberen ^nfrruftionen oor behalten (ÜJtotioe ©. 75). Sei förper* 
lieber 23efi*tigung einer tfrauenSperfon bej. ©*roangerf*aft unb ©eburt treten 
an ©teile ber £ebeammen nur bann 2lerjtc, wenn jene ni*t bic nötigen Kennt- 
niffe fjaben, um bie betr. $rage au beantworten. (§. 152. a. ©.) 

3. ÜDtöglicbft geringe ftreibeitSbef*ränfung bejraecfen, na* An- 
leitung ber SBerfaffung, bie§Borf*riften über oorläuftgcgefrnabme („2lnbolbelfe") 
unb 33erl)aftung, Jpaft, Unterfu*ungSf)aft („pngSUng") in ben §§. 169. bis 
196. eoUuftonSfjaft , ) ift ermähnt (§. 183,3.), aber mögli*ft balb aufju* 
beben. (§. 189.) ftreilaffung gegen Kaution fann m*t ftattfinben bei ju 
befür*tenbcr Golhifion; eS foU oon $aft Abftanb genommen roerben, wenn 
Kaution binrei*enb roirtfam erf*eint, um auf Befolgung oon sßorlabungcn u. bgl. 
redpnen m bttrfen. ©ie raub beftcllt in baar ober in SBertbpapieren ober bur* 
felbflf*ulbnerif*e $ürgf*aft jroeier anfäffiger Bürger. 2lu* eine oerfallene 
Kaution fann ganj ober tbeilroeife roiebercrlangt roerben bur* ©tellung beS SBor«* 
gelabencn innerhalb 14 Sagen ober SJtittbeilungen, roel*e jur ^erbaftung beS 
Ungcborfamen ffibren. (§. 193.) ^erfonen unter 18 %a\)xtr\ fönnen geeigneten- 
falls unter 3luffi*t juoerläffiger fieute, bcr Gltem ober 9tnbercr, etwa gegen 
6i*erbeitSleiftung, gefteOt roerben, au* 93eroa*ung beS Slngeflagten $u §auS, 
auf feine Soften, na* ©t*erbcitsftellung ^tefür unb Slngclöbntfj bewilligt 
werben; ferner ©eftelluna, cor ^olijei gu bestimmter 3 C * 1 linD 2Jef*laglcgung 
auf ^Ja§ ober anbere üegttimationÄurrunben oerorbnet roerben. (§. 190.) 

S3ei Ianbgerid()tli*en, jur ^auptoerbanblung geroiefenen ©acben fann Gut* 
roei*en beS 3lngeflagten auf Antrag be« 2lnfläger3 unb na* Anbörung bcö SBer* 
tbeibtger« aur SJermögenÄbefdE/lagnabme fübren, bic aber le^troillige Sötllenä* 
beftimmunaen ni*t audf*liefet unb bej. i^rer 9öirfung gegen gutgläubige 
5Drittc na* ben cioilprojefiualif*en 9^orf*riften über Slrreft beurteilt roirb. 

3n Abroefen^eit beS Slngeflagten fann geroöbnli* ^auptoer^anblung ni*t 
flattftnben, roobur* aber ©*ritte gegen 2Ritangeflagte unb nötbige Seroetöauf« 
nabmen ni*t gebinbert roerben. 3 n oor ben ^olijeimeifter geroiefenen 
©a*en unb bei ÜJrioatanflagefacben fann fie ftattfinben, roenn nt*t ber 9li*ter 
perfönli*c Slnrocfenbeit für nötbig era*tet. (§. 200.) 

4. 2)a5 Scrljör beS Slngeflagten (§§. 201. ff.) fott i^m ©ctegenbeit 
geben, fi* über bic gegen ü)n erbobenenen ©ef*ulbigungcn unb 5öciocifc au?5u^ 



') ®cgcn "biefe „dur<5c oxcc«sivo de six mois" tgl. Qftepcr in btt ßevue de Gand VI 383. 

J ) ®egcn (SoÜufiDnSbaft: aJarglja, »erttjcitigunci 8. 3#>, öeinje, im ©criebtöfaat, 
XXVn. »eilagefceft - «udj gegen §. 1*3,4. u. §.'l7f>,4. ter Ocfter. @L liroj. O. «viirtc 

man ftcb ©argba (©. 372) erflären t&mien. 



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90 2>« Cnöoürfe ber bänif&n ^uftiigef^c. 

fpredjen, betreff enbenfallS auf einjelne fünfte gerid&tet werben, nicht ober auf 
©efiänbnife abjielen, nod& ujn ju naajtt)eiligen &eu&erungen burdt) Verfpredfjungen, 
Sügen u. bgl. oerleiten. Ueber bie Veantwortung ber einjelnen fragen barf 
fidt) ber 2lngeflagte nid^t mit bem Vertbeibiger beraten. (§. 204.) 

3wangSmittel finb oerboten unb wirb auf bie Solgen etwaigen Unge^or* 
famS bingewiefen. (§. 205.) Slud) ber ^rioatantläger rann abgehört werben unb 
gilt als bie ©ad&e fallen laffenb, wenn er obne @ntfd)ulbigung ausbleibt ober 
tief) weigert, m antworten; fall« Verlwnblung ber ©adje überhaupt fner auläffig, 
fann bei Verfolgung eines ©djabenSertafceS im »valle beS UngeborfamS beS 35er* 
lebten ber Siebter bicS auf bie für ben Slngeflagten günftigfte SBcifc nuslea.cn 
unb namentlich fid) an beffen 2luSfage galten. (§. 20(3.) Vefdjlagnabme Tür 
Sofien unb ©drjabenSerfafc, fowie oorläuftgeS Sßerbot gegen «ereine unb Ver- 
breitung oon Schriften regeln bie §§. 207—210. 



3. Kiftnttt. 

Vorerfjebungen, Vorunterfud&ung. 

$ie §§. 211—226 ^anbeln oon ben Vorerfjebungen . ^adfjforfc^ungen, 
Grmittelungen unb entfpred&en im ©an$en ben §§. 158—168. ber beutfc|en 
©t. ißroj. 0. 

©ericbtlidjje Vorunterfudjung finbet nid)t ftatt bei ©a$en, bie oor ben 
^olijeianwalt gehören, unb bei ^refefaa)en, im Uebrigen nur auf Slntraa unb 
falls eine beftimmte Herfen angeflagt wirb, ©er 2lntrag get)t aus oom ^lolijci* 
anwalt auf eigenen Antrieb ober jufolge Vef$lufj beS Staatsanwalts ober oom 
Staatsanwalt, wo er an ©teile beS ^oliaeianwaltS tritt (mit Billigung beS 
SuftijminifterS). 9ßotf)wenbige ©dbritte gegen einen 93erbäc|tigen als Anfang 
einer Vorunterfudtjung fönnen in orängenben fällen obne Antrag oorgenommen 
werben unb wirb ber ^olijeianwalt befragt, ob er Vorunterfudlmng beantragt. 
§. 229. erinnert an §. 178. b. beutföen 6t. ^roj. 0-, §. 230. an §. 188. 

Vcjüglidj ber weiteren ©d&ritte liegt ein 2)?cl)r DeitS* unb 3Jfinber* 
IjeitS* Antrag oor (§. 231.): 3ener geljt batjin: 

„2Bo ber Antrag auf Vorunterfudmng angenommen tft, t)at ber 9Uct)tcr 
oon AmtSwea,en obne weitere Anträge mit möglicher ©cbnellia,feit 
alle jmetfmäfeigen ©dritte oorjunebmen unb alle gefefclicij juläfftgen 
Drittel jur Grreicbung beS 3 roc dfS ber Vorunterfucfjung anjuwenben. 
Sie Parteien finb berechtigt, einzelne UntcrfucbungStjanblungen $u 
beantragen, worüber ber Stifter entf Reibet; bei Verweigerung burd& 
„Äjenbelfe". 

„Auel) aufjer ben AuSnalmtef allen, wo ber ©taatSanwalt oor bem 
Unterfucf)ungSricf)ter Hagbar wirb, fann er Anträge an benfelben 
fleUen." 

SDer 9Winberl)eitSantrag fud&t baS aceufatorifa^e ^rin$ip ftrenger fefi* 
jutjalten (3Rotioe ©. 41, 99 ff.) unb lautet: 

„betreffs ber nott)wenbigen ©abritte befcpc&t ber Stifter. gewöhnlich 
in $olge Antrags ber Parteien. $er ^oujeianwalt tjat beSljalb fein 
Vegehren betreffs Vorunterfucbung mit ben nötbjgcn näheren An- 
trägen bej. Vorlabung oon 3 eu 9 en u - bflt 8U freuen. Aud) aufeer 
ben Ausnahmefällen, wo ber ©taatSanwalt oor bem Unterfud)ung$* 
ria)ter f lagbar wirb, fann er Anträge an benfelben ftellen. 



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Sie (Entwürfe fcer banifätn 3ufhagefe^e. 91 

„Sd&ritte, reelle oon ben Parteien ntd&t in Eintrag gebraut fmb, 
fönnen com 9iid^tcr oon 2lmt3roegen befajloffen roerben, roenn et fie 
für ben 3roecf nötbig f)ält f namentlidf) im ^ntcreffe be£ 2lngeflagten. 

„Srgtebt fid&, bafe bem Antrage feine golge gegeben roerben fann, 
roirb bie3 bura) „Äjenbelfe" auSgefprocben." 
£>ie Sßolijei fjat bie Auftrage beS 9Ua)ter8 auszuführen unb barüber ju 
berieten. 2öirb ber Verhaftete oor ©erid&t oebra^t ober fteüt fto) ein 2lnge* 
flagter freiwillig mit bem 2lnflägcr, fo ift fofort jur Verlmnblung ju breiten, 
fonft ergeben Vorlabungen. (§. 233.) $ie Parteien haben Zutritt &u ben 
Vorunterfud&ungSbftnblungen, ebenfo ber Staatsanwalt unb ber ©efangene, 
falls er im betr. Vejirfe olme befonbere Vefdjroerbe an ben Ort gebraut roerben 
fann. Ausnahmen finben ftatt: 

1. roo ber Siebter gemäfe feiner StfeungSpoli;iei anberS oerorbnet; 

2. roo 2lnroefenf)eit oeS 2lngeflagten bie freie SluSfage einer ^ierfon (nnbern 
roürbe, fann er entfernt roerben, roie ebenfalls 

3. roo er ber Unterfudnmq roabrfdfoeinltcb entgegenroirfen roürbe. 
^ebenfalls mujj ber 2tngcflagte fpäter, roenigftenS bei 2Ibfdf)lu& ber Worunter* 

fu^üng mit bem ^rotofoll befannt gemadfjt roerben. äöerben 33eroeife aufgenommen, 
bie fpater oerlefen roerben foUen, foll er geroöfmlid) jugejogen roerben. (§. 234.) 

555 ie Sßrotofolle fönnen oon allen |^ ntereff tr ten eingefefjen 
roerben, aufeer roo bie ©rünbe beS §. 183,3. bagegen fpred&en, in roeld^em $aüe 
bei Slbfqlufe ber Vorunterfuebung eine 3>urd^fid^t ju geftatten ift. $>ie Vergöre 
unb Vernehmungen erfolgen buraj ben Sftidjter, bem bie Parteien im Slllgemeinen 
roenigftenS bie fünfte flu bejeiebnen höben, über bie einzelne ju berufenbe 98er* 
fönen abgehört roerben fotten: eigene Befragung burch bie «Parteien fann 
lugelaffen roerben. (§. 238.) 

j)ie Vorunterfudntng bort auf, roo ber Staafc8nnroa.lt bteS begehrt, roeil 
bie Sache oor baS erfennenbe ©ertcht gebracht roirb, roobei Slbfdjrtft ber 2ln* 
flagefebrift mit 9iotij ber eingäbe uorjulegen ift, ober roo bie Verfolgung fort«» 
fällt burch fchriftlicbe ober münblicbe ©rftärung. SDer ftaatSanroaltlicbe Vefchiufc 
binbet bie oorgefefcte Veljörbe nicht, bie innerhalb 2 SJtonaten (abgefeben oon 
Sßieberaufnabme) Fortführung oerlangen fann. (§§. 240. 241.) 

SDer §. 243. erinnert an §. 195. ber beulen 6t. sproj. D. $er Staats* 
anroalt ^at nach 2tttttheilung beS 2lbfd)luffeS ber Vorunterfudhuna, binnen 
14 Xagen Stntlagefchrift beim erfennenben ©eriä)t einzureichen, fonft gilt er al« 
auf Verfolgung oerjtd&tcnb. (§. 245.) 



4. Sl&fdjmtt 

1. 2lnflageerhebung unb 3roifchenoerfal)rcn. 

$)er Staatsanwalt bringt bie Sache oor baS Sanbgerid&t mit einer fd&rift* 
lieben 2lnf läge, bie namentlich feine Steuerungen über bieVeroeife gegen ben 
Slngeflagten, noch über bie Rechtsfrage enthalten foll. SDem Vorfifeenben 
rtnb ein Veraeidmifj ber VeroeiSmittel (in 2lbfäjrift für ben Hngeflagten), bie ber 
Staatsanwalt oerroenben roill, mit Vermerf, roaS fie erroeifen Tollen, unb bejüg* 
liehe Stnträge einzureichen. 

S)er §. 251, 1 — G. jäblt bie ©rünbe auf, bie, roenn eoent. nid^t binnen einer 
$rifi gehoben, ben SSorfi^enben oeranlaffen, mit 2 giid&tem über fofortige 2tb* 
roeifung ju entf Reiben; fonft erfolgt SWitt^eilung ber Hbfd^rift ber 3lnflage unb 
ht& ©eroeüSücrjeiajniffesJ an ben 2lngcflagtcn mit geräumiger $riftanfebung jur 
©rflärung über 2öal)l eines VertbeibigerS unb fonfttge Anträge (auf Worunter* 
fua;ung ober beren Veroollftänbigung, 2lbroeifung, ©efc^roorenenjuäiebung, beab* 



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92 2>«e enteürfc ber b&nifäen SufKjgtfcfce. 

ftd)tigte ^Beweisführung). Sei oerfmfteten 2lngeflagten werben bie Anträge oom 
Unterfud&ungSrid&ter au Sßrotofoll genommen, nad)bem fie über ifjre IRcd^tc belehrt 
finb. (§• 254.) 

®a$ ©eridfjt entfd&eibet fobann in nid&t öffentlicher Si&ung, ber bie 
^ntereffenten anwofjnen fönnen, unb ju ber ber 2terbaftete 311 Sßrotofoll 2ln* 
trage fieüen tonn, über 9totf)wenbigfeÜ einer Söoruntcrfucfyung, SBeroollftänbigung 
berjielben, um jeben Sßerbadjt $u entfernen, fowie Slbweifung oon AmtSwegen, 
ferner über Antrag ber SBerweifuna oor ©efd&worene gegen bie allgemeinen 
SJorfdjriften ober wo bie« jwifd&en oen Parteien beftritten ober gegen Antrag 
beS 2lnfläger£ entheben werben fofl, enblid^ über anbere Schritte im Sfntcreffe 
ber SeweiSfüljrung, ausgenommen 3eugen* unb Sa^oerftänbigeneinberufung unb 
brängenbe ÜHafereqcln. (§§. 256. 257.) 

Söirb bie ©a<J)e jur SBorunterfud&ung oerwiefen, fo ift eoent. bie 2ln* 
flagefdfjrift gu ergänzen (§. 258.); SBerweifung jur §auptoerlmnblung fann 
ganj ober tljetlwciie oerweigert werben. (§. 259.) ftür bie $rage ber (Sinbe* 
rufung oon ijeugen ßtebt §• 260- ©end)tSpunftc an bie $anb, unb fann biefelbe 
oon 6id&erf)ettgbcftellung für bie Unfoftcn abhängig gemalt werben. $ie *8er* 
weifung ber 6adjc jur £auptoerf)anblung wirb auf bcr Anflagcfd&rift oermerft, 
unb treten bamit beftimmte folgen bes SlnflagcjuftanbeS ein. (§.261.) 2>ie 
Anberaumung be£ Dermins gefd)tef)t mit möglicher Ötütffidjt auf ben Angeflagjen. 
Söenn bei ber £auptoerf)anblung fid) 2Jtoterial für eine neue Anflöge ergiebt, 
fann baffelbe mit ocrtjanbelt werben, wenn bcr Angesagte unb bcr befieUte 93er* 
t&cibiger barein willigen ober bie betr. Ztyat in bcr ©ifcung gefdjcljen, unb bas 
©erid)t fonft fein ^inbernife oorlicgenb eradjtct. (§. 266.) 

SBeränberungcn in bcr Anflaae, welche nid)t in einem wcfentUdjen ©rabe 
bie SSertbcibigung oeränbern ober crfdfnoeren, finb juläffig oor Fällung bcS Urteil 
ober Stellung bcr fragen an bie $uri;. Anbcre Aenberungen bej. beS redf)tUd[jen 
ßljaraftcrS ober befonberer Umftcmbe ber $fmt finb juläfftg nur 

1. wenn fie oor ber Skrweiiung $ur £aur>tüerf)anblung erfolgen ober 
wenigftenS biefe babura) ntdjt oerjögert wirb, 

2. ober wo neue 33eroeife ober ftafta gegen ben Angesagten ju £age ge= 
fommen, meldte Anlafe jur SBieberaufnalmtc bieten würben, wenn Die 
6ad>e fallen gclaffen würbe. (§. 267.) öicr fann ber Angeflagtc auf 
AuSfeJsung oerjtd&tcn (§. 268.), unb fann bei SBermutlmng, bafe foldje neue 
Söcwcife erbracht werben fönnen, auf Antrag be£ SHnflägcrö bie 6adt>e jur 
$8oruntcrfud)ung aewiefen werben (§. 269), wie aua), wo bieS ju 
©unften bcö Angesagten ausfiele. (§. 271. cfr. 3)iotioc 6. 115.) 

üöegcn cor bcr £>auptocrImnbliutg befanut werbenber neuer Seweife ober 
ftafta fann nodj) nadjträglidf) $ortgana, bcr 6ad)e oerweigert werben (§. 270., 
SDfotioc 6. 1 18.) 3ür beugen, bie nad) (Stnrcidjung ber JJcugenliftc geforbert werben, 
giebt SBerljaltungSmaftrcgeln §. 273., für AuSfefeung oer 5Bcrf)anblung §. 274. 

2. Allgemeine SBcftimmungeu über bie ^auptoerl;anblung oor 

#anbgcrid)t. 

2)ie §§. 277. ff. treffen Seftimmungen über bie ^erfonen, weld()e bei bcr 
Öauptoer^anblung zugegen fein müffen, über GrfoferidUcr, ®eria)tSfa^rciber, s Jted^tö* 
anwalt unb ^ert^eibiger. 3« 2lbroefcnl)cit bcö lutgett fann bie Sacfye nur auS^ 
naljmjSweife oerl;anbclt werben, bei (irfranfung bcffelbcn nur, wenn ^eifpred^ung 
sweifcllo* ift; oorbcljaltcn ift jettwetfc Entfernung beffclben auä bem 6i^ung§- 
faale (§§. 282. ff.) 2)ie <pauptoer^anblung ift münblia); fa^riftlicije 2luf3eidhnungcn 
finben ftatt; für SluSfagcn ift freier Vortrag oorgefcljricbcn, aufjer ba3 ©efe^ 
geftatte ^öorlefung. (§. 287.) 2)cr 3Jorft^enbc erteilt ba3 3Sort unb entjicljt 
c^; betreffs ©djluB ber S3cweiSaufnal)mcn im ©anjen ober in cinjclnen fünften 
ober Sieberauinaljmc wirb bcfc^loffen. (§. 288.) Kommt Slbwcifung ober 2(n* 



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2>ie entwürfe fctr Wniftfen ^ufrijgefe^e. 93 

flageberecbtigung in $ragc, fo fönnen bicfe fünfte befonberS jur fttage »erftellt 
werben. (§. 290.) 3)aS ^er^ör beS 2Ingefl. gefd&iebt burdj öen ^orfifcenben, 
bodj fönnen Üticbter, ©efdnoorene, 2lnf läger unb $ertbeibiger fragen an ibn 
beantragen, bie erfteren, naa)bem fie bog äöort baju erhalten, btreft fold>e an 
ibn ober bie B cu 9 cn oocr ©adwerftänbtge ftellen. $ie Setoetöerbebung tft ju* 
näcbft 6ad>e ber ^arteten; niebt gelabcnc 3 eu 9 en fönnen, abgefeben oon §. 273., 
oerbört werben, bod) olnic ^intprud) auf [iaatlic&e ©ntfd&äbigung fettend ber fie 
oorfübrenbeu gartet, wonad) bie ©egenpartei fie befragen fann. 60U auf 99c* 
gebren einer Partei Berufung oon ^ofumenten unb 2lftenftücfen erfolgen, fo 
entfdjcibet ber 33orft^cnbe, ob fie burdj bie Partei ober ben ©ericbtSfcbreiber gc* 
febeben foll. (§. 21)3.) Unjuläffigc JragftcUungen werben gebtnbert unb tritt ber 
iBoriifcenbe ein, wo e8 bie ferforfa^ung ber ^äa^r^eit obe*ba$ 3 n tereffe beS niebt 
oertbeibigten Slngefl. erbeifa)t (§. 294.) söom ©ertebt ober 00m Sorft&cnben gc* 
labene Beugen unb eadwerfianbige werben 00m SJorfi&enben oerbört, wenn er 
bieg niebt ben Parteien überlaffen will. 3n jenem ftalle fönnen befonbere fragen 
beantragt unb mit feiner ©enebmigung geftellt werben. 3 c ugen unb Sacboer* 
ftänbige bürfen bem Slngefl. ober fonftigen ^erfonen fragen nid)t ftellen, aber 
fie bürfen beantragen, bafe fie felbft ober anbere Beugen ober bec SlngefL über 
angegebene fünfte befragt werben, um itjrc 2luS!"age ju ergänzen ober 3U beridjtigen, 
ober über fünfte, bie rür ibre 2lu$fage oon äüicbtigfeit finb. (§. 297.) $)ofu* 
mente, welche bei ber Xtyat in ibcfcblag genommen ober bcroorgcbraa)t ober jur 
2lu3fübrung gebraust ober beftimmt gewefen fein follen ober wclcbe unmittel- 
bare Slufflärung über bie Xtyat ober baS ^erbältnifj beS Slngefl. $u ibm geben, 
finb ju oerlefen, wo bie Seweiäfübrung bieS erforbert. 

6cbriftftücfc unb Sitten, welcbe (Irflärungen ober 3cugniffe entballen, finb 
gewöl;nlicb niebt als SBeweüSmittel ju oerwenben, ausgenommen: 

1. ^rotofotle über §au£fucbung, $Jcfd)lagnabme, 93cficbtigungen, ©utaebten, 
aufgenommen aufeerljalb ber .^auotocrlmnblung; 

2. bem ©eriebte eingereihte ©utaebten unb 2lugenf dbeinäprotof olle ; 

3. (Srflärungcn be$21ngefl. in ^ßrotofollen, wenn er fieb weigert, ju ant* 
worten ober feine jefcige (Srflärung oon ber früberen abweist; 

4. irtlärungen ber Beugen, ©acboerftänbtgen, falls biefe oerftorben ober fonft 
niebt oon Beuern oernommen werben tonnen ober oon früberen abweiden 
ober fie fieb weigern, auSjufagen, naebbem3wang8mittelfrucbtlo$ gewefen; 

5. (Srflärungcn unb Bcugniffe in amtltcber (Sigenfdmft, barunter 2lu3$ügc 
über frühere Sefhafung beä Slngeflagten. 

2öa£ bei Siorerbebungcn protofoüirt worben, fann als beweis benufct 
werben, wenn ber Sluffcgub bü& jur 2lnbängigmacbung ber Sadje gegen ben 2ln= 
geflagten ben ^erluft oon Scmctemitteln b^beigefübrt bätte ober ber Slngctl. 
in beren Söenufcung eingewilligt bat ober einwilligt. (§. 298.) SSerlefung früberer 
(abweiebenber) 5lu£fagen gefcbieljt, naebbem bem «ctreffenben ju oouftänbiger 
s Jluäeinanberfc&ung ©elegcnbeit gegeben ift. S)er ©runb ber SBcrlefung foll com 
sßorfifeenben erflärt unb orotofollirt werben, wie aud; h\i oermerfen ift, ob eine 
Beugen* ober eacboerftäubigenauSiagc beeibet würbe ober nidjt unb ledere« wejj* 
balb. (§. 299.) 

®ie Parteien fönnen angemelbetc 53cwcijSmittel mit Einwilligung ber ©cgen^ 
partei faüen laffen, waö ba« ©criebt ntd;t binbet. (§. 301.) 

Ueber bie 2lu£fagen fönnen fieb biefclbcn äufeern, unb bat ber Hngeflagte 
flet« baö le^tc Bort. 

3)ie ^»auptoerbanblung fcbliefet mit bem auf 3lbtoeifung, gttityrcd&ung 
ober üerurtljeilung lautenben (Srtenntniffe gemäb freier iÖcroci$tl)corte. 3)ie 6aa)e 
gilt gerieb tstjangig, folange bb3 ber SJoUjug ftattftnben fann ober bie 2lften wegen 
eine« 9tecbt!5mittel<8 an ben bödjften ©criebt^bof gefenbet finb. $a§ ©rfenntniö 
wirb 00m SSorfi^enben aufgezeichnet ober in feinem «luftrage oon einem anbern 



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94 $«< fcnttoütfe ber bSnifdjen gufhjgefctje. 

Richter, ofme ber Stimmenabgabe ju ermähnen, fobann oom Vorfifeenben unb 
©erichtsf ctjreiber unterzeichnet unb Detlefen bej. bem abmefenben Verurteilten 
mitgeteilt. Huf Segelten wirb 2ibfchrift erteilt, rote folche« auch ber ©taatSan* 
waltfchaft jugefteHt wirb. (§. 305.) 

2)aS @erid)t fann nur oerurthetlen roegen beS ober ber Verbrechen, bte 
bte Slnflage betrifft, roaS namentlich bej. ber näheren Umftänbe ber #anblung 
unb bc« rechtlichen G^araftcr« ber £hat gilt, roie biefelben bte 2lnflage enthält. 
2lu8naf)men finben flatt: 

1. wenn ba« in Vejug genommene ©efefc ober bem 2tngefl. rechtjeitig mit- 
geteilte Säftenpttcfe ermeifen, bafj ber Inhalt ber Auflage nic§t bie 
wirf lief) e Meinung bcS 2lnf läger« enthält ; 

2. roo bie bemǤlngcflagten jugeftanbene Vertheibigung trofc Slbweidjung 
oon ber Stnflage al« genügenb gelten mufe, fobai oon ber Vejeichnung 
be« rechtlichen GljarafterS ber Zfyat in ber Slnflagefchrift abgewichen 
werben fann; 

3. roo bte Slnflage roeilcr geht, al« ba« Urtel; 

4. roo folche Verwanbtfchaft jroifchen ben Verbrechen, auf roelche 2lnflage 
unb Urtel lauten, beftcht, bafj Verfchtebenheit an unb für fid) feine 
Veränberung in ber VertheibtgungSweife her beifügten fann unb fonft 
nichts oorliegt, was nach bem angegebenen ©eftchtspunfte Abweichung 
au3fchlie|t. (§. 309.) 

3. Vefonbere VefHmmung über £auptoerf)anblung cor ©efdjroorenen. 

$n ^urofachen roirfen nach §• 311. jroölf ©efchroorene mit, eoent. noch 
ein ober jroei (SrgämungSgefchroorene, unb muffen minbeftenS 24 (bej. 26, 28) 
jugegen fein, roobet fooiele oerroorfen werben föunen, als bie S)ifferenj jroifchen 
12 unb ber 2lnjal)l ber anwefenben beträgt (§. 316.). l ) 2)er Vorfifecnbc nimmt 
bte 12 bte ©efchroornenbanf bilbenben ©efchroorenen in Gib mit ben Söorten: 
,,©ie follen geloben unb fchrooren bei ©ott bem Mmächttgen, 2lUroiffenben 
unb ©ereefiten, in ©aehen aegen . . . getreulich unb ernfUich bie Siebten 
eine« ©efchroorenen ju erfüllen, nicht mit einem Snchtgefdjroorenen oor mu 
feheibung ber ©ad;e fich ju befpredjen, nach beftem Vermögen forgfältig bte 
Veroeife gegen roie für ben 2lngeflagten ju prüfen, ohne fich our( i Stecht, 
9Jtifegunft ober ^reunbfehaft leiten ju laffen, olme 9iücfft<ht auf ©unft ober 
©efchenfe, SDcaeht ober 2lnfchen 3hre ©timme allein nach geroiffenhafter 
lleberjeugung abzugeben"; 
roorauf fie bte $anb erhebenb fchrooren: 

„ich gelobe unb fdjroöre eS, fo roahr mir ©ott helfe unb fein heiliges SBort" 
ober fonft gefefclich juläffiae Verficherung abgeben. (§. 322.) 

©obann roirb ber »tageflagte über tarnen u. bergl. befragt, rooran fich 
Verlefung ber Slnflagefchrift unb Verhör beS 2Ingeflagten f cijltc üt . fiegt er ein 
oolIftänbigeS, unbebingteS ©cftänbnifj ab, fann ber Vorftfcenbe, falls nicht Wichter 
ober ©efchroorene fich baaegen erflären, VeroeiSaufnahme fallen laffen (§. 324.). 
©onft werben bie Veroeife oom 2lnflägcr, oom 2lngeflagten unb feiten« be« ©e* 
rieht« oorgefüfjrt, worüber jebe«mal ber 2lngcflagte ftd) äußern fann (§. 325.). 
s Jtach ©djutf} ber VeroeiSaufnahme nimmt ber Slnflägcr, bann ber Verthetbtger 
unb Slngeflagter baS SBort, um fich «ber ba« 9tefultat unb bie Rechtsfrage 
ju äufjern. £>er 2lnfläger bat bem $3orfi&enben einen fchriftlichen Entwurf ber 
fragen oorjulegen, bie ber ^urn gefteUt werben follen; berfelbe wirb ber ©egen» 
partet $u ihrer fpäteren Grflärung mitgetheilt. (§. 327.) 



4wnt)bu(l) II. 120. 9lotc 11. 



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3Me (Sntwörfe ber MnifAen 3«ftÜgef«öe. 95 

9tacf>bem bie Berf>anblung awifchen bcn ^arteten gcfd^loffen, fefet baS ©e= 
riebt (oorläufig) bie ber 3uru ju fteHenben fragen feft; btefelben werben aber 
erft Detlefen nach ©dilufj beä 9t6fmn63 be8 Borftfeenben unb fönnen juoor einer 
erneuten Prüfung oom ©ertcht unterjogen werben, $n Böllen, wo bie Stag* 
fteUung bcfonberS fchmicrig erfcheint, ift Befchlufi (Kjenbelfe) bariiber ju faffen 1 ). 

9iad) fteftfefeung ber fragen ergreift ber SBorfi^enbe ba£ 3öort. @r fiteilt 
bie ^auptpunfte ber Berhanblung jufammen unb entwicfelt bie in Betracht fontinen* 
ben ÜiechtSfäfee. Sludtj foll er, wo bie Beweisführung baju Slnlafj giebt, 
bie Slufmerffamfeit ber 3nro auf folcfjc fünfte lenfen, bie und) Erfahrung bei 
Prüfung be« ©ewichtS ber SÖerocifc in Betracht fommen, bodfj ^iebei auSbrücflich 
bemerfen, bafj bie 3uro felbftänbig unb auf eigene Beantwortung 
ju entfehetben ^at, ob bie fünfte, welche er bejeichnet fyat, im oorliegenben 
AflUc von SBichtigteit ftnb unb tu e l dj c j5 ®e wicht jum Schaben ober Bortheil 
be3 Sngeflagten ben betreffenben Beweifen beizulegen ift. Diefer Vortrag 
barf nicht unterbrochen werben. (§. 328.)*) 

S)ie ©efchworenen werben in ber ftragefteHung befragt, ob ber Slngeflagte 
bc£ (ber) Berbrea)en fchulbia. ift, wegen bellen (beren) bie Slnflage in gefefclidier 
/)-otm erhoben ift. Wcwöljiilid) foll ber Inhalt ber fragen nicht weiter erjtrccft, 
noch enger begrenzt werben, als fich au£ ber Slngabe ber Slnflage ergiebt, in 
faftifäet wie restlicher Beziehung, aufeer 

1 . eS liegen Umjiänbe oor, welche ein oon ber Slnflage abweichenbe* Urtel 
begrünben, 

2. ober wo zufolge ber Beweiserhebung notbwenbigerwetfe mehr 3)ierfmale 
Zur Bezeichnung ber angetdnilbigten Xhat, als in ber Slnflage gefchehen, 
aufgenommen werben muffen. (§. 329). 

3Me ©efchworenen höben zu entfd>eiben, ob allgemeine ober befonbere 
StrafauSfchliefeungSgrünbe oorhanben ftno ober gefefelidtje ©trafmilberungS* ober 
(SchärfungSgrünbe (wenn bie Slnflage foldje erwähnt), niebt bagegen (abgefehen 
oon Slnflagebercchtigung) 1. über Verjährung, 2. über bte gragen ber §§. 7. 
unb 58. etrafgefeö, 3. Stüdfaü*. 2Bo bei 3Rr. 1. unb 3. ber 3eitpunft ber 
unter Slnflage geseilten Xhat in Betracht fomrat, entf Reiben fte bie betr. 
Srage. (§. 330.) 

6ie haben nid>t ju entfeheiben über Borhanbenfein oon Umftänben, 
bie bei ©trafbemeffung innerhalb beS gefefelid>en (Strafrahmen« in Betracht 
fommen, auch nicht in ftäUen, wo baS ©efefe wegen erfchwerenber ober mit* 
bember Umftänbe, jeboch ohne nähere Bezeichnung berfelben ober lebiglid) 
unter Slngabe einzelner Beifpiele bie ©renje für bie ©trafauSmeffung erwettert 
hat. (§.331.) 

SHe Hauptfrage gebt auf: 3fi bet Slnaeflagte fchulbig? unb ift mit be« 
jahenber Slntwort entfebieoen, bafj 6trafau£jchlte§ungSgrünbe nicht oorliegcn, 
aufeer es h a0 * Da ^ ©cricht btoüber nach §. 330. $u beftimmen. 

3ur Bezeichnung beS Berbredt)enS wirb bie im ©efefee gewählte Bereich- 
nung gebraucht ober fonft oerwiefen auf bie betr. Bejhmmungen, wobei bie 
im ©efefee enthaltene nähere Betreibung in bie grage aufnehmen ift. (§. 332.) 



>) Die au8Wr«ngeii ber SRotiM in biejer Siebte, wie tbenfo bie über 8tnflageerb,ebnnä 
nnb -»enberung unb bie WedjtömitteUebre, fteflen bte (»lanj^untte tiefet gtofeen öortreff tieften 
«rbeit bor. 

*) 9tatüilid) bin id) febr erfreut über bie neuefte Sebanblung ber bitr üteitig getcorbeneit 
fünfte burd) ßerrn ^rof. @tbütje (im «rd)h» XXVII. 157— 186) unb fcerrn $rof. löieper in 
^otßenborff'8 $anbbud) II. 190., öerroeife übrigen« oud) auf bie @<6rift be« ßerrn tyrof. ©ooS 
Z. 13 ff. unb für ba8 uraflrittene englifeb-ameritanifebe Wecfct auf bte gelegene «rbeit wn 
Proffatt, Trial by Jury, San Franciaco 1877, p. 373—469. 



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96 2>ie Cntoürfc ber bfinifc^en 3uf*i3fltf*1}<- 

©inb bei ber ^Beweisführung Seweife ju £age getreten für Umftänbe, 
bic bie ©traf batfeit auSfdjliejjen, ober benen na$ rDictnung bc£ ©crid)t£ biefe 
$Birfung oieÜeid)t beigelegt werben tann, fo ift barüber eine befonbere f^rage 
als 3ufafefrage julä[fig f wie eine folc^e befonbere grage ftctS bei ftrafmilbernben 
Itmftänben ju ftellen ift auf 2lntrag beS 2lngeflagten ober feinet fettleibiger«, 
welcher Antrag nur mrütfgewiefen werben fann, too baS ©ertdjt erachtet, baft 
btefe Umftänbe gefefolidj feine ©trafmtlbcrung begrünben ober aud) oon %mt&* 
wegen nad) Anleitung beS ScmeiSergcbniffeS. (§. 334.) SetreffS ©traffc&ärfung 
ift ebenfalls befonbere 3ufafcfrage ju [teilen unb jwar ftetS, 100 ber 2lnf läger 
bies forbert (§. 335.); überall ift Ijterbci bic faftiföe ©runblage mitauf$u* 
nehmen. (§. 336.) 

2luS ben nun folgenben SBefttmmungcn mag Ijeroorgcljobcn werben, bafc 
jebc nad)tl)eiUge Beantwortung einer §aupt* ober 3ufa&trage ftetS unb überall 
minbeftenS 8 ©timmen forbert. Ueberjeugen fid& bie ®efa)morenen oon ber 
9!otl;wenbigfeit weiterer $rageftellung, fo ift bie SJerljanbtung aufzunehmen. 

(Sradjtet baS ®ertd)t, bafe ber ^nfjalt eine« für ben Stngcflagten ungün* 
fügen ©pru$S erweift, bafe er auf 9tcdjtSirrtf)um beruht , fo fpri^t eS frei; 
crad)tet eS, bafj bic ferljanblungen nad) (£rfat)rungSgrunbfät}en feine binreidjenbe 
faftifdjc ©runblage ju einem ungünftigen ©prud) ju Sage brauten, fo fann eS 
bie ©ad&e ju neuer £auptoerljanblung uermeifen, in welker ber DberftaatS* 
anwalt bis 3um ^urnfyrud) bic ©aa)c fallen laffen fann — worauf $reifprcdjung 
erfolgt. (§. 350.) fitebei entf Reibet ©timmenmet)rf)eit. Äommt baS ©cridjt bei 
ber neuen £auptoert)anblung einftimmig }u bcmfelbcn s Jtefultat, wie baS erfie 
©eridjt, fo erfolgt ftreifprednmg. ©onft ift baS Urtcl auf ben bem Slngcf tagten 
günftigften Suryfprud) $u begrünben. (§. 351.) 



3üo ©cfd)worcne nid)t mitwirfen, foll, wie in Defterreid) §. 22., bie 
ftrage nad) ber ©djulb als juerft ju beantwortenbe oon ber ©traf frage ge* 
trennt werben. (§. 357.) 



5. fdföiittt. 

lieber baS f erfahren oor Untergertd)t. 

$ür bie Sßcr^anblung oor Untergcridjt gelten mutatio rautandis analoge 
Scftimmungcn. (§§. 359. ff.) $n ©aa)en, bie oom ^olijcianmalt »erfolgt werben, 
fütjrt SluSbleiben beS 2lnflägerS nid)t notljwcnbig aur StuSfefcung ber $auptoer* 
tjanblung. fttnbct ber iHidjter ®runb, bie ©adje Ju oerljanbeln, fo werben bie 
auf Segehr beS 2lnflägerS oorgclabcnen Beugen oernommen. 3f* ber 3lngeflagte 
ausgeblieben unb wirb feine Sinwefcnbcit nidjt für nötfjig cradjtct, fo gilt ber* 
felbe beS SDeltftS geftänbig. 2)er 9tid)ter fann aber 23cweiS aufnehmen, wenn 
er bieS crforberlid; l)ält. 2öill ber 2lngeflagte fid) auf bic gegen itm erhobenen 
Sefäutbigungen nicf>t äujjern, fo fann ber SHidjter biefe al« erwiefen anfeljen, 
wo bic Umftänbe nid)t bagegen fpreeben. Slnerbictet ber 3lngcflagte in einer 
oiclleidjt auf ^rfennung einer 23ufje auSlaufenben ©ad^e, um ber erurtbeilung 
^u entgegen, 3°^ un 9 emet üom 9üt^tcr paffenb cra^teten, fo fann ber $id>ter, 
taHS er an ber ©$ulb beffelbcn $u jwctfeln feinen ©runb fjat, eine foldje ent^ 
gcgcnnc^mcn in oon if)m beftimmten ©ctragc, wobei er unter ben gefe&Udjen 
betrag iKvabudKit tann, fall« ber anwefenbc ^nfläger einwilligt. ©oU ein h iub 
unter 15 ^abren oerurtbcilt werben, feine (Sltern ober Söertreter erflären fic^ 
aber bereit, ibm eine förperlitfce ,güa)tigung }U §auS ju erteilen, fo fann ber 
Stifter, wenn bic Umftänbe bafür Tpredjen, o^nc Urtel bie ©ac^e bamit erlebigen, 



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Sie entwürfe ber bfiniföen Sumwcfctje. 97 

ba& bie 3üchtigung in ©egenwart eine« ^oltjcibcamtcn gefdjehen foU. Slud) ^icr 
ift (Sinmilligung ber ©egenpartei crforbcrlid^. Sei geringeren leiteten fann er 
cS bei Verwarnung bewenben laffen. 3" beiben Jällcn finbet Bennert im 
^rotofoU ftatt nebft SBcgrünbung. 



6. Slbfänitt. 

SSon ben ftechtSmitteln. 

3>cr (Entwurf Reibet f)ier 9teoifion, reelle bie Diichtanrocnbung oon 
SlcchtSoorfcbrirten rilgt — bei ollen lanbgeric^tlid^en Urteilen juläffig — unb 
SHcwfion gegen untergertchtliche Urteile, wo neben jenem ©efichtSpunft ber einer 
gan3 neuen SBcrbanblung oor leerer Snfiana jur ©cltung fommt. ©egen 
„fljcnbelfer" unb „$eflutmngcr" bc£ Unterfudwngj&richtera unb beS urtljcilcnDen 
©ertd)t8 rietet fid> bie $ef erwerbe. 

fyur bie Steoifion lanbgcrichtltcber, [ei c3 mit ober ohne ©efdjworencn' 
jujichung ergangener llrttjeilc, fowie ber S3cfd^lüffc beö §. 35U. feitenä bca ©e* 
ri^tö()ofe35 fmb al« ©rünbe angegeben: 

L $ro*effualtfd)e, unb jwar oorerft 9, benen fidj aU lOter 
anfäUeöt (§. 374): 
„wo in anberen al£ ben ermähnten ftäUcn pro.wiuale ^orfchriften 
»erlebt mürben unb e£ zweifelhaft ift, ob beren Beachtung nidu 511 einem 
anbern 9tefultate geführt hätte." 
^n 3urnfad)en werben baneben 8 befonbere erwähnt unb groat unter 9lr.4.: 
„wo bie 33orfct>rtftcn über bie ftragefteUung unbeachtet geblieben ober 
auf ©runb oon WecbtSirrthum ober in offenbarer SBerfennung ber in 
ber Sßerbanblung Uegenben Momente eine crforberlidje gragefteüung 
unterblieb, fall« nicht ber 2tu3faU beö SuryfprwbcS bemetft, bafc ba3 
2krfcl)cn ol;ne ©influB blieb." 

II. materieürcdftlidje: 5 ©rünbe. (§. 377.) 
Steuiftan im ^ntereffe be3 2lnflager$ fann nidjt ftattftnben wegen 33er* 
Icking oon projeffualtfchen Söorf djriften, bie im Untere jfe be3 ^naef tagten gege- 
ben finb unb umgetehrt. SDer Staatsanwalt fann nur im Sntcrejfe ber Sfaflage 
iKeoifion einlegen. (§. 372.) £5ic SBeurtbcÜung beä früheren ©eridjtö, welche 
§afta al& erwiefen ober nia)t bewiefen feien, fann nicht oom ^öcr)ftcn ©eridjt 
annuttirt werben, aud) nicht ber ^urnfpruch, au&er im ftaHe bc3 §. 377, 3. 2)ie 
(yrij* 3ur ßtnlcgung beträgt 3 Xage, $uv weiteren SBegrünbung 1 2öod)e. Stnb 
bei Snmclbung unb SÖegrünbung bie Triften unb formen nicht beobachtet 
ober ift ber Sefchmerbeführer jur SReoifion unberechtigt ober finb nur gcfe&Uch 
nia^t genügenbe ©rünbe angegeben, fo oer weigert ba$ £anbgeria)t gortgang ber 
©acbe. §ätte baö 2anbgcrid)t fof ort abweifen foHen, fo fann bie* 00m fjöc^ften 
©ertdjt gesehen. Dtimmt e$ bie 6ad)c an, fo beftcllt cS naa) Uinftänben bem 
Bngcflagtcn einen SBertheibiger. 2lnwefcni)cit in ber <5i&ung ifl bem nicht »er» 
hafteten 2lngcf tagten geftaitet; fonft foU bcrfelbe nur au$ befonberen ©rünben 
feinem eintrage gemäß juge^ogen werben. SEBcift baS hb<hfte (Bericht bie 6ache 
in bie I. Snftanj jurütf, fo ift biefe an bie 9tea)t3anfid)t beä r)öd>ftcn ©ericht« 
gebunben. 2)aS Urtcl fann oon Beuern angegriffen werben. (§. 396.) $>a$ 
ijöchfte ©ericht erfennt in ber Siegel nur, foweit 2lenberung beantragt ift, hat 
aber jum Sßortheil bcö Stngeflaatcn in Betracht ju jiel;cn 

L bei 5yerurthcilung 5U xobeSftrafe alle auS ben oorliegenbcn 33ewetfen 

ftch ergebenben ©rünbe, bie 00m 2lngeflagten ober für ifjn gcltcnb ge> 

macht werben fönnten, 



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98 2>" «nttoilrfc tot bänifc^en Suftiaflefcfce. 

2. in anbeten gälten fold&e ©rünbe, bie bewirten, bafj ein neues gunfügereS 
Urtel oom ©ertdjt ofme Vermeifung $u fällen ifi. 

2lud) 9J?ttangeflagte, bte baS Rechtsmittel nicht einlegten, tonnen, wenn 
nötfug, berüeffichtigt werben. 

$ic SReoifion gegen untergerichtliche (Srfenntniffe geht an baS Sanbgcricht 
beS betr. ßreifeS unb hängt, ihrer ^uläffigfctt nadf), ab oon ber §öbe unb 2lrt 
ber ©träfe mit Untertreibung jwifchen bem 2tnfläger unb bem 2lngeflagten. 
2Bo ein allgemeineres ^[ntereffe ober loeitreiajenbe folgen für ben 2lngeflagtcn in 
$rage ftehen, f ann fie bem illigt werben. (§. 3if7.) Sie ifl nicht eingefchränft 
auf ©rünbe ber Verlegung gef etlicher Vorf Triften, fonbern erftreeft fia) auch 
auf bie VewciSfrage, fall« baS ©egentheil nicht oon beiben Parteien erflärt 
wirb, $n ber £auptoerhanbtung foll eine neue VewetSaufnahme fiatt* 
finben. (§. 404.) eine für ben Singet tagten günftigere 6ntfa)eibung tarnt ergeben, 
felbft wenn nur ber Snfläger baS Rechtsmittel eingelegt Ijat. 2öo nur ber &n< 
geflagte bieS that, fann feine reformatio in pejus erfolgen. (§. 400.) Sludj ^ier 
fann baS (höchfle) ©ericht nochmalige Verlrnnblung, bie fonjt unjuläffig, auS- 
nahmSmeife geftatten. (§. 406.) 

Radjbem in ben §§. 407—419 bie Vefdjmerbe belwnbelt ifi, behanbelt 
baS nächfte Äapitel bie SBieberaufnahme eines StrafoerfahrenS. 

£at ber Staats* ober ^olijeianwalt eine Sache, in ber noch nicht eine 
befHmmte ^erfon oerfolgt mürbe, jurücfgelegt, fo tann, abgefehen oon Verjährung, 
ju jeber 3^ SBieberaufna^me ftattfinben. 2Bar eine befummle tßerfon oerfolat, 
aber roegen mangelnben SlnflagerechtS bie Verfolgung fortgefallen ober eingeteilt, 
fo tann bie 2Bieberaufnaf)me feitenS beS berechtigten ober auf fein Segehren nach 
ben allgemeinen Stegein erfolgen. (§. 421.) §ört Verfolgung ohne ÜrtelSfprua) 
auf, ober toirb Fortgang ber Verfolgung als ungegrünbet oerroetgert, fo tann 
bie 6ache gegen ben Slngeflagten nur roieberaufgenommen werben, wenn neue 
Shatfadjcn ober Veweife oor ©ericht gegen ihn au Sage fommen. Ob biefe Ve* 
bingungen oorliegen, entfa)etbet baS ©ericht. (§. 422.) 3ft ber Slngefl. roegen 
eines anbern ©runbeS als beS §. 421. erwähnten freigefprodtjen roorben, fo 
fann ber 2lnflagebere<httgte auf 5ßteberaufnahme antragen: 

3. wo anzunehmen, bafj bie ftreifprecfmng herbeigeführt würbe burdjj un* 
richtige ©rflärungen ober lluSfagen oon $eugcn 0Dcr Sachoerftänbtgen 
ober burch Vcnufcung falfcher ober gefälfchter SJocumente ober burch ein 
Verhalten beS Staatsanwalts, ber dichter ober ©efchworenen, wie eS 
bie §§. 120., 123—125., 131., 133., 134., 141. Str. ©. erwähnen; 

2. wo (erfl nach bem Urtel) neue Xtyatfatyn ober Veweife $um Vorfchein 
fommen („komm for Dagen u ), bie allein ober in Verbinbung mit 
früheren geeignet finb, ju Verurtheilung ju führen ober ben gretfprechungS* 
grunb ju heben. (§. 423.) 

dagegen fann ber Verurteilte ober fein Vormunb, Vertreter barauf 
antragen: 

L. wo anzunehmen, bafe Umfwnbe, wie fte in §. 423, 1. erwähnt finb, ober 
ähnliches pflidt)twibrigeS Verhalten beS beftellten Vertheibtger« jutn 2luS* 
fall ber Sache beigetragen haben; 

2. wo Xhatfadt)en ober Veweife, bie bei ber früheren Verhanblung nicht 
oorfamen („som ikke komne frem under den tidligera Sag") oorgebrad)t 
worben unb anzunehmen, bafj fie allein ober in Verbinbung mit früheren 
Veweifen ftreifpredmng ju begrünben geeignet fmb; 



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Die (Entwürfe bet Mniföm Sufhagefefce. 99 

3. wo äroei ober meutere ^erfonen bura) rjcrfd&tebene (Srfenntniffe wegen 
berfelben %\)at uerurujeilt würben, unb au« SBergleid&ung berfelbcit 
l)eroorgeljt, bafe einer ober einige ber 23etreffenben unfdnübig 1 ) fmb. 
(§. 424.) 

^Betrifft baS Urtel eine in ber öffentltd&en Meinung entefyrenbe §anbtung, 
fo finb nad(> Xob beä Verurteilten ber ©begatte, Altern, jiinber, ©efa)wifter ju 
jenem Slntrage berechtigt, kommen foldje $acta ober Sewetfe jur Äenntnifj be8 
©eria)t3 ober be« Staatsanwalts, fo follen fie bie Vetreffenben baoon unter* 
rieten. (§. 425.) 

Unter beu Vebingungen ber §§. 423., 424. fann Söteberaufnafyme bewilligt 
werben, and) wo 2tnwenbung einer ftrengeren ober milberen ©trafbefiimmung 
ober 2itaf)l tjöjerer ober niebrigerer ©träfe innerhalb ber ©renjen beffelben 
Strafrahmens in ftrage ftef)t, infofern »orau£$ufef)en, bafe ein wefentlid? ftrengereS 
ober milbeicS Urtel erfolgen wirb. (§. 426.) 

Äeine SBieberaufnatyme f)at fiatt bei Urteilen beS UntergeridjtS ; eben* 
foroenig fo lange bie grift 5ur 9teoifion läuft ober nod) nid^t in biefer ^nftanj 
erfannt ift. Verbüfmng Hubert nidjt. 

SDer Antrag ge&t bei Urtel beS ^öc^ften ©erid&ts unb im ftatt beS §. 423, 1. 
an biefeS, fonft an baS Sanbgerid&t, baS in erfter 3nftanj ober jufolge 9*eoifion 
erfannte. 

©ofortige ßurütfweifung eines offenbar unbegrünbeten ®efud>S läjjt §. 429. 
ju. ©onfi wirb baffelbe ber ©egenpartei nur ©rflärung binnen 1 2öo<|e mttge* 
u)eilt. Söilligt ber Staatsanwalt in ben 9lntrag beS Verurteilten ein, unb er* 
achtet baS ©eriajt ben Antrag als begrünbet, fo finbet f ofortige Slnlmnbnafyme 
ber ©adje fiatt: im Uebrigen wirb in münblidjer Verljanblung über Bewilligung 
entfdneben. @in neues Urtel erfolgt fofort: 

1. wo baS ©ertd)t in UebereinfHmmung mit bem 3lnfläger ben Antrag 
auf §reifprea)ung ober milbere Seftrafung begrünbet f)ält unb ber 
2lnf läger ganj ober tt)eilweife feine Slnflage fallen läfet; 

2. bei Anträgen bej. SÜa^l ber ©trafart, bie gered&tfertigt erfahrnen. 

©onft erfolgt eine öauptoer&anblung. Sludj nur auf gefcljefjenen Antrag 
beS SlnflägerS fann ein bem &ngeflagten günfttgeS Urtel gefällt werben (§.436.a.(§.). 
SBtebereinfefcung wegen oerfäumter Triften betreffen bie 438., 439. 



S)er fiebente Stbfdjnitt Rubelt, §§. 440.— 445., non ber fubftbiären 
*ßrioatanflage, in §§. 446 — 455. oon ber gewö^nlia^en *jkioatanflage. $)ic 
s 4Jrioat(an)fläger fönnen fic^» betreffe einzelner ©dritte an ben Unter fudjungS* 
ria)ter wenben. Vor beginn ber Vertwnblung foll ber Sftidjter möglidrft einen 
Verglei$ jwifdien ben Parteien Ijerbeijufüljren !ua)en. £n ben §§. 456 —461. 
ift bie 9tebe non Verfolgung oon 6ioilanfprüa)en gemäfe §. 4., mä^renb §. 462. 
SluSlieferung ber in geridjtlidjen ©ewafjrfam genommenen ©egenftänbe betrifft. 

$er aajte 2tbfa)nitt fwnbelt com ©trafoolljuge, ber bem ^olijeiraeifler, 
unter 2Juf[ta)t beä ©taatjganwalt«, nifte^t. ©elbbu^en, bie no$ nic^t ooUftrcrft 
würben, fallen mit bem £obe beÄ Verurteilten fort. (§. 471.) 



') ©n intereffanieS (Srtenntnife t>et cour de Cassation de Neuchfitel *>. 20. Ott. 1879 in 
Sit. 48 fceS Journal des Tribunaux (paraissant ä Lausanne) p. 723—729. 

7* 



£er neunte 21 bfdjnitt betrifft bte Äoften beS SScrfa&rcnS unb vom ®e* 
ricfjt oerbängte Sujjen. 

2)er $c^ntc enblid) enthält UebergangSbefttmmungen. 



üJ?ö<$te ein gütiges ©efebtef bie mübcoollcn Slrbeiten ber SRebaftorcn mit 
(Srfolg frönen, bamit biefe um Uir ,§eimau)lanb tyodmerbientcn Männer fidj nod) 
ber Segnungen 511 erfreuen oermögen, bte biefe neue ©efefegebung fidjer bringen 
mürbe. s Jiod> roiffen mir nidjt, mclä)e ^eränberungen granfrei d) an feinem, 
fdjon oielfad; abgeänberten 6trafprocefjgcfcfc befdjlieücn roirb. 2)a& aber obige 
Entwürfe 311 ben Ijeroorragcnbftcn legü&latorifdjen Arbeiten jätjleu, baoon ftnb 
mir feft überzeugt. 



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Hie Reform bt» fran?iWd)c» Strafprozeß) 



sBon ^rofcffor Dr. 3. 9)taycr in 2Bicn. 



I. 

$er framöfifdje Code d'instruction criminelle vom 3al)rc 1808 noHjog 
jut Seit feines (Srfd&einenä einen eminenten ^ortfd^ritt gegenüber bem früheren 
6tran>ro$effe. SlOetn man barf fi$ nid)t oerheljlen, bof manche [einet SBcfttm* 
mungen md)t mcf)r in einflog fteljen mit ben Slnforbcrungen bet neueren ©elftes* 
ridjtung unb ben ©ebürfnifTcn einer gcroiffcnlwften ^Rechtspflege, roeld;e unferer 
3cit $ur ©Ijrc gereichen. 60 rourbc benn aud> ber Code im Saufe ber 3citcn 
mehreren partiellen Reformen unterzogen, beren Senbem bat)in ftrebte, bie 
ajfifebräudje 311 f)inbcrn, meldte bie Ausübung ber öffentlichen ßlage $ur $olgc 
Imbcn fann, unb bie gärten berfelben, beren unucrmeiblictje $olge, m milbern. 
Crin ©cfejj 00m 4. 2lpril 1855 hatte bem UnterfuchungSridjter bie 33ctugntfj ner* 
liefen, bie Aufhebung jebeS $erraaf)rung8befcl)l$ (mandat de depöt) anorbnen 
ju fönnen. (Sin ©efefc com 17. $uli 1856 fmt bie griften abgefürjt, bie $8or* 
Untersuchung oereinfacht unb bie 5lat^3fammcr f welche al3 ein unnüfccä SRäbcrrocrf 
(im rouage inutile) eraebtet rourbe, aufgeboben. £)a$ ©efefo vom IG. 9)lai 1863 
hat für bie „flagrante delits" eine abgefürste Sßrojcbur eingeführt, meiere, olmc 
bie SÄrtheibigung einer einjigen ihrer Garantien berauben ju rooücn, in geroiffen 
fällen bie immer bebauernöröerthen ©citfdjroeifigfeitcn ber frtminellcn v |Vrojebur 
abfebafft (Snblich tun baS Oefe^ oom 14. 3nü 1865 über bie promforifchc 
Freiheit bem UiUcr|ucfmng8rid)ter gefiattet, in geroiffen fällen bie gärten ber 
^räoentio^aft *u befettigen. 

SHUein, ganj abgefchen non ben SBcrbefferunaen, beren bie franjöfifdjc 
©trafproje&gefefcgebung in biefer öejic^ung noch fähig ift, h at feine ber uon 
uns angeführten Reformen an jenem burdj ben ©efefcgeber oon 1808 aboptirten 
Snfteme gerüttelt, foroeit foldjeö ben ©ang ber SBorunterfuchung Tclbft umfaßt, 
bie 9(cdjte ber 2lnflage unb ^ertljcibtgung roährenb be8 6tabium3 be$ ^orucr* 



l ) 9iad) bcin neueren ftai^i3flfcfien ffleformentrourf nrift iRottoenbcriAttu bearbeitet (Pro- 
jet do tendaiit ä reformer le Codo d'instruction criminelle pr/nontf, nu nom do Mr. Jules 
Urevy, President do la ItlpuMiijuo franenise par Mr. K. J«o ltoycr, Uurdo de* fckeuux, Mi- 
nislro de la Justice. — Imprimerio du Senat. Paris 1870.) 



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102 2)it SRcfotm beg franjöfifdjen ©trafyrojefieä. 

fahren« feftfteüt, bic bcm Unterfuchung«richter behuf« ber Sahrhcit«erforfchung 
jur Verfügung gcftclltcn ÜJtittel, biejenigen bc« 2lngeftagten, um ftd) gegenüber 
ber Stnflagc $u rechtfertigen, normirt, bicfeÄ Softem, auf meines mir in bc* 
taillirterer 2öcife jurücffommen werben, läfjt ftd^ fchon jefet in wenigen Söortcn 
refümiren. $>em ©efefcgeber fällt e« nicht ein, für bie §reihett ber Sßerttjeibi* 
gung oor jenem Momente Sorge ju tragen, in bem ber «efdnilbigtc oor feinen 
erfennenben 9tid)tern ju erfcheinen hat,, bie ^ertheibigung beginnt erft mit bem 
9lugenblicfc, in meinem bie 2Bürfel — ob ^erurtheilung, ob ftrcifprcdmng — 
fallen. 9315 baf)in ift er weber berufen, noch autoriftrt, auf jjeftflellungen ju 
bringen, aucld^c geeigneten Salles feine Unfchulb ^eroortreten lajfen, nicht befugt, 
bie Folgerungen au« ben ©utachten ber Erperten, meiere ber Unterfuchung«* 
rid)ter gebogen \)at, ju biSfutiren; er tfi ntdjt einmal im Saufe be« Verfahren« 
oon ber eraften s 3fatur ber auf ihm laflcnben 2lnflaa,e informirt, noch oon ben 
$}elaftung«momenten , auf melden folche beruht; feine Konfrontation mit ben 
SBelaftung^eugen ift nicht obligatorifd>. 

9tor allju berüchtigte Setfptelc folgten im Saufe ber legten 3al>re Schlag 
auf Schlag, um ben Bewei« ju erbringen, bafe bic oerfpätete Freiheit ber 
münblichen ^auutoerljanblung nicht immer einem unfchulbigcn 2lngeflagten ge» 
nügen fonnte, um bie falfchcn $räfumtionen für feine Schulb, welche ohne fein 
SÖiffen gegen ü)n angehäuft mürben, ju entfräften. 3)a« Schweigen, bie Ein* 
fdntchterung ober bie 2lbwefenheit eine« beugen, beffen 2)epofition ben Singe* 
flagten entTaften follte, bie Ungläubigfeit ber 3>uro gegenüber einem in lefcter 
Stunbe oorgebrachten ,3eugniffe, ba« $erfcbwinben oon 53ewei«ftücfen, beren 
Vorlage bie Sßertheibigung begehrte , fyaben Scrurtheilungcn jur golge gehabt, 
bereit ^rrthum nicht immer rechtzeitig erfannt worben ift. Sah nid^t fich 
bie ernftefien Sebcnfcn erheben gegenüber bcm 2Bcrtt)e aemiffer ßrpertifen, ber 
Autorität oon Schlußfolgerungen, roelche ba« Sterbtft Der 3uru herbeigeführt 
hatten, nach bcm i enc ©cgenftänbe, jene Erhebungen, auf welche fich bie Ejper* 
tifc bejog, nicht mehr oorljanben, ober burch ben Sauf ber 3t\t oerwifdbt waren 
unb bamit jebe 2)i«fuffion über biefelben unmöglich würbe V $at man nicht fclbft 
wahrgenommen, baß Slngef tagte fich S^m ©cftänbnife eine« imaginären 5ter* 
brechend hinreißen ließen unb bamit gegen fich felbfl ein Mjubij fchafften, 
welche« bie Hufridjtinfeit ihre« fpäteren SBiberrufS nicht }u erfepttern oermochte? 
E« war unter bem Einfluß ber gerechtfertigten Bewegung, welche berartige Ent* 
hüüungen jur golge Ratten, baß fich bie ött/entliche SDkinung mit Unrecht fragte, 
ob man nicht ben ©runb biefer 3rrü)ümer ber Suftij in ben ©ebrechen bc« 
fransöfifchen Straf projeffeö gu fuchen habe. ÜRan oerglich bie SBefiimmungcn bc« 
Code oon 1808 mit jenen, welche in ben meiften ber benachbarten fiänber ba« 
5ßorocrfahren bcl;errfd;en, unb man gelangte jur Sffiabrnchmung, baß granf- 
reich, welche« mit Seginn biefc« ^ahrhunbert« ber ©efefcgebung (Suropa« jene 
freiheitliche Dichtung oorgejeichnet hatte, auf welche erftere« noch \)tut ju ^agc 
ftolj ift, fich aümälig bura) bie langfamen, aber ftetigen gortfehritte ber anbern 
Nationen überflügeln liefe unb bafe ber franjöfifche Code nicht meljr jenen $rin* 
5ipien entfprach, welche bie h^oorragenbften unb aufgeflärteften (Sriminaliften 
bc« heutigen Europa aufgefteüt unb formulirt haben. 

Sie ftanjöftfdtje Regierung fonnte biefer 2;t»atfact)e gegenüber nicht ruhig 
bic $änbe in ben Schoofj legen. Schon im ^ahre 1870 würbe eine aufjerpar* 
lamentarifche ©ommiffion mit ber Prüfung bev ^Reformen beauftragt, welche ba« 
2öerf oon 1808 erheifchte. 2)ie ©reiguiffe, welche balb barauf folgten, gematteten 
ihr nicht, ihre 9Jiiffton ju ooüenben. 2lllcin im SJlonate Df tober 1878 oercinigte 
fich eine auf ben äjorfchlag be« hcroorragenbften franjöfifchen ^uriften, bamaligcn 
^unisminifler« 3)ufaure, au« ben glänjenbften fünften unb Eriminaliften, unter 
i3uuehung mehrerer 3)eputirten, gebilbete Eommiffion ju bcm 3 ,0C( ^ C / bie burd) 
bic %fytoxk unb Erfahrung geforberten ^erbefferungen an ber fransöfifchen 



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« 



3>ic ffleform Ud {ronjöftfdicn 6traforojefle8. 103 

©ejefcgebung norjunebmen. 35anf bcm Eifer ihrer 2mtglieber ^at biefe Eom» 
miffion bereit« innerhalb weniger SJtonate einen ©efefcentwurf oorbercitet, wel- 
cher fieb über bie ÜJfaterien be« erflen Suc^e« be« Code d'instruction criminelle 
erftreefte. (De la police judiciaire et des officiers de police, qui l'exercent.) 

SDie fojiole *Recbt«pflege, vom criminellen ©cfichl«punfte au«, beftel)t 
au« jwei nerfdnebenen Elementen, reelle beibe ber gleiten ftürforge würbtg 
finb. 2)0« ^ntereffe ber Anflöge, welche forbert, bafj ba« Verbrechen nicht un* 
gcflraft bleibe, auf ber einen, ba« ^"^reffe ber Vertbeibtgung auf ber anbem 
Seite, welche« nicht minber gebietcrifeb cr^cifdjt, bafe bie ©ihjne nicht irriger* 
roeife ein anbere« §aupt al« ba« be« ©chulbigen treffe, 9Uemanb befreitet beut 
ju Stage mehr, bafj bie Unoerlefelicbfcit ber Unfcbulb ein niebt minber allgemeine« 
^ntereffe bilbet, non bcmfelben Stang unb berfelbcn äöicbtigfett, wie bie ©ewifr 
i)eit ber 9ieprcf)ton unb bajj bie ©tcberheit unb Wiuje ber ©cfellfcbaft mehr bura) 
eine unuerbiente Verurtheiluncj al« burch ba« ftraftofe 2lu«gchen eine« 33er* 
bredjer« bebrobt werben. SBett baber baoon entfernt, ba« äntereffe ber 23er» 
thetbigung al« ein in jmeiter Sinie ftebenbe«, oon prioater Vebeutung, al« im 
©egenfafe mit bcm ber ©efeUfehaft befinblich unb biefem mehr ober minber unter* 
georbnet betrachten }U wollen, Jat man erfannt, bafj bie ®erecbtia,feit ibren 
3n>ecf ocrfe^lt, wenn ihr Eingreifen niebt bie Sßirfung erjielt, bafj fte ben Uiv 
fdmlbigen ebenfo febr berubigt, al« fic ben ©chulbigen jittern maebt. Um jeboeb 
in biefem Säiiberftrcit ber Sntercffen bie 2Bagfd)ale mit möglicher SRigorofität 
gleich 3U halten, um mit Erfolg ben ^rioaten gegen eine ungerechte unb unter- 
brücfcnbe Verfolgung ju fänden, ohne bie öffentliche Älage $u entwaffnen, wel* 
eben Sieg ber SBabrlJcitöcrmittelung foll ber ©efefcgeber oorfchreiben unb welche 
^rärogattoe foll er bem 3lnf läger unb bem 2lngcflagten äugefiehen? Offenbar 
mufe man bie Vcweife ber ©chulb fammeln, cJ>e man ben Stifter um bie 2tn* 
wenbuna be« ©efefce« angeht. Unter welken Vebingungen oolljiebt fich biefe 
^acbforfdmng? 6« giebt feine ftrage, über beren Rötung bie ©efefcgebungen je 
nacb ben ^citocr^äUnifTcn unb ben politifeben «Strömungen mein: au« einanber 
gegangen ftnb. 

n. 

3mci ©gfieme ber Vorunterfudmng macben fidr) bie #errfcbaft in ber 
©efebiebte be« ©trafprojeffeö ftreitig, in abweebfetnber Slnwenbung, je nadjbem 
ber ©cbanfe ber inbioibuellen ^rcil^eit in bem öffentlichen ©eifte ben ©ieg über 
bie fdjledjt befinirten ^Rechte ber ©cfcUfcbaft ju erringen, ober cor biefen in bem 
SJiafje, al« fie präjifere ©eftaltung gewonnen, fidr) ju oerbunfeln febeint; ba« 
eine ©nftem nennt man ba« affufatorifche, ba« anbcie ba« inquifttorifebc. 

2>a« affufatorifche ©irtlem war im alten 9tom in ©cltung. 3)a« ©. 
überliefe bem Eifer ber Vürger bie 3 m n ft rtoe ber ©trafocrfolgung. SDer ©taat 
al« fola)er interoenirte niebt, bie ©cfellfdjaft |atte feinen fpe3iellen Vertreter. 
ES gab feine öffentliche ßlage, fonbern einen einfachen ^rojefe jwifchen ^rioat* 
perfonen, beffen Einfa^ fowot)l für ben 2lngefl., wie für ben oerwegenen 2ln* 
f läger Verluft be« Vermögen«, ber Freiheit ober bc« Scbcn« bebeutetc. SDie 
bureb bie Stömer in ©allien eingeführte ©ericht«Dcrfaffung oerfebwanb nicht noU* 
ftänbig mit ben Snoaftonen ber Barbaren. 3>iefe «ölfcr brachten mit fidr) bie 
©cmojjnheit, in ber S3erfammlung ber freien 2Jtänner öffentlich ihre Urtljcilc ^u 
fällen. SU« ©runblage bienten ilmen 3 cu 9 n ^ c ; nöthigenfaU« ©otte«urthcile. 
25ie feubale ^"ttij anerfannte in gleicher Seife ben ®runbfa£, bafe 9liemanb 
anber« al« burd) feine „Pairs u gerichtet werben fönnc. 2lllein bie fönigücr>e 
@ericbt«bnrfeit, in bem 9)caafje al« folchc fidr) in granfreich feftfe^te, war oon 
abroeichenben $}kin$ipicn bel)crrfcr)t. 2)ie gerichtlicheu ^unftionen würben ben 
burch bie 2ehn«herren unb ben £errfcher bcftcUten 5Ria)tern anoertraut. Von 



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104 



2>ie Sieform fcc« {ta«t3Öfifd)ett @trafvtojcfjc8. 



Seginn ab obopttrtc man bcn ©cbrauch, bic Söcroetömittcl in 2(bwefeut)eit k$ 
2tngeflagtcn $u fucben. £tc £>cpofitioncn bec beugen, ftatt öffentlich in feinet 
©egenwart ftattjuftnbcn, fanben außerhalb ber Si&ung burd) belehrte Sommiffäre 
ftatt; im ©cbeimen niebergefebrieben, mürben fie bem v Jtid)tcr olme Riffen beä 
2lngeflagten äugcftcUt. 

3)iefc£ Softem, rocld;cS man bnS inquifitorifche benannt l)at, rocil es in 
ber £l;at an bic ^rojebur ber Snouifition erinnerte, machte rafa)c gortfebrittc. 

£a£ ©etjcimniö umfüllte alle fltyafcn ber Unterfudmng. Selbft bie 
Deffcntltdjfeit ber §auptuerbanblung uerfebtuanb mit ber Orbonnanj t»on 1531). 
Mit ber iöefeftiguug ber föniglicbcn bemalt marb bie öffentliche Silase ben 
„Procureurs du Kor (einer Schöpfung Philipps be8 (Schönen) überlaffen unb 
ben „Lieutenants criminels" (ben erften franjöfifcben Unterfucbungärichtcrn), 
welche burch eine Drbonnanj $ ran S I. im ^aljre 1522 in ba£ Seben gerufen 
würben, (i nbUd) erhielt burd) bie Drbonnanj oon 1670 ba$ geheime $roscf$* 
ocrfal;ren feine befinitiue ©eftalt. 2$om erften biet $u bem lejjtcn £age in lln* 
fenntnifj ber ^orerhebuugSnfte gehalten, erfdjeint ber Scfcbulbigte uor feinen 
v Jtid)tern, olme bafe er in ber £agc mar, fid) über bie 3eugnifie 8 U erklären, 
bic man Ujm nicht befannt gibt unb bic er meber ju coutroliren, noch 511 bte* 
cutiren oermag, auf baö 2lblcugncn bet ilmt jur Üaft gclcaten Xt;atfac|cn — 
aü5 au$fd)lte&lid)e Vcrtbcibigung — befebränft. 3n Dcr Unficberhcit, in welche 
ber Stifter felbft bureb biefe Untcrfudmng obne äLUberfpruch, noch möglicbc 
Konfrontation fia) werfest fie^t, glaubt er fein ©ewiffen ju entlaftcn, inbem er 
bem SÖcbrlofen mittelfaibcr Xortur ein ©cftänbni& feiner Verbrechen entreißt 
unb ilm bem Sdmffot erft bann $u überliefern wagt, nad)bem er ein ©eftänbnife 
oljnc SNkrtb erlangt hat. 

£ie Mißbrauche ber geheim geführten SontnUrfudtjung Ratten eine foldtje 
Mißbilligung in golge ber berühmten ^rojeffe von Calas, Sirven unb de la 
Harre erregt, unb bie Siütffcbr ju fcbüfccnbcn- ©arantien mürbe fo gebieterifd; 
burd) bie öffcntlidjc Meinung geforbert, bafj bie conftituirenbc Sterfammlung, 
ohne bie organifebeu ©efefce, mclcbe fie über biefe Materie jii ertaffen beabfiebtigte, 
abzuwarten, mittclft 3)cfrctCiS uom 8. unb 9. Cctobcr 1789 eine prooifori|cbc 
33cbanbluiujj8jueife ber Strafprojeife anorbnete, mobureb bic am meiften bc* 
mangelten iüeftimmungcn ber Crbonnanj oon 1670 reformirt merben foHteu. 

£ie conftituirenbc SUerfammlung begnügte fieb nicht, bie öeffentlidtfcit ber 
.'oauptocrlmnölung mieber ^cr^nftcUcu, fie molltc aua) bic Ocffcntlic^fcit bc$ 
ii>orocrfal;rcujJ fiebern. 

söiö jur Verhaftung bc3 23cfdmlbigten foHte ber Untcrfud;ung£ricbtcr im 
£aufe feiner Erhebungen jjwci angefebene Vcifi&cr jut Seite haben. 



in fontrabtftoriidjcr SBeifc mtt ber Vcrtbeibigung nbioicfeln. Mittheilung aller 
^rojcjjafte folltc an bcn 93cfd)ulbigtcn auf jeben bahin gerichteten 2lntrag er* 
folgen. SDicfclbcn ^rinjipien luurben burd) ben Code des delits et des peiues 
(bruumire an IV unb bind) ba3 @cfe^ DOW 7 pluviose au IX) aboptirt. 
ber 3n>ifd)cn.^cit hatte baö ©efe^ uom 10. September 1791 bic prooiforifcbc 
.'paftentlaffung olme (Sautiou für alle megen einfacher Vergehen (dölits) ^)c» 
fchulbigtcu ju 9(cd;t erflärt, eine Mafjnahmc, meldjcr bic burd) bcn Code uom 
Brumairn angenommene JUaffification eine bcträd)tlichc Wuäbelmung gab. 

(i'^ ift flar, ba& [)kx, mic in uiclcn anberen SD/atcrien r bic ©cfejjgcbcr 
ber McDolutiou, von einem natürlichen 3ccaftionöbcbürfniffe gegen bie 3rrtl)ümer 
ber Vergangenheit geleitet, ftd) über baiS 3^ c ^ hinauf reiben liefeen. Qnbcm fic 
bie Freiheit ber Vcrtheibigung fiebern wollten, hatten fic bic Stechte ber änflagc 
unb bie s Xothwenbigfcit ber Stepreffion auf baö Spiel gefegt. !^ie Vcrfaffer bc^ 
Code uon 1808 aböptirten ein Vcr mittlungäfvftcm': fic mühten ficf> ab, bic 
beiben grofjcn ^ntcrefien ju beliebigen unb bic uerfchicbcucn Elemente, wcldjc 




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3Mc Reform tcä {raii3ofifd>en etrafprojefjcä. 105 

Urnen bie oerfdnebenen Venoben ber ©efdndjte juführten, ju uerbinben. £)cr 
feubalen Gpochc entlehnten fie bie Deffcntlichteit ber £auptoerhanblung, btc 3urn, 
bie münbliche ^Beweiserhebung, baS Sttcruf ungerecht; bem monarchischen Regime 
entnahmen fie bie ^nftitution bcS öffentlichen 9)iiniflerium£, bie 6äumigfeit bet 
Sticbter, bie geheime £Joruntcrfucbung, ben ©ebrauaj bet fd^riftlicfj anf genommenen 
2$oruntcrfua)ungSafte. Sie glaubten genug im i^ntereffe bc£ ^efdjulbigten gctl)ait 
Mi haben, inbem fie ihm unparteiifche dichter fieberten, ben 93etftaub eines $er* 
thetbigerS, unb bie Deffentlia)feit ber ^er^anblung mit bem 2lugcnbuct gemährten, 
in bem, nach abgef chlofiencr Unterfuchung, er feine Unfchulb, falls fie 
oerfannt mar, ju Sage treten 3U laffen fich anfdntft. 2tUetn es mürbe ihnen 
übertrieben erfd>iencn fein, bem SSngeflngtcn mährenb beS SoroerfahrcnS ein 
^ntcroenttonSrecht yyugeftc^en unb ihm eine 3lfttonSfrciheit >.u bewilligen, welche 
fie mit ber 2BabrheitScrmtttlung unoerträglicb erachteten. GS genügte ihnen 
jufolge, ba& bie Slnflage oollftänbig frei mar, nach ih«m ©utbünfen baS ©ebinbe 
ber uiemeife &u fammcln, mährenb eS bem Slngcflagten unbenommen bleibt, 
Stürf für Stücf baS 2öert beS UntcrfuchungSricbterS an bem grofeen Sage ber 
ftauptuerfmnblung }u jerftören. 

SHit einem SSÖorte, fie unter orbneten baS fojiale Sntercffe ber 2>er* 
theibigung bem fokalen 3utcref|e ber 2lnflage, flatt betbe als in gleichem 9iange 
ftchenb ju behanbeln. 3J{an roirb barüber nicht erftaunt fein, bafe an bem, ben 
tiefen Grfcbütterungcn nachfolgcnben Sage, ju einer &t\t, * n ocr inmitten ber 
allgemeinen Verwirrung fo oicle ^rioatoerbrechen ungeftraft geblieben roaren, 
bie ©efeufchaft nach 9tul;e unb Sicherheit nerlangenb, baran backte, fich siegen 
bie Sßerfonen mit einer biScretionären ©eroalt ju wappnen, auf bie ©efahr hin, 
geheiligte ^ntoeffen ju Beriefen. Mein einer ruhigeren unb mehr um bie 
iHechte beS SnbioibuumS befümmerten Epoche ift bie Slufgabe $u geworben, 
fich fragen, ob eS erlaubt, ob eS nothwenbig, ober ob eS nicht im ©egentheil 
crorbitant unb gefährlich ift, ber Verthcibtgung bis an bie Schroette beS 3lffifen* 
IjofeS ober beS correftioneUen Berichte« fo ju fagen ben SJtunb $u fchliefecn. 

in. 

2ßan oergleiche in ber Tfyat °* e 2ltttonSfrcu)cit, welche ber Slnflage ge* 
roäljrt ift unb bie ber 2>ertljcibigung entgegengeftcUtcn §tnbcrni|fc wäl;rcnb beS 
StabiumS beS VoröcrfahrcnS, unb man wirb fich n on ber Ungleichheit ber beiber* 
fcitS eingeräumten Stellung überzeugen müffen. X tc 2lnflage ift ben vereinigten 
Jlräftcn zweier Beamten anoertraut, bem (Staatsanwälte unb bem UntcrfudmngS* 
richtcr, oon benen ber eine Anträge fteüt, ronhrenb ber anbere alle im 5[ntcrcffc 
ber SÖahrbeitSermitnlung geeigneten 2)< abnahmen anorbnet. £)aS öffentliche 
SKinifterium fann ju jebem 3citpunfte in bie UntcrfucbungSaften Guificht nehmen; 
ber Untcrfuchungsrichtcr fann alle Gonftatirungcn, alle Grpertifeu, jebe Sefdjlag* 
nähme, welche er für jrocctbicnlich erachtet, anorbnen ober fclbft bewirfen, ohne 
baoon bem &efd;ulbtgtcn Äcnntnijj ju geben, ohne bafe biefer in ber Sage ift, 
berfelbcn beizuwohnen ober fich oabei oertreten 511 laffen. £cr Öefchulbigtc 
bleibt im Qintergtunbe; ber Schleier beS ©cheimniffe« ocrhüUt ihm oft, was 
ihn am nädjften intereffirt; ifolirt wie er ift, wirb ihm SlüeS auf baS Sorg* 
fältigfle ocrhehlt. ©t hol allerbingS ein erftcS Verhör beftanben, in welchem 
ihm ber dichter bie ihm $ur Saft gelegten 3;h flt f flC hcn unb bie ^aitptfäd^lic^en 
^JclaftungSmomcnte fuubgicbt. 2lUein biefe ^crbad)t?grünbc fönnen fich minberu 
ober ocrmel;ren ; btc 2lnflage Fann ihre 53cfd)affcnheit änbern; BUeö biefeS, ohne 
bafj er bauon flenntnife §at. Qi ignorirt oft bi$ auf ben tarnen bie $ciaftung§> 
jeugeu unb in Ermangelung feiner ^enntnife beS UmfangS ber 2lnflage oer* 
fdjanjt er fich hinter ben fompromittircnbftcn 2lblcugnungen. Gr fann um bie 
2lbl;ör foldjer 3 C »3 C »» welche feine Unfchulb an ben 2ag treten laffen, bitten, 



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106 Reform bcS ftanjöflfdxn ©trafprojeficä. 

bicfclbc ober nidjt oon ftcdfjtSroegen forbern. @r oermag ni<f)t bie ©uta$ten 
ber Sacbocrftänbigen ju fontroliren, roeber in Selbftperfon, nod) burdf) einen 
oon tym befignirten 6ad}oerflänbigen: er fann oon ben Stften erft 6infidfc)t nef>* 
inen, nadjbcm bie Unterfuajung gefd[uoffen, cS alfo ju fpät ift, um eine jener 
UnterfudbungSmafjnabmcn ju orooojircn, roeldfcje baS SDunfel gelittet f)ätten unb 
bie uielleid&t bog Tribunal ober ber 2lffifcnf)of in ber §auptoerbanblung ifjm 
niebt bewilligen roerben. 5$a nodf) rnetjr, man läfet ifm in Unfcnntntfe über jene 
s Jiecbte, bie baS ©efe^ felbpt iljm gemährt. 2llleS tn 2tUem, ift baS geltenbe 
Softem bcS Code d'instruction criminel nichts anbercS als baS ber Drbonnanj 
oon 1670 mit milberen formen. 

IV. 

©egenüber biefen fignalifirten Uebelftänben muftte man naturgemäß ein 
Heilmittel in ben fremben ©efefcgebungen fudfjcn. $>aS Berfafjren, roelcbes 
ben cntfd)iebenften ©egenfafc jur geheimen Borunterfuebung in $ranfrcidt) bietet, 
ift Dasjenige, roelcbeß in dnglanb ©eltung bat unb alle ©runbfäfcc ber alten 
affufatorifdjen unb öffentlichen ^rojeffc ber germanifdjen Lotionen beroaljrt bat. 

3n ©nglanb gibt cS feine StaatSanroaltfcbaft, roenigftcnS ni<f)t in bem 
fontinentalen Sirme. Slud^ bie neucfle SßarlamentSafte, meldte mit bem 
1. San. I. Ätoft getreten ift, fdjjafft feine fontincntale StaatSanroaltfd&aft; 
ber bejieljenbe SRedfitSsuftanb bleibt aufregt, unö nur fubfibiär für gcroiffe %äUt 
finbet ein @infdf)reitcn ber neugegrünbeten 3lnflagebeprbe unb aueb nur in ber 
'JUdjtung flatt, um ben anerfannt gröbfien SJMfebraudben bcS SßrioatanflagefnficmS 
ju fteuern. Sttuf bie itlage beS Befcbäbigten ober jcocS beliebigen 2lnflägcrS bin 
wirb ber Befcbulbigtc burdfj ritterlichen Bcfcbl oorgelaben ober oerbaftet. 
<5päteftcnS 24 Stunbcn nadj feinet* Beratung wirb er bem Siebter oorgefüljrt, 
ber ifm oemimmt. %n pUen fernerer Statur, in benen ber ftricbcnSricbter nur 
mit oer Borunterfuebung betraut ift, beginnt bie Berlmnblung unmittelbar 
*tt)ifd[)en 2Infläger unb Bertyeibigung. 2lnflägcr unb 2lngeflagter finben fid& in 
Begleitung eines ober mehrerer SHecbtSbeifiänbe ein; biefe jinb cS, meldte bie 
^eugen befragen (Gross examination), cbenfo ben Bcfcbäoigten, falls fieb biefer 
einem Bcrhöre unterwirft. $)ie Deffentlid)feit ift eine unbefebränfte, unb baS 
©efefc, roelajeS bie 3lnorbnung einer gebeimen Bcrbanblung geftattet, roirb nur 
äufeerft feiten angeroenbet. $>cr s Jltdf)tcr moljnt ber Berljanblung gcroiffcrmajjen 
als Sc^iebSricbtcr bei. 3la<S) bem 3lbfd>lu*B ber Berbanblung fann er ben iöe* 
fd&ulbigten nücber in $reibeit fc&en, roenn ifym bie 2lnflagc ber Begtünbung 111 
entbebren fdtjeint ober ibn uor bie 2lnflage^urr> oerroeifen unb in biefem $allc 
i^n entroeber yrooiforifdj) gegen (Saution in |^rcit;cit fc^en ober bie ^raoenti»" 
baft gegen it)n oerfügen. %n biefem lefetcren pll roirb ber Bcfcbulbigtc im 
©cfängnifj fcftgebaltcn, ol)ne bie ©efd&ränfungcn ber franjöfifcbcn „mise au secret". 
®r fann frei mit feinen sßerroanbten, feinen ^rcunben oerfebren unb feinen Ser* 
tljeibiger «t ieber beliebigen 6tunbe unb o^ne 3 cu 9 cn fet)en. ^ie Gntfdtjctbun^ 
cjen, roeldje ber 5ricbcnSrid)ter in feiner ©igeufebaft als UnterfudOungSrid^tcr 
täUt, ftnb ber Berufung an ben ©ericbtSbof ber „Queensbench" unterroorfen. 

9lur in ben ftäuen eines geroaltfamen XobcS ifl ein fpcjicllcr ricbterlid)er 
Beamte, ber „Coroner", mit ben felbftftänbigen (Srfjebungcn ber ^obeSurfacbc 
unb ber Ermittlung bcS XbäterS betraut. 3 U biefem Smd beruft er eine 
UntcrfudjungSjuro, rocldjc bie 3 cu 9 en oernimmt unb bureb tl>r Berbift feftftellt, 
baö ber Xbäter unbefannt, ober eine näber bejeiebnete ^erfon ber präfumtioc 
Xbätcr fei. 

Äurj, baS affufatorifebe 6nftem bel;errfcbt in ©nglanb alle $^afen bcS 
BoroerfabrenS. 9l\ä)t bem Siebter, fonbern bem 2lnfläger obliegt bie Sammlung 
ber Bcroeife. $ic ©trafoerfolgung finbet nidt)t oon SlmtSroegen ftatt. S)ie Ber* 



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3>ie Reform beä fratt&iJfiföen ©ttaforojefle«. 107 

hanblung ftnbet öffentlich unb fontrabiftorifch jwifchen Mitflöget unb Sngeflagten 
ober oielmehr smifeben ihren 2(buofaten fiatt. $>iefc$ Softem entbehrt nicht ber 
Parteigänger, welche feine Vorzüge betonen, öier, fagt man, beponiren bic 
3eugcn in ber Deffentltchfeit, uno ihr ^eugnil ro ^ unmittelbar fontrolirt, 
nicht bloö burdj ben SJefcbulbigten unb feinen SBertheibiger, fonbern burd) bic 
öffentliche SMeinung felbft; fein befonberer UnterfuchuiigSrichter, welcher oon 
oornljerein geneigt ift, einen Schulbigcn ju finben; fein dichter, welcher fdjon 
im Boraus gegen ben 2lngcflagten Partei nimmt, inbem er ben 3eugen iw 
(ebnen bei gcfchloffenen %1)üxtn oernimmt, um feine SluSfage ju erhalten, ihn 
mit %xaQt\\ ju brängen unb einem ©erichtöfd)rciber feine Antwort ju biftiren, 
bie er unbewu&t in eine 2luSbrucf« weife probt, welche nicht immer ber wirflichen 
Sluöfagc entfpricht. Grfl an bem 2terhanblung8tage cntroicfelt jebe gartet ihre 
SRittel be3 Singriffs unb ber Sertheibigung unb wenn ber 2lngettagte als Sieget 
aus biefem Kampfe h^roorgeht, ift feine &hre beftnitio gerettet. Äein Serbacht 
ber Siachajcbigfett noch ber ^arteilichfcit fann auf bem dichter haften, ber auf 
©runb etner öffentlichen, oft ein laute« Gdw hcroorrufenben ^erlrnnblung 
entfeheibet. 

konnte man inbeffen baran benfen, in ben franjöfifchen Strafprozeß 
ein bcrartigeS abfoluteS Softem ehijuführen, welcher aufjerbem fd&wierig — nicht 
nur nach ber franjöfifchcn ©erichtSorganifation, fonbern auch mit ben herrfchenben 
Sitten oereinbar ift? 3>ie erfte Gonfcquenj märe bie ©efeitigung ber guter* 
oention bc3 Öffentlichen 3)UniftcrtumS im Strafprojcffc. H Jiun aber ift bic 
^nftitution ber StaatSanmaltfchaft im eigentlichen Sinne — um einen 2luSbrucf 
$upin'S ju gebrauchen — , eine Schöpfung beS franjöfifchcn ©eiflcS. Schon im 
XVIII. .^ahrgunbert fchrieb üUJontcSquicu, inbem er oon ben „Procureurs du 
Koi" fprach: „Nous avons aujourd'hui une loi adrairable, c'est celle, qui 
veut que le prince, etabli pour fair exöcutcr les lois, prepose un officier dans 
chaque tribunal pour poursuivre, cn son nom, tous les crimes, de sorte, que 
la fonetion de delateur est inconnue parmi nous." 2ßer bie Abneigung ber 
franjöfifchcn Seoölfcrung gegen 2>enunciationen fennt, roic ihre furcht, fich ju 
compromittiren uno in aufregenbe Debatten einjumifchen, ift beffen gewifj, — 
woUte man bie Strafocrfolgung ber Onitiatioe ben ^rioatperfonen anheimgeben — 
bafj man bie Verbrecher ungeftraft ju laffen ober bod> ben gefährlichften s Jtan» 
fünen ober niebrigften üetbenf (haften ben 2Beg ju eröffnen risfiren mürbe. 

S)em franjöfifchcn ©eift miberftreitet nicht minber W Regime ber Deffent- 
lidjfcit. Ohne oon ben Schroierigfeiten ju fprechen, welche heraus entfielen 
fönnen, in «ginblicf auf bie Ermittlung ber Sdmlbigen unb inSbefonbere ber auf 
freiem ftufec gebliebenen s JUiitf djulbigcn , welche in ßcnntnifj beS augenblicf liehen 
StanbeS ber Unterfuchung barüber informirt finb, ob bie %iw$t ober bic 33c- 
feitiguitg ber Uebcrführungsftücfe angezeigt ift; glaubt man, bafj eS leicht fein 
wirb, pofitioc unb juoerläfftge (Srflärungen oon ben 3 Cu 9 cn 8 U erlangen, 
welche man jenem fapttöfen gragefpiel auSgefcfct hatte, bem bie ©efchicflichfeit 
ber Gnglifchen 2Iboofatcn in ben „Croas examinatiou" eine fold^e Scrübmtheit 
uerbanft? 3« $ranf reich ift cS nicht ohne Schwicrigfeit ber %aü, bafe man 
oon ben 3 cu 9 en tu Dcr ^auptoerhanblung bie üteprobuftion itnrer fchriftlich ab' 
gelegten 2luSfagen erhält. (Slaubt man, bafj bie fianbbewohner, ohnebieg fo 
ängftlich, wenn eS fich bavum hanbelt, einen Machbar, cor beffen 9?ache fic 
jittern, anjuf lagen, esS wagen würben, ftd; in aller Offenheit in ©egenwart beS 
^efchulbigtcn, leincr Singehörigen unb Sreunbe auÄjufprechen, währenb fic im 
Uebrigen ber mehr ober böswilligen tfritif beÄ SSerthcibiger« auögefc^t wären? 

9iach ber Scfchaffenheit bc3 franjöfifchcn ©eifte3 würbe eine bermatBen 
öffentlich geführte Vorunterfuchung in ben meifien gällen ben Rmd haben, bie 
3)icinung in einem bem Slngcflagten günftigen ober ungünftigen Sinne ju 
lenfen unb im Vorauf ba3 Urthcil be« ©erid^tiS ober ber Surn ju biftiren. 



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108 ®k Reform fcc3 franj&fltöen 8trafpro}cfic& 

enblicr) bilbct ba<8 brüte dharafteriftifche UnterföeibungSmerfmal bc3 
Gnglifdtjcn Straf ocrfahrcnS bic paffioc Stelle beä Unterfu<hung$richtcr3. 3n i>cm 
UMaüe, bafi bic nnchtigften S^afsttafpmeit ber Votuntetfudnmg, bic Shatbeftanbä* 
erhebung, bie öefchlagnahmen , bic $au3fuchungcn unb oft baä erfte Verhör, 
untergeorbneten Beamten anoertraut finb, beren bircete unb eignet Snitiatioe 
cntfprtngenbe ^ntcroention unpopulär fein würbe. 35iefe finb bie ©rioägungen, 
ou« welchen, ofmc bie Vorjüge be*8 affufatorifchen Verfahrens an fidh in $rage 
ju fteüen, beffen Slmocnbung für granfreid) ben SBcrfaffcrn bc$ oorlicgenben 
Mcform^rojcftS ju oerfuchen unmöglich fd^ien. 

V. 

Snbem bie Einführung bc« (Sngltfchen Softem« aliS ©anjaS auÄ ben cor* 
fkljenben ©rünben für unangemeffen erachtet wirb, brängte ftd^ bie ftrage auf, 
ob c£ nicht möplid) fei, ein öffentliches ©lement bcffelben loSmlöfcn unb beimbe* 
galten — nämlich baS Clement beS contrabif torifchen Verfahrens jtoifchcn 
9lnflagc unb 35crtheibigung in gehörig organifirter SBeife? Die 
^rufung ber fremben ©efefegebungen — hW cS in ben SJtotioen — bietet 
in biefer ,vMn[id)t eine 2luStoahl merfroürbiger Veifptcle. Xie ofterreuinf djen, 
beutfehen unb bclgifchcn Strafprojcfeorbnungcn, toiewohl auf bem inquifitorifd^cn 
^rinjipe berufjenb hoben cS nicht ocrab)äumt, ben Vefcbulbigten in Äenntnijj 
ju galten oon ben oerfchiebenen ßrcignifjen in ber gegen ifjn eingeleiteten Straf* 
uerfolgung, allcrbtngS innerhalb ber ©renjc unb unter ben Vorbehalten, wcldje 
burch baS Sntereffe ber Strafoerfolgung geboten erfdtjicnen. §icr ift ber Vc* 
fdnilbigtc nicht, wie nach bem franjöfifchcn Verfahren, allein oon ©eficht su 
@cfid;t einem dichter gegcnübergefkllt, welcher irjn in llnfcnntnife ber gegen 
ihn erhobenen Auflage tjaltcn (ann unb fouoerain über bie Ütichtung ber oon 
ijjm eingeleiteten Untcrfudjung entfd)cibet. 9iaa) bem bclpif etjen ©efefce ift 
ber Vefajulbtgtc mit einem RecbtSbciftanbe oerfchen, ber i^m m ben oerfdnebenen 
^l;afen ber $rojebur, fei cS fofort, fei es fpätcftcnS bret Jage nach bem erften 
^er^örc jur Seite ftcfjcn (ann; bic ^räocntiohaft fömmt nur in fehmeren unb 
auenafjmSweifen ftäücn jur Sinwcnbung; berart, bafj ber in Freiheit befinblidjc 
Vefchulbigte alle Elemente feiner Rechtfertigung oorbereiten fann. 

9{aa) ber öftcrrcierjifd^cn Strafprojeporbnung fann ber Vefdjulbigtc ben 
Veiftanb eines VerthcibigtrS beanfpruchen, mit welchem er in ©egenwart eines 
dritten fidh wäfjrenb ber Vorunterfuchung befpredjen (ann unb unetngefchränft 
nach 3wftcÖun9 ber Mlagefdjrift. $er Vcrtheibiger fann in jebem 2lugcnblicfe 
(Sinftdjt oon ben Slftcn ber Vorunterfuchung nehmen, infofern biefeS mit bem 
3wecfe ber Vorunterfuchung oercinbar erachtet wirb. 

S3Dic bcutfdt)e Strafprojcfjorbnung ftcllt in gleicher üföeife unb juroeilen 
felbfl oon 2lmt8iocgen bem Sbcfchulbigtcn einen ÜJertheibiger jur Seite, ber in 
fämmtlichen Slften ber SBorunterfuchung fpejicU in bie Vernehmungen feincö 
Glicntcn unb bie Sßrotofollc über bic 3 cu 9 cnocr j)öre ©inftcht nehmen fann. 
Obwohl biefe ©cfeöe nun oerfdhiebenfach bie Slugbehnuna, ber bem Vcfchulbigten 
im Voroerfahren gemährten 5 rc ^ c ^ 5 ur 5 ü ^ run ^ f cmcr Verthcibigung bc=» 
greifen, fo oercinigeu fi<h bo^ biefe brei ©efctjgcbungen in ber 5lnerfcnnung 
eines unb beffeloen ^rinjipcS: ber 9tothwenbigfeit ber Verthcibigung 
oon beginn ber ^roäcbur ab $u organifiren, ohne jeboaj bie Straf* 
oerfolgung ju hebern. 

Solche« ift in gleicher Söeife ba« ^rinjip, mclchcS bem ben frnnjöfifd^ert 
Kammern unterbreiteten (fntumrfc 51t ©runbc liegt, beffen heroorfpringenbfte 
iBeftimmungcn gröfetcntheilS nur Korrelate biefer funbamcntalcu 9icform bilden, 
©cleitet oon bem Vorbilbc biefer brei genannten ©cfetjgcbungcn oljnc in eine 
fclaoifche 9iachahmung ber einen ober ber anberen su ocrfaUcn, oiclmchr bic- 



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felbcn eine bur«^ bie anbere ergänjenb, bemüht fid) ber ©ntwurf in billigem 
UMa&c bie 3tccj)te bet 2lnflagc mit . baten beS SJcfdmlbigten $u combiniren, 
beiben gleichzeitig bie Littel bietenb, jebem 00m ©eficbtSpunfte feiner ^ntereucn 
aus, baS $un(cl, welches baS Verfahren umhüllt, $u flären. 

VL 

SBeoor wir $u einer betaiflirten Auslegung ber cinjelnen 2lrtifel über* 
gehen, wirb eS nicht unnüfe fein, eine fummarifdjc ©fi^irung ber loefcntlichftcn 
uorcjcfchlagenen Neuerungen $u geben unb barjulegen, welcher logifdje Verbanö 
jwi|d)en benfelben beftebt. 2)aS neu bura) ben Entwurf in bie franjöfifcbe 
©efefcgebung eingeführte ^rinjip beftebt borin, bafj 00m beginne ab unb mährenb 
beS ganzen ©angeS beS VoruerfahrenS ber Vefdmlbigtc felbftftänbia in bie 
Sage gefegt werbe, bie Elemente feiner Vertheibigung uoruibereitcn. Mein cS 
»erficht fid) üon fclbft, bafj eine berartige &cfugni£ oollftänbig illuforifa) fein 
würbe, wenn ber häufig ungebilbete unb unioiffenbe 2lngeflagte fid) fclbft über^ 
latfen wäre. ©S wirb Deshalb notf>wenbtg, ihm, oon ben crflen Stritten ber 
ütorerhebung ab, ben iöeiftanb eine« VertljeibigerS jur ©eite ju fteüen, welker 
nad) bem gegenwärtigen Suftem erft mit bem ber öffentlichen Verhanblung un- 
mittelbar oorbergehenben ^eitpunfte juläffig wirb. S)ie 2lmoefenbeit bicfeS 
^Hcc^tdbeiftanbed wirb von SHccbtS wegen ftattfinben unb eine bieSbejügliche 
Belehrung bat allemal an ihn ftattjuftnben, fobalb ber Untcrfuchuna^ricbter ju 
einer VoruntcrfucbungShanblung f freitet, bie, ihrer 9iatur nach, in fontra» 
btftorifdjer 3öeife bura)gefüt)rt werben fann, ohne baj? bie materielle SSahrheitS* 
crmittlung barunter leibet. 

$er Sefctnilbigte wirb in gleicher Söcife baß Siecht haben, bie Vornahme 
gemiffer UnUrfucbungShanblungen begehren ju bürfen, welche ber UnterfudjungS* 
ridjter unterlaffcn hätte, unb bie bcrmafjen geartet waren, bafj ftc jur gcftfteliung 
feiner Unfdjulb ober boa) eines milberen VerfctyulbenS bettragen würben. Slllein 
eS fönnen fid) bezüglich ber Opportunität berartiger beantragter 21 ftc 93c* 
benfen ergeben. (SS ift baber oon 2öertb, bafj bie StaatSanwaltfchaft, als 
Stöächterm ber .^ntereffen ber Slnflagc, jum 2öorte gelangt, fo oft bie Vertheibigung 
fid) boren lägt daraus folgt, bat! bte ©taatSanmaltfcbaft ber Vorunterfucbung 
auf ©runb beffelben SitelS unb unter benfelben VorauSfejjungen, wie bie 95er* 
theibigung, beijuwohnen berechtigt ift. SJei 3)ieinunQSoerfa)icbenl)eit jwifeben 
benfelben entfebetbet ber Unter fuchungSrichter. Wan fonnte jebodj nicht 
baran benfen, bem Sedieren feine aftioe unb fpontane SRolle ju entwichen, um 
aus bemfelben ein einfach paffw«* SBerfyeug ui machen, welches nur in $olge 
ber Anträge beS Staatsanwalts ober ber Vcrtbeibiger in ©ang gebracht werben 
fonnte. Ter UnterfudnmgSridjter foU unparthetifth, aber nicht unthätig fein. 
3h*n bleibt bie Aufgabe, bie Unterfuä)ung unter ben Sugen ber qtartyeien 
ju leiten. 

9lllcin mit bem Slugenblidfe, ba& er auf ©runb eines fontrabiftorifchen 
Verfahrens (Sntfcheibungen ju fällen berufen ift, barf er nicht in lefcter ^nftans 
über bie oon ihm angeregten fragen entfdheiben; es ift babcv nothmenbig, ihn 
einer höheren 3wtiSb\ftion iu unterorbnen, welche in fouoeräner äBeife über baS 
in allen fällen, in benen fich eine aJteinungSocrfchiebenheit geltcnb macht, einju* 
fchlagenbc ©erfahren 511 entfdheiben, unb über geroiffe ^ra^en, welche in all$u* 
gewichtiger äBeife bie ^erantwortlichfcit beS UnterfuchungSrtchterS h^auSforbem, 
enbgtitig ju befinben haben wirb, ©on biefer 3lbficht geleitet, h^t ber ^nttourf 
bie WatbSfammer, welche burd) baS ©efefc oon 1«56 als ein „unnütKS 
Stäberwerf" aufgehoben würbe, wiebcihcrgeftellt, inbem bcrfclben allerbingS, 
nach ber gegenwärtigen örganifation , eine abwcid;cnbe unb notlnucnbige 
aiolle sufäUt. 



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HO 3Me «eform bcS franjBftfäen ©trafowjefi««. 

Waä) bem nunmehrigen Sofieme bleibt bem Unterfu<hung«richter bie 
Aufgabe, ben ®ang ber Untcrfudmng ju leiten, allein ber 9tath«fammer obliegt 
e«, balb in erfter, bolb in legtet ^nflanj bezüglich oller ^njibentpunfte, welche 
im Saufe ber S3orunterfud>ung, fei e« burch bie Sertbeibigung, fei e« burd; bie 
SlnFlagc, angeregt werben, enbgiltig ju entfeheiben. 

lieber ber ÜtatbSfammcr (Ohambre du Conseil) cnblid) wirb al« Icfctc 
unb fouoeräne ^uriöbiftton bie 3lntlagefammer (Chambre des mises en 
accuaation) ju flehen fommen. £)o3 fid^ in fontrabiftorifchen formen bemegenbe 
Verfahren oor berfelben (atlerbing« bei gefchloffenen Spüren) wirb e« bem 
2lngeflagten ermöglichen, alle unb jebe Sertheibigung«mittel oor bem legten 
6tabium ber ^auutoer^anblung $u erfchöpfen. 

SBenig in ber %fyat jeboa) mürbe e« bebeuten, roenn man beut öefdmlbigten 
bie 2öohlthat eine« 3krtheibigung«fchutjc« in bem ^oroer fahren fiebern wollte, 
infofern ber Sertheibiger nicht in tantnife aller ^^afen ber Sorunterfuchung 
gehalten mürbe. G« mirb ü)m bafjer geftattet fein muffen, ju jebem ,3eitpunfte 
oon ben 9lften (Sinfia^t ju nehmen — unter bem allerbing« behnbaren Sorbehalt 
berjenigen gäüe, in benen biefe aflafenahmen ber 2Öal)rbeit«ermittlung (einem 
nicht minber elafufa>n Segriffe) f$äbli$ fein fönnte. — (sine ber wefentUcbften 
Sefugniffe be« Sertheibiger« mirb in bem Ütedjtc befielen, ba« 2lbhören folcher 
3eugen ju f orbern, welche bie Auflage ju benennen unterlaffen Ijat; ferner in 
bem fechte, ber Slbbör berfelben beijumohnen ober bod; junt minbeften if)tcr 
Konfrontation mit bem Sethetligten, tuelc^e biefer jeberjeit ju forbern befugt ift, 
öorbet)altlidf> ber Sefdjwerbe an bie WattjSfammcr im Serroeigerung«faile. 

©nblich, roie mistig immerhin auch ber Seiftanb eine« Serthetbiger« ift, 
mirb e« llmftänbe geben fönnen, unter benen c« für ben Sefchulbigten gerabeju 
Wothwenbigfcit mirb, an bie Erfahrungen unb 2Siffenfdwft eine« fpejiellen 
Sadmtann« }u appcliiren, um bie Elemente feiner Sertbeibigung oorjubereiten. 
Xiefe« ift ganj befonber« bann ber jjafl, wenn ber UnterfudjungSrtctyter eine 
(Srpertife angeorbnet fyat-, bie Sefugnifj, einen ©egeneyperten aufstellen, 
rotrb ba« einjige 2Jftttcl bieten, um bie 9tichtigfcit ber Prüfung oon jeber 2ln* 
fechtung frei m galten unb um, ju einem nicht oerfpäteten 3*itpunfte, 6r* 
Meinungen ju firiren, beren ©puren in ber fpäteren %a\t ber .§auptoerhanblung 
»erwifcht fein mürben. 

2Ufo: SBciftnnb eine« Scrtheibiger«; fafultatioe ^nteroention 
beffelben bei bem größten Xfytilt ber Sorunterfuchungöaften; Stecht 
be« ungehinberten Serfefjr« mit bem Sefchulbigten innerhalb oor* 
gejeichnetcr @renjen; ba« s Jted>t auf eine ©egenerperttfe unb©egen* 
enquete; bie 28ieberherftcllung ber 9tat$£fammer; bie Umroanblung 
be« folaenben geheimen Verfahren« oor ber Slnflagcfammer in 
fontrabtftorifdjem ©inne. 3fl9 cn mir biefen eingreifenben Reformen nodfc) 
biejenigen neuen Seftimmungen bei, beren $md eine roefentlidje Erleichterung 
ber ^rartö ber prooiforifchen £aftentlaffuna ift, unb mir haben im Söefent* 
liefen bie ©tunblage jene« neuen 6o|tem«, auf welcher ber franjö- 
fifche ©ntmurf beruht, ffijjirt. 

Slüein biefe einfache 2lut$ählung jeigt genügenb, bi« ju welchem fünfte 
fich bie DeFonomie be« geltenben Code oeränbert finben wirb. $>ie beabftchtigten 
Reformen finb berart, Dafe ungeachtet ber gemachten 3lnftrengungen, um bie 
neuen Seftimmungen in ben Karaten ber alten Slrtifel unb ber alten Slbfchnitte 
einjujwängen, eine oollftänbige Umaeftaltung für unoermeiblich erfannt loorben 
ift r jum minbeften, fomeit ba« erfte Such bc« Code in Setracjt fommt, ba« 
einjige, welche« im gegenwärtigen Slugenblicfe ben legi«latiocn Serathungen $u 
©runbe liegt, tiefem Sua)e, be}iehung«weife bem ©anitel über bie Worunter* 
fuchung mufeten, um ben ©efefcen ber 3)iethobif su entfprechen, bie alten unb 
neuen, auf bie 2lnflagefammer bejüglichen Seftimraungen ^inäugefügt werben. 



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$tc ««form beö franjÖft|(^en ©ttafarojtfoS. m 

2Ba8 bie anbeten, mit nicht rainbcret Ungebulb erwarteten Reformen betrifft, 
welche fidj auf bie SuriSbtftion 0C t 93erbanbtungSa.ericbte, auf baS Nefum6 beS 
2tfftfenpräfibentcn , bie 8ilbung ber ©efcbworenenhfte, bie Neoifion ber ©traf* 
urteile u. f. tu. bejieben, fo werben fie ben ©egenflanb einer fpäteren Prüfung 
unb eine3 neuen Entwurfes bilben, welchen bie Regierung ber Äammer su 
unterbreiten ftd) oorbctjaltcn hat. 

Dbwotu* man nun jwar bemüht war, fiel) in ber Umgeftaltung beS erften 
33ud)cS einer eraftcren unb miffenfebaftueberen Terminologie, als [olebe bem 
Code eigen ift, ju befleißigen, fo mar man bod) beftrebt, in ben beibehaltenen 
Sirtiteln auch ben ©efefccStcrt fo oft aufredet ju erhalten, als bie Raffung meber 
m $unfelbeiten noch au SBiberfprüchen mit ben oorgcfcblagencn Neuerungen 
führte. $)iefc gormultrungen, fo wenig fie ben Slnfprud) auf 9Mcnbung er* 
heben fönnen, fmb burd> eine lange törayis geheiligt; eS würbe verwegen 
erfdjienen fein, biefelben einem übertriebenen Streben nach ©lelcbförmigfeit au 
opfern, auf bie ©cfabr tym, bie SuriSprubenj einer Unfic^er^eit au überliefern. 
3)tan bat baljer ben alten Code auemal refpeftirt, wo ber ©eifi beS neuen hier- 
mit nicht in SSiberfprud) trat. 

65 erübrigt unS nun, in bem Jolgcnben barauleaen, auf welche 9öeife 
ber Entwurf in ben oerfchiebenen *pljafen ber SBorunterfua)ung bie eben ent* 
wicfelten ^rinjipten oerwirflicbt hat. 

2)iefeS naebsu weifen unb ben Entwurf felbft beS Näheren au prüfen, in* 
foweit beffen Neuerungen im ©inaelnen ein rechtSucrgleichenbeS ^ntereffe 
mit ben öfterreiebifeben, beutfdjeu unb ben anberen bcnwrragenben Strafprojeß* 
orbnungen beS Kontinents baibieten, behalten wir einer aweiten Slbhanblung 
oor. §ter wollten wir unS nur barauf befebränfen, in engem 3lnfdt)lufe an baS 
ben gegenwärtigen Entwurf begleitenbe 3Kotioen*@rpof6 bie widjtigften Neuerun« 
gen beS franaöltfeben NeformprojeftS au fignaltfiren , biefelben im §inblitf auf 
bie biftorifebe (Sntwicflung beS franjöfifcben StrafprojeffeS au erflären unb enb* 
lieh oarjulegen, in welchem ©eiftc ber ©efej&geber folche geplant fehen miß. 
3Öci bem natürlichen ^ntereffe, welches einer ©efefcgebung anhaftet, bie in ihrem 
mehr als ftebenjigjäbrigen SJeflanbe einen fo fehwerwiegenben ßinfluß auf ben 
Strafprozeß beS gefammten Kontinents gewonnen hat, beren Glemente, bei allem 
Streben nach Selbfrftänbigfeit, baS bie neueren ©efefce behinben, bennoch nicht 
BoUflänbig auS biefen fiep uerbrängen laffen, erfchien es uns angezeigt, biefeS 
Neformprojeft — übrigens nur ber Vorläufer einer baS gefammte fran^öfifche 
formelle unb materielle ©trafrecht umfaffenben s Jteformbemegung — ben weiteren 
^achfreifen jvgänglidt) ju machen. Ohne beraeit in eine tfritif beffelben uns 
emaulaffen, au welcher ein Anlaß ftch bieten burfte, wenn wir beobachtet haben 
werben, wie ber ©efefogeber im ©injelnen bie oou ihm entwicfelten ^rinjtpien 
jut Ausführung gebracht hat, fönnen wir bod) biefem fchon jefct bie 2tnerfennung 
nicht »erfaaen, baß biefeS partielle Neformmerf einen fühnen unb boch jtel* 
bewußten Schritt auf ber SÖalm einer gefunben ©ntwicfelung beS franjöfifchen 
StrafproaeffeS bebeutet. 3nbem bie franaöfifche ©efefcgebung fich mit ben aner* 
fannten $rinjipien ber beften neueften Strafproacßorbnungen in Ueberemfhm* 
mung au fefcen bemüht ift unb auf bie bisherige ifolirte ©ntwicflung 93crjid)t 
leiftet, macht fie ein fowohl ftcb wie biejenigen ©efetaebungen, beren SBorbilb 
fie folgt, gewiß et)renbeS 3«9cftänbniß, baS oon bem Stanbpunft einer möglicbft 
gleichmäßigen (Sntwicfelung beS StrafprojeßrechtS in ben oerfchiebenen ctoilifirten 
Staaten im Sntereffe ber Gulturgemeinfcbaft mit ©enugthuung begrüßt 
werben fann. 



Di 



I 



Ute itüdtnrirlmng 5er (Betfloshranhdett ttitd Straf- 

Knmündidkett 

(§§.51. 55. <2t. ©.£.). 

auf bn* XljatbeftöubSincrfttMl bcr gieret, baS drlaugtfcin mittete einer 
ffrafbaren §anblung (§. 259.), baS ^crgcljcu bed nun SHcljrcren begangenen 
$audfriebcubrudj8 unb ber in gleicher SBcife begangenen Mrbertoerlefcnng 

(§§. 123. Slbf.3, 223». Gt«.»). 



&on &crrn Sanbridjtcr ®. §crbft in SanbSbcrg a. 23. 



1. Die ad)tjäl)rige G. h>tte bem 6., bei bem fic in pflege bcftnbltd) war, 
eine erheblichere ©elbfummc weggenommen, unb biefe an if>re Butter, bic fic 
einige 3ctt banad) befuebt fyatte, auSgchänbigt. ©egen bie wegen Hehlerei 311 
jiuci oerfdnebenen WMtn oorbeftrafte Butter bcr (&. roar bie Unterfudjung 
wegen Hehlerei auä ben &?. 259. 261. 262. 6t. @. eröffnet worben. 3>t 
bcr <gauj)tucrljanblung würbe bic 2lngeflagte wegen Unterfcblagung ocrurtfjeilt. 

2. $)ie boc^betagte i. war unter ©rfc^einungen uerftorben, welche ben 
58erbad)t fdjutbfjafter ÜNitwirfung dritter an bem £obe entfteljen liefen. 2)ie 
angefteüten Ermittlungen betätigten biefe Slnnabme mdjt, lieferten aber ben 
9tadjweia bafür f bafj bic X. von iljren ©nfellinbcrn 21. u. *ü. in gröblichftcr unb 
rotjfter 2Beife nti^anbelt worben. $n ber gegen Icfctere wegen gerne iufcfcaftlid) 
begangener Äörperoerle&ung eingeleiteten Unterfudjung würbe bie Semeiäfrage, ob 
ba3 eine ber beibeu @ntelfinber 20. jur 3^it ber Begebung bcr in grage tretenben 
s JNi|I)anblungen baä zwölfte fiebenäialn: bereite oollenbet, oernetnt. 

3. ©egen <L unb 3). war bie 2(nflage wegen gcmeinfd&aftlid) begangenen 
#au§friebenöbrud>8 erhoben worben. 3)cr Verlauf bcr ntünbltajcn ^erljanblung 
führte jur ^Bejahung ber ftrage, bajj 2). jur 3cit bcr Segeljung ber §anblung 
fiep in einem guftanbe franfbaftcr Störung bcr ©eifteStfjätigfeit befunben, butd; 
welken feine freie äßillenSbeftimmung auSgef Stoffen war. 

$iefe, tbcils oor bem ^nfrafttreten ber 3). 6t. $roj. D., tljeilS unter 
bcr §crrf#aft bcr Unteren jur Slburtyeilung gelangten gäUe bürften bereits 
geeignet fein, bic praftifdje SBcbeutung unb $olgewid)tigfctt ber aufgeworfenen 
fragen barjut^un. Sie £eran$iehuug beS ÜJiilitärftrafgcfe^oS, inäbeionbere ber 
47. 115. bafelbft, unb bcr bort wefentlich. wetbenbe (Siuflufi beä SJefefjte auf 



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3>te fRütfwirfung ber ÖctfteStranl^eit unb ©crafunmünbigtett \\$ 

bte frrafrechtlidhc ^oroftcriftrung würbe in Veranlaffung beS SSacht- unb 
Patrouille * fcienfkS bte pcaftiidje Vebeutung beS ber geseilten ftrage oer* 
meintlich ju ©runbe liegenben SJJrtnjipS betätigen. 1 ) 

3n bem ftalle 511 1. würbe an ©teile ber nach §. 261. 6t. ©. SB. in 
Slntrag gebrauten 3ud)thauSfirafe aus §. 246. bafelbfi auf ©efängntfi erfannt. 

gii ber Slnflagcfacbe 511 2. breite es ftdj, nachbem bte erft in ber §aupt* 
oerljanblung ftreitig geworbene #rage ber 3 e ü btx ben ©egenftanb ber 2lnflage 
bUbenbcn X^at ju ©unfien beS 58. entfehieben worben, in Ermangelung eine« 
Straf antrage« ber X. um ftretfpredfmng, bcjüehungSweife nach SJtojjgabe beS 
§. 259. ber 6t. $roj. D. um ©infteüung beS Verfahrens gegen ben 18 jährigen, 
liatangeflagtcn V. ober um Verurteilung aus bem oon einem 6trafantrage 
unabhängigen §. 223 a. 9t 6t. @. V. 

3n ber 2tnflagefache ju 3. enblidf} ^onbelte eS ndn, beim Vorliegen eines 
redjtjeittgen 6trafantragcS gegen ben 3Jtitangeflagten (£., um bie gtyirung eines 
6traffafceS oon einer aßodfje bis ju einem ^abre, ober bie 2lrbitrirung eines 
6trafmaBeS in ben ®ren§en oon einem Sage bis $u brei s JJtonaten bejichungS* 
weife einer ©elbftrafe bis $u 3(X) maxi 

2)er 6traffaII ju 1. fw* in ber münbltchen Verhanblung eine t^atfädjlic^e 
Umänberung überhaupt nicht erfahren. $n ©entäfehett ber jefct mafegebenben 
§§. 204. 205. ber 6t. $ro*. £>. hätte bie bemnädjfte ftrafred&tiid&e (S^aratterifirung 
ber $hat bereit« bem IrröffnungSbefdhluffe ju ©runbe gelegt werben muffen, min* 
beftenS tonnen. 

3n ben fällen ju 2. unb 3. bagegen ift eine fold&e mefentliche Umgeftal* 
tung beS tljatfächlichen Material« eingetreten. ©rft burch baS ©rgebnife ber 
§auptoert)anblung ift in Abweichung, ja im Sßiberfpruch mit ben bisherigen 
termittelungen für bargetfmn erachtet worben, bafj bie in ben ©tnjelheiten Oes 
Vorgang« unb ben bcgleitenben llmftänben fonfretifirten, unb mit ben ben ®e* 
genftanb ber 2lnflage bilbenben öanblungen erfichtlid) ibenttfehen SDti&hanbtungen*) 
bereits in einer früheren $tit ftattgeljabt, §u melier ber SDJitangeflagte V., ber 
überbicS ausweislich beS fpäter bef Rafften ©eburtSattefleS in ber Voroernehmung 
fein ©eburtsjahr unrichtig angegeben, baS jwölfte SebenSjahr noch nicht oollenbet 
hatte. Ungleichen mar in ber llnterfuchung ju 3. trofc ber oorgängigen pou&ev 
liehen Vernehmung beS r. baS Vorhanbenfein einer ©eifteSfranfheit beS ßefcteren 
auch nicht einmal behauptet, gefdf>weige nachweisbar gemacht worben. 

£)ie 2öieberfehr berartiger (£rfdjeinungen ift nach Einführung ber 
6t. ^03. 0. oermeintlidh erfreulicher 2öeife feltener, nicht aber auSgefdhloffen. 
25er oorgängigen Vernehmung ungeachtet, würben erfahrungSmäfeig oon bem 
2tngcflagten bic erheblichen %\)at\aa)tn unb ©inwenbungen erft in ber $aupt* 



1) Saß SWilitftrftrafgcfebbu* fcfieifcet au§trücfli<f> bon bem 3)ienftbcjcl)le ben „$efef)t in 
2)ien^fa4en" unb begreift nad) bei »uSbructSttjeife bet iDiotioc (ipöutgbauö @. 81) na^ mtli= 
tänfä« tjertBnnnli^et 6»ta^n>eife unter erftcrent jeben »efel)l irgenb eines militArifdjen SJor» 
gefegten, unter teuerem nur benjenigen Sefept eines bienfllid) Vorgelebten, welcher eine Xicufi- 
augelegenbeit berrint." Der ftrafauSfdjuefeenbc §. 47. betrifft, ebenfö n?ic ber §. 92. Tl. ©t. ®. 99- 
nur $efeble in 3)ienftfacben. 

Sie auöfübrung ScbUtje'S, JebrbuA 6. 97, babin, bafj e§ im 2RititätPanbc eine ^fli^t 
be« unbebingten (btmben) öeb,orfam*J gebe, fowic bie ?tntnertung »on 2JleroeS im ^anbbudie 
SB. 3. ®. 1011 SRot 2., ba§ ber Untergebene, wenn er ficb, ber ©träfe be3 Ibeilncbmerö ent» 
Steden »ifl, bem SBefcble ungeborfam fem muß, ft£b baburd) aber ben in ben §§. 92. ff. ange- 
broljten Strafen be« Ungeborfamö auäfefet, bebarf bemnad) ber dmfepräntung. öergL 5. 
ketter, Wtlttarfrrafgefeebud) II. «uftagc e. 90, „»eil bie ^fliefct be« ©eb,orfamö bann aufbort, 
wenn fie mit böbereu s 4ifljd!ten in ^olltfion tommt." 

2) Uebcr bie Sbentität ber ©traftbat trotj abweidjenber 3ci*^cfhwmung »ergl. Üoeme, bie 
@L ^roj. C. §.263. 5Rot 3a. ©.640, in gleiten @. 477 9iot 30.; ©dnoarje, dommentar *ur 
©t ^ro 3 . JO. ©. 363, 423; Oppenboff, ©trafterfabren ©. 4 ülot 14., ©. 8 «ot 24., ©. 161 
Mot. 2., ©. 234 Hot & :c 

%x$it> 1880. 2. $cft. 8 



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H4: Äüdtoirlung ber ©eißeSfranHjeit unb ©trafunraiinbigteit. 

oerhanblung geltenb, unb bic roefentUdjiten <Sntlafhing3$eugen häufig crft nad) 
eingeleiteter Ünterfuchung namhaft gemalt. $a, im geroiffen Sinne liegt bie 
(Srjdjeinung in ber Statur ber Sache begrünbet, bafe ber mit ben begleitenben 
Umftänben ber Xljat am ©enaueften oertraute Angeflagte au£ ben bie Auflage 
ftügenöen Behauptungen unb ben barüber in Jöejug genommenen ©eroeiSraitteln 
bie fia) barbietenben Sdnoäcbcn unb bie hiergegen mit Erfolg ju rid)tenben An- 
griffe entnimmt. 

3)aju fommt, bajj nad) §. 77. beS ®. 33. @. bie Straffammer mit 
fünf, bie iöefd)lufefammer aber mit brei Üttitgliebem befefet, unb bafe nad) §. 23. 
Abf. 3. ber 6t. $roj. 0. ber SJeric^terftatter in ber 33efd)luf$fammer oon ber 
■äKitioirfung in ber Straffammer auSgefd)loffen ifl. Angenommen, bie 3Hehrbett 
ber 3)fitgueber ber 53cfd)luj3fammer bejaht — abgefeljen oon ber auch in ben 
SDlotioen (oergl. ßoeroe a. a. 0. 6. 554, unb 6d)toarje 6. 348) als faa> 
gemäfe gebilligten @rroägung, jtoeifelhafte fragen ber (§ntfd)eibunc| beS erfen* 
nenben ftu$tex£ ju überladen — in Üebercinfhmmung mit ber (Staatsanwalt* 
fdjaft bie eine ober anbere, für bie ftrafrcdjtUdje Gharafterifirung bireft ober 
inbireft toefentlichc 53eroeiS; ober 9tcd)tSfragc, bic oon ben in ber Straffammer 
hinjutretenben Drei 3Jiitgliebcm , ober in 8erü(ffid)tigung beS §. 262. ber 
St. ^roj. 0. auc^ nur oon ^roei berfclbcn, im entgegengefe^ten Sinne entfefaie* 
ben roirb, fo bürfte heraus bereits bie Folgerung abfliegen, bafe aus ben &e* 
ftimmungen ber ©t. $roj. 0., inSbefonbere aus ben SBorfdjrtften ber §§. 152. 
201. 204. 263. 266. bafelbft ein irgenbroie AuSfölag gebenber Anwalt für bie 
bcarifflidje Sprung beS AuSbructS „ftrafbare §anblung" im Sinne beS ©traf' 
gefefce« nid)t $u entnehmen ift. 2He StaatSauioaltfcbaft ergebt nach 3Jtoftgabc 
öeS §. 152. 6t. Sßroa. 0. bie Anflöge, unb bie Sefchlufefammer eröffnet in ©e* 
mäjfyeit ber §§. 2. 201. bafelbft bie Untcrfudjuna,, roeil ihrer Anficht jufolge bie 
Segnahme beS ©eibeS bura) bie acr)tjäcjrigc 6. )ich als ftrafbare ^anblung bar* 
ftellt, ober ber bem Xhäter eines AntragSoergehenS nriffentlid) geletftete ©etftanb, 
um benfclben ber Seftrafung $u entziehen, ungeachtet beS wegen beS Antrag«* 
oergehenS nicht geftellten Antrag^, [ich a & ciiic ftrafbare §anblung im 6inne 
öcS §. 257. % 6t. ©. Jö. chatafterifirt, 3 ) roährenb bie Straffammer bei abweichenber 
Auffaffung in ooüftänbiger Uebereinftimmung mit Den §§. 263. 266. St. $roj. D. 
ju einer anberen frrarred)tlid)en ^Beurteilung ber $hat, beuehungSroeife jur 
greifpredjung beS Angesagten gelangt, ©afe bie für crioiefen angenommene 
Xhat im ©inne beS §. 266. 6t $ro$. 0. für bie Anflagebehörbe unb bie 
5Befd)lufefammer „nothioenbiger 2öeife" eine ftrafbare §anblung ift, erfcheint 
aua) in 5öerücf|id)tigung ber oben angebeuteten praftifdjen (Srtoägung ber 3Jto* 
tioe jutreffenb. 2)afe aber biete %t)at an fid) ober auch nur für ben Spruch* 
riebter eine ftrafbare JpanDlung ift, mit anberen Sorten, bajj feine ftrafred)tliche 
Auffaffung mit ber ber StaatSantoaltfd)aft unb Sefchlufefammer übereinfrimmen 
folle unb müffe, biefer Annahme unb ben barauS etwa abjuleitenben Scblufj* 
folgerungen treten bereits bie mehrcitirten §§. 204. 263. 266., welche bie flJiög* 
lichfeit berartiger abroeid;enber Auffaffungen jur SßorauSfcfcung haben, btirch* 
greifenb entgegen. 

S)ie in ber Unterfuchung ju 1. eingelegte Sfteoifion rourbe, leiber ohne 
(Sntfcheibung in ber Sache, auS formellem ©runbe jurüefgeroiefen. GS mag 
bemnad) aua) biefe ^rage eine nochmalige Erörterung tyte pnben. 4 ) 



3) Stagl. SJitttet, ^antbu* 8. 3, @. 739; Oppentioff, §. 257; ötp«, im öcri*tSfaal 
33. 27. 6. 3U8 ff.; unt »omämlid) «inUing, tie Motmtn unb iljre Uebertretung 33. n. ©. 4ÖH 
9iot 680., ©. 565 ff. 2C. 

4) ©cridjtöfaal, 33. 29. ©.379 ff., 429 ff.; »ergL ». Suri, §tt>\vct\ unb »egünftigung cbenbo 
©. 31; »inbmg a. o. O. @. 573. 



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^ 

2>tc fflüdtttttung ber ©cifteSttanfljeit utrt> ©trafaraniurtrigtcit H5 



L 

Sa« bic ©rforberniife beS §. 259. 6t. ®. 33. oerneinenbe Urteil fufet 
im 2öefemlid)en auf folgenber Vegrünbung: 

SDie Sinnahme einer ©ttaftyat bebingt, „bafj ber 2>cltft£begriff burd) einen 
hanblungäfähigen lüicni dien oenuirflidn", Dan baS in Erfüllung be£ Sljatbeftanbes 
Wcf d;cl)cnc burd) ein juredmungäfähige«, menfd)Ucheä ^nbioibuum oerurfacht ift. 
2üid) baä X^atbeftanbömerfmal „ftrafbare jpanblung" im Sinne be8 §. 259. hat 
bie „VerroirEliajung eine« rechtlich releoanten ä8illen$" jur bebingenben Vorauf 
ie&ung, unb bie) cm VegriffSerforbernife genügt nad) 2luffaffung unb 2tnorbnung 
bee dt. 6t. ®. Jb. bie äihllenSfähigfeit unb 2Menj8u)ätigfeit bc$ £inbe£ unter 
12 <3(u)ren nid)t. dnäbefonbere erhellt aus ben 3Jcotioen ju ben §§. 51. 55. La, 
ohne bafj bie 2i5ortfat)ung ber beregten Vorfdjriftcn entgegentritt, bafe im 5>eutfd)en 
6trafgefefc „bie VerftanbeSreife'', „einfiel", „^nteUigenj" al$ ein« ber ©runb* 
erforbemiffe ber 3ured)nung8fähigfeit anerfannt unb bie biefem ©rforbernifj er- 
mangelnbe 6trafunmünbigfcit, unter gleichzeitiger gefc^geberifdjer girirung einer 
iJUtcr^grenje, al£ (Srunb mancjelnber ^uredmungSfähigfeit aufgeteilt ift. Siefer 
Langel mad)t (in ber hier fraglichen fubjectioen «ejiclrnng) ba£ s Botten beö 
achtjährigen Äinbe« ju einem im <öinne be3 6trafrechU8 bebeutungalofen, ben 
Sillen 5u einem nid)t releoanten, unb entzieht ber U$ermirflid)ung biefeö MllenS 
in ber älufeenroeU, ber Xfmt, ben Gharafter einer ftraf baren «ganblung, fo baß 
fid) „an feine £fjat eine Hehlerei nidjt anfd)liefjen fann." 

S)em gegenüber foll nun bie Ableitung beä ^Begriffs „ftrafbare §anbluna/' 
auö allgemeinen t^eoretifa)en Strafrechtägrunbfä&en unftatt^aft fein, fo lange ftd) 
au$ bem 6trafgefefc eine fiebere Vegriffäbeftiramung ergiebt.*) 

(&& foll inhaltlich beffelben Strafunmünbigfett mit Unjurechnungsfctyigfeit 
nid)t ibenttfd), fonbem bie jöegrenjung ber ftrafrcd)tlid;en Verfolgung auätoeislidj 
ber 2JJotioe nur beatialb geschehen fem, mal jüngeren Ätnbern muthmafclich 
bie jur erfolgreichen ueberroinbung oerbred)erifa)er triebe nothioenbigc moralifd)e 
ü)iberftanbfl|(u)igfeit abgebt. 

ii& foll enblich — unb bie Raffung ber §§. 51. bü& 54. im ©egenfafee 
ju ber beä §. 55. foü. mit Sicherheit biefe 2luffaffung beftätigen, — bie ^anblung 
eine« ftrafunmünbigen Ätinbeä, welche objeftio bie 2)terfmale einer mit Strafe 
bebrohten Xi)at enthält, fid) immerhin aü8 ftraf bare ajaraftcrifiren, fofern nur 
fefügeft eilt wirb, ba& ber jugenbliche %t)ättx bereit« fo weit entroicfelt mar, 
um bie Unerlaubt^eit feiner §anblung eingehen, mäl;renb, fad« Untere« uer- 
neint mirb, allerbingö oon einer ftrafbaren ^anblung hier cbenforoemg bie Siebe 
fein fann, wie bei bemjenigen, beffen freie 25MUen£bcftimmung burd) ©eifte3^ 
franft^eit ober S^^B au^gefchloffen ift. 

^m Ülnfchlufe an ben oorliegenben ftall fei juuadjft in thatfäd)Ud)cr 
jiehung bemerft, baß eine ^eftftellung ber (Anficht ber achtjährigen @. in bem 
oorangegebenen 6inne nid)t ftattgehabt unb nicht ftatthaben tonnte, roeil beren 
üüorlaöung unb Vernehmung oon feiner 6eite für erforberlid) eradjtet mar. 

Unbebenllich ift in red)tlid)er SBejielmng zugeben, bafe 6trafunmünbig^ 
feit mit Unguredmung£fäl)igfeit nicht gleichbebeutenb ift. SDic 6trafunmünbigfeit 
bejiehungÄioeife bie mit ü)r oerfnü^fte Verftanbeöunrcife ftellt fid) oielmehr al« 
eine ber Verurfaa)ung«u)eifen ber ^uredjnung^unfähigfeit, bie 6trafmünbigfeit 
aiä ein£ ber (Srforbemiffe bar, oon ber bie ^urechnungSfähigfeit abhängig ift. 
S)em entfpred)enb wirb aud) in ber gegenteiligen 2lu«führung fogar anerfannt, 
bajj unter Uraftänben bie 6trafunmünbigfeit 3u^d}nung«unfähigfeit hcrbeU 
führe. S)ie $rage, ob etwa „bic ^nteUigcnj, mit (Sinfdjlufc ber erforbcrlidjcn 



5) »crgL au$ (»eh^tfitaal ». 30. 6. 305 jc. 



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l\Q ' 3>ie Slü<ftt>irtung ber ©djteöttantfjcit unb @tra[unmnnbigteit 

9ieife, als alleinige Vcbingung ber 3urechnungSfäljigfeit aufgefteflt roerben 
fann", 6 ) würbe an lieh Die tfntfcheibung in feiner äßeife bebingen. ®enn bie 
Verlegung Des ©duuerpunfteS in Die 3n lc ßi9 en 3r bie anDererfettS als „Ginficht" 
(Jöeiüujtffein, Unter fcheiDungSoermögenv) als „baS UnterfcheibungSoermögen", 
b. I). Die jälngf cit eines ^nbtoibuumsj, Die Vefchaffcnheit, Verhältniffe unb folgen 
feiner £anDlungcn $u erfennen (libertas judicii)«), als „Sßflichtfähigfeit" ») neben 
bem „prartifdjen Elemente, Der ^JiUfür (Freiheit, fya()igfett ber ©clbftbeftimmung, 
Freiheit ber UittllenSbeftimmung) k." erforbert roirD, roürDe, falls fic nicht cor* 
tjanDen, nicht minber not^menbig sur Verneinung ber 3urcdntung$fälngfeit unb 
Der Daraus abfliefeenben Äoniequenjen Einleiten. ÜiJo^l aber erhellt aus jenem 
t^eilroeifen 3ugeftanbnif, bafe iebenfaUd bie Söortfaffung ber §.51.55. 6t. ©. V. 
ber abroeichenDen Sluffaffung einen faltbaren SluSgangS* unb ©tüfcpunft ju lie* 
fern nic^t im Staube ift. $>enn jur VegrünDung ber Sinnahme, ba§ bei ber 
mefjrberegten fteftftellung einer unjureichenDen geiftigen (Snttoicfelung Des jugenb* 
liefen £jjäter£ eine ftrafbare £anDlung nicht oorliege, Fann boeb. nur lebigltch 
unb allein, ba ber §. 51. fid) auf ben 3 u f tan b ber Veroufettofigfett unb franf* 
Ijaften Störung ber ©eifteSüjätigfcit befchränft, auf ben bie ©trafunmünbigfeit 
behanbelnben §. 55. 1. c. Ve$ug genommen roerben. 3Öenn nun beffen Wortlaut 
in cinjelnen ^äücn unb unter gereiften Umftänben bie (Sharafterifirung Der Ztyat 
als ftrafbare .üanblung auSfchltefjt, fo fann jebenfallS bie 2öortfaffung ber Vor* 
fchrift, Der jeDe UntertcheiDung fremb ift, ein VeroeiSmtttel nicht liefern, unb 
minDeftenS Der Verallgemeinerung nicht entgegenftehen, bafj barin bie ©trafun* 
münbigfeit fa)lea)t()in als UujuredjnungSfätügfeitSgrunb anerfannt morben ift. 
55er §. 55. enthält benn aua) feiner Raffung nach barüber, ob bie %fyat bcS 
©trafunmünbigen eine ftrafbare ^anblung fei ober nicht, überhaupt nichts. ©r 
orbnet nur an, bajs Die ftrafrea)tlia)e Verfolgung beS noch nicht jro elfjährigen 
^nbioibuumS unjuläffig ift, olme fia) barüber auSjufpredjen, aus welchem (drunbe 
biefe Verfolgung unterbleiben foll. SDer 21 im ahme bafc baS noch nicht §mölf 
3al)re alte Kinb jurechnungSunfähig, Dafi fein Xtyun fidj beSfjalb als ftrafbare 
»Qanblung nidu Darftelle, unD bafe Dalmer bie ftrafredjtliaje Verfolgung ju unter- 
bleiben l>at, fteljt bemnaa) ber Wortlaut nicht entgegen, ^a, bie 2)iotioe beftä* 
tigen oermeintlia) Die Michtigfeit Diefer Folgerungen als bie Dem §. 55. &u ©runDe 
liegenben. 

SDtc 3Diotiue $u ben beregten Paragraphen, auf bie auch gegnerifdjerfeits 
Vejug genommen wirb, unb bie bcstmlb in ausführlicherer ®cftalt Slufna^me 
finben mögen, lauten bah in: 

§. öl. „(iinen großen Vorjug für bie 9tedf)tfprechung mürbe es nun un* 
oerfennbar barbieten, roenn es möglich roarc £ biefe 3luSfchliefeungSgrünbe (ber 
freien 2öillenSbcftimmung) in einem )o feft umfehriebenen Shatbeftanbc 
hinäufteücn, bafj ber 3iia)ter im einjelnen gallc nur baS Vorhanbenfein btefeS 
XhatbcftanDcS $u ermitteln ^ätte, oon Denen baS ©efefc im Voraus unb gauj 
allgemein entfchieDen ^ätte f Daß DaDurch Die 3 ure ^ nun 9^fÄ^igfcit unD 
folgeroeife Die ©trafbarfeit auS^efchloffen fei." 

„SDaS stecht beS btaateS, gegen Den Verbrecher nicht blofe 

©icherheitSmafsregcln ju ergreifen, fonDern ihn $u ftrafen, beruht auf bem allge^ 
mein menf glichen Uru)eile, bafe ber gereifte unb geiftig gefunbe iDienfdh aus* 
reichenbe 2ÖillenSfraft habe, um bie Antriebe su ftrafbaren .^anblungen nieber-- 
juhalten unb Dem allgemeinen SRechtSbewujjtfein gemä| su hanbeln." 



6) ferner, ©runt^e DcS ^rcu6if*en «ccfttS §. «8. ©. 60. 

7) SDicijer, l'c^rbiu^ t>t& fieutidjen 6ttatrcc^t» B. 144, 146. 

8) o. &rafu>febuig ( ?e^rbuc^ ber gcridjtlidjen ^fpd)opatb,ologie 6.21. S5ergt. ferner ©cttcbfcg- 
faal ». 29. 6. 385 unb Die bort (Stritten. 

9) »inbing a. a. O. S. 54 ff., inöbefonbetc ©. 7u fi. 



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ÜHe SRüoftoirfung ber (BkifUSlrantbeit unb ©rrafunmünbigteit. 117 

\ 

Äu §. 55. „Da£ preufnfdje @trafgefefcbu<b macbt bic frrafredjtlidje Set* 
folgbarfett eines 3J?enfd)eit nidjt oon einem beftimmten ScbenSalter abbängig. 
3m ©egenfafce ^ierju bat bte roiffenfd&aftlid&e Deputatton fid) in ausführlicher 
^Begutachtung bafür erflärt: 

bafc e3 ratbfam erlerne, bei 3uroiberbanblungen gegen Strafgefefee 
bie ©trafbarfeit einc3 3Jlcnfd&cn erft mit bem jroölften 2eben§ja^re 
eintreten ju Iaffcn, unb bic Seftrafung von 3"roiberbanblun(;en 
in einem früheren Lebensalter lebiglid) ber $au£ti$en 3 uc b* 5 U 
überlaffcn — jeboeb mit ber ÜDfafjgabe, baft bic fompetente Scbörbe 
bur(b ba<8 (SefctJ ermächtigt roerbe, *u beftimmen, ob ber Slngcfcbut 
bigte einer ©ratebungS* ober SBeffcrung^anftalt für ocrroaf)rloftc 
Äinber $u überroeifen fei. 9 

Der §. 55. fd»lteftt fidj biefem ©utaebten an, unb fct)rt babureb, bafc 
er annimmt, ber 2J?cnfcb ermangele biä }u einem gereiften fiebenS* 
alter einer ftrafrecbtltcben äurcd&nungöfäljigfcit überhaupt, ju ber 
beutf$ted)tli(&en Sluffatfung surücf." 

3um 2luSbrucf gelangt finb biefe ÜKotiuc bann in ber $orfd)rift be£ 
§. 55. bafnn 

„3Her bei SBegclntng ber .^anblung ba$ jroölfte l'cbcnSjabr niebt noll* 
enbet bat, fann rocgen berfelben nid)t ftrafrccbtltd) uerfolgt roerben." 

Darin liegen nermeintlicb bic betben Folgerungen beftimmt genug auSge* 
fprod&cn, baß bic 6trafunmünbigfeit 3«^ea^nungSunfdl;tgfcit bea,rünbct, unb 
bafj biefe 6trafunmünbigfcit unb folgeroetfe bic 3urcä)nungäunfäbigfcit aus* 
nabmSloS biß jum oollenbetcn sroölften £cbcn$jabre anbauert. 

Die 3J?otioc befagen nid)t$ barüber, bafe etroa nur jüngeren flinbern — 
ooraiuSgcfe^t, bafe baruntcr ntebt alle Äinbcr unter 12 ^abren fcblecbtbin r>cr^ 
fianben roerben f ollen — bie jur Uebcrroinbung oerbreeberifeber Antriebe erfor* 
berlicbc moraltfd)C SibcrftanbSfäbigfeit abgebe, bcjiebungSrocifc baf? biefe 3ßiber> 
ftanbsfäbigfeit ibneu nur mutbmafjticb ermangele, unb bie tbatfäcblicbc SBiberlcgung 
biefer SBcrmutbung unb bie gegenteilige ftcftftellung im einjclnfalle möglich, ja 
überbaust juläffiq fei. Dtcfer inSbcfonbere auch oon Oppcnboff, Gommentar, 
7. 3lufl., S. 122 ftote 3. oertretenen 2lnficbt bürften ftd) SBortlaut unb ©egrün- 
bung ber mebrbcrcgten Siorfcbrift gleich fehroerroiegeno cntgcgcnftcllcn. 

üftag ba§ im §. 5(5. 6t. ©. 93. »orgefebene Kriterium jureidjenber ctbtfcbcr 
unb intcllcftucllcr 2lu$bilbung unb Gntroicflung, bic jur Grfcnntnifj ber Straf* 
barfett ber $bat crforberlta^e ßinfiebt bic allcrbingS, rocnigficnÄ nach ber 
Suffaffung bc§ 6trafgefefcbuch£, ucrmcintlidj al3 ein« ber demente ber 3 urc( b* 
nungSfäbigfctt ftcb barftellt — 10 ) baS sutreffenbe fein ober nidjt, mag fernerinn 
bie ^ragc, ob unb rocla)e ?llterggrcnäc als 9lnfangSpunft ber 3urea^nung5fdbtg^ 



10) Skrd. fc. SKetjer a. a. C. <3. 146, «erner a. a. 0. @5. 162: ©Aülje Sc^rbu^ @, 12.'5; 
®crid)töfaat S. 29. <£. 385 unb 444, foroic bte bortigen Sitatc. Ginfdjräntcnt' Cinting a. a. O. 
@. HO ff. „öntweber nämlid) fieben ftc bic sur Gr!cnntni6 ber @tra|barteit einer Ibat cr- 
forbertiebe Giuftdjt aU et» aügemcineö Wequifit ter SuredjmmgSfäbigteit nur gclegcntlicb tcr 
Crttfibnung biefer ^erfonenftafien au§brücflKf) ^cr»or, geben alfo won einem falfcb'cn begriff ber 
3ureAuung3?a&igtett auö. ober fte »erlangen für bie Strafbarfeit biefer beiben ^crfoncnltaffen 
anfjer ber .gurecDnung^fStrigteit (in richtiger Untgrenjung) noef» alö v .ßluä bic ^abigteit jur Cr- 

fennttrifj ber Wecbtöfötgen ibrer »ibcrTcaStücben öanblungcn SBenn man fieb. aber »er- 

gegennjSrtigt :c, fo wirb man nid>t länger aweifcibaft bleiben, bafj eine foldje feine Difttnltion, 
bic fic bie jweitc Auslegung in bic unb 58. bincinträgt, biefen »öllig fremb ift, unb bafi 

fid) biefe erftäreu an« ber üblidien falfcben ©ejiefjung ber 3 urcc b nun 9 § fäbigteit ftatt auf bie 

Worin auf baö „ftrafgcfet<lid)e Verbot ber ipanbtung." So »erlangt baß ©efeß für bic 

SPeTtrafung iugenblidjcr unb taubftummer ^erfonen/ n>ie auch, allein riditig, niebt mebr al« ibre 



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1 1 g Die Mtfteirhmg ber ©cifteStrantfait unb Srrafunmünbigtcit. 

fett |u firiren ift, de lege ferenda eine offene fein. 11 ) 3n bem in ©eltung be* 
finblicben Straftest ift bie Folgerung, baft 6trafunmünbtgfeit 3uredmung3* 
unfäbigfeit begrünbet, gejogen, gleid)oiel, ob ber barauS 511 fotmulirenbe SJegriff 
ber 3üred)nung£fäbigfeit ein rid&ttger ober unnötiger, mi eng ober ju rocit 
ift. ^nbaltlicb* ber angejogenen Sflotioe ermangelt ba3 menfd>lid&e Snbioibuum 
bis ju einem geroijfen SebenSaltet ber ftrafretbtlidjen 3urecbnung8fäbtgfeit über* 
baupt. Unb biefe Folgerung ift nidjt etwa eine mutfjma&Udje, in jebem einjel* 
nen ftalle ber fteftftellung bureb befonbereUnterfucbung bebürftige bejicbungSroeifc 
eine foldje überhaupt aulaffenbe, fonbern fic ift in ©eftalt einer unangreifbaren 
unb unroibcrlegbaren 2lnorbnung auäbrücflidj au3g,efprod)en, eS ift eine SllterS* 
grenje firtrt unb bejttglid) ber innerbalb biefer jettlicben ©renjpunfte ftebenben 
^nbioibuen eine ridjterlidje 9tad)prüfung pofitio au8gefd)loffen. „©erabe ba£ (Snt* 
fdjeibenbe, mann fie (bie 3uredjnung3fäf)igfeit) ba ift, mann niebt, bem Stifter 
*u fagen, ift aber für ben ©efefcgeber röegen ber (Somplicirtf>eit unb ^einbeit 
oeS Begriffs fo febroierig, bafe cS baS ©eratbenfte fein bürfte, auf einen folgen 
Söerfud) ooUftänbig ju oerjia)ten unb nur bie 9Uterj&grcn$e ju ftatuiren, 
bis su roeldjer abfolute ©elif tSurtf ä^tgf ett angenommen roerben 
f oll." (SBinbing.) 93id jum oollenbeten zwölften Sebengjabre gilt ba$ geifttg 
noeb fo entroicfelte Jlinb, baS auSgefprodjcnfte SBunberfinb, in fttafred&tlidjem 
©inne al$ nurea^nungäunfä^ig, unb erft oon biefem SllterStermin ab tritt bie 
ricbterlidje 9tad>prüfung unb ^eftftettung in ftrage unb ©eltung. ©erabe baS 
„praftifaje Strafrecbt" bietet alfo oermeintlid) ber bem §. 55. St. ©. unter« 
gelegten 8d)cibung in oerfdjicbene ©rabftufen feinen 9taum, unb bie etroaige 
^eftfteHung äurcid)cnber „pfnd&ifa^er ©ntroitfelung, um bie Uncrlaubtbeit ber 
$anblung eingeben", — ein SHerfmal, ba« überbieS geroife nidjt geeignet ift, 
bie „Gomplicirtbeit unb ^einbeit" be8 begriff« ber auretfnungSräbigfeit *u löfen 
unb flar su legen — bürfte nid)t nur überflüfftg, fonbern unjuläffig erfajeinen. 

2lUerbing8 ift nun oon bem Ober* Tribunal in bem (SrfenntniB 00m 
3. 9)iai 1872 auSgefprod&en. ,s ) „bafe bie i^ugenb beS ZfyatexS niebt feine 3 Us 
rccbnunggfäbtgfeit unb bamit bie ftrafbare £anblung, fonbern nur feine 6traf* 
barfeit befeitigt, alfo jeber SBebeutung für bie <5trafbarfeit ber $b*ilnef)mer 
entbebrt." 

3nbe& biefer 2lu3fprud) entfebetbet, aber löft nid&t bie #ragc ber ftraf* 
reajtlia^en Sebeutung ber Strafunmünbigfett. Qx roeidbt fernerhin, mag aueb 
Oppcnboff in ber mebreitirten iftote 3. anerfennt, oon bem in ber @ntfd)etbung 
beffelben ©ericbt3f>of$ 00m 3. 3ßoo. 1874 (SRcd&tfpr. b. 0. 93. 15. 6. 734) aner* 
fannten ©runbfafce, „bafi aud) ber jenige, melier fid) einer anberen ^erfon, bie 
roegen ibreä jügcnblidjcn SlltcrS ftraf red)tltd) übcrljaupt nia)t oer* 
folgt roerben fann, in ber angegebenen 2lrt als medianifdbeg s Htittel jur 
2Iu^fübrung einer an fidt> ftrafbaren ^panblung bebtent, in ScMig auf biefe 
.^anblung reebtlid) alä> Xbäter ju betrauten ift", ab, unb ftefyt mit ber ©nt- 
fa^eibung be« roürttembergifa^en (SaifationSljofS 00m 29/31. 2)ej. 1875 im 
3Biberfprud). ") 

6elbft ber in Sejug genommenen ßntfdjeibung 00m 3. üftai 1872 liegt 
aber erftdjtlidj bie Folgerung ju ©runbe, bafe, fall« bie 6trafunmünbigfeit bie 



11) Sergl. (Scib 2. e. 69 ff.; für tie Wotfa>eirt>tfltttt bet «Uet^grenjc ». Ärafft*©bing 
a. a. O. S. 35, 37, 41, 43 ic, „ba reo teilt 2Utcr3tertmn ber beginnenben ^raftedjtlidben 35er 
antwortliditeit feftgefc^t ijl iftrantreid)), ergeben fieb benogenöroertbe UJhfiftänbe in ber iKccbt 
fpreiung." 

12) ÜR. b. O. »■ 13. 6. 293, *r*h> 33. 20. ©. 249. 2>a8 »on «Binbing a. a. C. B. 573 
Wot. 837. femerbin angejogene ©rtenntnifi Dorn 2. 3){ai 1873, itR. b. O. ». 14. & 332 betrifft 
bie rütfn>irtenbc 53cteurung ber 3trafloftgteit bc$ Äntragftoergebenö im 0tnne beä §. 247. @t. @. 3?. 

13) Sicrgt. «inbing am tjorangefübrten Orte; ^immerle 2)eutfcbe ^trafgcric^tö-'lJrariö @. 55. 



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Sie Wfidwhlung btt ®eifte8ttanHjeit unb ©trafunmünbigteit \\Q 

3ured)nungSfäl)igfeit beseitigt, bie eharafterifirung ber £hat beS Strafunmün* 
bigen als „ftrafbare §anblung" auSgcfcbloffen erfcheint. 

Ucbereinftimmung bcrrfdht übrauSndjtlicb ioo^I barüber, bafe, nad) ber 
SluSbrucfSroeife BinbtngS, 14 ) baS Strafgefc&budh „ftraflofe ftrafbare £anblungen 
fennt", bajj „ber SäuSbrucf „ftrafbare £anblung" boppelftnnig balb baS ftrafbare, 
bolb baS ftraflofe Selift bejetdfmet". ^nbem Strafgefefc als folgern, im ©egen* 
fab ju ben in ihm btreft ober inbirett anerfannten „allgemeinen theoretifchen 
StrafredhtSgrunbfätsen", ifi beS&alb aud& eine ameifclsfreie BegriffSbeftimmung 
beS mebr beregten 2(uSbru<fS ftcherltdb nicht enthalten. 

3n gleicher Söeife erfcheint fernerhin bie Annahme gerechtfertigt, bajj fidh 
ber Segriff ber 3uredhnungSfäl)tgfcit jroar aus ben Befttmraungen beS Straf* 
gefefceS erfcbliepen läfct, bajj er aber in bemfelben nic^t ftrirt unb befinirt ift. 
aber barauf hin roirb boc^ eine Behauptung etroa bahin, bafc baS beutfdfje 
Strafgefeb. biefeS ©runbpfeilerS beS Strafrechts überhaupt ermangele, faum auf* 
gefteUt werben fönnen. 

2Rit s Jtedjt weift d. £olbenbotff in feinem §anbbu<f>e barauf bin, bafc 
baS beutfc&e Strafgefefebucb feinen ^all ber erlaubten £öbtung erroätme, baj? 
nach ber 5 fl ff UT Hl ocä ©efcbeS jebe abftchtlicbe Söbtung, abgefehen oon ben 
fällen ber SRotbroehr, beS -DtothftanbeÄ u. f. ro., alfo beifpielSroeife bie Boll* 
ftredfung ber SobeSftrafe, eine oerbreeberif che , bafe ber ^echtSroibrigfett ber 
<panblung nicht befonberS gebadet, bafj biefelbe aber unjmeifelhaft oom ©efebgeber 
oorauSgejefct fei. ») ®ie nämliche BorauSfcbung gilt aber minbeftenS im gleiten 
Umfange in Setreff ber 3uttdmung§fäf)igfeü\ Bezüglich ihrer unb in bem bie 
Spejtaioortchriften umfaffenben unb beherrfdhenben allgemeinen %f)tik unter ber 
ÜRubrif: ©rünbe, welche bie Strafe auSfcbliefjen, fogar pofittoe 2lnhaltcpunfte 
com ©efefegeber auSbrücfltch aufgefteUt, unb bie oben angeführten a)iotioe beftä* 
tigen oermeintlich, bafe inhaltlich berfelben bie unter jenen Straf auSfchlie&ungS* 
grünben neben ber ©eifteSfrantlieit enthaltene Strafunmünbigfeit als 3 ure( h nun i$* 
unfäl)igfeitSgrunb hat anerfannt roerben follen. Unb biefe 2luffaffung ber SUtotioe 
bürftc als bie jutreffenbe erf cremen. 

(SS ift an einer anberen Stelle bie eingeljenbere Begrünbung oerfudht 
toorben, baft bie SBillenSbeftimmung unb 2BilIenSbethätigung beS Strafunmün* 
bigen ben ©rforberniffen eine* ftrafred&tlidj „releoauten" 2SoUenS nic^t enlfprieht.'«) 

§anblung ift Betätigung beS 5BtllenS, Berförperung ber USillenSbcftim* 
raung. 3)ie SBUIenSbeftimmung, baS inhaltliche SBoHen, roitb bebingt bureb bie 
unter 37iitroirfung ber Selbfibeftimmung oor fich gehenbe 9J?otioation ber SSinenS' 
Fraft. 2)aö ÜJiotio erroädhü au5 bem Obfiegen, bem 3"* * ^errfchaftgelangen 
ber einroirfenben Sorftcllung gegenüber ben roiberftrebenben Sorftellungen. S5te 
Befähigung ju biefen rechtzeitigen unb jureichenben ®egen* unb MlfSoorfiellun* 
gen, bie baö Obfiegen ber 2lnrci$e unb triebe ju ftrafbaren .panblungen als 
geeignete ©egenreijc unb ©egengeroidhte oerbinbem, fyabtn bie (rntroicfelung ber 
feelifchen Anlagen unb Vermögen beS Kentens, ^ühlenÄ unb SöoüenS bis ju 
einem c^eroiffen SDurchfchnittSmanc, bie 9lu«bilbung ber Serftanbe«« unb @emütf)3* 
reife bu8 ju einem geroiffen S)urchfd)nittögrabe jur SorauSfe^ung („@tnfuf}t", 
„^flidhtfäbigfeit")- 9iur ein biefen drforberniffen entfpredhenbeS, bem Sorhan* 
benfein biefer Befähigung entftammenbeS ©ollen fommt im Strafgefefebuch, tnfo> 
fern e« ftch um bie Strafbarfeit eines ShunS unb nicht um ben Straffchub 
gegen eine ^anblung breht, als bebeutungSoolleS überhaupt in Betracht. Siefc 



14) a. m. ät. Orte @. 4<j9, 9iot 680. 

15) »• 3. ©. 422; öergl. SBmbina S. 1. ©. 51. 

16) ÖmcbtSfaal 33. 29. @. 382 ff., 444 ff., fcic bortigen Gitate öornämli* ergfinjen 
Mtrcf) bie SBejugnaeime auf S9inbing§ formen unb ibxt Ucbertretung 1. 6. 135, 138; *. 2. 
Ö. 1 ff., 26, 35, 40 ff., 54, 56, 70 ff , 77 ff., 466, 467, 573. 



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120 3)u ytütfttirtuttg ber dkifteStrantbeit unb €>trafunmünbig(eit. 

ba« SBefen beS SBollenS toefentlich becinftuffenbe BerflanbeS* unb ©emüthSreife, 
bic SBorauSfefcung beS ftrafrechtuch releoanten 3BoffenS ermangelt bem ßinbe, 
unb jroar ermangelt fie bemfelben nach ber 2luffaffung beS StrafgefefceS fehlest- 
hin unb ausnahmslos MS zum oollenbetcn zwölften Lebensjahre. 

®iefe 2luffaffung bürfte fernerhin in nachftehenber ©rtoägung eine nicht 
umoefentlichc Unterftü^ung ftnben. 

Störungen unb Hemmungen pfnchifchßt (mtroicfclung in ©cftalt beS Stäb* 
finnS unb tjocfgrabtgen SchroachfinnS finb als ©eifteSfranfheiten, als ^uftänbc 
franfhaftcr Störung ber ©etfleSthätigfeit, burdj welche bic freie SBiHenSbeftim* 
mung auSgefchloffen roirb, anerfannt. 17 ) S)ic (frfcheinungSformen unb Sethäti* 
gungSioeifcn, meiere bic Unfcüjigfeit pfndufcher Seiftungen biefer ©eifteSgefiörten 
fennzeichnen, fefjren nun bei ben tinbern toieber. 2)ic Unficherbeit unb Unflar* 
tjeit beS etfufchen SeroufetfeinS, baS reflerartige $anbcln auf unmittelbar finnliche 
dinbrüefe unb Slnreijungen, ber s Dtangel ber Selbftbehcrrfdjung, baS fehlen zu* 
retchenber Äcnntntfj ber Slufeenroelt, bic Unfähigfeit zur 2lbfrraftton, bie Verlang* 
famung beS 2)enfprozeffeS, bic Trägheit ber ^beenoerbinbung. bie Unzulänglich 
feit rechtzeitig cingreifenber unb zur öerrfchaft gclangenber öülfS* unb ©egen* 
oorftcllungen — in biefer SÖeife äufeert fidt) bic Äinbljeit unb ber Schroachftnn, 
unb mit 9ledt)t fagt man uon ben ©chraadjfinnigen, bafj fie auf ber ©ntroicfelungS 
ftufe ber Äinbhett ocrblieben. £)iefc ©leichartigfeit ber (Srfdjeinungen roeift oon 
felbft auf eine ftrafredjtlidje ©leicbftellung beS SchroachfinnS unb ber ittnbheit 
Inn. ©eibe, Äinber unb Scbro achfinnige, bezeichnen bie angeführten SDtotioe benn 
aud) als jurechnungäunfähig, unb nur ber Unterfchieb maltet ob, bafc ber 
Schroachfinn unb folgeroeifc bie UnzurcchnungSfäbigfeit ber geftfteüung in jebem 
(Einzelfalle bebarf, roährenb baS Äinb, unberüeffichtigt um bie pfijdjifche £eiftungS* 
fähigfeit im dtnzelnfatle, fchlechtfurt unb ausnahmslos bis zur firirten 2llterS* 
grenze ber Sinnahme ber UnzurcdjnungSfähigfeit oerfällt. 

211S roefentlicheS 2fterfmat, ats 2;h a t° c f tan o^moment fefet ber §. 259. 
St. ©. S. baS ©rlangtfein mittelft einer frrafbaren £anblung oorauS. Xljäter 
einer „fdfmlbhaftcn , rechtSoerletjenben, mit Strafe bebrobten" ftanblung, einer 
„frrafbaren" im Sinne beS §. 259. Eann nur ein menfchlicbcS ^nbtoibuum, unb 
roieberum nur ein zu einem ftrafredjtlid; rcleoanten SöoHen befähigtes, ein 
bcliftfähigeS menfchlicheS Snbioibuum fein. 2>iefe Befähigung crmangelt bem 
noch nicht zwölfjährigen, unb fomit zurechnungSunfähigen Äinbe. Sein $hun 
entfällt bamit bem Segriff ber ftraf baren £>anblung, „feine Sugcnb macht cS un* 
möglich, bafc fidt) an feine £hat eine Hehlerei anfchliefet." ,8 ) 

SDic fich nahe Iegenbe, aber unzutreffenbe ^bentificirung beS Sftenfdjen 
mit einem zurechnungsfähigen 9)tenfcf)en in Serbinbung mit ber 2hatia$e, bafj 
bie pfndfufchc (Sntroidfclung beS ÄinbeS nicht fpnmgrocile, fonbern ganz allmälig 
fich ooüzieht unb fomit in ber (rrfd^cinungS* unb änfchauunaSform beö täglichen 
ficbcnS bie @nb* unb 2lnfangSpunftc ber oon bem ©cfe&gcbcr in ber ^irirung 
beS 2llterSterminS gezogenen ©renze in einanber oerlaufen, bn{5 [ich barin bic 
Äluft oerbeeft, roelche bie ©rabftufen beS zurechnungsfähigen unb unzurechnungS* 
fähigen SöolIenS in ber firirten 2tltcrSgrenze fehetbet, ift eS oermeintlich, tocldt)e 
fich unroiflfürlid^ ber Annahme entgegenfiellt , baj? ftraf restlich ber SÖJiße beS 
ÄinbeS bis zum zwölften SebcnSjabre tn fubjeftioer Beziehung nur unb nur als 
Littel in ber £anb eines bcliftSfähigcn ^nbioibuumS in gragc fommt.") 



17) ». StrafftfCbing a. a. O. &. 46 ff., Strjccsta 5>anfcbud) ». 2. S. 254. 

18) ©Utting @. 573 a. a. O., öergt. au* t>. »uri ÖericfttÄfaal ». 29. &. 14 ff., ™$ 
befonberc S. 31. 

19) SBetgL bc^ügtieb ber ftcb in betreff ber ©tratunmünbigteit in iHttctficbt auf bic gcfctjlicbc 
Hlter^orenje 'erübrigenben ?rcfnleUung bc§ Unxurcdinungäfäbigtcitägrunbcö in ©cfklt ber ©eifte§. 
trantbcit ©criAtSfaal a. a. O- ®. 1W, 387, 441. 

„aöerbingS beftebt ebenfo wenig eine fdwrfc ©renje jwifeben ber geifligen ©efunbbcit unb 



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3>ie fRücfttnrttmg ber ©cifltfltranl^ett imb ©trafunmünbigleit. \2\ 

3Mefclbe Styätigfeit, bic 9Begnaf)me einer frcmbcn beioeglid&en 6a<$e *c 
burdj ein oieriäljrigeS Äinb ober gor burdj ein toof)lbreffirte3 Stüter oerübt, fjat 
ein Sebcnfen in ber ftrofredjtlidjen (Sf)arafterifirung ber Xtyotfadje nie entfielen 
laffen. Unb bodf) ftitb bie $fmtfad()en, oenoirflic^t burdj ein niebt jtoölfjäf)rige$ 
Äinb, ein abgerichtetes $&ier ober einen fünfilid) fjergefkUten Automaten, ftraf* 
reebtlicf) glcidjbebeutenb. Sfadj ba8 oerförperte SBoUen beS ÄinbeS gehört bem 
3ufaU an.») 



IL 

SÄan fdt>cibet befanntlidd bie „notbroenbige", „begriffsmäßige" Xhetlnaljme 
oon ber „jufälltgen", „rairf lieben". $n bem SBerfe: „bie notfjroenbige Xgeilnaljme 
om Skrbrecfren", §. 54. S. 326 ff. bie e#te begrtffämäjjige SBerbrecbermcbrbeit 
in bie ©ruppen „be3 gegenfeitigen 3ufammemoirfen!8'' un ^ o u j ammen , 
toirfenS in einfeitiger Dichtung" fdjeibenb, jäljlt Sd&ü$e erftcrer ben 3toeifampf, 
bie Seftedjung, bie ^erbredjen unb SSergetyen on ber @|e unb an ber $efd>led)ts* 
fittlidtfcit ju, roäbrenb er ber jweiten Äategorie ben Auflauf, 2lufruf)r unb an* 
bere oertoanbte $crgef)cn, — beren 2tuf5äl)lung er im £ef)rbuä)e burdj Seaug* 
nabme auf bic §§. 115. 116. 122. 83. 124. 125. 128. ff. St. ©. 33. oerooll* 
ftänbigt — überroeift, bagegen bie ftalle, in benen bie 3Jtetyrf>eit ber 9Jiitf<$ulbigen 
eine lebigtid) fonfrete ober faftifdje, nidjt eine „begriffsmäßige" ifi, als ber ,,2tn=» 
roenbung ber allgemeinen ©runbfäfce ber ^erbrecfjerfonfurrena fdjon nad> ber 
berrfcfyenbcn Sebre oerfallenb" austreibet. ,,8cgriff3mä&ig'', fo {abliefet er bic 
foflematiicbe lleberftdjt. „ift nämltcb nur erforberlicb bic ujätige Süetbetligung 
einer getotffen Wlefyxtyit an bemjenigen £f)atafte, an melden ber Verbrechens- 
begriff gefnüpft ift . . . 2BefentIid)e $orau3fe§ung be£ codc. necessarius ift 
eine getoüfe 3WeI;r^eit äufammcnioirfenbcr (Subjefte, nidjt eine 2)?ctjrt)eit oon 
«erbrecf>im." 

$te golgeridjtigfcit biefer 2luffaffung erfennen ©euer unb SJtener 3 ') 
an: fie geben, too^l in Uebereinftimmung mit Scproarse, n ) inSbefonbere ju, 
ba§ ein ü)?itfd)ulboerl)ältni§ be£ einen ÜJfttbetyciligtcn betfpielStoeife bei ben 
UnjudjtSoerbredjen in $olge UnjurcdmungSfälngfeit au3gefd)loffcn fein fann. 
©erabe hierauf aber grünben beibe 9ted)t£lef)rer ben fennjeid)nenbcn Untcrfdjicb 
ber fogenannten nottjioenbigen, begriffsmäßigen £f)eilnal)me oon ber zufälligen, 
roirfliqjen Sfjcilnafjme, inbem fie {jeroorljeben, bafe nur fdjeinbar eine SJtjcilnntjmc 
oorliegt, toenn nur einem ober gar feinem ber an ber Uebeltfjat Söetfjetligten 
eine oerbrecberifdje 6d)ulb jur Saft fällt. 

2)afj bic mangclnbe Ermittelung ober Ucbcrfiujrung beS 9)titbctI)CÜigten, 



fcer Ocifkstrantbeit, wie jttnfdjcn @efutit)^cit unb ftrantbeit auf bem rein fomatifdjcn öebtetc, 
unb bort »rie bter fommen ^uftanbe »or, »on benen jid) mit ©idjerbeit mdjt wirb beftimmen 
Icnlen, ob btefelben no* in ter breite ber GSefunbbeit liegen, ober als trantbafte bereits be» 
Idqnct »erben muffen" ((gtrjecjita ^anbbu* S. 2. €5. 226). 

20) SBinbing a. a. O. 3»>. 

21) öanbbud» *. 3. ©• 324, (rrgänjungen S3. 4. ©. 141; ß. Detter i'e^rbud) @. 194. 

22) (Sotnmcutar ©. 142 „gelbjivcrftänbticb ifi r»om Comctott ntd)t bie SRebe, wenn ber 
Ibatbe^anb be§ Delitz an ft^ jirci ^erfonen al5 2Sjäter »orauSfefet, 3. ©. 2/ncU, Gticbrudi, 
Bigamie, S3efte(bimg jc. (fogen. ronourRus necessarius) — oie SBerbrc*en be§ ÄnfntbrS unb be« 
9tuflaufS icycu eine iUch.^tin oon ^erfonen borauä; bei bem 2>uelle ic. finb jebodi begriff lid) nur 
jnxi 'llcrfonen tbätig, bei oem aufrubre ic. eine unbeftimmte aJcclirjabt; bort tocrtörp'ert ftd) baS 
25clilt glcidjfam in ben beiten Xfjfitern, bier nimmt bic »cremte Xbätigteit ber XbStcr nad) 
tftußcu, rabem bie öanbtung tcS Cinjclnen an ftd) frrafbar, in bem 3ufammcnn?irfcn mit ^Inbcren 
einen fd)tr>erercn Cparattcr an, n?cldier ben ©efcUgeber befthnmte, ein befonbereS SBergeben ju 
ftatuiren. ^ierburd» n?irb nidjt auägcfdjloifcn, ba§ einer ber 2l)äter wegen UnäurecbnungSfäbigteit 
oter au§ irgenb einem anberen Omnbc jirafto« ausgebt." 



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122 ®« ÄftAmrhmg ber (BttfteStranfyett unb 6traftmmünbig!rit. 

bejfen 3:ob ober flucht ben Segriff bet nothroenbigen Sheilnabme, ebenfo roie 
ben ber imrllidjen unberührt läßt, bebarf nid^t ber Segrünbung. 

SBobl ober brangt ftch bic ftrage auf, ob jene Folgerung, baß nur eine 
getoiffe HJlebrbeit jufammenroirfenber 6ubjefte, nicht eine 2Jle§rf)eit uon 23er* 
brevem erforbert roirb, baß bie Unjurec^nungjgfä^igfeit eine« ber 2Hitbetheiligten 
für ben 33erbrechen«begriff einflußlos ift, auch bezüglich ber hier jur Erörterung 
gezogenen ©traffäüe gilt. 

5£>tc §§. 123. 2Ibf. 3. unD 223a. et. @. 33. befhmmen: 

3ft bie £anblung non einer mit SBaffen oerfehenen Sßerfon 
ober non Mehreren gemeinfehaftlich beaangen roorben, fo 
tritt ©efängnißftrafe »on Einer 2öod)e bis m Einem ^ahre ein. 

3ft bie Körperoerlefcung mtttelft einer Söaffe, in«befonbere eines 
Keffers ober eine« anberen gefährlichen SBerfjeug«, ober mittelfi 
eine« fnnterliftigen UeberfaH«, ober oon Mehreren gemeinfehaft» 
Iic^, ober mittel^ einer ba« £eben gefährbenben «ehanblung be* 
gangen, fo tritt ©efängnißftrafe nicht unter jroei SHonaten ein. 
$n Uebcreinitimmung hiermit bebt femer ber §. 119. bie gemcinfchaftliche 
99egeljung ber SSiberfe&lichfeit gegen ftorftbeamte Jt burdj Mehrere, ber §. 293. 
bie in gleicher Seife erfolgte SBegefuing be« SagboergeljenS unter befonberer 
6trafanbrofning beroor, roäbrenb nach §. 6. 9lr. 1. beS 5 or ft°* c &f ta ^9 e f c fe eä 
neben ber ©elbftrafe auf ©efängnißftrafe erfannt roerben fann, wenn ber ^orft« 
biebftaljl oon brei ober mehr ^erfonen in gemein fchaftltcber SluSfübrung begau* 
gen ift, unb nach §• 2. beS ftelb* unb ^orftpolijeigefe^e« biefelbe SorauSfefeung 
für bie ©trafjumcljung al« SchärfungSgrunb in Betracht fommt. 

Enthalten biefe ©trafoorfchriften bie 3SotauSfefcungen ber gälle ber fog. 
nothroenbigen Xtyiinahmc? 

Schon hinrtchtlich ber obigen sroeiten ©ruppe echter Sierbrechermehrbeit, 
ber „ftälle einfettigen Mammcntoirfen« 4 ', machte 6cf)ü|e ("Jiothroenbige Xbeil* 
nähme, 6. 368 ff.) mit Siecht geltenb, baß „bie 23egriff«mäßigfett biefer Wehr« 
heit auf praftifcher, nicht logifcher 3Jafi« beruhe", baß „ber ©runb, rocS^alb 
ba« ©trafgefefc für jene SJichrbeitSthatafte nicbtSbcftoroeniger befonbere 
Vergehen aufftettt, nicht ein logifcher, fonbern ein praftifcher ifl", unb er 
fügte hinju: 

„2luch h^ r forbert, wenngleich au« ganj anberem ©runbc al« bei jener 
erften ©ruppe, ba« (Strafrecht begriffsmäßig für Ein Vergehen eine Mehrheit 
oon oerbrecherif<§ jufammenroirfenben ©ubjeften, unb $toar folgen, unter 
benen minbeften« einige al« ÜKittbäter erfcheinen." 

E« liegt außerhalb ber h^r gefteeften ©renjen, ju unterfuchen, ob unb 
in roie fem biefe SBcrfcbiebenbeit bc« ©runbeS bie barau« abfließenben $olge* 
rungen beeinflußt unb umgeftaltct. ©elbft ba« für bie ©ruppe be« SlufruhrS, 
Auflauf« 2c. fo roefentliche ÜJkrfmal ber 3ufammenrottung be§iehung«roeife ber 
3ufammenrottung m einer s JJccnfcf)enmenge, — ba« oermeintlich in Söejiehung 
auf bie erforbcrliche Slnjahl ber mitroirtenben ^erfonen ber thatfächlichen Er* 
tuägung anheimfällt, in iöejiebung auf bie erforberliche ÜJcitioirfung«roetfe biefer 
Mehrheit oon ^erfonen aber in bem s JBefcn ber aWitthaterfchaft rourjelt, — fehlt 
ben h^r fraglichen fällen be« gemeinfcf>af Hieben £au«frieben«bruchS unb gc* 
meinfehaftlicher 5törperoerle&ung, unb roeber SÖortlaut, noch SfnhQlt, @^ nn un0 
^ufammenhang ber beregten 6trafoorfchriften bieten jur jfonffcuftion al« be^ 
griff«mäßige 33?ehrheit«oergehen einen preichenben 3lnhalt. 

9lUerbtng« finb in ber fachlich getoiß jutreffenben Entfdjeibung oom 
29. 3)Zai 1877 ■) bie 6ä^e au«gefprochen, baf ber §. 223a. fich nicht al« eine, 



23) «rdito -£>. 3. 535, öergt. SimmetU a. a. O. ®. 157, yir. 65. 



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SR ilrftßtrf uiifl bcr (^ciftc^f T&nfbcit unb Streif untnünttcifcit 1 O Q 

mit bcr leisten oorfäfclidjen ßörper»erle|}ung oerbunbene unb nur als ein ©traf* 
fdjärfungSgrunb berfelben ju betra*tenbe $iSpofition, toie e$ bei ber Sefiimmung 
beS 2lbf. 2. beS §. 223. ber %a\l ift, c&arafterifirt, bie ßlaffe ber fogenannten 
gefährlichen Äörpen>erle$unaen uielmebr als ein oon bem ©egriff ber leisten 
Hörperoerlel3ungen generifch oerfcbiebeneS 2)elift befteht. 

S)iefe (Sntfcbeibung, roeldje fi* auf bie Verneinung ber 9tothroenbtgfett 
eine« Antrag« im ftalle beS §. 223a. 91. 6t. ©. $8. befdjränft, präjubijtrt aber 
bie i)kv offene ftrage na* ber dualifairung als begriffsmäßiges 3J?ct>rtjcitöoer* 
geben erfi*tli* garnt*t. Tonn na* ber weiteren 2luSfübrung berfelben @nt* 
Reibung beruht baS biefeS 2)eltft oon ber leisten unb f*rocren körpert>erle{jung 
tennjei*nenb f*eibenbe 3Jioment „auf ber gefährlt*en 2trt ber Begebung". 
3nt)altli* beS §. 223a. ift aber bafjelbe $>elift au* ofme 3Ritroirtung einer 
Mehrheit oon ^erfonen, fernerhin mittelfi einer SBaffe, mittelft ^interlifttgen 
UeberfallS 2c. begehbar. 2>er Segriff biefer 35erbre*enSform tann alfo eine 
3Jk^t^ett mitroirfenber ^erfonen ni*t erforbem. 

SBobl überctnftimmenb roirb baS in ben §§^ 123. 223 a. roieberfehrenbe 
XlwtbeftanbSmeTfmal benn au* auSbrücfli* als 3Jiittbäterf*aft im ©inne beS 
§. 47. ©t. ©. 8. aufgefaßt unb bejetd^net; **) unb bamit unterfällt eS ber aU* 
gemeinen Siegel. 211« fol*eS ftcUt eS n* aber oermeintli* re*t eigentli* ni*t 
als S)eliftS*, fonbern als ©traf bar!eitS*ÜJter total bar, 85 ) unb jroar in bem 
boppelten ©tnne, baß eS einerfeitS bie 9Ri*t*9iotbroenbtgfett beS ©traf antragt, 
anbererfeitS bie (Srböbung ber ©trafbebrobung beffelben DeliftS jur $olge bat. 
2Bie in bem §. 223. 2Xbf. 2. baS :Ceru>anbif*aftS*$erbältmß ju bcr oerle&ten 
^Jerfon, fo ift in bem §. 223 a. bie «egebungSroeife als ©traff*ärfungSgrunb 
aufgehellt roorben. 3)ie SluSfübrungSroeife ber ©traftljat ift -fpejialiftrt roorben; 
bie beliftli*en Momente felbfi aber haben, roie au* bie 2Bortfaffung ber be* 
regten ©trafgefe^e: „$ft bie §anblung" unb ,,3ft bie Äörperoerlefcung" „begann 
gen", beftätigt, etne begriffliche Umänberung ni*t erfahren. 

©inb bemna* bie allgemeinen ©runbfäfce ber Stl)eilnaljme, inSbefonbere ber 
3Ritthäterf*aft entf*eibenb, fo wirft ft* bie ftrage auf, in roel*er SBeife baS 
in ben fraglt*en ©trafgefefcen jum 2;t)atbeftanbSmerfmal — im ©egentafc jum 
S5eliftSmerrmal — erhobene Moment ber TOtljäteriajaft bur* bie 3ure*nungS 
unfäijigfeit beS mitroirfenben 3)titbetlpeiligten beeinflußt wirb? 

2)er ©runbfa^, bafe bie ^cifpred)ung beS fiauptur^eberS au* bie beS 
Xl)eilnel;merS jur Jolge bat, finbet auf bie Stiturbeber feine 2lnroenbung M ), — 
biefe 2luffaffung rotrb taum einen begrünbeten SBBiberfprudj erfahren, glei*oiel 
auf roel*en ®runb fiel) biefe ^reifpre*ung jurücffüljrt. 6r fliefet einfa* auS 
bem icau ab, baß eben nur etne f*einbare ^beilnnbme vorliegt 

^)aß beSt)alb in ben Eingangs aufgeführten fällen bem a*t&et)n jährigen 
21. bie Serübung einer Äörpcroerle|ung, unb bem geifteSgefunben, oollfinnigen 6. 
bie 5ßollfübrung eines &auSfriebenSbru*S jur Saft fällt, bafe ftc Xfyättx ber 
Vergeben ber §§. 223. unb 123. finb, erf*eint unbebenfli*. 2lber fie finb eben 
audt) nur %f)üttv. S)er nt*t sroölfjäljrige 21. unb ber geifteStranfc 2). finb Wfc 
ttjätige aber nt*t TOfd)ulbige. 



24) »erfll. ©cftwaijc a. a. O. <&. 381 unt) ttr^ämungtit @. 29; Cweuboff §§. 123. 223 a; 
Cr!, fceä Ob. flpp. ®cr. 3)re«ben »om 19. SKärj 18<7, ^immcxle a. a. O. 8. 157. CM bcö 
CbcrtribunalS »om 10. October 1873, 24. fybxwx 1875, «t$n> ». 21. 6. 492, ». 23, @. 195 jc. 

rfcan crfleren f?eifet tt: „2)ct «uötrutf gemcinfdjaftlicf) begeben im ©cblufefatje teS §. 123. 
gleidjbebeuttnb mit bem «uättuef gcmcinfdiaftlicb ausführen im ©innc be« §. 47. <5L ®. 

25) «inting 0. a. O. ». 1, ©. 103, 90, 9Zot. 166., 19. :c; SJofm im ©anbb'udj 53. 3. ©. 160. 

26) «ritio ». 7. 8. 216. 



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124 2Hc Mcfroirtung ber ®etfte3trantt)eit unb ©trafantnünbigtett. 

2)enn ber §. 47. ©t. @. ®. befrimmt: 

SBenn Ufte^rere eine ftrnfbare §anblung gemcinf^aftlid; ausführen, 
fo nürb Sehet al$ £f)äter beftraft. 

Uebereinfttmmung fyerrfdjt roo^l barüber, bafe bie 3ftittl)aterfd|aft im ©inne 
ber üorctttrtcn sßorfc^rift ein fd)ulbfjafte8 3ufammenroirfen »JWefjrerer, eine 
beroufetc unb gerooüte ©emeinfcbaftlidjfeit be$ nerbred&erifdjen Sillens unb feiner 
SSerförperung bebingt. 87 ) 2>ie UnjuredjnungSfätgfeit be£ einen ber beiben SJttt* 
t&ätigen 88 ) fdjliejjt bie 3Wöglid)feit einer folgen fdwlblmften SJlitroirfung aus. 29 ) 
2)ie Set^eiligung finft ju einer nur fdjeinbaren, in 2Birflidjfeit nid)t oortjan* 
benen £t)eilnajmte j&erab; bie Xljätigfeit ber beiben menfd>lid)en ^nbinibuen lägt 
nur in ber beliftSfctyigcn ^erfon bie $D)äterfd)aft befielen. 

25er im §. 47. roieberfeljrenbe 2luSbrucf „ftrafbare £mnblung" ift begrifflief) 
gleic&bebeutenb mit ber gleidjlautenben Sejeidmung im §. 259. @t. ®. !8. r bie 
aus biefer begrifflichen Bcbeutung ad 1. gesogenen Folgerungen finben beSbalb 
oermeintlia) in unoeränbertcr ©cftalt audj auf bie Ijicr fraglichen ^älle wu 
roenbung. 

55ie etwaige (Srroägung, ba§ in ber gleichzeitigen Senkung unb Söcr 
iocrtf)ung beS UnsuredmungSfalngen burd) baS beliFtSfäbtge ^nbioibuum in bem 
lederen fid) ein boppelteS 2BoUen unb beffen $errotrflicj)ung erfülle, crfa)etnt 
unftattljaft. $enn bie Mtl)ätcrfd)aft hat bie gemeinfdjaftltdjc 2luSfübrung einer 
ftrafbaren föanblung burd) Niedrere jur SBorauSfefcung. ©ie erfordert olfo bie 
Qkrförperung jroeier an ftd) feibftftänbiger SiUenSridjtungcn. Sie aJtöglidjfcit, 
in bem 3urecf)nung)8fälugen eine snuefadje Xljäterfdmft, cincrfcitS in ©eftalt ber 
6elbftauSfül)rung unb anbcrcrfcttS in ber etwa gleid)3ettig burd) tlm in gorm 
ber fogenannten 2(nftiftung oerurfadjtcn 2$erroirflid)ung eine« unjurec^nung«^ 
fähigen 2öoflen§ beS 9Jttttf)ätigen ju fonjentriren, fdjeitert beSbalb aud) bereits 
baran, bafj eS bcrfelbe ucrbredjertfdjc 33StHc ift, ber als ein einheitlicher in ber 
Serroirflidjung burd) ©clbftbegehung unb burd) gleidfojeitige ^crtuertlnmg beS 
Unzurechnungsfähigen in bie (Srfd)einung tritt. $)ie Grroägung, baft bie gleid) 
jeitige Beteiligung beS Jäters an berfelben <Straftfmt in ber ©cbulbform ber 
Slnftiftung beS 9Jtittf)ätcrS bie 2lnnafmte einer mehrfachen fclbftftänbigen 3ßiUenS' 
ridjtung unb bie 3uläffigfeit einer boppeltcn Wtrafung ausschliefet, 80 ) muß fjicr, 
mo nur eine fdjeinbare ^^eilna^me uorliegt, in noch burd)greifenbcrer JÖeife Sin* 
roenbung finben. 

Sil« 2&atbeftanb3merfmal ift aber bie 9JJitthäterfd)aft in ben §§. 123. u. 
223 a. 6t. ®. 8. auSbrütflicb aufgehellt. Sie SlnmenbbarCeit biefer Strafgcfctjc 
bebingt alfo oor Stllem baS S3orf»änbenfein otefeS 3ÄerfmalS, baS eine erl)öl)te 
6traffa§ung unb bie ©ebingungSlofigfeit ftrafredjtlidjer ©elangbarfeit jur ^olgc 
Ijat. 3)ie in ber ©trafunmünbigfeit be5tel;ungSn)cife ber (SteifteSfranflieit mur > 
jelnbc 3urea)nung«unfäl;igfeit beS S. unb S). bebt bejüglid) i^rer ben Betriff 
ber ftrafbaren .^anblung, unb bamit ben ber gemeinfd&aftlidjen 2luSfü^rung einer 
ftrafbaren .§anb'lung auf. 5ßeber ein ftrafreajtlid) in Betraft fommenber ®e" 
fammtroiUe, nod) eine ©efammttfjat liegt uor. 



27) §aelf<$ncr Si)(lcm 93. 1. 6. 375 ff., Semer Üetitbu^, ©. 193; ©Aütje ©. 144; 
Oppen^oft Wot. 10. §. 47; ©diwaac a. a. O. ©. 14(); (»euer im fcanbbucf) 2. @. 407; 
iütcDcr »5. 221; ^>al)u bcutf*e4 6trafgcfc|}bud> III. IlifL §. 47. s Jiot. 2. ic. 
28) 2)aß beim SJorbanbenfciu gtocicr üelitt^f5bigcr SDiittljäter bie UnjuretönungSfabigleit 
einer briUcn mütbätigen ^erfon ehiflttgtofi ift — »ergt. bie 9iot. 22. oben — erfefteint and) be* 
jüglid) ber bicr fraglid?cn ftälle unbcbcnllid). 

29) ö. üJJencr, @. 222; Opfcnljoff 9?ot. 2. 10. 13. jum §. 47. 

30) CWcnbofi 5tot. 19. 47; $abn a. a. O. §. 47. ©. 52; §, 2Rei)cr a. a. O. 6. 220 
9tot 11.; »ergt. bcjüglicri ber Sbeilnabme an einer ©traftbat unb ber fid) baran anfdjlicfteubcn 
«egünfhgung unb £>cbterci ». «uri im e»crid)töfaat ». 28. ©. 206, ». 29. S. 34; öerjog 
cbenba 30. @. 367 ff. 



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2>ie ftüdwhrfuitg ber ©eifle^franttjcit «nb Gtrafumnttnbialeit. 125 

3n ben bcibcn fällen $u 2. unb 3. ift eine Äörpernerlefcung burd) 21. unb 
ein ^ausfriebenSbrud) burdfj G. oerübt, nid&t aber finb biete Vergeben oon 
3Jtef)reren, bem 21. unb unb 6. unb $). gemeinfdjaftlicfj begangen. ©er 
üDtangcl eines 6trafantrag$ gegen 2t. beteiligt bcö^alb bic ftrafrc<Jtlidje Verfol- 
gung beffelben auef) auä §. 223., unb bic Un$ure$nung8fäf)igfcit bc£ f)at jur 
,3olgc f bafj 6. nur aus §. 123. 2lbf. 1. wegen £au3meben$brud&!8 , bei betten 
2ll)nöung bie 3Jiitlf)äligfcit bc8 2). al3 ftrafmeljrenbeS 2Jtomcnt innerhalb ber 
Straf grenzen biefeö 2lbf. 1. ju berücf nötigen fein roirb, ftrafbar ifk- 



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f eutfdje* $ ttafredjt 



§. )72. @t. (B. B. llnsuläfiiöfeit 6es etrafantrages roegen (Ehebruchs 
vor eingetretener Hecbtsrraft oee iE^efdjeiöungeerfenntntjTes. 

(Stf. be<3 ID. erraffen- 3. 3™- 1880 c/a. SKüller unb c/a. 9iiecfe, 
roobura) bie Sorentfchetbungen aufgehoben roorben finb. 

I. 

© r ü n b e. 

$>ie etjefrau be« ©efchrocrbeftihrerS HR. fteflte am 15. 9Rai 1879 gegen 
leiteten einen ©trafantrag roegen (SfjcbruchS unb Jtorperoerlefcung, gegen bic 
2öittroe 28. einen ©trafantrag loegen ©hebruch«, erhob aua) gegen ihren (5r)c^ 
mann eine ßlage auf e^efc^eibung, erlangte aber bie ©cheibung erft im Sep- 
tember 1879 nach einer auf ©nmb bcS rechtäfräftig geworbenen Urteils oom 
2. äfiüi 1879 erfolgten ©ibeSleiftung. 9cachbcm hierauf ba3 fdjon eingeleitet 
geroefene ©trafoerfahren roegen 6f)cbrud)3 gegen beibe 2lngeflagte unb roegen 
coneurrirenber Äörperoerle$ung gegen ben ©efdjroerbefiitjrer burchgeführt roar, 
uerurtr)eilte baS fianbgeridjt Bremen am 14. Oft. 1879 ben ^efehroerbeftihrer 
roegen ©r/ebruc^S 3U einer 3ufafcfrr Q t c oon 'S 3Jionat ©efängntfj ju ber gleich* 
jettig roegen tförpcrocrlefcung oerhängten Gmfa^ftrafe oon 4 3Jionat ©efängnifi, 
bie aRitangeflagte 20. roegen @^ebrua)ä ju 2 Neonat ©efängnijj, unb beibe' 2ln< 
geflagte ju ben Äoften. 

$>er 83efc^roeTbefür)rer behauptet, bafi feine 3Serurtr)etlung roeaen (Ehe- 
bruchs auf Verlegung einer SHedjtenorm beruhe, weil e$ in biefer Söesiehung 
an einem gültigen ©traf antrage fehle, unb ba& feine Verurteilung roegen 
tförperoerlejjung aufgehoben werben muffe, roeil babei bie ^Rechtsnormen über 
ba3 «eroeiäoerfahren oerlefet roorben feien. 2>ie 2lngeflagte 3Ü. hat fem Rechts« 
mittel oerfolgt. 

Sie erfte Sefchroerbe be« 9Jc. tft begrünbet. Sei ber Auslegung be$ 
§. 61. 6t. ©. SB. ifl, foroeit e3 ftet) um bie 3cit hanbelt, in weiter cm ©traf* 
autrag geftelll werben fann, baoon auszugehen, bat? jeber ©trafantrag, ba er 
bie SJeroirfung einer ©trafoerfolgung bepeeft, jur sBorauSfetmng bat, bafj eine 
©trafoerfolgung gcfefclich möglich fei, bafe er alfo mit rechtlicher Söirfung nicht 
j^u einer 3 CU " gcftelö roerben fann, roo ber ©trafocrfolgung ein gcfc&ltches 
§inbemife im 2öcgc ficht. $a nun ber §. 172. @t. ©. bic ©trafoerfolgung 



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Staufens ©trafrecht. (frteitntnifte beS föcl^Sgerifyä. 127 

wegen Ehebruchs, außer oon bcm ©trafantrage b.S bcleibigten Regatten, nodh 
baoon abhängig mad)t, bafe wegen ©hebrucbS bie @be gef Rieben fei (§. 69. 
©t. ©. 53.), entbehrt ber uor ber ©Reibung gepeilte ©trafantrag jener Voraus* 
fefcung ber 9Jlöglic^feÜ einer ©trafperfolgung, oon welker feine 9Strffamfeit 
bebingt ift, unb mufc beShalb für wirtungSloS unb nichtig gehalten werben. 
91 ad) erfolgter ©djeibung bat bie Gtyefrau ÜJi. einen ©trafantraa, nidjt geftellt. 
(£S log alfo jur $eit oct Vcrurtheilung beS VefcbwerbeführerS em rechtlich m* 
läffiger unb wirffamer ©trafantrag überhaupt nicht cor, unb burfte b<u)er Die 
Verurteilung wegen (ShebrudjS nid^t auSgcfprothen werben. 

Sie aus btefem ©runbe notbwenbige Slufhcbung beS porigen Urteil«, 
fo weit baffelbe gegen ben Vefchwerbcfül)rer wegen @hebrud)S ergangen ift, mufe 
ihre Söirfung auch auf bie wegen beffelben Vergehens perurtbeilte Söittwe 20. 
erftreefen, obgleich biefelbe fein Rechtsmittel oerfolat hat. Senn bei ben 2ln* 
tragSocrgehen gä^lt ber ©trafantrag ju ben oom ©traf gef e& normirten mate* 
riellcn Vebingungen ber ©trafbarfeit, unb enthält, wenn fein gültiger ©trafantrag 
porfyanben ift, bie bennod) auSgefprocbene Verurteilung eine ©efefceSocrlefcung 
bei 2lnwenbung beS ©traf gef cfecS. £)a nun baS im Vorftebenben über ben 
©trafantrag gegen ben Scfowerbefübrer ©efagte aud) auf bie SBittwe 2B. ju* 
tritt/t, unb fia) baS oon jenem angefochtene Urteil auch auf biefc erfrreeft, fo 
war in biefer Snftanj 3u erfennen, als ob bie SBittwe 28. gleichfalls bie 9teoifion 
eingelegt ^ättc. (§. 397. ©t. $roj. D.) 

(SS mufjte alfo baS porige Urteil, fo weit eS ben Vefdhwerbeführer unb 
bie SBittwe 20. wegen (£\)tbiuä) oerurtheilt t)at r aufgehoben, unb infoweit, bcm 
§. 394. ber ©t. ^roj. 0. gemäfj, auf greifpre^ung beiber »ngetlagten erfannt 
roerben. 

II. 

© r ü n b e. 

Sie 6l)e beS Kaufmann« 9i. mit feiner ©rjefrou, ber SJtitangeflagten %t., 
gebornen ©. ift burch bie glcid)lautenben (Srfenntniffe beS ©tabt* unb ÄreiS- 
geridjts ju 9Ji. u. 6. 9)tär3 1878 unb 2lpp. ©er. bafelbft p. 7. Sej. I. 3. wegen 
öcS pou ber 9Ritangeflagten jugeftanbenermafjen mit bem ÜWitangeflagten 9tcftau* 
rateur ©. $u S JR. begangenen (fhebrua)S getrennt morben. 

Sie TOangeflagte 91. hatte jwar gegen baS (Srf. II. Snftanj, welches ihr 
unterm 11. %an. 1879 behänbigt worben war, baS ihr juftehenbe, oon ü)r als 
91. V. bejeidhnete Rechtsmittel eingelegt, pgl. preufj. Verorbn. n. 14. Sej. 1833 
(@. ©. ©.3021., 1.); — fowie §§. 15. 16. ber preufj. Verorbn. p. 21.3uli 1846 
(®. ©. ©. 291), baffelbe aber nicht ber Vorfcbrift beS §. 17. baf. entfprecheub 
innerhalb ber in §. 21. ber Verorbn. o. 14. Sej. 1833, §. 17. ber Verorbn. o. 
21. %ul\ 1846 porgefdhriebenen $rift eingeführt unb gerechtfertigt. SaS ergan* 
gene ©djeibungSurtel hat baher erft mit bem Ablaufe ber RechtSmittelfrift, alfo 
mit bem 23. anärj 1879, bie ÄechtSfraft erlangt; oergl. bie 21. ©. 0. 2h- 1- $it 16. 
§. 1.; ^lenarbefchlufe beS Ob. $rib. p. 18. gebr. 18Ö6 SR. ©t ©. 94). 

Der (Shemann ber 9JiitangeIlagten 91. hat ben nach §• 172. beS 9L ©t. ©. V. 
jur frrafredjtlichen Verfolgung wegen ©hebrudhs erforberlidhen Antrag gegen 
beibe 2lngef tagte juerfl unterm 23. Slpril 1878 geftellt unb unterm 15./18. §ebr. 
I 3., fpäterhin aber nicf>t wieberholt. 

Ser Antrag auf ©trafoerfolgung ifl fonach geftellt worben, beoor bie 6he 
wegen beS in 9iebe ftehenben ©hebru^S getrennt worben war. 

Sie Vorberria)ter haben angenommen, bafe berfelbe redhtjeitig gejiellt fei, 
weil eS nach VorfdnHft beS §. 61. beS ©t. ®. V. nur barauf an!omme, ob sur 
3eit ber ©tellung beS Antrags ber Ehebruch, alfo bie in ftrage fommenbe £anb* 
lung, bereits begangen gewefen fei. 



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J28 -Deutle« 3twfre*t. (Srlenntmfie bei ttcuftdgericW. 

2tuf biefe ©runblage t)tn ift bie Verurteilung ber Slngcflagten erfolgt. 

$ie 9t. sö. behauptet Verlegung be3 ©efefceS, weil erft mit bcr rechts* 
fräftig erfolgten Sc&eibung bie Strafbarfeit beä (jtyebrucba begrünbet unb ber 
Antrag auf Strafoerfolgung fonaa) im oorliegenbcn gall oerfrübt fei. 

2)ie 31 23. erfa)eint audj begrünbet. 

S)ie breimonatlidt)e in §. 61. beS St. ©. 23. georbnete ifrift für ben 2ln* 
trag auf ftrafrecbtlicbe Verfolgung eines SlntragSbeliftS beginnt mit bem Sage, 
feit meinem ber 2lntrag3beredntgtc oon ber ^anblung unb ber ^erfon be$ 
Xljäter« Äenntnife erhalten bat- 5)cr Seginn ber grift fc^t mithin oorauä, ein* 
mal, bafe bie in Siebe ftebenbe ftrafbare ^anblung nad) ibrem im ©efefcc oorge* 
[ebenen ftrafreebtueben £t)atbcftanbe begangen unb fobann, bafe fte in biefem 
ifjrem £fyatbeftanbe nad> sur tfenntnife bc£ SlntragSberecbtigtcn gelangt ift. 

S)amacb fann juoörberft bie grage aufgeworfen wcrDen, ob nia)t bie ber 
Straf beftimmung beS §. 172. be$ 9t. ©t. 0. 53. hinzugefügte 23ef$ränfung: „wenn 
wegen be£ l&tytbvuxSfi bie @f)e gefdneben ift", eine 23ebingung für bie Straf- 
barfeit biefe« 23erger)en£, nidjt bloS für bie Stattyaftigfeit ber Strafoerfolgung 
barftcllt unb mitbin bem Sbatbcftanbe bcS (sbebrud)« feinem Segriffe nacb an* 
gebort. S)arau8 mürbe bann gefolgert werben mü|)en, baß nidt)t bie begangene 
$anblung ber Verlegung ber e^elicben treue, wcldje ben au£ ber fittli$cn ^er* 
fc&ulbung bc3 %t)ättt& ^crjulcitcnben Strafgrunb für bie 23eftrafung be§ Gbe* 
brudjS barbietet, an ft$, fonbern oielmeln- biefe £anblung, infofern auf @runb 
berfelben bie (Sbe gef Rieben ift, ben Xtyatbeftonb be£ im §. 172. beS St. ®. 23. 
oorgefebenen Vergeben« bilbe, unb bafj mitbin ein oor eingetretener 9iecbt3fraft 
be$ Sa)eibungaurtbeil3 r beoor bie in s Jtebe ftebenbe ftrafbare $anMung bem 
ganjen Umfange tyreS objeftioen XlmtbeftanbeS nad) oorlag, gefteüter Strafan* 
trag ungeeignet erfc&eine, ben Ablauf ber in §. 61. baf. oorgefd&riebenen g-rift 
ju binbern. 

öür bie 23ejaf)ung ber aufgeroorfenen grage fann geltenb gemacht werben, 
bajj jroar ber Strafantrag bc$ beteiligten, fobalb er oon bem ©efefce für er* 
f orber lieb erachtet wirb, feiner überroiegenb prosenuaUfd)en 23ebeutung nacb ntcr)t 
bie Strafbarfeit be8 Vergehens, fonbern lebiglid) bie 3utäffigfeit ber Strafoer^ 
folaung bebinge, bafj aber ein ©leidjeÄ nidjt oon einer in ba$ Strafgefefc fellift 
aufgenommenen #orau3fe&ung gelten fönne, nad) roelcber bem fraglichen Ver- 
geben ber Gbarafter eines öffentlichen S)elift£ nur bann beigelegt wirb, wenn e£ 
in feinem Erfolge bie Trennung ber @be tjerbeiaefü^rt bot. 

£)iefer Sluffaffung finb eine SRctye oon dntfdjeibungen beutfdjer fjoebfter 
©eridj&böfc, inSbefonbere aua) be3 Db. Xrib., foroie ja^lreicbc wiffenfdwftlicbc 
Autoritäten gefolgt (oergl. Dppenl). ßomm. j. 9t. St. ©. 23., 7. 2lufl., ^r. 15. 
su §. 172.; Grf. b. Db. Xrib. o. 19. #uni 1861, o. 20. ^an. 1869, o. 6. 9too. 1873; 
Dppeiu). ^Mecbtfpr. 83b. 1. S. 450, *b. 10. S. 34, Sb. 14. S. 697; Scbmarje 
bei o. §olfeenborff Sb. 3. S. 297, 300). 

(£« fann inbeffen oon ber Seantroortung ber gebauten, in älUffenf^aft 
unb s Jted)t«übung ftreitigen grage (oergl. u. a. (Srf. b. Ob. Xrib. o. 19. gebr. 1873; 
Oppen^. 9lec^tfpr. »b. 14. S. 145; gr. Steuer, 6omm. a- §• 172. 9ir. 13.; 
^ugo s JDZeoer, Strafrec^t S. 615) abgelesen werben, weil, oöllig ba^ingcftellt, 
ob Die erfolgte Trennung ber (£l)e fidb nacb §• 172. beÄ St. ®. S. alä ein ©e* 
fianbtt)eil beS Sbatbeftanbe« beÄ Sergeljen« bc« @l>ebrua)e3 barftcEt, in erfter 
Üinie fdwn ber Umftanb alä entfd>eibenb ju erachten ift, ba§ ba« Strafgefefe bie 
wegen beö ßt)ebrucb* erfolgte Sdjeibuna unjweifelbaft — wenn niebt al<8 eine 
Sebingung ber Strafbarfeit, fo boa) jebentallS al« eine notfjwenbigc SorauS* 
feuung bcr Strafoerfolgung erfennen läfjt. 

^)ft nämlicb bie Strafoerfolgung unmittelbar burdt) ba« emfdjlagenöe 
Strafgefe^ bis ju bem 3eitpunfte aü^gefcbloffen, ju welcbem bie @be gefebieben 
ift, fo ergiebt fiel; barauS mit natürlia)er eonfequenj, bafj ber nacb §. 61. be3 



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T - ' • 



2>ottfc&<§ ©traftecfit. CSrtetmtniffe 1x9 SRritf3qeri<fct3. 19Q 

6t. ©. 8. erforberlidje Hntrag, weldjer beftimmt ift, bic 6trafüerfolgung nach 
SDtafjgabe beS ©efefceS herbeizuführen, inbalt* unb bebeutungSloS erfc&etnt, fo 
lange er biefe 2Sirfung herbeizuführen nid>t geeignet ift, unb bajj mithin aus 
entern berattigen oerfrübten Anträge weber 9iecbte hergeleitet, noa) s JtecbtSnacb* 
t^eile baran gefnüpft werben tonnen, bajj er nicht geftellt ifi, beoor bie Sdjetbung 
rechtskräftig reftftanb. 

©leides folgt aus ber 9iatur eine« auf 6trafoerfolaung gerichteten Sin* 
trageS audj in fo fern, als berfclbe ben SBillen beö Verewigten erfennen laffen 
ntuB, bie Verfolgung ber fraglichen 6traftbat nach SJcafcgabe beS 6trafgefei&eS 
alsbalb herbeizuführen unb fonach nicht non bem Eintritte einer Vebingung, alfo 
auch n '4t ^on bem noch ungewiffen eingreifen ber fänftigen ©befebetbung ab" 
hängig gemacht werben rann. 

3u bemfelben (Srgebniffe laffen enblidj auch bie (SntftebungSgef Richte, fo* 
nrie bie inneren beftimmenben ©runbe beS ©efefceS gelangen. 

S)ie neueren Strafgefefeaebungen werben bei ber Vefiimmung über bie 
frrafrechtliche Verfolgung beS Ehebrüche« neben bem ©eftebtspunfte beS ©erlebten 
Rechtes beS beleibigten ©hatten oorzugSmeife r>on ber Sfoicfficbt auf bie fittliche 
SBürbe ber 6h* un & beren ©rfwltung, fo roeit fie möglich erfebetnt, geleitet. 

Von folchen ©runbfafcen h atten f<$ on eine ^ c ^ e früherer beutfeher 
6trafgefefegebungen (oergl. baS $reufe. 212.9t. Z§.2. Sit 20. §§. 1061. 1062.; 
baS $reufe. ©t. ©. V. §. 140.; bog braunfa>. #rim. ©. 33. o. 10. ^uli 1840; 
baS ßübeefer 6t. ©. V. o. 20. ^fuli 1863; baS Vaner. 6t. ©. V. v. 10. 3iot). 
1861) bie Verfolgung beS ©bebrucbS nicht allein oon bem Slntrage beS Verleg 
ten, fonbern auch baoon abhängig gemacht, ba& bie @he wegen beS (SbebrucbS 
gefchieben fei. £)aS SU. 6t. ©. V. ift biefem Vorgange gefolgt. @S erfa)eint 
nicht ohne Vebeutung, bafj einzelne jener ©efefegebungen aus ber gebuchten Vor* 
fchrift bereits bie weitere Sonfequenz gezogen unb ouSbrücflidt) beftimmt hatten, 
bafe ber 6trafantrag erft nach reebtsfräftiger 6cheibung ber @c)e geftellt werben 
fönne, fowie bafc ber Entwurf sum 6t. ©. V. für ben 9ftorbbeutfd)en Vunb, fo* 
wie bemnächft baS <St. ©. V. felbft eine abroeiebenbe Vefiimmung, wie fehr fte 
anbernfallS nach bem Inhalte 5et generellen Veftimmung beS §. 61. beS 6t. ©.33. 
auch angezeigt gewefen wäre, nicht aufgenommen hat (r-ergl. Anlage 1. ju ben 
3Rotioen beS 9torbbeutfchen 6trafgefefcentwurfS 6. 172). 

^n ber %bat ift bie ßulaffunQ beS 6trafantragS cor gefchiebener 
mit bem inneren ©runbe unb ber Slbficft ber Vorfchrift beS §. 172. beS 6t.©. V. 
nöllig unoereinbar. 

Söenn naa) ber ma§gebenben 2luffaf)ung beS ©efefeeS mit ber Unterfud&una 
wegen ©bebrucbS in eine noch beftehenbe ©he nicht eingegriffen werben foli uno 
bie Veftrafung eines ©blatten wegen (S'Kbiuäiö mit bem SBefen ber noch fort- 
bauemben ®h e oereinbarlia) erachtet wirb, fo mufe bie« auch oon bem Sin* 
trage gelten, welcher bahin gerichtet wirb, biefe Veftrafung herbeizuführen. 

6oUte femer ber Veginn ber 2lntragSfrift bereits an bie bem Antrags* 
berechtigten befamtt geworbene %t)at\att)t bes (Ehebruchs gefnüpft fein, fo 
würbe ber berechtigte jumeift in bie ^roangälage gefefet erfebeinen, ben Antrag 
auf beftrafung, um be« Rechtes basu nicht bureb ben 2lblauf ber ftrift nertuftig 
ju gehen, bereits uor ber ©ntfeheibuna über bie Trennung ber ©he ju gellen. — 
2)abei fommt in Vetracht, bafj eine 3"^ U( ^ a h^e beS unter bem (Sinbrucfe ber 
begangenen Sreuenerle^ung geftellten SlntragS fobann nicht mehr juläfftg ift 
(§. 64. 6t. ©. V.). 

S)amit würbe ber 2luSföhnung ber e^egattert unb ber Erhaltung, ber (£he f 
ber erficbtlichen £enbem beS ©efe^eS offenbar juwiber, ein fchwerwiegenbcS 
^inbernife entgegengeftellt. 

®er 2lpp. dichter hat fonach, inbem er ben oor eingetretener 9tcchtSfraft 
beS (ShefdheibungSerfenntniffeS geftettten unb fobann nicht wieberholten Antrag 

ftr^io 1880. 2. Wt. 9 



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I0O Jücut]cpe0 ?5trairccpt. writnntinfle oes iHeicßögeriainj. 

für ftatthaft unb wirffam erachtete, bie §§. 61. unb 172. be8 ©t. @. 85. burcfi 
unrichtige 2tnmenbung oerlefct, unb ba$ StppettationSerfennttüj? unterliegt fonach 
ber Vernichtung. 

3)a aber ferner unbeftritten tfi, bafe" ber jum 3lntraae berechtigte (Shemann 
einen wirffamen ©trafantrag nicht geftellt unb bie gefefcliche SlntragSfrift nicht 
benujjt hat, fo war in ber 6adbe baS erftrichterliche ©rrenntnifj bahin ab§u* 
änbern, baß bie Verfolgung ber 2Ingeflagten wegen (thebruchä für unfiatthaft ju 
erachten fei. 



§. 9. bes preujj. <Fewerbejlcuer«c£. o. 30. Mlai 1820 un6 §. 16. be* 
Preu|. <£. betr. Slbänberung 6ee 6. wegen (Entrichtung ber (Bewerbe* 
jteucr ». 19. Juli 1861. Steuerpflicbtigfeit bes gewerbsmäßigen üer- 
miethens möblirtcr Simmer. 

©rf. beS I. ©troffen, o. 12. 3an. 1880 c/a. Sdt)., woburch ber ÄaffationS- 
refurS beS öffentlichen 3Rintfterii für begrünbet erflärt worben ift. 

© r ü n b e. 
SMe erhobene Äoffotion ift gerechtfertigt. 

d& tarn jwar zugegeben werben, baff, falls lebiglich bie SBeftimmungen 
be§ ©ewerbefteucr*®. o. 30. 2Jiot 1820 jur Slnwenbung ju tommen hätten, e3 
als sweifelhaft betrachtet werben tonnte, ob ba£ äiermiethen möblirter 3"nroer 
gan$ allgemein, ohne 9lücf ficht auf bie Sflöglichf eit eine« h^roon ju erjielenben 
höheren, jum Sebenäunterbalt geeigneten ©ewinneS fonach inSbefonbere ohne 
fliücfficht barauf, an welche ^erfonen unb auf welche 3*itbauer jeweils ba£ 9?er* 
miethen ftattfmbet, bie ©ewerbefteuerpfli<httgfeit begrünben würbe, ba ber ganje 
©runbgebante beS ©ewerbefteuer*©. t>. 30. 9Kat 1820, wie er befonberä in ber in 
§. 2. bcffclben erfolgten Slufjählung junt 2lu£brucf gelangt ift, ferner ber Um* 
ftanb, bafe bie in §§. 9. unb 10. beö genannten ©efefeeS unter ben SRubriten a., b., 
c, d. aufgeführten ^Serfonen naa) 3iff cr 12 - C. ber Seilage B. $u biefem 
©efe&e hinfichtlich beS Steucrgefe^eS an f idt> einanber gletchgeftcüt ftnb, bafj 
weiter bie §öhe beS @tcuerfa&e£ augenfcheinltch einen erheblichen s Dteingewinn 
untcrftellt, bie Annahme nahe legen, bafj baS ©eioerbefteuergefefc in §. 9. lit. b. 
bie #crmtctf)ung möblirtcr 3intmer in einem gemiffen engeren Sinne begreift 
unb in biefem 6inne ben fonft nicht gebotenen franjöftfchen SluSbrucf „chambres 
garnies" beifügte. 

@3 fann femer zugegeben werben, bafi auch tn ber ©ewerbeorbnung o. 
17. 3an. 1845 bie bafelbft in §. 49. für ba§ gewerbSweife SSermiethen möblirter 
3immer geforberte befonbere poltjeiliche ©enehmigung, fowie bie in §. 21. bef* 
felbcn gegebene «eftimmung auf bie Vermiethung möblirter 3immer in einem 
gewtffen engeren Sinne hinweift. 

2lUetn oon entfeheibenber Sebeutung für bie jefct in 9lebe fiehenbe ©e* 
fchulbigung ift §. 16. be3 ®efe^e§ oom 19. 3uU 1861, betreffenb einige 2lbän* 
berungen beö ©cfe^cS wegen (Entrichtung ber ©ewerbefteucr oom 30. 3Kai 1820. 
3Bie fchon quS bem SSortlautc beö §. 1 6. heroor^cht, welcher bie ©ewerbefteuer* 
pflichtigfeit an baS geiocrbSweife Syermiethen einer beftimmten 3ahl unb 2lrt 
oon möblirten 3intntcrn fnüpft, unb bie Beifügung bcö 2luöbrucfed „chambres 
<?arnies M unterläßt, follte hiermit bie VorauSfe^ung ber 6teuerpftichtigfcit in 
einer flarcn 2Bci|"e neu geregelt werben. 3)ic innere Scbcutung btefer Siegelung 
crljcllt aber aus ben Vorarbeiten bc§ ©eicfccS, unb jwar pnächft aus jenem 
©efefcentwurfe unb beffen ÜJiotiocn, welcher bem burdt) bie 2lüerhöchfte Verorbn. 
o. 22. S)e3. 1859 einberufenen prcu&ifchcn Sanbtage oorgelcgt würbe. 



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SeutfötS Straftest. (Srtamtnifie bc8 «ei<$«geric$t$. 131 

1 

§. 13. be« 6e$eid)iteten ©efefcentrourfe« lautet baf)tn: 

,,ba« geroerb«roeife betriebene 93ermiethen möbltrter 3in"Ktt unter* 
liegt fortan ber ©eroerbefteuer nur bann, wenn oon bemfelben 
©eroerbtreibenben brei ober mehrere h^bare ghrnner oermiethet 
roerben." 

SluÄ ben HRotioen ju biefem §. 13. tft erfia)tuch, bafe beffen SefUmmungcn 
einerfeit« oerhüten wollten, „fdjjon jebe« SBermiethen möblirter 3iroroer ohne 
9ttic!ftcht auf ben Umfang aus fteuerpni<f)tig anjufehen", bafj man aber anberer* 
feit« für ben SJermiether möblirter Limmer bie ©teuerpflichtigteit ntdt)t erfl bann 
beginnen laffen rooHte, wenn ba« l&crmiethen in ber 2lrt eines föotelbetriebc« 
erfolge, fonbern fchon bann, roenn e& überhaupt einen geroiffen größeren Um* 
fang, nämlia) ben in §. 13. be« ©ntrourf« bezeichneten, annehme. 

@« befagen in biefer lefcteren §inftcht bie SWotioe 3U §. 13. be« 
lecntrourte«: 

„SRoc^ ben beflefjenben SefHmmungen wirb noch eine SCnjar)! oon ^erfonen 
oon ber ©teuer betroffen, bei benen e« fid> um einen eigentlichen ©eroerbebctrteb 
enttoeber gar nicht ober boch nur in einem geringen Umfange fjanbelt, inbem fie 
ba« SSermtet^en möblirter 3wimer nicht jur ©eroinnung i|re« £eben«unterhalt«, 
fonbern roefentlidt) nur in ber &bficht betreiben, baburch bie ÜRUtel jur $edfung 
eine« StJjetleS ihrer 28ohnung«miethe ju erhalten. ©abura), bafj ba« SBermiethen 
oon jroei 3immern allgemein unbefteuert gclaffcn roirb, unb bie ©teuerpfltchtigfeit 
erft mit bem Sßcrtmcttjen oon brei ^eijbaren 3inrotem beginnt, roirb biefelbe 
auf ben erheblicheren ©ero erbebetrieb bejdtjränft, bei bem e« [ich um mehr at£ 
um bie Abtretung eine« Xlmis ber eigenen Sofmung hanbelt. 3n«befonbere 
bürfen bie gälte, roenn Söotjnungen eigen« ju bem Qmt&t gemietbet roerben, um 
moblirt roieber oermiethet ju roerben, Batet ber Steuerung nur feiten entgehen, 
ba ju folchem ftmtdt in ber Siegel nur größere 2Bot>nungen al« oon jroei 3im* 
mern (aufeer ben jur eigenen unmittelbaren ©enufcung be« SJUetfjer« beftiramten 
Staunten) gemietet roeroen möchten. 2)urch bie Befreiung ber Söieberocrmiether 
oon nur jibei möblirten 3inun^ni oon ber ©eroerbefteuer erroächft ber 5?laffe C 
eine nicht unroefentliche Steuererleichterung, ba biefelbe oon ber Uebertragung 
be« 2lu«falle« ber auf jene Heineren ©eroerbetreibenben oeranlagten ©teuer 
gegen ben 3Rütelfafc frei roirb." 

inhaltlich oeg #ommiffion«berichte« be« &aufe« ber 2lbgeorbneten erflärte 
man fta) mit bem §. 13. attfeitig einoerftanben unb fprtcht — toie berfelbe befagt 
— ber oon einem SJtttgliebe beantragte 3ufafc: 

„3n Stobe* unb Srunnenorten bleibt ba« SBermtethen oon gmunem 
an 33abe* unb ©runnengäfte geroerbfteuerfret", 

nur au«, roa« bereit« bürde) ein Sfteffript 00m 6. SCuguft 1821 allgemein ange* 
orbnet ifi, unb rourbe berfelbe, um jebem 3Jtifeoerftänbnifi oorjubeugen, an* 
genommen. 

$n biefer Raffung rourbe bie Seftiramung be« §. 13. bem neuen, bem 
nächften Sanbtage oorgelegten ©efefcentrourfe unter Se3ug auf bie frühere JBe* 
grünbung unb bie hierüber gepflogene Erörterung einoerleibt unb erhielt biefelbe 
bie ^Billigung be« ftmbtag«. 

3)a« mit ber Äaffation angefochtene Urtheil ^at hiemach §. 16. be« ®e* 
fefce« 00m 19. 3ult 1861 irrig au«gelegt, inbem e« bie 2lnroenbbarfeit beffelben 
oon bem Sermicthen möblirter 3 immer an ftembe, nur oorübergehenb 
ort«anroefenbe ^erfonen auf Sage ober fonfttge furje Triften abhängig ge- 
macht )at 

9» 



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J32 EeutfdXS Straftest, CMeimbtiffe be« Wet<$8fleric$tg. 

§. 350. ®t. <B. B. Unterfcblagung in amtlicher Cigenfchaft empfan- 
gener (Belöer feitens eines Beamten ift auch bann oorhanben, wenn 
6er betreffenbe Beamte öienfHiä) nic^t 3Ut Annahme Unterer oer- 
pflichtet mar. 

S)er ehemalige ftäbtifdtje ©aSbirigent ©hinter hatte in feiner ©igenfehaft 
©emeinbebeamter ©elber, tueld)e ihm oon ©aSfonfumenten jur Abführung 
an bie ftäbtifdje ßaffe überfanbt morben waren, unterfdjlagen unb gegen baS 
feine Serurthcilung auSfprechenbe lanbgerichtlidtje Urteil bie SteoiftonSbefchwerbe 
erhoben, weil bog ftäbtifche «Reglement nicht ifm, fonbern einen befonberS ju 
biefem ßweef angebellten Äaffirer jum empfange berartiger Ölungen er* 
mächtige. 

2)ur<h ©rf. beS I. ©troffen, o. 19. %an. 1880 würbe bie 9teoifton jurüct» 
gewiefen. 

© r ü n b e. 

3m §. '650. wirb ein fog. uneigentlicheS MmtSoergchen , bie Gebern 
gegenüber nad) §.246. beS 6t.®.©. ftrafbare Unterfa)lammg als erfch wertes 
Vergehen bem Beamten gegenüber fchärfer bebroht, in fo ftm ber ©eamte bie 
Unterschlagung an ©elbern ober fonftigen ©adjen oerübt, bie er in amtlicher 
©igenfdjaft empfangen ober in ©ewahrfam hat. 

S)a bem Wortlaute jufolge, beim 3Rangel eines auSgebrücflen @rfor* 
berniffeS ber 3uftänbigfeit (oergl. j. SB. §. 348. beS ©t. ©. $.) ober ber er- 
maßt igung beS betreffenben Beamten jur (Srnpfangnahme ber ©elber, unb in 
Uebereinftimmung mit bem ©runbe ber erfchmerten ©traffafeung, ber ftrengeren 
Slnforbcrung an bie ireupflicbt unb ^eblicfcfeit beS Beamten, im SBerbältniffe 
jur ^rioatperfon, ber begriff ber „amtlichen ©iacnfdEmft" in §. 350. nicht 
bura) bie objeftioe SBorauSfefiung bebingt ift, bafj ber angefcbulbigte öeamte 
im ©injelfalle ju ber, ben aablenben ©chulbner befreienben annähme ber ©el- 
ber 2c. oerpflichtet ober boch berechtigt fei, fo erfdbeint bie Ausführung beS 
9lngeflagten, bafe er jur fcftgefteüten Sinnahme oon ©elbern, bie auswärtige 
©chulbner ber ftäbtifchen (^aSanftalt bafelbfi ihm jugefenbet, bicnftlich nicht 
ermächtigt geioefen fei, ungeeignet, bie 2lnwenbung beS §. 350. auf u)n als 
ftäbtifchen Beamten auS3ufd)liefeen. 

5Jiad) 3nt)alt beS angefochtenen Urteils ift erroiefen, bafj Slngcflagter bie 
bortfelbft näher ermähnten ©elbbeträge, welche bie beiben girmen SB. u. 5- ber 
©aSanftalt für Lieferungen berfclben an fie oerfdbulbeten unb welche bie* 
felben „an ben SIngcflagtcn als SMreftor ber 2tnftalt" etngefenbet hotten, 
pflichtroibrig nicht an bie ©tabtfaffe abgeführt, oielmehr in feinem eigenen 9lufeen 
oerroenbet hot. 

^ierbura) in SSerbinbung mit bem auSbrücflich in Skjug genommenen 
©eftänbniffe beS 2lngcf tagten ift für bargethan erflärt, bafj bie betreffenben 
firmen bie ber ftäbtifchen Äajfc fchulbigcn ©ummen bem 2lngef tagten, als bem oer* 
meintlich jur Empfangnahme befugten 2)iref tor ber Slnftalt, oon ber bie Lieferungen 
erfolgt maren, jugefenbet haben, unb bafr biefe ©eiber oon bem Slngeflagten in 
ber hcroorgehobenen ©igenfdbaft als SlnftaltSbiref tor , ohne bie .ßahlenben über 
bie beftehenben Äaffen* ic. Einrichtungen §u oerftänbigen, angenommen unb oon 
ihm rcchtSioibrig angeeignet ftnb. 

$cr Stngeflagte hat bemnach ber irrigen Sluffaffung ber ©chulbner ent* 
fpre<fcenb unb im «emujjtfein btefer Söillenömeinung ber ^ahlenben Sieträge, 
welche an unb für bie oon il;m uermaltete ©aSanftalt (jelciftet würben, als 
SHreftor berfclben angenommen, foljin, wie baS ßaubgeridu jutreffenb feflfltellt, 
als ftäbtifdjer Beamter in amtlicher Etgenfchaft empfangen. 



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— *— 



35eutf$e« @trafre*t. Srtenntmffe b«8 Wei<Waeri<$tS. 133 

§. 243» 2. 0t <B. B. <£ine 3tlarftbu&e gilt als umfchloffener Kaum 
im Sinne bts §. 245, 2. 0t <B. B. 

Erf. be« DL Straffen. 0. 20. 3an. 1880 c/a. Sah«, burdh welches bie 
Stemfion bes 2lngefchulbigten jurüefgeroiefen roorben ifl. 



© r ü n b e. 

£er «ngeflagte 3. aus SB. ift burch Urteil bes SanbgerichtS ju 91. 
r». 3. J(k§. 1879 roegen cinc3 aus einem umfchloffenen 9iaum mittelfi Einbruchs 
uerübten SMcbftahls beftraft roorben. $>er umfchloffene s Jlaum ift in einet 
SDkrftbube gefunben, bie burch Umfleibung mit ifemroanb, meldte burch 9tägel 
unb ©triefe am ^otyroerf befeftigt geroefen ifi, unzugänglich gemalt mar. S)ie 
Steoifion bes Singer tagten rügt Verlegung bes ©efe^cö, inbem §. 243. bes 
6t. ©. V. unb nicht ber allein zutreffenbe §. 242. ber Veftrafung jum ©runbe 
gelegt fei. 6ie führt aus: 5Der umfchloftene 9laum flehe mit bem ©ebäube nach 
§. 243. auf gleicher Sinie; er müffe baher einen £beil ber Erboberfläche bilben, 
unb bie Umfchliefcung beffelben müffe unbeweglich fein. Vetbes liege nicht cor, 
beshalb roerbe um 2luft)ebung bes oerurthcilenben Erf. gebeten. 

SDic SReoifion ift nicht begrünbet $as 3i St. ©. V. hat nicht für erfor* 
berlidt) gehalten, ben begriff bes umfchloffenen Siaumes in §. 243. zu befiniren, 
weil ec bem gemeinen Seben angehöre unb ohne gefefcgeberifche Erflärung bem 
allgemeinen Verfiänbnifj jugänglict» fei. $as ©eridjt t ^nftanj aber fyat mit 
Stecht ba8 roefentltche SDkrfmal biefes Vegriffs barin gefunben, bafj ber Zugang 
ju ber betreffenben Vobenflädje burch eine zu biefem 3roecf geeignete feflc Vor* 
ridjtung abgefperrt geroefen fei. ®er Staunt, auf welchem im »orliegenben 
ftall bie Vube, aus welker geftof>len roorben ift, errietet roar, ifi baljer mit 
mdfrty auf beren tonftrufttonsmäfeige Vefchaffenheit unb mit ftücfficht barauf, 
bafj fie mit einer feften Vorrichtung umgeben rourbe, bie baju beftimmt unb ge* 
eignet roar, Das Einbringen oon UMenföen abzuhalten, mit r)iodu für einen 
„umfchloffenen SHaum" im 6inne bes ©efefces erflärt. $>er §. 243. fieUt zwar 
ein ©ebäube unb einen umfchloffenen jHaum mit gleicher 9Öirfung für bie Ve- 
ftrafung ber baraus begangenen SMebftäljle neben cinanber, aber fdron biefe 
iJlebeneinanberfteHung genügt, um erfennbar ju machen, bafe bie begrifflichen 
s J)Jerfmale in beiben ^Beziehungen nicht übereinftimmen. $af ber umfchloffene 
9taum einen Xfytil ber Erboberfläche bilben mu§, fann zugegeben roerben; eS ift 
aber nicht abjufehen, roarum ber Sftaum, auf welchem bie fragliche ©übe h^rge* 
[teilt ift, als ein folcher nicht anjufehen fein follte. ^)ie Unberoeglia)feit ber 
Umfchliefeung unb ber ba^u bienenben Vorrichtungen ifl fein ©egriffsmcrfmal be3 
. urafchloffenen Slaumeö. Einer feften unb bauemben Verbinbung ber bie Um* 
fchüefjung beroirfenben Vorrichtungen mit bem Erbboben bebaef e$ ebenforoenig, 
roie ber hierburch ober ourd> eigene 6chrocre beroirften UnberoeglichEeit biefer 
Vorrichtungen, bie foroohl in Vauroerfen, als in hölzernen Vretterocrfchläcjen 
beßehen tönnen. 60 fem nur bie Vorrichtung, roie bas Urthcil annimmt, feft 
unb oollfiänbig genug roar, um bas Einbringen oon SDienfchen in ben bamit 
umgebenen 0laum abzuhalten, Cann auch in bem Innern einer mit bem Erb* 
boben nicht feft oerbunbenen 3Jtorftbube ein umfchloffener 3taum gefunben roer* 
ben, felbft roenn biefelbe zum RexteQtn unb SBieberauffiellen befiimmt ober ihre 
gortfehaffung an eine anbere 6teUe ohne irgenb roeld)e 3«ftörung möglich ge* 
roefen fein follte. 3)ie behauptete ©efe^eeoerlefeung liegt alfo nicht cor, unb roar 
bie fteoifton be« 2lngeflagten baher ju oerroerfen. 



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r 



mDjuÜibtä ©ttaftcttit ßrtcttntitifle tcö SReicfjÄaeriifitS 

§. 12. p«u§. Stempel «(B. r». 7. Jtlärj 1822. Die feitene 6er ©teuer» 
heberte intbümlidi erfolgte ßaflation eines geringeren ate gefekliä) er« 
foröerlid?en Ötempete befreit ben Derwenbungspfllchtigen ntä)t ohne 
»eitere» von ber ©tempeljfrafe. 

(Srf. be« n. Straffen, o. 20. Sau. 1880 c/a. $. unb ft, woburch ba« 
freifprechenbe 5appeUatton«urtel aufgehoben unb bie Sache jur nochmaligen 33er* 
hanblung unb @ntfd)eibung in bie Borinftanj jurücfgewtefen worben ift. 

® r ü n b e. 

2)er 2lppeUation«richter geht baoon au«, bafj bie 2lngeftagten, inbem fie 
ben in ftrage fte^enben SKtettj^Dcrtag ber Steuerbehörbc jur Äaffirung be$ gefefc* 
lieh erforberltä)en Stempels ohne Befchränfung beffelben auf eine befummle 
Summe rechtzeitig übergeben, bie ihnen burch ba« ©efefe auferlegten Berpfftdh* 
tungen erfüllt haben, weil fie annehmen mufjten, bafj ber betrerfenbe Beamte 
bie Beftimmungen über bie $öhe be« ju oerwenbenben Stempel« fennen unb 
ben erforberlichen Stempel oerroenben mürbe. 

SDiefe Sutffübrungen laffen fich mit ber 91 B. nur bahin »erflehen, bafj 
bura) bie Ueberreichung ber Urfunbe an bie Behörbe behuf« Berechnung be« 
Stempel« ber Stempelpflichtige formell unb unter allen Umftänben aufjer Ber* 
antroortlichfeit für bie richtige Stempeloerroenbung trete unb lefctere auf bie 
Behörbe übergehe. 

<5« ift biefe« rechtsirrig. 2>enn an fich erfcheint ber SBerroenbungSpfttaV 
tige al« berjenige, welcher allein für bie unrichtige Berwenbung be« Stempels 
ebenfo roie für bie oöllige Jiichtoerwenbung gefefclich aufglommen §at, unb auch 
»erantraortlich bleibt, menn er fich Erfüllung feiner Verpflichtung ber Bei* 

rlfe einer 3Jlittel«perfon bebient. @8 folgt bie« fchon au« ber Borfchrift be« 
12. bc« preufelfchen Stempelgefefce« com 7. aHära 1822, roonach al« Siegel 
bie ftempelpftichtige Berhanblung auf ba« erforberliche Stempelpapier gefchrieben 
werben, bei (£ntftef)ung ber Urfunbe baher fchon oon ben babei Beteiligten bie 
richtige Stempeloerroenbung erroogen roerben mufj. 2luch fonjt läjjt ba« ®efefc 
ein Slufgebcn biefe« Prinzip« nicht erfennen, namentlich oerorbnete ber jefct 
aufjer Söirffamfeit getretene §. 20. be« ©efefce« nur eine oereinjelte SluSnabme 
für Üöechfel bahin. bafj bei biefen bie Stempelung oon ber S3er)örbe erfolgen 
raupte, roa« mit ber Schwierigfett jufammenhing, folche auf ba« erforberliche 
Stempelpapier ju fchreiben ober ba« lefctere in unangefchnittenen Sogen umju* 
fchlagen. 3fi jroar burch oerfchiebene (srlaffe ber gmanjbehörbe ben Steuer* 
behörben eine mehr ober weniger nur fafultaiiue SDatwirfung bei Ermittelung 
be« Umfange« ber fonfreten Stempelpflicht eingeräumt, finb namentlich biefelben 
burch ben im erften (Srfcnntmffe erwähnten Grlafj oom 11. 2tugujt 1856 m einer 
Belehrung be« ^ublifum« über bie £öhe be« Stempel« angeroiefen, welcher für 
eine ihnen oorgelegte Urfunbe burch Äafftrung ju oermenben ift, fo würbe bodj 
für benjenigen, welcher auf ©runb einer berartigen unrichtigen Belehrung einen 
ju geringen Stempel oermenbet, barau« nur folgen, bafj e« ihm an ber recht«* 
wibrigen 2lbficht bei ber Zfyat gefehlt, unb feloft biefe Sinnahme würbe weg* 
fallen, wenn ber Später ben ^rrtbum ber Behörbe erfannte unb fich bennoa) 
Die Bermenbung be« &u geringen Betrage« gefallen liefe. Slber e« ift ju berück 
fichtigen, bafj jur Begrünbung einer Stempel - Äontraoention e« für ba« Ber* 
fchulbungSmoment nicht nothwenbig ber Borfäfcltchfeit bc« öanbeln« bebarf, 
fonbem aueb bie ftahrläfftgfeit in Betraft fommt. ®ie gahrläffigfeit wirb aber 
nicht fchon baburd) au«gef epioffen, bafj ber Pflichtige bie quantitatioe Bemeffung 
feiner Pflicht einem anberen, unb wäre biefe« au$ eine Behörbe ober ein Be> 
amter, überträgt, ohne ihm bamit in Ermangelung einer gefefeltchen Borfa)tift 



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EcurfcfcS 6rrafrtc$t. erftttntmffc *e8 Wti<$«flcrid)t«. 135 

pgleidj bie Verantwortlichfeit für bie Sftidjttgfeit ber ^Berechnung aufäubürben, 
welche im anbem Salle bem ^Pflichtigen felbft obliegt unb oon beren 2lufred)t" 
erbaltuna, bie Durchführung beS ©tempelgefcfceS mit bebingt ift. "Heben ber 
3;^ätigfeit ber 33ef)örbe mujj beöl;alb auch noa) eine folche beS Pflichtigen be* 
ftcfjcn, roelc|e bejwecft, [ich über bie föichtigfeit ber oon ber Veljörbe ober auf 
Den s Jtath unb bie Seiehrung ber Vehörbe oon ihm felbft getroffenen ©tempel* 
berechnung ©ewifibeit ju oerfchaffen, unb nur wenn biefe nacfjgewiefen roäre ober 
folche anberweite Umfiänbc oorliegen, welche bie unrichtige Stempeloerwenbung 
als baS ©rgebnifj eine« unoermeiblicben 3 u f a ^^ barfteUen, mürbe fich eine Ve* 
freiung oon ber frrafrechtlichen Verfcbulbung anerfennen loffen. 



§. 348. Tlbf. 2. 0t. 05. B. <fSlfd)ung. 6er einem Beamten amtlich 
anvertrauten Urfunbe. Begriff ber „Urfunbe 44 im 6inne bes §. 343. 
2lbf. 2. 6t. ©. B. fliebterforbernifi ber rechtlichen <Erbcblid)feit ber in 
ihr beurfunbeten übatfadicn. 

Der fiehrer Slöarbajfi ju 6. hotte ben ihm oon bem ÄreiSfcfmlinfpeftor 
<S. am 29. üfltärj 1879 behufs 2lufnahme ber Schülerjahl unb Beifügung feiner 
Unterschrift übergebenen 9teoifionSberieht, infofem berfelbe eine Um betreffenbe 
unaünftige ßenfur enthielt, abgeänbert unb war bemjufolge in jioei ^nftanjen 
aur ©runb beS §. 348. SXbf. 2. St. ©. 33. oerurtheilt morben. Dura) (Stf. beS 
II. ©traffen. 0. 23. San. 1880 mürbe bie hiergegen erhobene % V. jurücf* 
geroiefen. 

© r ü n b e. 

Der SlppellationSrichtcr djarafterifirt als Urfunbe jebeS ©chriftftücf, roel* 
cbeS geeignet ift, eine Xtyatfaty ju beroeifen, unb inbem er barauf, bafe baffelbe 
jugleich ein Urtlieil beS SReoiforS über bie Seiftungen beS SehrerS unb ber 
Schüler enthält, feinen 2öertf) legt, ^ebt er befrimmte äußere £hatfacr)eti Ijeroor, 
5U beren VeroeiS er baS Sßrotofou für geeignet erachtet. 

3roar roenn bamit eine abfcbliefjenbe Definition beS UrfunbenbegriffS ge* 
geben fein fofl, erroeift fich folche infofern als $u eng, als, roie gleich unten er* 
örtert roerben roirb, nicht bloS (Schriften, fonbern auch anbere förperliche ©egen* 
ftänbe ben Veartff ber Urfunbe ju erfdjöpfen oermögen unb als VerociSobjeft 
nicht bloS aufeere Stachen, fonbern auch ©rgebnijfe ber SReflerionSthätigfeü 
in Betracht fommen. 3lber in Slnroenbung auf Den oorliegenben ftatt, roo eS 
fia) um eme fchriftliche Urfunbe unb zugleich um ben VeroeiS äußerer ^fjatfacr;ert 
hanbelt, liegt barin für ben Slngeflagten feine Verlegung. 

DaS ©trafgefcfcbuch h«t bie »egrtffSbeftimmung in §, 247. 2lbf. 2. beS 
©t. ©. 83., an roelebeS eS fich in biefer Sebre ber £>auptfache nach angefchloffen, 
nicht mit übernommen. ©S h at oielmehr, roie bie 3)7otioc beS (SntrourfcS 6. 131, 
132 Aar auSfprea)cn, bie allgemeine VegriffSbcftimmung, roie fie als befannt 
unb fefrftehenb oorauSgcfefct roar, $um 2luSgangSpunfte genommen unb oon 
biefem ©efichtSpunfte aus biejenigen Urfunben bezeichnet, roelche als ©cgcnftänbc 
beS Verbrechens im einjelnen BaUe erfcheinen fonnten. $n biefem gemeinen 
Sinne finb Urfunben leblofe, oon 3Wenfchenhanb gefertigte ©egenftänbe, roelche 
jum Veroeife oon Sbatfadjen geeignet finb, gleicbgiltig, ob eS fich babei um Vor* 
gänge beS äußeren SebenS ober um fog. innere %t)atfaä)in, bie ber ©ebanfen* 
roelt angehören, hanbelt. 

Sowie nun einzelne Seftimmungen beS <St. @. folaje Urfunben nur 
aisbann ftrafrechtlicb in Betracht jiehen, wenn fie baneben noch weitere fpejielle 
(Sigenfchaften an fich tragen, namentlich baS Verbrechen ber Urfunbenfälfchung 



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i juciin oj cö vOltqttcldl uiicnriLiUiiC ccq irtcicn&ncTiQiiv. 

aus §. 267. 6t. ®. 33. nur an öffentlichen ober folgen $rioaturfunben began* 
gen werben fann, welche gum Semetfe oon Siebten unb $echt«oerhältniffen oon 
(srheblichfeit ftnb, fo ergiebt fid^ barau« attbererfeitö mit Sßothwenbigfctt, bafe, 
reo e« bei ber Kegalbefinition eine« 2>elift* an bem @tforberniffe folcher befon* 
beren Gigenfcbaften fehlt, fowett baS ©efeft nicht 2lnhalt«punfte für eine ab* 
weichenbe Sluffaffung an bie ßanb giebt, nur ber gemeine Urtunbenbegriff ohne 
ba« (Srforbernife rechtlich erheblicher 3$atfa$en geraeint fein fann. $)afe bejüg* 
lieh be« hier gegen ben 2Ingeflagten jur 2tawenbung gebrauten 2lbf. 2. be« 
§. 348. 6t ©. 23. ein 2ibaehen oon ber Siegel beabfichttgt fei, läfet fi<h nicht 
anerfennen. 3 un5 ^fl fprtdjt bagegen ber Wortlaut be« §. 348. felbfi £>enn 
ba berfelbe ira erften Safce Urfunben im 2luge $at, meldte fich auf rechtlich er- 
hebliche Zfyatfafytn begehen, fo mufe 2lbf. 2., welcher ber rechtlich erheblichen 
Xfyatfatytn nicht ermahnt, bat)tn oerftonben werben, bajj biefe ©igenfehaft für bie 
barunter faUenben Urfunben nicht oerlangt werbe. 2tudj bie etwa h^ an B^ 
jie^enbe Analogie ber Urfunbenfälfchung trifft hier nicht ju. S)enn e« %oxtodt 
fich in §. 348. nicht auSfchlicfelid) ura ba« Moment ber Urfunbenfälfchung burch 
einen Beamten berart, bafe ba« Söeamtenoerhältnife al« folche« für fich allein unb 
ohne s Jlücf ficht auf bie befonbere amtliche Stellung be« %\)<xttx& ju ber (Snt* 
ftehung ober Aufbewahrung ber Urfunbe ben 2lu«fd)lag giebt. (Sntfcheibenb oiel* 
mehr ift, bafj lefctere bem Beamten amtlich anoertraut ober zugänglich mar, alfo 
ba« ä3ertTauenäüerhältni§, welche« einen Beamten oerpflichtet, für bie ^ntaft* 
erhaltung be« ihm anoertrauten ©ute« Sorge ju tragen, unb biefe Stücfficht rauf? 
bei jeber Urfunbe Paft greifen, auch wenn fte ihrer fonfiigen Sefchaffenheit 
nach al^ unerheblich für ben 23ewei« oon SfteÄten unb föechtöoerhältniffen ber 
©egenftanb einer plfchung feiten« eine« 5ttict)tbeamten nicht würbe fein tonnen. 
$a« 2Uinea 2. forrefponbirt in biefer Ziehung genau mit SUinea 1. bafelbft 
2)iefe« beueht fich °uf einen ^Beamten, welcher jur Aufnahme öffentlicher Ur* 
tunben befugt ift unb biefe SBeurfunbung falfdt) bewirft, jene« betrifft ben ©e* 
amten. ju beffen 2>ienfttreü3 bie Entgegennahme unb Aufbewahrung oon Urfun* 
ben, fei e« fchlechthin unb regelmäßig ober im einzelnen §aHe, gehört, unb 
welcher biefer Verpflichtung burch Verlegung, ber Urfunbe in ihrer ßpiflenj, 
©ebrauch«fäf)tgfeit ober materiellen 3lidt>ttafcit entgegen hobelt. $n beiben 
ftäUen bilbet bie Aufeeradjtlaffung einer befonberen 2$ertrauen«pflicht in Sejie- 
Jung auf bie $erfleUung ober (Srh<*to*ng einer fonfreten Urfunbe ben ©runb 
ber StrafanbrotSung im ©egenfafc gu bem §. 267., welcher ben $eweü8fd)ufc für 
9tecbte unb 9lecht«oerhältnifje oorjügltch im Auge tyat unb baher ftdt) nur auf 
folcfje Urfunben bezieht, welche biefe« 23cwei«fchu&e« befonber« bebürfen. 



§. 300. @t. Proj. <D. Unjulaftigfeit 6et Keotfion wegen einer an- 
geblich oom üorji^enben bts @cbwurgerid)t8 burd) ben 3"h a ^ feines 
*3d)luf?oortrages begangenen (Befe^eooerlefeung, fowie Unflatthafligfeit 
6» Eintrages auf protofollarifchc J^irirung 6er oom Dorfl^enben er- 
feilten Kechtebelchrung bebufo Anfechtung bee Urteile. 

@rf. bc« m. Straffen, o. 28. $an. 1880 c/a. Weltmann, woburch bie 
SReoifion be« 3lngefchulbigten jurüefgewiefen worben ifi. 



© r ü n b e. 

S)ie 9teoifton beantragt bie Stufhebung be« Spruch« ber ©efchwornen 
be« barauf gebauten Urtt)eil« ber oorigen dichter, weil bie $orfct)rift be« §. 
ber St ^ßroj. 0., wonach ber Eorfifcenbe be« Schwurgericht« bet (Srtheilun 



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2>cutfd)e« ©trafrt^t Crtaratnifie tag WeidtfgetiäH«. 137 

Sted&tSbelehrung an bic ©efäwornen nicht in chtc SBürbtpng bct Seweife ein* 
jugehen Ijat, baburct) oerlefct worben fei, bafi bei ber gegen ben Sefchwerbefüt)rer 
am 11. ®ej. 1879 geführten SdjwurgerichtSoerhanblung ber SBorft^enbe in fetner 
3tecf)tSbelehrung barauf ^ingerotefen ^abe, ein richterliches SßrototoH, in biefem 
3jall baS ^rotofoH beS Unter fuchuna^ricbterS oom 4. 3an. 1879 über bie Se* 
eibigung beS SefchmerbeführerS, liefere fo lange einen unumftö&lichen SemeiS, 
als nicht ber pofttipe ©egenbewetS geführt fei unb hiermit ber Sorftfcenbe feine 
jubera gar nicht jutreffenbe 2luffaffung beS hier cor gelegenen SemeifeS ben @e* 
fchwomen gegenüber, für welche fie unzweifelhaft mafegebenb gemefen fei, auS> 
gefproa)en habe. 

2)aS ^rotofoU über bie &auptoerhanblung oom 11. 2)e*. 1879 enthält 
über baS angefochtene Verfahren beS Sorftfcenben feine weitere Angabe, als bafe 
ber lefctere Die ©efdjroornen über bie rechtlichen ©cfichtSpunfte belehrt £abe, 
welche oon ü}nen bei ßöfung ber ü)nen gcftclltcn Aufgabe in Setracht ju Riehen 
fein würben. (%ol 97a.) 

9iad& §. 274. ber 6t. $roj. 0. fann bie Seobad&tung ber für bie §aupt« 
oerhanblung oorgefchriebenen ftörmltchfeiten nur burch baS ^rotofoü bewiefen 
werben, unb ift ber biefe görmlichfeiten betteffenbe Inhalt beffelben nur burch 
ben 9kdt)meiS ber Oälfchung anfechtbar. $er Sefchwerbefül)rer t)at eine fold)e 
gälfchung nicht behauptet, fonbern ftch mit ber Sehauptung begnügt, ber Sor* 
ftfcenbe Ijabe jene Seiehrung über bie SeweiStraft beS vßrotofoUS 00m 
4. $an. 1879 erteilt, unb bafür bie SDütglteber beS Schwurgerichtshofs als 
3eugen benannt. 

Unter ben in §. 274. ber St. Sßroj. 0. erwähnten ftörmlichfetten finb, 
mit Slücfftcht namentlich auf §. 273. baf., überhaupt biejenigen Vorgänge beS fiaupt* 
Verfahrens ju oerftet)en, welche für beffen SRedjtSbeftänbigfeit oon Etnfluf finb. 
Such liefert nach bem Sinne beS §. 274. baS ^rotofoü über baS §auptoerfahren 
nicht nur infofern einen blofj burch Darlegung einer gälfehung wtberlegbaren 
SemeiS, bafc für feftftehenb erachtet werben mufj, was baS sprotofoll als ge* 
fdt)et)en befunbet, fonbern audt) infofern, bafj als nicht gefchcf)en anjufchen ift, 
worüber es fdnoctgt, fofem es ftch um einen Vorgang oer eben gebachten 2lrt 
hanbclt. es fehlt alfo fchon an ber gefefclidf) notl)wenbigcn Unterlage für bie 
erhobene Sefdfnoerbe. 

ES ifi aber überhaupt nicht bie 2Ö>fuht ber Sßrojefeorbnung, bie Steoifion 
ju gewähren wegen einer ©efefccSoerlefeung, welche angeblich ber Sorfifeenbe beS 
Schwurgerichts burch ben Inhalt, welchen er feinem ©chlufjoortrag gab, begaw» 
gen. 2Sof)l fann bie protofollarifche gefiftellung eines für bie SftcchiSbeftänbigfeit 
beS Serfai)renS erheblichen Vorgangs ber ßauptoert)anblung in ber Siegel oon 
ben ^arteten beantragt werben; fowofjl biefer Slntrag, als auch beffen etwa er* 
folgte gurüefweifung müffen gleichfalls ihre Seurfunbung im ^rotofoll ftnben, 
unb eS ftänbc, wenn biefeS oerweigert wäre, eine SewetSführuna, über bie 
Stellung unb 3"*üo!weifung beS 2lntragS in ?yragc. 2lber biefeS gilt nicht für 
ben Schlufeüortrag beS Sorftfeenben. S)ie Sorfchrtft, bafe bie Seiehrung beS 
Sorfifcenben an oie ©efchwomen feiner Erörterung unterjogen werben foU 
(§. 300. ber St. «PT03. 0.), läfet felbfl jeben 2lntrag biefer 3lrt als un$uläffig 
erfcheinen. Söenn baS ©efe| febe Erörterung ber oon bem Sorfifcenben ertbeü> 
ten Seiehrung auSfchliefet, fo fann eS nicht ftatthaft fein, bafe bie protofoUartfche 
^irirung biefer Seiehrung, um auf ber ©runblage beS gJrotofoHS baS Urtheil 
anfechten §u fönnen, beantragt werbe. Xk Stellung unb üHotioirung eines 
folgen Antrags fönnte, ohne ba§ bie Seiehrung einer Erörterung unterzogen 
würbe, nicht wohl erfolgen. Eine berartige Einrichtung ifi aber auch »« ber 
Stellung beS Sorfvfeenben unb bem Qmtd ber ihm aufgetragenen Seiehrung 
faum ju oereinigen. ES fommt babei tnSbefonbere noch ta Setracht, bafe jwar 
oon ber 3leichStagSfommiffton bem Entwurf (als 2lbf. 3. §. 259. unb als §. 301a.) 



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-«ort ...xr^ . p f~iu -Jir rr.f.i.j.i,.' fT . w . a oo JtA/.»»;.*»»« 

l3ö jt>cuT|Cpc» ©rrcrfTfu/t. vrntnnnnnc Dt» miujsficriajia. 

Sefiimmungon beigefügt roorben waren, na$ welken auf Antrag bet Staats* 
anroaltfdjaft unb bct Sertfyetbtgung beftimmt bejeidmete Säfce ber SftedfjtSbelel)* 
rung oon bem Sorftfcenben fchriftlicg ju faffen, ben ©efdjroornen m oerlefen unb 
bem Sßrotofott beiäufügen geroefen mären, unb wonach eine burdjj baS ^grotofoH 
feftgeftellte, einen SRedjtSirrtbura entfjaltenbe SRedjtöbelefjrung bie Sieottton be* 
gtünbet |ätte, — bajj aber bicfe (Sommifjton3befa)lüffe in ftolge be« Söiberfprudf)« 
ber oerbünbeten Regierungen in britter Sefung befeitigt mürben unb ber 6nt* 
tourf in ber §auptf adje roieber bergeftefft roorben ift ifyrotofolle b. 9ftettf>8tag> 
fommiffton 6. 498, 588, 998; Stenogr. «ertöte 6. 986). @S erfajeint enbu$ 
inSbefonbere bie ©elwuptung, ber SBorfifcenbe gäbe bie feiner Stufgabe gezogenen 
©renken überfd&rttten, inbem er in eine SBürbigung ber öetoeife eingegangen 
fei, au$ barum nid)t geeignet, im Söege ber Steotfton oerfolgt ju werben, roeü 
unzweifelhaft ber SBorft&enbe feine Seleljrung bem einzelnen ftall anpaffen barf, 
unb puftg gan3 swecfmäfjtg fo oerfa^ren wirb, aua) bie ben SetoeiS betreffenben 
©runbfäjje beS SßrojefjrecfjtS ©egenftanb ber stecht 3 belelnrung fein fönnen unb 
baljer bie Sefttmmung ber ©ren$e, oon melier an bie ©elefjrung eine berartige 
SluSfdjrettung in ft$ fAliefeen mürbe unb ob bie Ueberföreitung oon ©tnflufj 
auf ben Sprud) ber ©efcbwornen geroefen, ju peinltd&en Erörterungen führen 
unb faum jemals ein fixere« SKefuitat ergeben roürbe. - 

92aa5 SBorftefjenbem ifi bie Sfonatjmc begrünbet, bafj oon ber Staate 
anroaltfo^aft ober bem SBertljeibtger ein 2lntrag auf protofollartfaje ^ejlfteHung 
be£ ^t^altö ber oon bem Sorfifcenben be3 6a)wurgerta)t8 erteilten Belehrung 
ober ctnjelner Sä&e berfelben, um luerburä) eine ©runblagc für bie Anfechtung 
be£ Urteils m gewinnen, nicht gefteüt, bafj auch nicht auf anberem 2Bege btefer 
9tachweiS oerfucht werben barf, bafj oielmetjr bie föeoifion auf bie Behauptung, 
ber üBorftfeenbc nabe, inbem er bie Belehrung, roie gefa)eljcn, erteilt, eine @e* 
fefecäoerlefcung begangen, nid)t gcftüfct roerben fann, meber in ber Dichtung, bafj 
ber Sorfifcenbe bie ©renken einer 9ted)tSbclef>rung, inbem er in eine SBürbigung 
ber iöemeife eingegangen fei, überfchritten, noch in ber 9Ud)tung, baf? in ber 
WcchtSbelehrung ein föed&tÄirrtf/um enthalten geroefen fei. 



§§. 575. 377. rix. 6., §. 378. et. Pro$. <D. nidjtiatcit eine« in nicht 
Öffentlicher 0ifcung oertün&etcn Urteile. 

©rf. beS II. Straffen, o. 30. 3an. 1880 c/a. Cif dt)fe r woburdfj ber 9te* 
otfion ber StaatSanwaltfcbaft ftattgegeben unb baS freifpredjenbe Urtfjeil unter 
^urücfoerweifung aufgehoben morben ift. 



© r ü n b e. 

StuS bem SifcungSprotofolIe über bie $auptoerc)anblung o. 6. S5ej. 1879 
ift nicht ju entnehmen, bafj bie oom ©eriajte foßletd) beim beginne ber öaupt* 
oer^anblung auögefajloffene Dcffcntlidjfett be« Verfahren« cor ber Urt&etlSoer- 
tünbigung roieber ^ergefteUt roorben ift. %m ^inblicfe auf §. 274. St.^roä.O. 
raufe ba^er angenommen roerben, bafj, roie bie 58ef<$roerbefüljrerin in ben 9te- 
oifion^anträgen aud^ auSbrücfUa) behauptet, bie SSertunbung beä Urteil* in 
mö)t öffentlicher ©i^ung gef$ef)en ift. 3)arin liegt eine berief ung ber 33orfdf>rift 
be« §. 174. beS ©. 33. roeldjc befagt: 

,ftk «erhinbung be« Urteil* erfolgt in jebem ^atte öffentltaV' Ob 
bamit, roie bie Sefdfjroerbefüfjrerin behauptet unb ber Slngeflagte befrreitet, ber 
SReoifiottögrunb be« §. 377. ftr. 6. ber 6t. äfcoj. D. gegeben ift, fann atterbing« 
nao^ ber Mung biefer ©efefceSftelle jroeifelhaft fein. S)iefelbe lautet: 



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2)artf$c8 6ttafte$t Crtomtniffe txS Wci^SgeridjtS. 139 

„@itt UtÜjetl ift flet« al$ auf einet SBetlefcung be« ©efefceg betubenb 
anzufeilen: 6. roenn bog Urteil auf ©tunb einer münblidjen &et* 
banblung erganaen ifi, bei meldet bie 33otf<$tiften übet bie Seffent* 
ltdjfeit be$ Serfal)ten3 oetiefct finb." 

2Han fönnte faaen, bafe bie UrtbetLSoetfünbung, feinen Sbeil bet münb* 
Ud^en 33etbanblung Mibe, auf beten ©tunb ba3 Utt^eil ctlaffen fei, inbent oiel* 
me^t ntfolge §. 267. bet St Sßtoj. D. ba« Urteil oot bet Setfünbung in fo 
toett fcgtiftUdj abgefaßt roetben müffe, um bie UtujeilSfotmel Detlefen ju tonnen, 
mithin fdfoon oot oet SBetfünbung ba£ Uttfjeü ootbanben fei. 

SBd^tenb inbeffen bie §§. '61b. 376. bet 6t. $to$. 0. einen ratabeftenS 
möglichen, utfäd&lid&en ,3ufammenf)ang pifajen bet SJetlejiung einet 3tedjt3notm 
unb bem angefochtenen utt^eile oorauSfefeen, ettlätt bet§. 377. bet 6t. SjStoj. D. 
ba« UttfjeU als fietä auf einet 33etlefcung beä ©efefceS betu&enb, wenn einet 
feinet pUe ootliegt, fefct alfo biefen GaufalneruS unbebingt ootauS. $ie 
Uttfjeiläoetfunbung ift abet ein ioefentlid)et $beil bet UttfjetlSfällung, weil oot 
bet 93ettunbung baS Uttfjetf feine teätU$e dyiftenj Ijat. Sic 2lbfaffung unb 
bie SSetfünbung be« UttfjeitS bilben sufammen bie UtüjeilSfällung, toela^e jufolge 
§. 259. bet 6t. ^toj. D. unb §. 170. be3 ©. SS. ©. als £f)etl bet .öauptoet* 
banblung etfajemt. $emnad) Tmb bie Söotte beS §. 377. 9fr. 6.: ,,2öenn ba£ 
Uttfjetl auf ©tunb einet münblidjen SBetlmnblung etgangen ift", fo ju tatet* 
ptetiten, bafe fte aud) bie Utü)etl3oetfünbuna, umf äffen. %omi fleht im @ht* 
Hange, bafj bie 9tegietung3motioe ju bem gleiäjlautenben, jefctgen §. 513. 91t. 6. 
bet <S. $toj. 0. (§. 489. 91c 6. beö ©nttoutrS) auäSbtücflia^ bemetfen, bafe untet 
3lt. 6. au(j bet §all get»ött, wenn bie SBotfdnuften übet bie Deffentlidtfeit bei 
bet Setfünbung bet (Sntfajeibung oetlefet ftnb. 

2)a3 oon bet S3cfa)metbenü;tetin feibjt angetegte öebenfen, ob bie $ot* 
f Stiften übet bie Deffentlidtfctt beß SßetfabtenS a\& fold)e amufc^en feien, roelaje 
lebiglid) ju ©unjlen be3 Slngeflagten gegeben finb, unb ob Deshalb auf bie 9te* 
oifion bet 6taatSamoaltf<$aft bet §. 378. bet 6t. $to$. 0. anroenbbat, mithin 
bie ootliegenbe, gegen ben fteigefptod&enen 2lngeflagten eingelegte SReoifton un* 
flatu)aft fei, etfd&eint als nietet begtünbet. ©et ©tunbfafc bet Deffentliajfett be£ 
Getrabten« oot bem etfennenben ©etid&te ift ein gunbamentalptinjip sut 6ia)e= 
tung oet 9lea)töpflege füt ben 6taat felbft unb füt alle Staat^bütget, btlbet alfo 
nia)t blofe eine 6#u&iüe()t füt ben ^ngeflagten, fo bafe auä) bie 6taati8an»aU* 
[Aaft $ut 2Bcu)tung biefe« ©tunbfa^e« betufen unb batin butdtj ben §. 378. bet 
©t. Sßto*. 0. nidjt bt\ä)xänlt ift. 



§. 115. 6t. (B. B. Bercdjtigung 6er U)aa)tnannf(t)aften naa) preu|. 
(Befc^cn im 3ntere|fc ber öffentlidjen @id)erbelt Petfonen in üerroabwng 
3u nebmen unb 3ur Üaajtseit bebufe beren »orlaufiget (Ergreifung mit 
(Bemalt in ba» von tynen betoobnte ^aue 5U bringen. 

(Stf. bed I. Sttaffen. o. 2. gebt. 1880 c/& Soede, roobutd) bie SReoifion 
beS 2lngefc^ulbigten ptücfgeroiefen rootben ifi. 



© t ü n b e. 

S)et SIngeflagte fud^t au^ufü^ten, bie 2lmoenbung be« §. 113. be3 
6t. ©. & fei naaj ben eigenen annahmen be3 SetufungSgett^tÄ tedjtSittig 
meil biefen $ufolge bet feine 23etfmftung anotbnenbe Sieutenant o. % nia)t in 
ted)tmäfeiget »ienftauSübung fia) befunben, 2lngeflagtet feinen 9lft be£ 
SBibetftanbe« begangen unb o^ne $olu« ge^anbelt ^abe. 



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I 



140 A>cur|a)C9 tötraTTea>u enermttufle «CS Jteicpskjertcqtö. 

3fttbcffen frttfct fich biefe Ausführung lebiglicf) auf eine lüefenhafte, uwoü* 
fiänbiae unb mifjbeutete S)arfleEung beS im angefochtenen Urteil wirf Ii d) für 
ermtefen erflärten ©adwerhalts. 

keineswegs nämlich ift bie beanfianbete ermäc^ttgung beS ermähnten 
DffijierS aus bem anfänglichen Verhalten in ber fraglichen 9lacht, fonbern 
barauS hergeleitet, ba& Slngeflaater ben mehrfachen 2lufforberungen beS t>. 9t. , 
als (SommanbeurS ber 58ranbmaa)e f baS 2tnreben ber uerfammelten VollSmenge 
bei Reibung ber Serhaftung &u unterlaffen, !eine golge geleifiet, Dielmehr burch 
wieberholt unpaffenbe 2lnfprachcn jur oermchrten Aufregung beS VolES, jur 
^ortfefcung unb Unterhaltung beS nächtlichen Tumults wiffentlidh beigetragen 
habe; bafc ßieutenant o. 9c\ in feiner, bem 2lngef tagten bemühten Eigenfchaft als 
fommanbirenber Offizier behufs SEBieberherftellung ber nächtlichen 9tuhe unb 
Drbnung, beren ©törung auf baS ungefefcliche ©ebahren beS Angesagten jurücf* 
juführen fei, unb jugleich im bienftlichen 3ntereffe ben lederen jur >$tit, roo 
bcrfelbe noch au f htm Xrottair oor feiner SBohnung geflanben, nerhaftet erflärt 
unb hierauf gegen ben in ben jpauSflur fpringenben unb beffen £hür fchltefeen* 
ben ängeflagten unter geroaltfamer Oeffnung ber Xhür bie angefünbigte §eft* 
nähme burch oic ihm untergebene aWannfchaft, jeboch erfi alSbann habe uoH* 
uehen laffen, als Angeflagter auf bem §auSftur ber Aufforberung jur fretToiüi* 
gen ftolge nicht entfprochen habe. 

Senn baS angefochtene (Srfenntnijj auf biefe tfwtfächlichen Vorgänge 
hin, beren 2Bahrhett baf)ier nicht in grage ju fteHen ift, bie rechtm ölige 
&ienftauSübung ber gegen ben Angesagten einfdbreitenben bewaffneten 9Jiacgt, 
tnSbefonbere beren mtlitärtfeher Vorgefefcten, feftftellt, fo ift barin ein unter* 
liegenber 9techtSirrthum nicht ju erfehen. 

9lach ben in ^reufecn geltenben VefKmmungen, inSbefonbere nach bem 
jur Ausführung ber preuf. Verfaffung 2trt. 5. erlaffcnen ©efefee r-om 12. $ebr. 
1850 jum ©dm&c ber persönlichen Freiheit (@. ©. ©. 46) §. 2. 9ir. 1. unb §. 3., 
foraie nach ber burch Hab. D. o. 8. 2lug. 1850 genehmigten, an baS oorgebachte 
©. fich anfchliejjenbcn Snfrruft. f. b. SBachen t>. 27. ^uli 1850 (3.9K.©1.©.358) §.3., 
finb bie Offiziere unb 3Jtonnfchaften ber 2ßaa)en befugt unb bejro. ocxpfCid&tet, 
ohne richterlichen Haftbefehl bie norläufige Ergreifung unb ^efrnahme einer 
Sßerfon $u bemirfen, wenn biefelbc bei Ausführung einer ftraf baren §anblung, 
ober gletdh nach berfclben, betroffen ober »erfolgt wirb. Siefe VorauSfefcung 
ifi uorliegcnb fcftgcftellt, inbem baS Berufungsgericht bemiefen erachtet, bafe ber 
Angesagte beraufet 2)tittelpunft unb Urheber ber ftattgehabten nächtlichen föuhe* 
ftörung war, fot)in minbeftenS als Xhäter ober Anstifter ber burch §. 360. 9er. 11. 
beS 6t. ©. ö. mit ©träfe bebrohten ^anblung fich barftettte. 

3lufeerbem finb nach bem ©efefc ». 12. ^ebr. 1850 §. 6. unb ber 2Bach* 
inflruftion §. 15. bie Söachmannfchaften auch befugt, Sßerfonen in (polizeiliche) 
Sßerraahrung ju nehmen, roenn bie Slufrechterhaltung ber öffentlichen 
©ich erfi ei t unb 9tuhe biefe 3Kaferegel bringenb erforbert, unb bie Snfrruftion 
n. 27. $uli 1850 §. 6. ermächtigt weiter bie Söacben, „oermöge eigener 2lmt8* 
geraalt" bie ^erfonen oorläufig ju ergreifen unb feftjunehmen, welche ben 3ln* 
orbnungen ber 5Bache nicht Balge leijten, befonberö in ftäHen, wo e& auf 
©chltchtung eine« XumultS, 3erpreuung oon Aufläufen — ober Skrhinberung 
eines bie öffentliche s Jtuhe ftörenben ©tra§enunfug« an!ommt. 

3luch biefe Sebingungcn finb im angefochtenen Urteile bem Slngetlagten 
gegenüber als uorhanben angenommen. 

5)a fobann ber ßieutenant n. als fommanbirenber unb S3orgefe|ter 
ber 2öache eingefdt)ritten ift, unb gemäft §. 7. ber angesogenen Sftftruftion non 
1850 bie norgefefeten Dffijiere baS Sftect)t haben, tn ben gefe^lich juläfftgen 
fällen bie oorläufige Ergreifung :c. non ^erfonen ben SBachen mit Verpflichtung 
ber golgeleifhing ju befehlen, fo ifi bie ^efugnifj beS SieutenantS o. 91., 



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3*utfd)e3 @trafre*t. CMwtntnifie be8 Weid^geti^tS. 141 

bejw. ber it)m untergebenen Sßad&mannfdjaft an fiaj, hie £>aftnafmte be£ Singe* 
flagten anjuorbnen unb aufführen, unter ben fonfreten SJerhältniffen nicht ju 
beanftanben. 

SlUerbmgS ift Lieutenant 0. 91. mit ber 2öa$mannjdjaft in ba£ 00m Sin* 
aeflagten bewohnte $au£ jur 9tacht$ett mit ©eroalt emgebrungen, nadjbem 
Slngeflagter ber fa>n oor ber Söofmung erflärten Verhaftung bura) 3urüihte^eit 
in ben gefebjofienen §au3flur fid) ju entgehen oerfuchte; allein nach §. 10. beS 
©efefceS unb Der ^nftruftion oon 1850 barf jum $mtdt ber oorläufiaen (5r* 
greifung einer Sßerfon, welche — roie im gegenwärtigen galle — bei SluSfüh* 
rung einer ftraf baren öanblung ober gleich nach berfelben »erfolgt wirb, bie 
uerfolgenbe S&tachmannföaft auch jur ^aAtjett in eine Söolmung einbringen, 
unb §. 12. Slbf. 1. ber Snftruftton oerpfltchtet fogar bie Stachen, eine er* 
forberliaje (Ergreifung 2c. nötigenfalls nad) Anleitung beS ©efefceS uöm 
20. 3Jcär$ 1837 über ben SBaffengebraud) beS ÜRilitairS „mit ©eroalt ju 
erjrotngen". 

$>aS 3nftanjgerid;t $at ferner rechtlich jutreffenb feftgcfteUt, bafj t>on bem 
2lngeflagten ber bewaffneten Üftadjt in rechtmäßiger SluSübung beS SHenfiteS 
Durch ©eroalt SQJiberftanb geleiftet roorben ift. 

2)ie SluSfüfjrung ber 9t wonach eS an ben objeftioen unb fubieftioen 
erforbemiffen eines Dura) §. 113. beS et. ©. bebrohten SBiberftanbafteS 
naa) ben eigenen t&atfädjlidjen annahmen beS Berufungsgerichts mangeln foll, 
ift verfehlt. 

SDie beanftanbete geftfteUung roirb burch bie für beroiefen erflärte £hat* 
fache, bafe Slngeflagter auf Dem §auSflur nach oorgängiger Sliajtbefolgung Der 
Slufforberung pm freiwilligen 3Jtitgehen unb naa) Dem ber äJtannfdwft 00m 
Lieutenant 0. :U. hierauf erteilten ioefehl, ben Slngeflagten an^uf äffen, um 
fia) t>on ben ihn nunmehr angreifenben §ufaren ju befreien (fia) loSjumachen) 
eine gegen biefe gefthaltung gerichtete, mit phpfifcher Äraftanfhengung uer* 
bunbene Slrmbemegung gemacht, gerechtfertigt. 

freilich ift in II. ^nftanj biejenige ©rroetfung beS Vergehens 
nach §. 113. beS 6t. ®. V. in bcr Sljätigfcit beS Slngeflagten erfannt roorben, 
welche baS ©cricht I. ^nftanj als „thätlichen Angriff" beS Slngeflagten gegen 
bie beroaffnete 3)cacht gefennäetchnet hatte, inbeffen hat baS Berufungsgericht 
barin — befugt — bie anbere gleich bebrohte gorm beffelben Vergehens, 
nämlich ber äüiberftanbleiftung burä) ©eroalt, ausgeprägt gefunben, ofme 
im ftrafred)tlia)en begriffe $u irren. 

©nblid) ift aua) bcr entfprecfjenbe 5Dolu« beä Slngeflagten auäreiajcnb 
feftgeflellt, ba angenommen ifl, ba§ Slngeflagter in Äenntnip ber eigenfa^aft 
Des 0. SR. als beS bie 2Bac$mannfdjaft rommanbirenben DffisierS bie näfjer be* 
jeia)nete ^anbberoegung jum 3roecte ber Befreiung non ben i&n behufs ber 
gejlna^me angreifenben ^ufaren gemalt l)at. 

. 263. 6t <B. B. Berechtigung 6ec poUjetbe&ör&e, 5ur riacf>t5cit In 
le H?oh ruinös einer ungebührliche I)anMungen begeb.enben Perfon ju 
6ringcn un6 biefelbe auf 7lnfua)en eines JlUtberoohners 5U verhaften. 

@rf. beS II. Straffen, o. 3. gebr. 1880 c/a. ^enneria). rooburch ber 
91. S. ber ©taatSanroaltfchaft ftattgegeben unb baS SBorerfennimp unter 3"^*'» 
nerroeifung oernia)tet roorben ift. 

© r ü n b e. 

©egenüber ber Sfoflage, roelche bahin ging, bafe Slngeflagter ben ««acht* 
roächter 6$., welcher mit bejfen Verhaftung wegen $3ebrof>ung unb Uebertrctung 



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auS §. 360,11. beS 6t. ©.8. beauftragt unb in rechtmäßiger AmtSauSübung 
begriffen war, tfjätlid) angegriffen habe, ift oon bem App. dichter bie grage ber 
9ied)tmäfjigfeit ber §anblungSmeife beS Angeflagten gegenüber ber beabfidtjttgtett 
Verhaftung nicht erjchöpfenb erörtert, bie greitprechung oielmehr auf bie Vor* 
fraae gegrünbet worben, ob 6d>. sunt Eintritte in bie 2Bof)nung beS Angeflagten 
wäijrenb ber Nachtzeit überhaupt berechtigt gewefen fei. 

2)ie Verneinung biefer grage mirb barauS hergeleitet, bafe einer ber 
Ausnahmefälle ntdjt oorliegt, worin zufolge ber §§. 9. unb 10. oeS ©efe&cS mm 
©a)u|e ber persönlichen f^rei^eit com 12. gebr. 1850 (@. ©. <S. 45) baS Ver* 
bot, jur Skchtjeit in eine frembe 2öohnung einzubringen, ^titrocgfäHt, namentlich 
Angesagter oon ben betr. ^oltjeibeamten meber bei Ausfuhrung einer frrafbaren 

tanblung betroffen, noch gleich nadt) berfelben oerfolgt roorben, ber auSgefproctjene 
med beS amtlichen ©infchrcitenS beS SßolizeiocrwalterS 9c\, welcher ben Stacht* 
roächter 6d). zu feiner Unterftüfcung herangezogen, oielmehr ber geroefen fei. ben 
Angesagten burct) feine geftnahme ju oerhinbern, fernerroeit ftrafbare §anblun* 
gen, fei es burch SDKfjhanblung feiner grau ober Erregung ruheftörenben fiärmS, 
5U begehen. 

5Dicfe ßntfcheibung beruht in mehrfacher Veziehung auf einem Rechts* 
irrthum. 

Ein folcher liegt junächfi in ber Annahme, ba§ AngeKagter nicht bei 
einer frrafbaren §anblung betroffen roorben fei. S)enn nach ber Anflöge unb 
bem Inhalt beS erften (IrfenntmffeS, baS in biefer ©ejiehung oon bem App. 
dichter nicht abgeänbert roorben ift, hatte Angesagter in feiner 28ot)ttung burch 
Särmen unb fonftige Ungebüt)rlichfeiten "panbfungen oerübt, welche ftct) rechtlich 
als grober Unfug barfteUen. 

©r roar bah er bei Verübung einer frrafbaren ipanblung betroffen roorben, 
feine oorläufige geftnahme mithin nach §• 2. 9tr. 1. beS ©efefceS o. 12. gebr. 
1850 geftattet. 

ES fommt ferner für bie grage, ob bie oorläufige Ergreifung unb geft* 
nähme einer Sßerfon erfolgen bürfe, roelche bei Ausführung einer frrafbaren 
§anblung ober gleich berfelben oerfolgt roirb (§. 2, 1. beS ©efefceS oom 
12. gebr. 1850) unb folgeroeife für bie weitere grage, ob auS biefer Veran* 
laffung baS einbringen in eine Söolmung jur fRac^t zeit gemattet fei (§. 10. baf.) f 
nicht auf ben gleichzeitig oerfolgten weiteren 3wecf an, welchen bie AuSfüt)rungS* 
beamten bei ihrem Vorgehen etwa befolgten. 6ie tonnten fet)r wohl bejwecfen, 
ben Angeflagten oon ber Verübung fernerer Straftaten abzuhalten, ohne bafe 
bie Ausführung ber geftnahme beS Angeflagten unb bie barauf gerichtete Ab ficht 
unberechtigt würben, ©er $oli$eibeamte hat nicht ju prüfen, welches bie 2Btr* 
fungen unb gotgen ber geftnahme finb, er hat nur ju prüfen, ob für letztere bie 
gefeilteren VorauSfefcungen beS §. 2. oorliegen. 

3fl biefeS ber gaü, fo wirb baS ihm burch baS ©efefc oerliehene Stecht 
burch bic iKebcnrücf|idjt, bafj bei Ausübung beffelben ber zu (srgretfenbe für bte 
fernere Störung ber SRechtSorbnung unfchäblid) gemacht wirb, eher oerfchärft als 
abgefchwächt. 

GS hat ferner ber App. dichter bte thatfädjliche Unterlage beS erften @r* 
fenntniffeS unoeränbert beibehalten unb nact)bem ber erfte dichter als erwiefen 
angenommen, bafj bie Ehefrau beS Angeflagten an bte $olizetbet)örbe baS An» 
fuejen geftellt, ihr gegen ihren in ber äÖol)nung befinblia)en Eh cmann Schuß ju 
gewähren, ba berfclbe AUcS zertrümmere, fie felbft gemifchanbelt unb aus ber 
äöohnung geworfen, baburet), bafe er baS Vorjjanberifein eines Ausnahmefalles 
auS §. 9. beS ©efcfceS oerneinte, ber Aufforberung ber Er^f* 011 um S<hufc mit 
Unrecht bie Vebeutung für bie Vefugnifc ber ^olizeibeljörbe zum eintritt in bte 
3Öohnung zur Nachtzeit abgefprochen. 



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»rnl 'f 



2)tntfd)t8 ©trafrcdjt. Qhrfcttntniffe te§ SRcicfiSgtridjtS. 143 

SRadjj §. 9. begreift bas Verbot beS Einbringens jur 9iad&tjieit ntd^t ben 
ftaü" eines aus bem Jnnern ber SBolntung beroorgcgaugenen 2lnfud)enS unb ein 
fold&eS mar I)ier oon ber @f)efrau beS SIngcflagten an bie $oli3etbef)örbe geftellt. 
3)enn biefer $aH wirb ni$t baburdf) auSgefdjloffcn, bafj bie ©befrau beS $na,e* 
floaten p ber 3eit, «I* ty* §ülfea,efudj) an bie ^ßoltjctbe^örbe aelangte, fidj 
auper bem §aufe befanb, weil tfjr bemann fie auS bemfelben fnnauS* 
geworfen. 

2)a8 ©efefc oerlangt nur, bafj baS ftfilfegefudf) aus bem $nnem ber 
SBofjnung Ijeroorgegangen fei, bafj alfo Slemanb, ber fid) im ^mt^m ber SBobnung 
befanb, baffelbe unmittelbar ober mittelbar nad) aufjen fyat gelangen laffen. 
28elä)eS Littel« fid& ber 2lnfu$enbe bebiente, fein 5lnfua)en $ur 2flanifeftation 
3U bringen, ift für bie 6ad&e ofjne Gelang, er fann barjer audjj burd& freirotHigeS 
Sßerlaffen ber 2Bo§nung bie §ülfe herbeiholen, inforoeit es fid) barum fmnbett, 
ftd& in ber SBofmung felbft ben crforberlidjen 9ted&tSfd()u& m oerfdfmffen. §ier* 
nadb ijt eS, nac^bem für bie @§efrau bie Seranlaffung jur ttagetjung polizeilicher 
£ülfe mäfpenb tyreS SlufentfmltS in ber SBolntung entftanben-, noa) roe* 
niger oon Sebeutuna, bafj baS SBerlaffen berfelben ein errungenes mar unb 
gerabe einen 2$eU ber SBiberrcd^tli^fcit bilbete, gegen roeld&e baS §ülfea,efud[j 
ji$ richtete. 



§§. 223a. 224. 0t <B. 8. §. 255. Tlbf. L §§. 222. 24S. 250. 6t.pr05.4X 
§ulftffigteit ber Porlefung bec ih^tlidjen Cflttejre in 6er l}auptt)eri)anb* 
hing über bie 00m Bngeflagten oerübten gefährlichen üörperoet- 
le^ungen. 

@rf. beS I. ©traffen. ». 5. gebr. 1880 c/a. rooburd& bie SReotfion beS 
SJfogeflagten jurüefgemtejen morben tjl 

© r ü n b e. 

2>er §. 255. 3lbf. L St. $roj. D, aeftattet bie Serlefung ä'ratlid)er Slttefte 
über Äörperoerlefeungen, meldte nid&t &u Ben ferneren gehören. Unter ferneren 
$örperoerlefcungen fönnen aber nur bie in §§. 224. unb folgenben 6t. ©. 33. oor* 
aefefjenen Äörperoerlefcungen oerftanben merben. §. 223. 6t. ©. S. betrifft bie 
teilten $örperoerle|ungen unb §. 223 a. fteüt leotglidf) eine fdjmerere Öuali* 
fifation biefer leidsten Äörperoerlefcungen auf, mie fold&e audf) fcfjon §. 223. Slbf. 2. 
a. a. D. ins 2luge fajjt. 

®., melier megen oorfäfclidjer ^örperoerle^ung an 6. — unb par, 
mie bie beigefügten ©rünbe jeigen — megen ©ebrauefs 'eines SabelS, als einer 
©äffe — nad& bem 6t. ©. 8. §. 223. unb 223a. — oerurt&eilt mürbe, erfd^eint 
biemad^ nic^t megen einer ferneren Äörperoerte^ung, fonbem meaen einer 
ourd^ 5ß3affengebrauo^ erfd^merten leidsten ^örperoerle^ung ocrurtljeut. 

SDie SRid^tigfeit biefer 2luffaffung ergiebt fid^ aus §. 227. 6t. ©. 35., mo* 
felbft hinfidjtli(h beS Begriffes einer ferneren ^örperoerle^ung auf §. 224. $tn* 

refen ift, foroie aus ber @efdf)id[>te ber Raffung beS §. 255. Slbf. L 
Sßroj. 0. 

Qn ber Vorlage lautete bie betreffenbe 6tette (§. 216) balnn, bafe aratlid^e 
Stttefte über leidste ÄÖrperoerle|ungen oerlefen merben fönnen. 

2)urä^ S3efci)lu§ ber 9teia)gtagÄfommiffton entftanb bie Slenberung ber 
Vorlage ba^in, ba| ärjtlid^e Slttefte über Äörperoerlefcungen, meiere nidpt ju 
ben ferneren geboren, oerlefen merben fönnen; unb in ben angefügten 
©rünben mürbe auSbrücflid) bemerft, ba^ ^örperoerlc^ungen , roeld&e niä)t ju 



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144 £>tur|cpe9 «©rrayrecpt. tfricmum^e dc» vtetcpBgcncptö. 

bcn fchroeren gehören, jene finb, welche unter bie Sefrimmungen be« 6t. ©. $3. 
§. 223. (teilte Äörperoerlefcungen) unb §. 223a. ( gefährliche Äörperoerle&un* 
gen) fallen. 

$eich«tag«rierhanblung«>2Inlagen 1876 6. 252 unb 394. £>emgemä& mar 
bie Sorinj*au3 nach §. 255. »bf. 1. 6t. $ro$. D. befugt, in ber fiauptoerhanb* 
lung ba« ärjtliche Sitteft be« praftifchen Strjteö Dr. ©., wie gefefehen, ju ©er* 
Iefen, unb bie toifton be« Slngeflagten, welche bic ^tchtanroenbung ber „stecht«* 
normen in §§. 222. 250. 6t. Sßroj. 0." unb bie unrichtige Slnroenbung be« 
§. 248. 6t. ^roj. 0. rüat, fteUt fich al« unbegrünbet bar. SDenn ein ben 
§§. 222. 250. 6t. $roj. v. unterfteüter gall liegt hier gar nicht oor; von einer 
unrichtigen 2Inroenbung be« §. 248. im Matronenhafte mit §• 255 - Slbf. 1. 
6t. $roj. D. tann aber, wie gezeigt, hier feine 9tebe fein. 



§§. 267. 381. 0t. Proj. <D. Beginn 5er Jtift jur Heoif*oneanmel6ung 
bei publlfatton öco Urtheilo ohne (Brfinöe mit 6em (Lage 6er gujrellung 
6er Urthetkauofertigung. 

58erf. be« n. 6traffen. n. 6. ftebr. 1880 c/a. Ärüger. 

© r ü n b e. 

$n ber 6traffache roiber St. hat smar bie 2tngeflagte gegen ba« in ihrer 
3lnroefenheit oerfunbete Urtheil ber 6traffammer oom 18. 3Des. o. 3. erft fa 
ber am 30. $e$. o. 3., alfo nach Slblauf ber im §. 381. Slbf. 1. ber 6t. $roj. 0. 
uorgefchriebenen einroöchentlichen ftrift, bei bem erfrinftanjlidjen Berichte einge* 
gangenen 6a)tift bie Steoifion eingelegt. S)a inbejfen au«roei«lich be« 6i£ung«* 
protofoll« bie Sßerfünbung be« llrttjeilö juroiber ber Sorfchrift im §. 267. a. a. 0. 
ohne gleichseitige Eröffnung ber Urthetl«grünbe erfolgt ift, ber §. 381. in 
feinem erften Slbfafce aber eine ben gefefclichen S8orfa)riften entfprechenbe Ser* 
fünbung be« Urteil«, infonberheit bie gleichseitige Manntmadmng ber Urtyeilä* 
grünbe, welche ben 2lngeflagten in ben 6tanb fefet, roegen Stnlegung bcö stecht«* 
mittete feine ©ntfchliefeung 3U treffen, norauSfefct, fo fann bie ^rift sur ©inlegung 
ber SRcotftOR im untergebenen $aile überhaupt nicht 00m Sage ber SBerfünbung 
be« UrtheibS, fonbern nur 00m Sage Oer ßuftellung beffelben gerechnet werben, 
unb ba bie 3uftcllung ©tfenntniffe« an bie 2lngetlagte nicht gesehen ift, 
mufe bie Steolfion unter allen Umftänben al« rechtseitig eingelegt angefehen 
roerben. 

3luf ben feiten« ber aingeflagten in ©emäfeheit be« §. 386. Sl&f. 2. a. a. 0. 
geftettten Slntrag oom 22. $an. b. 3. wirb baher ba« ßanbgeridjt unter 2luf* 
bebung be« Sbefchluffe« oom 15. $an. b. 3- unb Ueberfenbung ber Sitten aufge« 
forbert, ber Singef tagten eine 2lu«fertigung be« ergangenen Urtheil« aufteilen JU 
laffen unb bemnächfi eintretenben gatt« ba« Rechtsmittel anberroeit su inflruiren. 



§§. 273. 376. 0t. Pros. §• ,s 3. 0t. <B. B. flichterforbernijj 6er 
jpijirung 6er Sluofagen 6er in 6er IjauptoerhanMung nernommenen 
geugen im ©i^ungsprotofoll mit Tlusnahme bei üerhanblungen üot 
6cm 6d)öffcngerlcht. — (Ein öffentliches ^ergernig im Sinne 6es 
§. 183. 0t. (D. B. roir6 nicht auofd) lieblich 6a6urd) begrünöet, 6a^ 6ie 
unjücbtigc J^an6lung an einem öffentlichen (Drte vorgenommen rouröe. 

drt. be« N. 6traffen. 0. 10. ^ebr. 1880 c/a. (Sonrab, rooburch auf 
SSerroerfung ber 9ter»ifion erfannt roorben ift. 



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2)«tttfdj«8 (Straftest. 6r!atntnif(c fce$ 9lei(f)§gctid)t3. 145 



© r ü n b e. 

Slngcttagtet ftnbet, roaS ben junäd^ft ju prfifenben projeffualen SRemfionS* 
grunb betrifft, ben §. 273. 6t. >JJroj. D. baburdj) Beriefet, baf? bie 2luSfagen ber 
in ber §auptoerlwnblung t>or ber 6traffammer r-ernomraenen Seugen in bem 
6i|jungSprotofolle ni$t rotebergegeben feien, was er als nottyroenbig barauS ^er* 
leitet, bajj na<$ Slbf. 1 bafelbft bie roefentltd&cn ßrgebniffe ber §auptoerfcanblung 
aus bem Sßrotofoll crfi^tlid^ fem müffen. 

$ebod& mit Unred&t, wie bie fnftorifd&e gntroicTehmg biefer ©efefeeSoor* 
f cfjTtft etfennen läfet. 

©oroofjl naä) §. 232. Slbf. 1. beS bem 9ietd>Stage oorgelegten ©ntrourfeS 
ber ©t. $ros. 0. 6. 38 baf. verb.: 

„baS ^rotofoll mu& ben ®ang unb bie ©rgebniffe ber ^auptoerljanblung 
im Söefentlid&en rotebergeben, foroie bie im Saufe ber 33erfmnblung ge* 
ftcUten Stnträge, bie ergangenen <£ntf Reibungen unb bie UrtljeilSformel 
enthalten", 

als naä) ber gaffung beffelben, roie fold&e bei ber erflen fiefung in ber 9ftet<JjS* 
tagSfommiffion fta) geflaltete: 

„baS ^rotofoll muf? ben (Sang ber $auptoerf)anblung bergeptalt roieber* 
geben, bafj fi<§ barauS bie Vornahme aller roef entließen ftörmlid&feiten 
ergiebt, mufe ferner bie ©rgebniffe ber Vernehmungen, foroie bie im 
Saufe ber Verljanblung gefiellten Anträge, bie ergangenen (Sntfdjeibun* 
en, eine Angabe ber r-erlefenen Urfunben unb bte Urü)eilSforrael ent* 
alten", 

mar eS, roie bie SßrotofoHe ber 9teicijStagSfommiffion <5. 418—420 ergeben, 
nia)t jroeifelbaft, bafj baS SifcungSprotofott über jebe ^auptocrljanblung ben 
TOefcntlid&en $nf)alt ber ßeugenauSfagen enthalten müffe. 

Sei ber jroeiten Sefung ber flommtffton bagegen, oergl. Sßrotofolle 
©. 991, 992, trat bie entgegengefefete Sluffaffung beroor. £>er Antrag, ben 
2lbf. 1. in feiner jefeigen ©eftalt ju f äffen unb ben jejigen 2lbf. 2.: 

„SluS ber ipauptuer^anblung oor bem 6dE)öfteng,eridf)te finb aufeerbem 
bie roefentlia)en (Srgebniffe ber Vernehmungen tn baS ^rotofoH auf* 
junehmen", 

beizufügen, beruhte auf bem beftimmt auSgefprod&enen ©ebanfen, bafj, roo 
nur eine revisio in juxe als 9teä)t3mittel ftattfinbe, baS SßrotofoU bie roefent* 
lia)cn (Srcjebniffe ber Vernehmungen mdjt p enthalten brause, ober bodb aUeS 
erforberlta)e fd&on burdf) ben SluSbrucf in Slbf. 1. ,,©ang unb ©rgebniffe ber 
^auptoer^anblung" gebeeft roerbe. s Jhir mit 9tü<fftcbt auf bie Verufung in 
Ochöffenfa(hen laffe ftaj bte Slufnahme ber VernehmungSergebniffe red&tfertigen. 

2lucf> ber Vertreter beS VunbeSrathS erflärte eS für unnötig, bie roefent* 
liefen ©rgebniffe ber Vernehmungen in bem JProtofoDe befonberS jjeroorjuheben 
unb legte nur SRaraenS ber oerbttnbeten Regierungen barauf ©erota^t, bafj, roie 
gesehen, binftdfjtlich ber 6d)öffengerid^te ber Vefa)lufi erfter fiefung aufredet er* 
halten roerbe. 

<5S erlangt biefe Steufjerung aud& namentlich bem in ber Äommiffion er* 
bobenen Sebenfen gegenüber Sebeutung, bafe nad| ben Ser&anblungen erfter 
Sefung bie ©orte ber SftegterungSoorlage „©rgebniffe ber §auptoerf)anblung im 
2ßefentlid)en roiebergeben" eine 2lufnaf)me beS roefentlia^en 3«^teS ber 3eugen* 
auSfagen als not^roenbig in fidfj fdbliefsen foll, unb biefe baber burd) bie jefeige 
Raffung beS ©efefeeS, roeldbe jene Söorte beibehalte, nid^t befeitigt roerbe. 2)enn 
bei bem I)iernad& oorliegcnben ©noerftänbniffe jroifd&cn bem SiegierungSoertreter 
unb ber 3Kajorität ber Äommiffton btu)in, bafe bie grage, roela^e Vernehmungen 
in bem SßrotofoIIe ju fiyiren feien, aus bem Hbf. 1. auSfd&eibe unb in Slbf. 2. 
fetbfrftcmbig unb jroar m einfä)ränfenber Sßeife geregelt roerbe, erhalten jene 

«C^tD 1880. 2. «Cft 10 



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146 3>tutfd)C§ Straftecfjt. ötfctmtniffc bc$ $Reidj8gcrid)t§. 

2Borte einen oon bem früfieren abweiebenben Sinn bal;in, bafj unter ben (5r* 
gebniffen bet £auptoerbanblung , • weldt)e im 28cfentlicben wiebergegeben werben 
muffen, nur foldje (Srgcbmffe oerftanben roerben fönnen, welche nicht au« ben 
Vernehmungen, ba« Reifet ben bie Sache felbfl betreffenben 2lu«fagen, im ©egen* 
fafee ju ben fonfttgen, bureb ©rflärung ber au oernebmenben ^erfonen feftju* 
[ieUenben, für ba« «erfahren erheblichen Umftänbe, j. V. au« §. 67. St. ^roj. 0. 
beroorgeben. 

2)ie nachfolgenbe parlamentarifcbe Vehanblung ber $ ra 9 e D at n ^ ts Don 
ben (Srgcbniffen ber $ommifuon«ocrbanbtungen 2lbweicbcnbe« ergeben, unb liegt 
fein £mbernifj oor, biejen lefcteren bei Stillegung be« ©efefce« eine entfebeibenöc 
Vebeutung beizulegen. 

$)abet foU ntd^t oerfannt werben, bafj ein berartige« Verfahren, wclcbe« 
oon jeber geftlegung be« Vewet«fioffc«, foroeit er fid^ au« ben Vernehmungen 
ergiebt, abfielt, jo feljr folebe« auch in ben fällen, roo jebe Nachprüfung in einer 
höheren gnflanj au«gef<bloffen ift, bem 3Jlünblic^Fc ttSpr injip c entfpreeben mag, 
m praftifchen Scbwterigfeiten, namentltcb ju einer erfebwerten Durchführung be« 
Sicberaufnahmeoerfabrcn« wegen falfdjcn Seugniffe« (§. 402. 3iff. 2. 6t.^roj.O.) 
führen fann. StUein einerfeit« oermag btcfcö am®efefce nityiä ju anbern, unb 
mm anbern fmb biefe Salle feiten unb roirb auch hier, ba metfien« in ber Sifcung 
fclbft bei ober unmittelbar nach ber Vernehmung bic Verbacbtgrünbe in Vejiebung 
auf ba« falfcbe ^eugnijj bro^tteten, mittelft ber Vorfcbrift in §. 273. 2lbf. 3., 
wonach ber Vorftfcenbe bie ooUftänbige Nieberfcbretbung einer ert)ebUa)en 2lu«fage 
ober 2leufeerung in bem ^rotofoHe, roenn e« auf beren SBortlaut anfommt, an* 
orbnen mufe, Stbt)ülfc m erlangen fein. 

Vei biefer Sachlage fann bie fuf) weiter ergebenbe ftrage babingeftellt 
bleiben, ob bie mangelnbe ^rotofollirung ber .ßeugenauSfagen für fieb allein 
febon einen toifion«grunb ju bilben vermöchte, unb ob nicht oielmebr nur in 
Verbindung mit beftimmten re<bt«erbebltcben (Srgebniffen einer Vernehmung, 
welche bie Sleoifion jur Vegrünbung anführt, beren Vewei« aber roegen man* 
gelnber ^rotofollirung nic^t bcrsuftelten ift, fid) roürbe fagen laffen, bafe auf bem 
Langel ber ^rotofollirung unb ber Verlegung be« §. 273. ba« Urtbeil im Sinne 
be« §. 376. bafelbft beruhe. 

dagegen trifft ber weitere $Heoifton«grunb ju, welcher fich auf eine Ver* 
tefeung be« §. 183. St. ®. V. bejieht. 

5Die Straffammer hat nämltd) ba« Stterfmal, baß_ ba« bura) bte unjüa)tige 
§anblung bc« 2lngef tagten gegebene 2lergerntjj ein öffentltd^e« geroefen, au«* 
fcbUefeüa) be«h"lb angenommen, weil ber Xreppenflur be« ^aufe«, wo bie 
£anblung oorgenommen würbe, einem jeben jugänglich unb be«tmlb ein offen t* 
Itcher Drt fei. Slbgefehen Daoon, ob ba« ledere jutrtfft, fann bie allgemeine 
ßugänglicbfeit bc« Orte« für fidt) allein ber bafelbft oorgenommenen ^anblung 
nicht ben (Shatator Oer Deffentlichfeit oerleihen, ^m ©egentheil läfet ftch nad? 
Vefcbaffenheit ber Umftanbe auch an einem öffentlichen Orte eine nicht öffentliche 
^anblung uornebmen, ebenfo wie umgefehrt eine öanblung eine öffentliche fein 
fann, ungeachtet beren Vornahme an einem nicht öffentlichen Orte erfolgte. S)er 
Oejfentlichfeit«begriff ift bei bem oorliegenben Vergehen niebt mit bem Orte, 
fonbem mit ben ^erfonen in Vejtehung gebracht; ba« Slergemil wirb ein öffent* 
liehe« nicht baburef), bafe bie ^anblung awar an einem jeben jugängtichen Orte, 
aber unter Umftänben begangen würbe, wo britte Sßerfoncn folche nicht bemerfen 
fonnten ober bemerft fyabcn, ba« perfönliche ©efühl be« baburch gegebenen 
9lergerniffe« baher burch beren Wahrnehmung bei britten unbetl;eiligten ^erfonen 
nicht hervorgerufen werben fonnte. (5« ift oielmehr, wie biefe« auch bic 2ftotioe 
3U bem §. 183. <5t. ®. V. 6. 87 unb 88 mit Veftimmthcit au«fprechen, ab- 
weichenb oon ber 9lecbt«anftcbt, welche fich auf ©runb be« §. 150. St. ©. V. 
gebilbet hatte, baoon au«jugehen, ba| eine ^anblung nur bann al« öffentlich 



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jD€hi1C9<b ©ttaiTCajt. lÄncnitttniie vis inctujö^crtujtö. 147 

gefc^c^cn ju betrauten, wenn fte in einer 2lrt unb äBeife oorgenommen rourbe, 
öq|> fte unbeflimmt von weichen unb roie Dielen Sßerfonen wahrgenommen wer 
ben fomttc, bat) alfo Sßerfonen, roeldje oon ber £t)at felbft nia)t umfaßt waren, 
ber lederen beiraot)nten unb folcfie entioeber bemerft ^aben, ober, wenn fie ü)re 
»UTmeniamreu Darauf gertegtet, Ratten Demerten tonnen. 



§. 75. <B. 1). <B. Betedjtigung 6er @traftammer be* 3uftdn6igen Canb- 
getia)t8, öen ton it^r gefaften Ueberroeifungsbefdjlui an ba» @a)ö(fen- 
geriet» fo lange eine Bcranntmatt)ung beweiben an 6ie Beteiligten 
noer) nia)t (iattgefunben tyat, wieder aufgeben. 

dxl bc« III. Straffen, o. 11. gebr. 1880 c/a. @orbt, rooburo) bie Sie* 
otfton be« 2lngeflagten äurütfgerotefen roorben ijt. 



® r ü n b e. 

2He Straffammer be« 2anbgeriä)t« ju §. hat bie Sfageflagten 20. 6. unb 
§. G. au« 2. bura) Urtt)eil oom 15. S)ej}. 1879 roegen oorfäj}lia)er SBefdjäbigung 
frember Saasen mit je 6 2JJonaten ©efängntjj beftraft. Sie hatte anfänglta) 
bura) 23efa)lujj oom 24. Dft. in Uebereinftimmung mit ben u)r bura) §. 75. be« 
@. ©. unb §. 35. be« preufe. Uebergang«*©. o. 31. 3ßärj 1879 auftet)enben 
$efugniffen, bie <Saa)e auf Eintrag be« Staatsanwalt« jur Serhanblung unb 
@ntfa)etbung bem Sa)öfrengeria)t in 2. überrotefen, et)e aber — fo oiel erftdjtlia) 
— irgenb etwa« $ur äluäführung btefe« 23efa)luffe« gefa)eben mar, benfelben 
auf ferneren 2lntrag be« Staatsanwalt« bura) anberweiten &efa)lu| o. 18. 9too. 
wieber aufgehoben unb bie SBerhanblung unb ©ntfa)eibung oor ber Straffammer 
felbft befdjloffen. 3n ber $auptoerf)anblung bat nun ber SSerüjeibiger ber 2ln* 
geflagten noa) oor ber Serlefung be« $Befa)luffe« über bie Eröffnung be« §aupt» 
oerfahren« ben Snfompetenjetnwanb erhoben unb Serweifung oor ba« Saroffen* 
geria)t beantragt. 

5Dcr Antrag ift aber jurüdgewiefen unb im Urteil au«gefproa)en, ba& 
tlmt jvolge nia)t Imbc gegeben roerben fßnnen, weil ber frühere 93efa)lut3 oom 
24. Oft. mit 9tüdfta)t auf bie lofale Unjuftanbigfeit be« Sa)ötfengeria)t« in 2. 
aufgehoben fei unb bie Staat«anwaltfa)aft beantragt ^abe, bie ©aa)e roegen 
6a)roere be« gatt« oor ber 6traffammer oer^anbeln. 

2>ie SReoifion ber SKngeflagten maa)t hiergegen geltenb, bafe bie Straf* 
tammer ibre 3"fiänbigteit mit Unreajt angenommen, ba fte bura) ben 93efa)lufe 
oom 24. Oft. Die 33erljanblung unb (§ntfa)eibung ber Saa)e bem Sa)öffengeria)t 
in S. überrotefen ^abe unb biefen Sefa)lu| nta)t o^ne 2öeitere8 Ijabe roieber auf" 
heben tonnen; Slngcflagte hätten bura) benfelben einen Slnfprua) auf SBer^anblung 
im fa)öffengeria)tlia)en Verfahren erroorben, ber irrten nia)t oerfümmert roerben 
bürfe; nur ba« Sa)öffengeria)t felbft, unb aua) btefeS nur auf Slntrag ber Sin* 
geflagten, fyaht Unjufiänbig!eit au8forea)cn formen; ber UeberroeifungSbefa)lut3 
be« Sanbgerta)tö fei unroiberruflia) unb befeitige beffen Sefugnife, Die Saa)e 
roieber an fta) m }iet)enj felbfi roenn. roaö befhitten roirb, ba& ^Solijcigcricrjt 2. 
öTtlid) nia)t juftänDig fein follte, bleibe bie Ueberroeifung an ba& Sa)öf|engeria)t 
überhaupt beftehen. 3>e«halb roirb beantragt, bog Urteil aufjuheben unb bte 
Saa)e an ba« Sa)öffengeria)t ju & ober an ein anbere« jur weiteren SSerhanb* 
lung unb ©ntfa)eibung ju oerroeifen. 

3)ie 3uläfftgfeit ber auf §. 377. 9tr. 4. ber St. Sßroj. 0. geftüfeten 91^ 
oifion fann nia)t bejroeifelt roerben; benn aua) bie bem Urtheil oorau«gegangcnen 
@ntfa)eibungen unterliegen ber $eurü)eUung be« s Jteoifion«geria)t« (§. 375.) unb 

10* 



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148 3>ctttf<f>e§ Straftest, ertcntttnific fce§ ffleid^eric^tS. 

ber (Stnroanb ber Unjufiänbigfcit ift oon ben Slngeflagten rechtzeitig uorgebracht. 
Sie ift aber unbegrünbet. &er UeberroetfungSbefchluij beS £anbgerict)ts §. war, 
als et jurüefgenommen mürbe, bislang weber bem 2lmtSgertcht, an welches über* 
roiefen mar, noch ben Slngeflagten eröffnet roorben, unb fonnte alfo auch ben 
leiteten 311 biefer 3«t noch fein 2lnfpruch auf (Srlebigung bet ©aaje im fdjöffen* 
gerichtlichen Verfahren barauS erroaa)fcn fein. Ob ber §. 269. ber 6t. Sßroj. 0. 
bie UnjuftänbigteitSerflärung, weil bte Sad)e oor ein ©ericht nieberer Orbnung 
gehöre, auch bann oerbietet, wenn baS erfennenbe ©ericht felbft fie Dörfer nach 
§. 75. beS ©. 2$. ©. bat)m überroiefen hatte, fann bahin geftcllt bleiben. Stenn 
bie Straffammer beS an fia) mftänbigen SanbgerichtS mar jebenfatts berechtigt, 
ben oon ü)r am 24. Ott. gefaßten Ucberrocifungsbefchlufe, fo lange noch feine 
23efanntmachung beffelben an bie Sethciligtcn ftattgefunben (mite, roieber aufeu* 
heben unb, abgefehen uon ber 2Birffamfeit biefcS 33ef<hluffeS, fehlt eS an jeber 
rechtlichen ©runblage für bte beantragte ^nfompetenscrflärung. 

3roar ergiebt ber §. 29. beS @. 35. ©., bajj oor bie Schöffengerichte auch 
biejenigen Straffachen gehören, bie it)nen nach §. 75. überroiefen finb; eine in 
julaffiger SÖJetfc erfolgte Aufhebung unb 3 ur "^ na h mc DC $ UeberroeifungS* 
befchluffeS entjietjt ihm aber, rote in jeber anberen, fo auch in biefer Richtung 
jebe fernere äöirffamfeit. Sie s JKotioe ber 3urücfnahme unterliegen ber 9taa> 
Prüfung beS 3ficDifioni8rtdt)ters5 nur inforoett, als fia) barauS bie Folgerung her* 
leiten laffen mürbe, bajj baS Urteil auf einer 3?crlefcung beS ©efefceS beruht. 
£)iefer gatt liegt nicht oor. 

3Jlit bem Söeajaa beS UebcrrocifungSbefchluffcS »om 24. Oft. burch beffen 
am 18. 9too. befchloffene Aufhebung tft mithin jeber 9tecf)tSgrunb befeitigt unb 
aujjer äüirffamfcit getreten, ber bie Unsuftänbigfeit ber Straffammer hätte be* 
grünben fönnen. 

£te SSerroerfung beS Antrags auf Unäuftänbigf eitler flärung oerlefete feine 
Rechtsnorm, unb bie Steoifton mar gtt oerroerfen. 



§§. 376. 34. St. pro$. <T\ Vk Ablehnung ber Vernehmung eines 
^eugen in bcr fjauptoerhanblung , roeil bie in feine XDifienfcbaft ge- 
sellte Ihatfaehc für bie (Entfchcibung tbatfdd>lid? unerheblich fei, foroie 
bes Eintrages auf Tlbtjibirung von Doraften bejüglidj bcr Bemeffung 
bcr (Blaubroürbigfeit eine« §eugen, roeil biefer Antrag ebenfall« für 
bie 5U treffenbe (Entfcbeibung r-olljtänbig unerheblich fei, gilt, roeil fie 
ber Begrünbung entbehrt, als Befchranfung ber üertheibigung unb be- 
rechtigt 5ur tteoiflon. 

(£rf. beS IL ©troffen, d. 10. gebr. 1880 c/a. ©eelfjaar, rooburch baS 
SBorerfenntnife aufgehoben, unb bie 3urüdfoerroeifung ber Sache in bie 3nflan$ 
auSgefprod)en roorben ifl. 

© r ü n b e. 

$ie SReoifton rügt, ba£j bie SBertheibigung in mehreren, für bie (Sntfchei* 
bung roefentlichen fünften burch bie uom ©ertchte im £aufe ber §aupt* 
t>erhanblung befchloffene Ablehnung ber oon Seite bcS ScrtbeibigerS ber 
betben üBefchioerbeführer geftellten «eroeiSanträge unjuläffig befchränft roor- 
ben fei. 

$on ben mehreren 3 cu 0 en - mcldtjc bic ^euifionSfchrift als mit Unrecht 
roegen Uncvl)cblid)tctt ( ^urücfgeroiefen auuebt, fann cinjig ber als 3 CU 9 C uorge* 
fchlagcne Slbbaubcfiucr ©. noch in Betracht gebogen werben, ba naa) 2lblchnung 
aller uorgcfchlagcncn «eroeife burd; ben ^orfiBcnbcn in ber ^auptoerhanblung 



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2>tutf<$e3 Straftest ertcraUniffe bc$ «ci$3geti($t8. 149 

nad& «uSroeiS bcS 6ifcungSprotofollcS lebigli$ noty bie &ernel)mung beg ßeugen 
©. beantragt toorben ift. 

2)ie SBemebmung biefeS 3 cu 9* n würbe vom ©ertaste beSljalb abgelehnt, 
weil bie in bie ©iffcnfä)aft beffelben gefteUte 23)atfad&e für bie Chttfd&eibung „tgat^ 
fäd^lid) uncrr)ebli(b" fei. 3>iefe Segrünbung ber 2lblef)nung fann jebodf) als ge* 
nügenb nic^t gelten. $ie 2tngeflagten Ratten sufolge ber &eftimmung beS §. 34. 
ber 6t. $ro$. 0. ein 9ied)t, biejentaen 3:^atumftänbe m erfahren, meiere ba3 
©eriajt ju bem 2lu3iprud)e »eranlapten, bafj bie ju beroetfenbe SD)atfadje un* 
erbcblta) fei. S)ie Raffung ocS ablebnenben Sefd&luffeS fonftatirt nur bie red)t> 
lia^c SBirfung unbeftimmt gclaffener £batfa$en, toäbrenb allein bie E&atumftänbe, 
meiere als urfac^e ber Slblelmung geltenb gemalt roerben foüten, ben 2lnge* 
flagten bie üjncn äufommcnbc 3fofflärung liätten bieten f ernten. lue Slblelmung 
iß fomit in unjuläffiger 9Beife erfolgt, unb ba fid) nidfjt bemeffen läfjt, rocldfjen 
Ginflufj bie SBcrnernuung beS 3eugcn auf bie (£ntfa?eibung geübt fmben mürbe, 
fo ifi bie lefctere aUs auf biefer SBerlefcung beruljcnb ju eradjtcn. 

SDic Sieoifion befämpft enblicb bie 2lbler)nung be3 oon ben Slngeflagten im 
Saufe ber $auptoerf)anblung gefteflten Antrages, bie für Semeffung ber ©laub* 
roürbigfett beS beugen pcfjtcr Ä. als roefentltcl) ju raürbigenben Sitten über eine 
gegen biefen megen ©iebfta()l5 ober Unterfd&lagung eingeleitete Unterfudmng $u 
erholen. £a£ ©eriä^t r)at bie 2tblelmung beS Eintrag« auSgefprodjen, toeil ber«» 
felbe für bie in ber oorliegenben Straffad&e ju treffenbe ©ntfä^eibung „oollftän* 
big unerbeblia)" fei. 2lud) biefe SBegrünbung genügt ben gefe$lid()en ©rforber* 
ni)fen nufjt. 6ie lafjt unaufgeflärt, ob redfjtlid&e ober t^atfädjlid&e ©rünbe ba« 
©erid&t bewogen rmben, ben Antrag als unerbebltcf) ju erflären. %üv bie 2In* 
geftagten erfdjeint es aber im $tnbli(f auf §. 376. ber 6t. $roj. 0. oon Gelang, 
Äenntnifj $u erlangen, ob fid)' bie Slblebnung auf ©rünbe erfterer 2lrt ftü|t. 
SBcäüglia) ber üBebeutung beS Langels für btc ©ntf^eibung beS UrtljcibS gilt 
baS bei Erörterung ber eben beurteilten 2Jefa)iuerbe SBemerfte aud& tytx. 



§. 271. €>t. Pro$. <P. Die erfl meiere Cage naa) 6djlu| ber Vn- 
banMung erfolgte ^bfajjung bes Öi^ungsprotofollce begrünbet feine 
Hcoifion. 

©rf. bc§ II. Straffen. 0. 10. gebr. 1880 c/a. Bergmann, rooburd) bic 
^eoifion beS Slngcflagten 3urücfgcn)ie|en roorben ift. 

©rünbe. 

liegt jroar in bem SBefen beS Jroto!oHS, bafe baffelbc fidr> unmittelbar 
an ben Verlauf ber Slfte, über meldte baffelbc 3luSfunft erttjeilcn foll, anfd)lic§t, 
unb t& ift baber eine aus §.271. ber 9t 6t. ^ro}. 0. fidt) eraebenbe ^Jflia)t ber 
bei beffen 2lufna^me in ber ^auptoerbanblung beteiligten Beamten, roaS an 
ibnen liegt, 311 u)un, bafe mit bem 6d&luffe ber ^auptocrbanblung aua) baS 
©i^ungSprotofoll buxd) Beifügung ber erforbertid&en Unterfa^riften feinen 3lb* 
fa)lufe erhält. 2lber barauÄ folgt niebt, ba|, toenn unter ben gegebenen tbat* 
fäajlidjen SScrbältniffen bie foforttge SJeenbigung nid^t erfolgen fann, ba& tyxo> 
tofoll baburc^ allein febon feine ©laubroürbigfcit oerliert. ©enn ba roeber bie 
SSerlefung beS ^ßrotofoUS, nodj bie ©enebmigung ber bei bem 2krfaf)ren fonft 
betbeiligten s ^crfoncn erforbert wirb, fo beruht bie ©laubmürbigfeit beS 
^ßrotofottS allein auf ber ©croiffenbaftigfeit unb 6orgfalt ber baffelbc aufner)- 
menben Beamten. 2Bic fncrnad) im SlUgemeinen rtieffiebtlia) beS gefammten 
SnbaltS, fo mu& aua; im $efonbercn bejüglic^ ber 3cit bcS Slbf^luffe« baS 



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150 i'Cutiaicg ©ttayTCciju wrncnntntTic Des wctajsgcncpts. 

Pflichtgefühl bet SeurfunbungSbeamtcn entf Reiben, roelcbc ju erioägen ^oben, 
ob ju bera 3eitpunft, rao fic ben ^n^alt beS ^rotofoüs burdj ifjrc Unterfdnitt 
als richtig befiätigen, bie bariu befunbeten X^atiadjcn ihrer Erinnerung auch 
noch gegenwärtig finb. Von biefem ©efichtSpunftc aus läfet fich baljer bic 9te* 
oifton nid^t burdj bie Vebauptung begrünben, bafj ba£ SifeungSprotof oll erft mehrere 
Sage nach Schlufj ber Verhandlung abgefaßt roorben ]ei, unb mufe Slngeflagter, 
foroic baffelbe für ihn beroeift, folcheS auch gegen fid) gelten laffen. 



§§. 230. 232. 6t. <B. 8. I^ie tbatfäcbUcbe ,feWellung, ba& bie burd) 
lleberfafyrcn aus ben klugen gefegte 31ufmerffamfeit nicht eine fold)e 
roar, roelä)e bem Slngeflagten »ermöge feines Berufes befonbers oblacj, 
fann nicht als re^teirrt^ümlicb burd) bie Heoifkm angefochten ©erben. 

<£rf. beS III. erraffen, o. 11. gebr. 1880 c/a. Stietjen, rooburd) bie 9te» 
oifton bet ©taatSanroaltfchaft aurüefgeroiefen roorben ifl 

© r ü n b e. 

®er Sauer 2:. au« SSI. roar befdjulbtgt, ju Vr. ben 3lrbetter 9t mittclft 
eineÄ ftuhrroerfs, baS er leitete, fahrläffig Förperlia) befd&äbigt ju haben, obwohl 
er jw ber aus ben SÄugen gefegten SlufmcrFfamfeit oermöge feines VerufeS be- 
fonberS verpflichtet geroefen roäre. <£r ift beSfjalb auS §. 230. 2lbf. 2. beS 
@t. ®. V. angeflagt. ®aS fianbgeriebt $u Bremen bat aber burd) Urteil oom 
13. $ej. 1879 baS Verfahren eingeteilt, roeil ber Vcrlefetc feinen 6trafantrag 
gestellt habe unb nicht an^u nehmen fei, tat? 2lngeflagter ju ber auS ben Slugen 
gefegten 2lufmerffamfeit oermöge feines VerufeS befonberS oerpflid)tet roar, noch 
bafe er in feinem Verufe tljätig roar, als er ben 91. überfuhr. 

35er Staatsanwalt roenbet gegen biefeS Urteil 9teoifion ein. 

SDie Verfolgung burd; gabrläfftgfcit oerurfad)tcr Äörperoerlefeungen tritt 
nac^ §. 232. beS ©t. ©. SB. nur auf Slntrag ein, infofern nicht bic Äörper* 
oerlefcung mit Uebertretung einer 2lmtS*, VerufS* ober ©eroerbSpflicbt begangen 
roorben ift. ®en Söegriff ber mit Verlegung biefer befonberen pflichten began* 
genen fabrläffigen Äörperoerlefcungen ftellt §. 230. bahnt auf, bafe ber Xtjäter 
m ber 2lufmcrffamfeit, roelcbc er auS ben äugen fe&te, oermöge feines 2lmtS^ 
berufeS ober ©eroerbeS befonberS oerpflidjtet geroefen fein mujj. (Sine foldje 
befonbere Verpflichtung beS Slngeflagten erfennt bao Urtbeil nicht an; es be* 
fdjränft fich barauf, ju fagen, bafe er bei Rührung beS SBagenS, mittelft beffen 
91. überfahren ift, bie 2lufmerffamfeit aufeer Slugcn fefctc, roelche jeber ^üljrcr 
eines jftuhrroerfs aufroenben mufe. 3)amit ift aber nur eine allgemeine $fltd)t 
jebeS SBagenführerS, nicht eine befonbere anerfannt, bie ben 2lnge!lagten oermöge 
feines 33erufcS als Sanbroirth treffen roürbc. ffienn ferner baS angefochtene 
Urtheil in bem h«r oerroenbeten ^ubrroerf fein folcheS finbet, beffen Leitung — 
jumal in ben Strafen einer 6tabt — bei 2luSübung beS Betriebes ber £anb* 
roirtbfdjaft oorfommc unb oon ber man annehmen fönnte, ein Üanbmann fei als 
folcher berufsmäßig baju auSgebilbet, fo beroegt es fich h»cr auf bem ©ebtetc 
thatfächlicher, überbicS noch b"tch örtliche ober inbtotbueUc iBcrhältntjfe becin-- 
flutten ©rroä^ungcn. 2luf biefc (Srroagungcn jlü^t es bic Folgerung: bafe bic 
2lufmerffamfcit, Die ber 2lngcflagtc auS ben 2lugen gefegt Ijat, nicht biejenige 
geroefen fei, beren 2lufroenbung ihm befonberS roegen feines ÖcrufeS oblag, 
unb bafe er nia^t in feinem Berufe thätig geroefen fei, als er ben 2>amniftfatcn 
überfuhr. 

S3cruf ifl jebe felbftgeroählte SebenSthätigfeit, welche bic Verpflichtung 



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SDeutfäeS (Straftest ©rtemttntffe bcä fflet$«geru$ta. 15 1 

begriinbet, fich bcn Aufgaben beffelben mit befonbeter Sorgfalt §u wibmen unb 
jugkid) eine höhere Serantwortlichfeit für 2lnwenbung ber erforberlichen Ginftdjt 
unb Sadtfunbe herbeiführt, als welche unter gleiten Serhältniffen bei jebem 
Slnbern geforbert werben mu&. ^n biefem 6inne ifi aber aua) ber betrieb ber 
Sanbwirthfchaft als ein Seruf aurjufaffen. 

SDic 9teoifionSbefchwerbe will junächft aus ben befonberen 33crl)ältniffen 
beS lanbwirthfchaftiichen Betriebes beS Slngeflagten folgern, ba& er ju einer 
klaffe oon fianbwirthen ju rennen fei, bei benen bic Senfung aller unb auch 
ber leichteren guhrwerfe ju ihrem Berufe gehöre. %n biefer Sesiehuna. fleht 
ihr aber entgegen, baß ber Umfang, bis *u welchem bie burch ben Sßetrteb ber 
Sanbnurthfc&aft begrünbeten öerufSpflichten auScjebebnt werben tonnen, 00m 
©efefc nicht beftimmt unb infofern alfo baS freie SßrüfungSrecht beS Richters 
nach ben fonfreten Scrhältniffcn beS gaHS nicht burch gefcfcliche Schranfen ein* 
geengt ift. Sic ©rgebniffe biefer Prüfung fönnen baher an fich unb foroeit fie 
nia)t auf irrigen 9techtSanfchauungcn beruhen, feine SBcrlefeung beS ©efefceS be* 
grünben. 3 U öi^fen ©rgebniffen aber gehört ber SluSfprud), bajj bic 2lnioenbung 
ber unterlaffcnen Slufmerffamfeit nicht ju ben bem 2lngeftagtcn wegen feines 
SerufeS befonberS obliegenben pflichten gehöre unb ba| berfelbe bei ber in 
Siebe flehenben §anblung fich nic^t in ber SluSübung feinet Berufes befun* 
bcn habe. 

2öaS bie gerügte ©efefjcSoerletsung burch unrichtige ©efefceSanmenbung 
betrifft, fo Fann bic 2luSbrucfSweife beS §. 232. beS 6t. ©. 53., wonach ber Straf* 
antrag erforberlich ifi, wenn bie $örperoerlc§ung mit Uebcrtretung einer Sc* 
rufSpflicht begangen ift, nur balun oerftanben werben, bafj eS für wefentlich h°t 
erflärt werben f ollen, ob oon bem §anbelnben nad) ber ihm innemohnenben, 
unb oermöge ober sunt 3wecf ber Ausübung feine« SerufeS erworbenen befon* 
beren Sachfunbe eine befonnenerc unb aufmerffamere ftanblungS weife ju forbern 
war, als bic oon jebem dritten 3U beanfpruchenbe. Sie fahrlafftgc Äörperoer* 
lefcung ift baher mit Uebcrtretung einer iöerufSpflicht begangen, wenn ber Xfyättx 
baS ber erforberlichen Umficht unb Sorgfalt oermöge feines Berufes $u 
ermeffen unb anjuwenben im Stanbe war, gleichwohl aber Diejenige Slufmerf* 
famfeit aus bcn 2lugen fc^te, |U beren 2lnwcnbung hernach, eine befonbere &cr* 
pflichtung für ihn beftanb. biefem Sinne finbet baS angefochtene Urtheil in 
ber oon bem 2lngeflagten bei ber 33crle§ung beS 9t. aus ben 2lugen gefegten 
Äufmerl famfeit nicht biejenige, beren 2lufwcnbung iljm befonbcrS wegen feines 
Berufes oblag, unb rechtfertigt bamit auS §. 232. beS St. ©. $8. bic oon ihm 
unterteilte 9iotf)wenbigfcit eines Straf antragcS beS «erlebten, welcher nicht 
oorliegt. 

SaS angefochtene Urtheil besieht fich Dann weiter barauf, bajj ber 2ln* 
geflagtc auch in feinem Berufe nicht thätig war, als er bcn 9t. überfuhr. Sie 
Uebertretung einer SerufSpflicht ift aber begreiflich nicht baoon abhängig, baß 
ber faljrläffigc Langel an Slufmcrffamfcit bei einer Shättgfett oorfam, bic jur 
2luSübung beS Berufes fclbft ju rechnen war. Sic betreffenbe ^eflftcllung 
würbe baher rechtlich nicht genügen, um bie Folgerung barauf ju ftü&en, bafj cS 
im oorliegenben Ball eines Strafantrags beburft habe. Sagegen genügt h«r$u 
bie oorauSgehcnbc geftftcUung, wonach bie aus ben Slugen gefegte 2lufmerffam= 
feit nicht biejenige war, welche bem 2lngeflagten oermöge feines 53crufcS bc* 
fonbcrS oblag, unb ba biefc fteftftcllung ol;ne 9tccf)tSirrthum batjin führt, baß 
bem 2lngeflagten bei ber fahrläfftgen Jförpcrocrle&ung beS 91. bic Uebcrtretung 
einer SerufSpflicht nicht jur Saft fiel, für biefen §aH aber baS (Srforbcrntfj beS 
Strafantrags nach §. 232. beS St. ©. 23. beftcht, fo liegt ber crftrichtcrlichen 
Gntfcheibung feine ©efc&cSocrlc&ung 3U ©runbe, wenn fie baS Verfahren wegen 
mangelnben 2lntragS eingeteilt hat. 



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152 2)tutfa)c§ ©trafre$t ©rtemitaific toC0 ftei$3gerid>tä. 

§. 253. @t. <B. B. Hidbterforberniß 6er Bebrohung mit einer an fid) 
unberechtigten f)an6lnng jur t f irirung 6ea Ih«tbeftan6es 6er <£rprejfung 
im @inne 6« §. 255. 6t. <B. B. 

@rf. be£ L Straffen. n. 12. ftebr. 1880 c/a. ^lörä^eimer, rooburd) 
bie föeoifion beS Slngeflagten aurücfgetoiefen roorben tft. 

© t ü n b e. 

2)a3 erfennenbe ©erid)t hat fcflgeftellt, bafe ber 2lngef tagte jum &xotd 
ber Erlangung eines red)t$tDibrigen BermögemSoortheilS bcn (Seeleuten eine 
Sd)ulburfunbe über 2323 fl. jur Unterzeichnung vorgelegt unb biefelben, als fie 
gejögert, ju unterzeichnen, burch bie $uu)ung: „er fd)mci&e fie um, toenn fie bie 
Urfunbe nid)t unterfd)reiben ober ©imuanb gegen bie gorberung ergeben roür* 
ben", nid)t nur ju ber Unterzeichnung ber Urfunbc, fonbern aua) jura tinter* 
laffen jebeS ©inroanb« aegen ben nom Slngeflagten auf ©runb berfelben ernurf* 
ten beoingten 3^lungäberet)l nebft Siqutberfcnntnifj für ben 33ctrag oon 4037 3)t. 
genötigt $at, obtoohl ihm bie Eheleute nur bic Summe oon 2250 WL 
fd)ulbig geworben roaren. 

$)aS ®erid)t h<*t angenommen, bafc ber 2lngeflagte, melier bamals fd)on 
früher entftanbene gorberungen an bie ©freute im ©efammtbetrag oon 
10642 5W. Uqutb gefteüt t)attc r jene ß^eleute burd) bte Söorte; „er fdjmeifce fie 
um", mit ber fofortigen ©eltenbmad)ung biefer liquiben ^orberungen im Boll* 
ftrecfungSroege, toobur* ein oollfiänbigcr finanzieller töuin ber Schuldner unb 
ihre Vertreibung oon feavß unb £of herbeigeführt roorben märe, bcbroljt unb 
Werburg jene jubem unflugen, än"gftlid)en unb aud) nod) mit anberen Sd)ulben 
belafleten ©^eleute zur Unter Zeichnung ber fraglichen Urfunbc, trofc ir)red 
tt>atfärf)ltdt) falfd)cn §nljaltS, unb jur Unterlaffung fpäterer @infprad)e ge* 
nötigt habe. 

2)er 2lngeflagte behauptet nur in feiner 9ieüifionSbefd)töerbe: eS fei mit 
Unred)t ber §. 253. be$ St. ®. B. angeioenbet roorben, rocil gum £f)atbefianb ber 
Grpreffung eine unberechtigte Srohung erf orberlitt) fei, eine fold)e aber im 
oorliegenben ^aDe nid)t jutrejfe, weil ber Slngeflagte baS s Jted)t gehabt fyabt, 
bie ^ülfSooUfrrecfung hwftchtlid) fetner früher entfitanbenen unb liquib geroor* 
benen Sorberungen §u oeranlaffen unb fonad) aud) berechtigt geroefen fet, ben 
©bleuten biefe UJJafjregel in 2lu3fid)t ju (teilen. 

SDtefc 2lnfid)t ift, foroeit au« ihr bie Unanroenbbarfeit bc3 §. 253. gefol* 
gert roerben roiü, eine irrige. 

S)er §. 253. erforbert feineäroegS eine SDrorjung mit einer an fid) unbe* 
rcd)ttgten £anblung. (r£ genügt oielmel;r jebe Drohung, burd) rocld)e ein 
toirffnmer 3 roa "3 ausgeübt roirb, fofem ber Bermögcniäüortheil, rocld)cr »er* 
mittelft berfelben angeftrebt roirb, al£ ein rctt)täroibriger fid) barfteüt. Unter 
biefer BorauSfcfeung wirb aud) eine Drohung mit einer £anblung, n)eld)er 
unter anbern SorauSfc^ungen unb nad) onberer iRid)tung eine Berechtigung ju* 
fommen mürbe, sunt recht&uibrigen pfi;d)tfd)cn 3^ange im Sinne bc£ §. 253. 
be§ St. @. 

S)cmgcmä6 fonn bie an fid) oorhanbenc Berechtigung be£ Slngeflagten, 
feine liquiben 3'otbcrungen gcltcnb ju machen, unb bie 2lu£übung biefer Bcfugnife 
ben (Eheleuten <p. aud) in 3lugfid)t ju fteüen, nid)t in Betracht fommen, ba ber 
Slngcflagtc nad) ber thatfäd)lid)en 5*eftftellung bei? erfennenben ©erid)tö bie 
^Drohung mit ber fofortigen ©cltenbmad)ung jener ^orberungen nid)t ju bem 
3mea*e angeroenbet ^at, um einen rcd)tlid) begrünbeten 3lnfprud) burd)5ufe^en, 
fonbern 3U bem 3 roc ^ c f R$ c » ncn red)t)8n)ibrigen BcrmögenSoortheil 
3u oerfd)affen ; nämlid) bie Eheleute $ur Slnerfennung einer theilroeife 



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SeirtfäeS ©trafst (frtcnntatfft t>eö Wetd)$gerid)t8. 153 

redEytlid^ nid^t begrünbeten unb oon il»nen au$ beanftanbeten ftorberung ju 
nötigen. 

SDer 2lngeflagte behauptet nun jwar in ber $eotfion3bcfchwerbe ferner, 
er t;abe fid) fein Stecht jur fofortigen ©eltenbmachung ber tiquiben ^orberungen 
im 2Bcge ber ipülfSooUftrecfung oon ben (Eheleuten §. burdi ben ihm von ben* 
fclbcn in ber fraglichen Urfunbe gemährten 2krmögen3oortheil „abfaufen" 
laffen, allein eine foldje Behauptung ftellt fich als ein Singriff auf bie ber 9taa> 
Prüfung ntä)t unterliegenbe thatfächuche geftftellung bor. 

s Jiaci) ber lederen Inn ber 2lngeflagte nicht bie 6tunbung feiner liquiben 
^orberung gegen ©ewäbrung eines, wenn auch wucherlichen, aber bod^ getefclich 
erlaubten Sortheilö mit ben Eheleuten oereinbart, fonbern er hat bie Slbftdjt 
ocrfolgt, fich ben oben bcjeichnctcn rechtäwtbrigcn VermögcnSoortbeu' ju 
r»erfdt)affen, unb ju biefem 3n)ecfe jene Eheleute burch bie erwähnte SDrofning 
jur Unterjeia^nung ber Urfunbe unb nir Unterlaffung r>on ©inwenbungen gegen 
bie aus ber Urfunbe hergeleiteten 9lnfprüa)e genötigt. 



§. 51. Hr. 2. unb §. 57. @t. PW5. <D. Berechtigung 6er (Ehefrau eines 
rechtefräftig »erurtbeilten Slngeffagten $ur 5eugnl|oermeigerung in ber 
fpäter gegen einen als ühcilnehmcr an berfelben Chat 3lngeflagten 
erhobenen Unterfucbung. Beim üerjidjt auf bics Hecht fyängt es 
lebiglicb vom <£rmeffen bes ttiebtere ab, bie Zeugin unoereibigt 5U 
uerne^men ober ju »ereibigen. — §. 503. 8t. Pro$. <D. 3 n bem Be- 
treten bes Beratbungs3immere ber (Befcbroornen feitene bes Dorjlfeenben 
berufe (Erteilung einer Belehrung in t folge einer an ilm von einem 
(flefebwornen gerichteten Jtage liegt feine (Bcfäbrbung ber Beratung 
ober Befctilu^faffung ber (Befdjroornen. 

©rf. beS L Straffen, o. 12. £ebr. 1880 c/a. ©., woburdfc auf 3urücf* 
wetfung ber Stcoifion beS 2lngefchulbtgten erfannt worben ift. 

© r ü n b e. 

. . . Dfme (Srfolg rügt bie Sleoifton bes^alb, roeil burdt) Sefcblujj be« 
Schwurgerichtes oom 18. S)ej. 1879 bie oora SSert^eibiger beantragte Seeibigung 
ber Scbufoeugin Äunigunbe ö. abgelehnt würbe, bie Verlegung ber §§. 51. 57. 
377. 3iff. 8. 6t. $roj. D. 

$urcb dxt be« 2(ppcaations8 * ©er teJt)tö^of eö $u Äöln oom 13. 3)iärj 1879 
mar neben ber jefeigen wegen SMneibeS, bann wegen Verleitung unb wegen 
Hnfiiftung aum Steineibe bcid&ulbigtcn ß^riftina ©. auch ©ottfrieb fr u. Sßaul £. 
wegen 3fteineibe3 oor baä Schwurgericht oerwiefen worben, ba ßfjriftina ®. ber 
^beilnabme (burdt) 2lnftiftung) an ben in ber früheren Unterfudt)ung gegen fie 
roegen ©renjfteinoerrücfung oon ben Seiben gefdt)roorenen Steineiben mitbcfqjulbigt 
roar. SBenn nun auch bei ber <2chrourgericht^oerhanblung am 25. unb 26. 2lpril 
1879 ©ottfrieb fr unb $aul roegen 2JceineibeS reajtijfräftig uerurtheilt roor* 
ben finb f während bie Scrhanblung gegen (Ehriftina 0. beljufö Prüfung beren 
3urcchnung§fähigfeit sur 3«t ber befchulbigten Shaten ausgefegt unb erft am 
17. SDes. 1879 wieber aufgenommen würbe, unb wenn nun bei teuerer Schwur* 
gerichtSoerhanblung ©ottfrieb %. unb tyaul £. al« 3 cu Ö cn gegenüber ber 2in* 
geftagten ©hriftina ©. unbeeibigt oernommen würben, fo hing e« gleichwohl oon 
bem richterlichen ßrmeffen ab, ob bie hierbei al& Scrju&jeugin oon Seite ber 
Ghriftina ©. oorgeführte Äunigunbe ©hefrau be$ $aul unbeeibigt 5U 
pernehmen ober ju beeibigen fei. Senn e$ fann feinem 3weifel unterliegen, 



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154 SDeutfdjeä ©trafred)t (Srtcnittmffc fecS föcidjSfleridjtS. 

bafj namentlich $aul obwohl et fd&on am 26. Slprtl 1879 red)tSfräftig ab* 
geurtbetlt unb in ben 6trafort bereits abgeliefert worben, gleichwohl jur B^tt 
ber 6d)wurgericf}tSDerhanblung gegen Gbriftina ©. am 17. unb 18. ftej. 1879 
bie ©igenfebaft als mit ihr Vefcbulbigter ober Slngetlagtcr nicht oerloren hatte. 
3McS erhellt aus ber 6t. $roj. 0. felbft, welche beifpicliSroeifc in §. 250. 2lbf. 1, 
§§. 402. 406. „oon bereits oerurtbeilten 2ttitfebulbigen" unb oon „21ngeflagten 
nach bereits burdj recbtSfräftigeS Urtbeil gefcbloffenem Verfahren" fpriebt; ferner 
ift oon ©elang, bafe in §. 56. 3iff- 3. bie unbeeibtgte Vernehmung oon $er* 
fönen, welche l;inficbtlicb ber ben ©egenftanb ber Unterfucbung bilbenben tyat 
als Sbeilneimtcr oerbaeptig ober bereits abgeurteilt finb, norgefebrieben ift; 
auch finb nach §. 51. 3iff- 2. unb 3. jur Verweigerung bcS 3eugnifte& ocr @h c * 
gatte beS Vefdjulbigten, auch wenn bie @be rtic^t mehr befteht, femer bie mit 
bem Vefdjulbigten in ber bort näher beseiteten 2Beife oerfebwägerten ^erfonen, 
aueb wenn bie Gbe, burd) wcldjc bie 6d>wägerfdjaft begrünbet ift, nicht mehr 
beftebt, berechtigt. 

2tuS allen biefen Veftimmungcn tritt flar ber 3BiUe beS ©efefcgeberS $u 
Sage, bafj ©begatten, fowic nabe Vcrwanbte unb Verfcbwägcrte beS einmal 33c* 
fcbulbigten bie 3cugfd)aftSleiftung über bie bcnfelben betreffenbe Xtyat felbft bann, 
wenn äufjerlid) oer©runb ber3eugfcbaftsbefretung weggefallen $u fein fcheint,— mag 
baS eheliche, fchwägerfcbaftlicbc Vanb fia) gclöft Vben, ober mag ber Vefcbulbtgte 
bereits rccbtSfräfttg abgeurtbcilt fein — follen nerroeigern bürfen. Offenbar 
will baS ©efefc 9liemanben in bie wibernatürlicbe 3roangSlage bringen, gegen 
fieb felbft als 2lngeflagten ober entgegen feinen, burch beftebenbe wie beftanbene 
Ghc, nabe Verwanbtfcbaft ober 6cbwägcrfcbaft begrtinbeten ^ntereffen unb ®e* 
füllen nacbtbeilige 3luSfagen abjulegen. 

Von biefem ©cftcbtSpunfte aus war aua) bie bei ber 6cbwurgericbtSoer* 
banblung ber (Sbriftvna @. am 18. 3)cj. 1879 gefdjebene Belehrung ber fluni* 
gunbe ©befrau bcS bereits oerurtbeilten 3Jtitangeflagtcn, über iljr 9lcd)t jur 
Verweigerung beS 3cugniffcS ber Vorfdjrtft beS §. 51. 3iff- 2- unD Slbf. 2. ber 
6t. ^roj. 0. oottf ommen entfprecbcnb , unb wenn Äunigunbe aueb ouf baS 
stecht ber 3cugfcbaftSentfcblagung oerjidjtete, fo t)incj c§ boa) gemäfc §. 57. ber 
6t. $roj. 0. lebiglicb oon bem richterlichen ©rmeffen ab, Tie unbeeibigt ju uer» 
nehmen ober ju beeibigen, ba, wie erörtert, ber %aü beS §. 51. 3iff. 2. ber 
6t. $ro$. 0. als VorauSfcfcung ber Slnwenbung bcS §. 57. a. a. 0. geaebcu 
roar. demnach fann in ber unbeeibigten Vernehmung ber 3 cll 9 in Äunigunoe 
roeber eine unriebtige 3lnroenbung beS §. 51. unb §. 57., noch eine Verlegung 
beS ©efe&eS im 6innc bcS §. 377. 3iff- 8. 6t. ^iroj. 0. erblich roerben. — 

9^irgcnbS im 6i|ungSprotofoIIe oom 18. S5ej|. 1879 ift fonftatirt, bafe 
Sioifcben ben im SBerathungSsimmcr ocrfammelten ©efehroornen unb anbern $er- 
fönen irgenb ein 3*crfef)r ftattfanb, ober bafi bie ©efehroornen oor 3lbgabe ihres 
6prud)eS einer weiteren Sclcbrung beburften unb folebe beantragten, roelcbe 
ihnen nom Vorfi^enben oerroeigert 'roorben fei, nad)bcm fic }u biefem 3wccfe in 
baS 6i^ungSjimmer juräcfgefcbrt geroefen feien. 

3roar bat ber Söorfi^cnbe nachträglich felbft $u ben 2lften fonftatirt, bafj, 
naebbem bie ©efchroornen eine gett lang im ©cfchroornenjtmmcr nerfammclt 
roaren, ein ©efchroorner in baS ScrathungSjimmcr beS 6cbrourgerichtS fam unb 
eine bie Slrt ber Slbftimmung betreffenbe ^rage ftclltc, baft aber ber ©orftoenbe 
benfelben fofort in jenes 3i«twe^ surücfroieS, bann felbft borthin aing unb ben 
oerfammelten ©efchroornen erflärte, bafj, roenn fic weiteren 2luf|cbluB ober 55c=- 
lehrung roünfcbten, fic in ben 6i£ungSfaal jurüefgeführt roerben müßten, worauf 
aber erflärt worben fei, man bebürfc feiner Belehrung ober 3luffd;lüffe, unb er 
fidj fofort wieber entfernte. 

3lflein in biefem Vorgange liegt weber ein Verftofj gegen §. 306. ber 
6t. $roä. 0., ba ja felbft naa) ber ßonftatirung beS Vorft^cnben bie ©efdjwornen 



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f 



Benthe« ©trafre^t ©rfcwttnific be8 9let<$«geri($t3. 155 

Feine wettere Seiehrung wollten, noch eine Serlefcuna, beä §. 303. 6t. $roj. 0., 
bcnn bcgriff3mäfeiq fann nur ein bie 6elbfiftänbigfett ber Serathung unb $e* 
fchlufefaffung bcr ©efchwornen gcfährbenber 2krfer)r aU Serlefcung beS ©efe^cö, 
auf welker bcu8 Urtljeil beruhe, im 6mne bc3 §. 376. 6t. Sßroj. 0. geltend 
gemalt werben. 9iun hat aber bie SHeoifion aufjer bcr allgemeinen Behauptung, 
baß ber $orfi&enbe im SerathungSjimmer ber ®efa)ioorncn gcroefen, nichts an* 
äufüfjren oermodtjt, unb aus ber Äonftatirung beS ^orfifcenben crt)cttt, bafe er 
feincSmegS in einer jur ®cfäl;rbung bcr Scratlmng ober Sefchlufefaffung bcr 
©efchwornen geeigneten SOBcifc ftd^ geäußert ober fich mit benfclben in Sterfebr 
gefefct höbe, folgliä) fleHt fich auch bie 9tüge ber SJcrlefeung beS §. 303. 6t. ^roj. 0. 
als unbegrünbet bar. 



§§. 267. 268. @t. (B. B. Hechiswibrigfeit bcr Tlbfic^t bei bcr einfädln 
Urfun&enfälfdmng; Jlichterfbr&erniß bes eingetretenen €rfolgcs eine» 
DermögensoortheUs bc5». eines Schabens als nottnoenbiges Jtlerfmal 
bes Derbrechens aus §. 268. St. (B. B. 

(Srf. beS L 6traffen. o. 12. gebr. 1880 c/a. Stau, woburch auf 9teoifton 
ber 6taat£anwaltfchaft bog freifprechenbe Sßorerfenntntfj aufgehoben unb auf 
3urücfocrtocifung ber ©ad)c in bie 3nftan$ erfannt worben ift. 



© r ü n b e. 

2>a$ angefochtene Urteil f^nt redfjtlidt) unbebenflia) bie SRatur ber betben 
auf ben Tanten be$ 50. auSgefMten $äftbcwiuMgungSfchcine als bciocl8crt)eblidhe 
^rioaturfunben, bie unberechtigte, fobin fälfehliche Anfertigung berfclbcn burch 
ben 2lngeflagten unb ben feitenS beffelben mm Swecfe ber Säufdmng bewirften 
©ebrauch ber gefälfdjten Urfunben feftgeftellt. Xrofcbem wirb bie ftreifprechung 
bc£ Slngeflagtcn bura) ben Langel einer rechtSwibrigen Stbficht nach §. 267. 
unb bcr im §. 268. beS 6t. ©. 8. befonbera bezeichneten rechtöroibrigen 2lb= 
ficht begrünbet. Sährcnb baS *)ßreu&. 6t. ©. §. 247. ben Segriff ber 
ftrafbaren llrfunbenfälfchung mittclft beS (SrforberniffeS einer 2lbfict)t, fia) ober 
31nbern ©ewinn $u oerfchaffen ober Slnbern einen 6chaben duftigen, ein* 
engte, oerlangt ba$ % 6t. ©. 53. im §. 267. roegen bcr ba3 öffentliche ^nter* 
effe nahe bertlhrenben, in bem SJtifcbrauche eines roidhtigen 93eglaubigung3mtttel3 
fich auöprägenben unb felbjtftänbig ftrafoaren £äufdmng junt Stfwtbeftanbe Der 
Urfunbenfälfchung im Allgemeinen lebiglich bie „redjtßwibrige" 3lbfid)t unb 
behanbelt bie 3lb|icht, fich ober 2lnbern einen Sermögen£oorthetl ju oer* 
fchaffen ober einem Snbern 6chaben zufügen, in §. 268. lebiglich aU «Strafe 
erhöhungggrunb. 

3ur einfachen llrfunbenfälfchung reicht baher j e b c bei Anfertigung unb 
©ebrauch ber tirfunbe obmaltenbe recbtSwibrige 2lbftcht beS ^^äterS aus. 

Utechts wtbrig aber ift bie Abficht, wenn bcr Söitten auf Herbeiführung 
eine« rechtlich erheblichen 3uftanbe3 ober SerhältniffoS fich richtet, welche ber 
2lngc!lagte m erjiclen bewufet unbefugt ift, wenn bie gefälfehte Urfunbc al5 
Nüttel gut Beeinträchtigung bcr fechte dritter benu^t werben foH. 

3)cufe in biefem 6inne bie ÜHech^wibrigfeit bcr Wicht im (Sinjelfalle an* 
genommen werben, bann ift bie nähere 9tatur berfclbcn, inabefonbere ber 
mangelnbe SSorfafe einer materiellen Schäbtgung bcr Scthciligtcn ober baö (Snb* 
el be3 3lngcflagten überhaupt, fei biefeS auch mit bem objeftio geltenben 
gefetelichen 3uftartb an fich oercinbar, für ben Shatbcftanb ocr Urfunben* 
Tälfctjung im Stllgcmeinen eben fo bebeutungSloS, afa bie etwaige Ueberctnftim* 
mung ber Urfunbe mit bem burch biefelbe beglaubigten 6aa)oerhalt. 



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156 3*iitföeS etraftt^t. ©rtewttuifie be$ 9lcid)ägcri$tS. 

®a« ©crtd^t ertärt nun in her oorlicgenben Sadje für erwtefen, e« babc 
„ber betreffenbe, bcn Sngef labten in feiner ©igenfebaft al« ©refutor fontro* 
lirenbe Beamte" burc§ Die ©inreidjung ber Urfunben „in ben ^rrtbum 
oerfefct werben follen, bafj bem Sa^ulbncr 2lu3fknb gegeben fei unb ba^er bie 
©refution *ur 3eit nid»t ju uoUfirecfcn", unb weiter, Angesagter tyabe bie $rifi< 
fdjetne gcfdjricben, um bie ©refution übet bie ijjm beftiramte ©refutionsfrift 
^inauSjuf Rieben. 

$ierburct) wirb alfo feftgcftellt, bafj ber Söitten be« Angesagten bei 2lu 
fertigung unb ©ebraueb ber beiben gefällten Urfunben auf eine 2äufd)ung 
be« betreffenben Gontrolbeamten — bamit aud> wot)l ba« bcn ©refution«auftrag 
ertyeilcnben ®erid)t« — ging. 

©ben fn'erburdtj aber würbe bie red>t«wibrige Abfielt naä) §.267. De« 
6t. ©. erfüllt, ba bie betreffenben Beamten ein 3led)t auf wabrbeit«* 
gemä&e SJtittbeilung ber auf bie ©refution bejügtieben ^erljältntffe Ratten unb 
Angeflagter biefen, auf bienftlidjen unb öffentlich re$tlid)cn Slücffidjtcn berufen- 
ben Aniprucb bcmujjt beeinträchtigte. 

3m Söiberfprud) mit biefer Auffaffung folgert ba« angefodjtcne Urtbcil 
au« ben bem Angeflagten befannten ungünftigen 2$ermögcnSumftänben be« ju 
cjcquirenben Scbulbner«, au« ber oorau«nd)tud)en ©rfolgloftgfctt einer fofort 
auf ben ganzen Sd&ulbbetrag gerichteten SMfirccfung, au« bcr Dem Angeflagten 
com ©laubiger eingeräumten Sefugnife, Jlatcnjablungcn 5u bewilligen unb au« 
bem Streben be« Angeflagten, möglichft oiel für bcn ©laubiger ju erlangen, ba« 
■Jtichtoorhanbenfein ber rcd)t«wibrigen Abflaut. 

AHe biefe Momente finb aber nach ben obigen Ausführungen ungeeignet, 
bie Mcd)t«wibrigfcit bcr Abftd}t bc« Angeflagten binwegjuräumen, bcr Xtyat bc« 
Angeflaatcn bcn ©baraftcr bcr Urfunbcnfäljcbung ju entstehen, meldte lefctere 
fpcjicll felbft bann bcftcljen bleiben würbe, rotte auch ber Angcf tagte nur ein 
falfcbe« $emci«mittel für eine an ftd) waf>re tyatfatyt IjcrftcUcn unb gebrauten 
wollen. 

3m Weiteren erfdjeint auch bie eocntueUe SSürbigung bcr bura) §. 268. 
be« St. ©. ö. bebro^ten qualiftjirten 31 rt ber Urfunbenfälfcbung, welche bem 
Angeflagten jur Saft gelegt ift, rcdjt&trig. $n öcn ©ntfd)eibung«grünben näm> 
lieb wirb mittelft bcr, bem unmittelbar uorbergebenben Safcc als; Unterteilung 
be« ©egentbeil« fieb anfd)liefeenben Raffung ber 2i>otte: „Aber fclbft wenn 
erwiefen wäre 2c." baoon ausgegangen, bafe, folltc etwa an (ich eine Urfunben* 
fälfdnmg mit rcd)t«wibriger Abficbt anzunehmen fein, fic bod) feine burd) 
§. 268. oorgefebene erfdjwertc Urfunbenfälfcbung barftellcn würbe. 

SUafür wirb nur gcltenb gemaebt, bafe 2lngcflagter feinen — red)t«wibrigen 
— Söortbeil „gebabt' 1 , einem Anberen fein iftadulKÜ ober SScrmögenSoortbeil 
„oerfdjafft, entftanben, zugefügt" worben fei. 2)a« Sanbgcrtcbt ftellt 
biemaa) ben eingetretenen ©rfolg eine« $ermögen«oortbeil«, bejw. eine« 
Schaben«, al« notbwenbige« 2fterfmal be« sBcrbrcdjcn« au« §. 268. auf, wäbrcnb 
btefc« ©efe^ nur be«balbige 2lbficbt al« ®egrtff«criorbcrnife ocrlangt. ß« muftte 
fobin, ba btc negattoe Sa^lufjfeftfieUung burdj irrige iHecbt«anfid)t wefentlid) be* 
cinflufet erfebeint unb be«balb mit bcr Darauf gcftüfctcn ^vreifpredjung nidjt 
befteben bleiben fann, ba« freifpreebenbe Grfenntni| aufgclwocn unb bie Sadje 
jur anberweiten Sßcr^anblung unb @nt)d)eibung äurüdoerwiefen werben. 

S)iefc ©rörterung wirD in«befonberc aueb bcn näheren ^nbalt be-S ©rc* 
fution«auftrage«, bic für SluSfübrung unb Uebcrwacbung ber £mlf«oollftrctfung 
beftebenben bicnftlidjen ^orfebriften, fowic bie bi«bcr nur angebeutete ?yragc ins 
Sitae $u raffen b«ben f ob etwa 3lngeflagtcr fid) cntfa)ulbbar jur Anfertigung ber 
Urfunben fubjeftio berechtigt erachtet f)abe. 



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$tutf<$e§ ©trafrcdjt. etfcttirtniffe tot« «ei*3fleric$te. 



157 



§. 385. 2ibf. 2. 6t. Pr<>3. 0. Un$utöfitöfeit ber KeDijlonebegrünbung 
mittelft einee Telegramme. 

©rf. be« n. Straffen. ». 13. ftebr. 1880 c/a. 9?eul>au3, rooburd^ bic 
Steoifion beS Slngefcfmlbigten prücfgetuiefen toorben ift. 



3)ic SReoifionSanträgc unb bcrcn Segrünbung finb jroar innerhalb ber 
gcfcfcUdficn fttift bei bem i'anbgericbtc eingegangen, allein fte finb in bie 5orm 
einer telegrapluidEjen £epefd)e gefleibet, roeldje' ber Sufttaratf) £>. an ben $or* 
fi&enben ber Strnffammer gerietet bat. (£8 reicht biefeS nid)t auS, ber &or* 
fa)rift be$ §. 385. 2Ibf. 2. ber 6t. $roj. 0. jjti genügen, fciernaa) mufj bie 
2tngabc ber toiuonSanträge unb beren Öegrünbung, foroett fie nidf)t ju Sßro* 
tofott be£ ©ericbtSfa^reiberä erflärt werben, nidjt bloS föriftlia) gefd^en, fon* 
bern biefe Schrift audj oon bem SBertljetbiger ober einem StedjtSanroalt unter« 
3eid(met fein. j)iefer ftreng formalen 3?orfd)rtft gegenüber, roeldjc bie bei 
S^riftcn biefer 2lrt geforberte Garantie für bcrcn §orm unb ^nlmlt lebiglid) 
in ber Unterzeichnung, alfo ber auf bem Original, mcld&eS an baS ©erid&t ge* 
langt, befinblit^en Unterfdjirift bc8 SfcrtljeibigerS ober 9kdjt3anroalt3 ftnbet, fann 
e3 nietyt ausreißen, bafj, roie e£ bei einem Telegramme ber %aü fein mürbe, 
baffelbe jroar bie Diaraenäuntcrfdjrift beS 2lbfenber8 trägt, biefe aber (ein Ort* 
ginal, fonbern an ber @mpfang£ftelle ber ®cpefd;c, unb jroar nidjjt einmal nou> 
roenbig auf ©runb einer bei ber 2lbfenbungSfitctte befmblid&en Originalunterfctyrift, 
gefertigt ift, baber bic ©etoäljr für bie ^bentität ber Sßerfon beS 2lbfenber8 nidjt 
bietet, meldte ba8 ©efefc in ber bem @cricf}t oorliegenben Originaluntcrfa)rift 
glaubt finben ju müffen. 



§§. 60. 66. 244. 6t proj. <D. Die fluefefcung bet Beeibigung eines 
§eugen in ber I}aupünftan$ unter ber 2lnnabmc t baß bemfelben unbe- 
bingt (Blauben $u fa>nfen t »erjlöjjt gegen §.' 60. 6t! Pro5. <D. 



@r!. be$ L Straff. 0. IG. gebr. 1880 c/a. 3Riru8, n>obur<$ bieföeoifton 
ber «StaatSamoaltfd&aft für begrünbet erachtet unb auf 2lufbebung be$ 5Bor* 
erfenntniffe« erfannt roorben tft. 



in ber #auptoertyanblung oernommenen ßeugen Ütf. unftattfmftetroeife unter* 
blieben fei. 

2)iefc ftüge tft begrünbet. 

9Jadf) §. 60. ber 6t. $roj. 0. ift jeber Beuge ju beeibtgen, fofem 
nidt>t ein im ©efefce oorgefefjener ©runb für bie Unterlaffung ber ©eeibigung 
uorliegt. 

2)a$ itonbgerid&t (jat jebod) in ber ^auproerfjanblung, nadfjbem e$ auf 
ben Antrag be« SerttjeibigerS befd&loffen Imtte, bie beeibigung be8 ßeugen 
bt£ nadO feiner 2>emef)mung auäjufetsen, au(^ nad^ ber le^teren bie Steeibigung 
m6)t oorgenommen, o^ne bic Unterlafjung ju bef^liefeen unb burdfj geftfteUung 
eine« gefefelia^cn ©runbeg $u rechtfertigen. @in foleber ©runb tft aud) fonft 
auä ben 3ttten nia)t erftc^tlic^. Somit erfd^eint §. 60. »erlebt 



© r ü n b e. 



© r ü n b e. 




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158 2)eutfc&e§ Strafre<$t (Srienntniffe be§ Wcid)«geric$t& 

3)ie Snnafmte, bafj baS Urteil auf btefer ©efefceSoerlefeung beruhe, 
ift um fo mefyr begrttnbet, als baS £anbgertd&t in feinen UrtbeilSgrünben im 
SBiberfprud) mit ber Semerfung, bie 6a)luf3fcftftellung gtünbe fid> lebiglidf) auf 
bie Angaben beS 2lngcflagtcn, audfj auf bie 2luSfagen beS 3^"9 C " 3W- $mfi(gtU# 
ber 6$ulbfrage ©ewidjjt gelegt $at. $aS ©erid)t l;at jwar beigefügt: „eS fei 
bem 3«igen, obwohl er nityt beetbigt worben, unbebingt ©lauben m fdjenfen", 
allein biefe ©rflärung fann, wenn aud) baS ©cridjt über baS @rgebni§ ber S3e* 
wetSaufnaljme nach feiner freien, aus bem Inbegriff ber ^erbanblung gefd)öpften 
Ueberjeugung ju entfd)eibcn fwt, um fo weniger in söetradjit fommen, als ber 
3euge im ^allc feiner Seeibigung fid) hätte ocranlafjt fefjen tonnen, anbere 9ln> 
gaben ju machen, bc^w. bie fd)on oon ihm gemalten ju änbern, mobur<h eine 
anbere ©ntf Reibung hätte herbeigeführt werben tonnen. 



§§. 275. 222. 223. St Pros. <D. riicfjtaue&cbnung 6er ^orm»orfd)rifi 
übet bie Untcruiajnung bee Urtbeile burd) bie mitwirtenoen Kitbter 
auf (BericbtsbcjAlüffe. — Begriff ber (Beridjtsftelle im Öinne bes 
§. 223. Qibf. 2. 6t pros. <D. — Bcfcbranfung ber Dertbelbigung 
bei nid)t erfolgter Benachrichtigung 6ee üertheibigere von bem Cermin 
3ur Derncbmung eine« geugen, toeil „foldje nid)t mehr möglich". Hiebt- 
ibentität bee lederen Begriffe mit „(Befahr im Üer3uge" im §. 223. 
et Pro3. <D. 

<£rf. fceS III ©troffen, o. 18. gebr. 1880 c/a. X^iemer, woburdj bie 
s Jtcotfton beS 2lnflefa}ulbigten für begrünbet erachtet unb bie 3urücfüerweifung 
ber 6ac$e in bie ^nftanj nerfügt worben ift 



© r ü n b e. 

Sie in ber StcoifionSbegrünbung ber Slngcflagten ©hefrau X. gegen bie 
formale ©üittafeit beS 23efd)luf|eS nom 4. 2)ej. v. & erhobenen Sebenfen ftnb 
unbegrünbet. ' S)cr bie fommiffarifche 3Jerncc)mung ber am (Srf feinen oerhin* 
berten dsntlafhmgSjeugen anorbnenbe ©eridjtSbcfäjlufj ift unterzeichnet: „$>aS 
©djrourgericht Tl." £)ajj ber Öefd^lufj nicht com Sorft&enben, fonbern com 
©ertöte gefaxt ift, err)ettt unmittelbar aus ber tlnterfdjrift. gür ein legales 
3uftanbefommen beS 33efd)iuffeS fprid)t bie $ermutlmng, unb feine 53efttmmung 
ber 6t Sßroj. D. forbert, bafr®erid;tsbefchlüffe oon allen befchliefjenben Richtern 
unterjeidbnet werben foUen. 6elbft für ben (fröffnungSbefchluf? ber Straff ammer 
ift eine foletye 5$orfdt)rtft nict)t gegeben, obwotjl fid> biefelbe gegenüber ben ©e* 
ftimmungen in §. 23. ber St. $roj. 0. »iclleicht empfohlen haben mürbe. 2)ie 
ftormüorfdjrift über bie Unterzeichnung beS UrtheilS burch bie mitroirfenben 
s Jtid)ter famt aber beim fte&lcn jebcS gefc^lid)en Slu^altS für eine auSbclmenbe 
'3lnn)enbung nid)t auf SÖefdjlüffe erfireett werben. 

2luc9 infoweit ift bie yteoifton ber X. unbegrünbet, als bie Slngeflagten * 
itid)t bei Söeme^muna ber 3eugin 20. äugejogen ftnb unb baS $$ernel)mungS* 
protofoll nid)t ben &ertf>eibigern norgelegt ift. Slngeflagte waren nerljaftet, 
Ratten ba^er naa; §. 223. 2lbf. 2. ber 6t. $ro$. 0. 9lnfpruc^ auf Slnwefenbctt 
nur bei folgen Terminen, weldje an ber ©eridfjtsftelle beS ^aftorteS abgehalten 
würben. S)ie 3^gin SB. ift aber ma)t an ber @erid)tsfxelle, baS ift ben für 
bie S^ätigfeit beS ©erie^ts beftimmten Räumen, fonbern in i^rer SBo^nung ner< 
nommen. S)aS girotofoll war ben SBertbeibigem aHerbingS aud) o^ne befonbern 
Slntrag uorsulegen. @S ift aber unerfinblid), ba§ bie 9ticl)tbeobachtung biefer 
^orfdjrift bie ^ert^eibigung in irgenb einer 2ßeife ^at benad)theiligen fönnen. 



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©eatfAeS «Straftest. ©rterattnifie fceS 9iei$$fleridf>tS. 159 

SDagegen hat bcr auf §. 223. 2ttf. 1. bcr 6t. $toj. geflüfete SReoiftonS* 
antrag für begrünbet erachtet werben müffen. &on bem am Sage oor ber 
6chwurgerichtS)i&ung oom 5. S)e$. anberaumten Sermine jur SBemehmung ber 
nach (Eröffnung beS ^auptoerfahrenS oorgefdjlagencn ©ntlaftung^jeugin 2& finb 
bie fertheibiger ber Ülngeflagten nic^t benachrichtigt roorben. 5Dte SSernehmung 
war am 4. S)ej. 3JiittagS wegen nachgewiesener &erl)inberung ber 3 eu 9 in wty* 
renb ber raupen SahreSjeit bef Stoffen unb foüte fo jettig ausgeführt werben, 
bafj baS ^rotofoll noch in ber Sdjimtrgeridjtöfu^ung uorgelegt werben fonnte. 
2)er UnterfuchungSttchter hat bie Vernehmung am 4. Sej. 3 U^r Nachmittags 
oorgenommen, bie Benachrichtigung ber 6taatSanwaltfchaft unb ber Vertheibigcr 
oon bem Sermine jeboch „als nicht mehr möglich" unterlaffen. 2)iefe &enaa> 
ridjtigung burfte aber nach §. 223. nur unterbleiben, wenn biefelbe „wegen 
©efaijr im f erjuge" untunlich mar. „©efahr im Veräuge" ift aber nicht gleich* 
bebeutenb mit „Aufenthalt für bie 6ad>e" in §. 191. 2lbf. 3. ber 6t. »roj. 0. 
2lugenfcheinlich hat fidt) aber ber UnterfuchungSrichter allein burch bie 6r* 
wägung beftimmen laffen, bafj bie Benachrichtigung ofme Aufenthalt für bie 
Sache nicht erfolgen fönne, benn ein SSerluft beS Beweismittels bei längerer 
3ögerung ober eine anbere ©efahr im Berjuge ift überall nicht angezeigt. SDem* 
nacb iflk ber Stertheibigung $u Unrecht bie tooefenheit bei bcr Beweiserhebung 
oerfchränft unb Sie Üftögltchfeit jur Ausübung beS tfrageredjts aus §. 239. 
Abf. 2 ber 6t. ^roj D. genommen roorben. 9iun haben §war Angeflagte biefen 
SBcrftofe gegen bie gefefeltche SSorfd^rift in ber $auptoerhanblung nicht gerügt, 
aud) einen S3ertagungSantrag nicht gefiellt. <qierauS fann jeboch in fchlüfftger 
Seife ein ftillfchweigenber Bericht um fo weniger entnommen werben, als eS 
an jeber BorauSfefcung für bie Annahme fehlt, bafj Angeflagte oon ber 95er«» 
lefcung ber betreffenben SSorfd^rift ober auch nur oon ber 9li<$tbcnad&ri$tigung 
ber fettleibiger Äenntnifj gehabt baben. 3 n legerer Besiehung ift tnSbefonbere 
barauf ^injuweifen, bafj bie Nichterwähnung ber Anwefenheit ber Bertheibiger 
in bem oerlefenen ^rotofoUe nicht aud) erfennen läfct, bafj bie Benachrichtigung 
unterblieben war. 6eitenS ber Bertheibigung ift jwar ebenfalls in ber §aupt= 
uerlwnblung ein Antrag auf Vertagung unb auf SiUcberholung ber Bernehmung 
nicht gcftellt. 5Diefe Unterlaffung ber beftellten Bertheibiger fann aber ben 
^Rechten ber Angesagten nia)t präjubijtren. (Sine Teilung beS oorgefaflenen 
BerfehenS liegt mithin nicht oor. Anlangenb aber ben 3ufammenj)ang ber 
Unterlaffung mit bem Urteile, fo ift ein folcher jwar nicht erfid^tlid^; eben fo 
wenig fann aber behauptet werben, bafc fid^ ntdjt oaS Stefultat ber SSeme^mung 
burd^ geeignete g ra 3 en ber SBertljeibigung geänbert unb biefe 2lenbcrung auf ben 
3ßa^rfpru§ ber ®efdf>women oon ©influfe gewefen fein würbe. S)ie SKöglid^feit 
ift temenfaß3 oon ber ^anb ju weifen, unb fie aenügt gegenüber ber gefefc* 
wibrtgen ©efd^ränfung ber SSertfjeibigung ^ur 2lufljebung beS urt^cilS. 2e$tereS 
war aber nid^t nur in 3lnfel)ung ber ß^efrau fonbern auc^ in Slnfe^ung beS 
(SfjemanneS X. auWeben, welker in feiner s JteoiftonSbegrünbung ebenfalls 33er* 
le^ung bcr §§. 222. unb 223. ber 6t. $roj. 0. rügt. SlUerbing« Ijatte aUein 
bie e^efrau X. bie Sabung ber 3 eu 9 in SB. erbeten. S)er eröffnungSbcfd^luB 
^atte aber bie Silngeflagten ber gemeinfchaftlid^en SBranbftiftung Ijinreiäcnb oer^ 
bärtig erflärt, unb bie @f)eftau X. hatte in bem 2lntrag auf Sabung ber 2ö. 
als Xtyatfafytn, weld^e biefelbe befunben werbe, folc^e bezeichnet, welche jur Gnt^ 
fräftung ber auf Sranbftiftung gerichteten Slnflage überhaupt bienen follten r 
nicht etwa nur auf ü)re eigene ^öetheiligung fich bejogen. Sei biefer 6achlagc 
aber fehlt es an jebem jureichenben ©runbe, bie für ben gaU ber fommiffarifcheti 
3eugenoemehmung jum 6rfa^ ber ©eftimmungen über bie SemeiSerhebung in 
ber $auptoerhanblung gegebenen Sorfchriften allein in Slnfehung beS Slngeflag* 
ten ju beachten, auf beffen Eintrag bie Labung erfolgt war. 3)er 2Borlaut ber 
§§. 222. unb 223. bietet für eine foldtic 2luffaffung überaU feinen Inhalt, 



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2)iefe Sefrimmungen fpredfjen allgemein von bem gafle, roenn bcm @rfd&etnen 
eine« 3eugen * n DCt &auptoerl)anblung §inberniffc entgegenftefjen unb unter«» 
f Reiben nid>t, ob ber ,8euge von 3mt« rochen, von ber Staatöanroaltfdjaft ober 
auf Antrag be« ober eines ber Slngcflaaten be$ro. unmittelbar gelaben roar. 
■JRitlnn mufjte au$ ber SBert&eibiger be« Slngcflagten %. von ber Sernefjmung 
ber 2B. in ßenntnife gefegt werben. S5ie Unterlaffung biefer *Benad(jrid)tigung 
läfet ba&er auc^ bie oon %. auf §. 223. ber 6t. $ro$. D. geftüfete 9teotfion be* 
grünbet erfd&einen. 



§. 10. 2lbf. 2. bes inarfenfAuV®. 30. Hot>. 1874. Begriff bee 
freien ©ebrauoje einee IDaaten^eiajene im ginne bes §. 10. Qlbf. 2. 
bes martenf^u|i-(B. v. 50. Tlov. 1874. 

(Srf. be« I. ©traffen. v. 23. $ebr. 1880 c/a. $ürcn, rooburdf) bie 9te* 
nifion ber (Staatöanroattfdfmft für begrünbet cracfjtet unb auf gurütfoerroeifung 
ber 6ac!)e in bie 3nftanj erfannt roorben ift. 



© r ü n b e. 

$>te $retfpredf)ung be« Stngeflagtcn (oon ber Sfaflage be« SSergefjenS 
reibet §. 14. be« SMarfenfcbufcgefefee«) unb bie SIbroetfung ber Diebenflagc frühen 
fic^ auf bie Slnnafjme, e« liege bie 33orau«fefcung be« §. 10. 9lbf. 2. be« ©efcfeeS 
oom 30. 5Rot>. 1874 über ben 9ttarfenf<$u& nor. 2)tefe Slnnaljme finbet jebod) 
in ber tfjatfädjlidjen ^eftftellung, bafj ba« 3Baarenaei$en, wegen beffen ©ebraucfye« 
ba« 6trafuerfat)ren gegen ben 3tngcflagten eingeleitet roorben, „fä)on feit bem 
3at)re 1857 in $eutfd)lanb t-on ben ftabrifanten ber fraglichen 2Baare allgemein 
gebraust roorben ifl," feine genügenbe ©runblagc, ba biefe Sefrimmung einen 
befianbenen freien ©ebraud) oorau«fet$t, batyer nicljt anroenbbar x% roenn eine, 
fei e« audjmeljr oberminber groBc^l oon ©eroerbtreibenben mifebräucfjliä) 
ba« befonbere SBaarenjeid^en eine« einjelnen ©eroerbtreibenben für ©rjeugniffe 
ber gleiten ©attung gebraucht f>at, wie benn au cf) bie 9J?ottoe ju biefer ©efefce«* 
beftimmung bartbun, bafj fie ftä) nur auf geroiffe non 2Uter« tytt übliche ober 
bergebraebte SBaarenjeid^en bejieljt; nadf) biefer Stiftung aber mangelt eine tljat* 
fä$li$e ftefijteUung. 



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fiteratur. 



.^al)tbud) ber bcutidjcn ©ertdjtSnerfaffung, f>erau$gegeben 
auf SBeranlaffung beä 9teia>8*3ufti3amte8 von @arl $faffenrott>. 
©erlin, Garl §e«mann'3 «erlag. 1880. 35 2Jog. 

2>affelbe jcrfäat in jroei Steile, beten erfier bie Äui&füfjrungSbeftimmungen 
ber $unbe8ftaaten jum s Ma>8*©erid)t3Derfaffung^efefc, inSbefonbere über bie 
©inrt$tung ber ©eridjte unb bie fted&täner^ältniffe ber Stifter, bie Serträge 

Sjifc^en ben Sunbeäfkaten über @eria)t«gemeinf haften, ©efhmmungen über bie 
orbereitung unb Prüfung jum 9Hd)teramt, eine Ueberfiajt ber ©efolbungSoer* 
Ijältniffe ber Md&ter unb Beamten ber ©taat3anroaUfa>ft, öer 9knjton3öerf)ält* 
niffe u. f. m. enthält, roäf)renb ber jroeite nd) mit ber Organifation ber oberfteu 
3uftianerroaltung8'93et>örben unb fämmtli$er beutfd&er @eridi)te befa>aftigt unb 
neben einem s Jted)t$anroaltS* ein OrtSoeraeidmife aufweift, in meinem für jebc 
Ortfdwft bie entfpreajenbcn ©erid)t3bef)örben, ©eroü&flaffe unb ba« etwaige 
3Borf)aubenfein einer fjityeren fie^ranjlalt unb ©amlfon angegeben ift. @o fetjr 
aud) ber Jletfe beS §errn SBerfaffer« bei §erftellung be$ SScrfeS anjuerfennen 
ip, fo bürfte boa) ein 2Rangel I>ert>onul)eben fein, beffen 3?ermeibung aUerbtngS 
ba& $u$ ju einem nodfj tompenbiöferen gemalt l)n ben mürbe, nämlidf) ba3 
$cf)len ber 9lnfiu)runa, ffimmtltqer riAterlia)en ©eamten ber einzelnen @eriä)te. 
ylamentlia) genannt finb nur bie ^räftbenten, Sttreftoren unb erften ©taatSan- 
roalte, wetyrenb baS SHcd&tSanwaltSüeraeic&mfi eine ooDftänbige fiifte bringt. $>a« 
im Sureau beS Suftisminifterii rebigirte Sa&rbud) ber ^reujjifd&en ©eridbt*« 
oerfaffung enthält bagegen aud) bejügliä) ber ridjtcrlidjcn ^Beamten ein ooUfiän* 
bige3 Serjeid^niB. ©leid&wotyl muß ba« oorliegenbe äöert immerhin als bebeu* 
tenbe Seiftung anertonnt merben. 

$)ie ©efängnifenerbefferung unb ber ©trafoolUug im 
$eutf$en SÜfetq non Äarl gulba, ßanbgeric^törat^ in SWarburg. 
9Rarburg. 9t. @. <£lwertfa)e »erlagabua)&anblung. 1880. 56 Seit 

2)er SBerfaffer biefer fteinen 33rod^üre ifl ein unermüblid^er $8orfämpfer 
für bie ©efäugnifwerbeff erung ; feit langen ftaf>ren eingeljenb mit bem ©tubium 
biefer brennenben ^rage bef&äftigt, fjat er bereit* mehrere SHbfwnblungen über 
bie ©efängnifjreform gef abrieben unb in ber gegenwärtigen fid^ entf dneben für 
bie päbagogifdjen ©runbfäfte be8 ßrofton'fAen ($rogreffw*) ©nfiem« au«gefproa)en. 
©o bebeutenb aber aud& oa$ SBerbtenfi (SroftonS genannt werben tonn, unb wie 
Diel aud; auf feine 9te<$nung binfidjtlid; ber Serbefferung ber troftlofcn £age 
be3 früheren ©efängni&roefen« ju fefcen tfi, fo tonn er bo<$ nid&t, roie ber $err 

Kr^ie 1880. ». $eft 11 



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\ ß2 StUtatur. 

35erfaffcr rotll, für ben eigentlichen (Srfinber be* ^Srogrcffiofpflcm« gelten, jumal 
fidj fcfion in ben firchlichen ^önitenjien be* ÜJtittelalter* beutliche Spuren jene* 
Softem* oorftnben. SDajj ferner ba* *ßaffiren ber oerfclnebenen 3roifcf>en* 
anftalten feiten* ber Verbrecher im 2fllgemeinen roefentltchen (Sinfluf? auf beren' 
moralifdje Vefferung au*juüben oermag, möchten mir bem .§erm Verfaffer eben* 
fall* nicht ohne Söettere* mgefiehen, roie wir auch nicht geneigt ftnb, anjuerfennen, 
bafj ba* Sfteijügigfeit*gefefc unb bie ©croerbefreiheit ben ipauptantheil an ber 
3unahme ber Verbrechen Oabe (S. 33). 9Jtag auch augegeben werben, bafj 
religiöfer 3nbifferenti*mu* oiel baju beizutragen im Stanbe fei, bie 3^1 ber 
Verbrechen ju oermehren, fo fchetnt boch bie oom £errn Verfaffer betonte (Snt* 
chriftlichung Berlin* (S. 40), roo nach feiner 3tnna|me oon einer Million (Sin* 
roofjnern faum 15000 an bem öffentlichen ©otte*bienfl tbeilnefnnen, minbeften* 
auf einem ftarfen Rechenfehler zu beruhen. (Sine ert;ebltc^e Entlüftung ber 
©efangenenhäufer mürbe übrigen* nach be* Verfaffer* Meinung eintreten, 
menn jeber zum britten 2M befhafte Verbrecher leben*länglich ber Hufjenroelt 
entzogen unb in ein 2lrbeit*hau* eingefperrt mürbe. S)a bemnächft bem 9leid)** 
tage ber Entwurf eine* 9leiä)*gefäna,nifegefefce* zur Verathung zugehen wirb, 
fo fann bie oorliegenbe 2Ibhanblung immerhin al* empfel)len*wcrthe* Material 
bezeichnet roerben. Schließlich fei noch erwähnt, bafj ber Verfaffer bie Elifion 
oon Ehrenfrrafen unb ^olizeiauf ficht au* bem St. ®. V. oerficht, wogegen zu 
bemerfen ift, bafj ber ÜJtafel, meldten ein entehrenbe* Verbrechen unb 3ucbtl)au* 
zurücfläfjt, zeitleben* in ber öffentlichen ÜJleinung auf bem entladenen Sträfling 
al* unau*löfchliche Vranbmartung zu laflen pflegt, wäljreub anbererfeit* trofc 
be* ©trafooUjuge* burdt) 3folirhaft ober mittelft be* 3^1*^en Softem* fdfjroerlia) 
bie polizeilichen Ueberwachung*mafjregeln für gerotffe Kategorien oon Serbrechern 
gänzlich befeittgt roerben fönnen. 

$)ie SReformbcbürfttgfeit ber Unterfuchung*haft. Von Dr. 
211 oi* 3 U£fcr » Q - °- vtofcffor an ber Unioerfität $rag. Verlag 
oon SDominicu*. 186 Seit. 

$)er £err Verfaffer, roelcher fich bereit* früher burch fein 2öerf „®te 
Unterfuchung*haft oom Stanbpunfte ber öfterr. Strafprozefjgefefcgebung" al* 
Reformer befannt gemacht hat, tritt in ber gegenwärtigen, äufjerft beachten** 
roerthen ÜJionographte al* ein entfehiebener Verfechter ber Slbfchaffung refp. 
roefcntliä)en Veeinfchtünfung ber Unterfuchung*(mft, biefe* nach feiner 3lnfid;t 
Zur 2lu*übung ber ©erechtigfcitSpflcge nufelofen Hebel*, auf, unb entroicfelt bie 
Unhaltbarfeit oe* bi*hericjen Sujtem* an ben einzelnen, feine 3uläffigfeit geftatteu* 
ben fällen be* öflerreichifchen, beutfehen, franjöfifchen unb englifchen Strafrecht*. 
Sieht er (S. L9) in ber Verhaftung eine* Verbrecher* auf fr if eher Xtyat nicht* 
Slnbcrc* al* bie Sufl nach fofortiger Vergeltung, welche* SWotio boch roohl nidjt 
al* ein eyclufio jutreffenbe* ju bezeichnen fein bürfte, fo roünfcht er biefelbe 
auch in ben fällen ju befeiti^en, in welchen ber gegenroärtige 9lecht*zuftanb ihre 
Vcrhängung roegen ber ©röfje be* begangenen Verbrechen* rechtfertigt, ftn 
biefem fünfte fönnen wir mit bem £errn Verfaffer nicht übereinftimmen, benn 
ba« Vegehen gewiffer Äategorien oon Verbrechen fann, auch wenn fein flucht* 
oerbacht ju fonftatiren roäre f nacb unferen $Kecf)t*anfchauungen nicht getrennt ge* 
bacht roerben oon ber foforttgen ^nhöftwahme be* £häter*. 6* ift alfo roohl ein 
etroa* allju ibealifiifcher Anflug oon Humanität, roenn ber Serr Verfaffer meint 
S. 30), bafe fogar ber ÜWörber unter Umftänben im Saufe ber Unterfuchung 
eine Freiheit ohne Abbruch für 2Bof)l unb stecht be* ©anjen genie&en fönnte. 
Vei roettem mehr mufe bagegen ber Vorfchlag ber möglichen Slbfürjung ber 
©oUufion*haft 2lnerfennung beanspruchen, ©ine befchleunigte Unterfuchung roirb 
jebenfall* oiel jur Erreichung biefe* 3iele* beitragen, äbfolut unentbehrlich 
roirb bagegen naa) unferm ©rmeffen bie 6oaufion*haft gleichroohl nicht roerben, 



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«fcrriur. 163 

roenngteid) äugegeben werben fann, ba& es in i^rer Ijeutigcn £orm oftmals bcm 
fubjcftioen (Srmeffen eine« (Sinjelnen überlaffen bleibt, bort bte 2tbftd>t bet S3er* 
bunfelung $u wittern, roo feine 3 nur einer foleben anzutreffen ift. ^a3 bie 
Unteriudmng£lmft al£ ©träfe beS ^rojefeungeijorfamS betrifft, fo wirb in bem 
^uc^e bte }roang$roeife «Stellung beS Verbädjtigten jum «erhöre nl£ Littel jur 
materiellen 2Ba$rbeit£erforf(!umg als gered&tfertigt erachtet, unb bemnädrft bie 
grage einer eingeljenben Erörterung unterjogen, ob bie Unterfud)ung8f)aft wegen 
gluc&toerbadjtS aufredjt ju ermatten fei. SBir müffen bem $errn 33erfaffer in 
biefer 8e}iefjung beipflichten, bafj, toenn biefer <paftgrunb überhaupt in ftrage 
fommt, es in jebem fonfreten ftaHc einer genauen ©rröägung ber für ober gegen 
ben eoentueUen ftluc^toerbacbt Tpredjenben ©rünbe bebarf, feineSroegS aber eme 
generalifirenbe üftorm nad& biefer Stiftung Inn juläffig fein barf. 6e^r be^erji^ 
genäroerthe 2Öorte finben ftd) in bem bie (Sautioro&frage betreffenben ftapltel, wie 
benn audj bie oon bem öerrn Scrfaffer aufgehellten s Jteformüorfdjtäge bejügltd) 
ber 9Jlobtftfation unb 3JoUjiel;ung ber UnterfudnmgSlmft lebhafte« ^ntereffe roaä> 
rufen. s )?ur fo roeit mürben mir ntdjt getjen, ber Empfehlung be3 §au3arrefk£ 
ftatt ber Vert)ängung ber Unterfud&ungSljaft baS 2Bort ju reben. Von ber 
©cfyroierigfeit unb Äoftfpieligfeit ber SuSfü^rung einer folgen Maßregel ganj 
abgefe&en, mujj bie leiste glu^tmögliajfeit, bie inbeffen ber £err Verfaffer be< 
ftreitet, inbem er aud) für ben ern)tli<$ $lief>enmottenben bie ©efängntfjmauern 
al$ fein genügenbeö föcmmnifj eraajtet, in erfter &intc in tfrage fommen. £)afj 
ferner für bie Einführung einer bcm S3iUigfeit3prtnjip entfpred)enben Entfd&äbi* 
gung für eine bur# bie UntcrfudumgSljaft in geroiffen fällen berotrfte ©ä)äbigung 
be3 ErroerbcS be3 Vefcljulbigten plaibirt wirb, entfpric^t bem allgemeinen 6taiü> 
punft be3 VudjcS. 2)ie SSärme, mit melier in biefem fünfte in bie SiSfuffton 
getreten roirb, wirft roofjltfnienb, roenngleiä) nidjt ju oerfennen ift, bafe root)l 
nodj eine geraume fyit »ergeben bürgte, e&e fid) ber Staat bereit finben 
wirb, auf bie angeregte $bee einjugefjcn. Gin befonbcrciS ©eroidjt roirb in 
ben 6d)lufjfapiteln barauf gelegt, ba& bei ©urd&füljrung ber reformatorifd)cn 
^rojeftc beS öerrn ^crfaffcrS bie Vcfdjlufjfaffung über bte Vornafmte ber Unter* 
fud)ungSf)aft forool)l, roie bte Scttung ber gcfnmmten Vorunterütdmng au£ ber 
$anb beö Unterfudjung8rid)ter£ genommen unb in bie be$ ©taatsanroaltS gelegt 
roerben müfete. s Mx müffen uns beä StaumeS l;alber enthalten, auf ben mit 
befonberer ©djärfe bei Urteils oertretenen ^oeengang beS fierrn VerfafferS 
etnjugefjen, glauben aber, ba§ berfelbe nad) mef)r roie einer Wartung als be* 
a$ten3roertl) anjuie^en fein bürfte. 

©tatifHf ber jum 9teffort be$ 2ftiniftertum3 bcS ^nnern 
gefjörenben ©traf* unb ®efangen>2lnftalten pro 2lpril 
1878/79. SBerltn 1880. ©ebrueft in ber SteidjSbrucferei. Äommtf^ 
fton^uerlag oon 3Karquarbt & ©d;encf. %o\. 308 ©eit. 

SDaä in jroeijä^rigen 3citinteroallen erfd^einenbe SBerf jerfällt in eine 
erläuternbe lleberftajt, ftatiftifa^c Tabellen unb einen Slnfwng, ent^altenb bie feit 
ber ^ublifation ber legten ©tattfttf ergangenen 6ircular*9leffripte. S)a baffelbe 
feine alljugrofee Verbreitung ju finben pflegt, fo f)eben roir na4)fte^enbe 3)?tt* 
iljcilungen auS> i^m 3ur 5tenntnifinaf)me ^erauS. 

I. ©efangenperfonal unb 33croegung beffelben. SJetinirt roaren 
bei Seginnn beä ^a^re« 1. Sprtl 1878/1879: 22435 SWänner, 3787 SBetbcr, 
ber Zugang im «aufe beS $al)re$ betrug: 84411 3Jiänner, 21842 Leiber, ber 
2lbgang: 82985 ü«änner, 21678 2öeiber. ©eftiegen ift bte ©efammtsafjl ber 
S)etinirten gegen beß 3a\)t 1. Slpril 1877/78, in roeldjem fie ftd) beziffert auf: 
100212 Banner unb 24866 93eiber, um 6634 Männer unb 763 2öeiber. ©eit 
ben legten 8 3<M>«u oon 1871 bti 1878/79 ergiebt ftd) eine ^unaljme ber Se- 
il* 



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1 64 fittewt«. 

tinirten um 13,3 pGt. Uebereinftimmenb mit bicfet ftotifiifd&en geftftettung fmb 
nach bcn im 3- SR- 331. oeröffentlicbten 3ufammenftcllungen in bcn naajfteljenben 
Sauren Untetfucbungen eingeleitet worben: 1871: 88233. 1872: 102077. 
1873: 104878. 1874: 120400. 1875: 120061. 1876: 133734. 1877: 145587. 
1878: 155326-. @S (mben atfo bie neu eingeleiteten Unterfucbungen in bcn et* 
mahnten Safyxtn um 76 p@t. zugenommen, unb jwar wegen ©eltfte gegen bie 
öffentliche Drbnung um 67 pGt, wiber bie ©ittltcbfeit um 148 p$t, wiber ba£ 
Seben um 118 p@t. ; barunter SWorb unb Sobtfcblag 143 p@t., aus (Sigennufc 
um 49 p@t., wegen gemeingefährlicher S)elifte (Vranbftiftung) um 67 p(£t. $n 
ben beenbeten Unterfucbungen waren ^erfonen im 2lltcr »on weniger al£ 18 fahren 
angefchulbigt: 

1869 1870 1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 
6615 5766 7985 8806 8274 10652 9578 10839 12349 13318 

demnach ergtebt bie 3 una ^ me oer beenbeten Unterfudjungen gegen 
jugenbliche ^erfonen 101 pSt. 

t Seamtenperfonal. 2lm 31. 2)törj 1879 fungirten im ©anjen 2117 
Beamte an ben oerfebtebenen ©trafanftalten. Von ben 37 SDireftorcn gehörten 
25 bem Offtjicr* unb 7 bera Unteroffijierftanbe an, wäbrenb uon ben ^nfpeftoren 
unb ©efretairen 46 refp. 113 aus biefen beiben 6tänbcn übernommen roaren. 

II. Verpflegung ber ©efangenen. 3fm ©efammtburchfdmitt be* 
trugen bie VerpflegungSfofien pro Äopf unb VerpflegungStag : für ©efunben* 
»crpflegung 32,25 $f. gegen 33,41 in 1877/78 unb für Jfranfenoerpflegung 
44,23 <ßf. gegen 46,37 $f. in 1877/78. 3m täglichen Storcbfchnitt würben 
24635 gefunbe ©efangene oerpflegt gegen 23385 in 1877/78, wäbrenb Äranfcn* 
fofl 1962 ©efangene aegen 1805 in 1877/78 erhielten. £)ie Vergünftigung, 
einen Xt)eil be« 2Ir beitönerbicnft * Slntbcil« jur Verbefferung ber Verpflegung 
r-erwenben ju bürfen, genoffen 27818 ÜJtänner unb 4338 ÜBeiber. 

III. 21 r b ei t «betrieb. Vefchäftigt würben 88,38 pGt. ber 2>etinirten 
gegen 89,33 pGt. im ^ahre 1877/78, unb jwar 29,64 p6t. für ben eigenen 
Vebarf ber Slnftolten (2«,69 pGt. in 1877/78), 1,58 pGt. für eigene Rechnung 
ber 3lnftalten jum Verlauf (1,87 pGt. in 1877/78), unb für dritte gegen fioljn 
68,78 pGt. (69,44 p(St. in 1877/78). $)er Vrutto*2trbcit8crtrag bei ber 
Vefchäftigung für Rechnung dritter gegen £of>n betrug 2579885 31 $f. 
(2649324 W. 42 9Jf. in 1877/78), ber ftetto*2lrbeitSertrag 2231353 m. 
79 *Pf. (2288895 Wl. 40 *flf. in 1877/78). Verbienftantbeile würben ben ©e* 
fangenen gutgefchrieben 427017 m. 46 <ßf. (437575 2H. 44 $f. in 1877/78). 

IV. Schul* unb Religionsunterricht fowie Sibüotbefen. 2lm 
Schulunterricht nahmen ZtyciU 7194 männliche unD 1363 weibliche ©efangene, 
im ©anjen alfo 8557 (8246 in 1877/78). SDer Vücherbeftanö ber Vibliotbefen 
betrug 178047 (174144 in 1877/78). 

V. Sfolirung. $er 3folhrhaft würben unterworfen 9121 Männer unb 
1274 Söeiber ober 7,85 pCt. ber ©efammtjabl ber fcetinirten (7,83 pGt. in 
1877/78). 3m fortlaufenben $urcbfcbnitt erftreefte fich bie Sfolirbaft auf 12,96 
pSt. (13,22 p(£t. in 1877/78). (Sinjeljcllen mr ^folirung bei Sag unb Wacht 
waren 3788 oorhanben, wäbrenb bie 2lnftalten weitere 3479 ^folirfchlafjellen 
befafeen. Vejügticb ber 3ud)tl)au3gefangencn hatte bie $auer ber Sfoltrung bei 
598 Männern unb 14 SÜBeibcrn weniger al£ 4 SBochen, bei 7 ÜKännern über 
6 3af>re betragen. 

VI. J)ij8jiplinarbeftrafungen. S)iSjiplinarifch beftraft würben 16651 
9)iänncr unb 2690 SBciber, unb jwar wegen Unbotmäfjigfeit unb 2Biberfeßlichfeit 
6177 HRänner unb 826 Leiber, wegen Vergeben in Ve$ug auf ben Arbeits- 



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Sittratur. X65 

betrieb 4934 SWänner unb 1243 SBetber unb toegeit anberer ©ergeben gegen 
bie fcauSorbnung 19966 2J?ämter unb 4070 SBetber. $ie »erhängten ©trafen 
beftanben bei 9596 HJfännern unb 1824 SBeibern in Gmtjiebung ber Äoft ober 
ber SDiSpofition über ben SlrbcitSoerbienftantbeil, bei 21278 Scannern unb 4302 
SBeibern in etnfamer (Sinfperrung in einer StrreftyeUe mit unb ol)ne (Sntjietyung 
ber Äoft ober ber SMSpofttion über ben SlrbeitSücrbtenftanttyetl, bei 83 Scannern 
unb 13 SBeibern in Sattenarreft (1876 in 126 unb 1877/78 in 104 fällen), unb 
bei 120 männlidjen .Aw&tfjauSgefangencn in förperlidjcr 3ft$tigung (1876: 138, 
1877/78: 102). 8fa|er ben burä) Mofje $tSäiplinarfrrafcn geatjnbeten ©ergeben 
famen no$ 48 ftäüe (1877/78: 29) gerid)tlia)cr ©eftrafung wegen roäfjrenb ber 

foft oer übten 5Delifte oor, unb smor jagten ju teueren 24 ^Meutereien unb 
3HajeftätSbeleibigungen. 

VII. Äorrefponbenj unb ©efuctye. 3)ie eingegangenen ©riefe be* 
Differten fia) auf 90259 (1877/78: 83612), bie abgefaßten auf 78043 (1877/78: 
73655). ©efucfce fanben ftatt 18743 (1877/78: 19008). 

TOI. ©efunbfKitSjuftatib unb Sterblid&fett. $)er S)urd&f<i)mttS; 
beftanb an tfranfen fieUte fieb jur $ur(bfcbnittSfopfftä'rrc auf 4,10 p(R, (1877/78 
auf 3,80 pGt.). 2)ie ungünftigfien ©erf)ältniffc an Äranfen jeigten ©erlin 
(Stabtooigtet): 12,02 p(£t., ©orlifc: 8,78 p£t. unb §alk: 6,32 piZL, toäljrcnb 
im 3af>rc 1877/78 Simmern 9,38 p(St., ©örlifc 8,92 unb .fcalle 7,12 p@t. auf- 
roiefen. 2)te günftigften Proportionen ergaben 

Saarbrücfen mit 0,64 p<R gegen 0,90 pGt. 1877/78, 
tfaugarb „ 1,29 „ „ 1,20 „ 
$amm „ 1,37 „ „ 1,28 „ „ 

$ie 3abl ber ©efiorbenen betrug 569 Männer unb 85 SBeiber ober in Projenten 
2,44 gegen 2,45 in 1877/78, rocujrenb im ganzen Staate im %atyct 1878 oon 
100 Sebenben etwa 2,75 pGt. flarbcn. 9toturli$en £obeS ftarben 559 9)tänner 
unb 84 SBetber, bura) UnglücfSfälle 1 HRann, burd) Selbfhnorb 9 3Jlänncr unb 
1 SBcib. ©on ben einzelnen Slnftattcn Ratten biejenigen $a Simmern unb 2tn* 
bernacb feine SobeSfäüe, roäbrenb in ben übrigen Strafanftalten ber pvojentfafc 
ber ©eftorbenen uon 1,07 bis 3,97 oariirtc. $ie fiärfften Proportionen fanben 
ftatt in Sauer: 4,94 pGt., SBartenburg; 4,56 p£t. unb ftorbon: 4,22 pGt. 
Sungen* unb S)armpl)t^ifen foroic anbere gönnen oon Suberfulofe bilbeten ben 
ftauptprosentfafc ber ©erworbenen: 49,73 pGt. üflänner unb 46,43 pGt. SBeiber 
(1877/78: 50,81 refp. 57,66 pGt.). ®ie größte Sterbltajfeit jcigte baS ^cbciiö- 
alter jroifd^en 30 unb 40 Satyren: 193 aKänner unb 33 SBetber, ober 34,53 
refp. 39,29 pGt. (1877/78: 28,54 refp. 36,04 pßt.) unb bann baSjcmge puffen 
45 unb 60 Sauren: 160 Scanner unb 18 SBeiber ober 28,62 refp. 21,43 p(R 
(1877/78: 32,19 refp. 27,03 pGt.), tuäbrenb im «Itcr oon 16 bis 20 Sauren 
nur 10 gjlänner unb 1 SBetb, alfo 1,79 refp. 1,19 pGt. (1877/78: 1,01 refp. 
0,90 p(R) unb unter 16 galten nur ein männlid&eS Snbioibuum f tar b. 
ntger als % %a1)t betrug bte $aft bis sunt XobeStage bei 107 Sönnern unb 
13 SBeibern ober 19,14 refp. 15,48 pGt. (1877/78: 17 21 refp. 10,81 pGt.), 
über % bis 1 Satyr bei 97 Üttannem unb 14 SBeibern ober 17,35 refp. 16,67 
pGt. (1877/78: 19,23 refp. 12,61 pGt.), über 2 bis 3 ^atyre bei 140 3Rännern 
unb 22 SBeibern ober 25,04 refp. 26,19 pGt. (1877/78: 22,27 refp. 34,24 p<£t.), 
über 15 Safjre bei 11 Scannern unb 2 SBeibern ober 1,97 refp. 2,38 p6t. 
(1877/78: 1,01 refp. 0,90 p(R). £n ©eifteSfranfbeit oerficlen in 23 2tnftalten 
(gegen 13 in 1877/78) 53 Männer unb 13 SBeibcr (gegen 22 refp. 11 in 
1877/78). «Die Sfletynabt biefer (Jrfranften, 27 äflänner unb 8 Söetber, befan* 
ben ficty im 2llter sioifdjcn 30 bis 45 S^brcn, unb siuar betrug bie ^aftbauer 
bis aum 2luSbruc^ ber Äranfeit bei 22 Scannern unb 10 SBeibern ober 41,51 



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Ififi öitcratar. 

refp. 76,92 pßt.. (1877/78: 40,91 refp. 27,27 pßt.) weniger al* 3 Monate, 
©ereilt würben 6 3Känner unb 2 Sßeiber (1877/78: 2 2Hänner unb 1 SSeib). 

IX. ßaffenoerwaltung unb ^inanjergebntffe. $ie einnahmen 

erreichen ben Setrag oon 2673132 Wl 72 $f. 

wäfjrcnb bie 2lu£gaben betrugen . . . . 8451876 >r 23 „ 

bie Verwaltung erforberte mithin 3ufd&ufj . 5778743 3tt. 51 $f. 

X. Vorläufige ßntlaffungcn auf ©runb be8 §. 23. 6t. &. 58. 
ßntlaffung£anträae würben geftcllt oon 355 ©efangenen, genehmigt bagegen 
129 Antrage. 2Biberrufcn würben gemäfj §. 24. 6t. ©. ©. im Äalcnberjaljre 
1878 8 oorläufige ßntlaffungen. 

SßerfonalflatifMf ber 3"$lD<*u8gefangenen. 

I. 3ugang im Saufe beS 3al>re$. ben «igegangenen 3 u $ ts> 
IjauSgcfangenen waren 8007 Äöpfe ober 95,(38 pßt. (1877/78: 95,32 pßt.) auö 
^reufcen, 277 Äöpfe ober 3,27 pßt. (1877/78: 3,55 pßt.) auS anbem beutf^cn 
Staaten unb 89 tfäpfc ober 1,05 pßt. (1877/78: 1,13 pßt.) au* bem 3lu«lanbc. 
$ie ^ßrooinj 6d)leficn lieferte bie gröfjte 3 aI ^ ber 3ngegangenen: 1348 SJJänner 
unb 284 Söeiber, bann Vranbenburg 1142 9Ränner unb 195 2öctber, wäfnrenb 
auf 6djle$wig *§olftein unb ^ofjenjollern bie gcringften fitffetn famen, nämlidj 
109 ÜMänner unb 23 Söeibcr refp. 10 9Hänncr. &em Vcfenntnifjfifianbe naa) 
waren 5243 goangelifc&e ober 61,95 pßt. (1877/78: 62,39 pßt.), 3105 tfatfw* 
lifdje ober 36,69 pßt. (1877/78: 36,62 pßt.), 109 äübifdbe ober 1,29 pßt. 
(1877/78: 0,99 pßt), unb 6 Slnbcrggläubige ober 0,07 pßt. (1877/78: 0,00 pßt.); 
cfjelieb geboren waren 7787 ober 92,01 pßt. (1877/78: 91,72 pßt.), unctjclicb 
geboren: 676 ober 7,99 pßt. ( 1877/78: 8,28 pßt.), oerbeiratjjct: 3354 ober 
39,63 pßt. (1877/78: 38,72 pßt.), oerwittwet: 589 ober 6,96 pßt. (1877/78: 
7,47 pßt), gefd&ieben: 229 obet 2,71 pßt. (1877/78: 2,30 pßt.), unoertjetratbet : 
4291 ober 50,70 pßt. (1877/78: 51,51 pßt.). 6<f)ulbtlbung unb war pöbere 
als elementare batten genoffen: 73 ober 0,86 pßt. (1877/78: 1,09 pßt.), elcrnen* 
tare: 7068 ober 83,52 pßt. (1877/78: 83,52 pßt.), feine: 1322 ober 15,12 pßt. 
(1877/78: 15,39 pßt.) Unter ben 3ugcgangencn befanben fidfo u. 31. 2655 mann* 
ltd&e unb 197 meiblidje ^nbuflriearbeiter, 2065 männliche unb 223 weibliche 
Sanbarbetter, 38 Staate unb Äommunalbcamte unb 36 Sierße, ©eiftlid>e, fic^rer, 
(Meierte unb 6d)riftftcü*er. Obne SBerufSangabe waren 14 3Jlänncr unb 172 
Söetber. ftiebftabl unb llnterfd)lagung bitbeten bie meiften Verurtbcilungg» 
urfad&en: 5788 ober 68,39 pßt. (1877/78: 69,87 pßt.), bemnädtft Verbrechen 
gegen bie Sittlid)fcit 557 ober 6,56 pßt. (1877/78: 6,47 pßt.) unb s 3Keineib 546 
ober 6,45 pßt. (1877/78 5,30 pßt.), mäljrenb wegen Verbrechen gegen bie per* 
fönlid&e ftreiljeit nur eine Verurteilung erfolgte. 3 U lebenslänglicher SutyU 
bauSftrafe würben 75 ober 0,88 pßt. oerurtbeilt (1877/78: 0,84 pßt.), ju 15 
Saferen 30 ober 0,35 pßt. (1877/78: 0,40 pßt.), ju 1 3abr 1848 ober 21,70 
pßt. (1877/78: 23,75 pßt.). $riu)ere Veftrafungen Ratten erlitten 5663 üflänner 
unb 991 SBeiber ober 78,61 pßt. ber Zugegangenen (1877/78: 78,25 pßt.) unb 
jwar waren einmal: 1152, zweimal: 1096, breimal: 1075, otermal: 847, fünf- 
mal: 640, fecpmal unb öfter: 1844 beftraft. 

II. Slbgang im Saufe beS ^a^reö. 6495 Männer unb 1149 Söetbcr. 
Vcgnabtgungen erfolgten für 82 ÜDtänner unb 15 Söcibcr. ßntmetebungen famen 
in größerer' Slnja^l nur oor in ben 6trafanftalten ju &allc unb Äaffel, fowie 
in bem ^tlialgefängniffe su SJcünftcr (je 3). 

III. Veftanb am SafjreSfcbluffc: 16517 Männer unb 2536 Söeiber. 



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Sitctotur. 167 

$er ©Höffen* unb ©efd&roornenbtenfh eine ^ufammen* 
fteüung unb Erläuterung ber auf bie Schöffen unb @efd>toornen be* 
gügtic^cn gefefclid&en Veftimmungen oon G. oon Söolf, ßgl. Sächf. 
tfanbgertd&tSratl) in 3"Jicfau. fieipjig. 3)rucf unb Verlag ber 91 ob 5 
berg/fd&en Vu$l)anblung. 1880. 80 $f. 

5Dad Heine, mit ©efdnd unb gleife jufaramengeftellte Vud& ift nidjt für 
baä juriftifdje, fonbern lebiglid) für ba§ fiatenpublifum gefd&rieben unb enthält 
ba<3 in bem ©ericbt$ocrfaffung£gefefo unb ber Strafprojefcorbnung jerffteute, ben 
Sc&öffen* unb ©efd&ioornenbienft betreffenbe Material foftematifdfj georbnet. SDie 
Kommentare oon Sctyioarj, £öroe unb $u$elt (wt ber §err Verf affer, inforoeit e« 
ifnn nötf)lg erfdnen, benufct, unb aud) in ben Slnmerfungen ber Säc§ ftf d)en 2lu&» 
füljrungäbeftimmungen gebadjt. Von nidjt ju unterfc&äjjenbem Vorteil für bie 
Verbreitung be£ fonft empfehlenswerten VudfjeS märe eS übrigens geioefen, 
wenn aud> ber Sßreufeiföen SluSfüfjrungSgefefee in entfpred&enber Sffieife (5rroä> 
nung gefä^en märe. 

3ur fieljre 00m oerfudjten unb unoollenbeten Verbrechen 
oon Dr. fiubtoig 60 fjn ju ftalle a. S. ©rfler Vanb. begriff unb 
Umfang. VreSlau, Verl 0. 2Bil&elm Äoebner. 1880. 699 Seit. 

Vor uns liegt ein girobuft roiffenfd)aftli$er ^ätigfeit, roeld&eS an ber 
•panb ber streichen an ben Verfu$Sbcariff anfnüpfenben Jtontrooerfen ftd) bie 
Stufgabe be£ s Jtad&ioeifeS fteßt, wie berfeloe in feiner heutigen ©eftalt als 2lnfang 
jur Ausführung burdjauS unhaltbar fei. $ie ja^lrei^en Morien geben bem 
§erm Verf äff er ©elegen^eit, in fritifd^er äöeife bie in ihnen aufgehellten, fo 
abmeidfjenben ©runbfäfce eingehenb ju prüfen, wobei er ju bem Sdhluffe gelangt, 
baß ferne berfelben im Stcmoe geroefen fei, eine genügenbe ttöfung ju genuu)ren. 
Sträubt fid) ber Verfaffer gegen bie bisherige Annahme, ben Verfug auf jebeS 
bolofe Ver brechen für anroenbbar ju er Hären, unb fteUt er bemjufolge bem oer* 
fugten baS unoollenbete Telift gegenüber, rooburch er bie Äontrooerfe für be- 
tätigt erachtet, ob fid> jtoifchen bem ftrafbaren unb ftraflofen ©ebiet eine ©renje 
Steden laffe, ober ob bieS rocmgflenS bei ben einzelnen Verbrechen möglich fei, 
ob fie nur fd&einbar befiele ober fid) in ben eimelnen fällen oon felbft ergebe, 
fo fteUt er für baS unoollenbete Verbrechen ben Sajj auf, bafj, roenn eine §anb* 
lung mit Strafe bebroht fei, fie ledere aud> für ihren ganjen Verlauf unb in 
ben oerfchiebenften Stabien, Anfang, ÜJHtte unb 6nbe, berauSforbere, unb oer* 
ficht bie (gyiftenj beS VerfucheS nur bei benjenigen $>eltften, beren GonfumttonS.» 
merfraal in einem Erfolg beftefje. $>aS mit ®rünbltchfeit unb einfielt gefertigte 
25$ert enthält fo oiele neue unb bafmbrechenbe ©ebanfen, bafj ju münfd^en 
märe, wenn biefelben jur Söfung fo mandjer nod^ in X^eorie unb SßrajiS be* 
fle^enben 3roeifel beitrügen. 

Äontrooerfen, betreffenb bie Strafprojeforbnung unb ba$ 
©erid^tÄoerfaffungÄgefe^ oon 6. 21 Voitu«, ÄöniaL ^reu&. 
Dbertribunal^rat^ a. 3). 2. £eft. »erlin, Verlag oon $uttfam* 
mer & 2ttü$tbrec$t. 1880. 

3n bem oorliegenben §eft, beffen oorangegangene« ber berjettigen 9te» 
baftion nic^t oorgelegen ^at, totrb in grünblid^er unb auSfüfjrlidöer Söcife eine 
Slnja^l Äontrooerfen be^anbelt , meldte fi<^ u. 21. an ben §. 199. St. $roj. D., 
bie §§. 56. 57. 244. 2lbf. L St. ^05. 0., ben §. 156. St. ^roj. D., §. 97. 
St. $ro3. D., ben §. 27. 9lr. 2-7. unb §. 29. ©. V. ©., §. 50. @. V. ®. u. f. n>. 
fnüpfen. ElÄ glci^ auSgejeid&neter ^Jrafttfer wie ^eoretifer Ijat ber §err Ver* 
faffer t& oerftanben, bei Prüfung ber einzelnen Streitfragen unter Vergleid&ung 
ber biefelben in ben oerfdnebenen Kommentaren be^anbelnben Erörterungen, 



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168 



bert twn ifjm nerfocbtenen 2fafdjauungen einen überjeugenben G&arafter beim* 
lea.en. @in in 2tu3ficbt gefießteS britteS §eft mit 6acV unb ^aragrcrpf/enregifter 
wtrb ben erften Sanb fcblie&en. 

Beiträge jur Erläuterung be« $eutfcf)en $ecbt$ in befon* 
berer SBejiebung auf ba£ sßrcufcifcbc 9tcdjt mit @tnfa)lu{} be8 §anbel3* 
unb s .I8edf)felrecf)t$, bcgrünbet r»on Dr. 21. ®rud)Ot, herausgegeben 
non Staffow, 9tei$«gen$tj8rat(), unb flünfeel, 2anbgeric$tSratb. 



ftranj Sailen. 1880. 

3n bem fünften ßeft be3 bcwäbrten äöerleS begegnen wir roieber einer 
Steide r-on namhaften ©cfriftftellem üerfafjter Slb^anblungcn unb einer umfang* 
reiben Siteraturtritif, währenb ba$ Skilage^eft eine Slnja^l ber widjtigften ©nt* 
Reibungen beS 9leicb3gertd)t3 enthält. 

S)aS 2Sucbergefe&. Wit Erläuterungen auf ©runb ber SKotioe, 
ber Äommtffion8beri<f)te unb ber s Jtei^«tag«oer^anblungen, tyxaiß* 
gegeben non Dr.jar. (Sari töeinroalb, 2lmtarid)ter. fieipjig. Srucf 
unb Verlag ber Äofeberg'fäcn Sucbljanblung. 1880. $retS 75 *ßf. 

5Die gegenwärtige Arbeit ocrfolgt ben ^rotä, an ber $anb ber 9Kotioe, 
ÄommiffionSbericbte unb 9teid$tagSoert)anbIungen bem fcaien baS Serftänbnife 
beS neuen ©cfe&eS mefentlicb $u erleichtern, unb fann bie üöfung biefer Aufgabe 
als eine wofjlgelungene bekämet werben. 

Äommentar jum Strafgefefcbucb für ba3 $eutfd)e iRei($ von 
Dr. 3ujtuS DlSljaufeu, Siebter am tfgl. üanbgericbt I. ju Berlin 
u. f. w. II. Lieferung (ödjlufe be£ I. SöanbeS). «erlin 1880. 93erlag 
von ftran$ Pallien. $rei$ 3 2R. 50 *Pf. 

2)a« uon uns bereit« im 4./5. $eft beS 27. Sabrgangd über baS obige 
$Öerf abgegebene Urtljcil finbet in ber oorliegenben II. Lieferung feine ooüe 
Öejtätigung. $>cr §err 2fcrf affer bat eine SIrbeit gefdjaffen, welcbe, inbem fte 
ju bem üblichen SßräjubisientultuS feine Neigung aufroeift, bejüglicfc Ujrer felbfl* 
ftänbigcn ^ofition unb ber ©djärfe beS Urteils bie beroorragenbfte Öead&tung 
perbient. 




Backoffner. 



»erlin, Xrucf oon «9. «ttycnfUin- 



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I 



Mt Interpretation De* §. 48. 5er $traf-Jlro?efc 

#rimun0. 



Sott $errn Dber-SanbeS*©eric$tä*9tatl) Dr. $u$Ä in Sfena. 



$er §. 48. bcr 6t. $roj. D. lautet: 

SXe Sabung bcr 3cupcn gef$ief)t unter fcmweiS auf bie gefefe* 
liefen folgen bc3 Ausbleibens. 

2)ie fiabung einer bem aftioen §eere ober ber aftioen SWarine 
angefjörenben Sßerfon beS SolbatenftanbeS als 3 cu Ö cn «folgt bur<$ 
©rfu^en ber üftilitairbe^örbe. 
©er jroeite Stbfafc beS §. 48. ftiramt toörtlid) überein mit §. 343. ber 
GimWproj. O. 

3n Verfolg biefer SBorförift oerorbnen fobann bie §§. 50. ber St. qSroj. 0. 
unb 345. Abf. 4. ber Sioil <• «Pn>3. 0. rttcfiia)tli$ ber Strafe wegen unent- 
fdnilbigten 2lu$bleiben3 ber $t\iQtn glek&mäfeig: 

$>ie fteftfefcung unb bie Sollftretfung ber Strafe gegen eine bem 
aftioen §eere ober ber aftioen Alarme ange&örenben fcttairperfon 
erfolgt auf (Srfuc^en buräj baS SRilttairgeridjt, bie 58orfiu)rung einer 
folgen ^Jerfon burd) @rfua)cn ber üRilitairbetjÖrbe. 

Unter oerfdnebenen ©eridjten unb $erioaltunaSbef)örben ift bereit« bie 
ftrage ftrettig geworben, ob bie Sßreu&ifc&en 8anb*@enbarmen jum aftioen 
fteere ju rennen feien, auf welche §. 48. Abf. 2. St. ^roj. 0. unb §. 343. 
(fiüil»$ßro$. 0. Antoenbung finbet. SBäljrenb oon ber einen ©eite bie %xaqt 
cbenfo benimmt bejaht als oon ber anDeren oe -meint wirb, hat man noa) eine 
britte Anftc&t aufgeftellt, roonadj bie Sßreu&ifdjen ©enbarmen jroar ntc^t jum 
9teid)ä&eere, tootjl aber jur ^5reufeifa)en Armee unb oon biefem ©efid&ts* 
punfte aus im Sinne ber oben gebauten reidjScjefefelic&en öefUmmungen jum 
aftioen &eere gehören. <Die @ntfa)etbung ber tn jnebe fte&enben $rage ift 
oon befonberer äSttyigfeit beSjjalb, weil fueroon bie ©efugnife ber ßioilbebörben 
abfängt, bie 3eugni&ftrafen na$ §§. 50. unb 69. ber St. ^roj. 0. unb §§. 345. 
unb 3o5. ber ßioiU^roj. 0. jur Antoenbung ju bringen. 



*ri)it>1880. S.U. 4. $eff. 12 



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170 3»r Snterprctation befi §. 4& ber 6t. $ro*. O. 

L 3n bem ©bift oom 30.3uli 1812 (©. 6. 141) ift unter 9er. VIL 
beftimmt, ba§, um ba« 5kbürfni§ erefutioer ©eroalt für alle Steffort« oollftanbig 
su beliebigen, Dem tfrei«bireftor m ber ©enDarmcrie eine beroaffnete SJiacht 
beigegeben werbe, welche burdj eine binreid)cnbe 2lnAat)l oon Orftueren unb Deren 
ü^eilnaljme an ben 'Mreaugefcbärten De« tfrei«oireftor« in Die engfte ^erbinbung 
mit bet Äreiäbehörbe geftellt werben unb einen integritenben Derfelben 
bilben folle. 

2. 2n bie ©teile be« ßbift« ift fobann bie Sßerorbn. oom 30. $> e *. 1820 
über bie anDerweite Organisation Der ©enDarmcrie getreten (© 6. pro 1821 
6. 1); — in Dem ftaat«politiiehen groeefe Der ^nftitution ift DaDurdj nicht« 

Seänbert, btefer 3we<f oielmebr in unzweifelhafter 5 a ff un 9 auc *J ^ ier J um ^ ugff 
ruel gebraut worben. (£« folle für alle ^rooinAcn, — fo Reifet e« — „jur 
®rb,altung Der öffentlichen Sicherheit, SHul^e uno Orbnung eine gleichförmig 
organifirte ©enbarmerie befte^en; Diefe ©enDarmeric foll in s Jlücf riebt auf Oefo* 
nomie, $i«Aiplin unD übrige innere i<erfaffung militairifch organifirt unD 
bim Oberteil eine« ©eneral« al« TOttair • (Stjef , — in Metjung ihrer 
Birffamfeit unb SDienftleiftung aber ben betreffenDen (SioilbebörDen, Dem Wli* 
nifterium De« ^nnern, untergeorbnet fein." $>ie iöeftimmung Der ©enöarmcrie, 
für bie innere Stühe, Sicherheit unb Orbnung au forgen, ift bann weiter im 
einzelnen geregelt in ber unter Denselben Saturn ergangenen , r ^)tenft^nftruftion" 
(©.6. pro 1821 S. 10), in«befonbere in Don §§. zS. big 27. SU0 Honfequen* 
biefer Seftimmung erfcheint Die SSorfchrift — §. 17. — , bafe ber (SioilbebörDe, 
bejw. bem fianbratt) Aufieln, bie ©enDarmerie in ihrer ^ienftführung unmittelbar 
mit 2lnweifung jtt oerfehen unb au leiten, auch too fie gefehlt tjat, au belehren 
unb Aurecht au weifen; ferner bafe bem s Dc in ift er ium bc« Innern bie '-Ber* 
theilung ber ©enbarmerie unter Slücffprache mit Dem @hcf ber ie Iben übertragen 
ijt — §. 5. — , ferner — bafj fie trofc ihrer militairiiehen Organifation Doch 
nicht unter bem ©eneral»Äommanbo oDer einem anberen 9Jtilttairbefehl«baber 
ber ^rooinA, mithin auch bie in ber Stabt befinbliche ©enbarmerie nicht unter 
bem ©ouoemeur ober JSommanbanten biefer Stabt fteht — - §. 19. — . 2lnberer* 
feitsS jeigt Reh ber militairifche Gborafter ber $nftitution Aunäehft in ber 
Organifation: — (Sintbeilung in 33rigaDen unb 'Jlbtbeilungen mit Offizieren 
unb Söachtmeiftem — §§. 2.-4. — ; ferner barin, bafc bie ©enbarmerie ben 
©erichtäftnnb be« ftehenDcn £eere« hat — §.11. — , unD ba§ in Stnfetnmg ber 
SuriSbiftion unb Strafgewalt bie Forschriften für Da« ftehenbe £eer aua) auf 
bie ©enbarmerie 2lurocnbung finöen f ollen — §. 11. — . 

3. S)ie SJerorbn. oom 31. 3)eA. 1820 ift bie ©runblage geworben pt 
ber 93er orbn. oom 23. 3Jtoi 1867, betreff enb bie Organifation ber ©enbarmerie 
in ben neu erworbenen &mbe«theilen. — ©. S. 6. 777. — 

3n aDen wefentlicrjen §auptgrunbfäfcen ftimmen beibe Serorbnungen meift 
wörtlich überein. SDie nicht militairifche «Seite ber ^nftitution jeigt [ich auch 
t)iet in bem 3roecfe: bie ^olijeibehörben in (5rl)altung ber öffentlichen Stühe, 
Sicherheit unb Orbnung im §nnern bc« Staate«, in ber ^anbhabung ber 
be«t)alb beftet)enben ©efefce unb Slnorbnungen ju unterftüfeen — §. 16. — , in 
ber llnterorbnung ber ©enbarmen in Sinterung tt)rer üBJirffamfeit unb 3)ienft* 
leiftung unter bie betreffenben ©ioilbehörben — §. 21. — , in tt)rer bi«Aiplinarifchen 
Stellung, inbem Awar ein ©enbarm burch einen 9efc|tttfi be« <5l)erS ber ©en* 
barmerie, alfo feine« militairifchen SSorgefe^ten, au« bem 2)ienft entfernt werben 
fann, il)m aber gegen biefe Gntfcheibung ber 9terur« nidjt an ben Äricg«* 
minijter, fonbern an ba« Staat«minifterium jufteht — §. 10. — , enblidf) barin, 
bafj aua) hier bie ©enbarmerie nicht bem ©eneraWfommanbo ober einem anberen 
ümiitairbefchtefmber ber ^rooins, fonbern ifjrem eigenen 3)tilitairoorgefe^ten 
unb ber (Jioilbienftbe^örbe untergeben ift — §. 23. -. 



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3ur Snterptetation be« §. 48. bet 6t. tyroj. O. 171 

4. $)er müüatrifdje (Sfjarafter ift gewahrt burdj bie bcr Drganifatton in 
bcn alten ^rooinjen genau entfpredjenbe (Sint&eilung in Angaben mit ber et- 
forberlidjen 2lnjat)l oon Offneren, Obertoad)tmetftern unb berittenen unb jjrujj* 
gen barmen — 9tr. 2. u. 3. — , fetner in bcr iöeftimmung, bafe bie ©ntlaffung 
unb ißenfionirung ber Of friere naa) benfelben ©runbfä&en erfolgt, wie bie ber 
Offiziere beS ftetjenben £eercS — § 6. — , unb bafe bie Ütfitglieber ber @cn* 
bannerie auSbrücf Ud) ißerfonen be« ©olbatenftanbeS genannt werben, bie ben 
@eri$t«flanb De« fte^cnDen £eere« ^aben — §. 15. — . 

5. %n einer nid)t oeröffentltcbten $abinet«*Orbre o. 4. SJej. 1829 werben 
unter f Rieben: Gruppen be« ftebenbett $eere« unb Gruppen, bie nic&t jum 
ftetjenben £eere gehören. 3 U oen lederen werben geregnet: $rieg«referoe unb 
Sanbweljr, ®enbarmerie unb ^noaltben. 

6. $n bem 2lUcrl)ödjften ©rlafie oom 17. ^uli 1862 (©. S. 6. 224), 
betreffenb bie ftlaffififation ber jum v J$rcu&iicben öcere unb jur Marine gehörigen 
äJttlitairperfonen, finb unter A. II. als \u bcn $erfonen be« ©olbatenftanbe« in 
ber Slrmee gehörig bie „©enbarmen" siocimal genannt (19. u. 2.d.). 2)iefelbe 
Jllaffififation ift fobann wiederholt in bcr Einlage jur Sßerorbnung, betreffenb 
bie 6infül)rung be« ^reufetfeben Wilitair*6trairea)tö im Morbbeutfdien S3unbe, 
oom 29. 2>e$. 1867 (SB. ©. öl. S. 203). 

7. ^n bem SBunbeSgefefce, betreffenb bie Sßerpflidjtung $um ÄriegSbienfr, 
oom 9. SRoo. 1867 (ö. @. <H. 6. 131) wirb ba« £eer eingeteilt in ba« 
ftetjenbe ipeer unb in bie ianbwcljr. 2öer jutn ftebenben §cerc gehöre, ift ^ier 
nid>t beftimmt; motjl aber in ber oben gebauten Älaffififatiön. 

8. S)er §. 2. be« @infüf)r. ©. jum ÜKilttair*Strafgefefcbu<$ für ba« 
Seutföe gicid) o. 20. $uni 1872 (8t ©. 8t S. 173) oerorbnet: 

„ÜJW bem 1.01t 1872 treten im ganzen SunbeSgebiete alle TOttair* 
ftrafgefefee, foweit fie materielles 6trafred)t jum ©egenfknbe baben, 
aufcer Äraft. ^n $ ra ft bleiben bie 33orfd)riften über bie SBeftrafung 
ber oon fianbgenbarmen begangenen ftrafbaren jpanblungen." 

9. ^m §. 38. beS 91.ÜJM.©. o. 2. Wai 1874 (9t ©. 551. ©. 45) enblidj 
werben Diejenigen aJtititairpecfonen aufgeteilt (A. K. J.), welche jum aftioen 
^eerc geboren. &ie ©enbarmen finb Dabei ntdjt genannt, ©iefelbe Slufjäblung 
finbet nd) roörtltd) wtcberfjolt im §. 5. Jbeil iL ber 3)eutfd>en 9Be^rorbnung 
t>. 28. ©ept. 1875 (Gcntcalblatt be« 3). s Jt. 1875. 6. 535 ff. 1 )). 

10. ©eitere ©eftimmungen in Setreff ber ©enbarmerie entbalten nod^ 
baS ^Sreufeifcbe Reglement über bie Giotloerf orgung unb Stoilanftellung ber 
aWtlitairperfonen beS $eere3 oom 20. ^uni 1867, wo im 9lbf. 4. §. 1. „Öanb* 
genbarmen unb Seute bcr berliner 6c^ugmann!d)aft" 8 ) sufammengeftellt unb ben 
3Jtilitniran martern gletcb cradjtet werben; bicfelbe C3tcia)ftcllung ber ©enbarmen 
unb 6cbu$mannid)aften ift wiebcrbolt in ber ^crorbnung über StnftcUung ber 
ÜKilitairanwärter in (Slfafc Sotljringen 3 ), oom 26. ^an. 1878. — %n bem SunbeS' 
gefe|e, betreffenb bie ©cwäljrung ber s Jted)t£bütfc, oom 21. ^uni 1869 (8 ®. 531. 
©. 305), werben bie ©enbarmen ben 6id)crl)cit$beamten jugejablt, inbem eä 
bort — §. 8Q. — beifet: „bie 6tcberbcit«beamten eine« 33unbe8ftaatc3, in«* 
befonbere bie ©enbarmen finb ermächtigt .... — ". SDa« ^reufeifebe ©efe^ 
über bie ^enfionirung ber unmittelbaren Staatsbeamten oom 27. s J3iärj 1872 
(©. 6. 6. 268) finbet nad) ber auSbtücflidjen üBorfc^rift be« §. 4. aud) auf bie 



') %m «ciASgcfeljbtatt ift bie 2B«f|rotbmmfl nt*t »eröffcntlidjt; fcic iüertünbigung ift, 
toie Sab an D Staatötecbt III. ©• 136 ^«ote 3. meint, Don 9icid)«rocgen überfeben worben. 
3) t>. SSaltbet, bie aJlilitairgefeöe bc3 Eentfdjen «eic^ö V. 101. 
») J>. SBattbct a. a. O. V. 137. 

12* 



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172 



3ur 3nter*retation btd §. 48. Der @t. ^roj. O 



Dberroadjtmetfier unb (^enbarmen bcr Sanbgcnbarmcrte Slnroenbung, wogegen 
bte $enüonirung ber Offiziere uadj ben für bie Offiziere beä ^etc^Sljiecreö 
gettenben 45orf0ciften erfolgt. 3 n bem Reglement über Organifation Der $elb* 
genbarmerie oom 15. Sluguft 1872 roirb Der Wurf tritt au« bcr ^elDgenDarmme 
in bie ßanDgenDarmerie Der (Sntlajfung auä Dem aftioen £ccre gleia> 
gejteüt — §• 21. — . 



(§8 ift niä)t ju leugnen, bafe bte oorftefjcnb aufgeführten oerfd)iebenen 
gefetjlidjen jBeftimmungen, wenn fie int einzelnen in ©etradjt genommen roerben, 
an na) tuo^l geeignet finb, forootyl Die Jöcjatjung, als Die SSemeinung Der l)ier 
in Siebe jiefaenben $rage ju begrünben. 2Benn man Da$ ^auptgerotdjt auf Den 
3m ecf Der ©enDarmeric legt, fo roirD man fid) Der 8htftd)t juneigen, Daß Diefelbe 
niajt einen Xtytii bcS aftioen £ecre£ bilbe, Da fie nadj Den auSDrütf Hajen grunD* 
iegenben ©efefceSoorfdjriften Da$u beftimmt ift, 9tulje, OrDnung unD @ia)erljeit 
im Innern DeS Staates aufregt ju erhalten oDer boa) jur Slufrcdjtljaltung 
beijutragen. §ält man anbererfeitä bie Drganifation für entfajeibenb, fo roirb 
man bie 3"öct)örigfeit jum aftioen §eere behaupten muffen. £)enit bie Organi* 
fation ift burcbauS mtlitairifdier 2lrt. eine fotaje ^erfa)ieben^eit in ber 2luf* 
faffung ift benn aua) fdron frütjer in ben beteiligten minifterieUcn SRcffortö 
ijeroorgetreten. $n einem SBcrid)tc ber .tlöniglidjen 3 mmc biat-Äommiffion jur 
9teoifion ber Mitair gefefce oom 4. $e$. 1829 rourbe ju Den, niajt jutn ftefjenDcn 
£eere gehörigen Gruppen geregnet: bie ÄricgSreferoe, SanDrocljr, Die©enbar* 
meric unb §noaliben (G. 24. Vol. 26, 85). ein SRcffript beS UttinifterS be3 
Innern oom 19. gebr. 1850 fpridjt oon ben Sabungen ber ©enbarmen unb 
anberer ©eamten ber erefutioen ^olijei; — in einem ferneren Schreiben 
beffelben SttinifterS oom 3. SDe$. 1850 roirb bemerft, bafe bie ©enbarmen ibrer 
Organifation nadj als im aftioen 2>ienfte bcftnbliajc 3)itlitairpcrfoncn fcf>r 
füglid) angefe^en roerben förtnett, uub in einem britten ©abreiben beffelben 
3)finifter3 oom 21. Quli 1859 Reifet cS roieber: al£ ©enbarm gehöre ber 4 Jl. 
jtoar ju ben ^erfonett beS ©olbatenftanbe«, aber niajt ju ben aftioen 2)iilitair* 
perfonen, ba, roie au« §. 2. ber SScrorbn. o. 30. 3)ej. 1820 fjeruorgetjt, ber 
S)ienft ber ©enbarmerie fein SDiilitairbicnft ift. 

2lud) bie 9led)tfpred)ung l)at bie oorliegenbe $rage in oerfänebener Söeife 
"beantwortet, ©in (Srfenntnifj be3 früheren DberappclIationSgcriajtS in ©erlin 
oom 4. Oft. 1873 - Dppenfjoff, 9ied)tiprcdjuug $8b. XIV. ©. 600 — jäfjlt 
bie ©enbarmerie niajt §um 2)eutfdjen £>eere, rooljl aber jur bewaffneten 2Jtadjt; 
äugleid} roirb bie 2lnfid)t aufgeteilt, bafi ein ©enbarm ben Gioilbeamten bc3 
(Staates jugereapnet roerben müffe. dagegen füljrt ein ©rfenntnife bc« früheren 
Dber^ribunal« oom 10. ^an. 1878 — Oppentjoff, föed&tfpredumg 53b. 19. 
6. 16 — au3, ba§ bie ©enbarmen nid;t bem Greife ber öffentlichen Beamten, 
fonbern lebiglid) ben SKitgliebern ber bewaffneten d)iad)t, roela)e in oerfd)iebenen 
3$orfä)riftcn beS ©trafgefc^bud;« ben Beamten gcgenübergeftellt unb oon i^nen 
unterldjieben roerben, jujujäljlen fittb. 

2Benn rtutt aber aud) foroo^l ältere al« neuere S3efHmmungcn in ben 
oerfd)iebenen ©efe&en unb s ^erorbnungen f Sartbe^gefe^en roie s Jteia)Sgefe$ert 
eine oerfdjiebene Sluffaffuitg über bie 9icdjt3fieUung ber ©enbarmen sulafjen, fo 
fd)cittt biefen fämmtlid;en «cfttmmuugcn gegenüber bie in 9tebe fteljenbe ftrage 
burd) baS ©ruubgefe^ bcr militairifa)cn Organifatiott be3 s Jieid;« 
enbgültig entfdnebert ju fein. 

^er §. 38. be3 9teid;8militatrgefc^ejS oom 2. 3Hai 1874 ^at in ab^ 
fdjliefjenber aßeife unb unter 3lufl;ebung aller entgegenfite^enben älteren 3Sor* 



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3ur Interpretation be« §. 48. ber @t. ^roj. O. X73 

fcbrtften beftimmt, welche ^erfonen jum aftioen £eere gehören %\it biefe %xaQt 
ifi Da« gebadete ®eie$ nunmehr allein entiebeibenb. 2lu« ben ÜMotioen $u ben* 
felben 1 ) ergiebt neb, flar unb beutlicb, bafe „eine genaue fteftftellung be« 
SöegriffcÄ ber aftioen 2Irmee unb eine fefte Begrenzung ber Kategorien oon 
3Jfilitatrperfonen, welche baju geboren," in ber Slbficbt be« (S^efe^ed gelegen f^t 
2)iefe 9lbfia)t be« ©efe$e« bat baburd» ihren äußeren 2lu«brucf erhalten, ba& 
bie jenigen ilMlitairperfonen, welche ba« aftioe §eer bilben, im (Sittjclnen im 
©efefce felbft aufgeführt finb — §. 38., Entwurf §. 31. — ; alle Diejenigen, 
welche Ina nicht erwähnt finb, gehören amt nicht jum aftioen Speere; bte ©en» 
barmen finb nicht ermähnt, folglich fönnen fie aud) nicht bem aftioen Speere bei* 
gewählt werben, hierauf allein aber tommt e« bei ber oorliegenben ftrage an, 
nicht blo« Darauf, ob bie ©enbarmen al« „Sßerfonen be« ©olbatenftanbe«" 
anjufeben finb. SDiefc ftrage fann uneröttert bleiben, benn felbft im Bejahung«* 
falle mürbe bo(b noch niebt entfebieben fein, bafc fie aud) bem aftioen §eere 
angeboren. £>ie §§. 48. ber ©t. ^Jroj. 0. unb 343 ber StoiU^roj. 0. fpreetjen 
nicht blo« oon „^erfonen be« ©olbatenftanbe«", fonbem oon folgen Sßerfonen 
be« ©olbatenftanbe«, bte bem aftioen $eere angeboren, unb bie 3frage, meldte 
^erfonen be« ©olbatenftanbe« bie« finb, ift, roie gefagt, burd) §. 38. be« s Jteid)«* 
3Mitairgefe&e« oom 2. Üßai 1874 beantwortet. Sur ba« 9teicb«recbt wirb bie 
^ier entroicfcltc 2Innd)t otelleicht aud) feinem Söiberfprucbe begegnen, bagegen 
wirb weiter behauptet, bafe ba« ©enbarmerie*Korp« war nicht jum 9tetcb«* 
beere, jebod) jur $reufjifd)en Slrmce gehöre, fciefe Behauptung ruft bie 
^otbroenbigfeit h^roor, weiter $u erörtern, ob eine gireufjifche tatee al« 
nicht oöllig ibentifcb mit bem jum 9let<^s5t; cere gehörigen Sßreufjifcben 
Kontingent erifttrt, unb ob eine für fidt) beftehenbe „^reufeifcheSlrmee" ftoat«* 
rechtlich überhaupt eriftiren bürfe. 

G« ift mahr, bafj c« eine 9teich«armee im ftreng einheitlichen ©inne nicht 
atebt; bie 9teid)«armee ifi oielmehr, roie £abanb*) mit Siecht bemerft, eine ju* 
fammengefe&te Einheit; bie ©inbeitltcf)feit ber Sanbmacht be« deiche« bebt bie 
gefonberte driften^ ber Kontingente ber einjelnen Staaten nicht auf, fie bebeutet 
lebiglich ba« Banb, welche« biefe oerfchiebenen Kontingente jufammenhält. S)er 
Begriff eine« einheitlichen 9ietd)«beere« wirb oor Slüem fefion burch bie ©onber* 
ftellung oon Sägern, SBürttemberg unb ©achten au«gefcbloffen. üftan fann baher 
roohl nod) oon einer KontingentS'öerrlicbfeit ber einjelnen Bunbe«ftaaten in 
Be^ug auf ba« $eerroefen fprechen, Tnfofcrn 3. 33. bie gcfefcltche SBehrpflicht al& 
eine llnterthanenpflicht bem ßanbc«hcrnt geleitet unb auch biefem ber ftafyntn* 
etb, roenngleia) mit Sem 3 u fafc c f/ oen Befehlen be$ Kaifer« unbebingt Bolge $u 
leiften", gefd;rooren roirb; — unb infofem bte Berroaltuna be« £eerroefen$ im 
©rofeen unb ©anjen, inSbefonbere bie Ernennung ber iüffijiere, bem &mbe3* 
herm juftc^t. 

S)ie Sluäübuna, ber Kontingents *§errltchfeit barf aber in feiner Seife 
mit ben ©runbprimtpien ber einheitlichen örganifation aller Kontingente in 
KonfUft fommen. $)icfe ©runbprin3ipien beruhen oornehmlich auf brei @in* 
richtungen: auf bem Oberbefehl beä Kaifer« in Krieg unb fö^ben, auf ber 
Befrreitung ber gefammten Kofien be« ^cerroefen« bura) baS 9teich unb auf ber 
oölliß übereinftimmenben gleidjmäfeigen Örganifation. Bon einer oöllig über» 
einfitmmenben Örganifation fönnte aber füglich nicht bte Sftcbe fein, roenn ber 
Sirmee eine« einjelnen ©taate« al« folcher Gruppen augejählt mürben, bie bem 
oon biefem ©taate nun 9leidb«hcere ju ftellenben Kontingente nicht anjugebören 
brausten. S)ie gefährliche tragroeite eine« folgen ©ebanfen« liegt auf ber 



l ) «nlagen 3U ben SJet^anbtungen fce£ Weid)8tage§, 2. SegiSlatur-^eriobe, 1. ©efjlon, 
1874, 6. 53. 

») @taat8red)t be« ®«utfd)en Wei^ III. ®. 6. 



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174 3 ur 3nteq>rctation tcö §. 48. ber et. $roj. O. 

§<mb. Söäre e« suläffig, oon einet „*ßreufeifd)en Slrmee" in bem parti* 
fularen Sinne 511 fprechen, bafj iljx 3. 33. ba« ©enbarmcrie*Äorp« angehört, 
mährenb baffclbe bem „ reu feil" djen Kontingente" al« einem ^tjeil be« 
Seutfdjen £eerc« nicht zugerechnet mürbe, fo roäre nicht abjufehen, roarum nid>t 
auch anberc ©Uebftaaten befHmmtc bem Äontingente nicht beijmäblcnbe Xruppen* 
förper gleichfam al« ein Sonberheer ju galten berechtigt fein füllten. 2)er 
©runb unb Bobcn, auf meinem ba« $)eutfcbc 9teich beruht, mürbe bei ber 
Sinnahme folcher 3)?öglichfeit burce) unb burch crfd)üttert roerben. S80 immer 
man auch oon berechtigten ©igenthümltchfeiten ber einzelnen Staaten fprechen 
fann, auf bem ©ebiete be« §eerroefen« ift ba*u abfotut fein 9taum. 

SHUein im ^inbltcf auf eimelne Befttmmungen ber 9tcich«oeTfaffung, 
welche bie „flkeufjtfche Slrmee" befonber« t)ert>or^eben, fchetnt, roenigfien« für 
Greußen, eine anbere Sluffaffung geftattet tu fein. £er Slrttfel 63. »erorbnet, 
bafj belmf« ©r^altung ber unentbehrlichen (Jinheit in bet Slüminiftration u. f. ro. 
bic fünftig ergehenben Slnorbnungen für bie „Sßreujjifcbe Slrmee" ben Äom« 
manbeuren ber übrigen Äontigente mitteilen feien; uno Slrtifel 64. beflimmt, 
bajj ber Äaifer berechtigt ift, für bic oon fönt, fei eS im ^reufcifcjen §eere 
ober in anbereu Kontingenten, ju befefeenben ©teilen au« ben Dffijieten aller 
Äontingente be« 9letc^<8tjeereö p wählen. 3Ran fönnte oielletcht, anfeheinenb 
nicht ohne ©runb, barauf ^inroeifen, bafe tytx fogar bie 9leid)«ocrfa)fung bie 
Sßreufjtfche Slrmee al« folebe auöbrütflicb betont, unb bafj hierin bie reich«* 

§efe^lidt)e Slnerfennung einer befonberen ^reufjifchen Slrmee ju finben (ei. 
Ibgefehen jeboct) baoon, baf? burd) bie Einführung ber gefammten $ reufeit <h cn 
©efefcgebung im ganzen deiche — Slrt. 61. — burch bie äußere Formation 
be« £>eutfcf)en $eere« nach SJkeufetfcbem 9J?ufter — Slrt. 63. Slbf. 2. — , burd) 
bie Uebertragung ber Serroaltung ihrer Kontingente Seiten« einzelner Bunbe«- 
ftaaten an ben König oon Sßreufcen, bie ^reufeifebe Slrmee unzweifelhaft eine 
heroorragenbe Stellung im ©eutfd&en £eere einnimmt, t^re befonbere $croot* 
bebung Daher nicht auffallenb erfcheint, fo ift biefelbe auch in ben genannten 
&erfaf|ung«bcftimmungen nur im ©egenfafce ju ben übrigen £eutfef)cn Konttn* 
genten ermähnt, bie „^reufjifche Slrmee" t)Ux alfo aud) nur in bem Sinne 
be« bem 3)eutfcben £ecre angebörigen ^reufetfehen Kontingent« aufjufaffen. 
93om militairftaatöred^lie^cn ©efid)t«punfte au« hat ber Segriff „^reu&tfctje 
Slrmee" feine höhere ©ebeutung, alö etroa ^reufeifdie« SlrmeeforpS im ©egen* 
fafce jum ©äcbfifcbcn unb 5öürttcmbergfd)en 2trmeeforp3. 2)ie Beibehaltung be« 
tarnen« „^reufeifc^e Slrmee" fc^eint au« mannigfachen ©rünben noch unent* 
behrlich, aber auch unoerfängtid;, ba gerabe in 8ejug auf ba« Ärieg«roefen 
fechte be« Äönig« oon Sßreufeeu unb fechte be« $eutfchen Äaifer« fich oott- 
ftänbig beden. ^iefe äuffaffunq mirb bureb bie SBefttmmungen ber Steich«* 
oerfaffung burchau« unterftü^t. SJor 2lllcm ift Slrtifel 63. hcroorjuheben, wonach 
bie gefammte fianbmacht be« 3tciche« ein einheitliche« $eer unter bem 
Befehl be« Äaifcr« bilben fott. S)a ba« ««eich fein einheit«ftaat, fonbem nur 
ein pberatioftaat ift, fo hat e« auch o\A foldje« ftreng genommen feine eigene 
Sanbmacbt; ber ?lu«brurf „Sanbmacht be« 9ictd)c«" fann bal;cr nur bie gu einem 
einheitlichen ©anjen, nämlich bem Teutleben .peere, ju oereinigenbe Sanbmacht 
ber einzelnen ©liebftaaten begreifen, ß« foU aber auch, mie noch befonber« 
heroorjuheben ift, nach ber Bcrfaffung«beftimmung bie gefammte ßanbmad)t 
ber einzelnen Staaten 3u biefer Bereinigung jufammentreten, felbftoerftänblich 
nach näherer Sßorfchrift be« ©efe^e«. Glne Sanbmacht eine« einzelnen Staate«, 
bie nicht einen Sfjeil be« SDeutfchen §cere« bilbetc, eriftirt h^^" ac ^ 
äöa« im einzelnen su biefer tobmadjt gehört, bie einen Stbeil be« Seutfcben 
aftioen Speere« bilbet, ba« ift im üflilitairgcfcfc oom 2. mal 1874 näher 
beftimmt, mo, rote fdjon früher bemerft ift, bie ©cnbarmen nicht aufgeführt finb. 
S)er 2lrtifel 58. ferner oerorbnet, bafj bie Äoften unb Saften be« 



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3ur 3ntcrfrretation l>e« §. 48. fcer 6t tyroj. O. 175 

• 

gefammten J?rieg8roef en8 oon ollen ©unbeSfkaten gleidjmä&ta §u tragen 
ftnb — bie ßoften für bie ©enbarmerie auf bem ©tat oe8 Bttinifteriumä oeg 
Innern trägt Greußen allein — ; Artifel 62. ^anbelt oon ber ©effreituna be$ 
AufioaubeS für ba8 gefammtc $)eutfd)e §ecr; Artifel 63. orbnet bie gugrung 
fortlaufenber Hummern ber Regimenter burd) ba& ganje 2)eutfdfje §eer an. 
^icrnad) fann man wohl mit Sabanb 1 ) fagen, bafe bte einzelnen Staaten jroar 
etne Armee für fia) ^aocn, aber nid)t nad) eigenem belieben, fonbern nur eine 
fo befdjaffene Armee, rote baS fteid) itmen erlaubt unb roie ba$ SReiä) i^nen 
befiehlt. 

Angenommen jcbodf), cS eriftire eine befonbere $reufctfdtje Armee, bie 
ntajt al8 oöllig ibentitd) anjufejjen roäre mit bem jum $)eutfc&en §eere gehörigen 
$ßreufjifd)en Kontingent, fo roürbe biefelbe aua) ber $reufjifd)en £anbe£< 



gefe Hebung unterteilt fein müffen. 9tun oerorbnet aber Artifel 4. 9lx. 14 ber 
9teitt)äoerfaffung: „Der Seaufftd&ttguna Seiten« be« Reiche« unb ber ©efefc* 
gebung beffelben unterliegt bog SKtlitairroef en be« 9tet#eS unb bie 
Äriegämarine. 

tiefer Artitet ift nid)t anber« ju oerftefjen, als bafj, roo immer in ben 

Sm Steide gehörigen Staaten ba« SHilitairroefen in ftrage !ommt, bie gefe^lidtje 
rbnung beffelben lebiglid) oom 9tetdf)e 5U regeln ift unb nid>t oon ben (StnjeU 
floaten. (SS giebt fein ©efefcgebungS* unb SBerorbnungSredjt ber @in$elftaaten 
über ba« 3Jcilttairroefen. @£ giebt alfo aud) fein StanbeSmilitairroefen im prtn* 
flipiellen ©egenfafce jum 9leia)«milttairroefen. 2öa« jum 2flilitairroefen über* 
fjaupt gehört, ba« befiimmt bie 9teta)8gefefcgebung; roaS biefe Sefthnmung nid)t 
erhalten |at, tft nid)t 5 tun SPtfilitairroefen $u rennen. $)iefe Säfce werben oon 
allen namhaften StaatSredjtSlefjrern anertannt. Stönne bemerft in feinem 
6taat«re<$t be« 2>eutfd&en fteid}«, 2. Stuft, 33b. IL 6. 131: 

„3)0« 3ledjt be« Reichs }ur ©efefcgebung über ba« 3Jcilitairroefen ifi ein 
ber s Jteia)3getoalt aiiöfd^liefelidt) gufte^enbe«, eS befielt baneben fein Siedet ber 
ein3elftaaten mef>r." 

ßabanb, StaatSred&t »b. m: S. 7: „Äein Staat ift befugt, feine Armee 
nach eigenem belieben ju organiftren, fonbern ba« SR et dt) erteilt bie *8orf Triften, 
naa) benen bie« gef$ef)en mu&." 

(Sbenfo $()ubid&um, Serfaffung be* 9iorbbeutfdt)en SBunbeS S. 377. 

Allein tnerburd) ifi ba« iHcrfjt ber ginjelftoatSgeroalt ntcfjt auSgefäloffen, 
^nftitutionen einzuführen, welche genau ber militairifdt)en Organifation naä> 
gebilbet ftnb, unb föed&tSfäfce auf fte für anroenbbar ju erflären, roeld&e juerft 
nur für ba« §eer gegeben finb. ©« erfdjeinen bie einjelfiaaten roop befugt, 
bie fianbgenbarmen, bie ^oli^eimannfdjaften, bie ^euerroejjrforoä unb bcrgl. in 
SBejug auf ©int^eilung, Formation unb AuSrüfluna in oöllig gleicher ©eife, roie 
bie ^truppentörper, ju organiftren, audj bie für oa« 9)itlitatr gegebenen rei*3* 
gefefeli^en $ltd)&* unb $erroaltung3oorfd)riften auf fte burd^ ßanbeSgefe^ für 
anroenbbar ju erflären, roie bie« tyatfäddlid) nid^t blo« in ^reufeen, fonbern aud^ 
in anberen Staaten, j. in Saben unb Reffen, gefdje^en ifi. Ala ©runbfafc ifl 
jeboo^ feftju^alten, ba§ biefe 93ett)ätiguna ber Autonomie ber 6in§elftaaten nie* 
mal« in einen Söiberfpru* Ttd^ feften barf mit einem SReid&ägefefce. ©a nun 
bie (Eioil* unb Straf '^roje^Orbnung Reic^ägcfefee ftnb, fo fdnnen aud^ bie in 
üjncn enthaltenen S3orfd^rtftett tttd^t uulifürlut abgeänbert roerben, foroeit bie 
fön^elftaaten ntdjt burd) bie @infübrung«gefe|e ober fonft oom 3teid)e baju aud* 
brüeflid) ermächtigt ftnb. 5ßon biefem ©efidjtiSpunfte au8 erfo^eint e« aud) nid)t 
fiatt^aft, etwa bie ©enbarmen unter Anerfennung ber Ridjtigfeit ber Anficht, 
bafe fte nio)t bem aftioen jgeere angehören, auf lanbeägefefcUd&em ©ege ben* 



l ) @taat«te(%t HL ®. 7. 



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qjxx yttircprctanon oe» §. w. ott s&t. v ro 5- Sa 

jemgen ^erfonen anjureihen, auf welche bic ©efttmmungen bet §§. 48. unb 69. 
ber St. $ro$. 0. unb §§. 343. unb 355 bcr Gioil^roj. D. Slnwenbung finben 
foflcn. S)ie gebauten ©efefceSbeftimmungen enthalten 2lu8nahmen oon ben 
fonfi gcltenbcn allgemeinen &orfd)riften unb ber allgemeinen Unterwerfung bet 
(Staatsbürger unter bie richterliche Huidjt Innfidntiri) ber Reugnifepflicht unb be3 
3eugnifc|wange$. 5Denn eä mufe bie £abung einer bem aftioen öeere ober ber 
atttoen ÜWarine angehörenben Sßerfon be8 ©olbatenftanbeS burc? ©rfucfcen ber 
TOttairbehörbe, nicht burdt) ba$ ritterliche $oUftrecfung8oraan, ben ©erichtS- 
üolljielicr , gefct)et)en, unb bann erfolgt bie geftfe&unq unb SMftrecfung ber wegen 
unberechtigter SBerweigerung be£ 3 eu 0 n ^ e3 ä u oerijängenben ©trafen burch baä 
3Jitlitairgericht, nidt>t burch ben amtirenben Gtoilridbter. 2)ie Äompetem beä 
leiteten bei ben hier in Siebe ftehenben fünften ifi alfo reidjSgefefclid) empfiublidt) 
eingefchränft, fein 3lrm allein reicht jur SBahrung ber richterlichen Autorität bei 
SBerlefcung ber 3eugenpfud)ten aUJ ^ un jj et ^ n ^ t befugt, für biefe 93er* 
legung bie SRechusfühne unmittelbar herbeizuführen, ©leichgültig ifl es, ob biefe 
oon bem gemeinen $rojeferechte abmeichenben 2lu8nahmeoorfchrtften ju Ungunften 
ober ju ©unften ber 9JJilitairperfonen gegeben finb; eine SluSbehnung berfelbcn 
auf anbere nicht bem aftioen Speere angehörenben ^ßerfonen mürbe jebenfall« 
eine unjuläfftge Slbanberung reichSgef etlicher Seftimmungen burd) bie SanbeS* 
gefefcgebung enthalten. 

hiernach glaube ich mich Dahin refumiren ju foUen: 

1. bie ^rage, welche ^erfonen be« ©olbatenftanbe« jum attioen §eere 
gehören, ifl jefct allein burch §. 38. be$ 3MlitairgefefceS oom 2. 2ßai 1874 
ju beantworten; 

2. in biefem ©efefce finb in abfchliefeenber SBeife biejenigen Mttairperfonen 
aufgeführt, welche bem aftioen #eere angehören; 

3. bie ©enbarmen finb nicht aufgeführt, gehören folglich auch nicht bem 
aftioen §eere an; 

4. e$ giebt feine ^reufcifche 2lrmee in bem (Sinne, ba§ ftc nicht oöHig 
ibentifch märe mit bem bem 5)eutf<hen §eere angehörigen $reufjif<hen 
Äontingente; 

5. bie für bie ^erfonen be$ aftioen #eere3 in ben töeict)Sgefefcen enthaltenen 
SluSnahmebeftimmungen bürfen auf anbere ^erfonen nicht auSgebelmt 
ro erben. 



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$\t MMU>m$ iier preuftifdien Hefewtrtare bei ber 

Stoatöonmaltfdjaft. 1 ) 



Von iperrn 2öa#ler, ©rftem 6taat«awoalt am fianbgeridjt Berlin II. 



Duellen: ©efeft übet bie jurifttfdjen Prüfungen uitb bie Vorbereitung sum 
tytyeren Suftfsbicnft o. 6. 2Hai 1869 (®. 6. @. 656). 

©erid)t«üerfaifung«gefe& t>. 27. San. 1877 (31. @. 81 6. 41) §. 2. 

Siuäfü&runaSgefeb jum $>eutf$en ®eria)t«üerfaffung«ge[efe ». 24. 2Jprit 
1878 (©. 6. 6. 230) §§. 1. 2. 63. 

9tegulatü> ». 22. 2lua. 1879 ju beut @efe|e über bie juriftifctyen 
Prüfungen unb Die Vorbereitung «rat höheren Suftijbienfte 
o. 6. 9)?ai 1869 3K. VI. 6. 246). 

TOtljeilung, bie grofee 6taat«prüfung betreffen^ n. 26. gebr. 1880 

(3. 3H. 81. 6. 42). 
21. V. n. 20. SWara 1880, betr. bie Vorbereitung sunt fcö&eren ^ufty» 

bienfle (& 2«. 81. 6. 56). 



L 

S)o« ©efefc n. 6. 2M 1869 (@. ©. <5. 656) über bie jurifh'fa)en Prüfungen 
unb bie Vorbereitung jum böseren ^uftijbtenfle befhmmt, bafe bie ^eferenborien 
roäfnrenb ber einjährigen Vorbereitung«$eit im praftifdjeu 2)ienft aud) bei ber 
6taatäanroaltf<$aft $u bef duftigen ftnb (§. 7.). S5ie Vefdmftigung ift fo einui' 
richten unb ju leiten, bafj bie iHeferenbarten fta) in fämmtlietjen @efä)äft«ätt)eigen 
be« ftaat«ann)altlid&en $>ienfte« eine fol$e (5infi$t unb praftifdje ©eroanbttyeit 
erwerben, wie fie jur felbftftänbigen Verwaltung be« 2lmte« eine« Staatsanwälte« 
etforberliaj ift. (§. 8.) 

2)a« ju jenem ©efefe ergangene 9tegulatio t>. 6. S)ej. 1875 befttmmte im 
§. 21., bafe ber Vorberettung«btenft ber SReferenbare bei ben ©eriefcten erfter 



') 3« tan Mit bem 8anbgeri<$t8-$räfibenten e>$aptx in 8iegnnj: „Ueber bie Slug* 
bilbuna ber Weferenbare*, ht (Skucbot'S «rd)h> ©t>. 24. @. 629 t>eröff<ntlt<fitcn Äuffa& ift bie 
«cfdtäftt^ung ber ftefettnbaie bei bet @taat«ann>aUf<6aft unb We$t$ann>aUfcbajt au$gefd>loffcn. 



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I 



178 $M «usbitbung ber ^reufjifdjen SRcfeteiibarc bei bet <gtaat8<mu>aUf<$aft. 

Snftanj in ben alten ^roninjen einen 3cttraum oon minbeften« 2 fahren 
umf äffen foffe. 

demgemäß mürben bie 9leferenbare in ben oerfchiebenen Oberlanbe«* 
crid^tiSbcjitfen auf 2 bis böcbften« 3 Monate ber 6taat£anroaltfchaft jut 2luö* 
ilbung überrotefen. liefet 3cttraum mar ferjon unter bet <perrfcbaft be« alten 
s ^rojefered)t^ oicl §u furj, um bie jungen 3»flij^amten in ba« materielle unb 
formelle ©trafreebt einzuführen unb ihnen bie oerantroortliche «Stellung be« 
©taabSanroalt« jum iBcroufetfein ju bringen. Glicht bie Prüfung be« Sachmateriat«, 
bie Fertigung ber Hnflage unb bie (Stnftellung bc$ Verfahren« an ftd^ bilben 
bie ©ebroiertgfett be« ftaat«antüaltlicben Verufe«, fonbern bie Objeftuntät unb 
ber ©erecbtigfetfcSftnn — wenn id) mid) fo au«brücfen barf — , ber jeben (Schritt, 
jebe Verfügung bifriren muß. 35er Staatsanwalt muß fich in jebem Slugenbltcl 
ber großen Verantroortlicbfeit beroußt fein, beren alleiniger Präger er ift, be« 
Unheils, ba« er bind) eine unbegründete i'lnflage ober Unterfudmng anrieten 
tann, unb be« Schaben«, melden er bem allgemeinen $ed)t«bettmßtfein jufügt, 
inbem er in einem $aUe auflagt, in bem anberen analogen ftalle etnftellt, eine 
3)töglicbfeit, melier jefct einigermaßen burdj bie §§. 152. al. 2. unb 170. ber 
6t. $roä. D. Dorgebeugt ift. 

Unter ber ^errfdjaft ber neuen €>trafpro3eßorbnung mürbe jener 2 biB 
3monatlicbe UeberroeifungS^tooum abfolut unjureicbenb geroefen fein, jumal 
ju ber ffenntniß unb llebung be* neuen 8trafpro*eßrecbtS, roenigften« in ben 
alten ^rooin^en, ba« ©efängnißroefen unb bie ©trafoollftrecfung einfcbließlich ber 
©nabenfachen, bie 2luf ficht über bie äfmtöanmalte, bie ÜJfttroirfuna, in Grnt* 
münbtgung«fachen unb bie SufttaoerroaltungSgefefee fpäter al« Slurgaben ber 
jtaatöanroaltlicfjen 2§ätigfeit hinzugetreten fmb. 

S)a3 neuefte S^egulatio be« £errn Suftijminiftcr« o. 22. 2tug. 1879 
(3. 9». Vt 6. 246) beftimmte jeboch im §. 20. nur, baß ber JReferenbar mährenb 
eineä Zeitraum« oon minbeften« anberihalb fahren bei einem Sanbgericbt ein» 
fcbließlidj ber 6taat«ann>altfchaft ui bef<|aftigen ift, unb ermächtigte im 
§. 21. bie ^räftbenten ber Dberlanbe«gerichte, unter befonberen Umftänben bie 
gleichseitige Vefchäftigung be« Sieferenbar« in mehreren 3roeigen be« Vorbereitung«* 
Sienfted ju geftatten. 

#ene Vefttmmung mar unjureichenb, ba ein gleichmäßiger 3«traum ber 
33efcf)äftigung für bie ©taatSamoaltfcbaft nicht fipirt mar. 

tiefem Uebelftanbe hat bie Allgemeine Verfügung o. 20. SRärj 1880 
(3. SR. VI. 6. 56) abgeholfen, inbem fte sub I. beftimmt: 

„$er im §. 20. für bie Vefcbäftigung ber Stefcrenbare bei einem 
£anbgericht einfchlicßlicb ber Staat«anroaltfcbaft beftimmte Zeitraum 
oon minbeften« anbcrthalb 3«h ren wirb ÖU f ben 3 c ^ aum öon 
minbeften« fünfzehn Monaten oerfürjt. Die Vefd)äftigung bei 
ber Staat«anroaltf<haft muß minbeften« eine S)auer oon 
6üJtonatenumfaffen. Ob unb inroieroeit mährenb eine* %i)tik& 
biefer Seit eine gleicbjeittge Vefcbäftigung bei bem fianbgericht ftatt* 
finben fann, bleibt bem gemeinfehaftlichen ©rmeffen tt& ^räfibenten 
be« Sanbgericht« unb be5 drften StaatSanroaltÄ oorbehalten." 

Von biefem Steferuatrecbt, bcu8 jroeclmäfeig — entgegen bem §. 21. beS 
^tegul. oom 22. 2lug. 1879 — ben VorftanbSbeamten ber l'anbgerichte übertragen 
morben ift, wirb nur au^nahmgioeife unter befonberen Umftänben im ^intereffe 
ber Sieferenöare ©ebrauch gemacht werben tonnen. Vei einer befchäftigten 
6taatganroalt|a)aft ift ba« 2lrbeit$r>enfum ber s Jlciercnbarien, fall« nicht eine 
UcberfüUung eintritt, fo groß, baß fte baneben eine anbere Shätigfett nicht über* 
nehmen fönnen. S)ie görberlichfett eine« berartigen S)uali«mu« ift auch für 
ihre 2lu«bilbung ju beämeifeln. 



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2)ie StoSbilbung b« ^reufjifö«n fflefercttbart bei b« <Staat8an»aUfd>oft 179 

3n g?rage bürfte überhaupt nur eine Sefchäftigung in (Stoilfachen fommen, 
bie aber für bie ©tfcung«tage ber Gioilfammern ben SReferenbar ganj ben 
laufenben ©efdjäften ber ©taat«aniualtfcbaft entheben mürbe. 

©ine ajeidHettige Vcfchäfttguna. bei bem Unterfu<hung«rid)ter ober ber 
©traffammer be« Sanbgericbt« ^alte idt) für unjuträglidt) unb unjuläffig, ba ber 
9teferenbar nid^t gleichzeitig al« ^nquirent, Mläger unb befcbliefeenber ober er* 
(ennenber Siebter* fungiren unb urteilen fann, ohne an feiner Dbjefttoität nach 
ber einen ober anberen Dichtung hin ©chiffbruch ju leiben. 



2. 

Sie (Sintbeiluna be« 6monatlichen VorbereUung«btenfle« bei ber Staat«* 
anroaltfdjaft ^alte ich tn folgenber Söeife für smedmäfeig: 

a. Ueberroeifung an einen ©ecernenten bebuf« 2lu«bilbung in allen ftoetgen 
ber bisherigen ftaat«ann>altlichen ^ätigfeit unb ber ©traföoüftrecrung 
auf 4 SDionate. 

Uebung im praftifchen $ienft be« ©efretariat«. 

b. SluÄbilbung unter bem ©rflen ©taatöanroalt in ^uftiaoermaltungöfa^en 
auf 2 9Jlonate. 

Uebung in fdnHftUdjen Arbeiten, 
liebung im praltifd^en 2)ienfl be« 9tecbnung«büreau«. 
Ober, unb biefer SJtobu« bürfte bei fleineren ©taatöanroaltfchaften oorjujiehen fein: 
SBefdjäftigung roie ad a burdt) 6 lUonate, 
b an eben 3nfchretbung einjelner 93ermaltung«fachen unb Uebung 

in fdjriftlicben Arbeiten, 
1 3Jtonat ©efretariat, 
1 3Wonat 9leoifion«büreau. 

Ueber bie SIrt ber Sefchäftigung ber 9teferenbare laffen fid^, aufjer ben 
§§. 15—17. be« SRegul. u. 22. 9lug. 1879, allgemeine «Regeln nid^t aufhellen, 
um fo meniger, al« bie ^nbioibualitäten ju berüeffiebtigen ftnb. S)er Sine lernt 
fpielenb, toa« bem Slnberen aufeerorbentlich ferner fällt. 

ftefoulwlten ftnb al« allgemeine @efid)tSpunfte: 

a. fiefung reponirter unb furrenter Sitten, 

b. ©tubium ber ©efefcgebung unb U>ertt>altung«oorf Triften, 

c. SluSbilbung im mündlichen Vortrage, 

d. 2lu3bilbung in febriftlichen Arbeiten. 

Ad a. aKan erlangt fnerbureb bie erforberltche Äenntnife ber $orm unb 
be« ©efcbäft«gange«, lernt bie 2famcnbung ber geglichen iUorfdjriften unb er* 
fieljt formen für ähnliche ^älle, foroie SBorbilber für eigene Arbeiten. 

Ad b. S)ie praftifebe 2lu«bUbung mufj mit ber tbeorettfebett fiet« öanb 
in £anb geben. (£« ift beafjalb grünblicbe« ©tubium ber Xljeorie be« ®eutf<hen 
©trofreebt« unb ©trafpro$effe« notbmenbig unb mit ber praftifchen Sefcbäfttgung 
ju oerbinben. 

©ne ßenntnif? ber in golge ber Drgantfatton erlaffenen ÜHinifterial* 
Verfügungen, ©efchäfterStaroeifungen unb ^nftruftionen ift babei unerläßlich- 

Ad c. Um ad b. prüfen m fönnen, bient ber münblicbe Vortrag al« 
SRitteL Kit ben Vortrag be« 9tefcrenbar« über ba« tljatfäcblicbe aJtatertal bc« 
©injelfalle« reibt fid) unter ber Leitung be« Secementen bie Vefprecbung ber 
rechtlichen Veurtbeilung unb bie Vebanblung be« $alle«. (Sine getreue unb flare 
£arftellung be« ©achoerr)ältniffe«, eine gehörige Vegrünbung ber oorjufcblagenben 



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180 ZXe »uSbitfeunfl fcet ^rcu&ifc&eit töefertnbare bei t>er 6taat8an»altfd>aft. 

i 

Verfügung, eine fafelid&e Slenberung, gute ©prache unb angemeffene« benehmen 
wirb jjierbei in'« Sluge ju f offen fein. 

(Sin ^piatbiren unter ber 2luffid(>t be« ©taafcSanroalt« in ©traffammer* 
ober ©d)öffenit$ungen roirb am 3djluf? ber 2lu«btlbung«jeit flattfinben tönnen. 

Ad d. UWan begegnet häufig in ber Sßrart« ber auch oon mir geseilten 
2luffaffung, bafe bie jungen Suftijbcamten fett ber ftbfchaffung ber früheren gnetten 
Prüfung (SReferenbariat« * (Ironien) nicht beffer geroorben finb. 3)iefelbe bilbete 
einen 21bfcbnitt in ber praftifeben 2lu«bitbung, überliefe nicht Alle« ber Initiative 
be« 9lcferenbar«, fonbern »erlangte ein erneute« ©tuoium ber X^eorie unb eine 
gcrotffc praftifche ©eroanbtljeit, bie fieb fpäter bei bem Steferenbar im ©egenfafc 
ju bem 2lu«fultator nerroerthen liefe. (Stroaige fonftige ©djroächen mürben 
roährenb ber 3*1* ° C) S unbefolbeten 2lffeffortburoi geseilt. 

©egenroärtig mitb ber ©ericht«*2lffeffor aläbalb mit frohem ©ehalt an- 
geftellt unb fmt al« 2lmt«richter einen Stücfhalt an einem Äoüegtum nid^t mehr. 

Unb auet) ber junge 9teferenbar fommt fi$ trofc uerminberter Äenntniffc 
bebeutenb gröfeer al« früher cor. 

(£« roirb bte Aufgabe ber ^irari« fein, ihm feine ©chroächen ad oculos 
$u bemonftriren. (Sine berfelben finb bie fdjriftlidjen Arbeiten. 

J^n bem ^Bericht be« Sßröfibenten ber ^uftij Prüfung« *Äommiffüm an 
ben Suftijmtntfter o. 10. gebr. 1880 81. 6. 42) unb in ber Allgemeinen 

Verfügung be« Scheren o. 20. SJcarj 1880 (a. a. D. ©. 5G) ift biefelbe au«* 
brüeflich l;croorgeIroben, in ber lefcteren aber sub III. beftimmt: 

„$er 2lu«bilbung ber SKeferenbare in fä)riftlichen Arbeiten ift bie 
mögltchfte (Sorgfalt sujuroenben. $u oiefem ßroeefe finb bei ber r>er< 
minberten Sebeutung ber ©chriftltehfeit im ^rojeffe bie anberen bei 
ben ©ertöten unb bie bei ber ©taatSanroaltfcbaft »orfommenben 
©efchäfte jur Schulung ber 9teferenbare in fchüftUchcn Abarbeitungen 
mehr al« bi«her gefchefjen nufcbar ju machen." 

Waä) TV. berfelben Verfügung f)at ber Steferenbar fed)S ber oon il;m 
roährenb be« $orbereitung«btenfte« beim 2anbgericf)t, bei ber ©taat«anroaltfchaft 
ober beim Oberlanbe«gericht angefertigten fchriftltdjen Arbeiten au«suroä'hlen unb 
3u ben S)ienftafteu (Anlageheft) einzureichen. 

S)er Arbeit ift eine Aeufeerung be« betreffenben ©eridjtSmitgliebeS ober 
©taat«anroalte« über bie praftifche Sßerroenbbarfeit beizufügen unb babei in«be* 
fonbere ju bemerten, ob bie tlmtfächlichen ^ertjältntffe richtig unb oottfitänbtg 
angegeben finb. 

Sei ber ©taatSanroaltfdmft roirb ftdj ^infort ju berartigen fd&riftlid&en 
2lrbeiten, aufeer gröfeeren Anflogen, in ben l)ö^eren Drt« erforberten ©utacljten, 
ben Berichten in ©naben*, ©trafau«fet}ung«*, ©trafumroanblung«fachen unb 
$echt«mtttelfchriften au«reid)cnbe ©clegeuheit barbteten. 3lufecrbem pflege ict) 
je 2 ober 3 Stefcrenbarten intereffantc Streitfragen au« ber ^ufttjucrroaltung 
unb bem ©trafprojeferechte jur Bearbeitung innerhalb 4 s Jöo^en aufjugeben 
unb bie Arbeiten al«bann mit meiner Sleufeerung bei ben Beamten ber ©taat«* 
anroaltfa^aft unb ben 9tcfercnbarien circuliren ju laffen. 2)ie Arbeiten felbft 
oereintgen ftd^ ju einem 2lntagebanbc ber ©encralaften betreffenb bie 9teferenbarien. 

211« 2:^emata ^abe idfj beifpiel«roeife gegeben: 

öebarf e« einer Aufteilung be« entmünbtgung«befd^luffe« an ben 
(Sntmünbigten? 

2Kufe jebe eibe«ftattli(^e $erft<^crung f fpcciell bei Einleitung einer 
2lbmintftrauon, oor einem richterlichen Beamten erfolgen? 

©inb unter ben öffentlichen Beamten im §. 14. ber ©ebüf)ren<0. 



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Die «uäbittmna bet ^reu&i|<$en Weferenbate bei ber Staatdamraltfcfeaft. X81 

o. 30. 3um 1878 nur unmittelbare Staatsbeamte ober auch mittel* 
bare, Äommunalbeamte :c. ju ocrflehen unb finbet auch auf biefe 
legteren Dag ©. o. 24. s JÜfär$ 1873 Anmenbung? 

3ft eine ßeichenbeftchtigung burdj ben Amtsrichter ofme 3 u 3» e ^ un 9 
eine« *)3rotofollrür)rerS juläifig? 

Jöebarf unb inwieweit ber Antrag auf Sorunterfudjung gemäjj 
§. 177 6t $ro$. 0. einer Speäalifirung? 

2Bte regelt fich baS Verbältnife beS erften Staatsanwalts als 
©efängniBoorfteberS unD beS UntcrfuchungöriduerS bezüglich ber SDiÄ* 
eiplin (DtSdplinarftrafcn, ^eiuaje, JÖttefe, Untcrrebungen, 9teoi|ion 
beS ©efängniffcs jc.) nach ber neuen Sirafpiojefcorbnung? 

©ebören auch 3ufteüungen ju ben ^ec^tSt)ülfe)ac^en -ber Staats* 
anmalt! '^aft? 

3ft ber erfuchte Staatsanwalt gemäfe § 164. ©eridjtSoerfaffungS- 
gcfefceS befugt unb oerpflichtet, eine iöcidjcinigung über bie frucbtlofe 
3wangSooUftrecfung wegen ber principalen ©elbftrafe ju »erlangen? 

3n welchem VerhältniB ftel)t ber erfte Staatsanwalt $u bem 
©erictytSooUäieljermcfcn ? 

Äann bei ©cftänbnife beS angesagten nach ber Strafprojefcorbnung 
bie Aburtelung ohne Verbtft ber ©efajworcnen erfolgen? 

Sebingt ber §. 128. <5t. $ro$. O. auch bann, wenn burch ben 
Staatsanwalt Die Verhaftung beS polizeilich ^eingenommenen bei bem 
juftänbigcn Amtsrichter beantragt wirb, bie Vorführung an ben 
Amtsrichter beS VejirfS, in welchem bie geftnatjme erfolgt iß, unb 
bis bat)in bie Ablehnung jenes Antrages, mit befonberer f>tiidfic^t 
auf «erlin? 

inwieweit ftellt fidt) ber ftorftbie&flajjl im Sinne beS ©efefceS oom 
15. April 1878 als Vergeben bar unb bebarf ber Eintragung in baS 
S3erjeic^nife ber beftraften üßerfonen? 

©ewirft bie angeorbneten fommiffarifchen 3 eu 9 enocrnc ^ mun 9 cn 
gemäß §. 222. St. ;jjro$. D. baS ©cricht ober ber Staatsanwalt? 

2Birb ein auch in Abmefenheit beS Angeflogten erlaffeneS unb 
uertünbetcS ©rfenntnife, gegen welkes ein weiteres Rechtsmittel 
nicht fkttlmft ift, mit ber Verfünbigung rcchtSfräftig unb ooUftrecf bar ? 

3n welchen gälten fennt bie Strafproje&orbnung ein ßontumacial* 
perfahren? 

SMe Auswahl ber S^ntata wirb mit ber AuSbilbung ber Referenbare in 
Straf«» unb ^uftiperwaltungSfachen §anb in $anb gehen. (SS gilt bezüglich ber 
lederen weniger in baS tägliche Secernat, als in ben Umfang unb bie 23e=> 
beutung ber Suftijoerwaltung etnjuweihett VcfonberS inftruftio nach biefet 
Richtung wirb fich baS AuffichtS«2)ercernat über bie AmtSanwalte einfchlie&lich 
ber Remfionen unb baS ©efängmfemefen erweifen. Auch bie RechtShülfefachen 
bieten nur $u oiel Stoff ju cruces unb rationes dubitandi. 



3. 

3<f> möd)te noch mit einem SBorte auf bie ©efdjäftigung ber Referenbate 
im SBüreaubienft unb im ReotfionSbüreau hittweifen. 

Ueber beibe finb cor Ausheilung beS VefchäftigungSjeugniffeS Special* 
attefte beizubringen. 



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132 ® ic Knttttbmig ^reußtf^en Weferenfcare bei ber ©taatSanwaUfc^aft. 



$>atum unb SHenft ift fett bcm 1. Oft. 1879 überhaupt unb für bcn 
Vorbereitungäbienft Der ifteferenbarc inäbefonbere um fo erheblicher geworben, 
als bie Slurbewabruna, ber ©trafprojefjaften regelmäßig im ©etretariat erfolgt. 
3n ben ©ertchtSfchretbereten be* UnterüicbungSrichterS unb ber ©traffammer 
befinben fie fieb nur oorübergebenb. $)a übcrbieS auch in (Sioilfachen bie . 
2lften eine oerminbertc ©ebeutung haben, fo ift recht eigentlich bic ©taat&» 
anwaltfchaft geeignet, wäfjrenb ber VefchäftigungSjcit am fcanbgericht ben Vüreau* 
bienft fennen ju lernen. 

©ine auSretchenbe Äenntnifj beffelben, ber ©inridjtung unb Siften, Hebung 
im ©rpebiren, Aufnahme oon ©efudjen innerhalb be£ ©eicbäftSfretfeS ber Staats* 
anroaltfehaft, geftftellung ber Vorftrafen, Aneignung ber nötigen ©efd)ictUchfett 
in ber ©efchäftsfübrung finb für ben angehenben ^uftijbeamten unentbehrlich- 
9cur berjentge fann ein tüchtiger ftuftijoerwaltungSbeamter werben, ber ben 
fogenannten tleinen $icnft, bcn *JJ/ecbani£mu£ De£ geiammten 3uftij*©ubaltern* 
bienfteS einfchltefelicb bcr Ueberwadjung De« $anäleiwefen£, grünblich fennt. 

3Jlit bcr Uebung beS ©efretariatSDienfteS, bes8 3 u ft eUun !^" ,c fcn^ ber 
0teniftrirung unb £ebung ber ©trafen unb Soften, beS VerfebrS mit ben 
©erichtSoolftiebern ift eine genaue durchficht ber ©eicbäftSorDnung für bie 
©etretarinte ber Staatsanwalt] duften bei Den fianbgerichten o. 2. Sluguft 1879 
(SInlage III. jum 3. 9R. VI. SRv. 32 oon 1879), bie Vorfchriften über Da« 3u* 
ftelluugSroefen unb ber ©erichtßooÜjieberorDnung 0. 14. 3uli 1879 (Slnlage jum 
9Ji- VI. 9U. 30 oon 1879) nebft ©efcbäftSanweifung für bie ©erichü&oolljteber 
0. 24. $uli 1879 (Slnlage mm ü)c. VI. Ste. 31 oon 1879) ju oerbinben. 

©anj neu geftaltet lieh bie Vefd)äfti t mng Der fteferenbare im Sfteoifionö* 
büreau. 3 um tyzÜ ro * r0 biefclbe mit berjenigen in ^uftijoerwältungSfadjen 
burch ben (Srftcn Staatsanwalt forrefponDiren, Da 3. V. bie Stufftellung DeS 
jährlichen VauetatS, Die gonDSoerwaltung, DaS flautionS*, Haffen* unD 2lffcroatio* 
roefen Durch ben s Jtechnungöreoifor oorbearbeitet loirD. 

^m Uebrigen wirD es bei ber ©a)wierigfeit bcr SJtaterie genügen, wenn 
ber Üteferenbar einen allgemeinen (£inblidf in bie ©cfcbäftStbätigfeit beS StechnungS» 
reoiforS, namentlich in Die bezüglich beS ©ericfySfoftenanfaljeS, ber §ebung ber 
Äoften unb ©elbftrafen unb ber Ausgaben ber Ämtö- unb fianbgertchte ju 
siebenben Erinnerungen etnfchliefelich ber (Srlebigung berfclben, femer tn bie 
Betreibung oon Vefibwerben, bie 9tcotfion bcr ©eridusfehreibereien unb ©elre* 
tariate, fotoie Der ©erichtSoolljieber gewinnt. 

©d)ltefeltch möge mir noch eine Vemerfung geftattet fein. 

$er §. 18. Des 9tegul. 0. 22. 2lug. 1879 enthält fonform bem §. 19. De« 
Sfteaul. 0. 6. ®c$ 1875 bie Veftimmung, bafj ftefereubare nach 3ftafegabe Der 
beftehenben gefe glichen Vorfchriften mit ber Vertretung eine« ©taatS* 
anwaltS beauftragt werben tonnen. 

Waü) Dem § 8. De«. ®. 0. C. Sßlai 1869 ift eine folche Vertretung un> 
juläffig. §. 2. beS SluSführungSgefefceS jum $)eutfd)en ©eriduSoerfaffungSgcfctj 
0. 24. 9lpril 1878 ftatuirt fie nicht, unD §. 67. beffelben oerbietet fie gcrabeju. 

Tie Tragweite beS §. 18. cit. wirb fid) baljer — abgefeben oon bem 
JaU be« §. 66. (oorübergehenbe Vertretung) — auf Die Uebertragung ber ©c 
|d;äfte be8 Slmt«anmalteS burch ben 3ufti5winiftcr an einen tKefercnbar be* 
fehränfen (§. 63. SluSf. ©. 0. 24. Slpril 1878). 



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W\t ScIjatiiHuttg btz |totljflandc0 unb btibefonftm 
Die JJerfdjulüuna in ierbetfüljrimö öeflTelbeiu 



S5on £errn Dr. K. ©ob ju SDürtyeim. 



3)er 9totf)ftcmb gehört ju benjenigen ÜWaterien, in roeldjen bic Straf* 
red)t£roifienfd)art unb bic $ßlulofopl)ie nad) ^a^r^unbcttc langem 5°rfa)en feine 
SHefultate, fonbern eine üteibe oon ßomrooerfen ju oerjeidmen haben. $>urd) 
biefen Streit ber $&eorie ift bie legiölatioc -bebanblung be£ 9iot^ftanbeS er* 
fd)ioert, unb treten un£ oon SaimuD 1. Perachim zö. b. unb ben SBeftimmungen 
beö corpus juris an biß ju unierer neueften ftrafred)tlict>eri Äobififaiion, bem 
©trafgefe&bua) für ba$ $)eutfd)e 9teid), bie oerföiebenartigften gefe&lid)en SBe* 
flimmungen entgegen. $m ftolqenben fei e$ qeftattet, einen 45crfuc§ ber 33 e* 
Ijanblung beS 9lothftanbeS unb tnSbefonbere beS SRequtfttea „unoer fdjulbet" 
ju geben. 

I. $)er 9totl)ftanb ift ber 3uftanb, in meinem bie SJerlefeung 
ber $ed)te anberer bie $orau3fe$ung für bie (Srtjaltung ber 
eigenen ift. 

1. Sin föedjt ju fol^er Skrlefcung ftcfjt nur bem bebroljten Seben unb 
bem fcfctoergefährbcten \Mb ju. fiefeterem beStuilb, roetl bei fajraerer tfeibeS* 
gefafjr fteta bie gortbauer ber ©riftenj überhaupt in $rage gefteüt ift. 1 ) 9lia)t 
bem 9ted)te aber, fonbern ber Silligfeit entfpringt bie Straflofigfeit, roenn baS 
oerlefcte Mcdn qualitativ geringer als baS jju ertmltenbe ober qualitatio gleid), 
aber quantitatio geringer ober beibe qualitatio unb quantitatio gleidj finb. 

2. ^rreleoant ifi ber Unterfd)ieb,*) ob ber 9iott>ftanb burd) ein SRatur* 
eretgnifj ober burd] bie §anblung eines dritten herbeigeführt ift. <£S ift mithin 
fein ©runb oorljanben, formell eine Trennung, wie tS bie ©efefee 8 ) getfmn, 
materiell eine oerfa)iebenartige öe^anblung eintreten ju laffen.*) ©leidjgültig 



1) Steffeln, feie SBefugnifie be§ StotbfianbcS unb ber 9iotbn>ebt nacb öftcrreidjifdjetn SRecbt, 

©. 21. 

2) ffiääter, fcanbbu* bc$ Ägl. ©ä*f. unb beS SMring. Straftest«, ©. 383; fceffter, 
i»ebrbu(b beS <Strafrec&t8 §. 40.; Äriig, 3fbeen, ©. 45, Gl; ©aunteifter, ©emertungen, ©. 9 1 *, 
Santa, ber ihfafredjtlitfje iKottjftanb. ©. 210, 214: «. 3JI. Qkib, Sebrfm<$ be3 Hemleben ©traf, 
ret^t« 221—2^7; 2Harquarbffn, bie i'etjre »om 9tott)ftanbe im Streb, be« Crim. fflecfctä ». 1857, 
© 396 

3) H. @t.Q».». §§.51., 54. 

4) 2>a8 tbürina. unb Ottenburg. ®. 93. »et Drohungen begrünbet febon SetbeSgefabr, bei 
SRatuxereignifien erft ilebenSgefabr Wot^jtanb. 



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184 »efanbtmtg beS «HotbfUmbeS unb inSbcf. Serfdjutbung in Herbeiführung beffetbert. 

ifi e£ ferner, ob bie föanblung be8 dritten ein 9tft pf^d^ifc^er ober p&nftfd&er 
©eroalt ift. 5 ) 9Ba3 bie fontrooerfe $rage betrifft, ob beim Angriff eines Söajjn* 
finnigen 9cott)ftanb ober 9cotbroef)r gegeben fei, fo ifi §älfd)ner, 6 ) ber biefe 
©cfatjr mit einer oon einem fteuer ober einem §unbe bro^enben ibenttfteirt, ni$t 
bei^uftimmen, fonbern mufj ber 6d)rocrpunft auf ben objeftio redjtäroibrigen 
Singriff, gegen roelcbcn StoUjroefjr geftattet ift, gelegt werben. 1 ) 

3. &er ^rrtbum fommt in boppelter SBeife in Betraft: a. bezüglich ber 
©efet^r; b. besüglid) ber Littel jitr Rettung. 

ad a. Üiegt ein ^rrt^um be$ügltcb ber ©cfatyr oor, fo feljlt ein notfj* 
roenbigeä 9icquifit beS 9cotbftanbci8, gegenwärtige ©efaljr, fturebt oor einer 
wahren ober oermeintlic^en ©efaljr aber fdjioädjt baS 58eurt&eilung$oermöa,en 
be<8 einjelnen unb trübt ben $Uitf. ®iefe Momente bürfen beim ^frrtbum mdjt 
unberüefftebtigt bleiben. (Srftredt fict) batjer ber #rrtt)um ni$t biö jur ftabr» 
läffig,fcit, fo ift ber bie £anblung entfd>ulbigenbe ftaftor in gleichem ©rabe 
roirf|am, roie beim rotrf liefen 9iotbftanb. 8 ) 

ad b. Beim 3mfpim bejüglicb ber üJiittel jur Rettung oerfjält eS ftet) 
gerabe fo mie beim ^rrt^um bejüglidj ber ©efaljr. ©trena aber ift ju unter«» 
treiben äwifetjen dlottjftanD unb üNotbrocbr. %n elfterem fte&t baS 3Hea)t bem 
9tcd)te gegenüber, in letzterem bem Unrechte. 

9liemanb fann gehalten werben, fieb einem roiberrea^tltcben Singriff burdj 
bie ftludjt ju cntjieben, wot)l aber roirb ber jenige beftraft, ber im 9lot()ftanbe 
bie wecbteoerletjung ber $lud)t oorjietjt; 9 ) er mad)t fo ju fachen burd) feine 
ßntfdjeibuna erft bie Sage §u einer Wotljlage für fid), ber aber bte Jöegünftigung 
beS §. 52. 91. 6t. ©. 53. nufy ju Ztyeii roirb. söci ber Söatjl beS StettungSmtttelS 
ift ein (£rccfj möglid). 10 ) ^C5Üglia) ber Beurteilung beffelben bürfte ber oom 
©rcejj ber 9totl)wcl)r bonbclnbe 2lbf. 3. beS §. 53. 9t 6t. ©. 93 ll ) Sßlafc greifen. 
©3 liegt fein ©runb oor, bie (Sinwirfungen oon *3'Utd)t, Beftürjung u. f. ro. bem* 
jenigen, ber in 9totl)wclvr Ijanbelt, entfc^ulbigenb ju gut fommen äu laffen, im 
tfiottjftanbe aber Neroon abjufeben. 

4. SöasS bie oiel oentilirte $ ra 9 c betrifft, ob nur eigene ©efaljr ober 
aud) bie eines anberen unb roeffen einen 9cott)ftanb für ben $anbclnben begrünbe, 
fo ift bie (sinfcfyränfung auf 2ln gehörige 11 ) ebenfo ju oerwerfen, roie bie bura) 
Berufung auf bie 9Jcoral 18 ) nidjt ju rcd)tfertigcnbe SluSbelmung auf alle SDcenfdjen. 
©rftcre follibirt aUerbingS mit ber gjfornl; benu eS Ijanbelt nad) §. 54. SR. 6t. ©.33. 
berjenige forreft, ber einen 9Ud)tangel)örigcn mit bem $obe ringen ftefjt unb fkfj 
febeut, ju feiner Rettung frcmbeS 9ted>t ju ocrlc&en. 5£)ic übergroße 2lu8befynung 
tabelt treffenb ferner. 14 ) 9tid)tigcr bürfte ftolgenbe« fein: äUo ber ©efäbrbete 
jus juris laedendi ^at, tbcilt bicfeÄ 9ted)t jeber dritte, ber ibm ^ilft. 6o er- 
flärt fic^ aud) bie Berechtigung beS SlräteS jur Perforation. 1S ) SÖo jeboc^ anbere 



5) «. ÜK. ©eib a. a. O. 6. 222: SWorquartfen ®.40O. 

6) §Sl|d)ner, ^reuß. ©trafreAt II. @. 263. 

7) «wita, baä Wecty ber 9lotb»el)r «©. 185, 186; SJeffeU) a. a. O. 6. 55; «üben, $anb- 
bud) be« ©trafrecfitS L <&. 301; Stöftlin, ©riftem be« 3)eut(d?en Strafrec^tö @. 112. 

8) Ä. W. Söcfleti), q. a. O. 6. 33; Sreibenba*, Äommentat jum ^effifdjen 6t. ®. *. 

<S. 575. 

9) ©reibenbad) o. a. O. €5. 531. 

10) «. m. Äöftlin a. a. O. B. 119. 

11) §. 53. »bf. 3. 3)ic Ueberfcbreitung ber ^otrjrocfjr ifl nid)t fhafbar, roenu ber Später 
in »ej'tümuifl, gurebt ober ©Breden über bte CUrenjen ber »ertljeibigung bmauägegangen ift 

12) §. 54. W. 6t ©. S. 

131 tspiammter, 3)arfteUung ber frrafred)tti*cn »ebeurung beö <Kotbßanbe« &. 80. 

14) SBerner, de impauitate propter lummam necewitatein proposita p. 10, 12. 

15) ©canjont, Äom^enbium ber ©eburtdbätfe @. 442 ff. H. $1. 3gn. ^i'ut.wr, bie ftom« 
petenj bcö ^cburtäticlfcrä über i'eben unb lob, bgt iüiiitennaier, über bie ©renicn unb 4)e» 
binejungen ber 6ttajtofigteit ber Perforation; «eue« «rd)io b. (Srim. üH. VUI., 596; hagele, 
de jure vitae ac neexs quod competit medico. 



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©efanblung be§ 9?otbjhmbe8 unb htSbef. Skrfdjulbung in ^erbeifttbrung beffctben. 185 

9tücffi<$ten bic Strafloftgfeit beS felbftfjanbelnbcn ©efäfjrbetcn oertangen, bleibt 
nur bet dritte firafloS , ber su Ujm im järtlid^cn 5ßcr^äUnif|c mec&felfeitiger 
Soffnungen unb Befürchtungen ftefjt. 16 ) Unter 2lnaef)örigen wirb biefcö Ber* 
Ijältnijj — oft mit Unrecht — präfumttt; fonft wirb ber fonfrete ftaH entf treiben, 
ob $reunbfd)aft, danfbarfett, Pietät ein folctjeS begrünben. 1 *} 

5. die 9cotbroef)r ift gegen bie auf bem 9ßott)re<$te baftrenben &anblungen 
unbebingt auSgefctyloffen, währenb bei ÄoUifioncn anberen (SlmrafterS ber 2tn* 
gegriffene bura) gewaltfame ©elbftoertheibigung fein 9ted)t erhalten borf. 

6. 2)ie unbegrünbete 2luSbefmung, welche bie Verpflichtung jum Befielen 
eines s Jtot[jftanbeS gefunben, fo bafe au« ber Uebernafjme eines 2lmteS ber $mariQ 
abgeleitet werbe, einen im Slmte begrünbeten s Jtotf)ftanb ju befielen, ift in tf)re 
©renken jurüefgewiefen. BöHig unftattfjaft ift eS, jebe beliebige Amtspflicht fo 
ju interpretiren, baß man fie unter allen tlmftänben unb um jeben $reiS er* 
füllen muffe, bajj bie einem wertvollen SiedjtSgute bro^enbe ©efa^r, ja felbft 
bie djoentualität beS SobeS §ur Berlefcung Oer Amtspflicht nicht ermächtige. 
(SS greift bie (Erwägung $la{$, bafe ba jebe oerbotene «panblung eine Berlcfeung 
einer Pflicht enthält unb bie Üebertretung beS ©ebotcS: ,,$>u foUfl nicht tobten!" 

Sewife ebenfo fchwer, wenn nicht fernerer wiegt, roie bie beS ©ebotcS für ben 
taffenbeamten ober ©efängnifemärter : „$u follft bie 6a)lüffel jur Äaffe ober ju 
ben befangenen nicht herausgeben!" 18 ) 2)aS ©efefe fann feinen Heroismus 
oerlangen. Beruht boch gerabe auf btefem ©runbfafc bie ganje eyiftenj ber 
9tothftonbStheorie! SBenn cS gemiffen «ßerfonen nicht gemattet ift, ü)re Rechts* 
güter auf Soften anberer m erhalten, fo fann bieS nur auf ®runb einer ereep* 
tionellen Bcftimmung ber ©efejje gesehen. S)er SJcatur ber 6ad>e nach mußten 
biefe Ausnahmen auf baS geringft mögliche HJtaafc befd&ränft werben unb treffen 
unferer heutigen ©efefcgebung zufolge nur ben©olbaten 19 ) unb ben©eemann. 2ü ) 
n. Befonbere Beleuchtung oerbient bie Berfchulbung in $ erb ei* 
füfjrung beS 3tothftanbeS. diejenigen fünfte, bie bisher erörtert mürben, 
bilben baS ftacit ber jeweiligen Auffaffung beS ©runbdjarafterS beS juriftifdjen 
Begriffes 9cothftanb. @S bifferirt bafjer bie Interpretation ber SRequiftte beS 
^otbftanbSparagrap^en. 3n weniaer bireftem ßufammenhang, nicht in einem 
GaufalncruS jur prin$ipieu*en Auffaffung ber SDiaterte ftefjt bie ftxaQt: 3Jc y 6 
ber ^otfjftanb ein unoerf chulbeter fein? unb ift trofc oerfdnebener ©runb* 
anficht eine gleichartige Beantwortung berfelben oielfadj möglich. DiichtS befto* 
weniger aber oerjeichnen ST^eorie unb ^rariS bie bioergtrenbften ©rgebniffe 
iljrer ^^ätigfeit. 6d(>on baS ältere ©trafredjt befunbet in feinet eyemplificirenben 
2i>eife eine flar ^u 3:ag tretenbe Unfiajer^eit, bie fia) jum £f)cil in einer ber 
9totMtanbStheorie gerabe $u ^>o^n fprea^enben engherjigfeit, $um X^eil in einem 
d)arafteriftifa)en Schweigen äufeert. (SS bürfte bal;er angejeigt fein, bie ©efc^tä)te 
beS 9tequiftteS „unoerf$ulbet" feiner heutigen 6tcllung in ber äüiffenfdjaft unb 
©efe^gebung ooranjufdncfen. 

1. S)ie intereffanten 3totl;ftanbSfäae im Salmub 21 ) erroä^nen bie 6a^ulb^ 
frage nietyt. 

2. ^irn J)tömifa;en 9tedf>t oerlangt eine ©teile, bafj bie Sage eine un* 
oerfc^ulbete fein muffe: 2lud>, fagt fiabeo, finbet feine Älagc ftatt, wenn ein 
6d)iff burc^ bie ©ewalt beS ©turmeS auf bie 2lnfertaue eines anberen getrieben 
worben ift, unb bie 6dnffSmannfdwft bic £aue gefappt ^at, falls baffelbe auf 
feine anbere 3öeife als bura) baS Äappen ber Saue wieber losgemacht werben 



16) S?i4t ober 3. ©. ber (SISubiger »egen feiner S^eitnabme am ®cfd)i«fe feines ©ebutbnerd. 

17) SBefjelt) a. a. O. @. 32. 

18) »reibenba* a. a. O. @. 536, 537. 

19) mi ©t. ö. §§. 49. 63. 64-80. 84-88. 

20) 23entfcbe ©eetnannSorbnung §. 32. 

21) Talmud Pesachim pag. 25 b., Talmud Baba Mezia pag. 62 a. 



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13(3 «^anblung bcd 9iotyjlanbc8 Unb inöbef. Serfäulburtg in fccrtttifiumiitfl beffclbtit. 
fonnte. ©affelbe belogen £abeo unb ^roculuS auch auf "bie Öifchernefoe 



ber 6$ift$leute gefa)ehen, fo fönne au« bcm aquilifdjen ©efe^e geftajt werben. 22 ) 
Welcher Strt muß ^tec bie Schulb ber Sd»ffer fein? $arf ber ©afe „in lege 
Aquilia et levissiraa culpa venit" Slnwenoung finben? SBiberfpruch jur 
angeführten ftet^t bie folgenbe SBeftimmung: In capitalibus criminibus a Prin- 
cipibus decretum est, non nocere ei, qui adversarium corrupit: sed in his 
demum, quae poenani mortis continent: nam ignoscenduni censuerunt ei, qui 
sanguinem suum qualiter qualiter redemptum voluit. 25 ) SSinbicirt man ber* 
felben eine über ben in Sehanblung ftel;cnben $aH ^inauÄge^enbe, eine bie 
grunbfätjlia}e Sfafdwuung charafterifirenbe Tragweite, 24 ) fo folgt au« it)r ein 
doppeltes : ba« bebrohte fieben Ijalt ftdj im 9tothftanbe frraffret unb bie &er* 
fchulbung alterirt bie ftrafrea)tlid)e ^Beurteilung nicht $ie Ungleichheit beiber 
©teilen liegt auf ber §anb! derjenige, melier ftc| burch ein crimen capitale 
in einen 9totf)ftanb be« £eben« oerfe&t, genießt bei feiner Rettung bie ©e* 
günftigung feiner Sage, ber ©djiffer bagegen wirb geftraft, wenn ilm eine ©djulb 
betrifft. 6oll heraus ein prinzipieller ©tanbpunft be« 9iömifa)en 9iedt)td eruirt 
werben, fo mürbe fia) ber äüiberfprud) löfen unb fidj ergeben, baß ein oer* 
fdjulbeter 9iothftanb ber ©traflofigfeit weniger Einbuße t^ut beim 
gcfä&rbeten geben, al« bei ©efährbung anberer (Mter, *. 8. be« 
Üigenthum«, ober baß bie SBerfchulbung weniger bei ©efährbung 
eine« höheren aU eine« nieberen ®ute« in Betracht fommt. ©inen 
weiteren (Schluß geftattet non beiben 6teUen bie erfte. ©in 6a)iff wirb fchwerlidj 
mit Wicht auf bie Snfertaue eine« anberen getrieben; elementare (Sreigniffe 
ober $ahrläffigfeit be« ©teuermann« werben bie 6df>ulb hieran g,ewöhnlid) tragen. 
2öenn nun fcgon biefe culpa be« Steuermann« ber ©traflofigfett im SBege ftebt, 
fo folgt barau«, baß ein bolo« herbeigeführter ÜRottyßanb im föömifdjen 
5tea)t ebenfo wenig ein wahrer war wie heute. 

3. $>ie libri poenitentiales entpalten bie intereffante SJeftimmung, 25 ) 
baß bie Söbtung im 9iothftonb ben Glertfcr nicht irregulär macht, währenb 
fonft nicht nur bie Üöbtung, fonbern jebe 2Jtitmirfung in ber aller mittelbarften 
Söetfe, j. 33. al« 3 cu Ö e ben defectus perfectae lenitatis, mit ftch bringt. ©in 
nothwenbige« ©rforberniß hiegu ^ 0flj8 fehlen iebweber SBcr fchulbung — 
„si aliqua culpa non fuit," wobei gerabe ba« beigefügte aliqua, benn man hätte 
ja einfacher „si culpa non fuit" fagen tönnen, ba« 2ltom einer SBerfdmlbung 
au«fd)lteßt. 2)ie« fann jeboch nur auf ben einzelnen befajränft werben, 
unb wirb nicht minber bann ein wahrer 9tothftanb oorliegen, wenn etwa« culpa, 
beren $öhe fid) nicht beftimmen läßt, unterläuft. @o wirb gewiß ber nicht 
ftrafbar gewefen fein, ben naa) Skrgeubung feine« Vermögen« ber junger ju 
efeln ©peifen treibt. 26 ) 2>a«- 6d)ulbmoment ber Sergeubung änbert ben 
wahren s Jiothftanb«a)Qrafter nicht. 

4. 3m fanonifchen fechte ift nirgenb« ba« üJrincip au«gefprochcn, 
baß bie Sage eine unoerfchulbete fein muffe, unb wirb untere« 2Biffen« ber culpa 
nur einmal gebaut : c. 4. X. de reg. jur. 5, 41. Quod non est licitum in 



221 L 29. §. 3. D. ad leg. AquiL 9, 2. 

23) 1. 1. D. de bon. eor. qui ante 48, 21. 

24) fjanta, a. a. O. @. 44. 

_ 25) Poenit Civitatense CXLVII Item si clericiu homicidium voluntaric fecerit, debet 
depon i ab ordine et beneficio et VII annis peoitere. Et casualis homicida VanniB, n tarnen 
aliqua culpa praercsserit Sed si bomicidium fuerit necessarium , Tel aliter evadere non potuit 
et si culpa aliqua non fuit, non est irregularis. 

26) Qui manducat carnem immundam aut morticinam diUaceratam a bestiis XL dies 
poeniteat. 8ic enim neecssitas cogit famis, non nocet, quodiam aliud est legitimum, aliud quod 
nocesaita« cogit. 




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©e&anbümg b<§ 9tott)ftanbe§ unb ittSbef. Skrfcfmtbung in ^rteifiibTimg beflctbcn. 187 

lege, necessitas facit licitum. Nam et Sabbathum custodiri praeceptum est: 
Maccabaei tarnen sine culpa sua in Sabbatho pugnabant; sie et hodie si quis 
jejundura fregerit aegrotus reus voti non habetur, ©erabe bie Sßerbinbung be£ 
„sine culpa" mit bem rücfbalt&ofen principe be3 t>orf)ergel)enben „quod non 
est," ber flare ©d&lufj, ba| ber Äampf am Sabbatb beatwlb ni$t ftrafbar, 
weil er unoerfäjulbet geroefen, foroie bie tenbenjiöfe Einengung ber &ef)re non 
6 cito bc8 fanomfdden Stedjtä, beredjttgen jur 93ef)auptung, ban icijon ein 
geringer ©rab non culpa (jinretdbte, um einen oorfommenben $au" ber 
^Öcgünftigung eine« 9totyftanb3oerf)ältnif)e$ ju ent^en. 2)afj ma)t3beftomemger 
ni$t jebeä ^söcrfdjulben I)ter ^lafc greift, bafc baffelbe ferner in einem oer* 
nünftigen 3ufammcnl)ang mit ber fpäteren §anblung neben mufjte, ratrb burd) 
baS nor^crgc()enbc nt$t roiberlegt. (Sr träfe fonft j. JB. bie »Dtaccabäer, roenn 
fte ben Ärieg prooocirt, ber «orrourf einer r-erfdjulbeten s Jtotf)lage; benn fie 
mufjten an jebem Jage eine£ Singriffs gewärtig fein, ntc^t weniger ben tfranfen, 
ber in ftolge fdjlemmerifdjer (Syceffe bie ©efunbfjeit nerlor unb baS haften* 
gebot übertrat. 

5. SDie Unterfudjungen ber fcoftrin im 3eitraum ber begin* 
nenben ©loffe big jur epoebemadjenben Sdf>öpfung Sa)n)ar$enberg'8 
bieten ber S)arfteUung ber 9totl#anb3le^re ein ebenfo unerquttfli<beS als 
unergiebiges gelb. ®te SRotfjroenbtgfeit eine« unoer fdjulbeten 9totyftanbe3 betont 
unfereS aßtffenS nur %alob de Bello-Visu. 87 ) (SS fann jeboa) aus ber ganjen 
2Crt unb SBetfe ber Stuffaffung unb SBcljanblung gef Stoffen roerben, bajj fa)on 
ein geringer ©rab oon culpa bie 9tot^lage iljre« prioilegirten 
©baratterö entfleibete. 

6. S)ie »einliefe ©ertdjtSorbnung Äarl'S V. roibmet bem auf ben 
9totf)biebflaJl befa)ränften SRotfrftanb bie 2lrt. 166 unb 175. ®er SBerfdmlbung 
gefa)iet)t feine ©rroäfmung, roaS «eranlaffung ju controoerfen 2luffaffungen gab. 
Sööljmer, 88 ) ber ben 2lrt. 166. „satis confuse coneeptus" nennt, fagt bejüglidj 
biefer grage : Magis dubium an intersit, utrum fato ita ferente, an facto imputabili 
in eam conditionem reus perveneritV Ego nil mutandura censeo. Nam homo 
ex delicata sui aestimatione tarn acribus stimulis agitatur a natura, ut non 
possit non appetere et conquirere, quibus innato araore satisfieri potest: tum 
Stimuli actiones ejus dirigentes sunt connati et naturae humanae velut proprii: 
quam diu ergo hac praeditus est excurationem meretur, quoad actiones iisdem 
convenientes. Quum ergo naturam humanam exuisse dici nequeat, qui 
deglutiendo Patrimonium, egestate premitur, naturaliter consequi videtur, ut 
quae tanquam homo naturae suae convenienter urgente necessitate facit, 
impune fecisse intelligendus sit. Quin ob vitam praeteritam culpandus sit, 
non nego. SBenn Äod) 29 ) hierauf erroibert: Putat Böhmerus — meditat. ad 
art. 166. §. 153. Simeonem P. II. Diss. de ablatione rei alienae in casu 
necessitatis th. 16. — exinde, inquit, non dune sequitur, quod poenitentia 
duetus, nequet ad corporis sui conservationem res alterius suas facere. Peccat 
siquidem ille per culpam respectu prodigalitatis, erogationis et dilapidationis 
bonorum, non vero respectu conservationis vitae, quod suum non est, sed Deo 
et societati civili debetur, atque conservandam expresse praeeipitur — ad 
firmantem sententiam contra Zieglerum satis probasse. Sed mini contra 
videtur, egoque arbitror, negantium sententiam veritati prineipiisque juris 
magis esse conformera, ob principium supra §. 36. et n. deduetum. Licet 
enim Boehmero concedam, quod vita dissoluta, sine ullo animo laedendi, agi 



27) Jacob de Bello-Visu, aurea practica criminalis lib. 1. cap. 8. nam. 47. 48. ,jura non 
sueurrunt ei, qui se ipsum in nccesHitate ponit." 

28) Böhmer, meditatione« in C.C.C. ad art 166. u. 175. 

29) Koch, inatitutiones juris criminalis §. CLXilV. note. 

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Jgg $ef>aM>lirafl be« WotbftonbcS irafc in§bef. Scrfftultomi} in fcerbeifübrurtg beffelbcrt. . 

possit; inde tarnen non sequitur, necessitatem, quae ejusmodi vitam dissolutam 
excipere solet, non nosse imputari, fo ftellt Böhmer bic SRid)tigfeit be« Sior* 
rourfe« in Slbrebc, quia culpa non est ordinata ad furtum, sed mere occasionalis. 
Qui enini, feuert er fort, aggressione vel facto illicito autor conflictus est, 
illuni ipsum, quocum manus consent, laodit eoque solo noraine a vindieta 
non immunis est, sed sibi imputare eventum sinistrum debet, quem culpa sua 
proxime causavit. Contra qui prodigalitate inclarescit, peccat quidem, nulla 
tamen injuria certum individuum dissipatione sua proxime afficit, ad eoque 
animadversionem non ineurrit, quae restringere aut prohibere sui conser- 
vationem posset. 2)te 8öl)mer'fa)e 2lu3fül)rung glaubten mir i^rem ganzen 
Umfange nadj rotebergeben ju bürfen, weit einerfeits foroobl bie öejanblung 
bc3 9iotl#anbc3 überhaupt at« in£befonbere bie ber $erfd)ulbung beflelben in 
bireftem 2Btberfpruä) ju bem engen pebantifajen SBortlaut be$ t$efeije3 ftefjt, 
anbererfeitö aber nur eine berartige Interpretation geeignet war, bie Äluft 
auffüllen sroifäen praftifdjem Sebürfnifj unb Unjulängli^feit gefefclidjer 
23cftimmungen. 2öer alfo §ab unb ©ut uerfdjioenbet l)at unb in rechter 
,§ungcr$notl) flicht, ift ftraUoS; benn ba£ culpofe 3Woment ber 3?er* 
jotoenbung ift im JBerpltntfj jum S)iebftat)l ein jufällige« unb 
fteljt mit iljm in feinem bireften 3ufammenljang. 2öer bagegen einen 
Streit proöoeirt ober eine oerbotenc ,§anblung begebt unb im erften %aät 
ben ©cgner, im sroeiten irgenb ^emanb uerlcfct, ifi ftraf fällig. Sajabc, bajj 
ber lefetere §all nid)t mein: präcifirt ift, bamit man erfeljen fönnte, ob, roenn 
aueb bic verbotene Zfyat nur bie äufecre ^cranlaffung eine« 9tothoerf)ältniffc3 
btlbet, ber Xljäter bie ©cgünfiigung eine« folgen fa)on eo ipso oerliert ober ob 
erft ein snnfdjen ber verbotenen Xtyat unb ber fpäteren 5totf)fianbSt^at 
bcfteljcnbee (kufalitätöücrljältnijj bie Straflofigfeit aufbebt. 

7. 2)ie fäajfifdjen $urtftcn gaben bem 9iot()ftanbe eine »öttig oer* 
änberte S8afü8 f Strafmilberung anftatt ber früheren Straflofigfeit. Äein Söunbcr, 
bafe t)ier bie geringfie 3Jcrfa)ulbung bem %l)ättx fdjabete. 30 ) 

8. $er 9Uturrca^tSlc()rer ©rotiuS unb ^ufenborf fei in Jitür^c 
ermähnt. ©rotiuS 31 ) behauptet nia)t, bajj bie ^ottylage eine unocrfdwlbcte 
fein müffe. 3Benn er »erlangt, bafj uor allem ber Sßcrfudj gemacht werben 
muffe, auf anbere Sföetfe ber Wotl; ju entrinnen, 3. SB. bie Dbrigfcit um eine 
©abc angegangen werben müffe, unb benjenigen, ber biete« 9flittel ucrfcfjmäljt, 
culposus nennt, fo beftebt beffen culpa nidbt in ber Herbeiführung ber ÜHotl), 
fonbern im 5tufcerad;tlaffen anberweitiger SuettungSmittel, ift alfo feine culpa 
in bem bisher non un£ betonten Sinn, ^ufenborf st ) nermifet on ber £ljeorie 
beS ©rotiu« bie Unterf Reibung 3roifa)en uerfä)ulbeter unb unoerfd)ulbeter 
9iotty. Seine 8elmnblung biefcS $unfte8 nerbient jebodj roegen ber jurifitfd) 
uöUtg irrelenanten Stefultate feine nähere Beleuchtung. 

9. ßinen Uebcraang 3ur ^eoric be« XIX. 3a&*bunbcrt3 bilbetc 
eine s Jteihe uon roif|cnfd)aftlia)en Slrbeiten, bie bic Sergeroalttijungcn 
an ber 9iotpanb«lcl)re befämpfen. Slnlangenb unfere ^rage, fo untcr)cheibet 
Strijf 33 ) jroifajen affectata necessitas, s M b. i. boloS erftrebter unb necessitas, 
quae data opera fit, 35 ) b. i. einer fi$ fclbfl gemalten. 31t« Seifpicl ber le^tcren 
figurirt ber S5iebflaf)l beffen, ber nad) SScrgeuoung feiner §abe in 9iotlj gcratl;cn. 
©ine fola)e 9iotl) nennt er nec justa nec excusabilis, sed Uli imputanda qui in 



3(J) tterlich, conclus. pract. V. c. 44, n. 41. 

31) Hugo (Jrotiu8, do jure belli ao pacis 1. II. c. II. <}. VII. 

32) Pufendurf, de jure naturae et gentium lib. II. c. VI de jure et favore necemitatis §. 1. ff. 

33) Stryk, de jure neces«itati«. 

34) ©ttT)t a. a. O. t. HI. §. V, Wrflt. »etli*, Deels. 193 n. 6; ^ClJfliuS, quaest. 77 n. f>6. 

35) ©ttvt a. a. O. c. III. §. II. 



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©ebanbfong bc$ 9cotbftanbe8 unb inSbef. Sierfdmtbung in fcerbeifübrung bcffelbcn. l$9 



eam se conjecit. Ofme $rage ift bicfc ©eite her am roenigftcn gelungene unb 
befriebigenbc tyeil ber 6 tri; Hajen ^iffertation. 

10. ®ieöfterrei^ifa)e 36 )unbbaterifa)c(Jobtfifatton 37 )reprä[enttrt 
bie ftäf)igfeit „invenire et statuere legem, qua singuli casus regeren tur." 2öaS 
bie Serfcbulbung betrifft, fo rotrb mof)l eine auSoebncnbe Interpretation 
„beS fia) muthroillig in ben 3^ ot^fianbftür jettö" am $lafee fein. S)er 
Slicf ber ®efc$gebung war fein fo freier, bafe erft boloS herbeigeführter Wotfy 
ftanb bie Straffreiheit aufhob, So m fagen als 2lequioalent für ihre 
3ugeftänbniffe, als ©arantie gegen aWißbraua) bcrfclbcn »erlangt bie ©efefc* 
gebung einen fdfjablonenhaft tabellofen SRothftanb. 

11. $te Sßartifularftrafgefefcbüdjer beS XIX. ftabrhunbertS jet^ 
fallen bezüglich beS 9cotbftanbcS in äiuci ©ruppen, je nad)bem feiner auSbrücflich 
(Srroähnuna geflieht ober nicf)t. 3u erfterer gehören baS SlUgem. preufj. £anb* 
recht £h- II-, Sit. 20., §§. 19., 20., 21.; baS öfterreid). St. &. & o. 1787 §. 5., 
baS o. 1796 §. 8., baS o. 1803 §. 2., baS o. 1852 §. 2. lit. g; baS baierifchc 
6t. ©. 33. o. 1813 2lrt. 121. unb baS u. 1801 2Irt. 61.; baS preufe. St. @. 33. 
o. 1851 §. 40. leftterer gehören 1. ber baicr. (Sntrourf eines Strafgefcfe' 
buche« u. 1822 2trt. 85, 2., baS St. ®. 33. für baS ©rofeherjogtbum «oben 
t>. 1845 §. 81., 3. baS allgemeine Kriminalgefefebud) für baS Königreich 
.Ipannooer o. 1840 §. 84. , 4. baS Krtminalgefepud) für baS ßerjogtfmm 
«raunfchioeig o. 1840 §. 34., 5. baS St. ®. ©.für baS ©rofeberaogtbum Reffen 
v. 1841 2lrt. 45., 6. baS reoib. St. ©. 39. für baS Königreich Sachten o. 1868 
31rt. 92., 7. baS Kriminalgefefcbucb für Hamburg o. 1869 2trt. 30., 8. baS 
6t. ©. 33. für 9iaffau u. 1849 2Crt. 42., 9. baS St. ©. 33. für granffurt 
o. 1856 «rt. 45., 10. baS St. ©. 33. für baS Königreich 58ttrttcmberg o. 1739 
?lrt. 106., 11. ©q« thüringifche St. ®. & 2trt. 65. 

$ie unter 9tr. 10. unb 11. aufgeführten ermähnen baS SJerfchulben 
beS Zfyätivä bei Herbeiführung ber ©efahr nicht, bie unter 9tr. 1. bis 
8. unb baS 91. St. ®. 33. u. 1871 §§. 52., 54. berühren es unb oerlangen 
eine ®efahr, bie entroeber 

a. nicht abftchtlich herbeigeführt . . . 33aiern 

ober b. unoerfchulbet Sraunfdjroetg, St. 0. 33. 

ober c. ohne flrafbareS SBcrfdmlben . . . granffurt, Hamburg, SHaffau, 

•peffen, 33aben 

ober d. nicht als unmittelbare ^olge einer 

ftrafbaren £anblung herbeigeführt ift ©achfen. 
HL 2üle biefe 33eftimmunacn Dürften fid) w ) bei näherer Untcrfudjung als 
unhaltbar erroeifen. SBorerft fei einer mcrfroürbigen .ynfonfequenä ermähnt, 



3G1 Coiurtitutio Criminalis Tbercsiana %xt 11. §8. 2lbf. 2. 

37) Codex jur. Havar. crim. pars I. cap. 1. §. 4., §. 32. 

38) SMclfatf) maftgebenb für bie 93ebanblung t>eS ^otbOanbeS toon Letten ber ©trafqcfc£- 
büd)cr War ber baierifdjc CJntrourf »on 1822, iiidjt'jebod) bwüglid) tcS ÖrunbcS tcr ^tTaflou^tctt 
9iur tie ©trafgefefee »on ^annooer, *Jat>en unb Oraunfcprocig leiten tiefelbc aitä ter VLnwu 
redinnngSfäbigtcit tftx, roäbrenfc fie anbeten unb oueb fca8 iR. ©t. ®. fie bur* anbete "ÖiücT- 
fidjten tnotüuten. SÜgemeiue tr«ifjenfcbaftüebe Äncrtcnnung finbet tie« nidjt. Ru irrigen SDici* 
Illingen betleitcte bie Xrennung »on 9iotfjflanb unb üDrobung, bie ftd) fajl burdigängig nacb bem 
bam'fcben 9Nobclk burd) bie öefefegebung jiebt. 3n biefem ©inn bie ©efe^geber „Stiubcr ber 
ortucrbacb'fcben Sd?ule" )U nennen, rjl ridjtig, unrid)tig bagegen, bei anberen alö ben oben auö- 
brüdlid) äenannten an bie UnjurecbnungöfäbigtcU^tbcorie ju benten. 35icfelbe n>irb 3tt?ar beim 
bannoöcr'fdien ©efe^e »on 9Eöä*d)ter gcläügnet mit ©ejugnabme auf l'eonbarbt (Kommentar 3um 
bannotoer. @t. @. ©. ©. 3ß2). SBcnn legerer jebod) fägt, „eS bar? ni*t angenommen werben, 
baß baö eigentliche ^rinju; ber gefe<jlid»en 3Jorfcbrift in ber Unjuredjnungöfäbtgleit ber im y^otb- 
ftanbe bcfinblicben ^erfon liege," fo ftctit bieje tbeoretiftbe Strgumcntation im SSiberfrrucb mit 
ber ©eftimmung beS ©efe^tS, roetebeö in feinem SÄrt. 84. oon 'örilnbcn fpridjt, aus* beneu bic 



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190 ©ebanbhmg beä 91otf>ftanbe3 unb ürtbcf. SBerfdwtbung in Herbeiführung beffdbcn. 

bcrcn fich Beuerbach, ein ^cil feiner 2tnf)änger, foroie bie im ©inne feinet: 
?RotbftanbStf)corie gefchrtebenen ©efefce fd&ulbiq gemacht. SBenn im 9?othfianbe 
bie 9Jtöglid)feit einer SStrffamfeit beS ©trafgefebeS aufgehoben ifi, roeil biefer 
Buftanb unzurechnungsfähig madjt für bie SÖahl jroifchen Sufl 3um Verbrechen 
unb fernerer Vufee ünb baS 2luge ber brohenben SSarnung ber ©efe&eSftrafe, 
meldte hier ben Gfwrafter ber Slbfdfjrecfbarfeit oerliert, tJcrfc^IieBt, roenn alfo 
nur bie gegebene AurechnungSfähigfeit ben ÜJtafifiab ftrafredfjtlicher ©eurtheilung 
bilbet, fo bebarf bie ftrage feiner (Srörterung, wie roeit ber UnjurechnungS* 
fähige felbft btefen 3uftanb oerfchulbet Imt. 

1. SBenn nun, um m ben 8efttmmunaen ber einzelnen ©efefce überzugehen, 
ad a. baS baier. 6t. ©. oon einem abftchtlich ^erbetgefü^rten ßufianbe °er 
•Jtotf) fpricht, fo ift eS, abgefefjen oon ber inconfequenten $ur<|führung ber 
UnjurechnungSfähigfeit , auf bem ©tanbpunfte uon 1751 fielen geblieben, 
©einem SBortlaut nach ift nur bolofe Herbeiführung ftrafbar; nicht minber aber 



fo reicht bie qefe^lirfjc SBefttmmung für bie $rariS nicht aus, roenn bloS crfUreS, 
fo ifit bie Meinung, nur ein bolofe« SScrfd&ulben fei ftrafbar, als irrig $u 
cremten unb bie bte<3bc$üglid&e gefefclidje Seftimmung unjuläffig. 

ad b. $)q<8 braunf<$roeiatfdf>e, rmnnoücrfd()e unb töeid&Sftrafgefefcbudj ent* 
halten baS SHequifit „unoerfchuibet.'' 93ci ber Äommentirung wirb jeboch bem 
9teicf>Sftrafgefefebuch unb bcm oon <Qannoocr ein ©inn untergelegt, auf ben mir 
unter d näher eingehen. Ääme es bei ber ^Beurteilung eines DiothftanbS* 
üerfjältniffeS barauf an, ob eine JBeridfmlbung fchlecbtfnn oorlicge, fo mürbe 
bie eigentliche ftrnffrcic 9tothlage ju einer ©eltenheit werben. TO Stecht 
mürbe bemerft, bafj faft jeber Diothftanb fich auf eine halb aröfjcre, balb Heinere 
$8erfd)ulbung jurüefführen laffe. Verfchulbung märe eS bann, roenn 3emanb 
etroaS ©eroagteS unternimmt, glcidjotel ob bie föanblung als bolofcS ober fulpofcS 
Verbrechen erfcheint; ja ber Slrme, ber im größten junger einen gefährlichen 
$tebfiaf)l begeht, roäre ftrafbar, roenn er feine Slrmuth oerfchulbet hätte. 59 ) 

ad c. %laä) ben ©efefcen oon granlfurt, Hamburg, öeffen, Vaben unb 
9taffau barf ber 9tothftanb nicht „burch_ ftrafbarcS Scrfchulben" herbeigeführt 
fein. — $)ic Interpretation biefeS ^Begriffes im hefftfdjcn ©t. ©. V. roirb unter 
d berücffidf)tigt. — SBährcnb ber ungenügenbc, unpräcife SBortlaut „unoerfchulbet" 
eine richtige Vehanblung nicht auSfchlictit, mufe bie 2}Jöglichfeit einer folchen bei 
bem Stequiftte ohne „ftrafbareS Verfdmlben'' in 3lbrebe gefteüt roerben. 
Vielleicht tragen jum SBeroctfc jroei %ä\lt bei. (Sin ftifchbieb fällt in'S Söaffer. 
©chncll fafjt er nach einem oorübergleitenben Äahn. $>iefcr ftürjt um, ber 
Snfaffe ertrinft, er rettet fich. Unberechtigtes ftifchen ift jroar ftrafbar; bennoch 
roirb bie 5totl)ftanbStlmt ftraffrei bleiben muffen, benn ber %l)ättx hat biefe 
ungerooUte, mittelbare $olge feines DcliftS nicht oorauSgefehen. 40 ) Ober aber 
— in einem mauerumgrenjten, flehten £ofraum liegt ein £mnb an ber Äette, 
ben ich ne<fe unb reijc. -3)en einzigen 2luSgang bilbet eine ^Ijüre, oon ber aus 



HttWCbniUM wegfällt unb unter 7. ben Wotbftaub anführt. 2>er Qitbatt ber ftSnbifdbcn SJerbanb- 
lungen fiBäcbtcr, ^anblm* bcö tgl. fäcbf. mit ttjüring. et. M. & 3S4 ff. ) fprirtt cbcnfo>renig 
für SBädner, ba bie Kammern über biefen wtditigen unb jugleid) fd)r fehwicrigen ^untt [\<h nid)t 
nätjer au3gcf|prod)cn baben. (Vconbarbt a. a. C 1 . o. 3H6). (^egeu üBdchtevö Zweifel bejüglicb bc-5 
braunfdjwcigifcbcn ÖcfebeS fpri*t ber Jöortlaut tcr s Diotiüe (Diotiuc u. f. n>. 1840 '&. 1%), Kr 
Wotbftaub gehört ju ben ttrttnbtn, lvcldjc tte Strajbarlcit ber llebcrtrctnngen wegen Ü)tangcl 
ber 3 u "dinungSf»ibtgteit auSfcblicßcn. 

39; 2>cputatio nägutaebten ber (£ä*f. I. Äammcr @. 81. Äcbnlid) argumenrirt 
Stammler, 25arftcüung ber ftrafrecbtlicbcn 5Pebcutuug bes iiiottiftautC'3 8. 08 unb nenut baS C£r» 
forbernife „untocrfdjulbct" eine «euunmung, bie in ihrer »ttübruclaweife uiebt 3U billigen fei, 
fenbem einfcbränlenb gebeutet »erbcu rnüffe. 

40) Sädjtcr a a. O. ©. 37<5. Srcibeubad) a. a. O. 8. Ö70. 




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©cfanbfong be« Wotyftonbe« unb tnSbef. SSerfd&ulbuug in Herbeiführung beweiben. \ 9 \ 

eine Ijobe treppe in ben ©arten füfirt. 2Cn ifjr fifcen brei fpielenbe Äinber. 
3$ toeip, bafe, wenn bet &unb, ben idj meljr unb meijr reije, fid^ loßreifct, nur ein 
fd&neHer ©prung nad& ber Sfjüre unb beten fofortigeß ©d&liefjen 00c feinen 
räd&enben Ääbnen mid) föüfet ^mmer loilber jerrt baß Stüter an feiner flette 
— ba plöjmdp! fprengt er bie geffcl — ein ©prung — i# bin an ber $f)ür — 
ein Ähtb oerfjinbert baß ©abliefen berfelben. 3$ fa)ltefce fie bod&, flürje babura^ 
baß Äinb bie Xreppe Ijinab unb rette midfj; benn jrotfd&en bera $unb unb mir 
ift bie gefd&loffene Xf)ür. $aß föeijen eine« §unbeß ift jroar feine abfolut 
frrafbare £anblung, nicijtßbeftoroeniger wirb ber fa^einbaren 9totfyftanbßtf)at — 
ber Änabe fiel ftdj tobt — bie iöegünfhaung ber Straffreiheit nid&t au $&etl. 
3$ mufjte roiffen, bafj bei eoentueller §lu$t bie fpielcnben ßinber mir ben 
2lußgang uerfperren mürben. 

$aß Sßerfmltnife ber beiben ftälle ifi bejüglid^ SBeurtbeilung ber 2?er* 
fdjuibung unb ber 9lotbftanbßU)at ein umgefeljrteß. SDer ^ifibieb firafloß in 
33e§ug auf lefctere, bleibt oerantroortlia) für baß unbered&tia^ gifeben; ber anbere 
fhaffrei besüalidj beß 2tufre«enß eineß ipunbeß, bat in fabrläffiger Söeife ben 
£ob eineß SJcenfcfjen ocrfd&ulbet. 9teleoant für Die Qualiftfation eineß üftotf)* 
flanbßoerljältniffeß ift alfo nidbt ber fftafbare ober niAt flrafbare (S&arafter 
eineß oortjergeljenben Sierfd&uloenß, fonbern ber intellettueHe ßufammenfjang 
*roifd&cn biefem unb ber 5Kotf>ftanbßf)anblung; beß^alb fmb bie Seftimmungen 
ber angeführten ©efefee nid&t ju bittigen. 

ad d. S)ie 33efhmmung beß 6t. ©. SB. für ©ad&fen, bafe bie ®efal>r nidfjt 
bie unmittelbare $olge einer ftrafbaren $anblung fein barf, blieb bem £eyte 
nac& auf bie ©cfc&gcbung ©adfrfenß befdjränft, fa)ien jeboa) bem mobemen 
9fotf)ftaiibßbebürfnif|e nad) ber tjier berührten ©ette in fofern ju entfpred&en, 
alß bie Kommentatoren beß 9t. ©t. ©. 93., 41 ) beß fjannooerfdEjen") unb ^effifdjen 43 ) 
©t. ©. 33. bie einfd&läcugen Seftimmungen ber refp. ©efefce in biefem ©inne 
interpretiren. Sorcrfl tfi feffyufejjen, ftä'tte melier 2lrt baß fädtfifdfje ©t. ©. 53. 
im 3luge l)at. 3)er $>eputationßbcridf)t ber fäd^Rfd^cn L ßammer") erflärte fia^ 
gegen baß 9tequtftt „unoerfdfmlbet," weil bann ^emanb, ber fid& burdf) Seid&tfum 
unb SBerfd&roenbung baß (Slenb gebraut f)at unb baburdj in roaf)rc $ungerßnotf; 
aeratljen ift, bennodD beftraft mürbe, dagegen fönne ein entfdfnilbigenber 9Jotf)' 
jtanb feineßroegß angenommen roerben, roenn f^emanb burä^ eine flrafbarc 
$anblung einen 2lnberen in ben ^uftanb ber ©elbftoertbeibigung gefegt bat unb 
baburdb felbft in ©efa^r geraden if^. Diefe gätte follen burdj bie neue Raffung 
genauer gefonbert roerben. 2öä$ter 4S ) erblicft in folgenben ^othPanbß= 
^anblungen bie unmittelbare $olge einer ftrafbaren Xptigfeit: 

a. in bem auß bolofen ©rünben oerurfaajten ^ot^ftanbe, um burd^ bie 
9totf)jtanbßtf)at einen geroiffen ^med $u erreichen; 



41) O^»)cn^off, «ommtntar ^um SR. @t. @. ©. ©. 123: — es barf bie eingetretene 
Qkfafjr tiidrt bie unmittelbare Sfortfl« eigenen Berf(^ulbcn8 fein, ©^»arse, Äommcittar junt 
81. St. ®. @. 236: — ber 9iotf?ftanD ift bann niebt auSgeftbloffen, teenn bie Sage, in »etefier fitb. 
ber Xbäter beftnbet, jtoar nid»t nntterfcbulbct ift, bie ©efafjr aber rtictjt bie unmittelbare ftolge 
tiefer ©erfdbulbung ift. 3)er £a^u(j beä §. 54. tritt nidjt ein, n?enn Rottftanb unb bie ßanblung 
in einem jo unmittelbaren SaufalnejuS ftct>cit, baß ftc als Urfao^e unb &olgc unb gleia;fam alä 
eine (Einheit ft<^ barfteflen. 

42) Vccubartt a.a.O. <S. 364. Xic XuSbruddmeife bed öefetje« läßt annebmen, bag 
niefit eigene« 3krfd)ulben fcblecfttbin bie ©traflorigteit auäfdbließt, fonbern unmittelbares. 

43) ©reibenba* a- O. @. 578 burtb ftrafbare« ©erfiulben ift bie Xfyal betbeigefilbrt, 
wenn a. tiefer ©efabr eine Xbat borberging, bie an fid> ftrafbar ift, unb b. fta^ auö biefer bie 
®efabr ergeben bot, ttic auä ber Urfaa>e bie ©irtung. 

44) Eetout. iieridjt ber L SL @. 14a 

45) ffi5(^ter a.a.O. 6.377. 



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* 192 »cfanblung bcS WotftfonbeS unb inSbcf. SÜcrfdjuIbung in $erbetfül)tung beffclben. 

b. in bet ©efatjt beffen, bet butd) eine nnbetted)tlid)e föanblung fid) einet 
beted)tigten ®egenn)ei)t auSfeftt, mobuta) et an &eib obet ßeben 
gefä^rbet totrb; 

c. im 9totf)ftanbe beffen, bet eine fttafbate öanblung untet Umfiänbcn 
begebt, untet melden et bei geljötiget üyotftdjt bie lommenbe 9iot()lage 
ootauSfefjen fonnte. 

Wad) ben SWottoen jaulen eigentlich nut a. unb b. f)ietl)et, roätjtcnb 
jebod) für bie SBeJanblung be£ $aHeS c, foroie anbetet ba£ zugefügte „fttafbat" 
eine 2lnbcutung gibt, eine ^öeftimmung, beten Unjuläffigfeit untet c nadtfuroeifen 
oetfudjt wutbe. $on ben Gommentatoten Ijält fie nut Steibenbad) 
auftedjt. 

(Srfol^loö finb fetnet bie SSetfudje „unmittelbare ^olge" fo 8U oetbeut- 
lid;en, ba§ jebet ^ttttmm auSgefcfyloffcn ifi; aud) biefer begriff teia)t füt bie 
tiefte Sebanblung nid)t aus. 46 ) SBcujtenb aennjj bet bolofe Stanbftiftet, bet, 
um emen 2lu3iueg au£ bem btennenben £aufe su ftnben, einen anbetn in bie 
flammen ftöfit, fttaffällig ifi, witb bem cutyofen bie löegünftigung be£ ©efetjeS 
nidjt oetfagt roetben bütfen. 55)tc 9iotb ifi *u>at bie unmtttelbate $olge feinet 
2$etfd)ulben£, bod) et fonnte biefclbe au8 ftolge ootauSfetycn. 47 ) 

2. diejenigen ©efefee, bie bet SBetfdjulbung gat nid>t etmä^nen, finben 
ben Söeifatt Setnet'S, 48 ) oet eine jebe bie£be*üglid)e 3?orf4>rift nidjt nut als 
übetflüfftg, fonbetn aud) als gcfätytUdj oettuitft, unb ^anfa'S. 49 ) läßt ftd) 
jebod) nidjt leugnen, bofj Urnen bas 93cbenfen entgegenfte&t, baS SBotfjanbenfem 
einet culpa fei ttteleuant. Um fo mcljt aU bie $f)eotie auf ben ucrfd)tcbenften 
2öcgen $u biefet golgetung gelangte, gft 3. 33. ein ©efefc untet bem Ginfluffe 
bet fteuctbad;'fd)en S^eotic juStanbe gekommen, fo tann, wie oben bemetft, 
bie 5ßctfd)ulbung gat nicf)t in SScttadjt gebogen roetben. Sdjrocigt baS ©efefe 
tjietübet, fo fügt e$ ftd; bet Gonfequenj, beftetitt eS anbetS, fo befinbet eS ftc§ 
in unlöSbatem Söibctforudj mit feinet ptincipicllcn 2luffaffung. fetnet ctblicfte 
eine gtofce 2tnsal)l uon 6d)tiftftcUctn in bem s Jlequtftt „unoetfdnubct'' eine ganj 
unbegrünbete $ef#tänhing. (SS fei geftattet, oon ilmen nut Äöftlin unb 
S3etnet anjufüljten. (Stftctet 50 ) etflätt bie SBeftimmung füt ein bet 9ted)t3* 
fidjetljeit butdjauS gefällteres 6djroanfen, roobei bie mit bet einen ßanb 
gemähte fttcifjeit mit bet anbeten im Äeime etfticft roetbe. Se^tetet 51 ) fül)tt 
betattige Sef^tänfungen auf baS unjuläffige poHjeilic^e Sefttcben jutücf, 9Jli^ 
btäuc^en ootjubeugen. 

IV. 2lu3 bem ©cfagten gc^t bie Unjulänglidtfeit bet gefe|lic^en Sefttm" 
mungen, fomie bie Unjuläffigfett einet 3ö«otitung bet ^tage ^etuot. 
bütftc baljet eine 2lbmenbung oon bem oielbettetenen 3GÖcge inbicitt fein, um 
in bem, toaS fic^ aus ben aUgemetnen ©tunbfä^en übet 3utcdjnung etgibt, bie 
Söfung bet ^tage ju fua^cn. 

Sft bemnac^ eine ©cfaljt boloS oetanlafet, um eine verbotene ^anblung 
SU begeljen, fo l)at btcö SSet^ältnife mit bem -ftotbftanb gat nidjtS gemein; benn 
fym liegt 2lbftd)t als 2lnfang3uunft, Xl)at als Gnbpunft $tt ©tunbe; bic 



46) ^anta a. a. O- S. 252. 

47) 25ic ÄommiiTton ber II. babifebeu &ammcr (33er. 9h. 2. S. 47) tjvitte jwar ju §. 71. 
bic gafimta tjorgefrfitaiicH, bic Öcfatit müfjc burtj ba>3 l^crfAultcu t)ctbciflcfüt)tt fein; in bev 
flcbrucftcn ausgäbe bcö (rativurf^ blieb bad ffimrt jeboetj fort. Ob nur au3 bem oon Srcibeu- 
ba<f> a.a.O. ^.579 angeführten ^rnntc, „tttfj cö mebr bic tcmpcrcUc altJ bic caufale ^olge 
ausbifltfe," türftc awetfetpaft fein. 

48) »erner a. a. O. <£. 20 ff. 

49) 3anta a.a. O. @. 253. 
5<)) ftöftlin a.a. O. (S. 119. 

51) .^älfctjncr, yttu% etrafrec^t II. @. 278. 



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»efattMimg bcS 9totf)Panfce§ unfc üi^bcf. «erföutbunfl in fcerbeif ü&rmia, fcefielben. 193 

bapnfdfjcn liegenbe ©cfaljr ifi restlich gleich 9iull. 5 *) 2öar eine berartige 
2lbftcf)t jroar nicht uorljanbcn, bie ©cfatjr jeboci) bie ftolge einer $anblung, bei 
beren Begefjen bie Siothroenbigfeit einer fuäteren SRcchtSöerlc&ung uorauSjufehcn 
war, fo wirb biefer burch fftwläfffafeit begrünbeten £anblung bie Segünftigung 
bee s Jiotl)ftanbeg ni<^t ju Sljeil. 2lUe anbcrS gearteten ftälle begrünben einen 
ftraflofen 9totf)fianb. 

SDaS Strafgefefc wirb nun jroar oon einer fnaupen ftormulirung beffen, 
wojS fid) au i > allgemeinen ^rinciuien ergibt, Stbftanb nehmen müffen. Slngcjeiqt 
wirb jebod) fein, um feine principieUe Stellung ju fairen, b. h- um bie 
■fteleoanj ber Berfdjulbung bei ber ftrafrecbtlichen Beurteilung beS 9iotf)ftanbc£ 
aufjer 3rocifcl ju fefccn, etwa folgenbe Bestimmung ju treffen: 3ft ber s Jtotlj> 
ftanb burch eine, fei cS ftrafbarc, fei es nicht ftrafbare #anblung 
herbeigeführt, fo entfeheibeu bie allgemeinen (Srunbfäfce über 
Zurechnung, über ben 3ufammcnf;ang ber uorhcrgcljenben Scfyulb 
mit ber 9cotl;ftanb3hanblung unb fomit über bie Beurteilung ber 
Unteren. 



52) m\\t\X) a. a. D. <». 26. 



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!iürd)tm0 tcl(0rapljtfd)er $tptfü)tn. 



3Jon £errn £anbgerid)t«ratlj Dr. Hermann Ortloff ju SSeimar. 



3n einer bei bem oormaligen ^ufttjamt ju STCLf^cbt (©roftber^ogtlmm 
Sa$fcn*2lkimar*@ifenad)) in ber ©refution«tnftan3 anhängigen Sd)ulbflagfad&e 
be« Kaufmann« @. 9t. 311 Seipjig gegen bic unter ber ftirma unb S. Araber 
in 9lflftebt ein tyufy unb ^coberoaarcngefäjäft bafclbft betretbenben ©efebroifter 
Sfjcrcfe unb 6elma Araber maren am 10. Süli 1879 für bie, auf 400 HR. 
40 s Jtf. beregneten ßaupt* unb SRcbcnforberungen bc« Älägcr« burd) ba« beauf« 
trogte (Sfctutton«perfonal be« $oüftrec!unc$gericJ)t« öau«gcrätl)e unb äöaaren 
pfänbung«roetfe in ber SBofnwng ber klagten in sBcfcblag genommen, unb 
behufs bc« öffentlichen SBerfauf« mar 2krftcigerung«termiu r>on bem ^uftijamt 
auf ben 18. Slugnft 1879 in ber Srabcr'fdjen 2öol;nung anberaumt roorben. 

2lm 14. 2Iuguft 1879 erfdnenen bie ©efd)roiftcr Xraber bei bem ©laubiger 
©. 91. unb baten um bringenb, feinen 2lnroalt an$umeifen, bie geria;tlicBe 23er* 
Weigerung ifjrer 3Jiobilten ftftircn ju laffen, offerirten aud) für ben ftall ber 
©cmäljrung ibrer Sitte eine Xfjeiljaljlung — inbeffen oergeblidj, ba ber 
©laubiger auf ba« 93efttmmteftc roicberf)oltc, bafj er feinem Slnroalt eine ber* 
artige ^nftruftton nid)t erteilen merbe. 

Neffen ungeachtet gab ty. Araber fofort in Seipjig an ben 9tedjt«* 
anmalt ©. in Sena, ben flägerifdjen JrojeBfüljrer, folgenbc« Xclcaramm auf: 
„Araber« gejault maxt 70, überlaffe iBerfteigerung telcgrap^ifa) ^ufii$amt 
fiftiren." 

91. (9iamc be« ©laubiger«). Araber. 

ferner richtete biefelbe am borgen bc« 15. 2lugufl r»on 9teubnifc eben* 
fall« unter yjJifjbraucf) be« Samens itire« ©laubiger« an ba« Suftijamt 3U 
9lllfiebt ba« Telegramm: „(Srfudje ergebenft «erfteigerung fifttren." 

ga|t gleichzeitig mit biefer $cpcfd)c traf bei ber gebauten ©eridjt«behörbe 
eine gleiche bc« 9tcd)t«amualt« ©. ein, roorin berfclbc, burdj bie oermeintlicbc 
llnterfd)rift feine« ©croaltgeber« unter bem empfangenen Telegramm getäufdjt, 
feine (Siiuuiüigung gut Siftirung be« 3roang«üollftrecfung« ' ^erfauf« crflärte. 
9(unmcl)r befdjlofe ba« Suftuamt auf ©runb beiber 2>epefcf)en bie Aufhebung 
bc« 5$erftetgcrung«termm«; Der 9)tifjbraud), meieren %\). Str. in beiben £ele> 
grammen mit ber Unterfdfrift ifjrc« ©laubiger« getrieben, inbem fie unter bic 
£>riginal'3)epefdje oljne 9tuftrag ober Ginroittigung beffelben feinen tarnen fe^te, 
fam erft einige Sage banad;, naetybem c«' iljr gelungen mar, bie broljenbc 



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ftdlfdjung tckgtaMfä« <Depefd)en. 195 

3roangj8oerfteigerung ju Untertreiben, 3ur Äenntnifc beS ©läubtger<8 unb beS 
*oUftrc(funö3(iert^t5. ©rjtercr braute bie ^anblungSroeife ber %h. Xv. jur 
Anzeige, loclt^c in ber barauf aea,en fte eingeleiteten Unterfuchung 3roar 
jugeftanben aber 3U bcfdjönigcn üerfuebt raurbe. 

S)ie 3ln!lage beS Staatsanwalts ju SÖetmar rourbc gegen bie Xf). Xt. 
auf O.runb bc£ §. 268. 3. 1. unb 267. beS 9t. 6t. ©. 93. erhoben; bafi fte 
in recfjtSnnbriger 2lbfid)t $rir»aturfunben, welche 3um öeweife uon stechten von 
(5rl)cblid)fcit waren, in ber Slbficbt, ft<^ einen SermögemSoortbcil — nämlich bie 
2lufhebung eines gegen Tie uerfügten 3 roan 9$ ö *tf au fö üon 3Jtobilien — ju 
»erraffen, burd) unbefugte Stieberfdjrift unb unterfcbriftlicbe SSoUjic^ung ber 
Originalbcpefcbcn mit bem 9camcn beä ©läubtgerS fälfajlia) angefertigt unb von 
beiben ^rioaturfunben babureb, bafj fie bie ßufteflung ber $epefcbenau3fertigungen 
an bie 2lbreffaten neranlafcte, jum 3roe<f einer Xäuiajung ©ebraudj gemalt 
3U ^aben. 

S)urd) $efd)luf? ber I. Straffammer beS SanbgeridjtS ju Söetmar r>om 
2. Februar 1880 mürbe ber Slnflage entfprccbenb baS ^auproerfa^ren gegen 
XI). Xx. vot bem 2anbgerid)t au Söeimar eröffnet, unb in ber £auptoerbanblung 
bafelbft uom 18. ^ebruar 1880 mürbe bie 2lngef tagte wegen jmeier $älf jungen, 
in ber 2lbfidjt, ftd) einen SöcrmögenSoortbeil su »erfebaffen, auf ©runb ber 
§§. 267., 268., 74. beS 9t. 6t. ©. jeboeb unter annähme milbember 
Umftänbe , 3u einer ©efammtjrrafe r»on jroölf Xagen ©cfängnifj uon ber 
II. 6traffammcr bcS gcbad;ten SanbgerichtS »erurtljeilt. («orfifccnber £anb< 
gcricht£*$)ircftor Dr. $rte3.) 

2lu£ ben ©rttnoen 3um Strafurtljeil mag bic Slnfübrung be£ Xl)ai> 
beftanbcS enthält baS oben SJfttgctbeilte — ^olgenbeS, ma£ 3ur rechtlichen 
Söcurthcilung Dienen foll, heruorgeboben merben: 

„3n biefem Verhalten bor älngcflagten liegt ber £batbcftanb ber fälfa> 
Itdjen Anfertigung non ^rioaturfunben, roeldje jum Vcioeifc oon Dichten unb 
StecbtSnerljaltniifcn von (Srbeblicbfeit finb. 

5Der §. 267. be3 6t. ©. V. enthält Feine Definition bcS Portes „Urfunbe"; 
e$ ift aber nach ben SDtotioen unb ben 9lnfid)ten aller Äommcntatorcn jrocifelloS, 
bafj ber 2luSbrucf allgemein 3U uerfteben unb nict)t auf fcbriftlicbe 2luf3etdmungen 
3U befchränfen ift. Sollte man aber audj eine befebränfenbe Auslegung $la(j 
greifen laffen, fo mürbe boeb immer barilber fein 3 roc tf c l befielen fönnen, bap 
eine fd)riftlidj abgefaßte, mit Untcrfc^rift Dcrfcljenc, biSpofttioe SÖillenSerflärung 
in ber Xfyat eine Urfunbe ift. 9Jcit einer folgen haben mir cS Wer su t^un. 
^n bem erften fälfdjticb angefertigten Telegramm 3cigte ber angebliche 3^erfaffer 
eine angeblid) gclcijtctc, in ber Xtyat gar nicht erfolgte 3 a h^"9 v< > n 7 Ö 2Warf 
an unb ermächtigte feinen 2lnmalt, bic Verweigerung 3u fiftiren; in bem 3»oeiten 
aber beantragte er fogar bireft bei bem ^uftijamt bie 6iftirung. S)te8 maren 
fdjriftlid) abgefaßte, mit bem 9tamcn beä angeblichen Serfaiferä unterjeichnete 
bi^pofttioe 2ÜiHenScrflärungcn. Daft biefe Ürfunben nicht in bie §anb 
be« 2tbrcf faten gelangten, fonbern in ber Söermaljrung bcS 
2;elegraphenamtc« jurücf blieben, änbert felbftocrflänblich an bem 
Segriffe ber Urfunbe gar nichts. 

3)ie 5Hid)tigFeit biefer 2Infict)t ift namentlich auch anerfanut in Oppenhoff, 
Äommentar, 2lu6g. VII. 31t §. 267. not. 223. unb finbet fieb übcr3cugenb au^ 
geführt in bem bort angebogenen (Srfcnntnife bcjS preufj. DbcrtribunalS. 9tach 
biefen 2lu5fü()rungen fteht eine fog. Original * 3)epcfche einem ©riefe in ber 
JBebeutung einer Urfunbe gan3 gteid), nur mit bem Unterfcbtcbe, ba^ im 
Selegraphenoerfehr ba& Original bei ber 33cf)örbe 3itrücfbehalten unb eine 
telegraphifch l;crgeftellte Äoptc an ben 2lbreffaten hinamSgegeben roirb. Ob auch 
biefe Äopie im 6inne bcS 6t. ©. al5 eine Urfunbe 311 betrachten unb ob in 
einer fätf glichen Slnfertigung einer folgen ber $b«tbeftanb ber Urfunbenfälfchung 



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196 gßfömtg tctcgra»jbtf<£>er IDtpefdjen. 

m erbltefen ifi, ba« fann l)ter auf ftd) berufen; benn mit 9tedjt f>at bie 2tttflaflc 
für bic fälfd&Itdje Slnfertigung ba$ ©croiebt auf bic Origmal*£>epcfcJ>en unb nic$t 
auf bic ben 2lbreffaten zugegangenen Sluäfertigungen gelegt. 

60 unbestreitbar ^iemad^ bie ßigenfdmft bet von ber 2tngcflagten 
angefertigten ftepefdjen als qirioaturfunben tft, ebenfo unjroeifclfiaft ift e£, bafj 
bicfelben 3um 33croeifc uon 9iecf)tcn unb N Jtea)t^ücrt)ättni|fen oon Grbeblta)fett 
finb .... 2)ie 2lngeflagte bat oon ber fälfdjltd) angefertigten 2>epef<be 511m 
3roecfc einer Säufcfjung ©ebraueb gemalt. Sic fjanbcltc in ber 2lbftcf)t, ftdj 
einen $crmögcn3öortf)ctl gu r»erfd)affen, roela)er barin ju crblicfcn mar, bafj fie 
ben brobenben «RroangSoerfauf abroenbete. 

3)a bie langeftagte nid)t in ber 2lbftd)t Ijanbclte, tbren ©laubiger ju 
fdjäbigcn, ba lefctercr aud) fpäter uollftänbig bef riebigt roorben tft unb ba bic 
2lngeflagte in ibrer großen 9totl; fieb ber Strafbarfeit if)rer öanblungen nidjt 
»oll beroufet geroefen fein mag, rechtfertigt fta) bic 2lnnabmc milbcriiber Umftänbe 
unb bie Slnnabmc beS geringften Strafmass non einer 5öSod;c für jeben gaU, 
foroie bic crmämgtc ©efammtftrafc." 

SDcr Staats anmalt menbete gegen biefeS Grfcnntnij? ba$ 9teebt3mittel 
ber 9teoifion an ba3 9letd)£gerid)t jir©unftcn ber Slngeflagten (§. 238. 2lbf. 2. 
ber 91 St. <ß. 0.) ein, roeil bie SBerlcfcung einer 9iorm beS materiellen 9teeb&, 
nämliaj bc3 §. 268. 3. 1. eil. §. 2G7. bc$ 9t. St. ©. bejtebunaSroeife be$ 
§. 263. be3 9t. St. ©. $3. infofern oorliegc, als ©efetje, nämtia) §. 268. 3. 1. 
§. 267. cit., ntdjt richtig angeroenbet roorben feien, unb ein ©efefc, nämlid) 
§. 263. be3 9t. St. ©. $3., außer Slmocnbung geblieben fei, roetcbeS auf ben in 
bem angefochtenen Urtbcile fcftgeftclltcn Slmtbeftanb hätte angeroenbet roerben 
muffen. $\\ ber Scgrünbung biefeä 9ted)t£mittel£ roirb bie Behauptung tror* 
angeftcllt: bic Slngcflagtc ^abc oon ben Originalbcpcfdjcn einen ©ebrauaj 
üum $md einer 2äufa)ung überhaupt nicht gemacht, auf bie beiben in 9tcbe 
ftehenben $epcfcbcnau3f erttgungen aber, roclchc in ber Xtyxt $u bem gebauten 
ärocefe mißbraucht roorben, finbc ber 33cgrtff ber Urfunbe feine 2lnrocnbung. 

äöeiter roirb ftolgcnbeä ausgeführt: 

1. Sie Urfunoeneigenfcbaft einer 3ur 3lbfenbung übergebenen Original* 
bepefc^c roirb nid;t beftritten, auch nicht, bafj bic fälfa)Udje Unterfertigung ^eiucS 
fremben 9lamcnS unter einer folgen Urfunbe eine ^älfefmng enthalte; allein 
jum gcfejjlichen begriff gebore aud) noch, bafe oon ber gefältelten Urfunbe §um 
3roecf einer Xäufa;ung ©ebraueb gcmaajt roorben fei. 3)icfcr ©ebraud) ber 
„Urfunbe" im Sinne beS §. 267. 91. St. ©. fönnc in ber SluSbanbigung 
ber 2lufeeid)nung an ben Xclcgrapbcnbcamtcn nidjt gefunben roerben, roeil 
ber biefem gegenüber gemachte ©ebraueb nia)t ben bcroetöcrljebtidjcn ^n^alt ber 
Urfunbe jum ©egenftanbe Imbe, fonbent fidj lebiglia) auf bic ^bentität bc3 
2lbfcnbcr§ begebe, in 3ietrcf| roeldjer bic 9iicbcrfcbr(ft nid)tö beroeife. 

2)ie 9licbcrfcbrift, roeld)e ber Xetcgrap^cnftation jum 2lbtelcgrap^iren 
übergeben roerbe, fommc bem 2lbrcffatcn, bei roelcbem nad) ber ^cnbcnj beS 
2lbfcnberö ber ©laubc erroerft roerben folle, baft baö Telegramm oon SDcmjenigcn 
bcrrütjre, beffen 9tamc gemifibraud)t roorben, gar nid)t ju ©efiebt. 3)ie auf* 
gegebene Urfunbe enthalte nur baö, roas ber 2lbfcnber bem Gmpfänger ber 
S)epcfa)c böbe fagen ro ollen, btefe bagegen ba£, roaS er i^m gefagt f>at. 

cfr. (Jrfcnntnift bcö D. 2l.*©cridn$ ju 9)tüna)en uom 21). $c*. 1873 in 
Stcngtcin'5 3citfd;r. III. S. 220 unb §. 10. ber 9tciAö*Xclegrap^enorbnung 
v. 21. Sunt 1872. 9t. ©. m. S. 217. 

2. Sic 2lu£ferttgung ber £cpefa)c, b. f>. bic bem (Smpfänger ber 
3)cpcfd;c oon ber 2lnfunftö*Station 3ugeftelltc 9iicbcrfdirift fei niemals eine 
„Urfunbe", nia)t einmal bic 2lbfd)rift einer foleben, fonbern nur eine einfache 
Slieberfc^rift beS Selcgrapbiftcn über biejenigen ^clegrapljcnjcicbcn, rocla)e i^m 
von ber 2lufgabcftation jugegangen feien. 



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£)te Xelegraphenämter, bie Originale her aufgegebenen 2)cpefd)cn bebaltcnb, 
feien nicht Veförberer biefer Originale, fonbern fie gäben bem 2lbrcffaten nur 
eine Äopte, ofme alle Uebcrnabmc einer ©arantie weber für bie 2lutbenttcüat 
ber 2lufgabebepefd)e noch für bie Srcuc ber Äopie. (SHcnfcbcr in ber 3eit- 
fdjrift f. beutfeh. Stecht XIX. 9tr. VIII.) 2lber aud) nid>t ju feinem Manbatar 
beftelle ber 2lufgeber ber 2)epefd^e baS £elegrapbenamt, mclcbenfalls bie aus* 
gefertigte S)epefdje cS als fa^rtftlidjer 2(ft oerpfliebten tonnte, fonbem er oer* 
einbare mit ihm eine locatio conduetio operis, wobei ber SBitte beS 2lbfenberS unb 
bie Verpflichtung ber Selegraphcnoerwaltung baljin gebe, baft feitenS ber 
lejjtercn auf ber 2JnfunftSflation eine Atopie ber bort eingegangenen Stclegrapben* 
3eid)en angefertigt unb bem 2tbref[aten jugeftcllt werbe, demgemäß fdbreibe aua) 
baS £elegrapbcnamt bem Slbrcffaten nicht unter eigener Unterfd)rift unb in 
Vertretung beS SlufgeberS, fonbern eS ftelle bem 2lbreffaten bie mit ber Unter* 
febrift beS Stufgebers oerfehene 2lufgabcbepefd)e in einer ungarantirten einfachen 
• Diieberfcbrift beS Sfcelegraphenbeamten $u. 

3. 9iaty alle bem fönne auch in bem oorliegenben ftalle, in welkem 
jwei Slbreffaten burd) Aufteilungen oon ®epcfcbcnauSferttgungcn getäufebt 
worben, niebt wohl bebauptet werben, bafj ju biefem Qioidi oon ftUfdjuco 
angefertigten „Urfunben" ©ebraueb gemaebt worben fei; bie Säufcbung fei oiel* 
mehr bureb ein meebanifdjes 3Kittel bewirft roorben, roclcbem bie Urfunbeneigen* 
fdmft nicht innewohne. 

S)ie gan^e ftrafbare Manipulation ber Ülngcflagtcn ftelle fidj bemnacb 
als betrug Smcbium bar unb erfülle ben £b a tbeftanb beS §. 203. beS 
5t. 6t. ©. welcher auf bie föanblungSweife ber 2lngeflagten in Slnroenbung 
ju bringen geroefen roäre. 

§n feinem ©abreiben bei Ueberfenbung ber 3lften an beu Ober ^Reichs* 
anroalt bemerfte ber I. Staatsanwalt bei bem Sanbgericbt m Weimar, bajj er, 
entgegen feiner in ber 2lnflage oertretenen Slnftcbt, bie Weoifion cingewenbet 
babe, um bie norliegcnbe, auf alle s JtcdjtSgebtete übergreifenbe tyvin* 
3ipienfragc ber Slnwcnbung beS Urfunbenbegriffs auf ben telcgrapbifcben 
Verfebr bureb eine ©ntfebetbung beS böcbftcn ©erid)t$hofeS 3u bem erwünfebten 
SluStrag m bringen. 

$tefe£ erfannte am 15. WM 1880 „im tarnen beS mdfi" im III. ©traf' 
fenat unter bem Vorfifc beS Dr. o. Veucrle unb ajiitwirfung ber 9t ©. 9t. 
Schüler, Dr. u. ©räocni|}, SUtafemann, Dr. SBoljc, Dr. ©piefj unb 
©djecle, fowic beS 9teicbSanmaltS ©tenglein, ba§ baS angefochtene Urtbcil 
aufzubeben unb bie Slngeflagte fojtenloS freisufprea^en fei. 3n ben 
biefem Urtbeil beigegebenen ©rünben wirb oorangefdjicft, bafj bie oorigen 
Stidjter mit 9lccbt angenommen bitten, bie beiben in §xage ftebenben 2)epefcbcu 
feien ihrem ©egenftanbe nacb sunt Veweife non 3ted)ten ober 9tecbt«oerbältniffen 
uon ©r^cbli^fcit, benn bie ftrage, ob burd) Aufgabe uncdjter S)epcfcben eine 
Urfunbenfälfchun^ begangen werbe, müffe junäcbft auf folebe S)epe"cben ein* 
gefc^ränft werben, bie nadj ibrem ^[nbalt überhaupt eine Urfunbc barftellcn unb, 
ba e3 fid) im norliegenben ^att um §älfa)ung oon ^riuaturfunben banbelt, auf 
folebe 3)epefcben, welche jum SBeweife oon Steckten ober iHecbtSoer^ältniffcn oon 
@rf)eblicbfeü fein fönnten. (@« folgt nun bie tbatfäcblicbe 2luffübrung.) 

Sei ber aufjerorbentlidjen SBicbtigfeit unb Tragweite ber weitexen 
Vegrünbungen mögen biefelben wörtlich wiebergegeben werben wie folgt: 

„3)ie oorigen dichter h fl bcn fobann feftgeftcllt, bafe bie 3lngeflagte bie 
beiben ©cbrtftftücfe felbft febrieb unb mit Untcrfcbrift oerfah; auch ergiebt 
fich aus ben tbatfäcblicben ^eftftellungcn, baft bie Slngeflagte hierbei in ber 
^Ibficbt banbelte, gegen ben bereits erfolgten auSbrücflicben Söiberfprucb ihtcS 
©läubigcrS bie ju ©unften beffelben angeorbnetc Verjteigerung ihrer ©aeben 
unb ber ©achen ihrer ©chwefler burch eigenmächtiges Eingreifen }u hintertreiben, 



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198 fcÄWwrfl tdegratfiifcficr $q>efcf)en. 

unb baf$ fic bicfe 2lbfid^t baburd) jur Ausführung bringen wollte, bafj ber Inhalt 
ber ©chriftfttiefe an ben flägcrifc^cn Anwalt unb an baS Suftijamt abtelegraphirt 
würbe, faxe Abfid)t mar alfo eine rcdjtSiüibrigc unb ging auf einen SBcrmögenS* 
uortheil. Aua) mar Incrnad) il>r s -8orfafc bei ber Anfertigung ber 6d>riftftücfc 
unter ber SßorauSfefcung auf Anfertigung oon Urtunbcn genutet, wenn in ber 
oon ihr bcabftdjtigten Vorlegung berfelben auf bem Telcgraphenamt ju beut 
gebauten 3wctf ein ©ebraudj berfelben als Urfunben lag. 

Um biete lefctere $rage bewegen ftd^ bie Ausführungen ber 9tcoifionjS* 
fd)rift. (Sbenfo geht bie in ber Literatur unb Stechtfprcdjung in $3ejiehung 
auf bie Abfenbung unechter Telegramme erörterte fixciQt hauptfädurch balnn, 
ob bei einer SSenoenbung biefer Art von bem an fid) eine Urfunbe barftellenbcu 
unechten ©dnüftftücf ber Originalbcpefcbe, als oon einer Urfunbe, (Gebrauch 
gemadjt werbe. 2)ie ©ntfdjeibung bet ftrage fann nur barauS entnommen 
werben, ob bei ber SJerwcnbung eine« unechten, unb footel feinen Inhalt betrifft, 
eine Urfunbe barfteüenben Sd)riftftücfS biefcö als Littel jum Öeweife einer- 
Tbatfadje biene unb bienen folle, unb biefer beweis fann mieberum möglicher* 
weife bem Telegraphenbeamtcn ober bem Abrcffaten gegenüber geführt werben 
foUen. 35er Üfcbraud) mufe aber nach bem gcfefclid)en begriffe ber $älfd)ung 
(§. 267. beS Straf gefcfcbuchS) jugleid; ben $med einer Täuidnmg gehabt haben. 
T)a nun bie oorigen dichter thatfäd>lich fcftgeftellt haben, ber ,3mecf oer 
2lngeflagten fei auf Täufdjung beS McdjtSanwaltS 0. unb beS ^ufiuamtS 
AUftebt gegangen, tommt es für ben »orlicgenben ^all nur barauf an, ob bem 
®. unb bem äuftijamt gegenüber ber Inhalt ber beiben 2)epefd)en abftd^tlid) 
jum 2kweife einer unwahren Thatfadje benüfct fei. 

Db Sdnüftftücfe oon ber Angesagten auf bie angegebene SBeife oerwenbet 
worben finb, ift an fid) eine reine Tljatfrage. S)ie oorigen 9lid)tcr ^aben fic 
aber in biefer gorm nicht mit ausbrüeflichen Söorten beantwortet, währenb 
anbererfeits hierin fein projcfiualtfchcr ^erftofj gefunben unb feine ^erlcfcung 
einer 9ted)tSnorm beS Verfahrens behauptet ift. (§§. 384. 392. ber Straf* 
projefcorbnung.) 33ei biefer «Sachlage tmnbelt es fid) barum, ob aus ben tfmt* 
fächlichen gcftftcllungen beS angefochtenen Urteils, wie fic oorliegen, abgeleitet 
werben fann, bajj bie Angcflagte oon ben Sdjriftftücfen einen (Gebrauch ber 
bezeichneten Art wirflidj gemacht fjat, fo bafj bura) bie Bestellungen bie SBer* 
urtljeilung wegen Urfunbenfälfdjung getragen wirb, ©ben bieS mufj aber oer* 
neint werben. 

3war ift cS richtig, bafj bie Angeflagte ben @. unb baS ^uftijamt oon 
einer unwahren Xlwtfadje tiberzeugen wollte, nämlich oon ber äöiUenSerflärung 
beS di. (©läubigerS) tunfidjtlidi ber Siftirung ber Verweigerung. Aber baS 
Littel, beffen ite fia) ju biefer Täufchung beoiente, war nur bie ^minfprud)- 
nafjme ber 2elegrap|cnan|"talt jur Ucbermittelung ber angeblichen äBitten^ 
erflärung, unb um biefe« Nüttel in Söirffamfcit ju fe^cn, probujtrte fie ^war, 
ber Drbnung beö Tcle^raptjenbienfte« gemäfe, bie oon il)r auj^fertigten ödjrift* 
ftücfe, nidjt aber, um biefe al«8 sBcmei&mittcl ber äBiüen^erflarung jur ©eltung 
ju bringen. S)em 5telegrapl;enbeamten gegenüber foüte ein Scwei« überhaupt 
nid;t geführt werben. S)ic Abrcffaten ber beiben Telegramme aber fonnten 
burd) bie Sd)riftftü(fe in ber ©igenfd;aft berfelben als Urfunben über bie 
5öiUcnScrflärung beStjalb nid)t überzeugt werben follen, weil ber Angeflagten, 
inbem fic t>a& aWittel ber tclegrapl)ifd)cn 5öenadwid)tigung wählte, befannt war, 
bafe i^re Sdjriftftttcfe ben Abrcffaten nid)t $u ©cfidjt famen. (£in beweis burd) 
Urfunben fann nur geführt werben, infofem biefelben wahrnehmbare Dbjefte 
finb unb wirflia) wahrgenommen werben. 

äitenn ber (Smpfänger eines Telegramms ben Inhalt beffclbcn für wahr 
hält, unb nad; biefer feiner Annahme Iwnbelt, wei^ er jwar, wo bic in $)cutfa> 
lanb eingeführte Drbnung beS TelegraphenwcfenS befteht, oafj regelma&ig eine 



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ftitfdmttg tcteflrapbifd)« 2>e»>ef#en. 



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fchriftlid) abgefaßte $)epeiche auf bcr Abgangäflatton überreizt unb niebergelegt 
ift, jebod^ fann er feinen ©tauben an oen 3 n ^lt beS Telegramme« nicht auf 



ift, ba et für beren ©chtbeit bei ber Unmöglichfett einer Prüfung ber (bc^rift* 
jüge feincrlei ©ernähr hat, oielmehr nur erfährt, baft irgenb 3cmanb, beffeu 
$erjöntid)feit nicht fonftatirt ift, ba« ©djriftftücf mit einer StamenSunterfchrift 
gebraut unb bie Abtclcgrapljtrung beffelbcn ocrlangt hat. ^nforocit er bent 
Telegramm glaubt, oerläfet er ftch lebigltch auf bie im Allgemeinen Durch bie 
Erfahrung benötigte Annahme, e« werbe &iemanb ©runb unb Abftdjt gehabt 
haben, u)n m tauften; einen SBemei« für bie 5Rid)tigfeit biefer Annahme im 
tonfreten ftall tjat er nicht, unb fann ilm erft nachträglich burä) bie aufgegebene 
2)epefd)e erhalten, wenn er fidf) in bie Sage bringt, btefe einjufcbeu unb auf 
bie tfennaeichen ber Authenticität ju unterfuchen. 2)ajj bie 2)epefche auf biefe 
Söetfe jum Beweismittel werben, alfo in bcr (Sigenfchaft als Urfunbe bienen 
fann, ift jeboch unerheblich für bie %xaaz, obfdjon ber Aufgeber fie in biefer 
©tgenfehaft bcnüfct habe, unb folange otefeS nicht fefigeftellt ift, oielmehr auS 
ben bewiefenen Sc^aifad^en ftd), wie hier, ba£ ©egentheil ergiebt, fehlt eS am 
Thatbeftanbe ber Urfunbenfälfchung. 2)ie Steoifton erfebeint alfo, foweit fie bie 
2$erurtf)eilung ber Angesagten raegen Urfunbenfälfchung anficht, als begrünbet. 

Sticht begrünbet ijt fie bagegen inforoeit, als fie bie Anwenbung ber 
©trafbeftimmung über betrug forbert. $cr §. 263. be« 6trafgcfc&buchS oer- 
langt jum ^^atbeftanbe bcö Betrugs, bafi ber tyättx baS Vermögen eine« 
Anbeten befchäbigt habe. 9fun folgt barauS, bafj bie Angeflagte oen 93er«» 
mögenSoortbeil ber ©iftirung ber ihren ©achen brofjenben Skrfteigerung erreicht 
bat, nic^t, bafe ihr ©laubiger an feinem Vermögen befchäbigt worben fei; er 
erhielt nadj ber fteftjteHung ber oorigen dichter oielmehr bie ooUe SBefrie bigung 
feiner ^orberung unb fann fie fogar früher erlangt höben, als fie ihm ju 
geworben fein mürbe, toenn bie äterfteigerung jur Ausführung gefommen märe ; 
Demnach mar mit bcr £anblung«weife bcr Angesagten auch baS «ewufjtfein, 
bafe fie ihren ©läubiger am SScrmögen fchäbige, nicht oerbunben. S)afj fie bie 
Abfielt nicht hatte, eine ^ermögcnSbefcf)äbigung 3U beroirfen, hoben bie oovigen 
dichter gleichfalls feftgeftcUt. 3)er ©läubiger ber Angeflagten mürbe alfo jufolge 
ber geftjteüungen beS oorigen UrtheilS roeber gefchäbigt noch tollte er gefchäbigt 



5)afe auch nicht bie Uebertretung be« §. 360. 3ftr. 8. be« 6t. ©. SB. oor* 
liegt, ergiebt fidt) barauS, bafe theil« bcr eine $epefche annehmenbc Telegraphen* 
beamte, wenngleich et einen Nachweis ber Echtheit ber Unterfchrift bcr ftepefche 
forbern batf, nicht baS SRecht hat, ben tarnen be« Uebcrbringer« ber le&teren 
ju erfahren, alfo fein „juftänbiget" Beamter im 6innc be« citirten §. ift, 
u)eiLs bie Angesagte einen ihr nia)t jufommenben tarnen ndj beigelegt $u haben, 
nicht befdfmlbigt roirb, bie eine oon ben beiben 3)epefchen fogar mit ihrem wahren 
Warnen neben bem ihres ©laubiger« bezeichnet hat unb felbjtocrftänblich nicht 
baoon bie Siebe fein fann, bafj fie etwa bei ber jweiten ®epefche, welche nur 
bie Unterfchrift ü)reS ©läubigcrS trägt, ben tarnen beffelbcn ftch beigelegt habe." 

Glicht 5um erften ^Jale ifi bie oorliegenbe $rage ©egenftanb cingehenber 
Erörterungen gewefen. Anerfannt war, ba| bie Xelegraphcnanftalt nicht oor 
ihr niebergelegte ©rflärungen ju beurfunben habe, fonbern nur 33eförbcrung$' 
anfiatt fei — ©oltbammer'« Archio XI. ©. 766. $aj3 Qxl beS IV. (Sioil- 
fenats beS preufe. Dbertribunalö o. 2. 2M 1861 nahm an, bafe burch bie bem 
Telcgraphenbürcau übergebene fdtjriftlichc Aufgabebcpefchc bem erforberniffe ber 
ichrirtlidjen Errichtung eine« Vertrag« genügt werbe, cfr. Oppenhoff , Kommentar 
jum ©t.@.»., l.Aufl. (1871) 9tr. 116. su §. 267. tiefer fügt noch yei: 

„Ob in ber AuShänbigung berfclben an ben Telegrapbenbcamten ein 
©ebraua) jum ,3wecfe bet iäufchung ju finben fei, unterliegt bet tf>at- 




werben. 



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200 Stfffäung tefcgr<u>(?ifd)cr fcepefäen. 

iädjlidjen Prüfung, wirb aber in ber föegel ju bejahen fein, ba jeber 
Tclegrapljenbeamte Slnftanb nehmen wirb, ein aufgegebene« Telegramm 
5U beförbem, fobalb er bie Ueberjeugung f)egt, bap e« nid)t von Sem- 
jenigen auSgcfye, beffen Unterfcbrift c« trägt, fonbern wiberreä)tlid) non 
einem dritten mit biefer Unterfcbrift nerfe^en worben fei; ber ©ebraud) 
jlelt bann unzweifelhaft auf eine Täufdning be« Beamten ab." 

Scbwarjc im Kommentar 311 §. 267. ftcllt unter $3e$ugnafimc auf fäcbf. 
©crid)t«*citung VII. 33. bie Aufgabe eines Telegrammen unter falfdjcm Stauten 
ber ^älfajung einer Urfunbe gleid;. 

91cuerudj bagegen wirb befebränfenb gefagt: ba« Original eine« bera 
Xelcgraul)enbeamten jur SBcförberung übergebenen Telegramme« fönne fidj al« 
Urfunbe barftellcn, inbeffen fei e« grage bc« e inj einen % alle«, ob in ber 
Ucbergabe beffelben an ben Telegrapbiftcn ein ©cbraudjmaajcn $um 3 roe tf 
Täufcgung 3U erblicfen fei, in ber Siegel fei e« nidjt ber $all — cfr. banertfaje 
©ntfebeibung III. 589. Stenglein, ijeitfdjr. III. 220. ©oltbammer'S 2lrebir» 
XXII. 285 ff. 

$)ie ftreittge $raae einer weiteren Prüfung unb bie norliegenbe Gnt* 
fdjeibung bc« III. Strafienat« be« 9leid)8gcriä)t£ einer ttritif ju unterwerfen, 
bat uorerft faum eine praftifdje ^ebeutung, nid)t cl)er, al« bi« ein anbercr 
©traffenat bie $rage wieber einmal ju entfebeiben baben wirb unb uiellcidjt 
einige 9ioti$ tum ben Stimmen, welcbe ftd) über ba« SBcbenflid)c einer ^eft* 
Haltung an jener (Sntfajcibung baben laut werben laffen, ju nehmen niä)t oon 
ber §anb weift. Sterfaffer wagt e«, feine 23ebenfen gegen bie §altbarfcit ber 
gebauten (Sntfdjeibung unb beren S3cgrünbung barjulegcn, weniger etwa, weil 
er uor Salden fid) mit ber monograptyifdjcn ^Bearbeitung ber Setyre uon ber 
gälfdjung unb bem betrug befafet gehabt gat, 1 ) al« uielmefjr, weil er fid) ge* 
wötynt f)at, bei Söfung ftreittger 9Jccj)t«fragcn bie telcologifd)e SJeftimmung eine« 
Seben«* unb S?erfebr«oerl;ältnif[e« im 2luge 3U bebalten, bie in ifmen ru^enbe 
Drbnung«* ober 9ted)t«ibee ju ergrünben unb biefc jur Auslegung uon ©efefeen 
mit ju oerwertf)en, fo bajj ba« betreffenbe Skrfebr«* unb 9ted)t«inftitut, oijne 
3wang ju crieiben, nadj uulgärer Sluffaffung aud) fernerhin leben«* unb fort' 
bilbung«fäf)ig erfd^einen fann. 

Sie oorlicgenbe Gntfdjetbung fd)eint mir in ibren (Sonfequenjen, inbem 
fic eine £anblung«weife, beren 3lecbt«wtbrigfeit fie felbft niajt oerfennt, bie aber 
nad) uulgärcr 2tnfd)auung al« jweifello« fteafbare plfa)ung betrautet wirb, ber 
friminellen Seftrafung nid)t unterteilt, ber ©idjertyeit bc« Telegrapljcnöerfcbr« 
erbcblid; Eintrag ju tfjun, oon juriftifc^cm ©tanbpunft geprüft aber an einer 
befdjränfenben Untcrfcbeibung ju leiben, welche ba« ©efefc nidjt gemalt l;at unb 
welche ber ©efefcgeber woljl nia)t $at machen wollen. 

S)ie SBegrünbung berfelben fcljlt m. 6. barin, ba§ jic nur bann einen 
oon ber gefällten Urfunbe gemalten ©ebraue^ annimmt, wenn biefer un* 
mittelbar Sern gegenüber gcfdjcfjen ifi, welker fi$ in ber Sage befinbet, ben 
uom Tl;ätcr enblic^ bejwccften SBewei« oon Siechten ober SBcrjicbten bcj. 
$öillen«crflärungcn in SRc(bt«oer^ältniffen ^u empfangen ober für weisen ein 
fold)er Scwei« oon ©r^eblidjfeit ift. $>ie« würbe im Telegrap^cnocrfebr nur 
bann ber gaH fein, wenn ber Slufgcber ber $)epcf(^enurfd)rih ba« Telegraphen^ 
amt beauftragte, biefe (erforberten ftalle«) bem Slbreffaten al« S3cwci«mittcl ber 
2öi[len«erflärung 3ur ©eltung ju bringen, ober wenn ba« Telegrap^cnamt, o^ne 
einen fold;cn Auftrag, auf Verlangen be« Hbreffaten biefem bie Urfc^rift Ijcrau«* 
gäbe, fo bafj fieserer alfo in bie Sage oerfe&t wirb, fclbfl bie (S^tljeit ber Unter* 



1) 0- Ortlofj, «ügc f 8K»lf*img, «Betrug. I. II. 3«na, gr. ftrommamt, 1862. 



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I 



$älfd)ung tetcgrctt>fjtfdKt Sepefdjtrt. 201 

fdjrift ju prüfen. <£in jura 3wecf ber Täufdnmg nur be3 Abreffaten unb nur 
biefem unmittelbar gegenüber gemachter ©ebraueb einer gefälfebten $)cpefd)en* 
urfchrift würbe bemnacb oen Thatbeftanb ber S)epefa)enfälfchung erfüllen, Boraus* 
gefegt, bafj bie Urfchrift fonft aua) objefttr» bie Urfunbenetgenfchaft befäfee. 

$>ie entfä)cibuna«grünbe fagen: ber Abreffat fönne feinen ©lauben an 
ben ,) tili alt be3 Telegramms nicht auf bie 3)epefä)e numi, folange Um nicht 
eine Beglaubigung berfelben jugegangen ift, ba er für beren @a)theit bei ber 
Unmögltcbfcit einer Prüfung ber Scbriftjüge {einerlei ©ernähr habe; infoweit er 
bem Telegramme glaube, oerlaffe er fid) lebiglta) auf bie im Allgemeinen burch 
bie Erfahrung betätigte annähme, c& werbe Jäemanb ©runb unb Abfid)t gehabt 
haben, tlm ju täufa)en; einen Beweis für bie 9tia)tigfeit biefer Annahme im 
concreten §alle jjabe er nid)t unb tönne ifm erjt nachträglich burd) (Sinficht* 
nähme unb Prüfung ber AuthenticitätS'aJierfmale be£ 3)epefa)enoriginat$ erhalten. 

2)iefe£ ju unterfdjreiben, roirb 9liemanb Bebenfen tragen. 2)amü bei 
^emortretenben 3roeifeln an ber @d)ü)eit ber Unterfchrift einer &epefchenurfchrift 
eine, foldje Prüfung burd) ben Abreffaten möglich fei, mag aufjer bem &md, 
bafj bie Telegraphenämter aud) für fia) bie erforberlid)en Belege haben, burd) 
§. 29. ber Telegraphenorbnung für ba£ 3)eutfa)e 5teid) oom 21. 3uni 1872 
aud) biefer Beweis ber (itytytit burd) bie SSorfd)rift ju fichem beabfta)tigt 
geroeien fein, nämlich in ber Beftimmung, bafe bie S)epefd)enoriginale eine gewiffe 
3eit lang aufbewahrt werben foUen. 

Allein es märe fd)limm um bie Sicherheit beS Telegrap|enoerfehrS in 
redjtlidjen Angelegenheiten beftedt, wemt nid)t Littel unb SBcge ge{d)affen mären, 
bem 3Wi&braua) biefes BerfehrSinfittutS juüorjufommen. Söelche @rfd)roerungen, 
welche Umftänblia)teiten mürbe e$ mad)en, menn man ju jeber S)epefd)e, meld)e 
für s Jled)te unb s Jled)töoeT^ältniffe erheblich ift, um baoon einen materiellen ©e* 
brauch machen ju tonnen, erfl eine Beglaubigung ber 6d)t^eit ber Unter«« 
f cb rif t unter bem S)epefd)enoriginal befd)affen mtifjte? 3)ie 2>epefchenauSfertigung, 
welche ber Abreffat empfängt, märe nichts roeiter als eine oorläuftge Bcnadj*» 
ria)ttgung an biefen, bafj eine Urfd)rift beS unb beS ^n^alteS bei ber Aufgabe* 
ftation liege. Unb mag hätte baoon ber (Empfänger, menn er biefer Urfd)rift 
nia)t ©lauben fajenfen tonnte, fonbern fletS erft einfielt banon nehmen ober 
eine Beglaubigung ber Authentiätät einforbern imune ? 2)ann brauchte man bie 
^oftfarten-flommumfation $u mahlen unb ber ganje 3^ecf ber Telegraphen* 
anfialt — bie fd)leunigfk Uebermittelung ber ©ebanfen- unb SöiUenSäufeerungen — 
märe noch baju für treuere« ©elb uerfeblt. 

@S mag in biefer Beziehung auf bie oerbienfUiche Ab^anblung beS 
^ujtitiariuS ber ©eneralbireftion ber Telegraphen ju Berlin, beS ©eb. jOber* 

toftrath Dr. D. S)ambad) aud bem Saljre 1871 in bem ©erid)töfaal XXIII. 
. 242 ff. befonberS aufmerffam gemalt werben: „SDaö $elegrap(>en^trafrecf)t'', 
worin namentlid) auch ber jutreffenbe ©ebanfe au«gefproa)en mirb, bafe bie 
©efefegebung bi& ba^in nicht ber (Sntmicfelung biefer neuen 5Ber(ehr«gebiete8 
(ber Xelegraphie) entfpred)enb gefolgt fei 

S)ie in ^artifulargefe^en, in bem S8etricb«reglement für bie ^orbbeutfd)en 
Xelegraphenftationen unb in bem 2Biener internationalen Telegraphen Vertrag 
enthaltenen Befhmmungen erhielten im ^)ahre 1872 in ber obenerwähnten 
Tetegraphenorbnung für baö S)eutfd)e Sleid) ihre 3ufammenfaffung unb Läuterung. 
SDtefe hat benn aud) erfannt, bafe bie im „Allgemeinen betätigte Annahme, eS 
werbe ^iiemanb ©runb unb Abfid)t h^ben," ben Abreffaten im S)epefa)ennerfehr 
ju täufchen, jur Sicherung gegen 2fttfjbraua) bed Telegraphen nicht ausreiche, 
^ra §. 10. baf., welcher oon ber burch bie Telegraphenbeamten auSsuübenben 
„Äontrole ber 2)epefd)en" hobelt, heifet t&: 

„S)er Aufgeber einer $rhmtbepefche ifl nerpflid)tet, auf beSfattfige« 
«erlangen bie ed)theit ber Unterfchrift feiner 3)epefa)e naa)- 

«r^io im 3. u. 4. «eft 14 



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202 SWrntfl tcltarat>t)ifc&er £e*>ef<frett. 

juroeifen. ^rioatbepefdjen, beten Inhalt gegen bie ©efe&e »et* 
ftöfet u. f. ro., werben surücfgeroiefen." 
stimmt man ba$u Abf. 2. be« §. 6.: 

„Einhaltungen, SKanbjufäfce, Streid^ungen obet Ueberfchretbungen 
müffen oom Aufgeber bet ®epefd)e obet oon feinem Beauftragten 
bef peinigt roerben," 
fo ergicbt fich, bafj burd) btefe neue ©efrimmung ben £elegtapfoenbeamten sur 
Sicherung be« SBerfeljrö überhaupt unb im Sefonberen ber Abreffaten gegen 
£äufdnmgen bie offenbar nicht blofj polizeiliche, fonbern öffentlich rechtliche 
Befugnip wie Verpflichtung betgelegt roorben i% bie Echtheit ber Unter* 
fünften aufgegebener 2)epefchenorigtnale mdjt minber wie beren ettoa gefe|> 
roibrigen ober gefährlichen Inhalt, mag in lefcterer Vejiefiung fdron Art. 20. be« 
Söiener internationalen Selegraphenoerttage« georbnet hatte, ju prüfen, ja fogar 
jenen Echtheitäberoei« ju forbern; falls berfelbe nicht erbracht mürbe, fonnte 
fonach bie Aufgabeftation bie Abfenbung ber $epefche ebenfo oerroeigern, wie 
bie ber ihrem Schalt nach anftöfjigen 2)epefche. 

2)a8 gebadjtc 9leid)3gefefc fanftionirt m. E. in obigen ©efhmmungen ein 
hierin auf 3öa^rf;eit in bet $anb bet Xelegtaphenämtet, welche« auöjuüben fic 
im 3TOeifelSfaue befugt, ja fogar oerpflichtet ftnb. 6ie ftnb bemnach jum ©cbu$ 
bc>3 2)epefchenoerfehr« ©üter ber 28af>rheit ex lege! E« liegt ihnen in btefet 
53eäiehuna eine Verantwortlichfeit für ben etma unbeachteten SKfjjbraudh ber 
^elcgraphie ob, ben S)epefchenaufgeber jum 3wecf ber £äufd)ung fich erlauben 
fönnten — aber aud) nur innerhalb ber oben angegebenen ©renjen. S)ie 3Eele* 
araphenbeamten fyobtn fomit au« bem ©efefc einen befonberen rechtlichen 
Anfprud), ntdjt über bie $epefdjenunterfchrtften getäufcht su roerben, unb ber 
9iccht«grunb hicroon ifi junächft barin ju fudjen, bafj fte fclbft in jebem galle 
roiffen mtiffen, wer ihnen mir flieh ben Auftrag ertheilt, bie unb bie 2BilTen«* 
etflärung an ben Abreffaten bureb ben $)rabt $u beförbem, meil ihnen eben eine 
Verantmortlidtfeit bafür, nicht bloß in Betreff ber reglementSmäfeigen Ausführung 
biefcS Auftrage«, fonbern auch rocgen ber ©cfe&mäBigfeit be« ©epefchemnhalte« 
unb oor Allem roegen ber Ed)theit«fonttole im Verfehr oon Aufgeber jum 
Empfänger gefefelich auferlegt roerben mufc, roenn ber Verfehr bie feine Ertjtenj 
bebingenbe Sicherheit erhalten foU. 

SBirb nun ber $elegraphenbeamte über bie Echtheit ber Unterfchrift ge* 
tauf cht, fo roirb e« folgeroeife auch ber Abreffat, roelcher an ftd), aber noch viel 
mehr nun nach 0CI " obigen §. 10., bem Megraphenamt Vertrauen fchenfen mufe, 
bafj e« feinen Zweifel an ber Echtheit ber Unterfchrift ber ®epefd}enurfchrtft au 
hegen Veranlagung fanb. Söeil alfo nach be* Einrichtung unb Vefnmmung be« 
Xelcgraphenoerfehr« ber Abreffat regelmäßig nicht in ber Sage fein fann, jene 
Echtheit ju prüfen, hat 9teid)«gefe§ jebenf oM auch in richtiger Erwägung 
biefe« Umftanbe« bie Seiegraphenämter als *Rcich«behörbcn jur Sicherung ber 
^rioaten gegen Säufdjungen mit jener rechtlichen Vefugnifj unb Verpflichtung 
jur EchtheitSprüfung oerfe{jen. 

De lege ferenda fönnte t& fich f^ a 9cn, ob ber blojj telegraphenpoli$eilid)e 
6ä;ut5 be« §. 10., roelcher ohne Untcrfdjieb ber SDepefdjcn im ^rioatoerfchr, in 
bie §anb ber Seiegraphenbeamten gelegt roorben tfi, oollftänbig auSreichenb er* 
fchetnt, unb ob c« fich nicht empfehlen roürbe, für ^älfchungen oon S)cpefchen 
über §amilien»Angelegcnheiten, Börfenberichte, polittfehe unb anbere Ereigniffe, 
wobei Säufchungen über ben Berfertiger bej. Urheber oorfommen, eine geringere 
©träfe anjubrohen unb fie unter bie Ueberttetungen im Strafgefc^buch mit auf' 
junchmen, fall« man fie nia)t auch wie Urfunbenfälfchung behanbeln wollte. 

ftälfehungen ber unjäh^gen Xele^ramme, welche im 6inne be« §. 267. 
be« 8i 6t. ©. 5ö. al« Urfunben anjufeben finb, wie $auf* unb SJcrfauf«- 
jDfferten im §anbel$oerfehr, 2öaarenbeftcUungen f überhaupt alle tea)t«petbinb' 



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2rfilfd)ung telcgra^bifc^r Jtyef *«• 203 

U#en SöillenSerflärungen, fmb aud& nacfj ftambadj q. a. 0. ©. 291 ff. oljne 
3weifel nad& §. 267. ju befhrafen, ohne baß er aber ben von un£ (jeroor* 
gehobenen ©cfic^tjSpunft berührt. @r fagt: 

„2öer ein fold&eS <Sä)riftfrü(f, weld&eS bie Urfunbenqualität beftjrt, mit 
Dem tarnen eine« 2lnberen fälfdjltd) anfertigt, ober ein ea)te8 edfjrift' 
ftücf biefer 2lrt oerfälfd;t unb baffelbe bemnää)ft ber Xelegrapfien'Station 
mr 93eförberung übergiebt, mottet ftdj unbebenflia) einer Urfunben* 
fälfd&una fajulbig. Denn er fälfdfjt eine „Urfunbe" unb tnaäjt audfj 
oon biefer gefälfajten Urfunbe „sunt $xotd ber Säufdmng" ©ebrauaj, 
ba er biefelbe beförbern läßt unb in bem Empfänger ben 
©tauben erroetfen will, baß ba£ Telegramm oon demjenigen f)er* 
riu)re, beffen 9tame gemißbraudjt worben ift." 
9Jun möd&te idjj aber, wenn man, wie ber in. Straffenat be£ dltityS* 
aeriä)t<8 biefe Snftajt, weld&e mir gan$ bte richtige erfd&einen will, reprobirt, an 
jene Scftimmung be« §. 10. ber föeid&Stelcgrapfjenorbnuna anfnüpfen unb be* 
inerten, baß auf alle ftälle, wenn ein gefälfc|teg 2>epefä)enoriginal, wclajeS 
fonfit bie ©igenfdjiaft einer „Urfunbe" tjat, ber £elegrapjjenftatton jur $efor* 
berung übergeben wirb, jum ^roed einer $äufa)ung baoon ©ebraud) gemalt 
wirb. Um nämlidfo jur 2äufa;ung beS 2lbreffaten, bie regelmäßig als etgent* 
lidjer 3 roc ^ ocr ®epefcbenaufgabe beabftdjtigt wirb, $u gelangen — ber mate* 
rieüe (Snbjwctf ber 83enad)tljciligung ober 33eoortf)eilung mag f)ter außer Betraft 
bleiben — muß nadfj ber gefefclieben @inri<f)tung beS 2elegrapljenocrfef)rS ber 
3)cpefa)enfälfd[)er cor 211 lern als SBorauSfefcung ber (Srreid)ung feinet 3mecteS, 
ber Xäufdptg beS Slbreffaten, bie £äufd>ung ber 2lufgabeftation über bie 
(Sdjtljeit feiner Untcrfd&rift «i erreichen fltreben unb als SBorjwecf, gleid&jeitig 
als Littel, ^ur enblidjcn Sauf ajung beS 2lbref[aten beabfidjtigen unb erreiajen. 
@r muß, wenn man iljm nadjreflectirt, bei ber £fjatplammg fein SäufduingS* 
mittel, bie gefälfd)te Urfunbe, juerft gegen ben Xelegrapfjenbeamten in %n> 
wenbung bringen, unb eS ift biefem gegenüber bie Urfunbe formell baffelbe, 
was fie bem Sibreffaten gegenüber fein fou* unb fann, wenn er oon u)r 6infia)t 
nimmt. £)er beweis int) alt nur ift für (öfteren materiell unerbeblid); eine 
„Urfunbe" ift unb bleibt bie 2>epefd(je aber objeftio immer für ben Xelegrap^en* 
beamten, mag tljr JJnlwlt nun an einen dritten, ben (Smpfänger, gerietet fein 
ober nid)t. $ür jenen bleibt fie bcj. i^rer Unterfd)rift releoant, SewetS* 
mittet, Beleg für baS StuftragSoerfjältniß beS 2tbfenberS unb Urheber« 
ber 35epefa)e unb beS beförbemben 2elcgrapf)enbeamten, au« weitem £e$terer 
uir Verantwortung gebogen werben fönnte. Stuf ben ©inwanb, baß biefer 
^orjwecf ber 2äufa)ung beS £elegrapf)ettbeamtcn, weil ein untergeorbneter, niäjt 
maßgebenb für ben Begriff ber ®ebraud)maä;ung fein fönne, ift su erwibem, 
baß ftdf) angcfid)ti8 ber Sej^immung in §. 10. cit ber pifa)er, um jur 2:äufa)ung 
über baS in ber Urfunbe befd)riebene s Jtedf)t ober 9tea)t3oer^ältniß ju gelangen, 
bei feiner Slwtreflerton fagen mußte, nur, wenn eS i^m gelingen würbe, bie 
äontrole ber ^elegrap^enbeamten bura) ^äufa)ung über bie (rd;i(;eit feiner 
SDcpefd)enuntcrfa)rift gu umgeben, biefer ben SÄuttrag jur Slbtelegrap^irung ber 
SDcpefcbenurfdirirt au«fül)ren würbe; barau« ergiebt fia), baß ber ©ebraua) ber 
gefälfdjten Urfunbe juerfi jum 3wedt ber ^äufAung ber Slufgabeftatibn 
unbebingt gemad)t werben muß, wenn ber weitere ßweef ber 2äufa;ung bed 
2lbreffaten erreicht werben foH. S)enn entbeeft ber Xelegrap^enbeamte ber 2luf* 
gabeftation bie Uneaptljeit, ober jwcifelt er nur an ber Qfyfytit, unb wirb auf 
fem (Srforbem $m baoon Sewei« niajt erbraajt, fo wirb bie Seförberung ber 
2>cpefd)e an ben Slbreffaten unterbleiben, liefen ©efia)tj8punft l;at ber 
ÜT. ©traffenat nid)t berüdf iid^tigt ; freilia) foUte in bem oorliegenbcn 9ted)t3faH 
bem Xelegrap^enbeamten gegenüber bie Urfunbe, um biefe als Beweismittel ber 
SBittenSerflärung beS ©laubiger« ». jur ©eltung ju bringen, in Sejug auf bie 

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204 ftSlfäung tdegrapfrfc&er 2De^ef(6cn. 

(srefutionäüjtirung, quoad nidbt angeroenbet werben, roof)l aber foUte ber Beamte 
ber äufgabefiation burd) bie Aufgabe be« gefälfdjten $)epefdjenorigtnal« in ben 
unbegrünbeten, falfd&en ©tauben oerfefct roerben, ber aJtttunterjetd&ner 9t. f elbfl 
beauftrage ifjn, feine rea)tlid)e äBiUcn«erflarung burd) ben 2>rat)t bem 
Slbreffaten jur Äenntmfj bringen. 2Ber möd)te ba noä) befreiten, bafi oon 
einer Urfunbe, roeld&e junt Seroeife von Stedden ober föe<$t«per&ältniffen non 
@rf)cblidf)feit ift, unb meldte in re$t«roibriger 2lbftd(jt ge* ober perfälfdfjt ift, jum 
3roea* einer SDaufd&ung ©ebraud) gemacht roorben unb ber £batbeftanb ber in 
§. 267. be« 6t. ©. 33. mit ©efängmfc bebroljten Urfunbenfalfd)ung erfüllt fei? 

@« brauste tn. @. in ben entfa)eibung«grünben ber I. ^nftanj 
tyatfä$U$ gar nidjt fcftgcfteUt $u roerben, roen ber tfälfajer burd} bie Aufgabe 
ber S)epefd)c ju tauften beabfidjtigt f)abe, e« genügte, wenn überhaupt nur 
„jura 3roecf einer Säufdfjung" angeführt roar. 5Da« (Sefefe untertreibet nid)t in 
33e3ie^ung auf bie SJkrfon be«jenigen, roeldjem gegenüber aum Rmd ber 
Säufdjung ©ebraudf) gemadfjt roorben (ein mufj, roenn ber Xfjatbeftanb ber 
Urfunbenfälfdfjung erfüllt fem foH. 6el>r richtig fagte Dppen&off, ©omment. 
1. Stuft., 9lote26. ju §. 267. be« 6t. ©. „ättfbefonbere roirb nta)t erf)eifd)t, 
bafe bcrfelbe bei bem bura) bie Urfunbe ju beroeifenben 9le$t«perf)ältnij3 felbft 
irgenbroie beteiligt fei; es reicht jeber einem dritten gegenüber gemadjte ©e* 
braud) Inn; ebenforoenig ifk erforberlid^, bafj bie 2lbftd)t baf)in gerietet fei, bie 
9ted)te Desjenigen ju Vertexen, roeld&er öurdj ben ©ebraudj getäufa)t roerben foü." 

Slud) eme anbere Autorität, 6d)roarje in ©oltbammer'« Sirrin XXII. 
6. 4 fpridjt ftdj ba^m au«, bafc ber ©ebrauefc ootljanben fei, roenn ber 
Slngefdbulbigte burd) einen dritten bem Ruberen, beffen Säufdjung porjugS* 
weife beabfid;tiat roar, bie Urfunbe porgelegt f>at, ber dritte aber in gutem 
©lauben ben Auftrag jur Vorlegung au«fiü)rte, alfo SBerfjeug be« Singe) djul* 
btgten roar. %n ber Säufdfmng be« dritten über bie (£a)tf)eit ber Urfunbe, 
roenn fie einen roefentlid&en Öefianbt^eil ber ©efammttyat enthalte, bejro. in 
ber Uebergabe ber Urfunbe an biefen dritten fief>t 6 d) roar je fdjon ben 
gemalten „©ebraud)," roie er in §. 267. be« 6t ©. 8. PorauSgefefet roerbe, 
unb führt ba« ber $rari« entlehnte Seifoiel an: 21. übergiebt bem ©. eine 
falfdje Urfunbe, um auf ©runb berfelben mit bem <L, auf roeldjen bie $äufd)ung 
por$ug«ioetfe beredmet tft, irgenb ein 9tedjt«gcfa)äft §u per^anbeln, roobei K. 
rootjl roetfi, ba£ G. fid) m ber Serfwnblung nid)t bereit finben laffen roerbe, 
roenn bie Urfunbe nia)t für ed)t gehalten, aud) S. fid) öabura), ba^ gerabe 
33. e« geroefen, roelajer ben Auftrag übernommen, befiimmen laffen roerbe, in 
bie SBerljanblung einjutreten. S)er oon ^B. bem ß. gegenüber roeitcr gemalte 
©ebraui ber Urfunbe fteüe ftd) nur al« gortfefcung be« oorau«gegangenen 
©ebraud)« ber Urfunbe oon bem gegenüber bar. 

©anj baffelbe fann man non ber Uebergabe bec S)epefd)enurfd)rift feiten« 
be« ^älfd)er« u)rer Unterfdjrift an ben 2elegrapt)enbeamten fagen: beffen 
Xäufa^ung ift ein bebingenber unb be«fyalb fe^r roefentlid)er Seftanbt^eil ber 
@efammttf)at, bie Säufd^ung be« 2Ibrcffaten r roenn and) porjua«roeife beabfid)tigt, 
ift nur burd) jene ju erreia)en, alfo mufe fie mit beab)"td)tigt fein; bie Uebergabe 
ber Urfunbe an ben Selegrap&enbeamten enthält baber einen ©ebraud) jum 
3roecf ber $äuf<bung, al« roeld)e fid) alle« Weitere al« beabfid^tigte ^ortfeftung 
ber perbred)erif$cn ^anblung barfieUt. unb jroar al« beregnete golge ber mit 
jenem ©ebraud) ooUenbeten Urfunbenfälfa)ung. 

Stte ®ntfa)eibung«grünbe be« III. 6ttaffenat« be« 9teidj«gerid)t« Ijaben 
M im 2öefentlia)en bem in ©oltbammer'« 2lrci)tP XXII. 6. 285 abgebrueften 
©rfenntnife be« banerifdfjen Üaffation«^ofe« p. 29. ®ej. 1873 angefa^loffen, 
in beffen ©rünben u. m. gefagt roorben ifl: „9lur Derjenige ©ebrau^ einer 
gefälfdjten Urfunbe, ber bem ju $äuf<$enben gegenüber unb ju bem «Sroetfe 
ftattfinbet, um in biefera eine Xäufa)ung ^mfid^tlic^ be« ^n^alte« be« galfinfate« 



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. gfitföung telegrafier ®e»>etc$en. 205 

flu erregen, fann als betrüblicher ©ebraudj im Sinne beS §. 267. a. a. 0. in 
©etrad)t fomraen, benn erft bei folgern ©ebraudje maebt baS »JälfchungSwerf 
ftcb [einem 3wecfe unb Inhalte gemäfj nach aufeen geltenb." . . . . 
„SUIein an bejn Selegrap^cnbeamten, welchem Slug. St. bie gefälfehte Urfunbe 
jur Seförberung übergao, würbe offenbar eine Stauf clntng norfiehenber Slrt 
roeber beabfiä)ttgt noch oerübt, benn roeber mar biefe SlratSperfon felbft bureb 
ben Inhalt ber SDepefd&e in oermögenSrechtltcher ©esiebung berührt, noch auch 
fottte biefelbe tyietburq befiimmt werben, fnnftchtltch beS rechtlichen ^ntcreffcö 
eines Ruberen eigene (Sntfchliefcung ju treffen. $hr würbe nichts angefonnen, 
als bie2)epefche wortgetreu an bie2lbreffe gelangen ju laffen; biejenige $erfon, 
an welcher oorliegenben ftalleS eine Xäufchung im oben erörterten Sinne behielt 
würbe, mar baber peifeUoS nur ber ©erichtöooßjieher Seh- liefern gegenüber 
aber, bem bie Driginalbepefdje nicht ju ©eftebt gefommen, fann nur bie rechtliche 
SRatur beS ihm burch baS SCelegraphcnamt jugepeUten Telegramms, ber telegra* 
pbifcb ©ermittelten Äopie ber Driginalbepefche, in Betracht fommen; benn biefe 
mar es, welche befiimmt war, auf fein §anbcln (Sinflufe ju äufeern." 

tiefer, an fleh etwas beftedh enben Ausführung fann nur baS entgegen* 

gehalten werben, wag oben non mir barjulegen oerfuebt worben ift: bie Raffung 
es SBortlauteS beS §. 267. cit. läfjt feinen Unterfchieb in ber $erfon beS 
3utäufchenbcn erfennen; ber SBeurtheilung, wer ju tauften beabfichtigt fein 
müjfe, tft ein unbebingt freier Spielraum gelaffen; eine ausfcf)liefeliche, 
beftimmte SHreftioe aber aus bem (Snbjwecf unb ^nbalte einer Urhmbe 
entnehmen ju wollen, legt ber Seurtljeilung beS ^ragefalleS eine oom ©efefc* 
geber ftdt>cr nicht gewollte unb eine in oer Sßatur beS Xelegrapheninjtttuts 
jweifelloS nicht begrünbete ©efchränfung auf, welche bemfelben einen guten 
Stheil feiner ©ebeutung entzieht, weil feine Sicherheit — Treue unb ©tauben 
— wefentlich burch Beraubung beS ftrafredjtlichen Schubes gefährbet erfchetnt. 



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fer ttertMan) fufammenlfängcnöcr Straffadjett- 



SSon <perrn 2anbgeridf)t3ratl) Dr. §erm. Ortloff in SBctmar. 



$em oorliegenben ©egenftanb fmb oon beut ^erfaffer fd^on meljrfadje 
Sorfrubien geroibmet roorben, unb mit Spannung \al) er bcr üöfung bcr in 
polttifdfjer rote in projeffualer 23cjte(nmg red&t fdforoierigen fttage burd> bic s Jteid)3* 
gefefcgebung entgegen. 3 ucr ft im 3a()re 1872 würben oon ü)m „bic pro* 
jcffualifdjen Äonfequenjen ber SBorfdjriften ber §§. 74. unb 79. beS 9leidj$* 
ftrafgefe|bu<fj$" in o. §olfeenborff'3 beutfd&ec 6trafred&tSäeitung 6. 199 bis 
208, bann „bie pro^effualifdjen SJorauSfetiungen ber ©efammtftrafe" in 
6df)roarj*e'3 ©ertdjtSjettung, 1873, 6.130—146 barjufteöcn oerfud&t. hieran 
fd>lof$ fi<x> im 2lr$io für gemeines bcutf<f)c3 unb preuf?. 6trafred|t (oon ©olt* 
bammer gegrünbet) Sb. XXI. 6. 176—181 ber 2tuffafc: „2)aS 9tcdjjt3l;ülfegeie& 
n. 21. ftuni 18H9 unb bie ©efammtftrafe" unb enbltd& bie Hb&anblung im 
©eridjtffaal (1874) XXVI. 6. 369—390: „$>er ©erid&tSftanb bc« Mammen* 
fyangeä im ©ntrourf ber beutfdjen 6t. $ro$. 0. tnSbefonbcre im $er§ältnifj jur 
©efammtfrrafe." $aft bic &öfung ber ^ragc, roieroeit ein ©erid[)t3fianb 
äufammenljängenber 6traffad>en ^Jla^ $u greifen l>abe, feine leiste mar, ergiebt 
bie bea$tenSroert&e 2lbf)anb(ung in ©oltbammcr'S 2lr^in 1873, £eft l. r 
6. 72 ff. oon SB. ftrantfe: „S)ie ©renjen jroifdjen bcr 6trafgeroalt bcr etnjelnen 
beutfdjen SunbeSttaaten." SDort finbet man ben Safc auSgefprod&en, bafj aufjer 
ben ©ebingungen be£ §. 4. bcS beutfd^cn 6t. ©. $. eine Uebcrtragung von 
6trafanf prüfen, roeil fic eine SBerrttcfung ber jioifd^en ben uerfdnebenen 6traf* 
geroalten gefefelid) georbneten ©renjien enthalte, unter ben beutfdjcn 53unbe3 
jtaaten nid&t jkttfhtben fonne, aud) nidfjt ba, roo nadf) §§. 74. ober 79. beS 
beut)d)en ©t. ©. SB. für bie im ©ebict oerfdnebenen ^unbeSfiaatcn oerübten 
mehreren .§anblungen eine ©efammtftrafe ju erfennen fei. $afj biefen2Sorfd)riftcn 
audj bei bem 3Rangel einer einfyeitUdjen 6trafgeroalt roentgftenS im 2öcfentlid)cn 
nad&getebt roerben fönne, aber bei folgern üDlangel nidfjt nachgelebt roerben 
müffc, fjat J^nde bort nadjjurocifen uerfudfjt, entgegen bcr 2lnfidjt beS 
3?erfafyerj5. 3u beffen ©cnugtjmung roirb cj3 gercid&en, bafj biefer 6a& im 
§. 13. ber beutfd&en 6t. *£roj. 0. Slncrfennung gefunben tjat. tiefer benimmt: 
„ftür jufammen^angenbe 6traffadjen, roeldjc einzeln nad& ben SBorfdjriftcn ber 
§§. 7 — 11. jur (örtltdjen) 3 ll ftönbigfeit ocrfdjicbcner ©erid&tc gehören würben, 
ifl ein ©crid)t$jtanb bei jebem ©crid)t begrünbet, rocld;c$ für eine berfelben 
äitftänbig ifit. 6inb mehrere äufammcnpitgcnbc Strafiadjcn bei Derfdjicbcncn 
©erid^teu anhängig gemad;t roorben, fo fönnen biefelben fämmtlidf) ober gum 



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2>cr ®erid;t3fianb aufotnmtn^dngcttbcr ©traffadjra. 207 

burch eine ben Anträgen her StaatSanwaltfchaft entfprechenbe herein* 
barungbiefer ©ertöte bei einem unter ihnen oerbunben werben. Äommt eine 
folche Vereinbarung nicht $u 6tanbe, fo entf Reibet, wenn bie 6taatSanwaltfcbaft 
ober ein Angefchulbtgter hierauf anträgt, baS aemeinfä^aftlid^e obere ©ericht 
Darüber, ob unb bei welchem ber ©eridjte bie SJerbinbung einzutreten jjabe. 
3n gleicher SDBcife fann bie SSerbinbung aufgehoben werben." cf. §§. 2—5. 
ber 6t. $ro*. 0. 

@S ifi fchon früher oon bera Serfaffer barauf ^ingeroiefen worben, ba§ 
bie SSorfdjrift in §. 74. beS 6t. ©. 53. : „©egen Denjenigen, welcfier burc| 
mehrere felbfrftänbige £anblungen, mehrere Verbrechen ober Bergenen, ober 
baffelbe Verbrechen ober Vergehen mehrmals begangen unb baburd) mehrere 
zeitige $reiheitsfirafen oerwirft |at, ift auf eine ©efammtfirafe ju erfennen" 
u. f. w. eine swetfeHoS ^wingenbe ifi. Um biefer aber ju genügen, märe ton* 
fequenter 2öeifc in §. 13. cit. ber St. $roj. 0. anfiatt „fönnen" f ollen — 
ich will nicht fagen „müffen" — ju gebrauchen gewefen. 2>afe ntdt)t in allen 
Ratten eine Verbinbung }ufammenf)ängenber Straffachen möglich ifi, mufj ja 
zugegeben werben; eS fann an fidj ja nur oon ber ßufammenfaffung ÜO n Unter* 
fuajungen aus oerfchiebenen ©erichtSbejirfen m einer einzigen £auptoerhanblung 
unb UrtheilSfällung bie Siebe fein, bie bem ©eriebt beS ßufammenhangeS über* 

?iauot gerabe befannt geworben finb, aber auch bei mehreren berartigen Unter* 
uebungen ifi unter Umftänben bie ßufammenfaffung bei ©inent ©ericht nicht 
wof)l ausführbar, thetlS wegen einer unoerhältnifjmäfjigcn Verlängerung ber 
UnterfuchungShaft, welche bie eine ober anbere Unterfudbung mit fid) bringen 
müfjte, weil fie nicht fo batb beenbigt fein fann, währenb bte anberen Unter* 
f Übungen jum Abfcblufj fertig ftno, fo bajj eine Verurteilung unb ©traf* 
oerbüfjung wenigfienS infoweit eintreten fann, tbeilS weil bie S3efä)affung ber 
Beweismittel aus weiter $erne, wo baS 2)elift oerübt war, 3u befa)werlid) unb 
fofifpielig ift, tfjeils weil bie Aburteilung unb Vollflrecfung ber ju erfennenben 
Strafe oon bem ©ertebtsbeätrf beS begangenen VerbrecfienS aus ftrafpolttifchen 
©rünben nötlng erf feinen miß u. f. w. Aus biefen dfrünben erfcheint ein ab* 
foluter 3 roan Ö ber Verbinbung mehrerer befannt geworbener Straffachen $ur 
einheitlichen Aburteilung nicht wohl im §. 74 cit. in bem SBorte „ifi" oom 
©efefegeber gemeint *u fein, aber fooiel wirb barin bodfj ju finben fein, ba&, 
um etne ©efammtfirafe ju ermöglichen, oon ben Strafbehörben baS au 
biefem ftmtdt Möglich fie gethan unb nur aus ben triftigften ©rünben 
eine Ausnahme oon ber #ufammenfaffung ber anhängigen Untersuchungen bei 
Ginem ©ericht gemacht werbe, natürlich in ben ftäUen, wo cS fta) nur um eine 
©efammtfirafe Imnbelt, alfo nicht in Raffen beS §. 78. beS 6t. ©. V. 

Um nun aber bie Pflicht ber 6trafbehörben, auf bie möglich fte $u> 
fammenfaffung coneurrirenber 6traffachen fnnjuwirfen, ju fennjeichnen, wie fie 
nach ber Raffung beS 8. 74. 6t. ©. 33. geboten erfcheint, hätte m. @. im §. 13. 
cit. ber 6t. $roj. 0. anftatt be« facultatioen „fönnen" baS regelmäßig obliga* 
torifdtje ober inflructionelle „fotten", wie wir es in ber 2)cutfchen (Jioil* 
pro5e|orbnung an manchen Stellen fmben, gebraucht werben follen. Schon in 
ben früheren Slbhanblungen Imt Serfaffer barauf ^ingeiütcfen, wie er in ber 
Ataris bei feinen Bemühungen, bem 2öorttaut beS §. 74. % St. ©. 53. mögltchft 
gerecht *u werben, öfter auf partifulariflifche Ablehnungen ber angeregten 3u* 
fammenfaffung ge|to§en ifi, unb jwar inbem man ftch auf bie angeblich entgegen* 
fiehenben Strafproaefjgefcfce beS betreffenben ©injelfiaatcS berief. 

9lun aber fam bie oon ü)m langerfchnte Befiimmung ber beutfehen 
St. Sros. 0. unb enthielt ben leiber jahmen tuSbrucf : „fönnen", woburch wenig 
gebeffert ju fein fchien. 

@S wac aber eine Befiimmung in ber beutfehen 6t. $ro$. 0., welche, aus 
bem oreufjifchen ©trafprojejg entnommen, geeignet erfchien, eine Aushülfe jur 



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tyf\ ö ü&cx (öcridbt^ftcint lufcitiuti^itficiiKicnt'cr streit f&cf)cit. 

Ausführung bet SSorfchrift be$ §. 74. 6t. ©. 93. ju Raffen, nämlich im §. 492. 
ber ©t. ^Sroj. 0.: „3ft 3emanb burd) oerfchiebene rechtskräftige Urteile au 
©trafen oerurthetlt roorben, unb ftnb babei bie SBorfchrtften übet bie 3uerfennung 
einer ©efammtjtrafe (§. 79. be$ 6t. @. ©.) aufeer Setracht geblieben, fo ftnb 
bie erfannten ©trafen burd) eine nachträgliche gerichtliche ©ntfeheibung auf 
eine ©efammtjrrafe aurücf zuführen" — unb *roar nadj §. 494. alin. 1. oon bem 
©ericht erfter ftnftaiu ohne münbliche Sßerhanblung. S)iefe imperattoe 3Sot> 
fdjrift begrtifet Serfaffer mit großer ftreube unb benufct fie gern sum 9tadr)roei3 
bafür, bafe bartn eine aroeifellofe SHrcftioe für bie ©traf beerben liegt, fdjon 
in ben ©tabien beS ©trafocrfahrenS oor ber £auptoerhanblung im ©inne ber 
oben auSgefprod&enen Anficht, sur SBerroirHidjung ber im §. 13. au erlennenben 
gefefcgebcrifcfjen Senbenj mitauroirfen. 

Seiber aber begegnet man ungeachtet ber SSorfchrtft beS §. 74. beS 
6t. ©. S. nid)t immer einer ©enetgttjett ber ©trafbebörben, möglidjft nad) 
§. 13. ber ©t. ^roj. 0. ju oerfahren, unb es tritt biefe Grrfdfjetnung namentlich 
öfter in ben Heineren ©taaten, roo häufiger ber ftall ber f. g. fubjectioen (Son* 
nerität oorfommt, p Sage, unb — jtoar fpielt baS 3Wotio auroetlen babei bte 
Hauptrolle — bafe bie SBoHftredfung ber ©efammtftrafe in bem Qtaatt r roo fie er* 
fannt roorben, beffen ßaffe für bie anberen ©taaten, in benen fonfurrirenbe 
ftelifte oerübt roaren, mitbelafte; baber feltfamer Söeife bie Steigerung, bie in 
anberen ©taaten anhängigen ©traffacfjen aur 3Jlttaburtheilung au übernehmen! 
als ob ftd) bie« im ganzen 3Rcicr)e nidjt burch 9teciprocität ausgliche! 

(SS roirb lebigtid) oon einer richtigen unb im ©inne beS 3lcid)«ganjen 
banbelnben ^ubteatur ber gemeinfehaftlichen Dbergerichtc unb namentlich im 
heroortretenben ftalle beS beutfdjen 9ieid)Sgerid)tS abhängen, ber beutfdjcn ©traf-' 
prariS über ängfHidje, partifulariftifche 9tttcfftchten hinweg ju helfen, berartige 
(Müfte jurütfjuroeifen unb ben beutfdjen ©trafbe&örben ber (Sinselftaaten bc* 
greiflich ju machen, baft fie an ber ©eltenbmadjung beS beutfdjen ©trafred)ts 
tm deiche mitauroirfen fyahtn, nicht blojj im ©injelftaat! 

GS oeröffentlicht SSerfaffer hier eine neuerlich (am 12. 2lpril b. 3f.) er* 
gangene §ntfcheibung be« gemeinfchaftltchen ^hüringifd^en OberlanbeS* 
geridjtg ju ^cna, roorin bie, fdjon oor fahren oon bem Serfaffer au«* 
gefprocheneit, ^auptgefichtSpunfte 5ur@eltung gebracht erfcheinen; tä roirb nämlich 
bahin an ba« Sanbgericht SBeimar @ntfd)eibung ertheilt: „bafe, ba bie bei bem 
gemeinfehaftlichen Sanbgericht 3Jleiningen anhängigen ©traffäHe oon ber SBcfc^uI* 
bigten im 2Bef entlichen eingeräumt, baher oorauSfichtlich roeitere S3eroeiä^ 
erhebungen, inSbefonberc in ber .^auptoerhanblung, nicht erforbert roerben, 
biefelben aui geringfügiger erfcheinen al3 bie bei bem Sanbgeridjt 2Beimar 
anhängigen ©traffälle, inöbefonbere ber in Äleinromftabt oerübte 2)iebfiahl, fo 
bajj für lederen sup. sup. f. ^. bte einfa^ftrafe au3$uroerfen fein bürfte, ba 
femer bie lefetgebachten ^äHc noch roeitere 23orunterfud)ung«haublungen unb 
eoentueU Seilabungen oon 3 cu 9^n -\ur §auptoerhanblung erforbern roerben, ba 
©rünbe §u einer getrennten Skrbanblung ber ©traffälle nicht oorlicgen, 
inSbefonbere bie 3f«lcffic^t auf beretnftige EoUftrccfung ber bei cintretenber 
Sßerbinbung 31t erfennenben ©efammtftrafe feinen 2lnlafe geben fann, 
bie beantragte, burchauS jroccfmäfjig crfchcincnbe ^erbinbung ber mehreren 
©traffäHe abjulebnen, inbem bie im einzelnen ^aUe etntretenbe finanzielle 
Söelaftung be« einen ©taateö ftd) burch 9leciprocität ausgleichen roirb, ganj 
abgefehen baoon, bafe berortiae ftücfitchten in ber ©t. <Proa. 0. bei ben 3Jor- 
fdjriften über öehanblung jufammenhängenber ©traffachen nicht jum gefefe* 
liehen 2luSbrucf gefommen ftnb, auf @runb beS §. 13. ber 6t. ?|5ro$. 0. bte 
beantragte SJerbinoung ber bei bem ©rofcberjogL ßanbgcricht SBeimar unb bem 
gemeinfchaftltchen Sanbgericht 3Heiningen gegen bie ic. eifenfraut anhängigen 
©traffätte unb jroar bei bem (Srftcren einjutreten hat." 



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©er (Sericfitöflanb äufammenftfrtgtnfcet @twffacb«t. 209 

S)iefc (Sntfcbetbung ifi bcfonberS nod) aus bem ©runbe beadfjtungSmerth, 
weil fie als ©runbfafe für bie 3 u ^änbigEeit ber fonfurrirenben ©cridjte aus* 
fpriebt, bafj baSjemge ©eriebt, weldjeS bie (Sinfatjfrrafe — poena major — an 
fid) ju erfennen haben würbe, bie übrigen, geringeren Verbrechen bej. beSbatb 
eingeleiteten ober etnjuleitenben Unterfudjungen an ficr) jju sieben Ijabe. SBürbc 
biefer Sa|, ber ganj in ber Statut ber Sache begrünbet liegt, roeit gcwiffermafjcn 
ber höhere ©lutoann jenem ©eriebt beiwohnt, oom 9teichSgeria)t auSgefprochcn, 
fo wäre bem ßin* unb ßerfchubben ber Straffacbcn, um fie loS ju werben, für 
immer ein $id gefefct. man fönnte nämlich nach ber Vorfdf)rift beS §. 12. ber 
St. 0.: „Unter mehreren nad() ben Vorschriften ber §§. 7 — 11. juftänbtgcn 
©erid)te gebührt bemjenigen ber Vorzug, welches bie Unterfucbung juerfi eröffnet 
fyat," peifeln, ob nicht bie f. g. $räoention entfebetbe. Slttein über biefen 
Zweifel roirb man fofort bureb ben für baS f. g. föebuftionS' ober 9cacf)tragS- 
verfahren in §§. 492. ff. ber St. $ro$. 0. befonberS im §. 494. alin. 3. auS- 
^efproebenen ©runbfafc überhoben: ,,$ommt eS auf bie geftfefcung einer 
©efammtftrafe an (§. 492.), unb roaren bie oerfefnebenen hierbureb abjuänbernben 
Urtbeile oon oerfebiebenen ©engten crlaffen, fo ftebt bie (Sntfcbcibung bemjenigen 
©eriebt $u, welches bie febwerftc 6trafart ober bei Strafen gleicher £rt bie 
l)öcbfreStrafe erfannt bat, falls fnemadj aber mehrere ©erid)te juftänbig fein 
würben, bemjenigen, beffen Urtbcil julefct ergangen tft. 2öar baS b^madb maß* 
a,ebenbe tlrtbeit oon einem ©eriebt böberer Sjnftanj crlaffen, fo fefct baS ©eriebt 
erfter ^nftan*, unb war eines ber Strafurtheile oon bem Reichsgericht in erfter 
«Qnftanj erlaffen, baS 9teid)Sgeücht bie ©efammtftrafe feft." 

hiernach mun man annebmen, bafj auch für bie Bereinigung mehrerer 
Unterfudjungen nach §. 13. ber St. $ro$. ö. berfelbe ©runbfafc, welker für 
baS 9iacbtraggoerfabren, jum 3wecf ber Straf enrebuftion, auSgefproa)en ifl, 
anjuerfennen fein wirb, obfebon baS ©eiefc fid) nicht auSbrücflicb bort geäufjert 
bat — eadem ratio, eadem le^is dispositio! 

(SS wirb bei ber ßonfurrcnj mebrerer in oerfebiebenen ©ericbtSbejirfen 
anhängigen Unterfua;ungen oon ben Staatsanwälten an erfter Stelle auf eine 
Verbinbung berfelben nach §. 13. ber St. *ß. 0. unb, wenn gerichtliche Vor* 
unterfudjungen eröffnet finb, an ^weiter Stelle auch oon ben UnterfucbungS* 
rid)tern Jjinjuwirfen fein, oon lederen auch infofern, ba&, wenn ber Staats- 
anwalt bie Verbinbung nicht beantragt ober eine Vereinbarung nicht ju Stanbe 
fommt, ber 2tngefdfmlbigte, in beffen ^ntcreffe eine fola)e 3 u faromenfaffung jur 
6rreia)ung einer wirflid[)cn ©efammtftrafe, bei welker er meifl günftiger weg^ 
fommen wirb, als wenn oon anberen, einjelnen ©eriajten naa)träa,itd() noi 
3ufa^frrafen erfannt werben müffen, liegt, oon bem UnterfucbungSrta)ter auf 
feine Söefugttife aufmerffam gemadbt, oon legerer ©ebrautb mad^t. S)ieS wirb 
namentlia) oon rücffäHigen Serbredbern bann gern gefä)eben, wenn fie aus 
eigener ober frember ©rfa^rung wiffen, ba§ bei bem ober jenem ©eriaX welkes 
baS Strafurt^ieil im ^ragefatte m erlaffen baben würbe, eine milbere Straf- 
prariS geübt, namentlich bie 2luffaffung über bie 2lnnabme mtlbernber Umpänbe 
weniger ftreng ift als bei einem ber anberen fonfurrirenben ©eridjte. SSer* 
tbeibiger loerben felbfloerftänblid; i^r 3lugcnmerf oorjugSweife auf eine berartige 
Sergleta^ung ber StrafprapiS ju richten b^ben unb oon ber in §. 13. aua) 
ben 3lngefcf)ulbigtcn nachgelaffenen SJefugnifj ©ebraua) ju machen fueben. 



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W\t eigentlidjen MnterlaflimgööeUkte twd) iiem 
Deutzen Straf öffetjbudf, 1 ) 



SSon $errn Dr. 21. ©eligfofjn su Berlin. 



2öer bie Siteratur über UnterlaffungSbelifte burdjgeljt, wirb unrotllfürlicr) 
an bic (Strnnologie be£ lucus erinnert, benn unter ber Ueberfdfjrift „Unter* 
laffungSbelifte" werben oon ben meiften Tutoren f)auptfäd&lid& bie fogenannten 
uneigentlicljen UntcrlaffungSbelifte abgefjanbelt, oon benen bann in meljr ober 
weniger gelungener 2öeife nadjgeroiefen roirb, Safe fie feine UnterlaffungSoergefjen 
finb, fonbern $u ben Äommiffiobeliften gehören. $Hefe faft ftänbige ,3ufammen* 
unb ©egenüberftettung ifi äroar ber (Srfenntmfj beS Begriffs ber eigentlichen 
UnterlajfungSbclifte nia)t fd&äbliä) geroefen, f>at aber ein nähere« eingeben in 
bie 9totur berfelbcn ge^inbert. 

S)ie Unterfd&eibung ber ©egeljungSbettfte oon ben UnterlaffungSbeliftcn 
— mir oerjlcfjen unter biefen nur bie eigentlichen — beruht barauf, bafj burd& 
erftere ein $rolnbitir>, burdf) ledere ein Ißräceptiügefefc übertreten roirb. 

Diefer Unter fdbeibung liegt ein inneres fad&lidfje« Moment ju ©runbe. 
(Sin ^rolHbitiogefefc fann nur übertreten roerben burd(j eine $anblung ober 
llnterlaffung, roelc|e eine Skränberung in ber 2lufjenroeU bewirft, roäfjrenb bic 
}tidf)tbcfolgung einer ^räceptiüüorfdjrift mit biefer 9ttdf)tbefolgung abgesoffen 
ijt unb nie oon einem burdj fie oerurfad&ten (Srfolge begleitet roirb. 2 ) 

Slubo 3 ) ifl ber 2tnfid)t, bafe ber Unterzieh äroifd&en ben 33egeljuttg> 
unb UnterlaffungSbeliften ein rein äußerlicher, auf ber zufälligen s Jtebaftion bcS 
betreffenben 6trafgefe|bud^g Paragraphen beru^enber fei, aucin feine ©rünbe 
erfcf>einen nicht überjeuaenb. 

SBaS er über bie rebaftionelle Slbänberung bcS §. 217. bcS ©trafgefefc* 
buchS — ßinbeSmorb — anführt, trifft nidjt bie $rage, um roeldfce es fich 
Ijanbelt, benn §. 217. befjanbelt in beiben Raffungen nur ein SeaehungS*, nie 
ein UnterlaffungS * Verbrechen. SRubo conjrruirt au£ ben eigentlichen unb ben 
uneigentlichen Unterlaffung« * Vergehen einen ©efammtbegriff „UnterlaffungS* 
belifte," ben er aUerbing« mit Stecht als einen nur ganj äußerlichen ©egenfafe 



1) Obiger «uffafc tt>ar bereit« bollenbet, atä bie Sbfanblung be$ öerrn Dr. <S<H>watbad> 
„3ur Seiire ton ben ed&ten UnterlafjmtgSbelitten" im ©eriditSfaal »b. XXXI. erfcfjien. 

2) Vlebnlid} @lafcr, abbaiibumgeu aua bem ßfterreid). ötrafreebt 1858. @. 291. 

3) Wubo, ftoinmcnt« 0. 410. 



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ju bcn 93egehung«oerbrechen befämpft, roährenb bie SRote in Dppenhoff« 
ßoramcntar,*) gegen meldte er an ber bej. ©teile polemifirt, bie grunboerfebiebenen 
Begriffe ber eigentlichen unb uneigentlichen Unterlaffung«belifte ftreng au«ein* 
anbehält. 2ln einer anberen ©teile 5 ) erfennt 9tubo jroar SOtiffet^aten an, bei 
benen jum S^atbeftanb au«fcbliefelicb eine Unterlaffung nothroenbig ift, unb mit 
bem 2tugenbti(f, roo btefc Unterlaffung gefebehen, auch bie 2mffetbat felbfi 
uoUenbet ift; er beftreitet aber beren Berechtigung ju einer felbfrftänbigen 
©tettung im fteajtSfojiera, Witt fie oielmebr benjenigen Begehung«oerbre<hen 
gleid^fteUen, „welche auch lebigliaj ftormaloerbrecben roaren unb junt Sthat* 
bejianbe baber nur eine §anblung an unb für fid), feine«roeg« aber aua) einen 
burch btefeloe oerurfaebten @rfolg erforbem." 

2Benn 9tubo hier unter „(Srfolg" nicht etwa einen engeren, fpecießeren 
begriff oerftebt, als ben, melden mir „Beränberuna, in ber 2lufeenroelt" nannten 
— unb bie« febetnt, rote au« ber ©leiebftettung b'iefer $elifte mit ben eigent- 
lichen Unterlaffung«beliftcn &cn>orgeIjt, nicht ber $all ju fein, — fo muffen mir 
ba« Borbanbenfein foldjer formalen Begebung«belifte überhaupt leugnen. 

S)ie Uebertretung eine« Verbot« fann, roenn fie für ben Uebeltljäter 
ftrafrecbtlicbe folgen fyabtn fott, nur burch eine äu&erli<h wahrnehmbare 
ftanblung 6 ) gefielen. Sine folcjie bewirft aber, roenn man ben ©tanb ber 
S)inge oor unb nach ihrer Sornabme berüefftebtigt, fchon burch ihre ©rijten3 
eine Beränberung in ber Slufeenroelt. @« in" für un« ofme eine folebe ber Xfjat* 
beftano eine« Äommiffiobelift« unbenfbar, unb bc«balb ju bebauem, bafe 9tubo 
fein Betfpiet für feine gormatocrgefjen anführt. 

3)ie UnterlaffungSbelifte ftnb $eltftc, beren £b<rtbeftanb in ber roiber* 
rechtlichen ^Nichterfüllung einer oon bem ®efefc bei ©träfe angeorbneten pofitioen 
^ätigfeit befielt. 5)iefe« 9ttd)tcrfüllen fann jroar äußerlich mit einer pofitioen 
^anblung $ufammenfaffen; trojjbem wirb audj bann ba« Verbrechen nicht burch 
biefe ipanblung, welche oielmebr für ben $batbcftanb bc« Unterlaffung«beltft« 
rechtlich unerheblich ift, fonbem einjig unb allem burch bie Unterteilung 
begangen. 

Ilm bie« an einem Betfpiele ju erläutern, fo hat berjenige, welcher in 
einer ©efeUfchaft oon einem beoorjtehenbcn 2Korbc Äenntmfc erhält unb ben* 
felben nicht fofort ber Bcbörbe anjeigt, fonbern in ber Unterhaltung fo lange 
fortfährt, bi« e« jur Sinnige ju fpät ift, ba« Sergehen be« §. 139. be« ©traf* 

gefefjbucb« nicht baburch begangen, bafj er in ber Unterhaltung fortgefahren ift: 
a« 2)clift märe auch fonfummirt roorben, roenn er bie 3mifcbcn}eit S um 
©chlafen ober ©pajicrengehen benufct ^ättc. $er ^atbcftanb be« Sergehen« 
ift mit bem 9iiebtan*eigcn abgesoffen, bie gleichseitige pofitioe £l)cingfcit liegt 
fchon außerhalb beffclben. 

3u einem anberen 3tefultate mag man freilich burch Suben'« $)ialeftif 
gelangen, roclche, inbem fie 3. $. bem SSorte „9cicbtbarreicben" ba« SÖort „@nt* 
Riehen" fubftituirt, eine negattoc Xfyätiattit in eine pofitioe umroanbeln ju 
fönnen glaubt." 7 ) 

ßmfler ift fchon bie S)cbuftion 212 er fei'« 8 ) ju nehmen. $erfclbe oerroirft 
nämlich bie Unterfcheibung jroifchen S9cgchung>> unb Unterlaffung«bcliften, roie 



4) «Kote 15. ju §. 43. et ©. ®. 

5) Sommtutar @. 428. 

6) 2>urcb eine Untcrla^uno tann yoax aud) ein S3cge^ungä»erbred)en berübt toetben 
— fogenannte uncigenttitbe UnterfaffunaStelitte — , aber bann muß ju ber Untcrlaffung fiet« 
nod) eine ^ofitiöe ^anbtung ober ein biefer fllcidjjtebcnbeS ÄtntS- ober ä^ntidbeö Set^ättniB f)in* 
jntteten, nnt ben äußeren 3ured)enbaren (Erfolg berborjubringen. 

7) 8uben, «bbanblungcn jc. I. ©. 470. 

8) 2Hcrtel, «riminaliftifdje Sibhanbtungen 1867. 



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212 tigetttti<$en Unttrtaffuitg«Mitte na$ bem bentfcf>en ®ttafg€f«^6n^. 

mir fic gegeben haben, als eine restlich unbebeutfame, unb fefet an ihte Stelle 
bie (Sintpeilung in pofüioeÄ unb negattoeS Hnrecht, je nadjbem eine löerle&ung 
ber 2lnforberuna, be« ©taat3 auf ein non laede mit Sejug auf oon ilmt 
anerfannte Skrhältniffe ober auf bie ftörberung trgenb roeldjer für it)n intereffanter 
3roecfe vorliegt, %üx biefe von igm gefunbenen Kategorien behält 3Jterfel, 
toenn fte mit «Strafe bebrobt fmb, bie Terminologie „ßommtffio* unb Dmiffio* 
belifte" bei. 

Sediere tonnen nun nad) ben Ausführungen, in melden er au« feiner 
eintfjetlung bie Äonfequensen jtefjt, auch burch pofitioe öanblungen (Sügen beS 
beugen, ©elbjroerftümmelung unb 2lu8roanberung be« ©efnrpfftd&tigen u. f. m.) 
begangen werben. 

2In biefer S^orie tft junäcpft au^ufe^en, ba§ fte an bem HRangel, bem 
fie abhelfen will — ber „rechtlichen Unbebcutfamfett" — felbft laborirt ; roenigftenS 
haben mir bei 311 er fei feinen anberen prafttfchen Untertrieb aroifdjen feinen 
Dmiffio* unb Äommiffiobeliften angegeben gefunben, als bafe bie ©trafen ber erftcren 
fidt) oon ben auf äufeerlid) oerroanbte Äommiffiobelifte gefegten t^eild ihrem 
•iDtafje nadt), theilS barin unterfchieben , bajj fie nicht als entcfjrenb gelten. 
(©. 95.) tiefer „praftifcije" Unterfd&teb crföehtt aufeerbem boch etroaS probte* 
matifch, benn meines finb j. 23. bie bem Sögen beS Beugen, oet ©clbft* 
oerftümmelung unb SluSroanberung beS SfBc^rpftidt>tiQcn r ber Wchtanjeige oon 
Verbrechen äufjerlidh oerroanbtcn Äommiffiobelifte, bie härter bejtraft mürben? 
$)och nicht etma baS geroöfmliche Sügen, bie nicht quatifictrte ©elbfberftümmelung 
unD 2luSroanberung, bie 9tid)tanjcige überhaupt? ÜJterfel nennt nur ein ©cifpieC 
nömlid) bie nicht qualificirten sDefraubattonen im Vergleich mit bem nicht 
qualificirten Setrucje! 

ferner bürfte gegen biefe ©egenüberfiellung beS negatioen unb pofitioen 
Unrechts einjuroenben fem, bafj ber ihr $u ©runbe liegenbe angebliche ©egenfafe 
in 2Bitflid)feit fein foldjer ift, unb bie ®ren§e jtoifchen beiben m concreto fic$ 
nur ferner feftftellen laffen bürfte. 

3$ ^be auch nur einen ©d&riftfteHer gefunben, melier fich SKerfel 
angefchlaffen, nämlich Ortmann. 3 ) 

tiefer trägt überbieS baburch, bafe er bie 3JlerfeTfdhe Stnftcht bahin 
reproburirt, bie Slnforberung beS ©taats bei ben SegehungSoerbrechen gehe auf 
ein neminem laede, ein paffio»perfönltcheS SJtoment ber Verlegung in bic 
Theorie hinein, roelcheS für baS Veruänbnifj berfelben gerabe ni<$t förderlich ift. 

2Bir fönnen bemnad) trofc 3Jlerfel'S Singriff unfer UnterfchiebSmertmat 
ber UnterlaffungS* oon ben VegehungSbeliften festhalten unb muffen bann babei 
beharren, bafj erfiere burch eine pofitioe Xtjätigfeit nicht begangen roerben 
fönnen; bic 9tichtoornahrae einer £anblung fann fchon begrifflich nur burch baS 
Unterlaffen berfelben gefd&eben. 

,3u einem eigentümlichen 9tefultate fommt 93 inbi na, 10 ) ber, über 3fterfel 
hinauSgchenb, „ben Vorfafe bei UnterlajfungSbeliften fi$ ftctÄ burch pofitioe 
3lfte rcalifiren" laffen roiH. 

2luS feinen nicht leicht oerftänblichen ©ebuetionen fei folgenber ©afc, ber 
feinen ^beengang Hat erfennen läfet, angeführt: 

„Söer befcbliefet, ein Serbrechen nicht anjujeigen, realiftrt biefen SBillen 
baburd), bafe er anberroeite ^anblungen oornimmt, beren Vornahme ihn an 
jener 3(njeige Innbert, mögen biefelben auch m ©ajlafen ober im Abhalten oon 
©cfellfchaften ober in SJcranftaltung einer Xreibjagb beftehen. 2)a| biefe 
Sinberungöhanblungen häufig fo gar nicht jur ©ache gehörig auÄfehen, änbert 
ihre 3Ratur nid)t" 



9) ®ttafrc^t§.3tttun(j ©t). 13. ©. 468. 
10) »mfcnig, Normen II., 447-454. 



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I&ie eigentlt<$cn ttntertafiungSbelitte nadj bcm betftfäen 6trafgefefebiu$. 213 

2)emgemä§ ftnbet Sinbing auch, bafj SDtener in feinem Sehrbuche fef>t 
Untecfjt bar an tfnte, wenn et c£ alä eine ©pi^jutbigfeit Suben'3 table, ju 
fagen, bafj ^ier eine pofitine Begehung — nämlich bura) Vornahme berjenigen 
Shätigteit, welche ber Setreffenbe ftatt bet im ©efefce norgefdjjriebenen etwa 
ausübe — ftattfuibe. 

2Han uergletche hiermit folgenbe ©teile aus 93inbtng'8 formen 
(II. ©. 189). 

9ta$bem et ben Unterfdneb jwifc&en 93egef>ungS* unb Untcrlaffunggbcltft 
batin gefunben, bafj bet Hiebet be« erfteren „bie ©efdnehte um eine $anblung 
bereichert" höbe, währenb bet be« leiteten „oom ©tanbpunft be3 objeftioen 
SBeltlaufS au&" ignorirt werben müffe, fährt et folgenbermafjen fort : 

„S)tefe wefentltche SBerfchiebenheit non föanblung unb Unterlaffung beSlwlb 
leugnen $u wollen, weit auch bet fd^einbat untätige äRenfd) immet etwas töue, 
ift ein mit unoerfiänbltcheS beginnen, ©elbft wenn biefet ©runb richtig wäre, 
waS nia)t einmal bet $aU — benn bie 3Jlenfchheit pflegt wenigftenS im «Schlafe 
untätig ju fein — , fo ift boch eine X^ätiafeit, bie ein 2ftenfcb oornimmt, 
währenb et fein $euft begebt, für ben ©trafeiebter eine rechtlich irreoelante, 
b. b. feine X^ätigfeit." Um non fleineten Söiberfprüchcn abjuieben — t& wirb 
j. im erften ©afee Schlafen als eine noräunehmenbe ^anblung bejeidfmet, 
währenb ^iet gegen eine betartige ^Bezeichnung polemifitt roitb — , fo rann in 
bcm lefctcititten ©afce nach feinem 3ufammcnbange unter bcm „fd)cmbar untätigen 
9Jtenfchen" nur bet Urheber eine« UnterlaffungSbeliftS oerftanben werben; man 
mufjte beS^alb am ©dhluffe beS ©afceS ftatt bet SBorte „währenb et fein $)eltft 
begebt" ntelraehr „währenb et eine gefefcltch gebotene §anblung ju tfmn untet* 
läßt" etroatten. 

2tber felbfl, roenn Sinbing ben ©afc nut non einem gänjlidE) ^atmlofen 
^td^tiSt^uct aufteilen wollte, fo butfte et, ba ein folget bet bem non ihm ju 
fiatuirenben Unterfdjiebe jwifd&en 5öegchung§* unb UnterlaffungSbeltften gar nicht 
inteteffirte, fich nicht entbred^en, aus biefem ©afce bie Gonfequen$en für fein 
theraa probandura, b. f). alfo mit ©ejug auf ben Segcber be8 UnterlaffungS* 
beliftd ju jic^en. $ie£ nerabfäumt er aber, unb ben ©runb hierfür oermag 
ich nur bartn $u finben, bafj 39 in b in g emfalj, bafj er burch bie allein mögliche 
©chlufjfolgerung in 2Biberfpruch mit feiner $heortc ber Unterlaffung8*$Bergef)en 
treten wütbe. 

2öit, bie wit olme ftücf ficht barauf bie Gonfequenjen gießen, feiert aller* 
bingS ba« Unhaltbare biefer Stjeorie ju 2aa,e liegen. 

S)ie Unterlaffung<8belifte befielen, wie gefagt, in ber wibcrred)tlid;en 
Unterlajfung einer oom ©efefce bei ©träfe angeoroneten pofitioen £f)ätigfeit. 
©ie Tmb bemnad) mit ber Untetlaffung oollenbet; be3 ©intrittÄ eine« burd) 
bicfelbe utfädjlii bewirf ten ©rfolgS bebarf e« ju ibrer Sßerfection ni^t. 11 ) 

©anj unerheblich ift e« inbej nicht, wenn in golgc ber Unterlajfung ein 
red)töwibriger ©rfolg eingetreten ift, nielmehr wirb biefer in ber 5leael bei 
2lbmeffung ber ©träfe non ©ebeutung fein, auch wirb für ben SCbatbeftanb 
emjelner Unterlaffungjsbelifte non bem pofitinen ©efe|e geforbert, bafe objectin 
ein (Srfolg eingetreten ift, ohne bafe ein faufaler 3ufawrnumh<uuj $wifchcn bem 
Unterlaffen unb bem Grfolg befteht. ©c|on ben 9iömem war e« jum öewufet* 
fein gelangt, bafj ber Erfolg, welker tn golge ber blofeen Unterlaffung ein* 
getreten, bem Unterlaffenben nicht urfächltch imputirt werben fönne. ©ic fiellen 
ben ©afc swar nicht in biefer Allgemeinheit Inn, wenben ihn inbefe praftifd) an, 
inbem fte 3. 8. baß «erbrechen berjenigen, welcher ben non feinem trüber geplanten 



11) 2X8balb «tf^cint baS $au}>tbeifoi<l, roctdjeS Serner (i'ebrbucf) 7. «ufl. 1874. B. 161) 
bie Unterlafiungsfceutte anführt — ber ber L 4. D. 25, 3 — unglütfltd) getränt: ^icr 
t u. tt. ein Äommifftobelitt tor. 



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014 eifleittlttbett UntcrlaffimflSbctittc na* fcem beutföen @trafgefefcbu<$. 

Satermorb, trofcbem er um if)n roufjte, bem Sater nid^t angejeigt hatte, niä)t 
mit ber XobeSftrafe, welche ben Satermörber traf, fonbem nur mit Delegation 
belegten. 18 ) 

ffiie ift nun bie «Stellung beS beutfdjen StrafgefefcbuchS ju bem oon un$ 
entroicfelten begriffe ber UnterlaffungSbelifteV 

3n feinem allgemeinen %fytik finben mir feine Sorfchriften betreffs 
biefer Delifte; au£lnlf£roeife bemerfen bie üRotioe ju §. 1., bajj „ipanblungen" 
hier in ber allgemeinen Sebeutung btefe<8 2öorfc3, roeldje aua) bie Unterlaffungen 
mitumfaffe, gebraucht fei. 

2Bir unb bemnacb in ber Sage, ben obigen Segriff aud) für baS Straf* 
gefefcbud) fefthalten 311 bürfen, unb jioar um fo unbebenflicher, als mir aus 
bem fpeciellen erfehen fönnen, bafe e8 fid) feineSroegS oon bem bura) bie 
2ßiffenfcbaft gewonnenen Segriff entfernen rcoüte. 

©0 führt beifpieläroeife ber §. 139., melier ba<3 UnterlaffungSbelift 
xar Qoxijvj bie ^td^tanjcige gcroiffer Serbreeben, roie be$ §od)oerrat^, 3Jtorbe3 
jum ©egenftanbe hat, als jum Dbatbcfianbe gehörig an, bafj baß Serbrcd)en 
(ober minbeftenS ein ftrafbarer Scrfud) bcffclben) roirflid) begangen roorben ift 
Sluf ben erften Sita* fa)eint baS §roar bem Safce, bajj c$ $u Der $erfeftion ber 
UnterlaffungS*Sergef)en eines urfächlichen (SrfolgS ber Unteren nicht bebürfe, ju 
roiberfprechen ; baß aber ebeufo, roie bie rönüfdjen Triften, aua) bie 9tebaftoren 
beS SrrafgefefcbuchS ^ier einen inneren caufalen 3ufaramenfwng jroifd)en bem 
llnterlaffen unb bem barauf folgenben Ser brechen ablehnten, erfetjen roir roieberum 
au« ber für bie 5)ti<^tanjcige angebrochen Strafe — ©efängmjs — , rocld)e in aar 
feinem Serhaltuiffe ju ben auf bie Segehung ber bezüglichen 9Serbred)en fclbft 
gefegten Strafen fleht. 

Unb felbft roenn ber §. 357. ben SlmtSoorgefctJten, welcher eine frrafbarc 
£anblung feiner Untergebenen im 2lmte roiffcntlia) gcfd)e^en läfet, mit ber auf 
biefe ftrafbare ^anblung felbft angebrofjten Strafe belegt, fo geflieht bted nid)t 
etroa, rocil ba£ ©efefc ben bie Serlnnberung unterlaffenoen Sorgcfefcten für ben 
Urheber ober 2:i)eilncl)mer beS ScrbrechenS anfiebt, fonbern bie erorbitante Se* 
ftrafung f>at ihren ©runb barin, ba& ber ©efe(jgcDer ben Srud) ber 2lmt3pflid)t 
auS friminalpolitifchen ©rünben befonberS fd^roer gefrraft roiffen roollte. 

£ter ift roobl auch paffenb bie ftrage 3U erörtern, ob bie (Sigenfdjaft be£ 
Delinquenten als faufmännifa)er Sanferutteur ober als Seamter ben Segrtff be* 
Untcrlaffung&SergebenS auSfchliejjt 

2BaS 8unäa)ft ben Sanferutteur anlangt, fo ift sroar ber einfdjlä'giqc 
§. 283. 5Rr. 2. unb 3. beS @t. ©. ». burch §. 3. beS <sinfül)r. @. jur Äont. ö. 
v. 10. ftebr. 1877 aufgehoben unb an feine Stelle ber §. 210. 3tr. 2. unb 3. 
ber $onf. 0. getreten; roir mürben aber foroo^l nad) früljerem, als nad) je|igem 
9led;t obige ftrage oerneinen müffen. 

Der 3:^atbeftanb bc« Serge^enS erfa;öpft ftd) objeftio in bem Unterlaffen 
ber ^i^ ruT| 9 ocr Süa)er refp. ber ©ilan^jiebung. 

Die $f>atfaä)e, ba^ ber Delinquent feine 3 a ^^«öcn eingefteüt, ober bafe 
über fein Vermögen ba« tonfurSöerfaljren eröffnet roorben, ifl roeber eine notb/ 
roenbig pofitioe ^anblung bcffelben, nod) fte^t fie in einem caufalen 3"fammcn< 
^ange mit ber fhafbaren Unterlaffung, fie ift uiclmehr, ebenfo roie ba£ Segehen 
beS s JJlorbe3, ^odjoerrathS u. f. ro. im ftaUe be« §. 139., nur eine 00m pofitioen 
©efeöe jufällig oerlangte Sebingung ber Strafbarfeit ber Unterlaffung. Slua) 
ba^ Delinquent Kaufmann fein mu| — bie tfonfur&Drbnung oerlangt baä jioar 
nia)t auSbrücflid), eS ift bieS aber, ba nur ben itauüeuten bie be5üglid)en ^fl ta)ten 
obliegen, felbftoerftänblid) — ifl für un£ unerheblia). 



12) L 2. «. 9. D. 48, 9. 



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3>ie eigentfifytt UnfcrTaffmtgSbeWte nac$ bcm beutfäctt @trafgefetjbu<$. 215 

$er «Staat ©erlangt §icr eben eine ftanblung nicht oon feinen fämmtlichen 
Untertanen, fonbern nur oon einem befttmmten %tyik berfelben. 

S)ie 9tatur ber Unterlaffung biefer §anblung Seiten« ber Pflichtigen fann 
fich baburd) nicht embem, bafe e« Anbere giebt, welche nid^t biefe ^flicht (mben, 
ober etwa baburaj, bafe Diejenigen, welchen biefe Pflicht obliegt, Seute finb, roeldje 
fonft, b. b- nicht mit ©ejug auf ba« $elift, eine pofittoe S^ätigfeit entwickln, 
alfo t)\tc ©efebäfte treiben. 

©anz biefelben ©rünbe treffen auch für bie UnterlaffungSbelüte ber 8e* 
amten au. 

$u welken Abnormitäten überbie« bie 9lia)tfubfumirung ber hierher a> 

?iörigen ©eamtenbelifte unter bie Unterlaffung«^ergeben führen toürbe, jetgt 
olgenbe« Seifpiel. Sterjenige, melier au« einer 2Boljming, in ber er olme 
Jöefugnifj oerweilt, auf bie Aufforberung be« berechtigten fich nicht entfernt 
(§. 123. be« 6t. ®. 39.), begebt, wie unten näher gegeigt werben wirb, ein Unter-» 
laffungsj'SSerge^en. 

2ßenn mir nun nur ben §. 123. hätten, melier allgemein für alle ben* 
felben begriff oon §au«frieben«brucb feftfteüt, fo mürbe wotjl s 3liemanb baran 
benfen, etwa ben Beamten, melier ud) biefe« bergeben« fdjulbig machte, oon 
ber s Jtegel au«zunef)men unb ihn allein tein Unterlaffung«beltft begeben zu lafjen, 
Denn bann fönnte man mit bcmfelben fechte auch bem S)icbftal)l, SKorbe unb 
jebem anderen fteliftc, wenn e« oon einem Beamten begangen mürbe, eine be* 
fonbere Natur zuerthetlen. 

Oiun enthält ba« ©trafgefefcbuch aber nod) ben §. 342., welcher bei bem 
£au«frieben«brucbe eine« Beamten bie ©träfe oerfd&ärft unb ba« fonft notb* 
wenbige AntragÄrequiftt befeitigt, unb biefe« foHte genügen, um au« einem Unter* 
laffung«* ein Äomraiffiobelift zu machen! 

Au« bem Segriffe ber Unterlaffung«beltfte ergeben fia) folgenbe borau«* 
fefcungen berfelben: 

a. ba« eine pofitioe Xptigfeit bei Strafe anorbnenbe ®efe|s, 

b. bie Unterlaffung biefer Xf)ätigfeit, 

c. bie fubjeftioe aüiberrc^tlia)feit ber Unterlaffung. 

SöaS bie erfle SBorauSfefcung anlangt, fo folgt fie mit 9cotf)menbtgfeit au« 
bem im §. 2. be« ©t. ©. 93. jum Au«brucf gelangten Sßrinzipe nulla poena 
sine lege. 

Di an mufj mbefj bie 9iorm oon bem ©trafgefefce wohl unterf Reiben ; 
erftere ift hier ba« bie Xljätigfeit anbefeljlenbe ©efefe, le&tere« fefct bie ©träfe 
für bie Unterlaffung fefl. 

@« roäre nun eine ju enge Interpretation, rooüte man behaupten, biefe 
borau«fe&ung liege nur bann oor, menn ber bie ©traffanftion au«fprea)enbe s ^ara 
grapl) be« ©trafgefefcbuch« sugleidb and; bie lUorm enthielte ober — negatio au«* 
gebrüeft — biefe SBorau«fe§ung hege bann nicht oor, wenn ba« ©trafgefefcbudj 
bie Unterlaffung einer Sljätigfeit, meiere man in ftolge ber 53eftimmung eine« 
anberen ©efefce« ober einer polizeilichen Anorbnung ober in ftolge ber Auf- 
forberung eine« berechtigten oorjunef)men hat, mit ©träfe belegte. 

$)enn e« änbert an ber Statur be« Unterla)fung«*$8ergeben« nic^t«, bafj 
$. 93. ber §. 139. gleichzeitig bie Anjeige oon geroiffen Verbrechen anbefiehlt unb 
bie Nichtanzeige beftraft, bafe bagegen ba« ^anbcl«gefe|buch bie 3 ic ^) un 9 °er 
Silanj anbefiehlt unb ba« ©trafgefe^bua) in bem — jefet aufgehobenen — §. 283. 
beren 9tichtziehung unter geroiffen Umftänben mit ©träfe belegt. 

©chroarje erfennt jroar in feinem Kommentar (Sycur« VII. au«brü<flicb 
nur ben galt be« §. 139. al« Unterlaffung«^ergehen an, aüerbing« ohne An* 
führung oon ©rünben, tro|bem fcheint er felbft in ben (£$curfen HL unb X, 



< 



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216 $ie eigcntlitfen ÜntcrlafiuugSbeWtc na* bem beutfäen (Strafgefcfcbutf). 

aud) bcn Sanfcrutt, Huflauf, fonrie baS 3 uro iberhanbeln gegen ein in einem 
DffenbarungSeibc gegebenes Skrfprechen 13 ) ben UnterlaffungS*93ergehen jujählen 
ju wollen. 

3dj finbe an ivaftorat, meldje und ju einer folgen pofitioen Xhätigfeit 
oerpfüchten, beren Untcrlaffung burch baS ©trafgef efcbudj gealjnbet wirb, f olgenbe : 

1. ©enereUe Sefthnmungen: 

a. ©efefcliche, 

a. im ©trafgefefcbuche auSgefprodjen, 
ß. in anbeten ©efe^en enthalten, 

b. polizeiliche Slnorbnmtgen; 

2. Spezielle Hufforberungen: 

a. oon ©etten ber Dbrigfett, 

b. oon Seiten eined grumten. 

üftan batf babei inbefj nicht uberfchen, bafj auch in ben $äHen sub 1 b. 
unb 2 ftctS ein ©efe(j ju ©runbe liegen mufe, welches ber Snorbnung bej. 2luf* 
forberung nachzufommen befiehlt. 

SDie jroeite SSorauSfcfcung hoben mir fdjon oben betont: bie S&ätigfeit 
beS Verbrechers mufj einjig unb allein in ber Untcrlaffung befielen, ohne bafj 
burdj biefe ein (Srfolg oerurfacht roorben ift. 

©eaen biefen ©afe, ber faft oon allen ©chrtftfiellern in ähnlicher SSort* 
faffung aufgehellt wirb, roenbet fid^ Öinbing. 14 ) 

9tod)bem er cntmirfelt, bafe berjenige, welcher oon einem Verbrechen nichts 
wiffe unb eS bcStyalb nicht anzeige, fein Sklift begebe, wäljrenb berjenige, welcher, 
oon tym wtffenb, eS nicht anzeigen wolle, eine« Vergehens fich fdjulbig mache, 
führt er für bie ©traflofigfett beS erftcren ben Langel beS SBtllenS, etwas ju 
tl;un ober ju unterlaffen, als ©runb an: bie „reine llntl;ätigfeit" ^abe hier 
aufier Vetracht ^u bleiben. 3 U Dcc „reinen Unthätigfeit" wirb bann in einer 
2lnmerfung bemerft: „in ber Ärug, 3Keoer, ©d) war je ben ganzen Zfyoi* 
beftanb beS ed;ten UnterlaffungSbeliftS aufgeben laffen wollen." 

£ter mufj bei Vinbing ein SJJifjoerftänbnifj obgewaltet haben; benn wie 
wäre eS fonft ju erflären, bap er ben ©cgenfafc ju ber „reinen Unthätigfeit," 
meiere nad; ben citirten Tutoren ben ^atbeftanb beS eigentlichen UnterlaffungS* 
beliftS ausmalt, in ber mit bem roibcrrcd)tlic^en SBillen oerbunbenen Unthätig* 
feit fud)t, wäljrenb er bod) einzig unb allein in ber mit einem äufeeren Erfolge 
oerbunbenen Unthätigfeit ju finben ift? 

3u biefer ©egenübcrftellung fam man aud) nothgebrungen burd» bcn an 
ben betreffenben ©teilen ftatuirten Untertrieb ber eigentlichen UnterlaffungS* 
belifte oon ben uneigentlichen. 

$afj cö 3U bem Mitte nicht ber Äcnntnifj oon bem beoorftehenben Ver- 
brechen ober ber fubjeftioen ffiiberrechtlichfeit bebürfe, Jjat feiner oon Vinbing 
©enannten behauptet. 

2Sie ©chroarje z- V. bie „reine Unthätigfeit" auffaßt, erfieht man aus 
folgenben jroei ©teilen: 

„S5ie Unterlaffung ber oorgefchriebenen Denunziation oon gewiffen Ver* 
brechen fefct ebenfalls ben Hillen oorauS, bie Denunziation ju unterlaffen; 
oon einer culpa ift &iet nicht bie SHebe. @S roirb hier ein befonberer ©rfolg 
ber ^anblung nicht oorauSgefefct; — in ber Jganblung felbfl fchliefet fich ber 
S^atbefianb oöttig ab." 15 ) 

13) 35ic neue Stüttyroacfe-Orbnung unt> Sont«r8«ötbnu«g teiuten ein fottfecS «erfpre^en 
iiitbt mel)r. 

14) »infcing, Tonnen II. 449 ff. 
.15) €(^»013«, Äomtnentar 6. 27. 



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3>ie ei^entli^cn UntcTiafiungSfccUltc na$ Dem teutfdjcn ©trafflefc^bu*. 217 

„S)er gan^e £f)at&cfianb erfd^öpft fich fjicr in ber Ilnterlaffung, ohne 
irgenb roeldje SKücf ficht auf baS (Srgebnifj ber Nichterfüllung; baffelbc fann nur 
als StrafbemeffungSgrunb in ©etradjt fommen. Gbenfo ift in biefen fällen ber 
dolus nur als baS SBewu&tfein baoon aufjufaffen, bafe bie $orauSfe&ungen oor* 
Ijnnben fmb, unter benen baS gefe&Uche ©ebot ju erfüllen ift. 1 ' 18 ) 

s Bir fönnen bemnach wohl trofc beS hinbin g'fchen Angriffs, ofme ferner 
beforgen ju müffen, baß wir ju ^hfcoerftänbmffen Slnlafo geben tonnten, an bem 
Sa§e feftijalten, baß ju bem Sbatbeftanb beS UntcrlaffungSbcliftS nur ein Unter* 
laffen ober eine „reine Untfjätigfeit" beS Verbrechers gehöre. 

JpierauS folgt für unS, bajj wir biejentgen 2)elifte beS $cutfd)en Straf* 
gefe&buchS, in welken ein „©eftatten" ober „Bulben", wie i. SB. in ben §§. 285. 
365. 2lb|". 2. : 

„£)cr Snh&bcr eines öffentlichen SBerfammlungSortS, welcher ©liicf3* 
fpiete bafelbfi geftattet . . 

„2)er SBiru), welcher baS ©erweitert feiner ®äfte über bie gebotene 
SßoUjeiftunbe hinaus bulbet . . 
mit Strafe belegt wirb, nicht ben UnterlaffungSbeliften johlen bürfen, benn eS 
ift in biefen fallen ben SBirthen nicht eine pofitioe ^ättgfeit jur Pflicht gemacht, 
beren Unterlaffen mit Strafe bebroht toirb, fonbern eS ift ihnen eine foldje bei 
Strafe »erboten; eS roäre unrichtig, roenn man „bulben" ober „geftatten" mit 
„nicht hinbeni" ibentificiren wollte. 2lu<h bie Söeleibigung barf nicht $u ben 
UnterlaffungSbeliften gejohlt werben, benn wenn biefelbe auch unter Umftänben 
bura) eine Untcrlaffuna, fich manifeftiren fann — j. SB. burch Ditdjtaufftehen bei 
einem Xrinffprudt) auf ben fianbeSherm, — liegt boch aud; l;icr baß Straf» 
bare nicht in ber Unterlaffung einer oom ©efefee oorgefebrtebenen pofitioen 
Shätigfeit, oielmehr in ber Uebertretung eines $rohibitiogefe&eS; eS ifl oerboten, 
bie @h te cineS Slnberen, inSbefonbere beS Staatsoberhauptes, baburch, bafj man 
eine Nichtachtung berfelben an ben Sag legt, ju oerlejjen, feineSmegS aber oom 
©efefce oorgefchrieben, burch gewiffe pofitioe #anblungen Achtung ober @ht* 
erbietung $u erweif en. 

$>ie britte $BorauSfe(jung, bie fubjeflioe SöiberrecMichfeit ber Unterlaffung, 
fönnen wir bahin analofiren: ber Unterlaffenbe mu| baS 23cwufetfcin baoon 
haben, ba& bie sBebingungen beS gefefclichen Verbots oorhanben finb. 

Ob er bcmfelben fobann boloS ober fulpoS nicht nachfommt, ift §war in 
ber Siegel für ben Xhatbeftanb beS $cliftS gleichgültig, aber bei ber Straf* 
abmeffung oon ©emicht; bisweilen fann inbeß in golge pofitioer SBeftimmung, 
wie im $aUe beS §. 322. beS St. ©. 33. : 

„2Ber oorfäfclich ein jur Sicherung ber Schifffahrt bcfiimmteS 
geuerjeichen ober ein anbereS ju biefem 3wecfe aufgehelltes 3 c *$ cn — 
Teiner $>ienftpfucht juwiber nicht aufftellt, .... 

nur bie S3orfä|lichfeit ber Ilnterlaffung geahnbet werben. Selbftoerftänblich ift 
ba^ e<8 auf baS 9)iotio ber Ilnterlaffung für ben Sfwtbeftanb nie anfommt, baB 
©ielmchr bie Shatfache, bafe ^emanb aus Neugier fidt) an einem Auflauf betheiligt, 
auS Trägheit feine ^anbelsbücher geführt ober, weil baS geplante Scrbredjcn 
gegen feinen geinb gerichtet gewefen, feine Slnjetge gemacht, ^öd»ftcnö für bie 
Öemeffung ber Strafe oon Gelang ift. 

Schwarje f^eint ber Slnftcht ju fein, ba^ bie UnterlaffungS»SScrgehen 
überhaupt nicht fulpoS begangen werben fönnen, inSbefonbere behauptet er oon 
bem $alle beS §. 139. in ber oben citirten Stelle, berfelbe „fe&e ben SBitten 
oorauS, bie 5Denunjiation ju unterlaffen, oon einer culpa fönne hier nicht bie 
ftebe fein." 



16) ©cömarse, Kommentar ®. 45. 
«rddip ist», s. it. 4. $eft- l- r > 



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•• • : * • 



218 Sit cwntlüfcii Untcrlaffung&elUtc na* Dem frcutfdjen otrafflcfctfbit*. 

$>em (jegettüber fönntc man gefpannt fein, erfahren, tote Scbioarje 
folgenben RaU beurteilen mürbe: ^emanb erfährt uon einem beoorftebenbeu 
3)iorbe, bcfcblicfet, tlm ju benunsiren, unb geht jur ^olijei. Unterwegs trifft et 
einen Befannten unb oerplaubcrt mit btefem, ba er nod) $cit ju haben glaubt, 
eine Stunbe. 2115 er enblicb jur ^oli^et fommt, ift c$ bereite ju fpät bad 
^erbredjen ift mittlem) eile begangen worben. ^icr ermangelte bod; wol;l ber 
Delinquent bc£ uon Schwarbe erforberten 28illcn£\ bie Dcnunjiation su unter* 
laffen, unb trofcbcm wirb man u. G. nicht umhin fonnen, ben Xljatbcftanb be3 
§. 139. für norltegenb ju cradjtcn. 

ferner 17 ) feblägt einen Mittelweg ein: er läßt baS Strafgcfcfcbud) bei* 
fpiclSweifc beim einfachen Banferutt „wegen ber ^iidjtigfcit besS ObjcftS" bie 
Aaljvläiftgleit beftrafen, bei ber 9itd)tan$eiqc oon l^crbrcdjen bagegen nicht, trr 
giebt inbefc feine ©rünbc für eine foldjc Untcrfd)cibung an, fo baß bicfelbc nur 
um fo meniger für [tdj gewinnen fann, al3 c§ aud) uuerfinblid) bleibt, warum 
im $alle bei $. 283. mehr auf bem Spiele fteljen foll, als im galle be3 §. 139. 
lleberbtcS ftcljt ferner mit fid; fclbft im ^iberfpruch, iubem er an einer anberen 
©teile 18 ) alle mit Strafe bebrobten llnterlaffungcn, fclbft wenn ftc au£ blofjcr 
gahrläffigfeit heroorgegangen, beftraft wifjen will. 

2öirb nun ein Bergchcn feinet (äfjaraftcrS al§ UntcrlaffungSbclift babureb 
uerluftig, baf? ju ber ,,&Sibcrred)tlichfeu'' noch eine fpeciclle Wicht, etwa bie 
Gläubiger ju benad)tljciligcn, 3^oiibcm bie Boitbcile bc£ BerbrecbcnS ju 
fiebern, ^emanben oer 9cfc^Uct)cn Strafe recbtSroibrig $u entheben, ^injutritt? 
3ft h- einen $au herauszugreifen, ber betrübliche Banferutt (§. 281.*- 

bc£ St. ©• B. 19 ) ein Unterlaffuugsoerbrcdjcu? 

$ur Beantwortung biefer §rage mufc man fid) oergegenwärtigen, bafe Ijter 
ber Banfcruttcur ein ^räccptiDgcjcu — ba3 ©ebot, Büdjcr 511 führen — , nädjft* 
beut aber aud) eine s ^rof)ibitiuuorfd)rtft — feine ©laubiger nicht $u benachteiligen — 
übertritt. SDic Uebcrtrctung ber le&tcrcn braucht jiuar nicht uollcnbet ju fein, 
ba fdjon bie Slbfidjt ber ilcbertretung genügt; jcbcnfaUS muß aber ju bem 
Unterlaffung$bclift nod) bie Wid)t, ein ßornmilftubclift 311 begeijen, bn^ufommen. 
2)ian fann bcäljalb aud) ber Behauptung Scbapcr's;, 20 ) in ben gäüen ber 
§§. 281., 283. be£ St. ©. B. beruhe bie StrafjäUigfctt in ber Bcrnacbläfftgung 
ber Pflichterfüllung, woljl für ben 283. — eiufadjcn Banfcrutt — , aber nicht 
für ben §. 281. — betrüblichen Bauferutt — suftiiumcn. Schon bie ungleich 
fdjwcrere Strafe muR barauf führen, bafc im Ic^teicn ^a\lc }UI Straffälligfeit 
mehr »erlangt wirb, aU im erftcren. 

(SsS fann bal;er roeber ber betrügliche 53anferutt, noch ber $att be5 
§. 257 21 ) ober be§ §. 346 beS St. ©. 33. 311 ben Unterlaffungäbcliften gc* 
rechnet werben. 

«Icachbem wir im Sorftchcnben ben Begriff unb bie Borauäfefcungen ber 
UnterlaffungsSbclifte feftgeftcllt hoben, wollen wir jc^t unterfuchen, in Betreff 
weld;er allgemeinen Bestimmungen uufereö St. ©. B. bie Statur biefer Delifte 
eine oon ben Bcgehung^beliften abmeichenbe Behanblung rechtfertigt. 

Sd)on in ben „einleitenbcn Befttmmungen" regt §. 3. bie ftragc an, 
an welchem Orte ba$ Unterlaffung^belift begangen ift, ob an benyenigen, wo 
ftch ber Delinquent 311 ber '$cit t wo er bie $anblung oorjunehmen oerpflichtet 
war, aufhielt, ober bort, wo bie $aublung oorgenommen werben mu^te. 



19) im §. 200. 3- tev Äont. 0. 

20) ßoHjentorff, ^antbuefi <S. 120. 

21) ^i« ift felbifrerftäntticl) nur an eine turd) Untcvkfjuiia bcaaitflcnc <Hcüünftic}unc\ 




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Sie eigentlichen UnteriafiuuflSMiltc m<S) bem beulten @trafge|e<}(ju^. 219 

$icfe für bcn <Strafpro3cfe (§. 7. bcr 6t. $ro3. D.) ^öci>ft mefentliche, 
auch für bcn Siüüprosef} (§. 32. 6. 0.) nicht unwichtige JJragc würbe ich 
311 ©unftcn bcr legten 2lnficht beantworten, benn man fann fuh nur in ©ejug 
auf bcn Drt, reo man etwas ju tljun fdjutbtg mar, einer ftrafbaren Untertaffung 
fdmlbig matten. $)afe man $ur 3eit ber Unterlaffung fid) oiellcid)t anberS wo 
aufhält, ijt für ben 2^atbeftanb beS Delifts unerheblich. 

$)aS forum delicti commissi bei bcr 9iichtaufftellung eines ^eueneicbcnS 
(§. 322. St. @. V.) j. V. ift nicht ber Drt, wo ber Verpflichtete jur 3ctt ber 
norsunct)utenbcn §anblung zufällig war, fonbern ba, wo baS 3 c ^ en aufzuhellen 
mar: bei entgegengefc&ter (Sntfcbeibung brauste fid) bcr Verpflichtete nur für} 
uor bcr ju bcr Aufteilung beftimmten 3<>it a n einen Ort beS ÄuälanbS, wo 
eine bem §. 322. entfpredjenbe Strafbeftimmung nicht befteht, ju begeben, um 
nach Ablauf biefer 3^it ftrafloö wieberfehren ju fönnen. 

ferner nehmen bie UnterlaffungSbelifte nodj binfidjtli^ bcr §§. 43. 
(Verfug), 47 (3)iittt)äterfd;aft) unb 67 (Verjährung ber Strafocrfolgung) eine 
SluSnahmeftellung ein. 

(Bin Verfug im «Sinne beS §. 43. fann hier nicht flattfinbcn, benn rate 
fann cS bei einem Mitte, welches nur in bcr Unterlaffung einer $u einer go 
Hüffen 3cit oorjunehmenben 3:^ätigFeit beftebt, ^anblungen geben, meiere einen 
Anfang ber Ausführung biefeS ©eliftS enthalten? 

£aS Untcrlaffen cor ber 3"t ift nicht $)eltft, fonbern ftrafloS; mit bem 
Unterlagen ju ber beftimmten 3cit ift baS Selift fefcon begangen, ein Anfang 
feiner Ausführung fann fym begcifflicr) nic^t oorfommen. Anberer Anficht ift 
JHubo. 3)erfelbe fupponirt ben §aU, baß ein ®efe($ ben 2Beichenfteller, ber eS 
oorfäfcueh unterläßt, um 12 Uhr Die 2Beiche $u ftetlcn, mit Strafe bedroht, unb 
will bann benjenigen SSeichenftetlcr, welcher in ber Abficht, biefe Untcrlaffung 
herbeizuführen, fich um 11 Uhr bis jur Sinnlofigteit betrinft, wegen VerfuctjS 
beftraft wiffen, falls er roiber feinen SBiUen jur Vefinnung äurütfgebradjt unb 
genöttjigt morben, bie Söeiche jur feflgefefcten Stunbe ju ftellcn. 23 ) 

&ier liegt inbefe u. (S. ein Verfud) im Sinne beS §. 43. nicht oor. 
Srinfen bilbet, felbft roenn eS ©emufetlofigtett jur ftolge hat unb bie Unfahigfeit, 
eine Stunbe fpätcr eine SSkiche gu fteUen, jur weiteren $;olge haben mufjte, noch 
immer nicht einen Anfang ber Ausführung beS 9lichtftellenS ber SBeiche. ©S 
lagt fia) ö bem Srinfen noch nicht bie 23e$iehung auf ein beftimmtcS Verbrechen 
erfennen, unb bcShalb fann eS u. 6. nur unter bie ftraflofen oorbereitenben 
£anblungen fallen, Sflitthäterfcbaft fann bei ben UnterlaffungSbeliften nicht 
oorfommen, benn jeber, welcher Sie gebotene £anblung nicht oornimmt, begeht 
als AUemthäter eine ftrafbare Untcrlaffung: ber Umftanb, bafe noch 3tnbere außer 
ihm [lA in glcidjer Söeifc ftrafbar machen, ifl für ben $hatbeftanb feines S)eliftS 
unerheblich. 2öaS enblich bie Verjährung ber Strafuerfolgung anlangt, fo foll 
btefet.be naa) §. 67. ?lbf. 4. beS St. ©. V. mit bem $age, an welchem bie 
^anblung begangen ift, beginnen. 2öann ift nun bei unfereu Miften bie firaf* 
bare Unterlaffung begangen? Ebenfalls j 0 ^ or t ö anu, wenn bie Verpflichtung 
gu einer ppfitioen Xhätigfeit oorl;anben war unb berfelbcn nicht genügt würbe, 
aber bamit ift bie {jrage noch nicht erfchöpfenb beantwortet, benn bie Vcr* 
pflidjtung wirb ftetS eine mehr ober weniger perennirenbe fein, fo bafe baS burch 
bie Untcrlaffung begangene SDelift fid) erneuern wirb. $)ic Verjährung wirb 
bemnach erft bann beginnen fönnen, wenn baS ©clift fich nidt)t mehr erneuern 
fann, fei eS, bafe bie Vorbcbingungen jur Verpflichtung weggefallen finb, fei es, 
bafe bie betreffenbe ^ätigfeit oorgenommen worben ift. 



22) Uiubo, ftommentar S. 410. 

15* 



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220 ® ie öfloitn^en UnterfoflungSfcelüte na$ bem fccutföcn 3ttafg«fc^bud). 

©cljwarje untcrfd^etbct je naebbem baS 3fittereffc, melä)eS beut (Gebote 
31t ©runbc liegt, ftcb auf bie momentane Befolgung beffelben beft^ränft ober 
ittcrljältniffe berührt, weld&e burd& bie DrbnungSwibrigfeit begrünbet werben, 
unb will im erften ftall mit bem Momente, mit meinem bie Unterlaffung ein- 
tritt, in bem jweiten mit 2luft)örcn beS gebotSwibrigen 3ufianbeS bie Söerjä^rung 
beginnen laffen. 28 ) 

3u einer Derartigen Untertreibung liegt tnbefe fein ©runb oor. Söenn 
mir 3. 3J. ben ftaU beS §. 139. ©t. ©. 93., ben man jur erften Kategorie jablen 
müßte,**) nehmen, fo mürbe naa) ©d&warje baS 5>crgc^en beSjenigen, melier 
oon einem nad) 6 3al>ren ootaunebmenDen üRotbe erfährt unb tfm ntcfyt an* 
jeigt, 3ur beS roirtlic^ begangenen 3JtotbcS bereits oerjatyrt fein. 

Sei ber 2luffüf>rung ber UnterlaffungSbelifte beS beutfd&en 6t. ©. 93., 
meldte mir unferer SBetrad&tung biefer £>elifte no# sunt ©djlufc anfügen wollen, 
werben mir unfere obige <5intf)eilung ber bie pojitioe Stjätigfett gebietenben 
gaftoren ju ©tunbe legen. 

Das @t. @. 93. orbnet eine pofitioe Sljätigfeit, ofjne bafj nod& eine anbete 
generelle ober fpejieUe aiufforberung Ijinaujufommen brauet, um ben Delinquenten 
ber angebroljten Strafe au unterwerfen, in ben §§. 139., 320. Slbf. 1., 357., 
361. SRt. 4. unb 9^ 3G7. 9tr. 11. unb 12. unb 368. 91t. 4. an. 

3u ben ftätten, in welken baS ©trafgefefcbudt» nur bie ©traffanftion 
für bie Unterlaffung ber burcij ein anbereS ©efefc gebotenen pofttioen ^^atigfeit 
enthält, gehören bie Seftimmungen ber §§. 281. 9lr. 3., 322. 2lbf. 1. unb 368. 
9tr. 2. @S ift aber nidjt $u überfein, bajj ber §. 322. ntd&t bloS Beamte trifft, 
weldje bie ilmen gefefcUd) aufgetragene SluffleUung oon $euer*eic§en untetlaffen, 
fonbern fid& auf alle bejie^t, bie oermöge eines DienftoerbältniffeS $ur 2luf* 
Stellung fold&er uerpfli^tet finb. Da« Unterlaffen einer buta) eine genetelle 
polizeiliche 3lnotbnung anbefohlenen £f)ätigfeit witb gealmbet in ben §§. 367. 
Sht. 14. unb 368. 3tx. 2. unb 8., baS 9ha)ttfmn einer bura) fpcjicllc 2luffor* 
berung feitenS ber Obtigfeit gebotenen in ben §§. 116. 3tbf. 1., 360. 9it. 10., 
365. 2tbf. 1. unb 367. $r. 13. unb 14. Der §. 116. Slbf. 1. untetfäeibct fieb 
oon ben btei mit ihm jufammcngcfteUten baburdj, baß Ijier bie 2luffotberung 
ntä)t fpejieU unb allein an ben Delinquenten, fonbern an bie 2ftenf einmenge, 
in ber biefer fi# befmbet, gerietet fein mufc. Der §. 367. SKr. 14. mar 
zweimal anjufü^ten, weil bie «Sid&erungSmafjtcaeln oon ber ^Soltjei fomoljl 
generell, als au<# fpejiell für ben ©injelfatt getroffen worben fein tonnten. 

211S ©trafbeftimmungen gegen foldje, weldje ttofe Slufforbetung einet 
gefefelidf) baju berechtigten ^tioatpetfon eine befttmmte 2t)ötigfett ootiunebmen 
untetlaffen, cntljätt baS ©ttafgefefcbuci) bie §§. 123., 342. unb 365. 2lbf. 1. 

©d)ü|c 85 ) jaf)lt ben %aH beS §. 123. — eS Rubelt fia) f)ier felbfl- 
uctftänblid^ ni^t um ben butdf) einbringen, fonbetn um ben butd& ©idb*nid()t» 
entfetnen begangenen fiauäftiebenSbtudj — ju ben uucigentlid&en Untcrla))ungS= 
beliften; c3 fd^cint, ba| er baju burd) eine unrid)tige 2luffaffung ber oon i§m 
felbft gegebenen 33cgtiff«beftimmung bet leiteten gefommen ift. 

9tac^bem ©d)ü|e nämlia^ ben (£intl)eilungi§gtuub, auf bem ber begriff 
ber uncigentlid^cn Unterlaffungöbclifte beruht, in ber ocrfdjiebencn ßtfäjeinungiS^ 
form ber ©ttaftfjat, je nadjbem biefclbe in ®eftalt eines pofitioen obet nega* 
tioen ^aubclnS aufttete, gefunben bat, t>etmeä)felt er anf(beincnb „©traftbat" 
mit bem ©attungSbegriff ,,§auSfriebenSbrua)", inbem er berüdftebtigt, bafe legerer 
fowoljl bura) ein $anbeln als ein Unterlaffen begangen werben fönne. 



23) ©tfitoarje, Jtommcntar ©. 285. 

24) 6*trarjc fclbfl jätjlt ju tcrfelbcn bcifoiclSrceifc bi« 9iic^tanjcinc ton bcborftcljcnbeu 
8ecfammunt<K!L 

2.')) äd)ü|}C, 2cbtbu& 2. «ufl. «S. 101. 



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3>ic eiflcntlidjcn Utttcrtaffungöfcetitte nadj bem fceutfijcn ©trafgcftfcbudj. 221 

2Sir Dermögen aber ba3 SKoment, roeldjeä ben negatioen £auSfrtcben$ - 
brudj von ben eckten UntcrlaffungSbeliften fd&eibet, nid)t ftnben, au<J bei ifjm bc* 
fteijt baS 2)elift in einet blofecn Untcrtafiung be$ Xljäter«, otme bajj ein burdj 
bie Unterlaffung üerurfadjter ©rfolg erforbert roürbe. 

2>afj e3 aufäUigerrocife nod) eine pofttioe ^ätigfeit giebt, roelaje ba$ 
6t. @. ö. unter „^auSfricbenSbruäy fubfumtrt, fann bo<J) nimmermehr bie 
•Jtatur be£ negatioen ^auSfriebenjSbrudjS änbem, fo bafj biefer etroa baburd>, 
bafj man u)n in einem befonbeten Paragraphen unter anberer ^Benennung ab* 
fcanbelte, roieber au£ einem uneigcntlia)en ein cd^teS UntcrlaffungSbelift roürbe. 



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1 



W\t Verleitung ?um fallen täibt 



Son £errn fteferenbar % S o igt in $atte. 



Ueberau 

§. 1. Einleitung. ®ef$ic$tlidjer SRütfblid. 

flapltel I. ©ie begriffliche 2luffaffung. §.2. ©ie ftällc ber 35er* 
lettung mm fallen @ibc — feine begriffliche ßinbeit, §. 3. ©ie Serleitung 
mm §alfd)eib — fad)lict) fclbftftänbigeiS ©eltft. §. 4. ©ie Serleitung mm 
ütteineib — erfolglofc Slnfttftung. §. 5. Scrtjältmjj be$ §. 49. a. 3U §. 151). 
91 6t. ©. S. 

Kapitel II. ©er 2l)atbeftanb. §. 6. ©er 2ötUc bo8 Serleiter*. 
§. 7. ©er 28ille be3 m Scrleitcnben. §. 8. ©er objeftiue Xfmtbejtanb. §. 9. 
SDer Serfu$. §. 10. ©ie 2l;etluat)me. §. 11. ©ie Strafe. §. 12. ©er 
töütftritt. 



§. 1. Einleitung, ©cft$ict)tlicr)er 9tücfblicf. 

©ie „Verleitung mm falfdjcn Eibe" umfaßt bie Serleitung gum 30? ein erb, 
b.J. roiffcntlici) falfdjcn Eibe unb bie Verleitung mm $alfct)cib, b. t). mm gut* 
gläubig ober tjöcbftenä fot)rläfftg fttlfcb gefebroorenen 6it»e. Sdjon mcr)rract) 
fjaben bie Parlamente über bie 3roecfmäf$igfeit ber Statutrung biefer Scr* 
bred&enSbcgriffe biöfutirt, unb im SKnfdjlufj baran l)at bie ©oftrin über it)re 
sjuläffigfeit geftritten, t)at ctngct)enbe Stubien über ben Segriff unb ^n\)a\t 
biefer ©elifte gemalt, or)ne bi$i)cr m anerfannten ^irinjtpicii, gefdnncige m 
einer (Einigung in Einheiten, gelangt ju fein. 

2ro$ ber ©idjttgfctt bc3 EiboS im germanifc^en ^rojeffe bebrot)te bad 
alte beutfaje 9kdjt nur bie erfolgreiche Serleitung jum SJfeineib mit ©träfe. 1 ) 
Ob ba£ fcmonifdje 9tcct)t bic crfolglofe Serleitung beftrafte, ift beftritten.*) 
^ebenfalls l;at aber nad) ber l)errfct)enbcn unb looljlbegrünbctcn 2tnfidt)t roeber 



1) Styl, i'iöst, Die fatfd)C «usfafle u. f. ». ©raa, 1877. ®. 168. 

2) £älfdjner glaubt rcea/n c 1. de hom. VI f>, 4, taS fanonifebe ÜRec&t f)abc He erfolg 
tofe Slnfiifüüia, allgemein, alfo aueb tie 311m 2)Jcinetfr, beftraft. Xacjciien (Seicr in £oltjcntotff, 
fcanDbucb, »b* IV.* ©, 115 «nm. 5. 



uigiiizea 



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i 



Xk Scrlcituiiu jum fallen (Site. 22.'} 

2lrt. 107. ber ©. D y wie ferner 3 ) behauptet, noa) baä 21. £. 9t., wie e$ 
bic 2Bäd)tcr'fa)e 2lnfid)t 4 ) ift, noa) aua) ber code penal, nrnS 3ol;n 5 ) au* 
Sunebmcn fd^cint, bic crfolglofe SInftiftung im 2lugc. £cr 2trt. 107. ber ty. 0. D. 
betrifft fdjon bcSlwlb bie gelungene 2(nftiftung, weit biefe fonft überhaupt nidjt 
bcbroljt roärc. 2>cun ob ber 3lct. 177., toclcber oon ber „bilff beiftanb fürberung 
ober loie DaS afleä nainen l;at" banbclt, fte miteinbegreift, tft mefjr al3 jrocifcl* 
tjaft; unb bann finbet man bei feinem Kommentator ober ©rfltfrer bcr^J. ©. 0. 
eine Deutung beä 2lrt. 107. im ferner 'fd)en Sinne. 6 ) S)a8 31. 8. 9t. va* 
bangt in §. 1414. II. 20. nur über ben Slnftifter eines begangenen 2Jteincit>cs3 
«Strafe, beörotjt in §. 1415 eod. ben, roelcber burd& Seloljnungeu einen 3eugcn 
*ur 2luSfage ber üöatjrfjeü ju beftimmen fud)t, unb ber §. 42. eod., auf melden 
lieb achter beruft, gilt bem ^bäter, md)t bem £beilncbmcr. SDer 2lrt. 305. 
bcS code pönal enblidj begebt fid) feinem flaren SSortlaut nad) nur auf bic 
2lnftiftung ju erfolgtem ÜJJeineib, auücrbcm bemerfen bie 3)iotiue ausbrüettidj : 
„Mais pour que la subornation puisse ütre punie, il est neeessaire que le 
faux tömoignage, qui eil est l'objet, ait ete r£alise\" 7 ) URoberne ©efc^se 
abnben oielfaa) jeöc oerfua^tc 2lnftiftung, 8 ) meift freiließ unter bem falfcbcn 
(Ücücbtäpunft, bafe in ber Slufforbcrung ein &erbrcd)cn ju begeben, bereite ein 
^erfud) bcffelben liege. 0 ) 3uerft tft in §. 14. beS Olöenburgifajcn ©cf. uom 
28. 3utii 1845 Die erfolgtofe Slnftiftung jum 3)kincib aU fpcjieller ££)atbcftanb 
eines ^erbrcdjcnä aufgetreten. 9tad) langen Sicr^anblungen ift ein glcidjcS 
2)elift im §. 13a bc$ ^reufe. St. ©. aufgehellt unb trofc beftiger Slnfeinbung 
in ba$ 9t. St. ©. Ö. §. 159. übergegangen. 10 ; 

Öegcn benjenigen, qui alium dedmerit in perjurium ignorantem, 
enthält bass gennanifebe tote fauonifa^e 9tcd)t Sttafoerfügungen. 

3n fpätcren ©efctjgebungen ftnöen ftd) feine Jöcftimmungcn gegen ben 
SJkrleitcr sunt Balfdjctb. (Srft bei ber üJeratlmng beS ^reufe. St. ©. JB. uer* 
fudjten bie rbcinifdjen ^uriften — frcilidj uergeblid) — einen balnn jielcuDeu 
^aragrapb bem ®. 33. cin3itfd)altcn. u ) 2lucj) ben Gntroürfen §um 9iorbDcutfd)en 
5öb. St. ©. 33. mangelte es an einer Derartigen Scfiimmung, btö bie angeführte 
Sdjrift Sdjulfec'S Den 9teid)3tag oon Der 9iotbrocnbigfeit einer folgen überführte. 
Sic ift im §. 1G0. 9t. St. ©. & foDifoirt. - 

S)a3 bcutfdje 9teid) ftebt mit ber söeftrafung ber (crfolglofen) Verleitung 
3um9)ieineib nia)t oercinjclt bn. 2)0^ ungarifd;e St. @. Sö. oon 1878 bebrol)t 
in §. 222. benjenigen, roela)er einen 3lnbern }u einer falfdjen eiblicben 2luj^fage 
in einem Strafprojefe ober ju einem Ü)ictneib im Giuilprojefj §u oerlcitcu fuajt. 
SJer öfterrcidniebe (£utrourf oon 1874 ftcllt unter Strarc, menn c5 ^emanb 
unternimmt, einen 2lnbcrn jur Begebung eines -Dieineibeä ju ocrleiten, unb Der 
baju ergangene 9lit)jfd)uji'-3lutrQg §. 171. betrifft nur rcbaftioneUc 2lcnbenutgen. 
2lber meber biefe ©efe^btta^er nod; bic anberer Staaten, foroeit fte mir ^ugänglicb 
toareu, roenben fid) gegen Denjenigen, roeldjer ju einem galfapcib üerlettct* l^at 
ober ju ocrleiten fua)t. 12 ) 



81 ücbrbucfe t?e§ fcctttföcn etrafrctfnd, 10. Stuft. ©. 304. 

4) ©ä(f)fifd)e ^criditä^^citunti XX., 5. 

5; XaS <©trafrcd)t in yiorMcuticülant), S 76. 

6) 9at (Sollcruö unt v Jictnu>3 in Satiiti^, Woffarium @. 164. 

7) Helie, thforie du tode penal, lomo III. Kruxcllcs, 1851, p. 399< 

8) 5. ©. §. 9. Ccftcr. et. Ö». 99. UD« 1852. 

i>) &o §. 37. ftrim. (». Ö. für JBraunf<t)»cig 1840, 9lrt 64. St. &. 23. für Sstbfcn 1855. 

10) Uebcr bic betr. ©eftimmnngen tcr einzelnen Gutro. unt fctc jiainntcceet^anbUtngtti 
f. bic erfctjopfcirtc Dorpetlimg von SdmtyK, bic Qmeititng 3um falfdjcn aW» fclbttftauDiA« 
JBcrbrecbcn, 8. 3 ff. 3>ijt. aueb l'isjt a. a. O. ®. U>4 unu bic bortificn l£ittttc 

11) S. bie ansfiiljrlicttc tSntftcb»ing<3gcf(tnd>tc bei ©d)iilL".c a.a.O. 

12) SScvcjt. jebod) ö- 3Kct)cr, ^mubjHge tcö Slrafrcdjtö uad) tev bcntfdjcu ^efebgebu 
unter 99<rüctiicb,ttgung auoläncifäer 9tcd)tc. <3. 223 ff. 



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224 



2>ie aktteitunn ginn falfc^en ©bc. 



Kapitel L 
$tc begriff Urijc Sfajfaffitng. 



§. 2. $ic ftälle bct Verleitung jum fallen ©ibe — feine Begrifflid^e 

©inhett. 

Vis jum Safn: 1870 ^atte man in ber Verleitung jum 2Reineib (§. 130. 
^reufe. 6t. ©. V.) unbebenflid) einen gall ber Slnftiftung gefeiten, welcher wegen 
bcr 2Üid)ttgfcit bcS (ribcö für ftrafbar erflärt war, aueb wenn tein SJceincib 
gcleiftct würbe. Sie Verleitung $um ftalfcheib als felbftftänbigeS etaentyfim» 
lid>cS £)eliEt J>attc meber Theorie noch ^rayiS berüdfid)tigt. 3Da erfaßten bie 
Schulfce'fche Sdjrift unb [teilte für bie tfriminalifirung jeber Verleitung ju 
einem (fubjeftio ober obje-ftio) fallen @ibc einen ganj anberen neuen ©efichtS* 
Dunft auf. (Sin Sfjeil bcr Softrin ift biefer 9lnfid)t gefolgt/ 3 ) bcr weitaus 
größere 2l)cil f)at ihr bagegen allen inneren ©ehalt abgefprochen. Schulfce 
bebucirt f olgenbermaften : 

2)er (£ib ift baS wtchtigfk VcweiSmittel. 5Dic Verleitung &u einem 
unrichtigen (gib ift gälfdmna bicfcS VeweiSmittelS. 3ft bcr unrichtige 
©ib gefa)rooren r fo ift baS Verbrechen ooHenbet, ift er nicht gefchworen, 
fo ift baS Verbrechen oerfucht. ®abei ift cS aleichgültig, ob 
bcr gefchroorene ©ib ein wiffenttid), fahtläffig ober gut* 
gläubig falfchcr ift. $>er neue @cftcr)t§punft beS Verbrechend ift: 
Verleitung junt falfchcn ©ib ift gälfdmng cineS VeweiSmittelS ; fein 
Sthotbeftanb: oorfä^liche rcdjtSwibrige täufchung ber Organe bcr 
©erechtigfeit. 

2Rir fcheint, in biefer Sluffaffung ift Nichtiges mit $alf$em gemifcht. 
©chulfce betont }U einfeitig bic v lüitlenSrichtung bcS VerlciterS unb beamtet 
nicht, bafe baS VcweiSmittel, welches bcr Vcrleiter falfchcn will, auch fcinerfcitS 
einen Hillen hat, er überfielt bie SSillcnSrichtung beS gu Verlcitcnbcn. 

2ßcr burch Vermittlung eines Slnberen einen oerbrecherifdjen ©rfolg h cr * 
beiführen will, fann Ha) beS 2lnbcren in jwiefachcr 2öeife bebienen. (£r fann ihn 
entweber jum s Jfitroiffer feines ocrbrechcrifchcn Vorhabens machen, fann ben 
$lan beS Verbrechens in ihn legen unb ihn beftimmen, bie %i)at mit eigenem 
älUUen auS3ufüljrcn. <So rul;t in ihm bcr €d)werpunft ber »erbrecherifchen 
tyHtifthit, unb oon feinem £anbeln macht ber Vcrleiter ben gcioünfd)tcn ©rfolg 
abhängig. ®ann ift er ber Später, ber Vcrleiter bcr Mifter. 3)aS ift bie 
begriffliche 6teüung beffen, welcher einen anberen jum 3JI ein eib anftiftet ober 
aujuftiften fud)t. Ober cS fann $cmanb im Vertrauen auf bic 2cid)tgläubigFcit 
ober Vcfchränfthcit bcS 2tnbercn ihn oon bcr angeblichen Jftcdjtmäfcigfcit feines 
foanbelnS ju überzeugen roiffen, fann ihn in Qrrtljum oerfefcen unb fo bewegen, 
gutgläubig (ober höchftenS fahrläffig) etroaS ju ttjun, roaS rcchtSwibrig ift. S)ann 
gilt bcr erfte, bcr ^lanfaffcnbc, zugleich als ^lanauSführcnber, er ift ber allein 



feine 2lbucht burdj ein SBerfjcug oerwirf liehen läfct. Vorfafc unb ^^äterfetjaft 
müffen immer in bcrfclbcn ^erfon oereinigt fein, fo beim ^nceft, bcr SoppcU 
ehe, ben 2lmtSüerbrcct)en, fo auch beim ÜKeineib. 9Ber roiffentlich baju ocrleitet 
Ijat, bafe ein 2lnberer gutgläubig einen falfdjen 6ib leiftet, roer, roie fid) bic 
älteren tfriminaliften mit Vorliebe auSbrücfcn, einen Slnbcrcn als „©chrour* 
mafd;inc" bcnfi|t, M ) fann nach attgemeinen i)tcchtSrcgeln roeber als 2lnftifter 3ur 



13) h 5?- £• SWcjjer, l'ctivb. tcS ©trofre*«, 2. Hüft. S- 580 «nm. 3. 
11) e. »begfl im &cr. ©aal von lötö e.277. 




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2>ie SJttleitung aum falf^cn <5ibc. 225 

9tcchcnfchaft gejogen werben, beim bcr Slnbere fyat feinen SWeineib gefchworen, 
nod) felbft als äfteinetbiger, benn er feinerfettS wollte überhaupt nid^t fchwören. 
3ßohl aber fann man ihn als Später eine« neuen eigentümlichen 
2)cliftS betrauten, wobei ber Slnbere nicht SSerf$eug, fonbern 3iel 
feiner »erbtet ertfe^en ^^ättQfeit ift, man tonn ihn anfet>en, mie©chulfce 
will, alö gältet eine« Beweismittels. 

(2S liegt mitbin ein prinjtpieller ©egenfafc jmifchen ber £anblungSwcife 
be)Tcn, ber einen Slnberen oerleiten will, einen 2JUineib ju leiften (§. 159. 
91. St. ®. B.) unb beffen, ber ben Slnberen jur Slblegung eine« $alfd)eibeS ju 
bewegen fuc^t. (§. 160. 9t. 6t. ©. 93.) S)ort ift er Slnftifter unb null nichts 
weiter fein, bcr Slnbere foU ber Xbäter werben; Ijier ift er Später, ber Slnbere 
3iel feiner ftrafbaren päne. 3n §. 160. fälfa)t er ein Beweismittel, in §. 159. 
will er einen Slnberen beftimmen, bafj ber Slnbere ein Beweismittel (na) 
felbft) fälfc^t. 

2Jtag man aber aud) ber herrfchenben Sefjre, welche bie 3Jlögli(|feit einer 
Trennung oon Borfaft unb SluSfütjrung bei bem falf^cn (Sibe leugnet, fein 
©ehör febenfen, ber Dualismus jwifä)en Berfübning $um HReineib unb sunt 
galfdjeib bleibt beftchen. 2öer einen Slnberen beftimmt, wiff entlich einen fallen 
(sib abjulegen, ift Slnftifter; wer ifm ju einem gutgläubig falfä) gefchworenen 
ßibe bewegt, gilt bann felbft als 3)ictneibiger. 

2)aS beutfdje ©t. ®. 39. l;at bie ©cbul&'fche X^eorie aboptirt, aber eS f)at 
fic mit Siecht nur mit ber ÜDiobtftfation aboptirt, bie „unternommene Verleitung 
mn 9Keineio" auSjufebeiben oon ber „Serleitung §um ftalfcbeib'': äu&erlid) buräj 
©tatuirung jweier befonberer Paragraphen; innerlich burä) gefifefeung erheblich 
oerfchtebener ©trafen unb Stufftellung befonberer St^atbefiänbe. 

§.3. S)ie Verleitung aum galfd;cib — fadjlid& felbflftänbigeS £eltft. 

GS ift unzweifelhaft richtig, bafj ein Berbrecher ben gewollten @rfolg nicht 
blofj burch eigene Sljätigfctt ^"eijufiu)ren oermag, fonbern bajj er aur Ber* 
mtrflidmng feines $mdt& Äräfte benufcen fann, bie außerhalb feiner $erfon 
liegen, unb trofcbem ber oerantmortltche Später bleibt. 2Ber fid> frembeS 0ut 
bura) feinen £unb apportiren lägt, ift gewifc ebenfo beS 2>iebftaf)U8 fajulbig, als 
wer es eigenhänbtg weggenommen bat. 3 U M*f« Bermittelung fann fia) ber 
Berbrecher unter Umftänben auch oer gutgläubigen ^^ätigfeit eines anberen 
SJtenfcben bebienen. ©Itern laffen burch ihre bona nde fmnbelnben Äinbcr 
©etretbe oon frembem gelb holen, bann werben fie als $)iebe beftraft. Söer 
einen Slnbern oorfä&lich oerleitet, auf einen SDritten, ben ber furjftchttge Slnbere 
für einen $fahl au fchiefeen, 15 ) oerföüt bem §. 211. ©t. @. B. dagegen, 
behauptet bie herrfchenbe 3tnfid)t, wer einen Beamten oeranlafet, gutgläubia eine 
3{ea)tSmtbrigfeit im Stmt oorjunehmen; wer einen Slnberen bewegt, mit feiner 
Berwanbten gutgläubig oerbotenen Beifchlaf ju oollateben; wer einen 3 cu 9 cn 
oerleitet, gutgläubig einen falfchen ©ib abauleiften, ber foll nicht als $h atcr be- 
trachtet werben bürfen. 3ft biefe Trennung nothwenbig? unb warum biefer 
Untcrfchieb? fiiSjt 16 ) fpricht fich fehr energifch Dagegen aus. @r führt brei 
©rünbe ins gelb. 

1) behauptet er, „finbet bcr Begriff ber fingirten Xhäterfchaft auch a «f °i^ 
jur Begrünbung (beS ©cgcntheilS) herangezogenen Beifpiele uneingefebränfte 
Slnwenbung." 17 ) 2) ©elbft äugegeoen, bafe ber Berleiter jum SlmtSbelift, jur 



15) 3)a8 betannte Seifpict iu ©cf)ii|§c'§ i^xbud) tcä Ecutföen ©traircd^t3 2>. 152 
8(nm. 9. ©. 148 «mn. 3. 

16) a.a.O. @. 188 ff. 

17) a a. O. ©. 191. 



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226 35,4 Sttlettttitfl jinn fatföcn (Site. 

$Blutfd)anbc ti. f. 10. nidjt als Später angefeljen tverbcn Wime, rocil aHerbingS 
eine getoiffe Qualififation be8 Stl}ätcrö 4>orau£fefcung biefer $erbred)ctt iß, fo 
ift biefen ber «erleitet jum ftalfcbeib nid)t alet(foiifteücit. Denn bie @ibcäpflia)t 
ift nid>t bie Dualität geroiffer Verlottert, fonbern umgefebrt, allen ^erfonen, 
tvcldje jur (SibcSleiftung berufen werben, tvirb erft baburd) btefe Dualität oer* 
lieben. &a$ «erbot DcS SJtcincibeiS befielt für alle @intüOt)tter beS (Staates. 
3) 2)er §. 1GC>. enthält „eine ganj unbegreifliche «cgünftigung bc$ Sctjulbigeu." 18 ) 
SDenn ber 9Reineibige wirb mit 3ud)tl)au£ bis ju 10 Saferen, ber «erlciter 311m 
^alfdjcib, ber ü)tn an Straftoürbigfeit gleidiftet)t, mit ©efängntfj bis ju G 2) t V 
naten beftraft. 

2lm wenigften fttdtptyaltig tfi ber letzte ®runb. Denn er rietet ftd? nid)t 
gegen ben bem ©efet^e innetvolntenben ©cbanfen, fonbern gegen bie $öfje beS 
6trafma&e8. lieber feine iöereebtigung ift unten in §. 11. ju t)aubcln. 3 U 
verwerfen ift aud) bie Debuction }u 1., benn e;3 liegt il)t ein 3irfelfct)lurj 31t 
©runbe. 

SDie f)errfd)enbc Slnfidjt ftellt bie Sc^re von ber fingirten 2t)äterfdjaft 
auf, aber fic fcfct einige 2lu§nat)mcn feft. äßenn nun SiSjt 19 ) behauptet, ber 
^Begriff ber fingirten Xi)äterfct)aft, fonfequent burdjgcftibrt, umfaffe aud) bie 2lu3* 
na^mefäde, fo le^rt er einen 6a|, ben bie anbere Htctnung gar nietjt leugnet, 
aber er begrünbet bamit nod) nict)t feine gegenteilige Slnfidjt, Dqb Die SluSnabmcn 
unberedjtigt feien uub aud) in biefen Sauen bie Xl;ätcvfd)aft fingirt tveroen 
muffe. Der crt)eblid)fte ©runb, unö auf il)n legt iSi^t felbft ba3 ^auvt* 
geivid)t, ift ber $iueitc. ^ufofern er bie gcgncrifd)e 3lnfid)t miberlegt, ftintme id) 
ifjm bei, aber bie 6d)luwolgerungen, welche SiSjt aud iljm $icl;t, tann id) nidn 
als ^utreffenb anerfennen. Der »gauptbetvetö ber t)crrfd)cnben Slnftc^t, prägnant 
forniulirr, lautet: Die ^flidjt, bie SMjrljeit aufyufagcn unb mit einem ©ib ju 
erbärten, bcftcl)t allein für ben ©d)ioörenben. Datjer fanu fic aud) nur von 
tl;m verlebt roerben. Die (SibeSpflicbt ift alfo eine befonbere Dualität 
beS Scbmörenben, gleichwie ba3 9lmtibclift bie befonbere Dualität aB 5k< 
amter, bie 53lutfd)anoe Die befonbere Dualität ber «ermauDtfcbaft vorauäfefct. 
$n ".Kkf)rl)cit ftctjt aber bie (£ibc-3pflid)t ntd)t auf glcid)er Stufe mit ber 
£)camtencigcnfd)aft u. f. w., benn fie Ijaftet nidn an beftimmten, baut qualifijirten 
^erfonen, fonbern e£ ift eine Wlid)t ^ebermannä, erforbcrlidjcn $cM einen Gib 
511 leiften. Sie GibeSpflicbt ift niebt eine Dualität, bie befätngt 3 CU 3 C oöcr 
Partei $u fein, fonbern bie Dualität, al$ 3 CU 9 C 00cr ^^rtei 31t fungiren, verbinbet 
3ttr (SibeSpfliajt. 20 ) SBenn alfo bie (Sriftenj einer befonberen Dualität beö «cr^ 
leiteten barüber cntfd)icbc, ob ber «erlcitcr al<S Selbfttt)ätcr 31t beftrafen fei 
ober nid)t, fo märe mit $ug ber §. U>ö. 311 oenoerfen unD ber «erleiter |U1K 
^•alfct;eib atö 3J?cuteibtger su bcbanöeln. 

^ct) meine aber, bafi nid>t foroobl eine befonbere Gigcnfdmft ber Verfem 
für bie 2lUiSfd)lietjung ber fingirten Xljätcrfdiaft 2lu5fd)lag gebenb ift, als viel 
mcljr ber Gljaraftcr ber öanbluug, bie ein 2lnbercr gutgläubig uorneljmcn 
füll, ©emiffe ^»anblungen jmb von oornbevein um il)rcr felbft roillcn juriftifd) 
erbeblia), anbere ftnb an unö für fvS) gleidjgültig uub iocrDc:t erft burd) einen 
red)t3n>iörigen (rrfolg uon ^ebeutung. „ftanölungen ber erften 2lct fiub bie lUuö 
fübrung oou Slmtdgefcljäften, bie «oUjiclntng bed 6cifd)lafe5, bie 2lbleiftuit' : i 
cincsJ ©ibed; t "ganblungen ber 3iocitcn ©atluitg ftnb, um bei ben obigen ©et* 
fpielcn ju bleiben, baö 6d)ieBen mit einer Flinte, baö Slpportirenlaffen bnra) 
feinen ftunb. Die red)tlid)c ©td)tigCtit jener $anblunaen bcftcl;t neben anberen 
barin, öaf? oa$ Wcfc^j fic von vornherein beftimmten ^afonen, mctfl nur oo;i 



LS) a. a. O. 6. 188. 
1!>) 0. a. O. 6. IM. 
•J<») «gl. gtyl *. 0. O. 



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2He aJerleitnnfl 3um falfdicu £ibc. 227 

einer, ©erlangt ober gcioiffcn ^Serfonen unterlagt. ®aS ©efefe fchreibt oor, bafj 
nur ber ^Beamte 2lmt3r)anblungen fid) unterbieten barf. Unmöglich fann man 
im Sinn biefeS ©ciefceS, welches burch feine 3Sorfd^rift alle 9tichtbeamtcn oon 
ber hornahme irgenb melier 2lmtStf)ätigfeit ausfließt, folgern: freiließ unter 
ber horauSfejjung, baß ein 9tt$tbeamter einen Beamten burch 5Caufd)ung ju 
einer rcchtSioiörigen 2lmtShanblung betoogen ljat r foll ber 9ltchtbeamtc bod^ als 
Beamter gelten, ©rabe in biefem fünfte tritt ber Unterfchieb meiner aiujfaffung 
oon ber berrfdjenben Slnftdjt flar $u £age. Severe beftätigt jioar aud), bafj 
9£id)tbeamte, melden einen Beamten jur gutgläubigen hornabme einer rechts* 
mibrigen amtlichen St^ätigteit oerleiten, nid)t nach ben Paragraphen betraft 
werben fönnen, roeld^e fid) gegen oorfäfclich rechtSioibrig tyanbelnbe Beamte 
rieten. Senn ben Mchtbeamten gebricht es an ben perfönlichen ©igenfehaften, 
welche fie jur Ausübung amtlicher 8cfd)äfttgung befähigt. 2öohl aber muffen 
nach biefer Meinung fonfequenter SBeife ^Beamte, entiocber überhaupt ober 
roenigftenS berfelben Äategorie, welche einen Kollegen jur gutgläubigen hotl* 
§iet)ung einer Ungefeblichfeit ©erführt hoben, als Selbfttljäter beurteilt werben, 
eben weil fie im hefifc biefer persönlichen Dualität finb. Aber grabe bieS ift 
*u beftreiten. Senn nid)t barauf fommt es an, ob ^emanb im Allgemeinen 
oerartige ©efchäfte wie baS oorliegenbe ausführen barf, 81 ) fonbem bacauf, ob 
^ernanb $u bem fon treten ©efdjäft berechtigt, b. f). jur Vornahme biefeS 
ÖefcbäftS gefefelia) berufen war. 9tur biefer foll nadt) bem ©efefc eoent. nach 
ber herorbnung ber oorgefefcten heljörbe 3:i;äter fein, unb fein Anberer fann 
baher als foldher fingirt roerben. So fommc ich 3 U Dem ®dt)lujj: s Jciemanb, mag 
er ©eamter fein ober nicht, roelcf>er einen ^Beamten jur gutgläubigen Vornahme 
einer rcchtStoibrigen SlmtSljanblung oorfö&ltch oerleitet, fann als ©orfäfclicher 
%t)ätcx biefer rechtStoibrigen AmtSbanblung beftraft werben. 3)enn baS ©efeß 
hat ben herleiteten auSbrücflidh unb nur biefen ju biefer iganblung berufen. 
(Sbcnfo ift bie geschlechtliche Bereinigung oon oomherein getoiffen ^erfonen er* 
laubt, anberen, beftimmten hcrioanbtcnfrctfcn, unterfagt. "Jiur ber, welcher in 
biefem fireife fleht, fann fich ber Ucbertretung biefeS herbot« fdjulbig machen. 
■?iid)t aber fann ein dritter, welcher oorfä&lich einen hertoanbten, ber oon bem 
herwanbtfchaft!3Dcrl)ältui& feine ftenntnife l)Qt, ocranlafjt, ben heifchlaf mit feiner 
herroanbten 3U oolljiehen, als incestuosus beftraft werben. 3 U Den ^anblungcn, 
welche oon oomherein burd) baS ©efeö beftimmten ^erfonen auferlegt werben, 
gehört auch ber @ib. SaS ©efefe oerlangt burch ben ilJiunb bcS Richters, ba& 
biefe Sßerfon biefen ßib leifte. $nHm baS ®efc& nur biefen einen jum Sdnuur- 
pflichtigen erflärte, hat eS auch nur biefem bie flJföglichfeit beS üoriäfcltdjcn 
falfdjen ©chrourS cjcioäfjrt, jeben auöern bagegen oon ber Xbäterfchaft btefcS 
Verbrechens außgeichloffen. 5 oI 9 li( ^ Dnr f QU£ Ö berjenige, welcher einen 
anberen oorfä^lid) beftimmt f)at, einen objeftio falfchen Gib gutgläubig abzulegen, 
als 6elbft*-Uicineibigcr beftraft werben, wohl aber barf man Um als Später 
eines anberen felbftftänbigcn MiftS 3ur irtechenfehaft jiehen, beffen Shatbcftanb 
nllcrbingS, roie Schulde behauptet, fich i" bie Säufdjung ber Organe ber 
Rechtspflege burch Sälfchung eines heroeiSmittclS jufpi^t. 

Unb boch ift bie ^errfc^enbc Theorie ber „perföulichen Dualität" nicht 
ohne jurtftifchcS ^ntereffe. S)enn biefe Dualität ift meift biefe horauSfcttung, 
unter welcher ^emano burch baS Öcfcg ju einer beftimmten ftanblung berufen 
wirb, wie bei ben 2lmtSl;anblungcn; siuoeilen bie g 0I9 e baoon, ba& ^emanb 
00m ©efefc mit einer beftimmten Xbätigfett beauftragt ift, fo bei ber GiDcSleiftung; 
immer ein äuftercS mechanifdjcS s J)ierfmal, rooburch eine ^anblung als folche 
bejeichnet wirb, mclchc 6tellocrtrctung nicht julä&t; nie aber ber ©ruub bafür, 



21) (üu ÄiafKtibcainter verleitet 3. ©. einen anbeten Äafienbeamtcn bona fidc amtli^c 
©cltet ju tci trauten. 



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228 ®' € *eiX«t«nfl ä um fatft^eu (Site. 



bofe 3 c ro Q ttbf welcher bcn berufenen jut gutgläubigen, aber red^tSroibrigcn 2tiuS* 
fütjtuitg feinet $l>ätigfeit oerleitet hat, nia^t als ©elbfltydter behanbelt wirb. 

Sie Verleitung $um ftalfd&eib hat m. @. ein ooüftänbigeS Slnalogon in 
ber fog. intelleftueHen Urtunbenfälfdhung. $)er 6df)roörenbe roirb oerleitet, un* 
roiffcntlich bie Unwahrheit ju betraf tigen, ber Veurfunbenbe, unroiffentlich bie 
Unwahrheit einzutragen. 2Sarum roirb nicht naa) ber SiSU'fdhen X^eorie ber 
Serleiter jur falfdjen Veurfunbung einfach als Utfunbenfälfdjet angefefjen? fta) 
finbc feinen anberen ©runb als ben, bafj bie Eintragung nia)t eine nebenfadjltche 
jurifttfdh uncrbcbluiic ^anblung ift, fonbern bafj fte gefefolia) nur unb allein Dura) 
beftimtnte ^erfonen geliehen fann. Unb biefer §. 271. ift feine einfame ®röfce 
bcS beutfajen 6t. ©. V., ber §. 400. beS ungarif^en 6t. ®. V. enthält biefelbe 
Vefhmmung, ebenfo ber §. 295. beS öfterreidjif djen (SntrourfS, unb bie 5ttuSfa)u&* 
antrage Ijaben bie eigenttjümliä^e Stellung beS VerleiterS noch fetjärfer uointirt 
burd) bie Slbänberung beS §. 295. bat)in: 

„2J?it ©efängnif? . . . roirb beftraft, roer baburdfj, bafj er einen 
äur 5 ü ^ run 9 öffentlicher Vüajer . . . berufenen täufdt)t, biefen 
3ur fallen Veurfunbung oeranlafjt. 



§. 4. S)ie Verleitung jura SWeineib — crfolglofe 2lnftiftung. 

(SS roirb mrocilen behauptet, bafj nur bei foleben Verbrechen eine 2ln* 
fuftung möglidh fei, welche ber SlnfHfter felbft begeben fönne. 6o leugnet 
gudjS") bie ÜHögltdjfcit einer 2lnftiftung junt ÜWetneib überhaupt, roeil fi<h 
berfelbe „in ber Wgdje beS Sh&etS inbunbualifirt." @S gilt inbefj je^t für 
auSqcmaaX bafj ftemanb f ehr roohl $u einem 2d\lt anfttften fann, welkes er 
felbft nicht auszuführen uerntag. SDie ©efe^gebung hat biefe 2öaf)rljeit ancr* 
fannt, inbem fie fopar bie unternommene Verleitung jum äfteineib in ü)r 
Verein $ieht, unb bie ©ertaste haben fia) fortlaufenb mit berartigen fallen ju 
befräftigen. 

$>er §. 159. 91. 6t. ©. V. rietet ftdt) gegen benjenigen, ber einen Säuberen 
befiimmen roill, oorfäjjlicf) einen falfdjen (sib ju fcfjroören. SDiefe VefUmmuna, 
fmbet ben Veifall berer, roeld&c jebc erfolglofe Slnftiftung im $rinjtp beftraft 
roiffen wollen unb benen bie alleinige Veftrafung ber erfolgreichen 2lnftiftung 
als finguläre Vefa)ränfung erfcfjemt; He roirb bagegen »on benen getabelt, welche 
bie Vebrobung einer refultatlofen 2lnfliftung für eine Vebrofjung aller Sogit 
halten unb bie 6traflofigfeit berfelben bura>uS als Siegel aufteilen. Db aber 
baS le|tere bie 9tegel ift unb bie Veftrafung einzelner erfolglofen 2lnftiftungen 
als 2lüSnaf)me auftritt ober baS Umgefebrte gilt, baS beurteilt fia) oerfdfneben, 
je nachbem man baS Verljältmfj beS SlnftifterS jur Zfyat felbft auffafjt. 

ÜDian \)at bie feblgefdjlagene Slnftiftung als felbftftänbigeS Vergeben ber 
Verführung aufgeftellt; 83 ) man Ijat fie, roenn fie aud^ eine gorm ber Xfeilna^mc 
an einem anberen Verbrechen fei, um beSroillcn für ftrafbar erflärt, roeil fie ju 
einem Verbrechen anreihen roill; 34 ) man hat enblich in ihr einen Verfuch bej» 
Verbrechens felbft gefunben. 25 ) $n aUen biefen fällen ift bie SlnfHftung, aua) 
roenn fie niajt ju bem erroünfchten ^Refultatc führte, an unb für ftdh ftrafbar, 
unb bie felbftftänbige Veftrafung ber Verleitung §um 3)ieineib (§. 159. 3t.6t.(M.) 
ift ein 2luSfIufj bet Siegel. 



22) ®cr. @aat 1865, ©. 390. 

23) @tri)t, de mandato delinqu. I. n. 49. Älcinfctrob, fDflematifcfie Cnttricflung ber 
Qkimfcbegriffe. §. 188. 

24) ©tübcl, Xl)cttnat)mc 6. 106, 3ittlcr, 8lr<$iö bc3 Sita. TRcd>t3 1839, @. 439, neueren* 
'Mtvitx, Cetjrb. ©. 218. 

25) Sfilfaner, elftem U. @. 352, »ÖfUin, 6pj\cm 6. 321, Ortmonn in ®otttoammer'# 
Slrdjiü XXII. <B- 385 ff. 




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2>ie SScrlcitung jutn falf<f)cn ©bc. 229 

SlnbererfcitS ^at man ben Später in bcn TOtelpunft bcr ftrnfrechtltcben 
9Iuffaffun(j eine« SBerbrcdtjenS gefiellt unb jebe anberc £anblung, bic bei biefent 
Verbrechen mitmirfte, als X&etfna&me angefehen. Sann fann natürlich oon einer 
Skftrafung ber Slnftiftung nur bie 3tebe fein, wenn ber Später bie Vcgeljung 
ber ftrafbaren £anblung rocnigftcnS oerfudjt f)at. Sagegen ift bie Slnftiftung 
olme erfolg ftrafloS. 36 ) 3Ra^ btefer Stnfdjauung ift bie ©traflofigfeit ber mifc 
lungenen Slnftiftung bie 3tegel unb bie Veftrafung ber Verleitung jum SJteinetb 
(§. 159. 3t ©t. ®. V.) bie SluSnahme. Siefe Sluffaffung hat, roie früher baS 
«Prcufe. et. ©. &, fo jefet baS 6t. ®. V. für baS Seutfche Reti (§. 48. 
9t 6t.©. 8.). 

£rofebcm enthalt baS etrafgefefcbuch eine Steide oon Paragraphen, welche 
über erfola/ofe Slnftiftungen etrafe ©errängen, ja burd) bie 9tooelle uon 1876 
ift jebe Slufforberung ju einem Verbrechen i. e. 6. beorobt. 2llle btefe Paragraphen, 
befonberS aber bie Verleitung ^um SWeineib, finb auf oaS ^efttgfte angegriffen. w ) 
Sajj berartige $äUe friminalifirt werben fönnen, ift m. @. trofc aller prinzipiellen 
Siebenten, bie bagegen erhoben finb, nicht ju bezweifeln. Ser ©nwanb, bafi bie 
Slnftiftung eine Slrt ber Teilnahme fei, uon Zfytilnafymt aber nicht bie 3tcbe 
fein fönne, folange nur einer gehanbelt habe, ift nicht fttcbhaltig. Vom prin* 
jipiellen etanbpunft gehören $ur Sheilnahme freiließ minbeftenS jwei. Slber 
toarum au« friminaUpolitifchen ©rünben nic^t fdwn ber bebroht werben fönne, 
ber fufc einen Teilnehmer ju einer ftrafbaren £anblung fuä)t, ift nicht abmfehen* 
Saju finb bie erforberlichen HRerfmale jeber ftrafbaren £anblung, SöiUe unb 
SKillcnSäufjerung, auch bei ben erfolglofen Slnftiftungen oorhanben. Saher mufo 
man oom togifa)en etanbpunft bie Vefirafung folcher Slnftiftungen für burd&auS 
Buläffig erflären. Sagegen baS $ür unb Söiber ü)rer 3mecfmäfjigfeit $u er* 
örtem, baS ift Aufgabe ber Äriminalpolitif. 

6o erfcheint bie Verleitung jum SJleineib begrifflich als erfolglofe Sln- 
ftiftung, formell als fetbftftänbigeS Seltft Sie Äonlequenjen, bie aus biefer 
Soppelnatur heroorgehen, werben fpäter ju Sage treten. 

§. 5. Verhältnis beS §. 49. a. ä u §. 159. 3t. 6t. ©. V. 

3m 9lnfchlu§ an baS belgifd)e ©efefe oom 7. ^uli 1875 (loi contenant 
des dispositions pönales contre les offres ou propositions de commettre certains 
crimes) mürbe baS beutfehe 3t. @. o. 26. gebr. 1876 erlaffen, wonach jwar nicht jebe, 
roohl aber biejenige erfolglofe Slnftiftung beftraft wirb, welche burch bie ftorm 
ihrer Sicherung auf bie ßrnftlichfeit be« 2ttilIcnS fchlie&en läfjt. Ser hierher 
gehörige Ztyii beS §. 49. a. lautet: 

„Söer einen Slnberen jur Vegefjung eines Verbrechens .... auf* 
forbert, .... wirb, foweit nicht baS ©efefc eine anbere etrafe an«» 
broht, .... wenn baS Verbrechen mit einer geringeren etrafe (als 
£ob ober lebenslängliches ßuchthauS) bebroht ift, mit ©efängnifc u. f. w. 

beftraft @S wirb jeboch baS lebiglich münblich auSgebrücfte 

Sluftorbcrn .... nur bann beftraft, wenn bic Slufforberung .... 
au bie ©ernäh^ung oon Vortheilen irgenb welcher Slrt ge* 
fnüpft worben ift. Sieben ber ©efängnifjftrafe u. f. w." 
Sic Slufforberung, einen SJtcincib $u begehen, ift ein Unternehmen jiun 

3Jteineib ju oerleitcn, unb eS fragt fidf>, ob §. 49. a. in ibeettcr Äonfurrem mit 

§. 159. fteht 



26) 93emcr, 2e^rc öon t>cr X^cilnaljme <S. 254, 308 ff., ftittta, 3ufammentreffcn mehrerer 
gdjunjiger ©. 43 ff., ÄrSwct in Oottbammer'« »rdji» S3t>. X. ®. 662, @cftütjc, 9iotfm>ent>ige 
Xlieitnatjme ©. 245, öetjer m .OoHjenborff'« ^anDbiidi »b. II. 6. 344, 2cnimc, 8«f»rbud) 6c8 
fccutfrfjen ©traftcdjtS ©. 138, ©temann im ®er. ©aal 1876. 

27) Warnen«. 3obn a.a.O. ©. 74 ff., f. aud>#r5wcl in »oltbammer'« «v*ii> X. ©. 662. 



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230 



2>ie Skrleituncj 311m falfdjen Citoe. 



®cr §. 73. ft. et. ©. V. greift überall ba nicht piafc, wo ba$ eine Selift 
blofj ein Spezialfall eine« anberen aber aui trgenb einem ©runbe befonberä 
beroorgehoben ift. ©reibe bura) biefe §eroorhebung fpricht ber ©efefcgeber bie 
& bftcht aus, für biefen $aU ber 2lnwenbung bc3 für ba« generelle ©elift ftatuirten 
Paragraphen uorjubeugen. €0 5. V. beim gamiüenbiebftabl gegenüber §. 242. 
SBobl aber tiat ibeefle Äonfurrenj ftatt, wenn bcuS eine £elift burdj bie jufäüige 
$orm, in ber e£ in concreto auftritt, juglcid) ben 2hatbcfianb eine« anberen 
erfüllt. 9ll£ einfacher Spezialfall oon §. 49. a. fann §. 159. jebod) nicht an* 
gefehen werben. ߣ ift wahr, beibe ftcllen im SlUgemcinen ftällc ber Vcftrafung 
einer oeriuehten Üluftiftuug bar. 2lber ihr pofitioer Xljatbcftanb ift fciucäweaö 
ibentifd). Unter bem „Unternehmen einer Verleitung $um SReineib" »erftebt man 
nicht blofj bie „2lufforbcrung" jttm SJteineib, fonbern eine ganje 9teilje oon 
äötllen5äu§erungen, meldte smar bie Herbeiführung eines s J)leincib8 bejroccfen, 
aber in beut begriff ber „#ufforbcrung", noch baju in ber Vefchränfung be$ 
§. 49. a. 31 bf. 3., nicht enthalten ftnb. $ie 2lufforberung beä §. 49. a. ift bie 
febriftlich oerfuchte 2lnftiftung ober biejenige münbliche, meiere für bie Begehung 
befonbere Vortheile jufagt; bie Verleitung bc8 §. 159. bagegen ift ein oiel 
oagercr begriff, fie fann burch äße möglichen Littel gefdhehen, fie fann inäbe« 
fonbere geichchen burch lebiglich münblicheä 2lufforbern, unb ber §. 159. wirb 
angewenbet, auch wenn an bie 2lufforoerung nicht bie ©ewährung oon Vortheilen 
gefnüpft mar. S)ie S^atbeflänbe oon §. 49. a. unb §. 159. beefen fu$ alfo nicht, 
ultenn baher bie Verleitung $um 9Jteineib eben in biejenige Rorm fidh fleibet, 
welche ber §. 49. a. oorauSfefct, fo ftänbe nach meiner Slnficpt wenigftenä ber 
Sinnahme einer ibecllen flonfurrenj in fachlicher Vejiehung nichts entgegen. 
2lber ber §. 49. a. felbft enthält einen Safc, welcher ihn auerbingS oon einer 
etwaigen tbcellen Äonfurrenj mit einem anberen Paragraphen be£ St. ©. 
auSfchltefet. „5Ber einen Slnbcren u. f. ro. aufforbert, wirb, foroeit nicht baS 
©efefe eine anbere Strafe anbrol;t, . . . beftraft. 2)urd) biefen 3ufa& 
roerben alle Paragraphen, welche an ftdj mit §. 49. a. ibeell fonfurriren fönnten, 
unabhängig oon btefem gebellt, unb ihre Strafe, mag fie milber j. V. §§. 110, 
111. 91 St. ©. V , §. 38. Secm. D., mag fie härter fein als bie bc8 §. 49. a. 
3. V. §. 159, fommt in Slnwenbung ohne 3u$ichung beS §. 73. 9t <2t. ©. ö. 
2)aher ift oon einer ibecllen Äonfurren$ jwifchen §. 49. a. unb §. 159. unter 
feinen Umftänbcn bie s Jtebc. 



63 ift feftgejkttt, bajj §. 159. einen $aU ber erfolglofen 2foftiftung be» 
Imnbelt. äUitym mufe in ber Seele beö Vcrleitcr« ber Vorfafc oorhanben fein, 
einen 2lnbcrcn jur SlKcgung cineö oorfäblich falfchen (SibeS ju bewegen. §. 159. 
gebraucht jeboch ftatt bc« Sorte« „anjtiften" ben SÄuSbrucf „uerleitcn." 2)ie 
berrfchenbc 9lnficht \)at beibe 2luäbrücfe für gleichbebeutcub erflärt unb banaa) 
bchanbelt. S)ie äl^otioe jum St. ©. V. bemerfen: ,,ba« SSort „ocrleiten" ift 
beibehalten worben, ba e$ hinreicht, um bie einjelnen ^cltte ber 2lnftiftung ju 
erfchöpfen." 3h ne " h QOCn Bochow, 28 ) Schwarje 39 ) u. 21. angefchloffen. 
^nbeffen bie iüiotioe fyabtn nia)t bie Äraft einer iiJegalinterpretation, unb e5 
wäre in ber Sljat nidjt eingehen, warum ber ©efe^geber swei oerfchiebene 



*J8| in ^olutncorffs ^antbu* 33t. Hl. $. 241. 
21») .uommeutar }nn ©t 33. 6. 438. 



Hopittl U. 

§. G. S)er 2ßille beS Verleitcrsg. 



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4 



Sie Setkittino, \um jatfrfjcu ISifcc. 



231 



SHuSbrücfc gebraust Ijätte, roenn man ntd^t aud) ücrfdjiebcnen Sinn bamit uer* 
binben fönute unb inü&te. 3" äSabrbcit ift bie 3bentifi$irung bciber begriffe 
nur eine s JicminiÄcen$ au baS preufeifc^e 9ted)t, meines in §. 34. 3. 1. alS Sin* 
ftiftcr ben be;cidmet, ber einen 2lnbercn anreijt, oer leitet ober beftimmt bat. 



ftimmung beS preufjifcbeu ^tedjtö fein ©croiddt beigemeffen werben, ^dj folge 
bafjer mebr ben Ausführungen i-'iSät 'S 90 ) unb Sdjul&e'S, 31 ) wcl^e allerbingS 
einen Unterfd;icb jroiidjcn anfttften unb ocrleiten behaupten. 2lud) baS ö. X. 
Imt auSbrüdltd) auSgefprodjcn, bafe „ocrleiten fia) utdjt an ben im 34. 3tr. 1. 
OJkeufe. 6t. ©. h.) aufgehellten 3le<i)tSbcgriff einer ftraf baren £l)eilnal)mc am 
leljnt." 32 ) greilid) tarnt ber Untertrieb nidjt auf Seiten ber Littel liegen. 
£enn roeber in §. 48. nodj in §. 159. bat baS gcioäljltc Littel (sinflufe auf ben 
£batbeftanb. Söolu" aber liegt er auf Seiten beS Sillens. 2öcr als 2ln* 
ftiftcr geftraft werben f oll, muji intenfioer auf ben äöillen beS 
Slngeftiftctcn eiugcroirft tyabtn, als ber herlciter auf ben Söülen 
fceS herleiteten. 

ftreilid) wirb in Dielen fallen ber herleiter mit gleid) ftarfer ^ntenfität 
ben Söiuen eines 2lnberen ju beeinfluffen Derfudjt haben als ber Slnftifter, unb 
bie einige herfdnebenheit jioifc^cn beiben liegt Darin, baß fuer baS Dbjeft nicht 
Tootcl äiUberftanb entroicfcltc als bort. Unb uma.cfeljrt wirb äuroeilcn ber 2tn- 
ftifter rocgen ber Schroad>beit feinet ObjcftS nicht mehr äßillenSauSbauer 3U 
äufeern haben als unter anberen Umftänben Derjenige, ber als herleiter beftraft 
roirb. 9lber unter §. 159. fällt auch bie Sljätigfcit beffen, ber auf ben Hillen 
eines Sänbercn fo fchroach emgeroirft l;at, ba§ feine herleitung offenbar feinen 
©rfolg haben fonnte, nmbrenb fie, märe ftc berfclbcn ^ierfon gegenüber ftärfer 
aufgetreten, in 2Birflid)fcit ihr tnti^t hätte. Denn nach §. 159. roirb 
jebeS Unternehmen ber herleitung jum 3Jleineib bebrof)t, nach §• 4 & nur baS* 
jenige, roclchcS einen Slnberen $ur Begebung beS üJictneibö beftimmt fyat. 
„Anfüllen" im Sinne beS §. 48. unb „oerleitcn" im §inne beS g. 159. finb 
Daher nicht ibentifche begriffe. 3)aS ledere ift behnbarcr als baS erfte, aber 
roenn SiS.U 33 ) fagt, baß man bei it)rcr Unterfd^eibung fidj nur an baS nega* 
tine ÜWerfmal galten fönne, ofme bei ber Interpretation ber herleitung an bie 
Definition ber Slnfiiftung gebunben ju fein, fo meine ich, cS läfet fio) bod), roenn 
auch nicht mafelloS befiniren, fo bod> pofitio feftfe^en, roaS anftiften unb roaS 
uerleiten ift. 

Die SBillenSridjtung beS 2lnftifterS unb herleiters fiimmt barin übercin, 
ta§ hetbe uorfä^li^ einen 2lnbcren $ur uorfä&lidjen ?lblegung eines falfdjen 
@ibc« ccranlaffen roollen. 2lbcr baS oorfä^lic^e §anbeln bcS 2lnftifterS mu§ 
oon foldjer ^ntenfität fein, ba& eS geeignet ift, einen 2lnbcren jur hegelnmg 
eines 9)lcineibS ju beftimmen; für bie Strafbarfeit beS herleiterS rcidjt jcbcS 
berartige oorfä^lire ^anbclu au£, rocla^cS b egroerf t, ^jemanben jur Slblegung 
cineS aWeineibS ju oeranlnffen. ®afj bureb foldje jrocifelbafte hegriffe Unfidjcr* 
^eit in ber 9ted)tfpre(bung eintreten fann, ift nid^t ^u bcjroeifeln, aber bie ©djulb 
trifft baS ®efe^, nia^t bie Auslegung. — 

$)er herlciter in §. 1GO. bat ben horfafc, einen 3lnbcrcn 3ur gutgläubigen 
Slbleiftung eines objeftio falfa^en GibeS 511 berocgen. SDer StuSbrucf „oerleiten" 
nerbient in biefem $aragrapb oolle heiftimmung. „Unfriften" eignete fid) fd)on 
um bcSroillen nidjt, weil biefer hegriff bie Äenntnif» bcS 2lngeftiftctcn uon ber 
(Strafbarfeit feines Unternehmens norauSfe^t, unb anbercrfcitS banbelt eS fic^ um 



30) a. a. O. 6. 177 ff. 

31) tat ^ottUonimcr'g »rdiiö JBto. 18 ©. 215 ff. 

82) (Srt. t>. 5. tDtärs 1857, «olttammcr'a flrd)tü 5. 2. 538. 
a. a. O. @. 178. 



2lber einer felbftfiänbigen ^"Icrptctation 




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232 ® ic Verleitung 3Uin fatfe^en ©be. 

ein fclbfifkänbtgcS S)elift, welche«, rote oben ge$eigt, audf> fadjlid) nt<f)fcS mit ber 
Slnftiftung gemein ^at. 

§. 7. $er Söille be« 3U hcrlettenbcn. 

Sie 2BilIen«rid)tung be« Slngeftifteten (8. 48.) unb ju hetleitenben (§. 159.) 
ftcljt in bcmerfen«wertbem ©egenfafc. S)cr 2tngeftiftete Iwt fid) jur hegefjung 
eine« SDteincib« beftimmen laffcn. Sarin liegen brei SRerfmale. S)er 2lngcftiftcte 
weife feinerfeit« um bie Unridjtigfeit ber ju bcfd;wßrenben £twtfacbe; er Imt ben 
horfafc a,efafet, trofcbcm ben (£ib abzulegen; unb biefer horfafo ift grabe bura) 
bie Slnfttftung beroorgerufen. S)ie Littel, bie ber Slnftifter benufct bat, finb bie 
wirf f amen heweggrünbe pewefen, welche ben oerbred&erifdjen horfafc be« 2lnberen 
erzeugt Imben. Malier ift iiidjt roegen 2lnftiftung junt ÜD2eincib ju bestrafen, 
roenn ber utfäd&lidje B^^men^ang awifeben ber £anblung be« 2lnftifter« unb 
bem horfafe be« ängeftifteten unerroiefen ift, mag pofttiu befannt fein, bafj ber 
Söorfa^ }um 3Jicineiö au« anberer Cluefle al« ber 2lnftiftung enifprungen ift, 
ober mag negatto nur nt$t ämifd&en 2lnftiftung unb Säbleiftung ba« herbältnifj 
oon Urfactye unb Söirfung nad)wei«Udj [ein. 

dagegen ift bie 2BiIIen«ricbtung be« ju herleitenbcn für ben X^atbeftanb 
bc« §. 159 - ooüfommen gleichgültig. 6r ift erfüllt mit bem Unternehmen su 
oerletten, ofjne 9tütfftd)t, ob ber $u herlettenbe bem ftrafbaren 2lnunnen oon 
Slnfang an unjugänglidj geroefen ift, ober jwar ben horfafejum SReineib gefaxt, 
aber bann roieber aufgegeben f)at. (Selbft roenn ber 3U hcrleitenbc bie XfyaU 
fadje, ju beren eiblia)en söct^eurung er beroogen werben foll, trofe entgegen* 
ftebenber herfid&erung feine« herleiter« au« irgenb einem (Srunbe für roaljr 
tjalten füllte, roürbe ber herteiter bod) naaj §. 159. ju beftrafen fein. 

diametral entgegen bem horfafc bc« Slngefttfteten ift ber be« herleiteten 
im §. 160. 2)er herleitete mufj unroiff entlief) einen falf<$en @ib, einen 
$alfd)eib, wollen. $a aber in beiben fällen bie 2lbleiftung be« falfdjen ©ibeö 
infolge ber ©inroirfung eine« 2tnberen erfolgt, fo finb mutatis ruutandis bie 
fonftigen ©rforberniffe in ber 2BilIen«ricbtung be« herleiteten biefelben roie bie 
be« Slngeftifteten; ber herleitete mujj oon ber 9ttdjttgfeit feine« 6ibe« überjeugt 
fein, roenn aua) feine Ueberjeugung auf $abrläfftgfeU beruht; er mufj ben @tb 
als einen richtigen fdjwören wollen; unb biefer Söille mujj burc§ bie herleitung 
beroorgerufen fein. Dcöljalb ift aud) eine heftrafung be« herleiter« unftatt* 
jaft roenn ba« faufale herfjältnijj 3wtfd)en geleiftetem @ib unb herleitung nia)t 
nad)wei«lid) ift. 

§. 8. 3>er obje!tioe X^atbcftanb. 34 ) 

S5er ^^atbeftanb ber Slnftiftung oerlangt, bajj ber oerbredjerifdje horfa^ 
rocldjer burd) ben Slnftifter im SSCngcftifteten erseugt ift, au« bem herein beS 
2öollen« in ba« ©ebiet ber £fjat eingetreten ift. 2)er $um 3Reineib Slngeftiftctc 
mu§ ba^er ben roiffentlid) falfc^en (Sib geleiftet ober roenigften« ju leiften oer^ 
fud)t baben. ß« mufe ferner ber begangene ÜHeincib grabe ber fein, rocldjen 
ber Xbäter infolge ber Snftiftung begeben rooUte. 5)cr §. 48. enthält 
baljcr einen boppcltcn urfäa;lid)en ^ujammcniHin^: einmal ben, ba& ber horfa^ f 
ba« herbrec^cn ju oerüben, bewirft ift buraj bie Slnftiftung, unb bann, bafj ba« 
oorliegenbe herbredjen wtrflia) eine golge jene« horfa^e« ift. ®« febeiben be«* 
^alb aUe bie ^äüe au«, wo jwar bie 2lbfid)t ansuftiften unb al« SBirfung baoon 



34) CS empfiehlt ficfi äur fcfiärferen «»S^tSguna ter ©cgenfS^c Stnjttftung 3um 
3Jieineib, bie SBcrleituitg jum SRcincib unb bte Verleitung jum galfd>cib in fiele 
parallele 3U ftellcu. 



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®ic 33erletttmg jum fatföttt (Stoe. 233 

bie Slbftcht, bie fkafbare £anblung auSjuführen, oorhanben ift, aber ni$t flar 
ift, bafi bte nachher oerübte Sergehuna, in Ausführung biefer SXbftd^t gefchah, 
fei e$, bafi in ber Zfyat bem 2lngeftifteten fein burch ben SlnfHfter erweefter 
Sorfafc leib würbe, unb er fobamt einen neuen felbftftänbtgen <£ntfchlu& fafjte, 
ober bafe nur ber SeweiS bes ßufammenhangcS jwifchen £fwt unb (Sntfchluj? 
nid&t gelingt. 

3)er objefttoe Shatbeftanb beS §. 159 befchränft ftch auf bie $f)ätigteit 
beS 93crleitCT5S. $ür ben ju Scrleitenben tücift biefer Paragraph nur baS nega* 
tioe Äriterium auf, bafj er in ftolge ber Verleitung feinen ältetnetb geleistet 
haben barf. 5Die S&atigfeit be« «erleitctÄ aber ift in baS eineSBort $ufamraen* 
gefaxt: „unternehmen." 2Ber es unternimmt, einen Snberen ju einem 
2JJetncib ju oerleiten, oerfällt bem ©efefc. 

S)er 2luSbrucf „unternehmen" wirb im 6t. ©. S. in oerfchiebenem ©inne 
gebraucht, balb bebeutet er Serfuch unb Sollenbung, j. S. §§. 81., 82., balb 
bezeichnet et ben Verfug allein, 5. S. §. 357., fo auch §. 159. ©rabe nun, roie 
baS Sethältnifj oon „oerleiten" unb „anftiften" befttitten ift, fo ij]t man fich auch 
über bie ©renje ptfeben „unternehmen" unb „oerfuchen" nicht einig. ÜDie eine 
2lnftcht 35 ) halt beibe Söörter für glcid)bebeutenb, unb bie $raytS beS 0. X. ftanb 
bamit in ©inflang. 36 ) $rofcbem fcheint mir auch tytx bie entgegengefefete üflei« 
nung jutreffenber ju fein.' 7 ) SDaS 6t. ©. S. fennt ben ted&nifdjen Segriff 
„oertuchen". @S gebraust baneben oerwanbte' Segriffe, rote „unternehmen". 
9lid)tS jwingt, beibe 2luSbrücfe für ibenttfeh su nehmen. %a, biefe 2luffaffung 
raufe bei unbefangener Betrachtung fogar bem 6inn beS ©efefeeS wiberfprechenb 
erfcheinen, ba biefeS nothwenbig einen rationellen ©runb gehabt haben mufj, 
oerfebiebene SluSbrücfe ju gebrauchen. Vielleicht ift bie 2lbftd)t beS ©efefcgeberS 
geroefen, ju oerhüten, bau bei Slnwenbuncj beS §. 159. bie einzelnen Üftcrfmale 
beS SerfuchS (§.43. St. ®. S.) pofitio feftgeftellt mürben; 38 ) oietleicht auch, bafe 
nicht jebe in ber Aufwallung gefcheljene 2lufforberung unter §. 159. gebogen 
würbe; 39 ) {ebenfalls ^at er ohne authentifche (Srflärun(j, roie etroa in §. 82., fich 
eines anberen SBorteS als oerfuchen bebient, unb beffen Segriff ju ftfiren ift 
©aaje felbftftänbigcr Auslegung. Serfuch ift ein ffreng begrenjter Segriff, es 
ift bie Sethätiaung beS (SntfchlutleS, ein Serbrechen $u begehen, burch £anblungen, 
welche einen Slnfang ber Ausführung enthalten. „Unternehmen" ift ber weitere 
oagere StuSbruct, burch beffen 2lnwenbung ,,ber X^atbeftanb beS §. 159. in feljr 
bebenfltchcr 3Beife oeraUgemeinert, ja oerflüchtig,t tft. <ao ) 2)tan fann baher für 
ein Unternehmen im 6inne beS §. 159. jebe |old)e X^ätigfeit ertlaren, burdj 
welche ber Sorfaft, einen 2lnberen jum SReineib ju oerleiten, oermirflicht werben 
foH. S)a§ Unternehmen besetdmet ben Umfang, wie weit ftch ber oerbrecherifchc 
Sorfa^ realiftrt hat, es ift ber 3)ca§ftab ber bislang wirtlich gefchehenen Ser» 
leitung. Serleitung helfet nun, wie oben gezeigt, bte ^fjätigfeit, welche be^weeft, 
sunt ajieineib ju oeranlaffen. Unternehmen, als s JJcafcfiab für ben Umfang ber 
erfolgten Serwtrflichung jenes 3w e ^ btütft ba§ jeber Anfang ber 
Serwirflichung für ben ^h nt bcftanb bcS §. 159. ausreicht. 2J?an fann baher 
„unternommene Serleitung" befiniren als btejenige äufeere 3^ätigfeit, welche 
ben Sorfafc, einen iüieineib herbeijuführen, tn bte s&irflichfeit umfe^en foll. 
Ü)Jan mu§ jugeben, bafe bemgemäfe §. 159. auch folche .^anblungen bebroht, 
welche als SorbereitungShanblungen nach allgemeinen ^rittjipien ftrafloS 



35) Serncr, e<^rb. <S. 394. Wüborff, et ©. 33. «nm. 2. iu §. 159. 

36) Ctt. d. 13. 6cpt 1871. ®o(ttammcr r ÄrA. St). XIX. e. 677. 

37) öcrtrctcK t>on Scfinjarje, Äomtnentar 6. 438. £i§3t a. a O. ©. 175 ff. 

38) Sgl (»oUtommer, »rcö. »t>. XXn. e. &95. 

39) edjiDQrac, a. a. O. @. 123. 

40) ©Aultjc, »ctlcituiig e. 27. 

mt^iD 1880. 3. H. 4. C«fl. 16 



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234 ® ie Stolcttung ä«m fallen «Sitot. 

ftnb. S^^fonbctc brauet bie £ljättgfeit beS 5?ertcitcr5 in nod; feine Sejiefyung 
31t bem Söitlcn beS Hnberen getreten ju fein. (Sin ©rief mit ber Slufforberung 
jum 9)leineib, ber nia)t feine Slbreffe erreicht l)at, würbe allerbingS bie ©traf* 
barfeit bcS ©Treiber« begrünben. £rofcbem ^alte id) bie Gntf Reibung in 
Oppendorf, 41 ) bafc bie unternommene Serleitung eines Unaured&nungSfägigen 
ebenfalls unter §. 159. falle, für falfä). S5enn bie Serleitung Ijat, grabe weil 
fic ein ftall erfolglofcr Slnftiftung ift, jur SorauSfefcung, baß fic in abstracto 
bie Slnftiftung bewirfen fann. $l)r wefentltd&er llnterfdjieb oon ber Slnftiftung 
liegt in bem nid)t erreid&ten Grfolg. %nmm aber mu§ ber Serleiter benfelben 
2Beg betreten fjaben, ber jur Slnftiftung tjinfüfjrt. $eber anbere 2öeg ift fftaf' 
rcdjtlid) unerfjebltd). Sie Serleitung eines Un3ureä)nungSfäl)igen fann aber nie 
}UC Slnftiftung werben. GS ifl baljcr aud& feine Serleitung im ©inne beß 
§• 159. 

60 l)at ber §. 159. ftatt cor allem, roenn bie Serleitung ntdfjt oon Grfolg 
gewefen ift. SBoljl aber fann unter Umflänben ber Slnbere einen Gib geleiftet 
Imben, unb §. 159. ftnbet Slnmenbung, fei eS, weil ber Serleiter jwar einen 
3Keineib wollte, ber Slnberc aber gutgläubig ober fatyrläffig gefd&woren f)at,**) 
fei e§, bafj ber Slnbere 3war einen s JJleineib gcfä)woren tjat, aber aus eigener 
^nitiattoe, fei cS cnblidj, bafe ber Slnbere jmar einen 9J?eineib abgelegt f)at, 
aber baS Littel, weldjeS bie Slnftiftung bewirft e, nidjt feftgeftettt roerben fann. 
Senn in allen biefen ftällen fteljt rocntgftcnS fo oiel feft, ba& ber Serlciter 
fcinerfeitS unternahm, jum s JDicinetb 311 ocrleiten. 

Sie Slnrocnbung bcS §. 160. ift bura; einen gcrotffen Grfolg ber Scr> 
leitung bebtngt. Ser galfdjeib muß gefa^rooren fein, ober ber Serleitcr mu§ 
menigftenS oerfudjt (im tcdjn. 6.) tjaben, einen Slnbcrcn jum 6ä)mören ju 
ueranlaffcn. Sabet muß, roie bei ber Slnftiftung, ein boppelter ÄaufalneruS uor* 
hanben fein, ©er Gntfdjlufj bcS Scrlcitctcn, gutgläubig einen falfdjjen Gib $u 
leiten, muß eine fiolQi ber Serleitung fein, unb ber abgelegte Gib roieber eine 
$olgc jenes GntfäluffcS. 6oütc aber Serleitung — GntföluB — galfdjcib 
üorbanben fein, jebod) nicf)t erhellen, bafj baS folgenbc immer eine $ru$t beS 
norbcrgcfjenbcn ift, fo ift §. 160. unanroenbbar. 9iur wegen oerfudjter Ser* 
leitung 3um ^alfdjctb fann m. G. beftraft werben, wenn 3war infolge ber Ser* 
leitung ein falfd^cr Gib geleiftet ift, ber Serlcitctc aber wiffcntlia) falfd) gc< 
fdjworcn fjat, wäljrcnb ber Serleitcr unabweisbar auf einen blofe objeftiu falfajen 
Gib f)inwtrfte. 

§. 9. Scr Serfucij. 

$cbc ftraf6arc ^onblung fann in boppeltcr Sejicljung 3Jtobififationcn 
crlciben: in £tnftä)t auf il;re SoÜftänbigfeit unb in £>inftcfjt auf ibte ©elbft* 
ftänbigfcit. daraus ergiebt fia) bie £eljrc vom Scrfud) unb non ber Sfjeil* 
naljmc. 

Ser §. lüO. bietet in biefer Scjiclmng nichts Gigcntln'imltdEjeS. Sie Ser> 
leitung äum ^alfa^cib ijt ein formell wie faa)lid^ felbftftänbigeS 2)elift, ju beffen 
Serfua^ 3wcicrlci gehört. S)er Serlciter mu{? einen Slnfang bamit gemalt ^aben: 
a) einen Slnbcrn oon ber ^tidjttgfeit einer unwahren 2^atfad;c 311 überreben, 
unb b) il;n 3U bewegen, biefe Slmtfadjc als eine nad^ feiner Ueberjeugung 
rtd;tigc 3U bcfd;wörcn. Sie Serlcttung jum gal)*d)eib ift nad) bem ©t. ©. 33. 
ein Serbredjen, unb bcSfwlb wirb bcrSerfuä) auSbrücflid; für ftrafbar erflärt. 

©eljr beftritten ift cS bagegen, ob btc Slnftiftung refp. Scrleitung jum 
ajktneib Scrfud) unb Xljcilna^mc julaffcn: ein ©pejialfall ber allgemeinen ^ragc, 
ob an $anblungcn, btc fia) iljrcr Diatur nad) als Serfud)S' ober Sljeilnaljmc 

41) et. ©. Wx. 2. § 159. 
•Iii) oben §. 7. 



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2>ie Stateittmg 311m falfcben ©be. 235 



banblungen qualt^ircn, mögen fic auch in einem befonberen Paragraph felbft* 
ftänbig frimtnalifirt fein, fclbft wieber Verfuch ober Sheilnabme möglich fei. 
2)er Verfua) ber Anstiftung jum 3)iemeib ifi ein Sali oerfuchter X^eilna^me, 
ber Verfuch bet Verleitung $um aHehteib ein $aU oerfuchten Unternehmen« 
(VerfuchS). 

S5er Verfuch, am Verbrechen eine« 3lnbercn $heil ju nehmen, ift natürlich 
benfbar, unb wer „oerfuebte Anftiftung" für wiberfmnig erflärt, 43 ) fämpft höcbftens 
gegen ben AuSbrudf, nicht gegen bic Sache an. Aber regelmäßig tft bie oerfudf)te 
Xt)eilnaf)me ntdht ftrafbar, nur einjelne, befonbcrS fernere gäUe finb einer ©träfe 
unterroorfen. $5abin gehört ber §. 159., benn bic „unternommene Verleitung" 
jum 3ftcineib ift im SBefentüdEjen eine „uerfuchte Anftiftung" jum SKeinetb. 

$nbcm foldfcjc VerfuchShanblungen bem fpccteUcn Steile beS 6t. @. V. 
eingereiht finb. finb fic formell 3U delicto sui generis geworben, unb man ^at 
behauptet, bafe nunmehr auch ber allgemeine Xljeil in feinem oollen Umfang 
auf fic anwenbbar fei, bafe alfo ein Verfug beS Unternehmens ber Verleitung 
p SHeineib ju fonftruiren unb nach ben Siegeln beS VerfuchS su beurteilen 
fei. 44 ) 9Jcit Stecht tjat man biefe Auffaffung oerworfen. Sic führt ju einem 
ÄulüiS ber gorm, tn meinem ber materielle Vegriff ber formalen SSahrhett ge- 
opfert wirb. S)enn ba „unternehmen" nur ein weiterer unbegrenzterer Vegriff 
als „oerfuchen" ift, fo muß ein Verfug bcS Unternehmens unmöglich fein, tuenn 
ein Verfuch beS VerfuchS nicht möglidj ift. Gin Verfuch beS VerfuchS ift aber 
an ftch begriffSrotbrig. ^ebe ftrafbare §anblung ift entweber ooflenbet ober 
ocrfudjt. SDer Vcrbredjer feinerfcitS miß, fobalb er einmal mit ber Ausführung 
ber £h at angefangen bat, immer ihre Vollenbung. 311 fagen, er wolle oon 
oornherein nd) mit bem Verfuch begnügen, märe ein Sötberfpruch gegen bie 
mcnfcblidje -Jtatur. 2)er Xtyattt fann aber genötf)igt werben, früher ober fpäter 
in feiner ^hätigfeit inne ju halten. SDann ift unter allen Umftänben feine 
§anblungSweifc, foroeit fic oorlicgt, nach feiner eigenen Abfid)t ein Verfuch beS 
ooßenbeten Verbrechens felbft. aiian fämc fonft baut, in ber Äette oon XfyaU 
fachen, weld;c ben 3Scg bilben 00m Anfang ber Ausführung bis jur Vollenbung 
ber ftrafbaren £anblung, jebe einzelne gegenüber ben uorhergegangenen als 
Vollenbung, eje^enüber ben folgenben als Vernich anjufeben. 2ln ber hier ner* 
theibigten Auffaffung fann ber Umftanb nicht hinbern, bafe aus friminal^politifchen 
©rünben einzelne VerfuchSlmttblungen mit befonberer Strafe bebroht finb. Sie 
bleiben begrifflich immer VerfuchShanblungen, unb ein Verfuch ihnen gegenüber 
ift ein Verfuch beS VerbredjenS fclbft unb bafjer ntd;t nach §. 43. beS 9t. St. ©. V., 
fonbern als Slwt bcS friminalifirten Verfuch« ju beftrafen. 45 ) 

ßs ift baher ber Verfuch, pm afteineib anjuftiften, wohl möglich unb nach 
§. 159. ftrafbar. Aber nicht möglich ift ber Verfuch, cS su unternehmen, 5um 
üDtcineib ju ocrlcitcn. $enn jebe folche .^anblung fällt fclbft unter ben Vegriff 
beS Unternehmens ber Verleitung unb baher unter §. 159* 6 ) 



§. 10. S)ie ^hc^«tt^me. 

S)ie sweite ^obififation, melier ein 2)cli!t unterliegen fann, betrifft feine 
Selbftftänbtgfeit. 5Die §rage, ob es eine ^hcilnahme «n ber Slnftiftung aum 
3Keineib gtebt, läßt fich erft beantworten naa; (Sntfd;eibung ber Vorfrage, ob 



43) @tper in ^ol^entorfi'g $>anU\ II. ©. 370, «um. 4. ScfutUjc in Öoltt?otnmcr, 
StA. xvrn. k. 211. 

44) So iS^ütäe, ?cfitb. ©. 314, 8lnm. 21. 

45) So mit befonberer »ScMrfc ßfilfebner a. a. £). II. 0. 212. 3 a ^riä in (SoUtammer, 
2lr*i» III. 6. 171. 

4(J) 3)od)on> in ^ot^enborff, ^»anbbueb III. 0. 241. Obpenboff, Sommcntar 9iote 9 
§. 150. e^warje a. a. O- 6. 121, 123. ViSjt a a. O. ®. \M. 

16* 



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236 SMe Setleitirag jum folf^cn ©De. 

man überhaupt Ebeilnabme an ber Stiftung, b. alfo an ber $fjeilnaf)me 
gelten taffen l)abe. 

Von ben einen 47 ) wirb allgemein nidjt blofe bie SJtbglidjfeit, fonbern audj 
bie ©trafbarfeit ber X^eilna^me an ber ^Ijeilnaljme behauptet, weil bie Sin* 
ftiftung (öei^ülfe) ju einem Serbredjen fclbft ein Verbrechen barftefle, ju welcbem 
ein dritter anfttften ober ßtilfe leiften tönne. S)enn §. 48. s Jt. 6t. @. SB. be> 
brof)e jeben, ber einen Stnbern m einer ftrafbaren §anblung anftifte, unb in 
§. 49. fei „Später" im weiteren Sinne gebraust. 48 ) Jilnbcre freuen bie Kon* 
feouenjen, meldte fieb aus fo weitaeljenber Stuffaffung ber Söejrimmungen ber 
§§. 48., 49. ergeben unb futgen biefetben auf bie ftäHe ju befdjränfen, wo bie 
©trafwtirbtgfeit biefer $beilnafmte in jweiter Sötern nod) am meiften in bie 
Slugen fpringt, mäbrenb fte — meift unter ber SBegauptung begrifflieber Un< 
möglidjfeit — bie ffiüt au$fd)tiefeen, welcbe bie 33cbeutung „ftrafbare §anbluna" 
ins Unenblicbe fortipinnen mürben. <5o fajlicfet 9tüborff 49 ) bie SBeifjülfe jiit 
Slnftiftung unb Sci^ülfe aus, 6d)ü^e 50 ) ftatuirt Slnftiftung jur $eif)ülfe, oer* 
wirft bageaen 5üeif>ülfe jur Slnftiftung ober SBetfjülfe. S)a3 SJkeufe. 0. X. natnu 
früher Slnftiftung jur Slnftiftung an. 51 ) 3u einem feften ©efidf)t3punft fann 
man nur gelangen, roenn man oon ber Slnftdjt ausgebt, weld)e in ber £f)ätta' 
feit beS §auptoerbrecber3 (im ©egenfafe ju ben Teilnehmern) ben @a)roerpumt 
ber ftrafred)tltd)en SBettadjtung finbet unb alle fonftigen §anblungen nur mit 
Sejie^ung auf biefe ^ätigfett beurtfjcilt unb beftraft. 

$er SDjätcr benimmt (S^arafter unb Strafe beä Verbrechens. SllS Teil* 
neljmer fann nur ber geftraft werben, weldjer in ber 2lbftd)t, jenes Verbrechen 
3U förbern, gejubelt ^at. $5abci ift aber nid)t notbwenbig, bafe jeber Sheil' 
neinner in unmittelbare 23e3ielmng |iim £auptrt)äter getreten ift. @r rann 
bie ftrafbare Xtyätigfeit, roeldje er beabfiebtigt, bura) 3 ro tfd)enperfonen ausführen 
laffen, eS fann eine ganje Steide oon Vermittlern entfielen in ber Steife, baj? 
jeber bie enblicbc Zfyat will, mag er aud) nur mittelbar burdj Slnftiftung ober 
Unterftüfeung Ruberer barauf bewirft bßben. ^mmer aber ift crforbcrlicb, 
bafe bie ^tbötigfeit jebeS ©injelnen auf ftörberung beS eigentlichen Verbrechens 
abgejtelt Ijat. 5 *) 9Rag baljer bie ftorm ber potenjirten SEtjcilnalnne Slnftiftung 
jur Slnftiftung, 3lnfttftung jur öeibülfe, Setbülfe mx Slnftiftung ober SBcüjülfe 
jur «eüjülfe beiden, fie ift ftrafbar, wenn fie eme Slnftiftung ober SBct^ülfc 
*u einem befonberen fachlich felbftftänbigen SDelift barftellt; fte ift ftraflo3, 
wenn fie nur Slnftiftung ober SBcförbcrung ber Sbeilna^mc bepedtc, auf 
weldje unmittelbar fie fid; ria^tete, bagegen Slnftiftung ober 93eibülfe jum SDtltfi 
entweber ganj aufeer Sla)t liefe ober weuigftcnS in i(»r feine Slnftiftung ober 
Skibülfe jum S)elift ju finben war. 6o ift j. ftraffrei bie Slnftiftung jur 
Söeilnilfe, wenn ber Sluftifter jwar weife, bafe e& fia) um Untcrftufcung eine^ 
3)elift« b anoc ^» a ^ cr mela^c0 Mift§. ^reilid) aber ift ber ©runb biefer (Shv 
grenjung nidjt bie logifa)c Unbenfbarfeit ber übrigen gällc, fonbern „bie Zcn- 
benj be3 pofitioen $ed)ts jur beftimmten Slbgrcn^ung." 53 ) Sicfc Slnfidjt Ijat 
aua) ba« ebematige D. %. au^gefproa^en. 54 ) Sin ber Slnftiftung jum 3)teineib 
als fola^cr ift baber feine 2bcilnal)mc möglid). S)ie L X(;atfadben, weld>e fia; beim 
erften Slnblicf berartig ju qualifijtren fdjeinen, finb entweber Teilnabme am 
9)tctneib felbft ober ftrafre^tlid) irreleoant. 

47) OwkhM, Somntcntar §. 48. «Rote 6. ©(Stwa^e a. o. O. ©. 161. 

48) Oppcnboff, a. a. O. 

49) Äomm. ©. 176. 

50) Sebtb. 6. 151, «nm. 4. 

51) ßrt. ö. 14. «pril 1853 unb 19. San. 1850. 

52) 6o 2Ret)er, i'ebrb. @. 218, «nm. 11. ©cbulfee in ©oUbammcr, Htcb. «b. XVIII. 
3.218. 2emme, l'cbrb. bcö ^reuß. ©trafrcdjt«. »erlin 1853. e. 338 ff. 

53) 3)tcpcr a. a. O. 

54) Crt. ö. 17. «ptit 1874. (»ottbammer, Slrcf). »b. XXII. @. 238. 



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2Hc SBcrlcitirag jum fatfdfcn (Site. 237 

3m 9*. St @. V. ftnb nutt eimelne gättc ber 2lnftiftung, unabhängig 
oon einer pofitioen 2öirfung im Slnjuftiftenben, unter Strafe geftellt. 33ci ihnen 
inSbefonbcre ift bie ÜJJögltdjfeit ber Xheilnahme aufcerorbentltch beftritten. 2Ran 
ftüfct fich entweber auf Die formelle Seite beS ©. V. unb miß 3$eUnafjme überall 
ba ftatuiren, wo eine §anblung eines befonberen Paragraphen im fpecießen 
Stylit gewürbigt ift; ober man leugnet bie Strafbarfeit, weil materiell jener 
Paragraph eine 2lrt ber Xfytilnabmt enthalte unb 2heilnaf>me §ur Xheilnahmc 
ftraflosS fei. Xreffenb hebt ^ohn 65 ) ba« ÜJtoment heroor, welches für bie £öfung 
biefeS Streite mafegebenb ift. Sticht beSfwlb, führt er a. a. D. auS, fatm bie 
2l;eilnahme für suläffig erflärt werben, weil eS fich um ein felbftftänbtgcö 
2)elift hanbele, noch bc^^alb iljre ßu^fftgfeit geleugnet werben, weil baS Vcr* 
brechen begrifflich eine 2lrt 2ln|tiftung fei. „Vielmehr wirb bie ftrage nur bie 
fein, ob .... bie $anblung eine folche ift, bei welcher begriffsmäßig bie Zf)äU 
nähme ftet) benfen läfjt." 

3$ h«öe oben bie Anficht oertheibigt, bafj 2lnftiftung jur Slnfliftung 
(^hcilnahme an ber £heünahme) in bem Sinne immer benfbar unb ftrafbar 
ift, bafe beibe 2lnftifter baffetbe fcbliefjlicbe Verbrechen wollen. ®inc ganj anbere 
$rage entfleht gegenüber ben $)eliften, welche — fachlich Sbeilnahmehanblungen 
— als eigene Verbrechen aufgehellt ftnb. 3ft an biefen Scliften unb nur an 
biefen ^heilnahme benfbar, ohne bafe biefelbe naa) ber 2tbftcht beS Xf>eilnehmerS 
ber £aupttt)at gelten foll? Solche Selifte finb bie fog. ftrafbaren 2lufforberungen 
unb bie Serleitung jum 9Jtcineib. Die 3ohn'fche SJtethobe, tyitx $ur 2lnmenbung 
gebracht, führt $u entgegengefeftten SRefultaten. 

Sie Xl)at beS §. 111. befiehl in ber öffentlichen Slufforberung ju Ver* 
brechen. 2)aS ift etwas pofitioeS, in fich felbftftänbigcS. (SS ift wobl benfbar, 
bafj $emanb grabe ju biefer Stufforberung anftiftet ober hilft ohne fich um bie 
Verbrechen, welche barauS heroorgeheu tonnen, im einzelnen ju forgen. 3hm 
genügt eS, ba& ber öffentliche 2tnrei$ gegeben ift. SDaher giebt cS Zfycilnatymt 
am SDelift beS §. 111. 

2Öer einen Slnberen anftiftet, ju Verbrechen aufjuforbem, wirb als 2ln* 
fiifter $u §. 111. beftraft. £ie Xfyat §. 159. befielet in ber erfolglofcn Ver* 
leitung $um 2fleineib. @S ift aber nicht benfbar, bafe ^emanb oon oorn* 
herein grabe jur crfolglofen Verleitung anftiften will. Sonft gebräche 
es ihm an ber (Smfthaftigfeit beS SßiHenS. Vielmehr wirb jeber beabsichtigen, 
einen Slnberen baju amuftiften, bafe biefer einen dritten $ur wirflichen Ve* 
gehung eines SKeineibS beftimmc. 2)aher ift eine Sheilnabme am ©eltft 
beS §. 159. nicht benfbar. Vielmehr wirb jeber, ber bureb Vermittlung eines 
2lnbcrcn $um Sßeineib anftiften will, wenn biefer nicht aeleiftet ift, als Selbft* 
thäter aus §. 159., nicht als Slnftifter ju §• 159. beftraft. 

$>ie Veihülfe, bie Semanb bem ^nftifter gewährt, ift (ober fann fein) 
Veihülfe 511m 2Heinetb; bie Veit)ülfe, bie bem Verleiter ju tytii wirb, ift ba* 
gegen ftrafloS. S)enn fic fönnte naa) ber Slbficht beS §elfenben höchftenS Vci^ 
hülfe sum fünftigen 59letneib, nicht jur erfolglofcn Verleitung baju, fein, würbe 
bann aber nur geabnbet, wenn ber 3Reineib wenigftenS §u leiften oerfucht ift. 

öS ergiebt ftch fonach baS praftifch wohl ju rechtfertigenbe Sefultat: 
2lnftiftung refp. Veu)ülfe jur 2lnfttftung su begangenem 9Mneü> wirb als 2ln* 
ftiftung refp. Vethülfc «tm SKeineib beftraft; 2lnftiftung jur (jufällia) erfolglofcn 
Verleitung fällt als mittelbare Verleitung unter §. 159.; bie Veitjülfe jur er* 
folglofen Verleitung ift ftrafloS. 

3)te bei weitem herrfchenbe Anficht folgert aus ber felbftftänbigen Äon- 
ftituirung beS ©elifts in §. 159. einfach bie ÜRöglichfeit ber Xhetlnahme. 5 «) 



») in $»olt}cnfcorff, ^anbb. 8t. III. @>. 111. 

») C^cntfoff, Komm. 91. 12. jii §. 159. S$üfce, 2tt,xb. @. 315, Hnm. 22. 



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238 *ert«tung jum fatf^at Gftx. 

3>ie tytx oertretene Meinung ftnbet fidj, roenn auch theilmeife anberS motioirt, 
bei £iSU") unb Sohn. 58 ) 

3>ie Verleitung jura ftalfcheib (§. 160.) läjst unbeftritten iebe 2lrt oon 
Sheilnafmte 3U. 

§. 11. 2>ie ©träfe. 

A. S)te $auptftrafe. 3>ie ©träfe ber Wnftiftung befttmmt ftd^ gemäfe 
§. 48. 2lbf. 2. 3*. 6t. ©. V. naa) bemjentgeit ®efejj, roclcheS auf bie ftanbtung 
2lnroenbung ftnbet, ju roelcher rotffentltch angefttftet ift. 35er Slnftifter jum 
SKeineib ift bemnach mit 3ud)thauS bis ju 10 fahren ju beftrafen. 

3)ie ©träfe ber erfolglofen Verleitung $um Sfleincib betragt nach 
§. 159. Qviäjtyauä bis $u 5 ^a^ren. 3>ic unoerhältni&mä§ige &ärte biefer 
©träfe ift oft angegriffen, befonbcrS oon o. Äräioel. 59 ) ©eine S)ebuftion rietet 
fid) sroar junächft gegen §. 130. beS SJk. ©t.©.V., welcher, nach ber allgemeinen 
Veftimmung beS *ßreu§. 9te<htS über ben BJcmimalfafc ber 3ud)tf)auSftrafe, $uö)t> 
hauS oon 2 bis §u 5 ^aljren anbrof)te. 2lber bie ©ebroere ber ©träfe, namentlich 
im Verhältnis ;ur öffentlichen 3lufforberung ju Verbredjen, tritt nach bem 
3t. ©t. ©. V. faft nodb greifet heroor. 3tad) §. 111. roirb ber, welcher 
öffentlich ju einem 3Jtcineib aufforbert, mit ©elbftrafc MS 600 3Jtarf ober 
©efängnifi bis ju 1 %afyx beftraft; nach §. 159. ber jenige, ber baffelbe prtoatim 
thut, mit 3ud)tl)au3 oon 1 bis 5 ^fthten. Umgcfchrt freilich barf man nicht 
überfeljen, bafe ber ernftlidjc 3lntrag unter oier Slugen jebenfaHS feiner föealiftr* 
barfeit näher fleht, als bie Slufforbcrung an bie unbeftimmte SJlenge. S5eShalb 
halte ich megen ber Vebeutung beS GibeS eine 3uchthauSftrafc auerbingS für 
angemeffen. 

35er Verleiter xum ^alfcheib unterliegt einer ©efängnijgftrafe bis ju 
2 ^abren. 3$ meine, oiefe Strafe ift oiel ju niebrig gegriffen, unb in biefer 
93c3iebung ^at 8iS3t «Recht, wenn er ben §. 160. 3t. ©t. @. V. eine unbegreif* 
liehe «cgunftigung beS ©djulbigen nennt. 3)er Verleiter tun fyalfdjeib will 
roie ber 5um 3Jieinctb ein fälfdjlicheS Anrufen ©otteS unb eine Xäufdjung 
beS Richters. $hr hauptfädjlicher Uitterfdjieb bcftcljt barin, baf? jener un* 
tuiff entlief), biefer wiffentlich gehanbclt fehen will. 35er Verleiter jum 
ÜHcineib appellirt an bie ©djlechtigfcit feines DbjeftS; fein Verbrechen ift freeber, 
aber auch plumper. 35er Verleiter 3um 5alfcr)eib rechnet auf bie 2eid)tgläuoig- 
feit feines ObjeftS; fein Verbrechen ift gcfdjminfter, aber befto nidjtSwürbiger. 
Unmöglich fann biefer Untcrfdjteb ber 35elifte eine folchc Vcrfd)icbcnf)eit ber 
©trafen begrünben, wie fic in ben §§. 159., 160. ftatuirt ift. 35er Verleiter 
jum galfdjeib follte mit 3ucf)thauS, ober ber $um 3)icineib mit ©efängnifi be* 
[traft werben, gür baS richtigftc cradjtc ich cS, in beiben gätten ©efängnifj 
bis 5 3af)re anjubrohen. 

B. 2)ie 5lebcnftrafen. 5)cn 2lnftifter treffen im ganäcn Umfang bie* 
felbcn ©trafen, benen ber a)ieincibige oerfaßen ift, §. 48. 2lbf. 2. s Jt. ©t. 3. V. 
35aher ift er infolge feiner Verurteilung 3ur 3nchthauSftrafe oon 9lechtS megen 
bauernb unfähig $um 25ienft im .^ecr unb ber 3)iarinc, foioie sur Vefleibung 
öffentlicher 2lemter, §. 31. 9t. ©f. ®. V. 35er 3Keineib ift femer eins ber 
roenigen Verbrechen, mit benen bie 3ucrfennung oon Wcbcnftrafen obligatorifch 
oerbunben ift. GS müffen bem aWeincibigcn unb bal)er aud; bem 3lnftiftcr bie 
bürgerlichen (rl)renre<hte aberfannt roerben," unb ift aufeerbem bie bauernbe Un* 
fähigfeit beS Verurteilten, als 3euge ober ©achoerftänbiger oernommen ju 



57) @. 185 ff. 

58) ^ot^enborff, »nnfcb. 5Bt>. III. e. 111. 

59) ©oUbammcr, «r*. X. 6. 660 ff. 



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werben, auSjufpred&en. S5arm ift bic Utrfäljigfeit jur etbeSftattlidfjen Verführung 
inbegriffen, bagegen ift bem SSerurtljeilten bie ftähigfeit, einen cioilprojeftualcn 
(5ib in eigenen Angelegenheiten ju f abwären, belaffen. 

$en herleitet $um ÜJicineib (§. 159. 91 6t. ©. 2J.) treffen oorerft bie 
notfjwenbigen folgen jeber Serurtbetlung jur 3ud&tbaugfrrafe (§. 81. 9t St. ©. 8.). 
dagegen erhoben fta) gtetdb naa) Gmanation bc3 6t. ©. 33. öebenfen über bas 
33erf)älmijj be3 §. 159. §. 161. 3)ie überwiegenbe 2mfta)t war für 2ln* 
roenbung beS §. 161. auf §. 159. $a$ D. X. aeeeptirte biefe Sluffaffung. 
2Jton braute brei ©rünbc namentlid& $u üjrer 33eribeibtgung oor: 

a) S)ie gefcbtd&tli^e Gntwidelung. 3n $reufjcn b<*be bie SBerlcitung p 
9Jfemeib immer biefe $olge gehabt. (53 l)abc nur bcSljalb feiner befon* 
beren SBefrimmung beburft, weil naa) §. 12. 3. 4. $reufc. 6t. ©. 
ber SBcrluft ber bürgerlid)cn (Sljrc immer bie Unfätugfeit, als 3^ u 9^ 
ober 6adf)oerfmnbiger eiblidj oemommen ju werben, naa) fta) gebogen 
l)abc. £)er $)eutfa)c §. 159. rttbre aufjerbem unmittelbar auä 2frt. 64. 
s ilbf. 2 be$ 6äd)fifa)en 6t. @. ^er, metöjer auSbrücIUa) bie erfolg* 
lofe Verleitung jum 9Jleincib mit biefer 'Jlebcnfrrafe almbc. 

b) 2)ie gefefclid&e Slnorbnung. S3ei jeber Sßerurtbeilung wegen 3Mneib3 
foUe auf bie Sßcbenftrafen beS §. 161. erfannt werben. $cr neunte 
2U>f$nitt beS 6t. ©. 8. nun trage bie Ueberfd&rift „Hfleineib", e£ feien 
beSljatb biejenigen Seftimmungcn biefc£- 2lbfcf)nitt$, meldte bem §. 161. 
oorangefjen, im 6inne beffclbcn als 6trafbeftimmungen über ben 
SReinetb §u erad&ten. 

c) S)ie innere 9totl)wcnbtgfeit. 3)enn ber SSerleiter Ijabe biefelbe frrafbarc 
unb oermerflidje ©efinnung als ber 2Remeibige, ifmt gebühre baljer aua) 
biefelbe 6trafe. 

3luf bie ©rünbe bat im 23efentlia;en baS 0. Z. feine Sfafidjt gcftüfct. 60 ) 
(gm 23efcf)lufj be£ oereinigten 6enatS für 6traffad)en I;at aber bann nadj noa> 
maliger (Srwägung burdf) (£rf. 00m 4. $c*. 1871 61 ) biefe 2luffaffung oerworfen. 
3efet fjält nur noqj %. 9Jleger 62 ) an ibr feft. 3n ber Sfjat fmb bic ©rünbe, 
weläje gegen bie Untcrorbnung be3 §. 159. unter §. 161. ftreiten, oon über* 
jeugenber 2Bal;rl)eit. $enn äunäd&jt weifi bie gefaua)tlid(je (£nttoicfelung gar nia^t 
auf bie Interpretation, meldte i^r untergefa^oben roirb. SBielmcljr ift grabe ber 
2lbfa^ bes reeipirten 6öa)ftfa)en 2lrt. 64., iücld>er bie entfpred^enbe 2lnorbnung 
entbielt, im 9t 6t. ©. auSgelaffen. 3lnbrerfeit3 ift bie Auslegung nid&t an 
bie Duette, au^ melier boÄ ©efe^ l;eroorgegangen ift, gebunben, fonbem fic 
erfolgt heraus aus ben *Beftimmungen beS ©efe^eä felbfT. Sobann fann bie 
Ueberfd^rift beS neunten Slbft^nitts nidjt oon ber il)r unterlegten Scbeutung 
fem. S)enn biefer Slbfcbnitt roeijt SBeftimmunaen auf, toelajc ' notorifa*) nidjt 
al« „SKemeib" aufraffen fmb, j. 8. §. 160. tfeberljaupt Tmb biefe Sluffd^riften 
ni$t raafegebenb für ben ftrafrea)tlia)en Gljarafter jebeS einzelnen ^Jaragrapben 
im 2lbfdmitt, fonbern fie 4)araftcrifiren nur ben 2K>fdjnitt im Allgemeinen. 63 ) 
önblia) ift bie 2lnfd>auung, ba§ ber Jöerleiter jum 3Jleineib wegen feiner oer* 
merfli(|en ©efinnung gleite 6trafe mit bem 3Hcineibigen oerbiene, nur de lege 
ferenda oon SSertI), ba baS je^ige pofttioe Siedet biefer 3tteinung jebenfallS nid^t 
geroefen ift. S)enn es bebrobt ben 3)kincibigen mit 10 ^a^ren 3uä)tbauS, ben 
iöerleiter mit böa)iienS 5 ^aljrcn. 64 ) 



60) ®rt. ö. 26. Styril 1871, 23. ^uni 1871, 13. ©ept 1871. öottbammer, tlxä). fflb. XIX. 
6. 456 ff., ©. 610 ff., 6. 677. 

61) ©oltbammcr, «rd). 8b. XIX. 6- 782 ff. 

62) et ö. ». für ben Worbbeitffcfcen «unb, @. 125, Slnm. 1. 3U §. 161. 

63) 3tgt. ©ottbantmer, «rd). 8b. XIX. @. 778. 

64) 60 Dwenfjofj, Äommentar 9lr. 2. 3. 30 §. 161. ©djnjarjc, Äommentar 6. 440. 
ftüborff, «omraentat 6. 334, «nra. 1. 8d)iuje, 8e^rt. @. 316, «nm. 23. 



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I 



240 ®k »crtettunfl jum fallen ßibc. 

S5er herleite* jum f^alfd^eib fann neben bet ©efängnif$rafe jum 93er* 
luft bet bürgerlichen ^cenred^te oerurtbetlt roerben. Von einer 2tnroenbung 
be« §. 161. auf §. 160. ijt oon feiner Seite bie 9tcbe geroefeu. 

§. 12. $er ttüdtritt. 

%v& ben allgemeinen ©runbfäfceu über 2lnftiftung unb Verbrechen folgt, 
bafj 2tnfttfter rote 2Tngeftifter ffraflo« ftnb, roenn fic oon ihrem oerbreebertfehen 
Vorhaben, einen ajletneib $u leiflen, abftanben, beoor e« nur jum Verfuä) fam. 

$>a« freirotUtgc 3Iufgcben nach Anfang ber Ausführung fiebert nach 
§. 46. 9t 6t. ©. 53. bem Verbrecher Otraflofigfcit 3U. 2(ber man b<*t gejroeifelt, 
ob bann aud) bem Anfiifter biefe Mbc $u3urocnben fei. Semer, 65 ) o. Var, 66 ) 
ÜDteoer, 67 ) u. 21. hoben fidf) für unbebingte Straffreiheit erflärt, Scbü&e 68 ) 
roenigfien« bann, roenn ber Anftifter feinen Auftrag jurüefgenommen hat. SDie 
meiften aber gingen oon ber Anficht au«, bafj bie SSirfungen ber tätigen fteue 
nur bem ju ©ute fomraen bürften, welcher fidj burd) feine ,§anblung«roeife 
berfelben roürbtg gemalt habe. 3)c«balb wollen fic trofc s Jtücftritt be« %\)ättt& 
ben 2lnftiftcr nach rote cor oerhaftet fein Iaffcn, roenn auch juroeilcn oon bem 
falfäen ©eftcbt«punft au«, bafe in feiner Anstiftung ein 33crfu<$ be« Verbrechen« 
ju finben fei. 69 ) 

2)anad) bleibt ber Anjliftcr jum 9Weineib ber Strafe oerfallen, roenn 
aud) ber Angefttftete freiwillig bie Ablcifrung be« SJteineib« aufgiebt. 2)em 
Verleiter jum SDleineib (§. 159.) gegenüber fönnen feine berarttge Vebenfen 
au« etwaigem Stücftrttt be« 3U Verlettcnben entfielen. $cnn ber X^atbeftanb 
feine« Verbrechen« ift mit feiner St^ättgfeit erfüllt, bie be« ju Verleitenben ift 
oon feinem ©eroteht. 

Sehr sroeifelfjaft tfl e« aber, roelche Söirfung ba« freiwillige ßurücftreten 
be« Anftifter« Imt unb roelche ba« be« Verleiter«, roenn ein folchc« überhaupt 
im SBereid^ ber 3Jlöglia)feit liegt. 

!. 2)er ftüdtritt be« AnjHftcr«. 

S)ie ältere X^corie jog eine ungerechtfertigte parallele stutfö^cn ber An» 
ftiftung unb bem mandatum be« Gioilrecbt«. ^nbem fic bie 2lnftiftung nad) 
Analogie be« lederen bcl;anbelte, fam fic ju bem Sdjlufe — nicht blofe, ba§ 
nachträgliche ©enehmigung ber Anfuftung gleid) ju erachten fei, fonbern auch, 
bafe blo&e 3nrüd3ichung be« Auftrag« ben Anftifter oon feiner Vcrantroortltcbfcit 
befreie. 70 ) 2Kit Stecht bat man aber bie Segriffe be« Strafrecht« au« ben Ueffeln 
einer cioiliftifchcn 2lnfdjauung«roeife gelöjTunb felbftfiänbiger Betrachtung unb 
ftirirung unterzogen. Anftifter ift ber, roelcher einen Anberen ju oerbrecherifchcr 
iljätigfeit beftimmt h<it. Gr fann nur frei ausgehen, roenn er bie oon Umt 
heroorgerufene oerbred)crifd)e ^hätigfeit l;inbert, mag er bur<h 3 ur " c * 1ta ^ mc 
feine« Auftrage« ben ftrafbaren Sorfafc be« 2lnberen jerftört ober burch t^at* 
fächliche« Giltgreifen jenen oon ber Ausführung be« Verbrechen« abgehalten 
haben. £cr Änftifter 3um 3)ieineib ift nur bann firaffrei, roenn er oerhütet, 
bafe infolge feiner Slnftiftung ein 3Reineib geleitet toirb. 



65) ©runfcfd^e 0. 30. üc^rb. ©. 195. 

66) 8ut 2t§xt »om SJ«tfud> unb £f)eilnaf)me 60. 

67) Jcbtb. €5. 226. 

68) o. a. O. @. 155. 

69) ©o 3ad>ariä, 2cf>re »>om Scrfuc^ n. @. 269. ÜJiertet in Seiöte'S föeAtöleftton XII. 
©. 140. §älfd)iicr, a. a. O. n. @. 360. ©dbnxme a. a. O. <3. 129. ®epct in ^pHjcnbotff'ä 
§anfcb. U. @. 371. Obbenboff Wr. 1. ju §. 46. Grt. bcS O. Z. ». 15. 3»ni 1876, m folgen, 
torff'« feanbb. IV. 0. 164. 

70) 6o Icmmc, ^reafe. ©t. W. @. 342. atnolb, im Qttx. ©aal 1859, ©. 139. 



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* 

• 



3>tc Verleitung jum falfäen ©t>c 241 



2. 2>er SRücftrttt be$ VerleitcrS. 

3Jlan $at biefen $aH oon brci oerfdjiebencn Stanbpunften beteuertet: 

a. S)er Sbatbeftanb ber Verleitung ift eine 53er[ud^3J)anblung, bie man 
al3 felbftftänbtgeS SDelift auffaßt. (Sin Verfud; baju ift nicht möglid), 
baber ift §. 46. 9L 6t. ®. V. auSgefaMoffen. 71 ) @in Verfuch ju §. 159. 
ift aUerbtngS unbenfbar, unb bamit Die ätawenbung bc3 §.46. auf ben, 
ber ba3 Unternehmen beS §. 159. oerfudjen wollte, hinfällig. S)aS ift 
gewiß richtig. 2>amit ift aber bie %xciqc nodj nicht beantwortet, ob man, 
bie Verleitung, im ©inne beg §. 43. felbft als Verfuch }u §. 48. auf* 
gefaßt, nict)t für §. 159. bie 2lnwcnbung be£ §. 46. ftatuiren bürfe. 

b. S)ie Verleitung jum SDieineib ift, obwohl begrifflich Verfu^^anblung, 
als eigenes $eltft t)mgeftettt f fein Xfjatbefianb ijt mit ber Vornahme 
einer Verfutfjstjanblung erfüllt, ein oollcnbeteS S)elift läßt aber bie 
tätige 9teue alz StrafauSfdjlteßungSgrunb nicht au. 72 ) W Sfaftdjt 
fiellt roieberum ben formellen ©eftdjtSpunft in ben Vorbergrunb. Sie 
praftifdjen Äonfequensen, bie fid) notbwcnbifl barauS ergeben, finb fet)r 
bebenflidj. (53 muß banad) ber, welcher bloß ocrfud)t r)at nnjuftiftcn, 
auf jeben %aü betraft werben, währenb ber, weldier wirflieb angeftiftet 
t)at, unter Umftänben oon 6trafe oerfebont bleiben fann. UnwtÜfürlta) 
Drängt ficr) bie ftrage auf, folltc nicht hier ber Sa& wahr fein: 
suramum jus — summa injuria? 

c. S)ie Verleitung jum HJkineib ift, obwohl formell fclbftftänbigcS ®etift, 
bod) begrifflich Verfug, unb bttyaVb haben bie Vorfdiriftcn über 3tutf* 
tritt oom Verfuä) für fte ooüe ©eltung. 73 ) $iefe Shtfictjt ift eine ein* 
fadjc Äonfequenj beS SafccS, baß in ber SDoppelnatur fclbftfiänbig 
frimtnaliftrter Verfud>3rmnolungen baS materielle SBefcn bem formellen 
Sein überlegen ift. SBenn ber ©efefcgeber bcrgleia)en $elifte auffteHt, 
fo mtü er bamit bie ©efäfjrbung ber ©efellfa)aft unb ^ecbtSorbnung 
beftrafen, weld)e aus ber ernftlidjcn 3fbfid)t be$ Verbrechers, feinen 
Vorfafe ju oerwirflichen, entfpringt; aber er fann ibn unmöglich um 
beSwillen, weit er feine Xfyat ftrenger bebrobt als fonftige Verfuge, ber 
Vorteile berauben wollen, meiere jeber Verbrecher, ber oon feinem 
«Jtfan abläßt, genießt. $iefe Slnfidjt will niajt bem 9tea)t bie notlj* 
wenbige 6trenge nehmen, fonbern eS oor unbilliger .^>ärte bewahren. 
@S wtberftrettet nicht, baß §. 46. beftimmt, ber Verfuch als foldjer 
bleibt frrafloS. SDcnn cS foll bamit nicht gefagt fein, baß eine Jpanblmtg, 
bie begrifflich Verfuch ift, jum fclbftftänbigen 2)eltft erhoben unter 
gewtffen VorauSfefcungen nicht 6trafloftgfeit begrünben tonne, fonbern 
ben ©egenfafc sunt „Verfuch als folchen" bilbet bie öanblung, roelche 
für fich allein ein begrifflich felbftftänbigeS 2)elift ift, tn Vcäielning auf 
eine anberc aber Verfuch barfteUt, 5. V. oeriuehter mv& Durch Söranb* 
ftiftuna. £ier fann natürlich bemjenigen, ber Den 3Jforbplan aufgiebt, 
nicht Freiheit oon ber 6trafe wegen Vranbftiftung gewährt roerben. 
^ oerträgt fich auch mit ber oben oertretenen Meinung, baß im ©efe^ 
(§. 159.) nicht „oerfuchen", fonbern beu? umfaffenberc „unternehmen" 
gebraucht ift. 3)cnn fidjcrlict) ift e« im ©eifte bcS StechtsS, melche!8 ben 
ftrafloö läßt, welcher 00m Verfuch jurüeftritt, baß auch Derjenige nicht 



71) Sodjo», in fiotyenfcorffS §anbb. B. '241. 

72) fu<$elt, »a§ hl Oft. $*. u. f. m. 9!r. 1. ju §. 159. OM>enfan", a. cu O. 9it 9. ju§. 159. 

73) @d Ädjwaqe, a. a. D. 5. 123. l'iSjt, a. a. O. @. 183—184. ©oUfiamracr, 

üxä). vni. @. 337. 



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ber Strafe oerfäHt. roeldjer feine VorbereitungSfjanblungen frei* 
raiUig aufgiebt. 

55er Serleiter junt ftalfdjetb ijt ber Später eines fclbftfiänbigen 
ißerbrcdjeng. Säjjt er avß freien 6tüdcn von bem Verfudj ber Verleitung ab, 
fo bafj fein falfdjer (gib gefdporen wirb, fo finbet §. 46 9L 6t. ©. SB. nad> all* 
gemeinen 9ted)t$regcln auf ü)n Slnroenbung. Seiftet aber ber Verleitete ferner* 
feits au5 irgenb melden ©rünben ben falfd&en ©ib nidjt, m bem er fid> gut* 
gläubig ^atte beroegen laffen, fo unterliegt ber Verleiter ber ©träfe beä Verfug. 



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Jietttfd)« Strafredjt. 



i 



§. 22. 6e8 R. Prc|]-(P. v. 7. !ttai 1874. Die SlmDcnbbarfeit 6ee 
§. 22. bce R. p«fj»(B. befcfyränft fid? nicht auf foldje £traftbaten t 
welche burcr; im 5nto"bc bewirftc Verbreitung von Prejjcrscugniflen 
begangen worben. 3 n an cincn Drucfer ^um gtoeet 6cs Krudes 
gefcfyetjenen Itlittrjcilung bes Itlanuffriptes liegt Feine außerhalb free 
(Bcbictee free §. 22. Pre£-(B. befindliche felbfifiänoigc firaf bare Ijanblung. 
Unter „Verbreiten »on Drucffcbriften 44 im Sinne bce §. 22. cit. ijr aua) 
bie fiorreftur von Drudbogcn 5U oerfkben. 

<Srf. beS L ©traffen. v. 23. %tbx. 1880 c/a. dtletfe, woburd) bic 5te> 
oifton ber ©taatSanwaltfdjaft jurüdgewtefen worben tft. 

© r ü n b c. 

1. TO Unredjt behauptet bic ^teoinonebegrünbung bc£ Staatsanwalts, 
baft §. 22. be£ 31. ^refc®. 0. 7. äftai 1874 nur auf foldje ftrafbare ,§anblungcn 
2lnwenbung finbc, njcldrjc burcr) im ^ntanbe bewirftc Verbreitung oon ^refc 
erjeugntffen begangen worben. 

2)er llmfianb, bafj gemäß §. 4. bc$ 6t. @. 33. wegen bet im Sluölanbc 
begangenen Verbredjen unb Vergeben eine Verfolgung naa) ben Strafgcfcfccn 
beS 2>eutfd)en 9teid)3 nur auSnafjmSwcife fiattfinöct, oerringert niäjt für Die 
ftällc, wo biefc VorauSfc&ung an fid) oorlicgt, ben Umfang bcS 6d)ufoe3, 
weiter anbrcrfeifcS in ben 6trafgefcfecn enthalten ift. Sic überhaupt in jenen 
StuSitatmtSfättcn bic Slnwcnbbarfcit ber beutfä)en Strafgeld oorawSgcfcfct wirb, 
fo treffen aud) bic 6c$u{jbcfttmmungen berfetben in oollem Umfange ju, mag 
biefer Sdjufe im allgemeinen bcutfdjen ©trafgcfcjjbud) ober in einem befonberen 
bcutfdjen ©efefce jum StwSbrudc gelangt fein. (Sine ungünftigere ftrafredjtlidje 
#cr)anblung ber im 2fo3lanbe oerübten ftrafbaren £anblungcn, als ber im %n* 
tanbc oerübten, ergiebt fid> nidjt aus allgemeinen s Jtcd;t$grunbfät$en unb wirb 
gerabc burdt) bic einzelnen 33eftimmungcn ber p§. 4 — 6. beS 6t. ©. V., aus 
weldjcn l)eroorgef)t, bafj foldt)c .^anblungen fnnftdjtlid) it)rer Vcrfolgbarfett nadt) 
Umftänbcn nodj eines weiteren SdjufceS genießen, als bic im ^nlanbc oerübten, 
wiberlegt. ©ine Vefcfjränrung ber 2Inwcnbbarfctt bcS §. 22. beS s Jt. ^rejj*©. auf 
im $nlanbe oerübte ftrafbare ^anblungcn ftcf)t ferner mit bem ganj allgemein 
Iautenben SEÖortlaut biefer ©efefeeSbeftimmung unb bem inneren 3wec?e berfclben 
in äötberfprua). 



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• I 




244 



2)eutföc5 ©ttaircAt. (fcrteimütifje bcS fReid>Sgeri(St& 



2. $ie Steoifton rügt weiter „9cicf)tanmenbung be« §. 95. beS St ©. 8." 
unb leitet biefe Stüge barau« ab, bafe „nach bem Ehalte ber Sitten ©. ba$ ju 
Süricf) in feinem Dörfer oorgefunbene 9flanuffript bc£ Pamphlets „ „ber Sauer 
unb feine Sd)icffalc" " oon Dr. S. fid) befc^afft unb baäfelbe, wie nach Sage ber 
Sache angenommen werben muffe, aud) anberen Sßerfonen nach Äenntnifenahme 
beä Inhalts, bcifpiclswcife ben Srucfern, mitgeteilt habe", worin ein felbfi* 
ftänbige£ Vergehen liege. 

$)te $ragc, ob eine folcfjc .^anbtung ein fclbftftänbigcS Vergehen bilben 
mürbe, fann an ftd) uncrörtert bleiben, ba ber bie ©runblage ber ßauptoer* 
Imnblung unb be3, feinen oon bem tljatfäc^lidtjcn ^nl;alte bc3 VefchlujfeS über 
ber Gröffnung be£ JgauptuerfahrenS abroeia^enben Sachverhalt feftftettenben, 
llrttjcibS ber Straffammer bilbenbc Vcidjlufe über bie Eröffnung bcS 6aur»t* 
oerfahrenS im ©inflang mit ber Slnflagefdjrtft bem 2lngeflagten in tf)atfäc|Ucher 
ftinftcht nicht eine folche fclbftftänbige, non ber auf Vcröffentlidhung unb auf 
Verbreitung ber incriminirten ©ruetfehrift genuteten 3:pttgfcit unabhängige, 
.^anblung jur Saft legt, utetmehr lebiglid) auf eine burd) Söeröffenttid^una unb 
Verbreitung ber 2)rucf fdfjrift „ber Vauer St. unb feine Sdjuffale töeftll. bie 
grofec Schlägerei)" oerübte Vcletbigung be£ beutfdjen tfaifcrS unb oeS dürften 
Viömarcf gerietet ift. llebrtgenö fönnte in einer an bie 2>rucfer gerabe mm 
3mccfe bcS 2>rucfc3, alfo $um 3mccfc ber £erftcllung ber $rucffdjirift behufs 
ihrer Veröffentlichung 'unb Verbreitung liegenben SJUttheilung beS 3Jtonuffrtpt£ 
nicht fd)on eine fclbftftänbige, bem ©ebtete beS §. 22. beS $refc*©. entriufte, 
ftrafbare £anblung crblicft werben. 

3. SScitcr rügt bie 3leoifion unrichtige Auslegung beS §. 22. bei SH.^refi*©., 
ba unter ber in §. 22. bejeiebneten „Verbreitung oon 35rucrfd;rtften" eine folc^e 
^anblung ju oer|tef)en fei, „burdf) weldje ©jemptare einer Schrift einer BÄchr* 
Ijctt non ^erfonen in ber Sl'cife äugänglid; gemadjt werben, bafe fie oon bem 
^n^alte bcrfelbcn Äenntnifj nehmen fönnen", (i. aber ftd) nidjt auf eine ber* 



perfönlid) mitgemirft Ijabc, imSbefonbcrc bei ber Äorceftur ber 2)rucfbogen thätig 
gewefen fei unb bie S)rucffd;rift unter feinem tarnen als Verleger f)abe er* 
td)cincn [offen. 

$)a3 urtljcilcube Gierich t hat jebotf) auch * n °^f cc C>itiftc3r)t baS ©efefe nidf)t 
ocrlefct. ÜJttt ben Korten „burch Verbreitung oon ©rueffchrrften ftrafbaren $rb> 

1) aiW wirb in §. 22. bc3 -}>rcfjgcfe$e$ niept etwa jene fpecielle Sfjätigfcit 
gemeint, weldje in §. 21. bcffclbcn burch bie SSortc „berjenige, welcher bte 
S)rurffd)rift gewcrbömäöig oertrteben ober fonft öffentlich oerbreitet h<*t (Ver- 
breiter)" charaftcrifirt toirb; oielmcljr will mit §. 22., wie ber ganje 3 roc< i oc * 
§. 22., bie (Sntftchuitg biefer ©efe|e^beftimmung unb bte 3Kotioe }um ©nttourfe 
ergeben, ber in ber Jcftfefrung einer fursen Verjährung^frift gegebene Schüfe 
allen burd) bie greife oenibten Verbrechen unb Vergehen gewährt werben, 
inöbeionbere allen Matcgonen ber unter §.21. bcö ^reBgcfefec5 fattenben fhaf* 
baren ^anblungen unb allen burch bie treffe begangenen unter bie allgemeinen 
Strafgcfcfee fallcitbcn ^anblungen. S)ie in §. 22. gegebene Schufebeftimmung 
umfaßt bal;er aud) jene ftrafbare Shätigfeit, welche in ber Veröffentlichung einer 

2) rucffd)rift flraf baren Inhalts fich äufjcrt, unb bie jur ^erfteuung ber ©ruefr 
fchrift, 5. V. burd; tforreftur ber 3)rucf bogen, entfaltete ^hätigfeit, bie üJlitwirfung 
jur .\)crftcllung be^ ^rcfeerjeugniffeS. Uebrigen^ gilt, fo weit bie 9teoifion f)kt* 
bei bem Slngcflagten in thatfächlichcr Vejiefmng noch eine anberc 2lrt ber 
Xhätigfeit jur Saft legen will, als ber Vefchlu§ über bie Gröffnung beS ^aupt* 
oerfahrenö ihm 3ur Saft legt, auch ^ cr oet oafe ber i3n() a tt oeö lefeteren 
bie ©runblage für bie Veurthetlung be^ dichter« bilbete. 




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3)«utf*e« ^trafretft. Stfenntnifle fce? fflci*§getid)t«. 245 

Preujj. Pcrorön. v. 5. 3uli 1S47. ,fortfrifien$ öcr 6as Spielen in aus- 
wärtigen in öcn preuf?ifa)en Canoen nicht ^ugelaffenen L'ottcrien, fowie 
bae Collectiren für leitete »erbictenoen Dcrorbn. v. 5. 3uli 1847. 

©ntfeh. beS II. ©traffen. v. 24. gebr. 1880 c/a. ©öbel, woburch bic 
s Jtemfton beS SKngefl. jurüclgewiefen worben ift. 



© r ü n b c. 

$ie ^nftamrichter haben olme erftchtueben 9tcd>tSirrthum tlMtfüchttch fefl* 
geftettt, bo§ ber 2lngeflagte im 2lpril 1871) im ^nlanbe (in ber ^rooinj SBeft* 
preufjen) fid; bem 93crfaufc eines SoofcS ber Hamburger Stabt^Sottcric, roeldje 
in preufjen nicht jugelaffen ift, untersogen Imt. Sicfe ^eftfiettung enthält bie 
erforbemtffe jur 2lnmenbung beS §. 1. ber preufe. ^crorbn. v. 5. 3uli 1847, 
reelle in bem f)icr in Betracht fommenben XI)eilc noch in ©eltung ftcf)t unb 
feineSwegS, rote bie 91. auszuführen oerfucht, ihrem ganjen Inhalte nach 
aufeer Äraft gefegt ift. 

S)ie gebaute Serorbn. (©. S. 1847 S. 2G1) betrifft nadj ber iljr gegebenen 
Sejeichnung: 

1. baS Spiel in auswärtigen Sotterten, 

2. bic Unternehmung öffentlicher Sottericn ober 2luSfpielungen burch Sjkioat* 
perfonen. Semgemäfe ift im §. 1. mit 6trafe bebroljl: 

L berjenige, welcher in auswärtigen fiotterten, bie nicht in ben preufj. 
Staaten befonberS jugelaffen itnb, fuielt, — melier ftch bem Ver- 
laufe ber Soofe Dergleichen auswärtiger Sottericn untcrjicljt ober 
einen folgen SSerfauf als 2JftttetSperion beförbert, 

2. berjenige, welcher innerhalb SanbeS, ohne auSbrücfliche ©e* 
nehmiejung ber 2Jliniftec beS $nnern unb ber ^inanjen, öffcntlidjc 
lotterten unternimmt ober ©lüefsbuben errichtet. 

$aS preufc. St. ©.53. o. 14. Hpril 1851 enthält unb jwar im §. 208. 
eine Strafanbrofmng nur aegen benjenigen, ber ohne obrtgfeitlichc Grlaubnift 
öffentliche Sotterien (ober öffentliche 2IuSfpiclungen beweglicher ober unbeweglicher 
Saasen) oeranftaltet, betrifft baber, wie baS Grforberniö obrigfettlicber (£t* 
laubnifj ergiebt, nur baS SScranftalten öffentlicher Lotterien im^nlanbe unb 
bezieht fia) nicht auf baS Spielen in auswärtigen, nicht befonberS sugclaffcncn 
Sotterien unb auf bie fonftigen oben unter 1. ermähnten ipanblungen. So weit 
fie biefe betrifft, ift bie ^erorbn. o. 5. ^uli 1847 im Sinne beS 2lrt. 2. beS 
©inführ. ©. ^um preujj. St. ®. 23. ein bcfonbcvcS, eine Materie, in §inftcht 
beren baS St. ©. 83. nichts beftimmt, bchanbelnbeS Strafgefcfc unb beSfmlb neben 
bem St. ©. 83. in Äraft erhalten. 

2Jttt Siecht hat ber 21. 31. eine SBeftätigung biefer 2luffaffung barin gc« 
funben, bafe burch §. 3. beS ©. o. 7. 3J?ai 1853 (®. S. S. 180) bic 3Serorbn. 
ö. 5. 3uli 1847, fo roeit biefelbe nicht burch baS St. ©. 5). o. 14. 2lpril 1851 
abgeändert roorben, in ben hohcnjollcmfchcn Sanben eingeführt unb alfo mit ber 
angegebenen @infehränfung, roelche Reh auf baS ^eranftalten öffentlicher Sotterien 
ohne obrigfeitliche ©rlaubni§ bejieht, als ein in ben bisherigen preufj. Sanben 
noch in ©eltung ftehenbe^ ©efefc anerfannt morben ift. Gine weitere Seftätigung 
erbringt bie SSerorbn. t>. 25. §[uni 1807 (©. S. S. 921), welche in ben im 
$ahre 1866 mit SBreufecn oercinigten, näher bejeichneten SanbcSthetlcn im 
2lrt. L baS St ©. für bic preui Staaten einführt unb im 2lrt. IV. v Jtr. l . 
als ber Strafe beS §. 268. beS St. ©. 33. ocrfallen, benjenigen erflärt, wer in 
auswärtigen Sottericn, bic nicht mit fgl. Genehmigung in Den preufe. Staaten 



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246 3)eiUfrte5 ©traftedtt. (Srtciratniffc feeS 9lei(f>8geri<$t*. 

befonberS jugclaffcn roerben, fpielt, roer fid> bcm Serfaufe bcr Soofe $u bcr* 
gleichen auswärtigen Soltcricn unterzieht ober einen foldjen ^erfauf als 9JfUtelS' 
perfon beförbert. GS crcjtcbt fidj hierauf, bafj biefe föanblungen an ftd) nicht, 
rote bie 9t. $3. oermeint, burd) ben §. 268. beS St. ©. 53. betroffen mürben, unb 
bafe bura) jenen 3lrt. 2. Nr. 1., roeldjer ben in ©eltung oerbltebcncn £beit ber 
5>erorbn. t>. 5. $uli 1847 roiebergiebt, eine materielle ®leid)l)cit beS StrafgefefceS 
in ben neuerroorbenen unb ben alten SanbeSthcilen l;at hergefteUt roerben foQcn, 
ba forooljl bie 5>erorbn. o. 5. $uli 1847 als bcr §. 268. beS preufj. 6t. ©. SB. 
©clbftrafe bis ju 500 Malern aubroljt. 

Gben fo roenig als burd) ben §. 268. beS preuß. St. ©. 8. ift bie 
Skrorbn. o. 5. 3uli 1847, fo roeit cS fid) auf baS Spielen in auswärtigen, 
nicht jugclaffenen Lotterien unb auf ben Vertrieb ber Soofc fola)er Sotterten 
bejicfjt, burd; ben §. 286. beS St. ©. 33. für ben norbbeutfetycn 23unb, beziehentlich 
für baS 3)eutfd)c Neid), aufjer Äraft gefefct. 3>affclbe enthält roeber in bem 
§. 286., roeldjer, abgefchen oon bcm höheren SJtaa&c ber angcbrof)ten Strafe, 
mit bem §. 268. beS preufj. St. ©. 23. übereinftimmt, nodj fonft 23cftimmungen, 
rocldje fid) auf jene 9)catcrte beziehen unb f)at baber bie ©eltung ber Serorbn. 
o. 5. Suli 1847 nicht berührt (§. 2. beS Ginführ. ©.). $)ieS ift audj in ben 
SDtotiucn 511 bcm §. 286. nad) richtiger SluSlegung berfelbcn jum 2luSbrucf ge* 
bracht. SBenn barin gefagt ift, bafj bie 2$orfd;rtftcn über baS Spielen in au*» 
länbifdjcn Lotterien unb baS ÄoUcftiren für biefclbcn burd) ben §. 286. nidjt 
berührt roerben, fo finb barin, roie baS juuor gebaebte ßrforbernifj obrigFeitlidjcr 
Genehmigung ergiebt, bie 2>orfd)riften über baS Spielen in auswärtigen Sottericn 
unb baS .Mcfttrcn für biefclbcn oerftanben unb babei bie einzelnen 23unbeS< 
länber in'S 3lugc gefafjt. 

2)ic Scfttmmung beS §. 8. beS 9t St. ©. 23., roonad) 2luSlanb im Sinne 
bicfeS StrafgefeßcS jebeS nid)t $ura 5)cutfd)cn Neidje gehörige ©ebiet ift, ^at 
ba, roo es fid) um Auslegung beS früheren ßanbeSftrafred)tS ^anbelt, feine Sc* 
beutung. Surd) bie SScrfaffung beS S)eut[djcn Steides x>. 16. 2lpril 1871 (2lrt. 3. 
u. 4.) unb burd) ergänjcnbe ©efefee ift in SBe^ebung auf bas Sotterieroefen 
eine ©cmcinfd)aft bcr cin3elnen 23unbcSftaatcn nid;t begrünbet. $n biefer S3e* 
jiebung ^at ber 33egriff beS 2luSlanbcS eine Slcnberung nid)t erfahren. 



§. 370. Tlr. 5. 6L (B. B. Hobe Öaatfartoffeln gelten als Habrungs- 
mittel im 9tnnc ocs §. 370. 21r. 5. 6t. <B. B. <£in „alebalMgcr 
DetbrauflV 4 i\t nicht glcicbbcbeutenb mit „fofortigem unb unmittelbarem 
Verbraucb" unb fann auü) bann angenommen roerben, roenn bie ent* 
roenbeten Ilabrungömittel oon bem" Diebe erft 5U fjaufe 5ur Der» 
fpeifung zubereitet" roorben finb, 

ßntfa). beS IT. Straffen. 0. 24. $ebr. 1880 c a. SBintcr, roobura; bie 
9Zid)tigfeitSbefd;roerbe bcr DbcrftaatSanroaltfdmft jurüefgeroiefeu roorben ift. 

© r ü n b e. 

2)afj bie Äartoffcln, aua; im roljcn 3uftanbc, ju ben mcnfa;lid)cn 
Nahrungsmitteln gehören, mürbe fid; nur bann mit ©runb beftreiten laffen, 
roenn unter „Nahrungsmitteln" nur biejenigen ^robufte bcr ^flanjcn* unb 
il)ierroclt oerftanben roerben fönnten, roeld;e entroeber ohne befonbere 3ubereitung 
ju genießen ober burd) mcnfdjlidjc Xhnttgfcit bereits fo jubereitet finb, bafe fic 
fidj juni unmittelbaren ©enuf3 eignen. Sltlein bcr Sc^riff oon Nahrungsmitteln 
in bcm Sinne, roie baS SiSort im täglid;cn Ccbcn unb nidjt minber in bcr 
Sprnd;c beS ©cfe^cS (ogl. j. 23. baS N. ©. 0. 14. 9)Mi 1870, betr. ben «erfefjr 



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2)eirtf<fie« @trafre*t. (Sttemitmffe US 9lci<b&gertd)t«. 247 

mit Nahrungsmittel jc.) gebraust wirb, geht weiter unb umfaßt alle Diejenigen 
Littel, njeldbc ber (Ernährung beS menfchuchcn ÄörperS bleuen, mag auch bereit 
©eniefebarfeit erft bura; eine oorberige Zubereitung bebtngt fein. 2luä) (jebt ber 
llmfknb, bafe eS fid) hier um 6aatfartoffeln fwnbelt, nicht of>ne weiteres ihre 
©igenfehaft als Nahrungsmittel auf, ba bie 5Hrt unb Söeifc, wie ber ©igen* 
tfjümer über baS ^irobuft oerfügt, bem lederen nic^t ben (Shorafter als 
Nahrungsmittel rauben fann, fo lange baffelbe nidjt baburch objeftio §ur @r* 
nährung beS DJtenfa>en untauglich geworben ift. ©S fann fich baher nur fragen, 
ob, roie ber 8efa)werbeführer behauptet, bie 2lnwenbbarfcit bcS §. 370. Nr. 5. 
beS 6t. ®. V. beim Vorhanbcnfein ber übrigen 2Rcrfmale biefer 6trafuorfa)rift 
im oorltegenben ftatt baburdj auSgcfchloffen roirb, bafj bnS ©efefc »erlangt, eS 
müffe bie ©ntroenoung jum ßweefe oeS alsbalbigen Verbrauchs gefchcheu fein. 

©iefe ftrage ntufjte oemeint werben. Sie SBorte „sunt alsbalbigen 93er* 
brauch" füllen offenbar bicfclbe Vefchränfung einführen, welche baS frühere 
preufj. 6t. ©. V. — baS nach ben Sorten beS norbbeutfe^en 6t. ®. V. in biefer 
^ejicljung bem lederen 3ur ©runblage gebient t)at — in ber Veftimmung beS 
§. 349. Nr. 3. enthält, bafj nämlich beim Vorhanbenfcin einer geroinnfüd;ttgen 
8H>ftdjt bie 6trafe beS 3)tebjtahlS eintreten foCe. $aS „Verbrauchen", b. h- in 
SBejiefjung auf Nahrungsmittel, baS Versehren berfclben roirb geforbert, um 
namentlich ben $att beS VerfaufS ber enttoenbeten Nahrungsmittel, rooburaj bie 
eine milbere Vehanbluug nicht reajtfertigcnbe geroinnfüchtige 2lbfuf)t bargclegt 
roerben roürbe, auSjufdhlieften unb aus bemfelben ©runbe ocrlanat baS ©efefc 
ein „alSbalbigcS" Verbrauchen, rocil bei einem 2lnfammeln oon Vorräten für 
fpätere Zeiten gleichfalls baS üütotio ber ©ewinnfucht in ben Vorbcrgrunb treten 
würbe. 6chon hieraus ergiebt fich, bafe baS „alsbalb" nicht in ber Vebcutung 
oon „fofort" unb „unmittelbar" oerftanben werben barf. SDicS folgt aber weiter 
auch aus bem gefe^geberifchen ©runb für biefe Veftimmung, welcher offenbar 
barin 311 Jüchen ift, oa§ cS oerbältnifjmäfng weniger ftrafbar erfdjeint, wenn 
3emanb nicht auS ©ewinnfucht, fonbern um feinen junger 3U ftitten ober, um 
ein augenblickliches ©elüfte ju beliebigen, NahrungS* ober ©enufmiittcl oon 
unbebeutenbem SBerth ober in geringer Stenge entwenbet. Ob bie 6tiHung beS 
i^ungerS ober bie Vefrtcbigung eines augenb lief liehen ©clüftcS unmittelbar nach 
ber föntwenbung ober erfi 3U $aufe nach ber nothwenbigen Zubereitung erfolgt, 
oeränbert ben (Shorafter öer ^anblung nicht, in fo fem nur lefetcrc sur Vefrie* 
bigung jenes pfmftfchcn 2lnret3eS gefchehen ift. 



§. 263. 6t. (P. 33». 3n ber in einem (Ercfutionsanttagc gcfd?ehenen 
IMquiMrung nicht entftonoenet flogen iji fein betrug 3U ftnben. 

Gntfdh- beS III. 6traffen. 0. 25. ftebr. 1880 c/a. ©eutfeh, woburch bie 
oerurtheilenbe Vorcntfcheibung aufgehoben, unb ber 3lngeflagte freigefprochen 
woroen tjt. 

© r ü n b e. 

$er Slngeflagte J)at bei bem Preisgericht 31t ©. gegen mehrere 6chulbner 
fleinc 6chulbpopen etngeflagt. 

^n ben oon ihm gesellten GfefuttonSonträgen hat er je 10 $f. ^Jorto 
für baS (SjefutionSgefuch berechnet unb um SJtitcinjiehung biefeS Betrages ge- 
beten, ohne bafe bem 2lngcflagten ein ^ortooerlag erwachfen ift. SDic berechneten 
$ortt finb jum Ztyit oon bem bie Grefution oerfügenben Nieter abgefegt, 3um 
Xheil ift bie TOeinsiehung oerfügt, in einem ber le&teren galle ift auch ber 
betrag eingegangen, in einem anberen eine öupothef auf bas ©runbftftcf beS 



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248 Etutföc« Straftest örfcittttnific toe« 8let#Sgeri*t3 

Sdjulbner« wegen be§ um 10 oermehrten SchulbbetragS eingebogen worben, 
in anberen fallen ift bie Grefution fruchtlos aufgefallen. 3)ie Stifter beibet 
Borinftanjen haben ben 2lngefTagten wegen oerfuebten unb wegen oollenbeten 
Betrugs oerurtheilt. 

G£ wirb baoon aufgegangen, baß ber 2lngeflaate in allen jenen fraßen 
bic unwahre 2^atfad)e behauptet habe, baß er für »bfenbung beS einjelnen 
GrcfutionSantragcS 10 $f. $orto bejaht habe. 

3)urch bie Borfpiegelung biefer falfchen $hatfad>e habe er in benjenigen 
Köllen, in welken bie Grefution auch wegen be£ angeblichen ^ßortooerlagS oer* 
fügt worben ift, in bem dichter einen Srrtfmm erregt, er habe baS in ber 3lb> 
fiept gethan, fidj in jenen je 10 ^f. einen redjtSioibrigen BcrmögenSoortheil ju 
oerfdjaffen. So weit biefelbcn mitehtgejogen ober auf ba$ ©runbftücf beä 
SdwlbnerS eingetragen finb, fei ba§ Vermögen ber Sdtjulbner befchäbigt. GS 
fei aud) ber ursprüngliche 3ufammcnhang uorljanbcn, inbem bie Grefution auch 
wegen jener 10 $f. jufolge beS bei bem s JUa)ter erroceften 3rrt(jum3 oerfügt 
worben fei. 

Gntfprcdjcnb wirb in ben übrigen fällen, { n ocncn entweber bie Gfefution 
wegen bc<8 ^ortobetragS nia)t oerfügt ober in benen fie fruchtlos ooUftretft ift, 
ber Bcrfud) fcftgefteüt. 

$)ie oon bem 2lngetl. wiber ba£ Grf. be£ ObcrlanbcSgerichtö % vom 
23. 2)ej. 1871) eingelegte yiid)tigfeitöbefd)werbe rügt Berlefcung unb unrichtige 
Slnwcnbung oon ©efefcen unb Stechtägrunbfäfcen, inSbefonbere ber §§. 263., 43. 
unb 74. beS St. ©. 33.; fie ifl begrünbet. 

®ic Borbcrrichter beiber ^nftanjen haben bic Bcbeutung ber ritterlichen 
.ftoftenfcftfteUung oerfannt, unb bamit 9tedjt£grunbfäfcc oerlefct, unb ben §. 263. 
bc3 St. ©. 93. falfa) angewenbet. Ser Sitcl jur 3mangf ooßftrecfung, auf ©runb 
beffen ber Kläger bic Grefution beantragen burfte, erftreefte fidt) jugleich auf bie 
bem Kläger erwachfenen Soften, infonberhett auf bie Äoftcn, welche ihm butch 
ba§ GretutionSgefuch fclbft erwuchfen. 2>cr Setrag ber erwachfenen Äoflen ift 
oon bem Kläger ju fpccifijircn (allg. ©er.-O. Xi)l 1. Sit 24. §. 22.). 

$n ber Specififatton liegt nun aUerbingö bie Behauptung, eS feien 
bem Älägcr bie oon ifjm bezeichneten Soften erwadjfen. ^nbeffen genügt bie 
Sc^auptung, e5 feien bem Mager jene Äoften erwachfen, nicht, um biefclben 
erigibcl ju machen; oiclmchr bebarf e3 einer gerichtlichen §eftfteuung; unb für 
bic gerichtliche Jeftfküung ift wieberum bic Behauptung bc£ .Klägers ohne 
Belang; ber dichter hat oiclmchr auf ©runb ber oorgclegtcn Bereinigungen 
311 prüfen, ob ber bic Grefution beantraaenben Partei bic oon ihr behaupteten 
Äoftcn crwadifcn finb. ®ie richterliche Prüfung erftreeft ftd) eben barauf, fefl* 
aufteilen, ob bic «Hoftcn uadjgctotcfen finb, ob Behauptung beS 2lntragfteü"crS 
unb söefchcinniumi fid> beefen (aüg. ©er *Orbn. 1. Sit. 23. §. 27.). 

hiernach ift eine Xäufchung be£ SRichterä wohl baburd) möglich, baß bic 
Partei falidjc Bcfchcinigutnücn über ihr angeblia; erwachsene Äoften oorlegt; 
wenn aber ber dichter oon ber Beibringung folcher Bcfdjcinigung abfieht, wenn 
, er bic Grefution wegen be<8 oon bem Kläger berechneten ^ortobetrag« oerfügt, 
blof? weil ber Kläger behauptet, cS fei ihm biefer ^ortobetrag erwachfen, fo 
lieht er baoon ab, bie ihm auferlegte richterliche Sßrüfuna eintreten ju laffen. 
2)er Bcrflagte ift hier nia)t gcfdjäbigt bura) eine Xäufrf)ung bef föichterö, 
fonbem baburdj, ba§ ber 3lid)ter eine iljm oblicgenbe Function nicht ausgeübt 
hat. 3n biefem ftalle Imt ber Kläger unrechtmäßiger SBeifc Äoften geforbert, 
aber er hat teintn Betrug begangen. 3^un haben oie Borbcrrichtcr nicht fcfl* 
gcftellt unb bie Bcrhanblungen 3cigen niefit an, baß ber 3lngeflagte falfdje Belege 
oorgclcgt habe, ber Slngcflagte fonntc alfo auch wegen Betrug nicht auf bem 
©efichtfpuntte oerurtheilt werben, baß er ben ^rojejjridjter tn einen ^rrthum 
oerfe^t habe. 



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A)«ur|wt9 «öttaitecvt- «ticnntmiie oe» wetcnBgeriajts. 24" 

6ben fo wenig burftc ber Sngeflagte aber in ben Raffen, in welken ein 
Srrtfcum be« ^rojefertdfjterS gar nidjt erregt ift, ber 9ttct)ter oielmetyr bie tl)m 
gefefclid) obliegenbe Äontrole baburdj auSaeübt fyat, bajj er unbef peinigte unb 
ni<$t erwad&fene ^ortoauälagen abgefegt {Jat, wegen oerfud&ten Söetrug« per* 
urtbeilt werben 



§. 164. 0t. (B. B. etrafbarfeit 6er falfd)en 2lnfd)ul6lgung einer bereits 
au|er^alb 5er Derjabrungefrtft Uegenoen ftrafbaren fjanMung. 

@ntfd&. beS III. Straffen, o. 25. ^ebr. 1880 c/a. SWartini, woburefc bie 
flteotfton be« Sfagetlagten surüdfgewiefen worben ift. 

© r ü n b e. 

Waä) bem Urteil beS fjerjogl. £anbgerid&t3 ju &at ber 2lngeflagte, 
weld&er burdfc @rt. be$ l)er$ogl. antjaltiid&en ©djwurgertd&töfwfs o. 4.3uni 1860 
wegen oorfäfelid&er »ranbftiftung, netübt in ber 9tad)t oom 20. junt 21. 5uli 1869, 
burd) 3nbranbfefcung eine« bewohnten ©eitengebäubeS be« ©ej)öfte3 ber 2ötttwe 
93. $u 9t., ju einer 3ud)tl)au$fitrafe oon 5 Jahren oerurtyetlt ift, unb biefe 
©träfe oerbüfet fmt, am 9. San. 1879 bei ber ^erjogl. ©taatSanwaltfd>aft au 3- 
eine 2tnjeige gegen bie Söittroe 83. erftattet, in welc&er er biefe bejüd/tigt, jene 
©ranbftiftung oerübt ju fjaben. 

S)aS ^erjogl. Sanbgerid&t fteUt auf ©runb biefer Sfjatfad&en o^ne 9tedf)t3* 
irrt^um fejt, bafe ber Slngeflagte bei ber genannten ©taatäanwaltfd&aft eine 2tn* 
jeige gemalt l)at, burd) welche er bie äBittwe 91. 23. geb. wiber beffereä 
&iffen, ber 93egefjung einer ftrafbaren fianblung, einer oorfäfclid&en öranb* 
|iftung,^befd)ulbtgt, unb beitraft bemgemäfj ben angeftagten aus §. 164. beS 

3war wenbet ber Slngeflagte in feiner auf Seriejung beS ©trafgefefceS 
gegrünbeten SReoifion ein, baS Sßerbred&en ber S3ranbftiftung fei *ur 3eit ber 
änjeige längft oerjä&rt gewefen; unb fo oiel bie Slften erfennen laffen, ift bieg 
in ber Sttjat nad> §. 67. beä Steide unb Sri. 71. beS @t. ®. 23. für baS 
§er$ogtf)um 2lnt)alt>2)ejfau*(Sötf)en o. 28. 3)tai 1850 ber %a\l geroefen. 

Reffen wirb baburdj ber £f)atbeftanb unb bie ©trafbarfeit ber fallen 
anfc^ulbigung nidr)t au^gef^toffen. 

S)urd^ ben §. 164. wirb, feinem 2öortIaut na<$, auc^ ber gaU gebeeft, in 
welkem ^wn^nb ber Siegelung einer ftrafbaren öanblung befc^ulbigt wirb, 
bestiglid^ beren nur bie ©trafoerfolgung gegen ifn burd) 3Jerjäf)rung auö* 
gefetoffen ift. 

llnb wenn auef) ber Umftanb, bafe eine Slnjeige bei ber ®e^örbe, unb 
bie $efdf)ulbigung gefe^lid^e ^atbeftanb^momente bitten, bie 2tnna(mte nahe 
legen, e§ fei, wenn nidjt bie 2lbfid)t be3 S)enuncianten, eine Unterfud^ung gegen 
ben &efd)ulbigten ^erbetsufü^ren, bod) baS SBewujjtfein beffclben norau^gefe^t, 
bafe burd^ bie Sinnige bie ©efa^r einer folgen Unterfud^ung für ben ©efiul" 
bigten erwa<$fe, fo ift auf ber anbern ©eite tu erroägen, ba§ fold)e ©efa^r 
feinejSwegS baburd^ befeitigt wirb, bafe bie ©trafoerfolgung objeftio burd) 43er* 
jabrung auögefa^loffen ift. S)ie ©tra^oftgfeit aber für biejenigen gafle au«p 
fpred^en, in benen naa) ber fonfreten ©ad;lage fd^on bei ber 2ln*eige flar 
norliegt, ba& bie Serjäljrung gegen bie ^erfon beS ^cidjulb igten abgelaufen 
fei, raadtjt Unterf Reibungen not^wenbig, für weld)e ba« ©trafgefe^ feinen 2tn- 
^alt bietet. 

^iemaef) ift bie Steoifion be£ 2lngeflngten ju oerwerfen. 

Ari.v 1880. XV. 4. ©eft 17 



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250 ©eutfäe« ©trafrcd&t. CfrtenitrrUfie US Wet(fi3geri*t8. 

§. 267. 0t. <B. B. 3n 6er llebergabe einet gefällten Urfunbe an 
einen von it/rem Cljarafter unterrichteten Boten groeefe (Eintyänoiaana 
oerfelben an 6en ju täufebenoen dritten liegt fein jum lijatbejtanb 
6er Urfunöenfälfdjung erfor6erlia)er (Bebraud) 6er Urfunbe. 

ßntfd). be« m Straffen, o. 28. $ebr. 1880 c/a. »erger, woburd) baä 
Borerfenntutjj aufgehoben unb auf 3urürfoermetiung erfannt worben tft. 

© r ä n b e. 

$>er Sdjneibermeifter @. B. in üuettenborf ift oon ber Straff ammer 
be8 J&erjogl. £anbgertd)t$ $effau am 9. $ecbr. 1879 wegen Urfunbenfälfd)ung 
ju einer ©efängmfjftrafc von 2 3Jlonaten oerurtfjeilt. 

2)er 2lngeflagte l)at am 30. 2Iug. 1879 unter bem tarnen be8 öffentlichen 
gleifct)befd)aucr!5 ß. in Ducllenborf olme Sßiffen unb SBillen beffelben ein 3tugnrfe 
bariiber auSgefteUt, bafe fid) bei forgfältiger mifroffopifdjer Unterfud)ung ber it>m 
r»om ©aftmirtrj %. Ä. in üuellenbotf übergebenen Steile eines an biefem 2age 
gefd)lad)teten Sd)wcine3 £ria)incn nid)t oorpefunben (mben. $ie $leifd)tl)eUe 
waren U;m oon bem 3)ienftmäbd)en be£ Ä. im £aufe beS abroefenben & übet* 
geben, er c)at ifjr ba« 3eujjntjj mit ber Slufforberung au«gei)änbigt, baffclbe bem 
Ä. ju übergeben, hierbei aber bem St. nid)t 3U fagen, bafe es nid)t oon 8. au«' 
geftellt fei. 

2)ie Straffammer be8 £anbgerid)t§ erachtet bamit aU feftgefteHt, bafc ber 
2lngeflagte oon ber Urfunbe junt ftmede einer Stäufdjung ©ebraud) gemaejt 
l)abe, benn e$ fei oon ber Urfunbe $u bem 3mecfe ©ebraua) gemacht, bamit fte 
oon Ä. als ed)t unb oon & amtlid) auSgefteÜt irrig entgegengenommen unb 
bentifct werbe. 

5E)te Straffammer nimmt femer an, ba£ 3cugni§ beS öffentlichen $leifa> 
befd)aucr3 biene ofmc weiteres ftormenforbernife als Beweismittel für bie 
orbnungSmäfiige Beobachtung ber lanbeSpolijetlidjen Borfd)riften beim Sd;lad)ten 
oon Schweinen, fjabe in 2lnfel)ung feines 3"()altS ooue BeweiSfraft, unb fei 
bafjer eine öffentliche Urfunbe. £ie red)tSwibrige 2lbfid)t beS 2lngeflagten bei 
ber gälfdmna. ftellt bie Straffammer enblid) mit 9tüdftd)t barauf feft, bafj Sin* 
geflagtcr fia) bcwujjt gewefen ift, ba& er jur Anfertigung ntd)t ermächtigt mar, 
unb bafj er eine ^olge rjetbcifüljrte, weld)e bem befteljenben 9lcdtjti5auftanbc 
juroiberlief. 

Slngeflagter hat SReoifion eingelegt, welche er bamit begrünbet, bafj ber 
Sljatbeftanb ber plfdnmg nad) §. 267. beS 9t. St. ©. B. burd) bie tl)atfäa)licbc 
fteftftcllung nicht erfd)öpft mürbe. 

$ie fteftftcUung beS ^orberridjter^, tocld)e fid) auf ben ©ebraud) ber 
Urfunbe jum $\vcdc ber 'Xäufchung bezieht, ift unhaltbar. &ie »ebeurung ber 
Urfunbe befterjt barin, bafe fie Beweismittel ift. 3)ie Urfunbenfälfdjung bqie^t 
fid) gerabe auf biefc mcfentlid)e Bebeutung ber Urfunbe. 2)cr ©efe^geber forbert 
$roei .panblungen, bie falfaje $crfteUung unb ben ©ebraud) jum 3roecfe ber 
2;äufd)ung, beibe beziehen i'id) auf baS Bcrocismittcl. S)er ©ebraud) jum 3wedc 
ber 3:äufd;ung fann hiernad) nur barin gefunben werben, bnfe bie falfdje Ur* 
funbe unmittelbar jum ^rocefe ber £äufdjung als Beweismittel benu^t wirb. 
S)er 2lngeflagtc tyat fid) einer 9JKttel£»erfon bebient, weld)c baS waljre Saa> 
oerrjältnife fannte. ©etäufd)t werben follte ber ©aftwirt^ Ä., alfo fonnte aua) 
erft irjm gegenüber oon einem ©ebraud) ber Urfunbe bie SKebe fein. S)ie 
Ucbergabe ' be« fnlfdjcn ^eugniffeS an baS SWäbctjcn war eine Borbereitung 
biefeä ©ebrauchS; eS fonnte in ^rage fommen, ob baS Räbchen $um ©ebraueb 
ber Urfunbe angeftiftet war, aber in ber Ucbergabe ber Urfunbe an ba$ 
Tabellen, bamit biefe es bem ©nftwirtb überbringe, fonnte otjne 9tecr)töirrthum 



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1»- 1 • 
I 



S)eutfc$*8 @trafre*t QMcmttniffc M 9lei4SAeri*t8. 251 

noch nicht ein ©ebrauä) jum 3roec?e ber Xäufdjung gefunben werben. £cr 
Sßorberrichter Im* nicht feftgeftcllt, ob bic SDHttelgperfon baS falfd^e 3eugnifj 
roirflid) überbracht, unb ob fie bobei oerfchroiegen l;abe , bafj baS 3*U8 n ife »on 
bem ftteiüpefdjauer 2. nicht herrühre, SBärc baS ntd)t ber %atl geroefen, fo 
mürbe eine ooUenbete Urfunbcnfälfehung nicht oorltegen. ©onadj fehlt e£ in 
biefer Sejiefmng aHerbingS an einem für bic 2lnroenbung be8 §. 267. genügenb 
feftgcfteUtcn Sthatbefianbe. 



§. 183. 6t. <B. B. 2Ue untüchtige IjanMungen im 6tnne bes §. 183. 
@t. <B. B. fmb alle ben (Bcfcbledrtetrieb anreUenben Jjanblungen an- 
jufe^en, ohne 6ajj ilmen eine Hicbtung auf Befrieblgung jene« Triebes 
bei5Üroobnen hätte. Durch öie lofale Tlnfcbauung , ba| in berartigen 
fjanblungen ilnjlttlicbeß nidjt 5U fmben fei, roirb it»rc @trafbarteit 
nicht ausgefcblojTen. 

entfd). bcS III. Straffen. 0. 28. gebr. 1880 c/a. SBtibben, raoburch bie 
Sieoifion ber ©taatSanroaltfchaft für begrünbet eraa)tet unb unter 3urücfoerroeifung 
baS SBorerfenntnife aufgehoben roorben ift. 



© r ü n b e. 

S>ie oon ber ©taatSanroaltfdmft erhobene unb auf SJcrlefeung oon Tonnen 
beS ©trafrech t$ geftüfcte SReoifion mar für begrünbet ju achten. 

S)er 3nftanjrta)ter tyat t^atföcblic^ fcftgeftcllt, bajj bie 9lngeflagten, unb 
unter ihnen auch bie ad)t in ber Sieoirtonsfchrift aufgeführten ^erfonen, in einem 
öffentlichen Sofate in ©egenroart einer größeren Slnjahl oon 3Jtenfchen ba£ fo* 
genannte „freien" betrieben rmben, bajj fie ftd), Surften unb 9)täbd)en bei ein* 
anber ftfcenb, meiftenS umarmt fmben, unb mehrere s #aare oon ber ©enbarmerie 
in einer Stellung betroffen roorben fmb, roeldje als eine „mehr liegenbe" ober 
al« eine „ähnliche t)atblieaenbe" unb als eine folaje Oejcid^net roirb, bei toeld)er 
ber Surfte unten, ba3 3Jläbchen auf jenem aelegen hat- 

Sei ber rechtlichen ^Beurteilung biefer itlmtfac^en ift nun ber dichter 
baoon ausgegangen, bafj bic gegen fämmtliche Slngef tagte feftgefiellten §anb* 
lungen jroar nicht alä ftttliche unb anftänbige aufjufaffen feien, bafj fie aber 
auch nid^t als un5üd)tige im ©inne oon §. 183. bc$ ©t. @. angefehen werben 
fönnten, roeil hierbei oie länblichen SBerhältniife unb ber Umjfanb in Betracht 
gelangen, bafj man in ber ,§eimath ber 2lngeflagten in ben fraglichen ßanb* 
lungen nnftttltcheS überaß nicht ju befinben pflege, unb roeil ju bem Segriff ber 
unjüchtigen £anblung erforbert roerbe, bafj biefelbe, roaS oorliegenb nicht er* 
rotefen fei, birc't ober inbireft auf SBefriebigung be« ©ci'thlecht^triebe« ab- 
gezielt habe. 

btefen ©rünben tfi ber ^nftanjrichter }U Verneinung beS hauot* 
fächlichften XhatbepanbSmerfmaljS gelangt, (ir Imt in beffen golge feine SBer* 
anlgffung gefunben, auä) in SBctreft ber anberroeiten Xhatbeftanblmcrfmale be3 
ber Slnfwgc 3U ©runbe liegenben Vergehens im ©injelnen fid; au^^ufprechen, 
vielmehr mit einer negatioen ^eflftcüung beS gefe^lichen ©efammtbeftanbeS 
fia) begnügt. 

3n ber 9ieoiftonSfchrift roerben nun bic beiben oben ermähnten ©rünbe 
unb (srroäaungen, rocla> ju einer gmiprechung ber 31ngetlagten oon ber 
prinzipalen SHnflage geführt haben, als rccht&rrthümlid) bejeichnet unb mit stecht. 

2Baö ben §ule^t erroäljnten ^unft anbelangt, fo ermangelt bie Sluffaffung 
be£ QnftanjrichterS, burch roelche eine oon bem ©efefcgeber nicht beabfichtigte er* 
hebliche (xinfehränfung ber ©trafbarfeit herbeigeführt röerben roürbe, überalt einer 

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I 



252 



2>eutf(f)e8 Strafrccfit. (Srtenrttntffc be8 fflei$§gericf>t«. 



jurcid)cnbcn SBegrtinbung. @S fcmn barauf bingerotcfen werben, bafc fte auch m 
ber Subifatur feinen Inhalt ftnbet; bie 3Hchr*ahl ber oormaligen oberften 
©eric^tsStjöfe hat fieh in Uebereinftimmung mit 6er in ber 9ieoifionSfd)rifi an* 
gezogenen (rntfebeibung beS Geichs *CberhanbelSgericbtS bahin auSgefprodjen, 
unb bcuS 9ictd)Sgcricht bat fid) biefer Sluffaffung angefd)loffen, bafj $u bem Se* 
griff ber untüchtigen £anblung neben ber gegen (Sitte unb Snftanb, gegen baS 
todjam* unb ©ittlichfeitSgefütjl gröblich oerftoBenberi (Sigcnfchaft nur bie gefchlecht* 
liehe SBejiehung berfelben erfordert roirb; banad) genügt e£, baf? bureh bie SBor* 
nähme ber £anblung ber ©efdjtcc^tötrieb angeregt ober erregt roerbe, eS ifl 
nicht nöthig, bafj ber §anblung eine Dichtung auf öefriebtgung beS Triebes 
beiwohne. 

(Sben fo roar in betreff beS anberen, in ber föeoiftonSfchrift ^eroor* 
gehobenen 2JtomentS ber 2luffaffung beS 3nftanjrid)tcrS in fo fern nid)t beiju* 
treten, als btefclbe auf bem allgemeinen ©afee beruht, baji aud) eine foldje 
§anblung, oon melier feftgeftellt ift, bafj fie nicht bem Slnftanbe unb ber ©iUe 
entfpricht, in ihrer ©trafbarfeit aus §. 183. abhängig fei oon ber 2lnfd)auung 
ber ^Berufs* unb §eimathSgenoffen ber 2lngeflagten. 6S ift oielmet)r baoon 
auSjugehen, bafe es aüerbingS unfittlidje unb, bei bem ^pinjutritt beS erft* 



©traf barfeit felbft burd) ben in einer ©emeinbe ober in einem Scjirfc allgemein 
oerbreiteten 3 u ft anD Don Unfittlid)fcit unb oon Sßcrberbthett ber SÄuffaffung 
über ©Ute unb Schamgefühl nicht aufgehoben mürbe. £ienu fommt, baf} ber 
änftanjric&tcr bura) ben oon ihm hierbei gebraudjten SluSbrucf „pflegt" eine 
Unftdjer^cit in feine 2lnfchauuna> unb SluSbrucfSroeifc hineingetragen \)at, 
roeldje baä in bem ©age juerft 2luSgeiprochene in geroiffer öejiehung roieber 
aufzuheben geeignet ift; benn mit bem gebauten 2lu$Drucfe roirb begriff tid) ba§ 
s 3eftet)en eine« geroohnheitSmäfeigen, ber Siegel ober ber SWehrjahl ber $älle ent* 
fpredjenben 3uftanbeS, jugtetch aber baS 2>anebenbeftehen einer gegenteiligen 
2lnfa>uung bejcidjnet, unb eS ift nicht erfennbar, ob ber dichter mit bem StuS* 
gefprodjenen etroaS WktyxcxcS I^abe auSbrücfen roollen als roie, bajj ein gro§er 
£t)eil ber 33eiootjncr im £eimathßbejirfe ber 2ln0eflagten ober fclbft bie wh\)i' 
fjeit bie Sttuffaffung oon ber s Jiia)tunfittlid)feit ber feftgeftellten §anblungen theile. 
eine foldje SlufftcUung roürbe. jeboeb roeber ben begriff ber untüchtigen §anblumj 
in objeftioer Ziehung ju änbern, noch a "<h to fubjeftioer Söejiehung baS $e* 
roufjtfein ber Shäter oon ber ©trafbarfeit ber $anblung auSjufcbltcfjen im 
©taube fein. GS roar fonadj bie oben ermähnte rechtliche (Stroägung m ber in 
bem Urthetle gebrauchten %oxm überhaupt nicht als geeignet ju befmben, um 
als 9lecht^grunb für Sßerncinung eines XhatbeftanbSmerfmate einem ^alle 
ber oorliegenben 2lrt oerroenbet }U roerben. 

2)ic unrichtige Sluffaffung beS ©trafgefc^e^, oon roclcher ber J^fnfian^ 
ridjtcr ausgegangen, unb auf welcher baS UrtheÜ beruhte, mufete 3U Aufhebung 
bcS lederen unb ber bcmfelben ju (ikuube liegenben thatfäd; liehen geftfteUungen 
führen, fo roeit ScibeS, Urteil unb geftpeflungen, fich bejicljcn auf bie grei* 
fprechung ber acht in ber 9tcüi!"ionSfd)rift benannten 3lngeflagten rochen beS 
Vergehens auS §. 183. beS ©t. ©. 33. unb auf i<erurthcitung oon breien ber* 
felben roegen Uebertretung aus §. 360. 9er. 11. beS ©t. ©. 93. 



Gntfch. beS I. ©traffen. o. I. SJiärj 1880 c/a. ^ungmann, rooburd) 
bie dtemfion bcS Slngcflagtcn jurücfgeiuicfcn roorben ift. 




§§. 227. 'Jlbf. 2., 137. 217. 377. §ijf. 8. @t. p. (D. HlAtbercchtigung 
5es Qlngeflagtcn, bie Qluöfe^ung ber 3U einer fpateten auj urfprünglicb 
anberaumten @tunbe beginnenden f^auptoerhanMung 5U beanfprua)en. 



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2>eutf$e8 ettafte*t Cttcnntnifie be« «ei^etidjt«. 



253 



® t ü n b e. 



©er Hngeflagtc unb bcr von tfjm gewählte Sertbetbiger waren jur SfrauvU 
oerhanblung auf ben 3. $an. b. M. SBormittag« 11 Uhr rechtzeitig oorgelaben 
roorben. m tonnte jeboch mit bcrfelben erfl am Nachmittag biefe« Sage« nach 
4 Uhr begonnen werben. 5)er 3lngeflagte mar erfchienen imb ftetltc unter 
Sejugnabme barauf, ba§ fid) fein Sertheibiger au« 2Jtongel an $tit bereit« ent* 
fernt Imbe, ben Antrag auf 2lu«fefeung ber SBerbanblung. 3)a« ©eridjt oerroarf 
ben Antrag mit ber (Srroägung, bafe nach §. 227. 2lbf. 2. ber St. gJroj. 0. eine 
Scr^inberuna be« SJertheibiger« bem Stngeftagten fein ÜRecht gebe, bie 2lu«fcfcung 
ber 58ert)anblung 311 oerlangcn. ipterin finbet bie Weotfion in ©emäötjeit ber 
§§. 137. 217. 377, 8. bcr 6t. ^roj. 0. eine unjuläffige ©ef^ränfung ber Qier* 
tbeibigung, welche $ur Aufhebung be« erlaffenen oerurtbeilenben ©rfenntntffe« 
führen muffe. Sie fucht biefe ^Behauptung baf)in ju begrünben, bcr am 3. $an. 
b. 3«- Nachmittag« abgehaltene Dermin tonne nicht al« bcr auf ben Vormittag 
biefe« £age« anberaumt geroefene betrachtet roerben, fonbern erfcheinc al« ein 
neuer Dermin, in roelchem bie SHnroefenheit be« ^ertheibiger« burd) eine aber* 
maligc 93orlabung hätte ermöglicht roerben muffen. $>iefe Scgrtinbung mufj 
jeboch für unjutreffenb crad)tct roerben. S)ie ßabuna be« Slngcflagten unb feine« 
ißertheibtger« mr £auptoerhanblung auf eine beftimmte Stunbc Inn nicht bie 
löebcutung, ba| biefclbc aroetfello« gcrabe \u biefer 3 C ^ oorgenommen roerben 
foüe, roiörigenfall« für ftc ein anberrociter Dermin roerbe anberaumt roerben. 
Vielmehr iiept bie SBebeutung biefer üabung barin, bafj fid) ber 2lngeflagte rote 
fein ^ertheibtger oon ber in berfclbcn feftgefefcten 3ät an bereit ju halten h«be, 
in ber &auptoerbanblung ju erfebeinen, bi« biefelbe entroeber wirf lieh ftattfinbe 
ober fie oertagt roerbe. 2)a« 2lu«bleiben be« ^ertheibiger« in ber am 9ia<$* 
mittag be« 3. $an. b. ftattgefunbenen $auotoerhanblung roar fonad) ein 
rechtheh nicht entfajulbigtc«, unb e« hat barum ba« ©ericht, inbem e« ben auf 
biefe« 2lu«bleibcn geftüfctcn Antrag bc« SJlngefla^ten auf Anberaumung eine« 
neuen Dermin« unter jpinroeifung auf §. 227. Slbl. 2. bcr 6t. $roj. 0. ablehnte, 
fta) feine«roeg« einer #crlcfcung be« ©efefce« $ur Saft fallen laffen. 



§§. 65. 12L 153. (F. D. (£., §. 577. §iff. 1. St. Proj. <P. Bei Der- 

tnn&crung 6e* ordentlichen üorfi^enben einer Straffammer ober eine* 

@traffenate tyat &ae altejtc flänbige ITUtgUeo ben üorjifc 3U führen. 
(Ein Derflo| hiergegen begrünbet Heoifion. 

©ntfer). bc« II. Straffen. 0. 2. 9Jcar$ 1880 c/a. 3 er ahn, rooburch bie 
gteoifion für begrünbet erachtet unb auf 3urücfocrroeifung erfannt roorben ift. 

3n $olge Scrfefcung be« 2anbgericht«bireftor« ^. al« orbentlichen SBor* 
ft&enben ber Straffammer be« Sanbgcricht« $u ^ot«bam hatte in bcr Sifcung 
00m 12. Wov. 1879 ber £anbgericht«rath mit iKücffic^t auf bie $öhe feine« 
S)ienftalter« ba« ^räfibium übernommen. 

Sngeflagte legte bernjuifolge s Jleoifion ein, roeil nicht 6 , fonbern ber fianb«- 
gcrta)t«rath al« Dao ältefte ftänbige 9Jhtglteb ben SBorftft l)ättt führen müjfen. 
SDic 5teoifion rourbe ftattgegeben. 




2)er junädtjfi su prüfenbe SReoifion«grunb, welcher fich auf gericht«' 
oerfaffung«rotbrige Sefe^ung be« erfennenben Bericht« begeht, erroeift fich th«^ 
roetfe al« jutreffenb. 




® r ü n b e. 



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254 EeutföeS etnMt «rtemttniffe t*8 9lci<$3geti<$t3. 

3roar J^at fich bie Vchauptung bct Slngetlagten, baß Sanbgerichtärath 6. 
jum Gintritt in bic ©traffammer als Stefloertrcter nicht berechtigt gewefen fei, 
Den eingetretenen aiutUdjen Grabungen zufolge nicht beftätigt, inbem nacf> einet 
Verfügung, locld^c ber £anbgericf)t«präfibent zu ty. in 2Ibänberung be« gemäß 
§. 2. Stbf. 1. ber allg. Verfügung be« preuß. ^uftijmimftcrS o. 2. Suli 1879 
fa. 9ß. OL 6. 209) Don bem ^räfibenten be« Änmmergertcht« getroffenen 
©cfchäft«oertheilung«plan« auf ©runb ber in §. 2. 2lbf. 2. baf. erteilten @t 
mädjtigung am 6 9ioo. 1879 erlnfjcn hat, Sanbrichter §. unb £anbgericht«rath 6. 
ju regelmäßigen Vertretern aller ftänbigen ättitglteber ber ©traffammer in ber 
bezeichneten Reihenfolge ernannt finb, baher, nachbem Sanbrichter «p. burch netter 
bezeichnete auswärtige ßofaltcrmine an ber Xneilnabmc an ber Straffammer* 
fifcung o. 12. s Jcoo. üerfunbert mar, £anbgertcf)t«ratb @. mit s Jtecht zur Äom* 
pletirung ber Cammer l)erangejogen worben ift. 

3ur Rührung be« Sßorfiö C!S DC i Dcr oorltcgenben Verhanblung war Sanb* 
gerid)t«rath 6. bagegen nicht befugt unb in fo fem ift bic üReotfton begrünbet. 

3)er §. 65. bc« ©. V. ©. beftimmt, baß im galle ber Verlunberung be« 
orbentlict)en Vorfifcenben einer Cammer be« SanbgeridjtS ben Vorfifc ba«jentge 
ÜJcitglieb ber Cammer füljrt, welche« bem $)ienftalter nach unb bei gleichem 
SDienftalter ber ©eburt nach ba« ältefte ift, unb c« läßt ftch zugeben, Daß bei 
ftrenger 2öortau«legung unter ben v Dhtgliebern, welche zum Vorfiji berufen finb, 
ftch auch bie lebiglich al« SteUocrtrcter eingetretenen oerftehen laffen, ba für 
bie 3)auer be« StcUoertretung«oerhältniüe« fie in ben $ienfrfrei« ber Vertretenen 
eintreten unb alfo gleich biefen bie Stechte unb pflichten ber ftänbigen W\t* 
glieber ausüben. 

9}icht«beftomeniger muß bie Anficht für richtig gehalten werben, baß ba« 
@efe|j unter bem üttitglieb, welchem e« bie Vertretung be« orbentlid&en Vor» 
ftfcenben im Vorfifc überträgt, ba« ältefte ftänbigc TOglieb oerftanben roiffen will. 

s Benn nach ben §§. 02. unb 03. a. a. 0. ba« ^räfibium oor Vcginn beö 
©efd>äft«jahre« auf bie £)aucr beffclben bie ftänbigen SDlttglieber ber einzelnen 
Äamraern unb für ben %aü ibrer Versilberung bie regelmäßigen Vertreter zu 
beftimmen hat, fo bcfdjränft ftd; bic SHcgulirung biefer Vertretung auf bie 2ßit> 
glieber ber Cammer mit 2lu«fchluß bc« Vorftfeenben. alfo auf bic beififeenben 
dichter, ftür ben Vorfifecnben fyat ba« ^räftbium feinen Vertreter zu be^ 
ftimmen, weil berfelbc im §. 05. burch baS ©efefc befttmmt ift. hieraus ergiebt 
fich, baß ba« burch 3lnorbnung be« spräftbtum«, hier bc« ^räftbenten, zur Sc* 
tretung berufene SRitglieb immer nur zur Vertretung eine« ber beiftfeenben 
dichter Ijerangejogen werben fann, unb baß im Boll ber Verhinberung be« Vor 
fi&cnben bie Heranziehung biefe« oertretenben 3)?itglieb« nur bcö^alb erfolgt, 
weil ba« ftänbigc ältefte 9)Iitglieb ben Vorft^enben zu oertreten hat unb bcSfjalb 
feinerfeitö als beififeenber dichter zu oertreten ift, bic Ucberna()inc beS Vorft^ 
feiten« bc§ älteften ftänbigen 9)?itgliebe3 ifl fn crna $ ^ n biefem galle bic $c» 
bingung für bie 3Witwirfung De« oertretenben SKitglicbeS in ber Cammer, unb 
eS tann bnl;er ba« Severe niemal« zur Vertretung be« orbentliajen Vor^enben 
berufen fein. 

Uebrigen« fprechen auch noch fonftige innere ©rünbe für bie Stichtigfett 
biefer 9lu«legung. 

^unächfi fommt in Vetracht bie gefammte Stenbcnz bc« §. 65. ©crfelbc 
gehört zu jener ©ruppe oon Vorfchriften, welche in bie Vefefcung niAt bloß ber 
Äammcrn bei ben l'anbgertchtcn, fonbern zufolge ber §§. 121. unb 133. baf. 
auch ber Senate bei ben Oberlanbe«gerichten unb bem 9lcich«gertchtc Diejenige 
(Stabilität bringen folltcn, bic man zur möglichftcn Vcfcittgung jeben GinRuffe* 
anberer Organe unb zur Stärfung ber richterlichen 6elbftftänbigfeit glaubte 
f orbern zu follen. demgemäß bejtimmte §. 61., baß bie Verkeilung be« Vor^ 
fite« in ben Kammern, au^gcTtommen biejenige, welche ber ^räftbent fclbfl fia) 



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r 



2>cutfd)<$ Ärrajtecijt. (Jrlcnntniflc bcS 9leicf)Sgeri^t8. 255 

anfd^lie^t, oor Vegutn be« ©efd^äftöja^rcS nach ber Stimmenmehrheit be« 
$räfibcnten unb ber S)ireftoren erfolgt, ferner §. 62., bafc bie cor beginn be« 
@efchäft«jabre« auf bie Stauer bcifeloen fetten« be« ^Jräfibium« getroffene Ve- 
ftimmung ber einzelnen 9Jlitglieber unb beren regelmäßigen Vertreter nur au« 
befonberen ©rünben mieberum geänbert werben folle. 

äßenn nun §. 65. für ben tfall ber Verbinberung be« orbentli$en Vor* 
fiftenben beffen Vertretung bem älteiten iölitglieb ber Äammer übertragt, anftatt 
folc^e ber au« ber Statur be« Äollegtalfoftem« fich oon felbft ergebenben Siegel 
ju überlaffen, bafc ba« Sienftalter ber mitmirfenben 2Kitalieber entfeheibe, fo 
fann biefe« nur auf ber Wicht berufen, auch * n biefem #alle eine möglicher' 
weife wechfelnbe, oon bem ©rmeffen eine« ©injelnen abhängenbe Vertretung ju 
oermeiben, wie folche eintreten tonnte, wenn wegen Verbinberung be« regeU 
mäßigen Vertreter« ein jeitroetliger Vertreter geraäfc §. 6b. baf. oon bem $rä* 
fibenten allein ernannt würbe, welchem al«bann in $olge feine« leeren 3)ienft* 
ober £eben«aiter« bie Priorität im Vorftfc gegenüber bem älteften, ftänbtgen 
s DUtgliebe gebühren mürbe. 

@« ift femer im Stuge $u behalten, ba& e« fich im ftalle ber Verbinberung 
au« §. 65. nicht um bie Vertretung be« orbentüchen Vorfifcenben für eine 
einzelne ©ifcung ober ein einzelne« ©efebäft hanbelt, fonbern um bie gefammte 
$hätigfeit, welche fich au« bem Vorfafc ergiebt, unb bafe ber Vorfifc auch eine 
3tcihe oon gunftionen umfafet, welche, wenn fie aueb außerhalb be« ÄoUcgium« 
unb unabhängig oon bcmfelben ju erlcbigen ftnb, immerhin eine genaue tantntfj 
ber ©efdjäft«* unb Sßerfonalocrhältntffe ber betreffenben ©ericbt«abtbeilung 
wünfehenöwerth unb bt« ju einem gewiffen aJtoafje unentbehrlich machen. S)tefc 
oorwiegenb praftifebe ©eite ber ©adje weift aber ebenfalls auf ba« ältefte 
Ränbige TOglteb mit Gntfchiebenhett hin. 

tönblich ftelu biefer Auslegung auch bie jRücfficht auf bie nothwenbige 
Kontinuität be« Vorftfce« jur ©eite, ba woüte man ben jcbe«mal eintretenben 
Vertreter unter ber Vorau«fefcung, bafc er ber ältefte ber mitwirfenben dichter 
ift, pr Uebemahme be« Vorfifce« für bewiefen erachten, unter Umftänben in 
jeber ©i&ung ein Sßechfel be« Vorfi&e« eintreten tonnte. 

3n ber gegenwärtigen ©ache mufjte baher, nachbem ber orbentlichc Vor* 
fi&enbe an ber llebernahme be« Vorfifce« in ber <pauptoerhanblung oerhinbect 
war, berfelbe oon bem älteften orbentlicheu SJiitgliebe ber ©traffammer unb, un* 
geachtet feine« höheren SDienftalter«, nicht oon bem eingetretenen ©telloertreter 
geführt werben. 

S)er oorliegenbe Verftofe fällt unter §.377, 1. ber ©t $ro$. 0., ba e« fich 
um einen Langel in ber Vefefeung be« ©eriebt« in fo fern hanbelt, al« ber 
Vorfifcenbe, wenn er auch bie Vefälngung al« beiftfcenber dichter mitjumirfen 
befafj, boch ber Vefugnife, ben Vorftfc ju führen, ermangelte. 2luf eine Erörterung, 
ob ba« Urtheil auf bem HJlangel beruht, war hiernach nicht einzugehen. 



§. 34L St. Pro5. <D. Unwirffamfeit 6ee in einem Prototolle bee 
iBefängniiinfyeftors abgegebenen Persichte bes Angenagten auf (Ein- 
legang öer Heoljlon. 

©ntfeh. be« III. ©traffen. o. 3. Wläx^ 1880 c/a. SSitte, woburd) bie 
!Reotfton be« Stngeflagten für begrtinbet erachtet werben ift. 

® r ü n b e. 

25er Stngeflagte hat am 12. SDcj. 1879 ju «ßrotofoü be« ©efängnife* 
infpettor« erflärt, er beruhige fich ^ ber ihm burch fchwurgerichtliche« @rf. 



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256 3>euttdx8 Straftest (Srtcnntntne US 3Ui<$8acricf)t8. 

p. 10. J)c$. 1879 auferlegten bretjährigen 3uchthau«ftrafe, bitte biefetbe fofort 
antreten ju bürfen unb ipn mit bem nächften $ran«port nach ber Strafanftalt 
abführen ju laffen. 

@r lwt batauf in einer fchriftlicben (Srflärung o. 15. SDej. bie (Srflärung 
o. 12. 35ej. wiberrufen unb ba« fteqtfmittel ber föeoifton eingelegt. @r hol 
bemnächft bie SRcüifion burch Sufftellung oon elf IBefchmerbepunften begrünbet. 

^a* Slblauf ber ftrift bat bie bura) eine Vollmacht nicht legithnirte <£ty> 
frau be« 2lngcf tagten noch einen Nachtrag geliefert. 3luf ben lederen ift ferne 
ftücfftcht ju nehmen. 

2)ie Steoifton be« Slngeflagten fann al« unjuläfftg nicht angefehen werben. 
(£« ift baoon auSjuge^en, bafe ber 2ter3tcht auf bie föeoifton, wie bie ©inlegung 
ber toifton, nach §. 381. ber 6t. Sßroa. 0., au ^rotofoü be« ©eri<ht«fchreiber« 
ober fd^riftlid^ m gefAehen f>ot. 9iach §. 341. ber 6t. $roj. 0. fann ber nicht 
auf freiem ftujje befmblichc 93efd)ulbUue bie ©rflärunaen, reelle fi<h auf 
9techt«mittetbeaiehen, ju ^rotofoll be« ©ericht«fcbreiber« befijenigcn ©ericht« 
geben, in beffen ©efemgnife er ftd) befinbet unb, fall« ba« ©efängnife fein gerid)t* 
liehe« ifl, be«jenigen Amtsgericht«, in beffen Sejirf ba« ©efängnifc liegt, £ier 
wirb oorau«gefe&t, bafj fieb bie SBeftimmungen ber ^roaefeorbnung über bie pro* 
tofollarifche jorm nicht blofe auf bie (Anlegung ber s Jtedbt«mittel bejie^en; bie 
Hnmenbung auf ben 33erjtcc)t ober bie 3urücfnahme ift alfo gerechtfertigt. 

s Jiun fann auch ba« ^rotofoll be« ©efängnljjtnfpeftor«, wenn f%on ba«> 
felbe oon bem 2lngeflagten unteraeichnet ifl, als eine fchriftliche (SrfTärung be« 
5öcrjid)tö nicht angefehen werben. 3>enn abgefehen baoon, bafj e« bebenflich er* 
f feinen bttrfte, auf biefem Umwege bie protofollarifche ftorm, gleichgültig oon 
melcbem Beamten ba« ^ßrotofoll aufgenommen worben ift, al« eine allgemein 
mläfftge au geroinnen, roäbrenb ba« ©efefc fte auf ba« ^rotofoH be« ©ericht« 
fchreiber« be|d)rdntt bat, fo geht aud) au« bem Inhalt be« ^rotofotld be« ®e* 
fängnifjinfpeftor« felbft nid)t jjeroor, bajj ber Slngeflagte feinen ^erjidjt bem 
©ericht gegenüber l)at abgeben wollen, unb bafe ba« ^rotofoll mit feiner <5r< 
mädjtigung an ba« ©ericht abaegeben ift; bei ber f$riftli$en Grflärung aber, 
welche oon einem Slngef tagten felbft au«gef)t ober bie in feinem Auftrage nie ber 
gefchrieben, oon itmt unteraeid)net wirb, ergiebt fid) biefe Sejieljung regelmäßig 
au« ber äußeren §orm. 



§. 245. 0t (B. B. Begriff ber „legten Strafe 44 unb be« „neuen Dieb* 
flaute 44 im Sinne bes §. 245. 0t <B. B. 

@ntfd). be« I. Straffen, o. 4. 2Härj 1880 c/a. Äu^nt, woburc^ bie 93ot< 
cntfdtjeibung aufgehoben worben ift. 

© r ü n b e. 

2>er Slngeflagte ift in ^olge gerichtlicher 95erurtheilung feit bem ftabre 1855 
h\& §um %ofyxt 1865 oiermal wegen nactj einanber begangener $iebftähle fuccefftoe 
beftraft, auch nach ber am 22. 3uni 1865 beenbigten ©trafoollaiehung wegen 
be« am 31. %. 1863 oerübten (oierten) 3)iebftahl3 burch @rf. be« JtreiSgerichtf 
5U 33. o. 26. aftära 1878, wegen eine« am 20. £ea. 1877 begangenen weiteren 
(fünften) Siebftaftl*, au 14 Xagen ©efängnife, oerbüfet am 14. Sföai 1878, oer^ 
urthcilt worben. 

Srofcbem ift gegen ben Slngettagten wegen be« oon u)m jeftt aur 2w 
gelegten SDiebftahl« o. 6. 3lug. 1879 nicht ber §. 244., fonbem ber §. 242. bei 
6t. ©. 8. aur 2tnmenbung gebracht, weil stoifcBen ber ©trafoerbüfeung roegen 
be« oierten SDiebftahl« (feit 22. ^uni 1865) unb ber Begehung be« 2)iebftoh^ 



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I 



1 



3>tutf<$eS (Straftest fcrtcnntnifte b«3 SW($8geri<$tß. 257 

t>. 20. S)e}. 1877 ein längerer als 10 jähriger 3eitraum oerflrichen, fjierbutdj 
aber in ©emäfcbeit beS §. 245. beS ©t. ©. bie Seftimmung be« §. 244. aus* 
gefchloffen fei 

©efrügt wirb biefe 2luffaffung be<8 St. ©. 33. §. 245. auf bcn angeblich 
nicht oölüg unjroeibeutigen Söortlaut be£ §. 245. unb beffen Sßcr^ältniftcö m 
§.244., welche geflatten unter ber „legten Strafe" bie rclatio (im Serhältniffe 
SU bem ihr junächft folgenben 2>iebftahl) legte unb unter bem „neuen" S)iebftal)l 
benjemgen $>iebftahl m oerftehen, ber auf bie ihm unmittelbar oorauägegangene 
Strafoerbüfeung gefolgt fei. Sbafyin foH auch bte 2lb ficht beS ©efe^gebersS oem 
natürlichen 9tecbt$gefühl entfpredjenb geben, roie infonberheit aus bem geflieht* 
liehen 3ufammen^ange bcS §. 245. beS % St. ©. 93. mit §§. 60. unb 219. beS 
preujj. St. ©. 8., foroie aus ber nicht ju unterftellenben, fonft eintretenben 
S$ärfung ber 9lücffaUjtrafe gegenüber bem preufj. St ©. 58. erhelle. 

S)iefer 9iechtSauffaffun9 fann nicht beigetreten roerben. 

$er ooaig flare SBortlaut beS §. 245. beS St. ®. 8. lä'jjt feinen ^tocifel 
barüber erflehen, ba§ bie in §. 244. für ben 9tücffall unter ben bort bezeichneten 
SöorauSfegungen getroffene Straf fagung nur bann auSgefchloffen bleibt, wenn 
feit ber ^crbü&ung ober bem (Srlaffe bei wegen SMcbflahlS ertannten „legten", 
b. ii- ber unmittelbar cor bem jegt mi Aburteilung oorliegenben 3)iebftahle, 
r»or bem „neuen" 2)iebftahle, oerbüjjten 2c. Strafe bis zur Begehung biefeö 
neuen $icbftat)ls 10 ^ahre oerfloffen finb. $)amit ftnb gegenfäglich ohne rocitercS 
für ben begriff ber 9lücffaQfrrafe biejenigen 3roiichenräume für bebeutungSloS 
erflärt, welche äroifchen ben übrigen, ber legten einfa)lagenben Strafe oorauS* 
gegangenen söeftrafungen bezro. S5iebftä^le liegen. 

tiefer Sinn beS §. 245. beS 91. St. ©. 23. ift um fo einleuchtenber, als 
im erflen Sage beffelben r»on ben „früheren Strafen" bie 9tebc ift, im zweiten 
bagegen bie im SBerhältntffe junt jegt abjuurt^eilenben (neuen) S)iebftot)l »er* 
büite legte Strafe als 2luSgangSpunft ber Berechnung für ben entfebeibenben 
10jährigen 3roifehenraum angeorbnet roirb. 

Solcher unjroeibeutigen Raffung beS (SefegeS gegenüber mangelt bem 
Unternehmen einer logifchen ober gcfchtdjtliäjen Auslegung beS §. 245. jeber 
rechtfertigenbe 2lnla& 

SBare aber felbfl ber gefeglia)c SBortauSbrucf nicht gerabeju jroingenb, 
fo mürben boch bie für bie gegenteilige Anficht beS ßanbgericbtS geltenb gemalten 
Momente in feiner Söeife mafjgebenb fein. (Sinraal nämlich ift e£ für ben Sinn 
beS §. 245. oölltq unerheblich, bajj bie auSnahmSroetfe 9ticbtanroenbung ber 
^ücffaafrrafe im oorherge^enben §. 244. be« 9». St. ©. ©. felbfi feine Stelle 
gefunben hat. 

Ohnehin ergeben bie Materialien, bafe bie betreffenbe Sefttmmung an fid^ 
im erflen ©ntrourfe be8 St. ©. S. für ben norbbeutfdjen ©unb §. 219. mit ber 
33egriff3beftimmung unb Straff anftion beS 3tücffatt8 oerbunben mar unb nur 
fpäter im fiaufe ber 33erl)anblungen roegen befchloffener 2lenberun^ beS urfprüng" 
liehen ©ntrourf«, in einem befonberen §., ben §. 240. be«, mit bem jegigen 
§. 245. be« 91. St @. übereinftimmenben, reoibirten (Sntrourfg be$ 91. St. ©. ». 
aufgenommen roorben ift. 

Söenn fobann, unb jroar oorjugSroeife, im angefochtenen drfenntniffe auf 
ben Rufammenhang be« 91 St. ©. $8. mit ben §§. 60., 219. be« preufeifchen 
St. ©. S. hingeroiefen unb barau« hergeleitet roirb, e« fei anzunehmen, bafe e« 
bei ben betreffenben Söeflimmungen be« legieren ho&e belaffen roerben foHen, fo 
ifi e5 fchon oon com herein mißlich, einen an fich flaren 2lu«brucf beS 8t St. ©.59. 
aus ben 2lnorbnungen etneÄ früheren ßanbeägefegeä, fei e« auch be$ preufe. 
St. ©. 53., erläutern ju roollen. 



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258 



2)eutfd)e3 »Straftest. Ctleitntnifle fct§ SRetcr/ögetiduS. 



$)ie Serecbtigung folgern Verfahren fehlt aber jebenfafltö aisbann, 
wenn ba£ % 6t. ©. 33. bie betreffenbe SRaterie prtncipiell abroeiebenb georbnet 
unb überbieS anbere Raffung geroäblt l)at. 

2)icfer (Scftc^töpunft trifft oorlicgenb au. 

SSäbrenb ba<8 preufe. 6t. ©. 33. in feinem allgemeinen $fjeil bureb §. 56. 
überhaupt geftattete, bei Serbreeben ober Vergeben imftalk ber 2ötebert)olung 
beffclben Verbrechens ober ^crrjcljcn« nach redjtSträftiger Sßerurtfjeilung toegen 
ftücffalte eine erhöhte 6trafc ju oerbängen unb in §. 60. biefe 6trafert)ölning 
auSfcblofe, roenn feit bem ^citpunftc, in welchem bie ^reibeitsftrafe ober (Selb* 
bufje be$ julcfct begangenen früheren Verbrechen« ober Vergebens ab' 
gcbüfct 2c. 2c. roorben, 10 3abre oerfloffen waren, auch bureb §. 219. in ber 
©eftalt, roie fte itm Durch @ef. o. 9. 2Jcarj 1853 gegeben, oon ber befonberen 
iKücffaUftrafe roegen 2)tebftabl3 :c. :c. alSbann obfar), „wenn entroeber in 2tn* 
fetjung beS lederen ober in Slnfelnmg be« früheren Verbrechens ober Vergebens 
bie 6trafer^öl;ung roegen Wurf falte gefefclicb auSgefcbloffen ift, §. 60.", t)at ba£ 
3t. 6t. ©. 33. l)m]ia)tltcb bcS mtfaU Slnbere« beftimmt. 

3m 9i. 6t. ®. V. ift ber ftücffall als allgemein juläffigcr 6traffcharfungS* 
grunb befeitigt, utelmebr aus frrafpolitifcben 9tücfficbten nur bei befttmmten 
cinjelnen, gegen baS ©igentbum gerichteten 6traftbaten unter ttyeilrocifer $e* 
aebtung beren C&leicbartigfcit beibehalten, fo roeit 3Biebcrbolung nacb entfpreebenber 
5Beftrafuug im ^nlanbe erfolgt ift. Mufeerbem beruhte ber 6cblufjfafo bes 
& 219. bcSpreufe. 6t. ©. 33. in betreff beS SluSfcbluffcS ber s JtücffaUfrrafe beim 
j)iebftablc ausweislich ber ÜJiotioe jum abanbemben ©cf. o. 9. SHärj 1853 
roefentlid) auf einer billig erfebeinenben Slnroenbung beS im §. 60. beS preujj. 
6L ©. 33. angeblich enthaltenen generellen $rin$ipS. 

S)a nun biefer §. 60. in baS 9t. 6t. ©. 33. nicht übergegangen, burd) 
§§. 244., 245. beS s Jt. 6t. ®. 58. für ben Segriff beS 9tücffall<$, (oroeit berfelbe 
noch als 6traffcbärfungSgrunb anerfannt roirb, unb für ben SluSfcblufc ber 9tücf 
faüftrafe eine oon §. 219. beS preufe. 6t. ®. V. ab roetebenbe gaffung gerollt 
roorben ift, mufj ber S. 245. beS s Jt. 6t. ©. 33. auch ber gefeßgeberifchen 21 b f idt)t 
entfprechenb lebiglid; nach feinem einfachen Wortlaut, ohne §erüberncu)tnc 
früherer bamit unoereinbarer, preufufetjen 33eftimmungen, uerftanben roerben. 

$ie in ber ©egenertlärung ber Slngeflagtcn beworgebobene Analogie 
einer Verjährung ber 6trafoerfolgung unb 6tratooUftrecfung öurch 3eitablauf 
enblich ift in ber ihr betgelegten 33cbeutung für bie oorliegenbe ftragc 
unoerroerthbar. 

2luS ber bisherigen (rntroicflung folgt oon felbft, ba| nach ben $eft< 
ftellungen beS SanbgericbtS alle gefefclicbcn VorauSfefcungen sur 2tmoenbung beS 
§. 244. beS 6t. ©. 33. gegeben finb unb ber 6cblufjfa§ beä §. 245. nicht eingreift. 



Prcufj. ßab.-(Drbrc v. 10. H«n- 1324 Tit. 5. §. 61. ©teuerorbnung v. 
8. «febr. 1819. §. 48. et. (B. B. §. 2. 2ibf. 2. (B. v. 21. Sept. 1S60. 
S. I U. <B. o. 8. 3ull 1868. (Ein Brennercioerroalter, roelcher mit ber 
'3lbftcbt einer eteuerhinter3iehung, unbeflarirte (£inmaifd)ungen bureb 
Tlnberc oornehmen lä§t t ij! ale lüfik* mit ber Defraubatlorwflrafc 30 
belegen, infofern jenen bie Tlbjlcht ber 6teuerr»erfür5ung nicht befannt 
roar. — Hur bei gleid)5eitiger (Entbecfung mehrerer nontraoentiontn 
ifi bie ßontraoentionefhafe In einmaligem Betrage feftsufefcen. 



©ntfeh- be$ II. 6traffen. o. 5. 3Karj c/a. 6eiffert, rooburch boi 3Jor 
erfenntnife aufgehoben unb auf 3urücfoerroetfung erfannt roorben ift. 




I 



2>eutfd)c« ®ttafred)t. (Sttumtnifle te« 3kid)$gCTtd)tß. 259 

© r ü n b e. 

SDtc % 33. beS D. 6t. SU. erfd)ctnt in tyrem gnnjen Umfange begrünbet. 

£>ie Snflanjric^tcr fyaben tfjatfädjlia) feftgcftellt, bafe §u Sa), in ber 
Brennerei beS 31. oon ben Slngefl. 31. oom 1. Oft. bis 24. SDej. 1874, oom 
1. San. bis 31. Oft. 1875, G. tum @nbe Sept. 1875 bis 1. SMoi 1876, SD. oom 
1. Slpril bis ^fingften 1876 (Sinmaif jungen, bic ben Steuerbeamten gar nia)t 
angesagt roorben, oorgenommen tjaben, unb bafj ber S. bie genannten oter Sin* 
geflagten ju ben oon bieten begangenen ftrafbaren §anblungcn burn) 9Jtiftbraua) 
beS 2Infef)enS üorfäfclia) beftimmt rjat. 

gerner nehmen bie 3nftan5ria)tcr an, ba§ ben Stngefl. St., 8., 3). 
bie 2lbfta)t einer 33erfür$ung ber ©teuer nia)t naa)genriefen ift, bem Slngefl. S. 
aber biefe 2tbfia)t beigewohnt l)at, bafe jur Begebung ber £anblungen jener uier 
Slngeflagten bie fieben ^Bottic^e ber iKitteigutSbrcnncrci gcmtfebraudjt roorben 
finb unb ber 9t in ben 3al;ren 1875 bis 1876 im ^nlanbc als Brennerei* 
treibenber bei Slnitellung, bejro. ^Beibehaltung beS örennereioerwalterS S. fatyr* 
läffig ju Söerf gegangen ift. 

Sluf ©runb biefer Bestellungen finb uon öem erften s JUa)tcr, beffen @rf. 
baS 2t. ®. mit einer ^Waftgabe bezüglich ber fubftitutrteu ©efängnififtrafc beftätigt 
l;at, bteSlnqefl. 31., @., 3). bcrSttaifdjfteuer^efraubation, — ber Slngefl. 6. 
ber Slnftiftung baju nia)t fdnübtg erflärt, bagegen St., (£., S). wegen 2)laifa> 
fteuer*Äontraoention, S. wegen Slnftiftung baju mit 300 üJi. ©etöftrafc JU gleiten 
Sattheiten mit foliöarifc^cr Haftung, für Den UuoermögcnSfall mit einer barnaa) 
bemeffenen ©cfängnifjftrafc beffrart, bie fämmtüdjen ®ottia)e ber JUittcrgutS- 
brennerei ju Sa), für eingebogen unb ber % für bie ©clbftrafe oon 300 9H. 
für haftbar erflärt. 

I. 2>ie 5R. beS 0. St. 21. rügt sunäa)ft felc&ung ber §§. 47., 48. 
beS St. ©. Jö., ber Dh. 5. ber preuß. SlUerb. Äab.*Orbre o. 10. $an. 1824, fo 
wie beS §. 61. ber Steuer»©, o. 8. $yebr. 1819, in fo fern ber Slngefl. S. ju* 
aleia) mit ber ©efraubationSftrafe ju belegen unb bie .^aftbarteit beS 31. ent* 
fprea)cnb ju erweitern gewefen fei. 

tiefer Singriff ift für jutreffenb su eraa)ten. 

$aa) ber gebauten SlHerl). #ab.<Orbre o. 10. ^an. 1824 0lr. 5. foll baS 
unbeflarirte <Stnmatfa)en mit einer DrbnungSftrafc oon 100 £ljalcrn beftraft 
werben, bagegen bie ©efraubationSftrafe aus §. 61. ber Steuert, u. 8. gebr. 1819 
giciajseitig eintreten, roenn bie Slbfidjt einer Steuerocrfüraung nadjgcroiefen ift. 

SBie bie ^nftanjridjter annehmen, bat ber Slncjert S., als er bie $or* 
ual)mc unbcflarirtcr 6inmatf(^ungcn bura) bie oier ÜJhtangeflagtcn herbeiführte, 
babei bie Slbnrfjt einer Steuerocrfiirjung geljabt. GS fteljt aua) au|er 3 ro cifcl, 
ba& babura) Serfüraungcn ber Steuer oerurfac&t toorben finb. 5Rad> allgemeinen 
©mnbfäfcen beS Strafrcd)tS ift ^eber für baSjenige ocrantmortli^, roaS er feiner 
2lbfid)t gemä^, fei eS felbft ober burd) Slnbere, oollfübrt. $at ber Slngefl. 6. 
in ber 2lbfid)t ber Steueroerriirjung bie oier Ülttitangeflagtcn 3ur Sornagme ber 
unbeflarirten ßinmaifa^ungen oorfä^lia) beftimmt, fo fönnen tljatfäa^lia) nur jmei 
'^älle in gragc fommen. ©ntroeber rao^nte ben 9Hitaitgef tagten glei^falls bie 
Slbfidjt einer Steueroerfürjung bei — ober eS fehlte ijnen biefe Slbfidjt. ^m 
erfteren %aüt mürben bie 3Jlitangeflagten roegen Steuerbefraubation aus §. 61. 
ber Steuert, o. 8. gebr. 1819 unb ber Slngefl. ©. als Slnftifter gemäfe §. 48. 
beS St. ©. 33. aus bemfelben ©efe^c ju beftrafen gcroefen fein, ^m anberen 
galle Ijat ber Slngefl. S. jur 33erroirflia)ung feiner Slbfiajt ber Steueroerfürjung 
na) ber 3Diitangeflagten als in fo roeit roiüenlofer 23erfseuge bebient unb mar 
baljer als Sbäter ber in'S Söerf gefe|ten Steuerbefraubation ju beftrafen. 2)er 
Umftanb, bap aua) im lederen galle bie 3Jütangeflagtcn beS S. burd^ ^omaljme 



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260 Xeutfdjeä Straftest, ertennhttfie be8 WcicMgericfct«. 

unbeflarirter (Sinmaifchungen eine ffrafbare §anblung bergen, fommt rüdf» 
fic^tlidE) be3 leiteten nicht in Vetracht, ba ihre fkafred&tliqe Verantroortltchfeit 
über ihr eigenes Vcrfchulben ftdE) nicht ^inauS erfireeft, oa£ ohne ihre fDZitfd^utb 
Vollführte bafjer bem Slngctl. S. allein jur Saft fällt. Um 6. als ben £f>äter 
bet unter Venufcung ber TOangcflagten oerübten 2)tatfchfteuer*3)efraubattcmen 
ju erachten, genügt e8, baß bie ÜJlitangef tagten ohne ben auf Verfügung ber 
Steuer abjtelenben 3)olu3, welcher ben SÜngefl. 6. leitete, gehanbelt haben, in 
fo fern alfo roillenlofe SBerfjeuge be$ ßefcteren roaren, roenn fie auch bewußter 
SBeife bie unbeflarirten (Sinmaifchungen oorgenommen unb in fo fern auch u)rer* 
feit« rcdf)t3rotbrig gehanbelt haben. 

$ic ©rflärung ber ^nftansrichter, baß ben 2§fogefl. 3t., V., <£., SD. bie 
2lbfta)t einer Steuerocrfürjung nicht nachgeroiefen fei, hätte fonach baljtn führen 
müffen, ben 3lngefl. 6. gemäß ber 9tr. 5. ber 3HIerf>. ßab.*Orbre x>. 10. San. 1824 
außer wegen ber änftiftuna ju ben Äontraoentionen auch au3 §. 61. ber 
Steuert, o. 8. jtebr. 1819 roegen 9Mfchfteucr*®efraubation ju befrrafen. 
$)urch bie bloße Veftrafung beffeiben roegen Slnftiftung §ur 9Jtoife|fteuer*Äow> 
traoention finb, ba babei ba« Moment ber Slbficht einer ©teueroerfünung ju 
Unrecht gänjltch außer Vetraeht gefteüt roorben ift, bie gebauten gefeßliajcn 
Vcftimmungen unb, roenn auch nicht ber §. 47. be8 6t. ©. V., roeil eine 2Rit* 
thäterfchaft nicht in Sftebe fteht, boaj ber §. 48. bafelbfl »erlebt. 

II. 3(ua) ber auf Verlegung ber s J!r. ö. ber Slllerf). Äab.*Orbre o. 10. f}an. 
1824 unb beS §. 2. 2lbf. 2 beä ®. o. 21. Sept 1860 gefügte Singriff ber % V. 
ift begrünbet. 

2>er gebadete §. 2. 2tbf. 2. beftimmt, baß im gälte mehrerer ober roieber* 
tjolter Äontraoentionen bcrfelben 3lrt bei gleichseitiger ©ntbedfung bie 
AlontraoenttonSftrafe, inSbefonbere bie burch bie Silier^. Äab.*Drbre o. 10. 3an. 
1824 ad 5. oerfjängte Orbttungöftrafe oon 100 Jätern, gegen bie fubfibiarifa) 
Verpflichteten, gleidEnoic gegen bie eigentlichen ZfySHx ober ^Ci)cilnef)iner nur in 
bem einmaligen betrage feftgefefct werben fann. S)ie VorauSfcfcung ber SBer* 
hängung ber Strafe in bem einmaligen Setrage ift baher, roenn, rote ffitt, 
mehrere ober roicberholte Äontraoentionen berfelben Slrt oorltegen, bie gleich* 
jeitige (Sntbecfung. darüber, baß biefe VorauSfefeung ^trifft, fyabtn bie 
Snftanarichter fich nicht auSbrücflich auSgefprochen. @S fommt babei in Betracht, 
baß ber erfle dichter unb, beim Langel einer abroeichenben Veurtheilung, auch 
ber 31. 9t. für erroiefen angenommen hat, baß burch ben Ober * Steuer *$on* 
troleur Seh- am 10. ^an. 1876 unb burch ben Steuerauffeher am 11. iDiai 
1876 eine burch 3^fü^ en - bejw. Ueberfüllen oon SKaifche oerubte Äontraoenrion 
entbeeft roorben ift. Sie tbatfächliche VorauSfe|ung für bie nur in bem ein* 
maligen öetrag geschehene Verhängung ber ÄontraoenttottSftrafe ift baher oon 
ben 5ftf*an$richtem nicht feftgeftellt. 

hiernach unb ba 31t I. unb II. mit SRücfficht auf §. 1. bc$ 8t ©. 0. 
8. 3uli 1868 eine roeitergehenbe ßaftbarteit be§ ?t. in Betracht fommt, unter* 
liegt gemäß 2trt. 116. be$ ®. o. 3. 3Jiai 1852 ba3 angefochtene «Äppeaation«' 
©rfenntniß in fo roeit ber Vernichtung, als baffelbe unter ^tieberfchlagung ber 
fämmt liehen Soften beS Stecht^mittel^ baS Grf. bahin beftätigt h^t, 

baß bie 2lnge!l. 31., V., 6. unb 2). roegen 3Ratfchfteuer*Äontraocntion 

unb ber Slngefl. @. roegen 2lnfhftung baju ^ufammen nur mit 300 SR. 

©elbftrafe ju gleichen 3mtheUen mit folibarifchcr Haftung unb für ben 

UnoermögeroSfatt mit einer b am ach bemeffenen ©efängnißftrafe §u be* 

frrafen finb, 

baß ber Slnc^efl. S. in ben burch We Äontraoentionen betroffenen 
fällen gleichjeitig oerübten 9Mfchfteuer*5Defraubationen nicht fchulbig ju 



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3>eutf*e9 Straftest fcrteiratmfie 6e8 Weit$Sgm$t«. 261 

unb ber % nur für ben angegebenen SJetrag ber Äontraoention«* 
©elbftrafe für haftbar ju erflären tfl 



§. 223. a. 6t. <B. B. Begriff bes gefährden IDertjeuge« Im @inne 
bee §. 223. a. 0t <B. B. 

Gntfch. be« III. ©traffen. o. 10. 9Jtärj 1880 c/a. öartmann, woburdt) 
bie toifion surücfgewiefen worben ift. 



© r ü n b e, 
3)ie Sleoifion ift unbegrünbet. 

amttelfi ber Einführung be« §. 223. a. in ba« 9t 6t. @. würbe be* 
abft<J)tigt, au« bera Äreife ber leidsten ftörperoerlefcungen eine Älaffe von 
bestimmten Vergehen au«sufchciben unb befonber« ju qualiftctren, beren ©traf* 
barfett nid^t burcb ben (Srfolg ber Äörperoerlefcung, fonbem burdt) bie Slrt ber 
Begehung unb ba« Nüttel, beffen ft$ ber Stüter $ur Begebung bebient hat, be* 
ftimmt wirb. 

§. 223. a. a.a.O. unterwirft baber einer erhöhten ©traf barfeit u. a. bie* 
jentaen tförperoerlefcungen, welche mittelft einer Söaffe, iraSbefonbere eine« 
ÜJieffer« ober eine« anberen gefährlichen Süerfjeuge« begangen finb. 

9laty biefer Segriff«bejummung beruht bie Ausführung ber toifton, baß 
§. 223. a. a. 0. nur folche Äörperoerletjungen habe treffen motten, meldte in 
§olge be« angeroanbten Littels burdb beffen SBeftimmung al« „©äffe", ober 
burdj beffen objeftioe abfolute (Sigenfchaft al« gefährliche« Sßerfyeug fta) al« 
fernere unb gefährliche d&arafteriftrten, fowte, baß mithin eine mittelft eine« 
©terglafe« jugef ügte Äörperoerlefcung, ba lefctere« roeber nadj feiner Öeftimmung 
eine Söaffe, nodt) ein an fidt) gefährliche« 2öerfjeug barftelle, nia)t unter bie 
SSorfdtjrift be« §. 223. a. a. a. D. falle, auf re$t«trrtf)ümlta)er 2tuffaffung. 

§. 223. a. a. a. 0. unterf (Reibet nicht begriffsmäßig jwifdhen SBaffen unb 
gefährlichen SBerfyeugen, fonbem e« raerben bem umfaffenben begriffe „Saffe" 
„Keffer unb anbere gefährliche SBerfyeuge" untergeorbnet unb naa) bem ihnen 
gleidt) ber Sßaffe betmohnenben objeftioen ÜJterfmale ber ©efätjrlichfeit gleich* 
geftettt. 

$5er Segriff ber 9öaffe ift alfo nicht in bem tedmtfehen ©inn eine« SBerf* 
jeuge«, welche« sur ^Beibringung oon Verlegungen beftimmt, fonbern in bem 
weiteren ©inne eine« Söcrfjeuge« gebraucht, welche« jur 3ufügung oon 33er* 
lefcungen geeignet ift, unb bie Vorfcbrift be« §.223.a. be« ©tr. @. V. umfaßt 
fem ad) ade j?örperoerle|$ungen, meiere mittelft gefährlicher SBerfyeuge, b. h- foleber 
SBerfyeuge zugefügt finb, bie ihrer gewöhnlichen äötrfung nach Die menfdjliche 
©efunbheit ju gefährben unb erhebliche Äörperoerlefcungen h^oorjubringen 
geeignet finb. 

2luf bie ben SBerfyeugen bei ihrer Anfertigung gegebene Vefiimmung 
unb bie biefer SBejtimmung entfprcäjenbe regelmäßige Verwcnbung fommt e« 
Darnach überhaupt nicht an, fonbern auf bie objeftioe ©efäbrltd)feit berfelben im 
galle ihrer Serwenbung jur 3ufüaung einer $örperoerle&ung. 

Slnbererfett« fann bem Sefchtuerbcführer groar juaegeben werben, baß 
nicht lebe« Söerf $eug al« ein gefährliche« anjufehen ift, welche« unter Umftänben 
unb je nach ber ^anbljabung Deffclben im einjelnen $alle erhebliche Äörperoer* 
lefcungen jur §olge haben fann. @ntfcheibenb ifl aber auch h^ nt^t bie ©igen* 
fchaft, welche einem ©erzeuge an fich, alfo nadt) fetner Sefttmmung unb Dem 
burdh biefelbe gegebenen regelmäßigen ©ebrauche beiwohnt. Vielmehr entfa^eibet 
lebiglich bie objeftioe ©cfährltchfeit, unb e« ift ©adtje ber ^nftansrichter im 



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262 ©eutföc« <?ttafrtAt (Ertenntniffe fcc« SReiASgeriAt«. 

fonfrctett $aHe nad) bcr 9(rt unb Sefd&affenbcit beS 5ßcrf$cugeS ju beurteilen, 
ob baffelbe fid) als ein gefährliches SBcrtjeug im Sinne beS ©efe^cd barfteHt. 

£er $orberrid)ter fyat baber aud) im oorliegcnben $aüc ntd^t rechtlich 
geirrt, roenn et baS r»on bem Slngcflagten bei feinem Singriffe auf ben SSerlefcten 
oerroeubete ©ierglaS feiner SJefchaffenheit nach als ein gefährliches SÖerfjeug 
erachtet I>at, obrooln* fid^ baffelbc — maS bei 2luSmeffung bcr Strafe railbernb 
in ©etracht gejogen ift — als eine eigentliche Stngrifföroaffc nicht barftellte. 



§. 263. 0t <B. B. §. 381. 6t. proj. <D. §. 78. <B. 1). (5. Der Derfauf 
von TDaarcn unter unrichtiger Be5cidmung ihrer HrfprungejMtte gilt 
als Betrug, infofern nicht feftjtel?t, oajj ber XDertb ocrfclben fremjenigen 
ber eebten XDaaren gleicbflebt. — (Begen 6ae Xlrtbeil einer amtegeridbt» 
lieben 6traframmer ift ausfcbliepch bei biefer bie Kevifion cinuilcgen. 

@nt)d>- bei III. Straffen, r». 10. 9Jiärj 1880 c/a. Sttienccfer, rooburcr) 
ba« freifprec|enbe Siorerfenntnife aufgehoben unb auf 3uriicfoern)eifung erfannt 
morben ift. 

© r ü n b e. 

Sie Straffammer bei bem fcerjogl. Amtsgericht ju Wernburg fteHt fefi, 
bafe ber Slngeflagte 9i., welchem ber Sterfauf bcr ^rünbel'fcpen 2>omänenbutter 
in bcr Stabt Wernburg übertragen mar, 81 Mo Sutter ber 9Jtolferei 2llgermiffen 
bei föübeSheim als )Örünbcl 7 fd)e $)omänenbutter oerfauft unb ben Käufern gegen 
2lnnaimic ober Ärcbitirung bei für nurflidje SÖrünbel'fajc 2)omänenbutter oer* 
abrebeten ober genehmigten ^reifes oon 70 bis 80 $fg. pro Stüct übergeben 
bat; bafe er juoor bureh Umformung ber ^Butter mittclft einer mit bem Örünbel fernen 
Streichen oerfeljcnen £ol3form feinen Äunben bie falfche Ztyatfatyt oorgefpiegelt 
unb in benfelbcn ben ärctyunt erregt tyat, bie fragliche Butter fei oon ber 
Srünberfchen Somänc, bafe er fie burch biefen Srrtlmm $um 3lnfauf nerleitet, 
unb bafe er biefeS in ber 2lbftd)t get^an hat, fidj bie tfunbfdmft ber betr. Käufer 
ju erhalten unb feine SBaare mit ^rofit loS ju werben: ein SBermögenSoortljeil, 
welcher in fo fern ein rechtSwibrigcr mar, als ber Slngeflagte ben Käufern 
gegenüber feinen Slnfpruäj barauf hatte, unb bie Käufer ohne bie Säufchung ju 
bemfclbcn bie §anb nicht geboten Imben mürben. 

S)ie Straffammer nimmt inbeffen an, cS fei nicht nachgewiesen, bafe bie 
oon bem Slngcflagtcn gelieferte Butter f cr)lccr)tcr als bie &rünDel'icbe Romanen* 
butter gemefen fei, wenn id;on fie nach ^"fl^auSiagen anbcrS auSgefetjcn habe. 
5)ie blofec ^crlcfcung bc« SlffcftionSintereffeS, wcldjcS etwaige übrigens nicht 
fonftatirte ftunben an sörüubel'icher Butter gehabt haben möchten, fönne als 
^ermögcnSbefcbäbtgung nicht aufgefafet werben, bie gleichfalls nicht inbiutbueü 
fonftatirtc fubjeftioe Vorliebe etnjaiger Äunben für #rünbcrfd;e Butter non 
anberer gleich roerthuoller tonne als oermögensSredulicheö ^ntereffe nicht betrachtet 
werben. (SS fehle beshalb an bem jum ^hatbeftanbe beS SetrugS erforberlichen 
JBermögenSfcbQben; aus biefem förunbe furicht bie Straffammer ben Slngefl. 9t. 
unb bte SJcitangefl. ii., unb 0. oon ber Auflage beS ÖetrugS buret) ben 
SÜerfauf non Butter frei. 

3n biefem legten ^heile bcr SBegrünbung ift junächft bie thatiächliche fyfa 
ftellung niebt ^u finben, bafe bie Äunbcn beS 2lngeflagtcn, roelche 8rünbel fche 
Suttcr fauften, eine Vorliebe für biefe 8uttcr nicht gehabt hätten. @S roirb 
nielmehr nur auSgcfprochcn, bafe bie er fönen ber Äunbcn nicht fonftatrrt feien, 
bafe aua) eine fubjeftioe Vorliebe für jene Butter nicht inbiotbucll, alfo für 
bie einaclnen ermittelten ^erfonen ber ihinben fonftatirt fei. (Siner folchen 



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I 



5Dcutf<6e3 ©Itafwdit. (Sttcnnttiint fcc8 Wtidi&jeriditS. 263 

Äonftatirung beburfte c§ aber auch nicht mehr, nadjbem bte Straffammer bereit« 
im Slflgemetnen feftgeftellt fyat, baß ber 2lna,eflagte anbere Öutter umgeformt 
unb al£ Örünbel'fdje Sutter oerfauft r)at, um fid) bte Äunbfcbaf t ber betreff cnben 
Ääufer 5U erholten, unb bafe bie Käufer ohne bie Säufcbung ju bem oon bem 
2lngeflagten erftrebten Ütortbeil bie £anb nicht geboten haben mürben. 

Sobann ift nicht erfennbar, ba& bie Straffammer fyabt fcftfteUcn wollen, 
bte oon bem 2lngcfl. 9t. als örtinbet'ft^c Sutter oerfaufte Sutter ber tfftolferei 
2llgermiffen Imbe nic^t bloß biefelbe innere ©üte wie S3rünbel'f($e Butter gehabt, 
fonbem fie habe aud) in Wernburg 3U jener 3*it im gleiten greife gefhnben, 
wie ©rünbel'fcbe Butter. 

SlUerbingS gebraucht baS Urteil einmal ben 2ltu8brucf: „glcidj wertboolle 
93uttcr" f inbeffen btefer 2lu£brucf ift mchrbeutta, er tonne aud; bebeuten: Butter 
oon gleichem inneren Söertbe; unD au$ bem 3nfammcnbange beS UrttieilS gef)t 
nicht beroor, bafe er in einem anberen Sinne genommen roorben fei. 

9cun entfebeibet aber für benjentgen Söertb, melden bie Ääufer einer 
SBaare beilegen, nicht allein ber objeftioe Umftanb, bafe biefelbe tbatfäcblicb 
einer anberen ähnlichen SSaare an innerer (Mte unb ©rauebbarteit oöUig gleich - 
ftc^t. %üv ben Serfebr ift entfebetbenb, wie nad) ber in ben beteiligten Greifen 
berrfebenben Meinung über bte SBaare gcurtbetlt roirb. 2Benn bie Ääufer 
allgemein ober lofal einer beftimmten ^robuftionSftätte bas Vertrauen fd)enfcn, 
baft ihnen oon bort bie Sßaare in ber ihnen fonoenirenben Qualität gleichmäßig 
geliefert werbe, wie ftd& aud) nach ben Ümftänben be£ gatls annehmen läßt, fie 
haben eine 3Saare, welche unter ber ^Bezeichnung biefer $robuftion$fiätte an* 
geboten wirb, auch nur unter ber SBorauSjefcuna itjrer 2lea)t^eit faufen wollen, 
fo läfet iljr Hnfprud) auf bie 2lea)t^eit ber Söaare nict)t mit ^Berufung barauf 
*urücfa>eifen, bafe if)rc Vorliebe nur auf einem 2lffeftioiti3intereffe beruhe, bafe 
oie gelieferte 2Baare, wenn fc^on ftc nicht oon ber ^robufttonäftätte berrü&re, 
oon ber fic nach ber 33e$eidEmung bei bem SBerfaufe herrühren foll, bodf) eben fo 
gut fei. 3>a3 rechtliche Qntereffe, welches ein Ääufer babei bat, bafe er nicht 
über bie ^robufttonSftätte ber i^m oerfauften 2Baare getäufa)t toirb, läfet fia> 
nid)t blofe bura) eine 5iergleia)ung ber obieftioen inneren Jöefa)affen^eit ber 
ächten unb ber gelieferten Sßaare finben. @a fommt auch in öragc, ob ber 
Ääufer bie unäajte Sffiaare nia)t gefauft höben würbe, wenn er geroufet hätte, 
wober fie flammt. 

3luf ber anberen Seite ift ju erroägen, bafe im 93erfet)r oielfach 2Baaren 
unter falfdjer Sejeicbnung be« UrfprungSorte« ober ber ^robuftion§fiätte an* 
geboten, oerfauft unb gefauft werben, obne bafe fta) in jener ©e^eiebnung, nacb 
ber Gepflogenheit be« ^ßerfaufe«, mebr finben läfet, als eine „2inpretfung ber 
Söaare". 

)Slan roirb be^balb um bie oälle be^ jtrafbaren SctrugeiS oon biefen 
fallen abjugrenjen, nacb einem fieberen objeftioen Äriterium Hieben müffen. @in 
foldie« bietet fid) aber neben ber $ergleid(mng ber objeftioen inneren ©efebaffenbeit 
ber beiberlei äöaaren in bem greife berfelben bar, in roclcbem bie Meinung 
ber Ääufer über bte innere ©üte ber ffiaare i^ren 2lu5brucf finbet. 2öie in ben 
beteiligten Greifen ber Ääufer bie 2led)tbett Der ^irobuftionSftärte jene roefent* 
liebe Sebeutung b«t, ba werben aua) bie Ääufer für äebte hn Sergleicb jur un* 
äebten Sßaare einn böberen s ]}rei« jablen. 

£ätte bie Straffammer bei bem b*r$ogl. SmtSgericbt fefrftcUcn fönnen, 
bafe bie unter ber Söeseicbnung „Srünbcrfcbe SDomäncnbutter" oerfaufte Sutter 
ber SU/olferei 2llgermiffen bei §tlbeSbeim niebt blofe ber sörünbel'fcben Butter an 
innerer ©tite gleicb ftanb, fonbem bafe fie jugleicb, roenn fie unter ber richtigen 
^ejeiebnung ibrer Urfprungöftätte oerfauft rourbc, um jene Seit in Wernburg 
2lbfa^ ju bemfelben greife fanb, wie iörünbcrfcbc ^omänenbutter, fo würbe ftd) 



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264 



2><utf*e« ©trafwAt. Cfrtetratmffe beS 8tei*8geri<fct8. 



bie 9RiAtanroenbung beS §. 263. beS 6t. ®. ö. aHerbingS gerechtfertigt haben. 
Allein folche Bestellungen Irot ber $orbcrrichter nict)t aetroffen. 

SDie Sfteoifion, welche bie ^er^ogt. ©taatSanroaltfchaft aus biefem ©runbe 
roegen Serlefeung beS §. 263. beS St. ®. 33. eingelegt hat, erfdt)eint fuentach 
begrünbet. ©te ift auch niläfftg. 

AHerbingS ift bie Sfteoifum bei ber ©traffammer in Wernburg eingereiht; 
allein, roenn auch baS ^erjogl. anhaltifc^e ©taatSmtmfierium in ©emä^eit beS 



ber föidtjtuna augeroiefen hat, ba§ biefelbe bie 3^ätigfeft etueS erfennenben 
©erid^tö L Snfianj uno j,{ e ^hättgfeit eines befchltefcenben ©erichtS fo roeit auS* 
üben foll, als follegialifcbe Entfärbungen in grage fommen, welche bei ber 
SBolIjrrecfung oon ©trafurtljeilen au« betn Sejirf biefer ©traffammer notbmenbig 
werben, fo folgt boch aus biefer Art ber ßompeten^beftimmung, bajj bie SKeoifton, 
welche nach §. 381. ber ©t. $roj. 0. bei bem ©ertcf)t, beffen Urtt)eil angefügten 
wirb, eingelegt werben mufj, bei ber 6traffammer am ©ifce beS Amtsgerichts 
einzulegen ift, benn fie hat erfannt. ©ie hat alfo auch biejenigen ftunftionen aus* 
juüben, welche ftd^ auS ber ©inlegung beS Rechtsmittels ergeben, hiernach ift 
ber SBiberforuch, meiner in ber ©egenerflärung ber SSert^eibigung oom 11. gebr. 
1880 oegen bie Suläffigfett beS Rechtsmittels erhoben wirb, unbegrünbet; baS 
Urtt)eil ber ©traftammer unb bie bemfelben in ©runbe liegenben t&atfäd&lidicn 
geftfteUungen finb, fo roeit fie fidj auf bie $reifpredning ber Angesagten oon 
ber Anflöge beS betrüge« beim Serfauf oon ©utter unb ber Seigülfe baju be* 
Siefen, aufgeben, unb bie ©adje ift sur anberroeiten Sertjanblung unb @nt* 
f Reibung biefer Anfchulbigung an bie ©traffammer bei bem Amtsgericht Sem* 
bürg 5urädauoerroeifen. 



§§. 49. 218. 0t. <B. B. Dtc unentgeltliche üerfchaffung eines Tibortiu- 
mittel« für eine Schwangere, bebufe IDie&eretlangung ber ftatamenlen 
ftellt fia) nic^t als Hlitt^äterfc^af^ fonbern ale $ülfeletfhmg bar. 

entfdt). beS I. ©traffen. o. 11. anärj 1880 c/a. (Sble unb Änöbel, wo* 
burdt) baS Sßorerfenntnifj aufgehoben unb auf 3urücf oerroeifung erfannt roorben ift. 



3n ben entfdt)eibung«grünben beS angefochtenen Urtl)eilS ift tfmtfächlich 
fefigefteUt, bafe bie Angefl. % @. als fte fd&roanger roar, in ber Abfitht, $u ihrer 
^eriobe roteber äu gelangen, foljtn ihre fieibeSfrucht abzutreiben, aus einer Saffe 
©abebaumtheeS, roelcher ein $u biefem .ßroedte bienlidt)eS Littel ift, jroei ^djtucf 
tranf unb nia)t aus freiem SSiUen, fonbern beS^alb baoon 3U trinten aufhörte, 
roeil Tie fich erbrechen mufete, unb ber £&ee einen bitteren, äufeerft üblen ©efehmaef 
unb ©eruch h fl t tc - 

hiermit erfcheinen alle ^hötocfi^bSmerfmale, roelche }u bem in obigem 
Urtheile angenommenen Serfudtje ber Abtreibung ber ßeibeSfrucht nadt) §§. 43. 
46. 218. be« ©t. ©. 33. erforberlich finb, feftgeftellt, inbem bie fchroangere % ®. 
ben (gntfehlufe, ein SBerbredtjcn ju oerüben, nämlidt) ihre $rudt)t oorfä^lich abju* 
treiben, burch ^anblungen, roelche einen Anfang ber Ausführung biefeS 9Ser^ 
brechenS enthalten, nämlich burch £nnfen ber pei ©dt)ludt beS jur Abtreibung 
ber Leibesfrucht tauglichen ©abebaumthceS, bet^ätigt t>at, roobei baS beabfichttgte 
Verbrechen nicht $ur SoUenbung gefommen ift, roeil bie 6. bie Ausführung 
ber beabsichtigten öanblung aus äußeren, oon iljrem ffiiüen unabhängigen 
ßinbemiffen, nämlich roegen fof ortigen Erbrechens unb wegen beS äufeerft üblen 
©efchmacfeS unb ©erucheS beS 3:heeS, aufgegeben hat- 




©runbe. 




t 

»trajrecpu tzrtenmmne ccs »teiajsflcrtQta. "65 

2)ie föeoifionSbefdfjroerbe behauptet 310«, bic Vorinftonj ^obe bie §§. 43. 
unb 218. bc8 6t. @. V. unrichtig angeroenbet, weil @. md)t abfolut unfähig 
geroefen fei, fieb nach unb nach an ben üblen ©efebmaef be$ ©abebaumtbeeS ju 
gewöhnen, meiner au« tbättaer SReue ben baS erstemal unbebingten Verfucb 
nicht TDcitcr fortgefe|t fwbe, unb weil baS flippen oon nur jtoet ©cblucfen fein 
Srinfen unb fein Anfang ber Ausführung be$ beabfid^ttgten Verbrechens 
geroefen fei. 

Allein biefe Ausführungen erfahrnen lebiglid) als 3Biberfprucb ber tfmt* 
fachlichen geftfiellungen ber Vorinfknj unb oerbienen, ba eine re#t3irrtf)ümlicf)e 
Auffaftung in lederen nicht gefunben werben fann, feine Veachtung. 

3Hit $ecbt bagegen befebroert fid^ bie SDlttangefl. 81. St. beSfialb, weil fxe 
auf ©runb ber oon ber Vorinftana feftgefieliten ^atfa^en als Täterin ober 3flit* 
Täterin beS Verfud)S ber Abtreibung ber ßeibeSfrudjt an @. oerurtbeilt 
würbe, wäbrenb fic nur als ©crjülfin in, Vetracbt fommen fönne. 

» 

©egenfiber Der A. fleflen bie (Sntf Reibungen beS angefochtenen UrtljeileS 
feft, bafe, nach bem ©eftänbniffe ber 6., „biefe, auf bie Aufforberuna ber 
St., $u trinfen, bie Stoffe unb aus biefer jwei ©eblucf" nahm, unb bafe bie A. Ä. 
ber (£., als ihr biete ba« Ausbleiben ber Reinigung nach erfolgtem Veifcblafe 
mittbeilte unb um §ülfe bat, „fein 2lbortiomittel gereift haben mürbe, menn 
fie nur an eine llnregelmäfjigfeit ber $eriobe gebaut hätte." 

2)iefe tbatfad)lid^e fteftfteüung erfeböpft niä)t ben 5:^atbeftanb beS oon ber 
Vorinftanj allein hier ongeroenbeten §. 218. Abf. 3. beS ©t. ©. V. S)enn ^ier« 
nach finben bie ©trafoorfebriften in Abf. 1. unb 2. a. a. 0. auf benjenigen 
Anroenbung, melier mit Einwilligung ber ©cbwangeren bie Littel ju ber Ab- 
treibung bei ü)r angeroenbet ober ü)r beigebracht (rat; aüein bie Stuf" 
forberung, baS Abortiomittel ju trinfen unb bog ©arreidjen beffelben, fann 
roeber als Anwenbung nod) aljS Seibringen betrachtet roerben. 

2luS ben 3Rotioen sum ©trafgefefcbucbSentwurfe (ju §§. 213—215. ©. 71) 
erfüllt, bafe ber ©efefcgeber jroifdtjen bem Verbrechen ber Abtreibung ber 8etbeS* 
fruc^t bureb bie ©cbwangere ober mit beren Einwilligung burä) einen Anbem 
unb bem Verbrechen besjeniqen, ber ü)r bie Littel bierm oerfebafftbat, unter* 
fcheibet; biefer Abficht bee ©efefcgeberS ift auch im ©efefceSterte felbft AuSbrucf 
gegeben; benu roährenb in §. 213. Abf. 3. beS Entwurfs, übereinftimmenb mit 
§. 218. De« 6t. ©. V., oon ber 6trafbarfeit beSjenigen, welcher mit Einwilligung 
ber ©chroangeren bie ÜDtittet §u ber Abtreibung ober Söbtung bei ihr an* 
geroenbet ober beigebracht bat, fpria)t, behnt §. 214. beS Entwurfs, über* 
einfiimmenb mit §. 219. beS ©t. ©. bie ©trafbarfeit unb jroar in höherem 
3)?afee aud) auf ben au£, welcher gegen Gntgelb bie Littel bei ber ©chroangeren 
angeroenbet, beigebracht ober auch nur oerfebafft hat. 

£>a nun bie @ntfcheibung«grünbe nicht oon einem eigenen Anroenben 
ober beibringen beS Abortiomittel« oon ©citen ber A. J?., fonbern nur baoon 
ausgehen, ba| fie baS felbflbereitete Abortiomittel unter Auff orberung, e5 ju 
trinfen, ber $. @. barreichte, worin nur ein Verfchaffen, fohin eine ^cil* 
nähme an ber 2hat ber (S. burch ^ülfeleiftung nach §. 49. be« ©t. ©. 8. 
erblicft werben fann, weil ber Xhatbeftanb bed Verfchaffen« beS AbortiomitteB 
gegen ©ntgelt im ©inne be«8 §. 219. bc« ©t. ®. V. hier nicht feftgefteUt ift, 
unb ba htetnach bie &anblung ber A. St. gemä{? §. 49. Abf. 2. beS ©t. ®. S. 
nicht mit ber oollen ©träfe nach §. 218. bejw. §. 44. be3 ©t. ©. V. geahnbet 
roerben fann, unb inäbefonbere ber §.218. Abf. 3. beS ©t. @. 33. oon ber Vor* 
inftanj unrichtig angeroenbet erfcheint, ftellt fich bie Jieoifion ber A. St. al$ be* 
grünbet bar. 

Sr^lo 1880- 3. u. 4. $cft. 18 



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266 2>eutfd)e3 Gttafrtcbt. (Srttnnmiffe bt8 9ta<$3gerid}tt. 

Preuji. ücrorbn. o. 25. 3uni 1867 TJrt. 4. Hr. L §. 286. 6t (B. 8. 
Bei brieflichen (Dffetteit auelän6ifcber in Preu§en nict>t $ugelaftener 
Cotterieloofe ijl 6a? (Bericht öee tbo^norte 6es 'Jlöreflaten $ur 2lb- 
urtbeilung 6er 0traftbat fompetent <fort6auer 6er (BfiUigfeit 6er 
üerorbn. v. 25. %\inl 1867. 2inmen6ung 6es §. 286. H. 0t. <B. B. 
an 0tcllc ber au|er fuaft getretenen Dotftyttft 6ee prcu|. 0t <B. B. 

Gntfa. beS m. ©troffen, o. 13. 3flärj 1880 c/a. J., woburd) bie ftcoifion 
beS Slngetlagten oerworfen roorben ift 

© r ü n b e. 

$er Slngefl. SotteriefoUefteur in Hamburg b>t nacb ber t§atfäd)lict)en 
^eftftellung bcS üanbgcricbtö $u ©öttingen buretj 2lbreffcnf<breiber an jetjn oer* 
1 ergebene ©mwobner ber in ber Jprooiii^ £annooer belegenen ©täbte Rauterberg, 
Staffel, £er$berg, Böttingen Briefe, in benen 2tufforbcrungen jum Äaufe von 
Soofen ber in s $reufjen nidjt jugelaffencn Hamburger ©clblotterie enthalten waren, 
uon Hamburg aus oerfanbt. 2)cr $orbcrrid)ter b Q t ^iernaeb ttmtfäcblicr) feit* 
geftellt, bafe ber Ülngeflagte $u Rauterberg, Gaffel, £crjberg, ©öttingen ji$ jebn» 
mal bem 3krfaufe oon Roofen ber in ^teuften nidjt jugelaffenen Hamburger 
(Mblotterie unter3ogcn babc, unb bat ben 3lngeflagten auf ©runb btefer ttjat* 
fäcbUd;en ^cflftcllung in ©emafitjeit bes 2lrt. IV. ber ^ecorbn. o. 25. ^uni 1867, 
§. 3. bc3 (iinfübr. ©. sunt St. @. 23. unb §. 286. et. ©. ju einer ©elb- 
ftrafe von 200 m. oerurttjctlt. 

älngeflagtet ftü&t bie von ibm gegen baS Urteil eingelegte toifion ju* 
nädjft auf §. 377. DU. 4. 6t. 0., allein er fiajt bic Äompetenj bc8 Sanb* 
gcridjteS Böttingen mit Unredu an. 9iaaj §. 7. 6t. *J5. 0. ift ber ©eria)t$ftanb 
bei bemjenigen ©erlebte begrünbet, in bef|en Sejirf bie ftrafbarc §anblung 
begangen ift; für jufammcnijängenbe Straf iad)en, roelctje einzeln naa) biefer 
5>örfdjrift jur ^uftänbigfeit oerfajiebencr ©eriajtc gehören mürben, ift ein ©erid)t&* 
ftanb bei bemjenigen (Ücridjtc begrünbet, rocla)eS für eine berfelben juftänbtg ift. 
ßiernacb genügt eS, menn eine ber feftgeftcllten ftrafbaren &anblungcn im 
©eriebtöbejirfe beS Ranbgcricbte« ©Otlingen begangen ift. 

2)ie Strafprojefeorbnung b Q t ^efttmmungen barüber, melier Ort als ber* 
jenige anäufetjen ift, on welchem bie ftrafbare ^anblung begangen ift, md)t 
getroffen. $n bei" Straf re$t*miffcnfcbaft t)at " lQ n jroar oerfudu, biefe $iage 
abftraft unb für bie oeridnebcnen gällc gleichmäßig 311 beantworten, inbeffen 
ift roeber in ber 2l)eorie eine allgemeine Üei>creinftimmung ber 2lufid)tcn, noeb 
in ber ^rartö eine gleicbmäBigc Hebung betbeigefübrt. s JJtan roirb fia; alfo 
barauf bcfd)ränfen bürfen, bie Jragc für ben oorlicgenbcn gall cinerfeitö naa) 
bem Sinne unb ber iragroeite bc$ jur 2lniuenbung gebrauten Strofgeiclje«, 
anbererfeitS naa) ber 9iatur unb 53ebcutung ber angeflagten ^anblung ju unter* 
fudjen. 5Dcr im oorlicgenbcn ftalle jur s ilnroenbung gebrachte Slrt. IV. s Jir. 1. 
ber preufe. 33er orbn. com 25. Sunt 1867 lautet nun jo: 

„S)er ©träfe beä §. 268. beö preuö- 6t. ©. oerfällt, mer in 
außtöärtigen Rottcrieen, bie niebt mit llnferer efenebmigung in 
Unferen Staaten befonberä jugclaffen werben, fpielt, wer fia) bem 
Serfaufe ber Roofe ju berglctcben Rotterieen unterjiet)t ober einen 
fola)en ^erfauf al« STCittelaperfon beförbert" . . . 

5Jlacb ber «orfebrift ber 33erorbnung ftnb biejenigen airöroärtigen Sottericen 
oom preufcifcbcn Staatsgebiete amSgefcbloffcn, roelcbe für baffclbe nid)t befonberö 
jugelaffen finb. ftmtalmlb beS preufeifeljen Staat^gebtetesS foll nur bic preu&ifa)e 
Staatdlotteric, neben berfelben foücn nur folebe jugelaffen werben, für weldje 
befonbere preu&ifc^e (Srlaubnife ertbeilt ift. 



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DeutfdjeS Straf rcdjt. (irtenrtrniffe beS Weid)$gerid)tS. 267 

§iernaa) hat baS in ber Scrorbnung eingefd&loffene Verbot bie Sebeutung, 
bafj bct Vertrieb, baS Angebot, bcr Serfauf oon Soofen bct rtiAt jugelaffenen 
Sotterieen innerhalb beS preufeifa)cn Staatsgebietes unterbleiben foH. ©in 33er* 
bot biefer Slrt f>at einen äf)nlia)en ^arafter wie ein ©infuhroerbot, roela)eS ben 
Uebertritt oon Siel) ober anberen bura) baS Verbot betroffenen @aa)en über bte 
SanbeSgrcnje auSfd)ltef3t. (Sinem folgen Verbote t)anbelt niä)t allein berjenige 
entgegen, melier, roährenb er fia) im preu&tfa)en Staatsgebiete perfönlidf) auf- 
hält, itoofe anbietet ober oerfauft, fonbern aua) berjeniae, melier oon auSroärtS 
»riefe mit oerbotenen Soofen naa) ^reufeen oerfenbet ober auf fola)e SSeife Soofe 
anbietet. %m 6inne ber Serorbnung roirb cS alfo liegen, baS ©trafoerbot Der- 
felben aua) auf §anblungen ber lefcteren 2lrt anuirocnben. 

3m 6inne jebeS ©trafgefefceS fa)liefet ferner bie .§anblung beS Sin* 
gefd&ulbigten nia)t mit ber perfönlia)en £t)ätigfeit beffclben ab; oiclmehr giebt 
eS fautn eine ftrafbare ^anblung, bei melier nidjt in irgenb einem Umfange 
eine bura) bie X^ättgfeit crjicltc unb beab[ia)tigte Sötrfung jum X^atbeftanoe 
ber ftrafbaren §anblung gerechnet unb in ben begriff berfelben hineingezogen 
rotrb. äfl nun beabfta)tigte Sötrtung an einem anberen Orte eingetreten, 
als an meinem ber 9lngefa)ulbigte perfönlia) thätig geroefen ijt, fo läßt fia) bie 
ium Sfiatbeftanbe ber J&anblung mit geprenbe SBirfung nia)t auSfa)eiben, um 
auf fotä)e 2Beife ben Ort ber begangenen &anblung allein ju beftimmen naa) 
bemjenigen Orte, an meinem ber Später feine perfönlia)e Xl)ätiafeit entroitfelt 
bat-, oielmefjr mufj, roenn baS eine ber beiben Momente — £l)ätigfeit unb 
Söirfung — baS anbere naa) fia) ziehen unb fo für bie »eftimmung beS ©crid&ts* 
ftanbeS mafcgebenb roerben foff, ein ©runb oorhanben fein, roela)er jenem baS 
llebergeroia)t oerfa)afft. 

Seftefjt nun aber im oorliegenben $alle ber Sharafter ber fkafbaren 
£anblung barin, bajj bie oon bem s ilngefa)ulbigten beabfia)ttgte SBirfung inner* 
^alb eines beftimmten ©ebieteS in Sßirffamfeit tritt, bafe oerbotene Soofe inner- 
halb beS preufhfa)en Staatsgebietes oertrieben, angeboten unb oerfauft roerben, 
fo erfdfoemt berjenige außerhalb jenes Staatsgebietes belegene Ort, oon roela)em 
aus ber 2lngefa)utöigte jene Sßirffamfeit in ber 2lbfia)t unb mit bem Erfolge 
erjielt, bafj fie an irgenb einem Orte beS preufjifa)en Staatsgebietes in bie (Sr* 
fa)einung tritt, für ben ©harafter ber ftrafbaren §anblung ohne söebeutung. 

211S Ort ber ftrafbaren §anblung fann fyki allein berjenige in 33etraa)t 
fommen, an roela)em bie oon bem Slngcflagten erjicltc 2Birffamfeit mit feinem 
2ßiUen in bie @rfa)einunq tritt. 3m Sinne beS StrafgefefeeS hanbelt ber 2ln- 
gefc^ulbigte an biefem Örte, inbem er für feine ftrafbare ^anbluna Äräfte in 
©eroegung fe|t ober benu^t, bura) roela)e er baS oon i^m erftrebte 3 icl 
bort erreicht. 

Sluf biefe Söcifc erlangt nun smar baS preußifdje SanbeSftrafgefefe inner* 
halb beS beutfa)en 9leia)eS eine thatfäa)lia)e Sötrfung über bie preufetfa)en 
©renken ^inauS, allein ber 3tatur bcr ©adje roiberfpriajt eine foldtje Söirfung 
nia)t, fie greift namentlid^ nidjt über bie bem einjelnen beutfdjen ©taate gezogenen 
©renjen in baS ©ebiet eines anberen beut)#en ©taateS hinüber, ©egen 
^anblungen, roelche baju beftimmt finb, innerhalb eines fremben ©taatSgebieteS 
unmittelbar roirffam ju roerben, in bie bortige fltedjtSorbnung einzugreifen, 
roelaje Siedete unb ^intereffen biefeS ©taateS auf foldjc SSeife oerlefcen, barf fiä) 
ber betroffene ©taat, aua) roenn bie ipanblungen jenfeits feiner ©renken in »oll- 
jug gefegt roerben, bura) ©trafoerbote fdjüfecn. Äann es nid)t bejroeifelt roerben, 
bafe er ben Xtyäut in foldfrem Jalle beftrafen barf, roenn er ihn fpäter innerhalb 
feiner ©renjen ergreift, fo barf aua) auf ®runb beS §. 7. ©t. $ro$. 0. bie 2lb- 
urtheilung ber %fyat oon einem ©eridfjtc beS bura) bie <panblung in oorgebaa)ter 
SBeife oerlefeten ©taateS erfolgen, benn biefeS ®efe| untcricheibet nidjt ätoifä)en 
Unterfuchungen, roela)e roegen «ergehen eröffnet finb, bie bura) £anbe§gefefce 

18* 



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2G8 ©eutfdfce« ®trafre<$t <&rfenntmfie bc« fflei<$«geri$t«. 

unb folgen, weldtje wegen Vergehen eröffnet finb, bie burdfj föetchSgefefce oerboten 
rmb; eS eröffnet auch in jenem ftalle einen ©ertchtsftanb, beffen Söirf famfett ft$ 
auf baS ganje 9teid)Sgebiet erftreeft. 

2)afe nach allem baS Sanbgcricht ©Otlingen für bie fämmtlichen gegen ben 
SIngef tagten jur Unterfucr)ung aejogenen Straftaten juftänbig mar, bebarf 
hiernach feinet weiteren SJcathweifeS. (ftolgt eine SluSführung, burch welche ein 
Angriff beS Slngeflagten jurüclgewiefen wirb, ber auf bie mangelnbe geftfiellung 
feine« 5)oluS gegrünbet ift.) 

©benfo unbegrünbet ift enblidb bie lefcte Scfchmerbe, meldte SSerlcfeung 
beS §. 286. St.©.S8.'S bejiehungSroeife beS Slrt IV. ber «erorbn. o. 25. Sunt 1867 
behauptet. 

fltodr) ben SDlotioen jum JteichSftrafgefcfebuche werben bie Sorfdjriften über 
baS Spielen in auSlänbifchen fiotterteen unb baS Jlolleftiren für btefelben burd) 
ben §. 286. 6t. ©. ©.'s nicht berührt, rote fefwn oor bem 9teid)Sftrafgefefcbuche 
ber entfprechenbe §. 268. beS preufe. 6t. ©. 8.'S unb Slrt. IV. 9tr. 1. ber 
Serorbn. o. 25. 3uni 1867 neben einanber beftanben haben. 9tach jener autljen* 
tifchen (srflärttng unb in fiinblicf auf biefe (^tftehungSgef dachte läßt fidf) ntdjt 
annehmen, ber §. 286. habe bie 3)?aterie beS ßotteriefpieleS in einem über ben 
3nf)alt jene« Paragraphen ^tnau3gel;enben Umfang orbnen unb entgegen bem 
auSbrücflichen SluSfprudje ber 9Hottoe bie roeitergetjenben partifularen Strafoor* 
fünften, namentlich auch ben mehrfach angebogenen Slrt. IV. ber preufe. Serorbn. 
o. 25. 3uni aufheben wollen. SlUerbingS roirb in ben SWotioen baS Spielen 
in auSlänbifchen i'ottericen erwähnt, in ber Süerorbnung baS Spielen in au$* 
wärt igen Sotterieen unter Strafe gefteüt. ^nbeffen oon bem 6tanbpunfte ber 
Sßartifulargefeljgebung aus ift jeber anbere beutfcr)e 6taat StuSlanb; fo läjjt auo) 
in Slb weichung oon bem Sprachgebrauch beS StrafgefefcbucheS ber Siluöbrucf bie 
u7?otioe auflegen, ^fn feinem galle fann man annehmen, bie 2Hottoe würben 
fid) auf bie angebogene furje SBemerfung befdjränft tjaben, wenn bie Jßartifular* 
oerorbnungen nur foioett Ratten erhalten werben fotten, als eS fictj um b<$ 
Spielen in Sotterieen oon nicht beutfdrjen «Staaten ^anbelte. 

§at aber ber Slrt. IV. 9lr. 1. ber Sßerorbn. o. 25. ^uni 1867 bürde) ba§ 
9teicr)Sftrafgefefebuch nicht befeitigt werben follen, fo ift er auch baburch nicr)t 
befeitigt unb nicht mobifairt, bafe ber §. 268. beS preufe. St. ®. SB.'« aufgehoben 
worben ift, wäfjrenb ber angebogene Slrt. IV. für bic oon ihm aufgeteilten 
£tjatbeftänbe bie Strafe beS §. 268. beS preufj. St. ®. ©.'S anbrohte. $ielmef)r 
ift nach §• 3 - beS ©inführ. ®. $um 9tet<hSftrafgefe|bud)e bie entfprechenbe Sor* 
fefirift beS §. 286. 81 ®t ©. SB.'S an bie SteUc ber aufeer Äraft gefegten SSor* 
fchrift beS preufe. Strafgefe^bucheS getreten, auf welche ber angejogene Slrt. IV. 
oerweift. 

2)aburch ftnb nun jwar bie in Slrt. IV. bejeidmeten Vergehen unter bic 
erheblich härtere ©träfe beS §. 286. 9t. St. ©. 8.'« geflettt, nach welchem auf 
©efängnifj bü8 px jwei fahren ober ©elbftrafe bi« 3000 «De. ernannt werben 
fann, wäjjrenb früher nur auf ©elbftrafe bis 500 Xfyakx erfannt werben burfte; 
unb hiergegen liefje fid; geltenb machen, ba& ber ©efefcgeber beS beutfehen Straf» 
gefe&budjeS nia)t wohl beabfichtigt hoben fönnte, bie Strafe eines preufeifchen 
VanbeSgefefceS ju erhöhen. Slttein ber §. 3. beS einfuhr. ©. unterfchetbet nicht, 
eine $olgc feiner Söeftimmuug ift aber, bafe biejenigen lanbeSgcfefclichen S3or* 
fchriften, welche ftch abhängta gemacht haben oon einer anberen buret) baS 
9teichSftrafgefe^buch erfe^ten l&orfchrift, nunmehr oon bem Snhalte ber ent* 
fprechenben 58orfchrift beS 9teichSftrafgefc§bucbeS abhängen. Sobann entfpricht 
biefe ftolgc aber auch oem inneren Serhältniffe ber lanbeSgefe^lichen SJorfchrift. 
S)enn bie Sejugnahme auf §. 268. war in bem Slrt. IV. ber angebogenen Ser 
orbnung feine "blofj äußerliche, otelmchr fteUte ber ©efe^eber bie in Slrt. IV. 
genannten .§anblungen unter bic Strafe beS §. 268., weil fte, ben hier bebrobten 



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SeutföcS ©trafrtdit (Ertenntniffc *eS fflei$«fleri$t3. 269 

.§anblungen oerroanbt, ihm in gleichem Sftafee fhrafbat ctf Lienen rote biefe felbjt. 
Uttit btefer Bbficbt bleibt aber Sie bureh ©inführung be« 9teich«flrafgefefcbuchc« 
eingetretene Seränberung ber ©träfe in @m!lang. 

2iaerbing« entfielt nun eine Serfchiebenhett jroifdjen ben ftrafrechtltchen 
93eftimmungen ber alten preufcifchen ^rooinjen unb benen ber neuen ^rooinjen, 
für roelaje allein bie SSerorbn. o. 25. 3uni 1867 gilt. 3)enn bort bleibt e« auch 
jefet bei ber burd) bie Sßerorbn. x>. 5. Suli 1847 für biefelben Vergehen an* 
gebrof)ten ©elbfhafe oon 500 Xfmler. SllTein biefe Serfd&iebenheit ift nicht burd) 
eine unpaff enbc Auslegung ober Slnroenbung oon §. 3. be« @tnfüf)r. ®. jum 
9teieh«ftrafgefefebucb, fonbern allein baburd) herbeigeführt, bafc bie preufcifcbe 
©efefogebung für bie alten $rooinjen nicht ben ©chritt nadmetban Oat, roeldjer 
für bie neuen ^rooinjen burch Einführung be« föeid)«ftrafge|efcbuche« oon felbft 
gemalt roorben ift. 

2tiu8 biefem ©runbe ift bie fteoifion be« 2lngeflagten in ooHem Umfange 
ju oerroerfen. 



§§. 4. 74. 259. 0t. <B. B. UnjulaiTigfeit ber gleichzeitigen Befirafung 
6es Bettlers wegen „Tlnftcbbrlngen" unb „tnitroirfen sunt 2lbfai$ u . 
Bei Begebung bet Hehlerei im Sluolanbe burd) ben 3lu*tänoet unb 
Itlitroirfung beficlben 3ur U)eiteroerau|erung ber geflohenen @acben itn 
3nlanbe ift bie bieofeitlge Strafverfolgung auegefthlofen. 

(Srf. be« I. ©traffen. u. 15. 2Rärj 1880 c/a. Sagraol, rooburd) bie 
s Jteoifton ber Staatäanroaltfdfjaft jurüefgeroiefen roorben ift. 

@ r ü n b e. 

2lnflage unb (fröffnimg«bcfchluf$ legen bem 2c. &, einem 2lu«länber, jur 
fiafl, )ii granffurt a. 9)t. feine« üßorthcil« roegen ju bem 2lbfa|e mehrerer ©tücfe 
6pro$entiger ©elbbonb« ber ÜJftffouri*$acific*($ifenbahn nebft (Soupon«, oon benen 
er roufete ober bod) ben Umftänben naa) annehmen mufete, bafe fte mittelft einer 
ftrafbaren öanblung — burd) fchroeren 1876 oerübten SMebftahl — erlangt 
roaren, bei llnbern mitgeroirft unb foldt)ergeftalt fidt) gegen §. 259. be« ©t.@.$. 
oergangen ju haften. 3)a« angefochtene Urtheil nimmt als erroiefen an r bafe 
2lngcflagter bie fraglichen 2öertf)papiere ju ftranffurt a. Üfl. roiffenb, bafe fie 
geflöhten, oerfauft habe, aber $uglcicb al« nicht roiberlegt, bafe er biefelben bereit« 
früher oon einem Slnberen $u $ari« — in böfem ©lauben — behuf« Erlangung 
be« ©igentbum« erroor ben höbe. 

§ierau3 entnimmt ba« Sanbgericht, bafe bie bem Slngeflagten jur Saft 
fallenbe Hehlerei nicht in ftranffurt a. Oft., otelmer)r in $art« oerübt fei, roeit 
ber am erfieren Orte beroirfte SSerfauf naa) Sachlage fein felbftftänbigc« Vergehen 
barfielle unb erflart be«halb bie angebliche ^anblung al« eine oon einem 2lu& 
länber nicht im ^nlanbe begangene ipanblung, nach §. 4. be« 6t. ©. 93., baher 
nicht ftrafoar. 

- 2)0)8 in biefer Söeife begrunbete freifprechenbe @rfenntnife greift ber 
©taatSamualt als auf recht^irrigen SorauSfe^un^en beruhenb an, inbem au«" 
äuführen oerfucht roirb, e« fei mit Unrecht bte feftgeftettte 3:cjatfad)e be« oora 
2lngeflagten im Manbe beroirften $8 er f auf 8 ber SEBerthpapiere unter ben oor* 
liegenben Umftänben für bebeutung«lo§ erflart, ba bie im 2luSlanbe begangene 
Hehlerei burch ben 3Serfauf im 3 n ^ aitoe fortgefe^t roorben unb fohin ba« 
„Änfichbringen" unb ba« ,,3umabfa&mitnnrfen" im §. 259. be« ©t. @. 53. fief) 
hier nicht au«fchliefee. $)te ©efetje«oerlc^ung roirb bahev ber ©aa)e nach auf 



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270 ©eutfd&cö Straftest, «rttnntntffe t>c3 Wei$ Ägeri^t«. 

SRtchtanwenbung beS §. 259. beS 6t. ®. bej. irrige Unwenbung beS §. 4. beä 
©t. ©. gefiüfct. 

^nbcffcn erfcfieint bie föeoifton unbegrünbet 

$te Slnfkgc ^atte St^ätigfeit beS 2lngeflagten im ^nlanbe au$> 
brücflid) lebigltch Den bafclbft oom 2lngeflagten für Rechnung ber riebe ober 
3wifchenhehlcr gegen Sßrooifion, nicht für eigene Rechnung, bewtrften Verlauf 
bet bezeichneten Obligationen ic E)eroorgef)oben unb barauS bie bem Slngeflagten 
allein oorgeworfene ,,3Jtitwirfung ^um Stbfafee bei Anbern" in ftranffurt a.fflL 
hergeleitet. 

3)iefer formulirten Slnllage gegenüber tft oon ber ©traffammer ew> 
fpredjenbe negatioe $eftftellung erfolgt, weil ber im ^nlanbe fiattget)abte 
fauf unter ben fonfreten Verhältniffen beS $aHeS eine felbfiftänbtge frrafbate 
§anblung nicht befaffe. 

(Sin ber ermahnten ©chlufjfeflfiellung unterltegenber SRechtSirrthum in 
Slmocnbung materieller ©efefce ift unerficfytlidj. Dbfdjon baS Sanbgeriajt bie 
nähere juxiftifd^c Statur beS SiechtSgefchäftS, woburch 2Ingeflagter jur %nnt* 
habung ber fraglichen Obligationen gelangt, nid^t fpejicll be3eid^net r nimmt baS* 
felbe bod) nach 2luSbruct unb 3 u fa mmen fa n g oer ©ntföeibungScjrflnbe ün 
3ufammcn^ange mit ber Raffung ber Snflage, wie auch bie SReoifion fclbfi 
unterteilt, unsweifelhaft an, bafc Slnaeflagter bereits in $aris bie Söerthpapiere 
oon einem dritten mittelft eine« auf Uebertragung jum ©igentfjum abjielenben 
Titels unb befmf* eigener Verfügungsgewalt aiuSgetjänbtgt erhalten habe. 3ha 
biefer ©inn, alfo cm „Slnfichoringen" in ber Vcbcutung beS §. 259. beS 
St. ®. V., lä&t fich mit bem im angefochtenen Urteile mehrfach wieberfehrenben 
HuSbrucf „ßrwerb" oerbinben. 

Von biefer unbebenftichen ©runblage au« ift feine rechtSirrthümlichc 
SlnfchauungSwcife beS Vorgerichts erfennbar. ©er Angesagte als ^ichtbeutföcr 
fann nach ben bieSf eiligen ©trafgefe&en jufolge ber hier eingreifenben Siegel ber 
§§. 3. 4. beS ©t. ®. V. nur bann oerfolgt werben, wenn er innerhalb beS 
©ebietes beS 2)eutfchen Geichs im ^nlanbe eine fftafbare ßanblung be< 
gangen \)at. 

begangen wirb, auch «* örtlicher Vejiehung, eine ftrafbare £anblung 
ba, roo bie jum Ve griffe beS MiftS erforberlichen §anblungcn oorgenommen, 
ber ftrafrechtüche SC^atbeftanb oerwirflicht ift. 

211S jutreffenbe ShätiafeitSafte jur fierfteCtung beS burdt) ben §. 259. beS 
©t. ©. 33. bebrohten Vergehens ber ©a^enhehlerei (Sßarttrerei) werben hu 
©efefee — neben ben fonfligen VorauSfefeungen — ein „Verheimlichen, Slnfaufen, 
3umpfanbnehmen", ein fonftigeS „3lnftchbringen" ober ein „TOwirfen jum 2lb 
fafcc ber betreff enben ©achen bei 2lnbern", fchon ^anblungcn erf orber t, benen 
bie eigennüfcige 3ÖiüenSria)tung beS -ilngeflagten auf Sicherung ober Verwerfung 
ber oon einem 2lnberen mittelft eines ©elitts bcwufjt erlangten ©achen gemeinfam 
ift. $>urd& jebe biefer, auf benfelben ©cgenftanb fich bejiehenben öanblungen 
wirb baS Vergehen beS §. 295. begangen, b. h- abgesoffen unb oolienbet. 

2) a nun ber obigen Ausführung gemäfe 2lngeflagter bie $artirerei in 
Vetreff ber fraglichen SBerthpapiere burch „3lnfichbringen" berfelben in $ari$ f 
fofjtn im SluSlanbe, oerübt hatte, fonnte er baffelbe bereits ooUenbete 2)eltft 
burch ^anblungen, bie in Fortführung feiner oon Anfang an oorhanbenen 
3BiUenSrichtung, ber (Srftrebung eigenen Vorteils, fich weiter fpäterhin im 3^ 
lanbe funbgaben, bafelbfl nicht nochmals begehen. 

3) em in granffurt oorgenommenen Verfaufe ber anberen Orts fchon 
oerhchlten ©achen fehlt bie (Sigenfchaft einer felbftftänbigen, einer neuen, für 
ben ftrafrechtlichen begriff beS s JteatS erheblichen ^panblung (§.79. ©t. ©.#.). 



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3>aitf$cS @trafred)t «rferattaifie be« «eid)8gm<ht8. 271 

©obin {>ot baS angefochtene Urzeit mit SRecht angenommen, bafc im 
Snlanbe oon bera Slngeflaäten ba« SBergeben ber $artircret nicht begangen, 
unb bafe beShalb bieSfeittge ©trafoerfolgung auSgefcbloffen ift. 

SDaran würbe felbft bann nichts geänbert werben, foütc auch, wie bie 
9teoifion, jebodj ohne ©tüfce bureb beSbalbige tyatfädjltdje $efifiellung, behauptet, 
Slngeflagter febon bei bem in SßariS ftattgebabten Erwerbe ber Obligationen 
iBerwertbung an ber $ranf furter Sörfe beabsichtigt haben. 

SJnberS fönnte e£ fich nur »erhalten, wenn — wa£ hier nicht jutrtfft — 
im SluSlanbe ber Stageflagte iebtglicb oorbereitenbe ober SerfudjSljanblungen, 
als folebe oorliegenb nicht ftrafbar, oorgenomraen unb ben 23>atbejtanb beS 
Vergehens na* §. 259. beS 6t. ©. ©. erfl im ^nlanbe burdf) entfpredhenbe 
§anblungen erfüllt f)ätte. 



§. 193. 0t. <B. B. §ut Tlnrocnbung bes §. 193. St. <B. B. genügt 
nicht öle ,feft(Wlung oee Bewujjtfeins r>on bem e^rfranfenben (C^araftet 
ber ftunbgebnng, fonbern es wirb auch bie $lbfttt)t ju bcleibigen 
erforbett 

Ert. beS II. «Straffen, t). 16. SKärj 1880 c/a. $otber*Egger, woburdf) 
baS SBorerfenntnifj aufgehoben, unb auf 3urücfoerweifung erfaimt roorben ift. 



© r ü n b e. 

$er 8. % oerfagt ben 2lngeflagten ben 6chufc beS §. 193. beSbalb, weil 
biefelben jroar befugt gewefen feien, ihre Öefcbwerben über bie Verwaltung beS 
ÄonfurSoerwatterS Ä. biefem gegenüber jur Sprache ju bringen, bie Slngeflagten 
jeboeh in bem ber 8ef<f)ulbtgung ju ©runbe gelegten Schreiben bie ®ren§en 
einer fachlichen Erörterung biefer Söcfcfjroerben überfebritten unb ohne genügenbe 
Serantaffung ber in biefem Schreiben enthaltenen Heuierungen fich bebient gärten. 
Sterin liegt eine redjtsirrtbümlicbe 2tnwenbung beS §. 193. 2)enn wenn bie 
2lngeflagten, roie ftc behaupteten unb ber erfte dichter feftftcfltc, bie fraglichen 
Steuerungen $ur 2öaf)mef)mung berechtigter ^ntereffen gemacht Ratten, fo gingen 
fie beS Schu^ beS §. 193. babureb noch nicht oerluftig, baß fie mögltcherroeife 
unbewufet bte ©renjen einer fachlichen Erörterung überfebritten unb fich 
Steuerungen bebtenten, roelche jur Erreichung ihre« 3wecfS nicht nothroenbig 
ober bienlich waren. Sie erscheinen metmebr in biefem Ball nach §. 193. nur 
bann ftrafbar, wenn aus ber ftorm ber Sleufeerungen ober ben Umftänben, unter 
benen fie gefdwhen, baS 23orhanbenfein ber Öeleibtgung h^toorgeht. SefctereS, 
bafe baS SBorbanbenfem ber Seleibigung au« ber §orm Der Sicherungen beroor* 
gehe, ftellt nun *war ber 21. 9t. ebenfalls feft, aber er irrt in ber Auslegung 
btefeS ErforberniffeS, roenn er roeiter aufführt, bajj cS auf bie 2lbficht ber Stn* 
gesagten, ben ÄonfurSoerwalter Ä. ju bcleibigen, nicht anforame, c« oielmchr 
aenüge, baB fich bie 2lngcflagten bei 2lbfaffung bes Schreibens be$ objeftio 
beleiDigenben Eharatterä ber ihnen jur iJaft gelegten 3leufeerungen beroufet 
geroefen feien. S)enn ber §. 193. oerfteht unter bem iBorhanoenfeht ber Se* 
leibigung gerabe bie Slbftcht ju beleibigen. 2ßenn im Jv etile ber SorauiSfe^ungen 
befi §. 193., bie geftftellung be« Serou&tfeinS oon bera ehrfränfenben (Ityaxatttv 
ber Äunbgebung genügte, to roürbe ber §. 193. überhaupt überflüifig geroefen 
fein, ba biefeö $erouf)tfein $um itnubcftanöc jeber ^Beleibigung gehört, roäbrenb 
eben im %aüt beä §. 193. baÄ sßorhanbenfein einer ©eletbigung nur unter 
befonberen 3SoraiuSie|ungen angenommen werben follte. 



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272 2>eutfcfc* ettatredjt. Srlenntnifit tc§ Leibgerichts. 

§§. 263. 43. 0t. <B. B. Betrugeoerfuü) liegt vct, roenn Dura) un- 
wahre* ülageoorbringen nn6 bura) Be3ugnar;me auf eine Durch Der- 
fthmetgung erheblicher Outfachen erwirfte öffentliche Beurfunbung in 
Dem proufriebter 6er (Blaube an Die behauptete Berechtigung erwedt, 
un6 berfelbe Ijier&urtr; 5um (Ettal Deo beantragten Itlanöatee bc- 
roogen werben |olL 

6r!. beS HL Straffen, o. 17. 2Äär$ 1880 c/a. Ephraim, woburdj bic 
DüchtiafeitSbefchwerbe ber StaatSanwaltfchaft für begrünbet erachtet, unb unter 
Aufhebung ber angefochtenen ©ntfcfjeibung auf 3urttcfoerweifung erfannt worben ift. 

© r ü n b e. 

5Die ^nftansriebter flellen feft, bafe bie 9t bie für fie im ©runbbud&e oon 
©mogulSborf 2lbbau 9lr. 32. unb 23. eingetragene @rbtrjeib8forberung oon 
60 9K. bureh notarielle (Seffion »om 28. 2lug. 1867 bem £anbelSmann ab- 
getreten §at, bafe bie ftorberung oon Jg. auf bie Sefifcer be3 ©runbjtücfS 
ömoguDSborf 3lbbau 32., bie G.'fchen Seeleute, übergegangen ift, bafj bie 9t 
eben biefelbe ftorberung burch notarielle ßeffion oom £uli 1877 an ben 2ln* 
geflagten 6. abgetreten hat, bafe auf welchen bie $orberung auch umgefchrieben 
roorben ift, oon ber früheren (Seffton an noch oor ber Erwerbung Äenntntfj 
erlangt, trofebem aber biefe ftorberung am 29. 2tug. 1877 bei bem tfreiSgertcht 
ju edmbin gegen bie G.'fchen unb 3R. J fd»en @fjeleutc, ala Söefifeer ber beiafteten 
©runbfiücfc, cingeflagt, auch jum S3eroeife feines Stnfpruch« auf bie ©runbaften 
6moguU5borf 2tobau 3ßr. 32. unb 23. 8emg genommen unb bic Einleitung beä 
ÜflanbatSproaeffeS beantragt, jeboä; nach Einleitung be$ orbentlichen Verfahrens 
unb Erlaffung eine« 33ewei3refolut8 bie ßlage surüefgenommen ^at. %n biefen 
2$atfa$en ftnbet ber bie erfhnftanjliche ftreifprechung befiätigenbe jweite dichter 
nicht ben ^t^atbeftanb be£ SctrugSoerfuchS, inbem er baS Erforberntfe ber 
3rrthum3errcgung oermifet. Er erachtet bie einfeitigen Sßarteibehauptungen 
nicht geeignet, in bem dichter ben ©lauben an ihre ©aljrhcit au begrünben, unb 
roiU nur bei Vorlegung oon Sewetöurfunben, roenn bie S5ofumente unb bie 
barauf gegrünbeten nJarteibehauptungen falfch unb, bie 2fanaf)me gelten laffcn, 
bafi ber dichter in einen ^rrthum oerfefct werben foEte. 2)iefe SBorauäfefcungen 
werben oorliegenb oermifjt, roeil ber dichter bie Älage nicht im erbetenen 
UWanbatSpro3ejfe, fonbern im orbentlichen Verfahren inftruirt unb baburdh nicht 
bofumentirt tyat, bafe er in einen Srcthum uerfefct roorben ift. 

S)ie Argumentationen bc3 peiten dichter« ftnb nicht frei oon Siechte 
irrthum, unb bie auf «erlebung beS §. 263. be« 6t. ©. 33. gefügte WcbtigfeitS* 
befdtjroerbe ber Staatäanroaltfchaft hat für begrünbet erachtet roerben müffen. 

3n bem oon bem Slngefl. E. gegen bie E.'fchen unb 3)i.'fchen Eheleute 
angeftrengten ^rojeffe enthielt ba§ Älagoorbringcn in fo weit eine unwahre 
Xt)ai)a<$)t, als üläger mit ber ©eltenbmachung ber ftorberung einen Utechts* 
erroerb behauptete, welchen er nicht gemacht haben fonnte, roeil bie Stechtä* 
oorgängerin bie betreffende ftorberung fchon lange oorher anberroeitig abgetreten 
hatte. $ur öegrünbung ber richterlichen Ueberjeugung oon ber Wahrheit beS 
Jtlagoorbringerä roar 95'ejug genommen auf bie bem ^ßrojeftgerichte zugänglichen 
©runbaften, au& welchen bic gorberung roie ber Ueoergang berfeloen auf ben 
Äläger heroorging, unb ti roar um ßrlafe eine« ÜJcanbatiS an bie Söertlagtcn 
gebeten. 6omit roar bie JÖcurfunbung über ben Ueberganc^ ber gorberung auf 
ben Kläger in eine unmitttelbarc 33c3ictmng ,;unt J^lagoorbnngen ju bem ^meefe 
gebracht, bamit ber dichter bie rechtliche Ueberjeugung oon ber in Wahrheit 
nicht eriftirenben Berechtigung be§ Äläger« erlangen unb Durch (Srlafe beÄ 
aJtanbat^ bie 2krf tagten lofort in eine rechtlich erfa)rocrtc Sage aum Äläger 



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2>cntfäe« ©trafrecfjt. «rfenntnifie tc« fflci<$3geric$tS. 273 

bringen foHte. %tnt Beurfunbung fclbft abet war, roenn auch echt unb formell 
gültig, burdt) Uuterbrücfung einer roabren Zfyatfafyi errotrft; benn in ber (Seffton«* 
afte, auf welche bie Umfchretbung erfolgt roar, Ijattc bie eingetragene ©läubigerin 
oerfdt)rotegcn, bafj jic bie oon ihr cebirte ^orberung bereit« oor ^aljren anber* 
roeitig abgetreten hatte. ^Qat aber 2lngeflagter burch unroahre« ftlagoorbrtngen 
unb burd) Bezugnahme aur eine burch Oerfchroeigung erheblicher ^t)atfadt)en er* 
roirfte öffentlichte Beurfunbung in bem ^roje'&richter ben ©lauben an bie 
behauptete Berechtigung erroeefen unb benfelben bierburdt) jur (Srlaffung be« 
beantragten äJianbat« oeranlaffen inollen, jfo ift nicht m oerfennen, bafj unter 
ben übrigen 2torau«fefcungen hierin ber Oerfudt) eine« Betrug« burch $äufa)ung 
be« ^rojeferichter« liegen fann. $afc ber ^rojefjrichter ba« erbetene SJtanbat 
nicht erlaffen, ben ^rojefj otelmebr im orbentlidben Verfahren inftruirt fyat, ift 
gegenüber ber ftrage be« Berfuch« ohne Bebeutung. 9iach oorftebenben @r* 
luägungen hat ber jroeite dichter burch unjuretchenbe rechtliche 3Mrbigung be« 
feftgefteaten Zf)atbtftante& ben §. 263. be« 6t. ©. B. oerle&t. 



§. 253. 6t <B. B. Die oon einem Qlnbercn als bem Schul&ner ftatt» 
finbenbe Zahlung einer Jbrberung ober 6lc Eerbürgung eines Tritten 
fann an (ich nicht alo ein recbteroi&riger üermögeneoortbeil angefehen 
roeroen. 

@rf. be« III. Straffen, o. 17. 9Jtärj c/a. ßehmann, rooburd) auf 2Iuf* 
hebung ber Oorentfcheibung unb 3urüctoerroeifung erfannt roorben ift. 

© r ü n b e. 

3)ie SReotfüm beantragt Aufhebung be« oorigen Urtbetl« unb ftreifpredbung 
be« Befchroerbefubrcr«, weil ba« Gtrafgefeö, iroSbefonbcre ber §. 253. be« 6t.©.B., 
burdt) Sttnroenbung be« Begriff« ber (£rpreffung auf ben fcftgejtelltcn Xhatbeftanb 
ocrlefet roorben fei; baneben roirb gerügt, bafj e« an ber genügenben geftficllung 
be« S)olu« be« Befcbrocrbefübrerö fehle, rocil im angefochtenen Uctljcil ba« 
Beroufjtfem beffelben oon ber s Jied>t«roibrigfeit be« ahgeftrebten Bermögen«* 
oorthcilÄ fich nicht bejaht finbe. 

$ür beroiefen tyabtn bie oorigen dichter erachtet, bafe ber Befdnocrbe-' 
führer com Baier feinet 6d)ulbner« bie 3 a ^ un 3 c * ncr 9 c 9 cn ocn latent ihm 
guftehenben ftorberung burch Drohung su erlangen oerfucht (abe; fic ftcllen feft, 
bafj ber ©ntfd&lufj, ben ®. sen. jur 3 a &fang ocr ^chulö feine« 6obne« ju 
nötl)igen, oom Befcbroerbefübrer ju bem 3mecfe gefafjt roorben fei, um fich einen 
rechtänübrigen Bermögen«oortbeil $u ocrfd&affen, bafj er alfo ben ©ntfctjluf? 
gefaxt h^be, eine fftafbare ©rpreffung ju oerüben, ©egen bie bamalige gälugfeit 
ber ftorberung gegen @. jun. ift fein 3weifcl oorgebracht. %n roie fern bie 
3ahiung berfelben burch ©. sen. für ben Be|a)rocrbefübrer ein Bermögcn«* 
oortheil geroefen fein roürbe, ift nicht erörtert. 

Unter ber ^orauSfejnmg, ba§ fie biefeS geroefen roäre, unb bafe ber SSor- 
thcil aueäh ein rechfcSroibriger geroefen fein roürbe, ift bie im Oorftehenben mit* 
getbeilte thatfächltche JeftfteHung be« Seroufetfein« bes SefdjroerbeführerS oon 
biefer Slcchtgroibrigfeit genügenb, ba eine üöcftrcitung be« Öerou|tfctni8 unb ein 
Antrag, baffelbe jum ©egenftanbe einer befonberen geftftettung m machen, nicht 
erfichtfich ift. 6o lange eine foldje ©eftreitung unb ein folcher Antrag nicht 
oorliegen, h<*t wan baoon augjUßehen, bafe mit ber 23ejafmng eiue« 3 n, e c ^ 00c * 
einer Slbficht auch baS Jöeroujjtfein beö Slngeflagten oom ©egenftanbe beö $meä$ 
ober ber 3lbficht bejaht, bafj alfo mit ber Kernteilung ber oorigen dichter, ber 
3roecf be« Sefchroerbefuhrcr« fei auf bie ©rlangung eine« recht« roibrigen 



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£>m j <tnä,**xj;*j» isw»(«Aii>i ^»iMtM4 M ;nA v«a co«;^^*«-;^*« 

V / 1 .£/Clin(DCy ^XTuTTrCOl. VSIICTiniTIlllC CC9 »u C . CU lQj[9w 

SBcrmögenSoortheilS gerietet gewefen, auch feftgeftettt fei, baß er biefe Rechts* 
wibrigfeit erfannt fjabe. 

$te ^rage, ob eS im 6innc beS §. 253. beS 6t. @. 8. für einen rechts* 
wibrigen ScrmögenSoorthcil gehalten werben muffe, wenn 3emanb bie 3 a ^ un 9 
einer recbtSbefuinbigen unb fälligen $orberung nicht oon feinem ©cbulbner, 
fonbem oon einem ocrpfltc^tetcn dritten erlangt, bat eine oerfebiebene Beantwortung 
gefunben. @S (janbelt fich babei einerfeitS barum, ob bie 3 öl ^ un 9 e * nec folgen 
gorberung burch einen dritten überhaupt ein SermögenSoortbett für ben ©lau- 
biger genannt werben fönne, anbererfetts barum, ob, wenn biefeS ber §att, ber 
SBortheil nach §. 253. für recbtSmibrig ju erachten fei. 

$ie 3 a ^""9 oun& ben 6a)utbncr felbit enthält im 6inne beS §. 253. 
nach richtiger unb berrfebenber 2lnficbt feinen SBermöqenSoortbeil für ben ©lau* 
biger, fo fern bie ©rlangung beS ©elbeS unb bie Tilgung ber gorberung ft$ 
gegen einanber aufbeben; ber Öefife beS ©elbeS ifi jwar ofme 3ioeifel ein 6ot» 
ttjeil, aber nur weil er cS ifl, wirb burch bie 3<*btong, welche bie ftorberung 
aufbebt, baS Vermögen beS ©läubigerS nicht oerminbert. 2)ie 3oblung burc§ 
einen ^Dritten bewirft in berfelben Söctfe für ben ©laubiger ben Sortbetl beS 
©elbbefi&eS unb ben fompenfirenben 9tot$tftett beS Untergangs ber ftorberung. 
2lber wäbrenb bie 3 Q htonß burd) ben 6d)ulbner jeigt, baß berfelbe in bieiem 
Slugenblicf unb für biefe gorberunq äablungSfähig mar, ber ©täubiger alfo in 
ber aufgehobenen gorberung nicht oloß einen formellen Slnfprudj, fonbem einen 
wirflidjen SermögcnSmertb oerliert, iucdr)alb eben an fia) bie Zahlung ^ r $ n 
feinen $$ermögenSöortheil herbeiführt, läßt bie 3 a hfo"9 0" t( ^ cincn dritten nad> 
oerfdnebenen Stiftungen bie ÜWögltcbfcit eines folgen Vorteils offen. 3nS> 
befonbere fann ber Sajulbner infoloent fein, burch bie ^nteroention beS dritten 
alfo bie ftorberung als ein für ben ©läubiger werthlofeS SermögenSftücf gegen 
ben reellen SBertl) beS empfangenen baaxtn ©elbeS aufgehoben werben, ober eS 
fann in biefer Söeife bie 3ahlung, wcnigftcnS früher, als fie oon bem ©djutbner 
felbft $u erlangen wäre, erlangt werben. Unter berartigen SorauSfejiungen 
würbe baber baS Vermögen beS ©läubigerS burd) bie 3 a ^ un 9 Dcg dritten 
materiell allerbingS bereichert werben, demnach bilbet bie teßtere nicht fehlest* 
hin einen SermögenSoortbeil für ben ©läubiger, fann fich aber burd} bie 
fonfreten Umfiänbe beS gegebenen $alls als ein foteher barfteHen. Buch liegt 
eS in ber 9iatur ber 6acbc, baß ©rpreffungSoerfucbe gegen S)ritte befonberS 
burch bie ©chwiertgfett, oom Scbulbner felbft 3 a btong ä u erlangen, oeranlaßt 
fein werben, $n ähnlicher 9Beife liegt bie Veranlaffung, weSbalb ber ©laubiger 
bie Verpflichtung eines dritten als Bürgen oerlangt, in ber entweber fdjon cor* 
hanbenen, ober für bie 3 u f un ft möglichen Unftct)ert)ett ober 3 a hl un fl^ un f fl higfeit 
beS ^auptfdmlbnerS. unb fann bie öürgfehaft nur beShalb in jebem ftaü. ein 
Sortheil für ben ©läubiger genannt werben, weil babei an ein £rebiroerbältni& 
gebaut wirb, welches nicht fofort loieber aufgehoben werben foll, alfo bie 2ßög» 
lichfeit einer jufünftigen ©efährbung beS ©läubigcrS regelmäßig mit fich bringt, 
währenb eS bei ber 3 a h^«ö bureft einen dritten nicht auf ben sufünftigen, 
fonbem auf ben gegenwärtigen wahren ©erth ber gorberung für bie $rage an^ 
fommt, ob ber Gläubiger öaoon syortr)eil habe. ®iefe ^rage forbert bei ber 
2lnflage wegen ßrpreffung eine Antwort burch bie thatfächlicbe ^eftftellung ber 
erften dichter, welche fich, bem begriffe beS §. 253. gemäß, auch Q "f bie Slbficht 
beS Hnaeflagten ju erftreefen hol- 

3)ie Utechts wibrigf ei t beS VermögenSoortheilS beS §. 253. befiniren 
bie ÜJ^otioe mit ben ®orten, baß ber ber (Srpreffung ©cfnilbige auf ben Sßortheil 
fein stecht gehabt hoben bürfe. 2luS biefem ©runbe würDe bie 3oh^ung feitenS 
beS ©cbulbnerS felbft, auch wenn fie für einen Söortheil gehalten werben fönnte, 
iebcnfaUS fein rcchtSwiöriger «ortheil für ben ©läubiger fein, ©egen anbere 
^erfonen aber, als bie ihm obligatorifa) Verpflichteten, \)at ber ©läubiger fein 



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2>eurföe8 etraftc*t «rtenntniffe be* W«t<^eri*tB. 275 

9te$t auf 3^lung. Qmax ift aua) bie 3 ö ^ un 9 Dur 4> einen dritten feineStoeg« 
ein recbtSioibrtger 2lft; ba£ ift jeboeb an ftcb, unb obne SBerücfficbtigung be« 
barauf oertoanbten recbtStotbrigen 3Jlittel$ ber ©etoalt ober $robung, aud) feine 
anbere bureb btefe$ 3)tittel erlangte SemöaenSjutoenbung. $er §. 253. oerlangt, 
nad) ben 2ftotioen unb bem flaren 3 rocc * ber Strafbefttmmung, niebt, bafj febon 
in ber Buioenbung als foldjer eine ytecbtsoerletjung liege, fonbern er oerlangt 
nur, bafe auf bie 3uroenbung fein tfteebtaanfprud) befiele, ©et einer anberen 
2tuffaffung toürbe man bei oielen jtoeifeHofen ©rpreffungSbanblungen oon bem 
Sergeben be3§. 253. niebt mebr fpred&en tonnen; benn ricMg ift, bafj bie 9tecbt$* 
roibrigfeit beS iBortbeilS niebt lebiglicb in bem unerlaubten äJiittel ber Erlangung 
bura) ©eroalt ober $robung befieben foü, ba neben biefem Littel ber 33er* 
Übung be« Vergebens noeb bie föecbtätoibrigfeit be3 2iortf>eil3 geforbert toirb. 
$nbem bafjer ber ©efd&roerbefübrer oerfudjte, oon bem ü)m niebt oerpftic^teten 
Sater feinet Scbulbnerä 3 a blnng S u erhalten, ging feine Slbfidjt auf einen im 
Sinne be8 §. 253. reebtSiotbrtgen $Bermbgen£oortf)eil, oorauägefefct, bafj biefe 
3a^lung naa) SJiafegabe beS Obigen unter ben fonfreten Umftänbcn für i§n über* 
baupt als ein Sortbeil ju erachten war. $n fo weit ift btu)er bie föeoiftonS* 
befa)roerbe unbegründet 

Sie oorigen Siebter finb oon ber 2tnfidjt ausgegangen, bajj bie 3 ö *) lun 9 
einer beftebenben unb fälligen gorberung bura) einen 'Dritten fdjon an fia) für 
ben ©laubiger ein $krmögen$Dortf)eU fei, toährenb fie. roie jebe 3 al ^ u "9 ein <* 
folgen goroerung, an ftcb nidjtö weiter ift, als eine Seränberung in ber ftorm 
ber babureb betroffenen 33ermögen3tüertf}e. 2lu8 biefer Sttfföt ber oorigen 
Siebter erflärt e3 neb, bafe biefelben niebt feftgeftcüt rjaben, in wie fem bie Um» 
ftänbe be3 fonfreten ftalls bie 3 a b l M9 Dc ^ ©• sen - f ut f cincn @°& n 3 U cincm 
^crmögenSoortbetl für ben Sefdnoerbefübrer gemalt bnben mürben. $5ie 
6d)lufe|eftftellung beS angefoebtenen UrtbeilS, ber @ntfd)lu| beS 23efcb»oerbefübrer3 
fei auf einen ^ermögcnSoortbeil gegangen, genügt niebt, ba üjr eben bie 
irrige 2lnfidjt au ©runbe liegt, ba§ bie Ballung fd)on an fta) ein Sortbeil fei. 



§. 95. 6t <B. B., §. 19. 6e» <B. o. 21. <Pft. 1S78. ber Weitergabe 
eineo geitungsblattcs, bejfen beleibigenber anmalt ihm befannt ifo liegt 
feiten« be» Irabenten feine Beleibigang, wenn Unterer bie XDeiter- 
oerbreitung lebiglicb, um feiner DertragepfUcbt näcbjufommen , be- 
toirfte. — I>ae ßolleftioabonnement auf oetbotene fo5ialiftifd)e 6a)riften 
fiellt fta) als Derbreitungeaft oon Erucffcbriften im £inne bes §. 19. 
öeo <B. o. 21. Oft. 1878 gegen bie gemeingefÄbrlicben Begebungen 
ber 0o3ialbemofratie bar. 

@rf. bt& IH. Straffen, o. 17. OHar* 1880 c/a. ^eterfen, toobura) auf 
3luf^ebung ber Jßorentf Reibung unb 3urüctocrtocifung erfannt roorben ift. 

©runbe. 

$)er Staatäanroalt beantragt bie flufbebung be« angefoa^tenen Urtbeil^ 
unb 3urücfocrroeifung ber ©acbe in bie oorige ^nftanj ju anberroeiter ^er* 
banblung unb ^ntfebeibung, roeil Oer §. 95. be« ©t. ®. 8. unb ber §. 19. beS 
®. o. 21. Oft. 1878 gegen bie gemetngefäbrlia)en ©eftrebungen ber Sozial* 
bemofratie oerle^t morben fei. 

3ur änflage roegen ÜKajeftät^belcibigung (§. 95. St. ©. 50.) fietten bie 
oorigen Siebter 3°^9 cn ^ €l5 f c ft- erroiefen ^abe nur erachtet werben fönnen, 
ba§ bie 3lngeflagtcn in ^olge eines SSertragS, melier fic banb unb jur lieber* 
gäbe ber in ber 2lnflagefc&rift bejeid)neten 3^ i ^ n Ö^°^ ttet verpflichtete, bie 



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276 3)eutt*c« CtowfKgt CrtcrnttTtific t*S ffl<i<$8cjeri<$t«. 

Weitergabe bcr leiteten, welche Selcibigungcn bet 3fiajefiät beS ÄaiferS enthielten, 
beforgt haben, ofme bafj biefer Aft ber Weitergabe mit bem Inhalt ber Blätter 
in irgenb einem 3 u f amm enbnnge geftanben hätte. 3)abei erörtern bic oorigen 
dichter, e£ fönne aUcrbingS in ber Uebergabe eines, eine SDlajeftätSbeleibigung 
entbaltenben 3eitungSblatteS eine erneuerte felbftftänbigc sBeleibigung liegen, 
wenn bie Uebergabe mit bem SBeroufetfein erfolgte, bafe bura) ben Snljalt bic 
SWajcflät belcibigt werbe, unb nicht etwa ber iräbent burch Vertrag oerpflicbtet 
fei, baS Vlatt einem an bemfelben berechtigten dritten einjubänbigen unb bie 
SCrabition blofj in ber Abftcbt, biefer Pflicht 511 genügen,' oorgenommen babe* ? fie 
Dergleichen bic ^anblungSroeifc ber Angeflagtcn mit ber eines Abonnenten etneS 
&efefabinetS, ber baS eine Seleibigung entbattenbe sölatt, nachbem er eS gclcfen, 
auf bicJöitte eines anbeten Abonnenten biefem übergtebt, unb fügen fyimu: auch 
et fenne bann ben fkafbaten Inhalt unb gebe benfelben miffentlicg einem 
©ritten jum Sefen, fönne fich babureb aber einer SBeleibigung nicht fchulbig 
machen, ba er nicht berechtigt geroefen fei, bem britten TOberedjtiaten baS Slatt 
ooräuenthalten, unb nur, um feiner Verpflichtung $ur Weitergabe ©enüge ju 
leiften, bem dritten bie 35rucffchrift trabirt habe, hieran fchliefit fich ber Au&* 
fprudj: es fei nicht als thatfächlich feftgefteut ju erachten, bajj bie Angeflagten 
(Seine 3Jcajeftät ben tfatfer beleibigt hätten. 

3)er üöefcbroerbefübrer ftnbet bietin einen s Jted)tSirTthum, inbem er an* 
nimmt, ber SBorberricbter Imbe geglaubt, bafe eine an unb für fich ftrafbare 
$anblung ftrafloS fei, wenn ber .§anbclnbe fich bureb Vertrag ju biefer ^anblung 
oerpfliehtet hatte, roäbrenb s 3iiemanb einen Vertrag erfüllen bürfe, roenn t«h bem* 
nächfl ergebe, ba& burd; bic (Erfüllung ein Strafgefcfc roerbe oerlefct roerben. 
3)ieier Angriff auf baS oorige Urtljeil ift nicht begrünbet. Sie erfien üRidjter 
gebenfen beS unter ben Angesagten beftebenben, auf Umlauf ber gemeinfehaftlich 
bcftellten 3eitungSblättcr unter ihnen gerichteten Vertrags nicht, um barauS ju 
folgern, bic Seftrafung wegen öcleibigung fei auSgefchloffen geroefen, roetl sroar 
eine fold)e in bet Stabition oom ©inen jum Anbem liege, aber tro|bem biefe 
Srabition eine gültige unb binbenbc 2krtragSpflid)t geroefen fei. Vielmehr 
ftcllcn fie ben Aft bcr Xrabition als eine ^anblung bar, bic nidjt objeftio als 
folaje ben $h at °eftanb °er $elcibigung erfülle, fonbern ju einer Selcibigung, 
unb jroar ju einer erneuerten felbftftänbigen Seleibigung, im ©egenfafce ju ber 
in bem Serfaffcn unb Druden beS SlatteS liegenben, erft burch ihren ©runb 
unb 3 rocc f werben fönne, unb oerneinen, bafj biefcS fubjefttoe ßrforbemifj beS 
SfmtbeftanbcS hier oorhanben fei, weil ©runb unb 3roed ber oon ben Angeklagten 
oorgenommenen Xrabition lebiglich ber unter ihnen abgefchloffcne Vertrag unb 
beffen Erfüllung geroefen fei Sic oermiffen alfo ben jur 9JcajeftätSbeleibiguna, 
nothroenbigen ftraf baren Sorfafc, unb jroar inbem fte als baS thatfächlichc 
33cmeiScrgebnife auSfprechen, bafe bic Angeflagten nicht biefen, fonbern einen 
anbern ittorfafc, ben ber Vertragserfüllung, gehabt haben; bic an fta) nicht 
nothroenbige pofitioe ftcftfiellung bicfeS lederen SBorfafeeS, bic freilich nicht 
möglich geroefen roäve, roenn nicht auch ber Vertrag felbfl erroiefen roar, ift 
nichts AnDercS als eine ©rgönjung unb &cfefhgung ber negatioen ^efrftellung, 
auf roela)c eS hier anfam, bajj ein $cleibigungSoorfa§ nicht oorhanben geroefen 
fei. 3 roa * enthalt baS angefochtene Urteil bie oom Sefchroerbeführer barauS 
üitirtc öemerfung, eS fönne in ber irabition eines 3citungSblattcS eine $e- 
leibigung liegen, roenn fie mit bem Seroufetfein gefchehe, bäfj ber 3nba.lt beS 
8latteS beleibigenb fei; hiermit haben fie abet nia)t ben oom sBefchroetbcfühtet 
hineingelegten Sinn oetbunben, ba§ jebc Srabition mit biefem Seroußtfein fchon 
baS oollftänbigc Vergehen enthalten, roorauS aUerbingS folgen roürbe, bafe ju 
einer foldjen 5trabition s Jciemanb burch Vertrag oerpfliehtet fein fönne; fonbern 
fie haben nur eine VorauSfe^ung auSgefprochen, ohne roelche baS Vergehen 
jebenfaHS nicht oorhanben fei, unb fügen fofort hi«5», bafe, auch roenn biete 



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3>eutf$e8 ©trafred&t. (Srfcnntnific beS Wei$«gerid)t3. 



277 



VorauSfefcung jutreffe, ber £ljatbcjurnb ber Veleibigung bennodO nidjjt oorliege, 
wenn bie £rabition nur in ber 2lbfid&t gefeiten fei, einer Vertraggpflicht nadj* 
äufommen. 6in üiec^tsirrt^ura liegt biefer SDebuftion nid&t ju ©runbe. 5öer 
ein 3eitong$blatt beleibigenben, tlmt befannten ^nt;alt5 meitergiebt, fyat beStjalb 
allein ben ^n^alt nidjt ju oertreten, benn in bem blojjen SBeitergeben be8 
SölattcS liegt feine 3ötebergabc beS 3nf)altS «I* ber Meinung bc3 £rabenten, 
unb nidjt einmal ein für fid> allein lnnreid)enber Vewetö, bafj ber £rabent ben 
Snbalt gutljeifee ober bie 2lnfid)tcn be£ VlatteS t&eile, alfo, wenn biefe 9Jiängel 
ntd)t bur$ einen l)injufommenben unb nad&gemiefenen VeleibigungSoorfafc be* 
fertigt werben, feine Veleibigung. 

3ur Slnflage wegen 3uroiberhanbetnS gegen baS So^ialiftengefefc erflären 
bie oorigen Ätc^tct für ntc^t bewiefen, bafc bie Slngeflagten oerbotene S)rucf* 
fünften »er breitet Ratten; fie Ratten auf bie 3citung8blätter auf gemeinfebaft* 
liebe Äojten abonnirt unb biefelben unter ficf> cirfuliren laffen; baS ©efejj* »er« 
fte^e unter „Verbreitung" biejenige £anblung, moburdf) Die verbotene ©cjjrift 
unter ba£ SJJublifum gebraut unb ifjr eine weitere Verbreitung oerfd&afft werbe, 
als im ftalle beS ftraflofen Abonnements; bie Slngeflagten wären in ba$ 
Abonnement nur eingetreten, um fid) bie Jtoften be$ Vlatten gu oerringern, unb 
burdj irjreit Vertrag oerpflicbtet gewefen, baS Vlatt weiter }u geben; fie Ijätten 
e3 nur ü)ren Socit in ber ßefegefeHf^aft, nid)t fremben ^erfonen gegeben; in 
einem einjclueu #aU babe jmar ber eine 2lngeflagte ein« ber (Sjemplare einem 
befreunbeten dritten oertraulid) überlaffen, aber in Ermangelung roeitercr tlmt* 
tätlicher Vcfd)ulbigung$momente finbc bcuS ©eridfjt fjierin nur eine ftraflofe oer* 
trauliche 3)ftttfjeilung. 

$>afj eine Verbreitung nid^t anzunehmen ift, wenn ein ßinjelner ftcfj bie 
oerbotene Schrift für fia) allein beftellt unb lieft, ergiebt fidt> aus bem Sßortjtnn. 
2öie grofe bie Änjahl oon Sßerfonen, benen bie Schrift äugängltd) gemalt wirb, 
fein müffe, bnmit nad) bem äSortfinn oon einer Verbreitung bie 3tebe fein fönne, 
läfjt fid) nicht unbebingt für jeben Sali im Vorauf beftimmen; bie 3 Q hl °^r 
Slngeflagten ift aber iebenfallS grofj genug, um bie 2Inroenbung beS 2lu3brucf$ 
jujiilaffen. Ob berfelbe auf bie §anblung«roeife ber 2tngeflagten au$ anberen, 
als bem blofjen 9Bortfinn entnommenen ©rünben für jutreffenb ju erachten fei, 
bafür fann bie Analogie anberer ©efefce, in benen ber 2lu3brucf oorfommt, nidjt 
unmittelbar entfeheibenb fein; benn bas ©. o. 21. Oft. 1878 ift ein für ganj 
fonfrete 3roecfe beregnetes, welches junädjft unb DorjugSroeife aus biefen feinen 
3roec?en interpretirt werben mujj. ^luct) fehlt e$ bei bem §. 19. biefeS ©efefeeS 
an bemjentgen ©runbe für bie Auslegung ber „Verbreitung" als einer Ver* 
breituna in baß ^ublifum, welker bei anberen gefeilteren Veftimmungen auß 
ber 3ufammenfteUung ber „Verbreitung" mit ben Vegriffen ber „Oeffentlic^feit", 
ber „SRenf djenmenge", besg „^ubtifumÄ" entnommen werben fann. 

Um ben fojialifttfdjen auf ben Umfturj ber befle^enben Staats* ober 
©efcllfdjaftSorbnung geria)teten Veftrebungen entgegenjuwirfen, follte oorne^mli($ 



werben; ^u biefem 3 roc ^ ^t baß ©efe§ bie Vefugnifj eingeführt, bieienigert 
3)rudff4rirten ju oerbieten, welche Se^ren folc^cr 2lrt enthalten; bie 2lufnabmc 
ber lefcteren in bie ©ebanfen unb bie Uebcrjeugung ber Station erfd^ien al£ eine 
ber ©efa^ren, benen oorgebeugt werben follte. Um bie 6törung ber öffentlicben 
Crbnung, bie Verlegung ber JHec^te oon ^ßrioatperfonen bureb öffentliche 2ln* 
griffe unb Verunglimpfungen, unb um bie Definition be£ 2lußbrucfß „treffe", 
bamit ber Bereich beß ^reßgefe^cö feftgeftellt werbe, (mnbelt e« fich babei nia)t; 
oud; auß biefem ©runbe fann ber Vegriff ber „Verbreitung" in ben §§. 85., 
184., 186. beä St. ©. V., §. 3. beS 5Heitt)öpre|gefe^eß über bie Auslegung beS 
Vegriffö ber Verbreitung im §. 19. beS ©o^ialiftcngcfc^eS nid^t entfd;eiben. 




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278 ®eutfd>(8 Straftest. ^Srttnntntffe tti SReid>8gtrid)W. 

SBcnn alfo bie vorigen dichter bie 2lngetlagten für nicht fcfjulbig bet 
Verbreitung verbotener ©Triften galten, roeil bie Unteren nicht in ba« Sßublifum, 
ba« Reifet nicht in eine unbeftimmte 3Jtenge oon s JDtenfd)en gebraut feien, fonbem 
nur unter bem gefchloffenen Äreife ber 2lngeflagten felbft circulirt Ratten, fo 
ftcht entgegen, bafe ber §. 19. be« ©ojialiftengefejje« nicht oom ^ubltfum, auch 
niä)t oon einer Veröffentlichung an eine unbeftimmte 3)icntd)enmenge fpridjt, 
unb ber 2lu«brucf „Verbreitung" nach feinem Söortfinn eine berartige Veröffent» 
lichung nicht ooranSfcftt, fonbem auch auf bie HJtittbeilung innerhalb eine« be» 
fiimraten ^erfonenfreife« fpradjlidj fejr roohl angeroanbt roerben fann. 

Sagegen fann e« feinem 3 roci t c ^ unterliegen, bafe, roenn ba« ©ojialiflen* 
gefefc einer jeben Sereinigung beftimmter Sßerfonen, rote au«gebefmt fie auch 
lein möge, bie ©infü^rung oerbotencr 3)rucffcbriften oom 2lu«lanbe ober ben 
Slnfauf inlänbifcber oerbotener ©rueffchriften jur Seftüre innerhalb ber Ver* 
einigung hätte geftatten roollen, jener 3»ö«f, bie 2lu«brcitung fo^ialiftifcher fielen 
in Sbeutfchlanb bura) ba« Verbot ber @ä)riften $u oerhinbem, unmöglich erreicht 
roerben fönnte. 55)ie 2Bahl eine« fo offenbar untauglichen Littel« fann man 
bem ©efefcgeber um fo roeniger jutrauen, ba im Uebrigcn ba« ©ojittlifiengefefc 
feine Littel roohl erroogen unb ohne ängftlictje ftücfficbt auf bie ben ^rioat' 
perfonen nach bem fonftigen stecht jufte^enbe freie Veroegung unb (Sntfchliefeuna 
gewählt hat. Ohne bafe e« baljer erforberlich roäre, ein befonbere« ©erotd)t auf 
ben Umftanb gu legen, bafe ba« ©efefc aufeer ber Verbreitung be« §. 19. noch 
eine „öffentliche" Verbreitung (§. 24.) fennt, bie mit jener nicht gleidtjbebeutenb 
ift, genügt e«, bafe bie Slnroenbung be« erftern 2lu«brucf« auf bie unter Slnflage 
gefteüte &anblung«roeife ber Vcfdmlbigten bem Wortfinn unb bem ©prachgebrauebe 
eben fo, rote bem flaren 3 n, ccfe be« ©efcjje« entfpricht. 

2)a« oorige Urteil beruht baf)er auf einem 9Hea)ti5irrÜ)um, inbem e« bie 
Hngeflagtcn oon bem Vergeben ber Verbreitung oerbotener S)rucff Triften auS 
bem ©runbe freifpradj, roeil biefelben folebe ©ajriften nicht in baß Sßublifum, 
fonbern nur innerhalb ihrer eigenen ©efellfcbaft $ur Äenntnife gebraut Ratten. 
2lua) ber srocite ©runb ber ^tetjprccbung, ben bie vorigen Stifter barin finben, 
bafe bie 2lngeflagten burch Vertrag verpflichtet geroefen feien, bie 3eilung3blättcr 
unter fid) circuliren ju lajfen, ift ein rccbt«irrtbümlicher. tiefer Vertrag tyat 
gegenüber ber 3lnflage roegen Uebertretung be« ©ojialiftengefcfee« eine anbere 
Vebeutung, al« gegenüber ber Slnflage roegen 9Jtajeftät«bcletbigung. 2)a eine 
ajtajeftät«belcibigung nicht fdron in ber Weitergabe ber Vlätter oon ßanb $u 
$anb ol)ite Äüdjubt auf bie bamit oerbunbene 2lbftcht liegt, ^at ein Vertrag, 
ber $u foleber Weitergabe oerpflicbtet, in biefer föiduung niebtö Unerlaubte« jum 
©egenftanbe, ift alfo in fo roeit fclbft niajt« Unerlaubte«. S)a« ©ojialiftcngcfe^ 
bagegen unterfagt gerabe bie SBeitergabe ber oerbotenen Vlatter, fo fern biefelben 
baburdt) oerbreitet roerben, unb obne iebe 3tücffid)t auf bie bamit oon bem (Sin* 
jclncn oerbunbene 2lbfia)t; folglich in ber barauf gerichtete Vertrag rechtlich 
roirfungälo« unb bie Vertragöpflicht unoermögenb, ba« gefe&licf) Untcrfagte unb 
unter etrafe ©eftellte ftraflo« ju machen. (£bcn fo roenig läfet fieb bie Unan* 
roenbbarfeit beß ©oualiftengefeße« barau« ableiten, bafe jeber einjelne Slngeflagte 
ftraflo« auf bie oerbotenen ©chriften höbe abonniren bürfen; benn bierau« folgt 
nicht, bafe jeber ßinjelne bie ©a)riften, roorauf er abonnirte, auch an Slnbere 
jum 3 rocc ^ Dcr Seftüre ^abe roeiter geben bürfen, fo fern biefe Weitergabe eine 
„Verbreitung" enthält, dasjenige aber, roo3u feiner oon ihnen burch ein ©injel* 
abonnement berechtigt roerben fonnte, roeil e« gegen ba« ©trafgefefc oerftiefe, 
fonnte, roie fieh oon felbft oerftebt, nicht baburch ju ctroa« Erlaubtem roerben, 
bafe fich bie 3lngeflagten ju feiner Slu«führung burch üolleftioabonnement 
mit oerminberten itoften in eine tlmtfächlich bequemere Sage brachten. 

Ob bie übrigen VorauSfefeungcn oorbanben finb, oon benen ba« ©ojialiftem 
gefe| bie ©trafbarteit ber Verbreitung abhängig macht, in«befonbere ob unb 



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2>eittfd)e« @trafre<$t. Srtemttmffe beS «ci^gcri^tö. 279 

wann baS Verbot bet in ber SCnflaae bejeichneten Stattet erlaffen mürbe, unb 
oon ben einzelnen Sngeflagten bie &erbreitung«atte oorgenommen fhtb. ob fie 
bei SBomabme betreiben baö Verbot fannten, ober ob fie ofmc Jtenntntfe Deffelben 
hanbeltcn, in welkem Ball eine geringe ©träfe einzutreten hat (§§. 19., 21. be« 
®. oom 21. Oft. 1878), barüber ift bemnäcbft in I. 3nftan$ ba« (SrforberUd&e 
m ermitteln. Saffelbe gilt oon ber ftrage, in rote fern bie einzelnen 55er* 
brettungßatte mit Stücffiajt auf bie ©abläge, namentlich bie getroffene 2krab* 
rebung, alä felbftfiänbigc Vergehen ober nur al« ©in Vergeben ju bebanbcln fein 
roerben, unb in rote fern bie)e sßerabrebung ein Qcmctnfc^aftltc^ed öanbeln jur 
$olge hatte, fo bafe jeber einzelne Slngeflagte auch für bie Stjatigfeit ber anberen 
oerantroortltd) geroorben ift (§§. 74., 47. 6t. ©. ©.). 

2)cm Obigen gemäjj ocrbletbt e« binfichtltcb ber Snflage roegen 3)?ajejtät$* 
beteibigung bei ben ^eftftellungen unb ber barauf gebauten Gntfcbeibung be« 
angefochtenen Urtheit«, wogegen (jinficbtlic^ ber Slnflage roegen Uebertretung be« 
So3taliftengefefcc« ba« Urtivit mit ben ^ier^er gehörigen ^eftftcHungen aufgeben 
unb bie Sache ju anberroetttger Veruanblung unb (5ntfdt)eibung an bie oorige 
Safrans $urücf$uüerroeifen roar (§. 393. 6t. $ro$. 0.). 



§§. 18. 54. 55. bes K. (F. o. IL faiti 1S70 übet ben Scbufe ber Ur- 
heberrechte. Bei unbefugter Sluffübtung eince bramatifeben iberfes ijr bie 
guerfennung einer <Entjcbäbigung ober (Belöbu|e unabhängig von bem 
6cbabennacbroeife. 

©rf. be« I. Straffen, o. 18. ÜWärj 1880 c/a. Sacbemeoer, rooburdj bie 
SReoifion für begrünbet erflärt roorben ift. 



© r ü n b e. 

$>ie Steotfton tfi begrünbet, fo roeit ba« angefochtene llrtheil bie 9teben' 
flagc auf ^uerfennung einer ©elbbufce jurüctroetft. $er ^urüefroeifung liegt ber 
s Jtecbt«fo& $u ©runbe, e« fei bie ^uerfennung einer ©elbbu&e oon bem ftaebroeife 
eine« burd) bie beftrafte föanblung erroaebienen Schaben« abhängig. ©iefer 
s Jtccbt«fafc ift unrichtig. §§ 54. unö 55. De« ©. o. 11. 3uni 187u über ba« 
Urheberrecht an Scbriftroerfcn 2c. macht bie ^nerfennung einer (Sntfdbäbigung 
— unb an ihre Stelle tritt nach §• 18. Hot. 4. be« genannten @efe§e« bie 
©clbbufee — im Jolle Oer unbefugten Aufführung eine« bramatifeben, muftfalifchcn 
ober bramattfcb*mufifaitfchen 2£erfe«, rote Die 3)tottoe be« ©efefcentrourf« ergeben, 
um nicht Den 2lnfpruct) auf (Sntfcbäbiaung oermöge ber faftifchen 6chroierigfeit 
De« s Jiacbroeife« eine« Schaben« illuforifch flu machen, nicht oon Dem 0lachroeife 
eine« Schaben« für Den ^ereebtiaten abhängig, ionbern Do« ©efefc befttmmt un* 
abhängig baoon in §. 55. Die Verpflichtung jur (Sntfcbäbigung unD bie £öbe 
berfelben. 



§. 253. 0t. <B. B. 3« & ur * Drohung errungenen (Bewährung 
eine« (Belbgefcbcnfee an bie ©rtearmenfafle 5um groctf ber @ühne einer 
fhafbaren fjanblung fann blc ^uawbung cinee rechterolbrigen Der- 
mögenooortheils gefunben roerben. — (Einet Ortsarmenfafle jtcht bie 
Berechtigung 3itr üermögeneerroetbung ju, ftc gilt alfo ale britte 
Perfon im einnc bes §. 233. @t. (B. B. 

(hl be« II. Straffen, o. 19. 9ftärs 1880 c/a. Serbin anb, roobürch auf 
3urücfroeifung ber 9leoifion be« 3lngeflagten erfannt roorben ift. 



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280 2)eutfc&t8 '2>tTafrecf|t. Cfrfennrnifie bc3 IRetdi^encbtS. 

© t ü n b c. 

beruht auf einer SBerroechfelung be« 3roecf« unb Sftotio« ber Xfmt 
mit ber babei oorltegenben Slbficht, roenn Slngetlagter bei ber von ihm oerfuebten 
Erlangung eines ©elögcfd;enfcÄ ju ©unften ber 2lrmenfaffe nicht bie 2Ibftcbt ber 
Erlangung eine« 93ermögen«üortbetl<8 ju ©unften eine« ©ritten gehabt Imben 
null. ÜBollte 2lngeflagter burd) feine ßanblung, b. b- bie bem ö. gegenüber 
auSgefprocbene ©robung, jenen SBortbeil herbeiführen, fo lag berfelbe auch in 
feiner SHbfidt)t, unb e« ift gleichgültig, welken Srned c * ° urc b °i e ©ffeftuirung 
biefer Slbficbt ju erretten gebaute, b. b- roeld^e SBefriebtgung er in bem (£r* 
folge feiner Xfyat erftrebte. @« mürbe be«f>alb bie (Strafbarfeit ber lefcteren 
baburdj nic^t au«gefd>loffen fein, baß 2lngeflagter nid^t au« ©igennufe, fonbern 
um, roie er fieb auSbrücft, einem ftreoler eine mögltd&ft fernere <5üfme aufouer* 
legen, gehanbelt t;at. 

2öa« fobann bie Sinnahme ber Straffammer betrifft, bafj Slngeflagter ber 
9leä)t!8roibrigfett be« oon ihm für einen ©ritten erftrebten SJermögenSüor* 
tbeil« ftcb beraubt geroefen fei, fo mögen immerhin in biefer Ziehung, Söebenfen 
obroalten, welche inbeffen im Söege be« oorliegenben 9ted)t«mittel« eine (Erörterung 
nicht ju finben oermögen, ba bie tt)atfädf)licf)en Slnnabmen be« Sftftanjrichter« 
basier feiner Nachprüfung unterliegen unb ber ©influfe eine« ^edt)t«trrtbura« 
nicht erfichtlich ift. 2öenn enblich bie toifton heroorhebt, bafe bei ber fteft* 
fteflung, e« habe opm 2lna,eflagten einem ©ritten ein Sßermögen«üortheil ju* 
geroenbet rcerben follen, bte 3lnroenbung ber richtigen föed&tSgrunbfäfce nidfc)t er* 
fennbar fei, fo ift e« richtig, bafe biefer ©ritte ein ptmftfcbe« ober moralifebe« 
ÜHecbtöfubjeft fein mufj, ba« bie Befähigung beftfct, ben beabftebtigten Vermögens* 
oorthetl ju erwerben. sBorltcgcnb aber ergiebt bie Sortfaffung be« ©traffammer* 
©rfenntniffc«, bafe baffclbc unter „ber Slrmenfaffe" bte Ortöarmenfaffe oerftanben, 
unb bafe biefelbe auch ohne 3iücf|icbt auf ihr fpejieüe$ Söerbältmfe jur ©emeinbe 
unb bem ©emeinbeoermögen für fidt> $ur 2?ermögen«ermerbung berechtigt ift, 
ergiebt ba« Mg. Sanbr. Xl)l L Xit 9. §§. 45., 49. unb §. 5. be« preufe. ©. 
oom 24. Kpril 1854 (®. 6. S. 214). 



§. U3. 0t. <B. B. §§. 7. 8. 5. 6es pteujj. <B. junt 0tt)ufe ber perjon- 
Ucben Freiheit r-. 12. Jebr. 1850. §. 12. 3njhuMon ». 23. Oft. 1817. 
Die polizeiliche groangsgeftellung gilt nicht als Verhaftung, poliut- 
beamte, welche oon 5er tompetenten Beerbe ben Auftrag erhalten 
haben, bie gwangegejWlung einer perfon »o^unebmen, bürfen in 
Preußen groeefs berjelben bie Wohnung eines Dritten betreten. 

(£rf. be« II. ©troffen, v. 23. 3Jtär$ 1880 c/a. Otto, woburd) bie SReoifion 
äurücfgewiefen worben ift. 

© r ü n b e. 

©ie ©cbufcleute ©t. unb 6. h atten DOn ^ rer oorgefefcten ©ienftbehörbe 
(bem ^olqeiprfifibium in Berlin) ben Auftrag erhalten, bie oormatige Xänjerin X. 
im ftntereffe ber fittenpolüeilichen Äontrole ämang«weife ju geflellen. 3 um 
3wecf ber 2tu«fübrung biefeS Auftrag« begaben fic fidt) in bie Üöohnung ber 
$rau ©., bei welcher fowotjl bie X. als auch ber Slngeflagte 3iwwcr gemietet 
hatten. 25on ber grau ©. mürben bie ©chufetcute in ein 3inuner be« 2lngeflagten 
geführt, in ioela>§ balb barauf bie X. unb jugletch ber 9lngeflagte eintraten, 
©ie ©chu^leute, melche fieb atä ^oltjeibeamte legitimtrten, forberten bte X. auf, 
ihnen ju folgen; ber Slngeflagte erhob äöiberfpruch unb forbertc feinerfeit« bie 



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-» — i ki\ r — . - • ■ » r - 



3>culftfe§ Straftest, fetenntniffe be« 9lri<$$geri*t3. 281 

Beamten auf, unter bem föinroeiS, bafj bieg feine Söobnung fei, baS ^immer au 
oerlaffen. $>ie ^oltjeibeamten entfernten na) barauf unb polten jroei «bcbufcleute 
311 ihrer tlnterftüfcung gerbet. Sil« eine roiebcrholte Aufforberung an bie 
mitjitgchen, erfolglos blieb, fafete ber ©cbufcmann Q. bie %. am Arm. 2>er 
Angesagte trat baamifchen, paefte ben 6. am föalfe unb roarf ihn unter 
Schimpfreben über baS ©oplm. 9113 barauf bie brei anbem ©chufcleute ben 
Angesagten anfafeten, um auch it)n jur 3öacbe su bringen, roiberfe^te ftcb, ber 
Angesagte in tätlicher Söeife unb unter ©dumpfreben feiner Abführung. 

©er ^mptorant fuebt in ber 9t. 33. auSauführen, Dajj bie ©djufcleute nicht 
in rechtmäßiger Ausübung ihres Amts gehanbelt Ratten, weil bie Anroeifung jur 
©iftirung nidjt auch bie Anroeifung in fid) fchliefee, biefelbe in einer fremben 
2iJohnung 511 beroirfen, weil ferner Der mit ber ©efteUung einer $erfon beauf* 
tragte ^olijeibeomte babureb nicht baS ifttty gewinne, $ur Ausführung ber 
©efteUung bie Söofmung eines ©ritten roiber beffen Söitten au betreten, unb 
roetl bie ©ifrirung ber Z. überhaupt unberechtigt fei, ba bie ©iftirung einer 
oorläufigen (Srareifung unb fteftnabme gleichftebe unb Die burch ba« ©efefc vom 
12. $ebr. 1850 beftimmten SBorauSfefcungen für eine folche äRa&regel nicht 
vorlägen. 

AUc biefe (sinroenbungen erroetfeu fich als unjutreffenb. 

S)aS ©efefe oorn 12. gebr. 1850 ftetit bie Sebingungen feft, unter melden 
eine Verhärtung ober eine oorläuftge Ergreifung unb ftejtnahme erfolgen fann, 
beschäftigt fich Dagegen nicht mit ber grage, unter melden 33orauSfefcungen eine 
3roangSgefteUung ftattfinben barf. 3rrtyümli$ 9 tS > rocnn oct äniptorant bie 
3roangSgeftcflung als eine Art ber oorläuftgen Ergreifung unb §efrna^me be* 
trautet. SDlit biefer tyal bie ^ro^Ö^ö^^ung, meldte auch in ben ©efefcen 
(oergl. §. 341. beS ©t. ©. Ö. # Die §§. 215., 229. unb 235. ber 3t. <|3ro*. 0.) 
als> ctroaS oon ber oorläuftgen fteftnahme unb ber Verhaftung oerfcbiebeneS 
beljanbelt rotrD, nichts gemein. Söätjrenb bie oorläuftgc ^ejlna^me nur juläffig 
ift, roo Die ©erot&beit ober Dod) ber Verbackt einer 00m gefigenommenen be* 
gangenen ftrafbaren §anblung oorliegt, ift baS stecht, 3em<"*ben aroangSroeife 
$u gefteUen, ein Ausfluß ber ben Stehörben allgemein (§. 11. ber ©efdjäftS* 
inftruftion oorn 23. Oft. 1817) ober in beföränftem Umfange (§. 20. ber Serorbn. 
oorn 3. 3an. 1849, §. 50. ber ©t. $roj. D.) betgelegten ©refutiogeroalt. Äraft 
ber lefeteren erfcheint aud) bie $oli$eibef)örbc befugt, eine ^erfon $roanggroeife 
gefteUen 5U laffen, roenn fte foldbe« im fittenpolijeilichen ^utereffe für erforberlic^ 
bält. Db im oorliegenben gaß baS ^olijeipräTtbium genügenbe Veranlaffuna 
hatte, bie Z. unter futenpolUeiliche Äontrole ju ftellen unb Diefc ju bem 3 roe » 
3n)ang§roeife oorfüljren 3U laffen, ift eine Jrage, melcbe I;icr einer ®ntfd&eibung 
nicht beborf. S)ic sur SoEftrccfung oon 2lnorbnungen be» MiaetpräftbiumS 
berufenen ©chu^leute hatten nur ju prüfen, ob iljr Auftraggeber überhaupt befugt 
mar, eine jroangjSroeife ©efteUung ju oerfügen, nid)t aber, ob bie lefctere im 
gegebenen §all fia) fachlich rechtfertigen laffc. ©ie befanben fich baher, inbem 
fte ber jur ©rtheiluug eine« Derartigen Auftrags befugten SBchörbe pflidhtmä&ig 
golge leifteten, in fo weit in ber rechtmäßigen Ausübung ihres 2lratS. ©ie 
burften biefen Auftrag aber anbererfeits nur unter Beobachtung ber formen, 
welche bie ©efe^e unb inSbefonbere baS ©efe^ 00m 12. gebruar I80O, jum 
©chu| ber perfönlichen Freiheit, oorfchreibt, ausführen. SCBäre es baher richtig, 
roaS ber 3mplorant behauptet, bafe eS nach ben SBorfcbriften beS ©efe^eS vom 
12. Seh. 1850 ben ^olijeibeamten nicht gefiattet gemefen fei, in bie äBohmmg 
beS Angetlagten einjubrincjen, um Dort Die 3mangSgefteHung Der %. auSjufütjren, 
fo roürDen Diefelben niefit m ber rechtmäßigen Ausübung ihres Amts fich befunben 
haben. $)te hierauf fiep bejiehenben Ausführungen DeS 3niptoo.nten finD jeboch 
unrichtig. SDa ber Auftrag allgemein bahin ergangen mar, bie %. aroangSroeife 
ju gefteUen, fo fonnten bie ^oliaeibeamtcn au bem 3roect auch in eine frembe 

«r*io 1880. 3, u. 4. $eft 19 



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282 



DeutfdjeS £trafred)t. (£rtenntni\|e t>e§ Nachgeriete. 



©ohnung bringen, in fo weit nicht bo3 ©efefc bem entgegenftanb. ße&tereS ift 
nicht ber ^all. 2)er §. 7. be« ©. t>om 12. $cbr. 1850 geftattet oielmehr, „auf 
©runb eines oon einer gefefclid) baju ermächtigten üöeljörbe erteilten Auftrag*" 
Qud) wiber ben SüiUen beS .^okerS w eine SBolmung einzubringen. 2)a3 
äöort „baju" bejteht fidt> auf ben erteilten Auftrag, Welchen Inhalt biefer 
Auftrag haben mui, fagt ba3 ©efefc nic|t f unb inSbeionbere wirb nicht gejagt, 
bat? ber Auftrag auf ba£ betreten einer befiimmten 2Bot)nung lauten ober bem 
Inhaber berfelben gelten muffe, @8 mufj baljer unter „Sluftrag" jeber oon einer 
gefe^lich baju ermächtigten JÖehörbe erteilte Auftrag oerftanben werben, beffen 
2luötityrung baS betreten einer fremben Söofmung nou)wenbig macht Sic 
lHid)tigfeit biefer Auslegung ergiebt fich auch aus bem §. 10. be$ ©cfejjeS oom 
12. ftebruar 1850. SBäre bie Slnftcht be3 ^mplaranten richtig, fo fönnte auch 
eine Verhaftung ober vorläufige $eftnahme nur in ber eigenen Sütohnung be£ 
geftjuneljmenben ftattfinben. 9hm helfet e$ aber in §. 10. a. a. 0.: 

gum $md ber oorläufigen Ergreifung unb geftnahme einer 
$erion, welche bei 2lu3führung einer ftrafbaren §anblung ober gleich 
nac^ berfelben oerfolgt würben* fo tote pm 3 roecf oct ^Bieber* 
ergreifung eines entsprungenen ©efangenen barf ber oerfolgenbe 
ober jugejogene ©eamte, ingleid>en bie oerfolgenbe ober jugejogene 
2Baa)tmannta)aft, auch jur Dtadjtjeit in eine äßolmung einbringen. 

55afe \)itx unter „Sßofmung" nicht blojj bie eigene Söofmung be£ Ver- 
folgten ju oerfteljen tffc, ergiebt ber Söortlaut (in „eine" SSotmung) unb ber 
3wecf biefer SBcfttmmung un^weibeutig. 3Jtit ben 3öorten „auch jur 9tacht5eit" 
hebt bag ®efe§ bie im oorljergehenben §. 8. gemachte Öcfchränfung ber im §. 7. 
erteilten (Ermächtigung für einen befrimmten %a\l roieber auf, ftellt alfo in fo 
weit bie im §. 7. enthaltene Sftegel wieber her. Äann baljer im $aH be$ §. 10. 
eine frembe SBohnung, baS ^ci^t bie 2Bofmung eines burch bie ^oUgielrnng bc3 
Auftrag« nicht berührten dritten, betreten werben, fo mufe ein ©letdjes auch in 
bem %aü beS §. 7. angenommen merben. 

©5 ift baher nid;t rcdjtSirrthümlid), wenn feftgefteüt toorben ift, bajj bie 
Beamten in rechtmäßiger 2luSübung i^resS 3lmtö ftcjj befanben, alä fie in ber 
SBofmung beS 2lngeflagten bie X. jum 3. roecI ^ ter 3 U3fln 9S9efteHung ergriffen, 
unb eben fo wenig ift ein 9iecht3trrthum in ber weiteren geftfieUung ju erblicfen, 
bafj ber Slngeflagte bei biefer (Gelegenheit mit ©eroalt SBioerftanb geleiftet habe. 
Db ber 2lngeflagte baS üBewufetfcin oon ber SHechtmäptgfett ber 2lmt3auMbung 
gehabt fwt, famt (»er fd)on beSh<ub bahtn geftellt bleiben, weil ber 3lngeflagte 
lid) in ben äBorinjtanjen auf eine Untenntnift in Betracht biefcS Umftanbeä nicht 
berufen hatte, unb jebenfaCtö nur unter biefer SßorauSfe&ung eine fpejieUe ^eft- 
ftellung bc& SewufetfeiwS beä Slngefchulbigten oon ber Stechtmä&igfeit ber 2lmtö- 
auMbung nothwenbig gewefeu fein würbe. 



& 163. üereinsjoll-^. ». L Jnii 1869, §. 57. 21r. 3. St. <B. %, 497. 
•ci. proj. CD. Die im 153. Decein83oll-(P. angeorönetc fubftöiärc 
Pcrtietungepflicht ber (£h cmänncr ün & Leitern für ihre ^he^ue" re fP- 
Hinter wegen Derletjung ber 3ollgcfe^licheit Dorfcbriften greift nicht 
Dlafe, wenn erflere ale Ulitthäter für ein gemetnfehaftlich ausgeführteip 
^olloergeben betraft werben. — @traf»erh<Snguna gegen einen 2ln» 
gefebulöigten über 12 aber unter 18 %&W n au f <Brun6 eine« bie 
Zahlung bes Dicifachen oon bem Betrage einer hinterjogenen Abgabe 
anbrobenoen (Befetiee. l>ae pro^e^geriebt i)t nicht befugt, oon ben 
bem verurteilten ^Ingeflagten 5ur L'ajt 511 legenben üofien bie burch 
Decfchulbung eine« Dritten veranlagten Tluelagen au83ufd)eibcn. 



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$eutfd)C$ Straftest. (Sttenntnifie teS NeiA«8cri*tf. 283 

@rf. be« in. Straffen, o. 24. 2Rärj 1880 c/a. ßammlabe; t^eiltoeife 
Verwerfung ber jkat«anwaltlichen Stetrffion. 

® r ü n b c. 

Soweit bic 9leuifion ber ©taat«anwaltfcf)aft geltenb madfn\ bafe ber 2ln< 
geflagte 21. (5. auf ©runb be« §. 153. be« Verein«joM. auch für bic (Selb* 
ftxafcn hätte haftbar gemalt werben fotten, meldte gegen feine ©hefcau wnb 
gegen feinen ©olm auSgefprod&en ftnb, ift fie $u oerwerfen. 

2lUerbtng« haften nach §. 153. ©hemänner für ihre @^eftauen unb Äinber 
rücffichtlicf) ber ©elbbufjen, äollgefälle unb $ro$efjfoften, in welche bie ju oer- 
tretenben ^erfonen wegen Verlegung ber jollgcfe&lichcn ober 3ounerroaltnng£* 
Vorschriften ncrurtheilt worben finb, bte fie bei Ausführung ber ihnen oon ben 
fubfibtartfer) Verhafteten übertragenen ober ein* für allemal überlaffenen $anbel«*, 
©ewerb«* unb anberen Vorrichtungen ju beobachten Ratten. 

Allein um einen ftall biefer Art fjanbelt e« fta) im oorliegenben ftalle 
überhaupt ntdjt. 

S)ie bret Angellagten finb, weil Tie jur gemeinfcijaftlichen Ausübung 
einer 2)efraubatton fidt) oerbunben haben, abgefeäen von ber burdf) §. 146. be« 
Verein«joU=©. uom 1. 3uli 1869 angebrot)ten befonberen Strafe, ein jeber al« 
aJiitt^äter jur 3a^lung be« oierfachen Setrage« ber burch bie gemeinfa)aftlia)e 
$efraubation hmterjogenen Abgabe oerurtheilt, meldte oon allen benjenigen jou- 
Pflichtigen Söaaren ju entrichten gewefen wäre, bie alle pfammen, ein jeber 
für ft<h, einen Xtytil unoerjollt über bie ©renje ju bringen oerfudjt haben. SBci 
A. 6. unb feiner ©Ijefrau ift noch wegen weiterer in ihrer s JSerfon begrünbeter 
llmftänbe eine Erhöhung biefer ©trafen erfannt. 

Safe barüber hinau« noch ber angesagte Vater, felbfl wenn gegen ben* 
felben feftgefteflt roorben märe, wa« nicht feftgefteUt ift, bafj grau unb ©olm bei 
ber $)efraubation in feinem Auftrage aehanbeü, fubfibiär für bie Strafe ber 
(sjjefrau unb be« ©olme« haftete, entfprtcht bem ©efefce nicht. 

&ätte ber Vater, abgefeäen oon ber eigenen Vethciligung, feine Angehörigen 
5ur 2)efraubation attgefliftet, fo würbe für bie gegen ü)n at^ufpreebenbe ©träfe 
§. 48. 6t. ©. V.'« in $rage gefommen fein; ba er fidh fetbft beteiligt $at, war 
§. 47. in Anwenbung gu bringen. 92un fann aber nidbt eine noch roeitergehenbc 
Strafbarfeit be« Vater« unb HJcitthäter« au« §. 153. bc« 3oüoerein«*@. ab* 
geleitet werben. Vielmehr l;at biefer §. 153. ben ganj anberen $att oor 9lugen, 
wo nicht bie Sefraube, fonbern eine $anbel«*, ©ewerb«* ober anbere an 
t'ia) erlaubte Verrichtung übertragen ift, §um Veifpiel ber Transport joüpfltchtiger 
haaren oon einem Orte nach einem anberen. 2Bcnn bei Ausführung eine« 
folgen in einem einzelnen gatte ober ein* für allemal erteilten Auftrage« Ehe- 
frauen, Äinber ober anbere in §. 153. genannte Sßer fönen unter ben bort 
genannten Vorauöfefeungen eine 3)efraubatton begeben, fo haften ber Auftrag 
geber be« an fid) erlaubten ©efehafte«, ber Vater unb ^eaatte, unb bte 
anberen in s Jir. 1. unb 3. aufgeführten ^erfonen, fofent bie ^ottübertretung 
nicht ohne ihr Riffen aiuSgcfüh« ift, für bie Strafe fubfibiär. 2>a« ©efe^ 
legt alfo nicht bem bei bem Vergehen mitbet heiligten Vater unb (sl; egatten 
über feine eigene unb foltbarifchc Verpflichtung für bie oerwirfte ©träfe eine 
Haftung für bte gleiche ©träfe feiner 2Jtttthäter auf, fonbem e« legt bem bei 
bem Vergehen nach ftrafrechtlidtjen ©runbfäfccn niit betheiligten Vater unb 
(Shegatten eine fubfibiäre Haftung auf, roeldje fleh ber ftrafre4tlia)en Haftung 
nähert. 3He Stichtigfeit biefer 2lu«legung ergiebt fich namentlich au« bem (Segen- 
fa^e, in welchem bte §§. 149. unb 153. be« Verem«äoll*©. *u einanber ftehen. 
Vlad) ben Ueberf Triften ift in bem erftgebad&ten §. 149. bie Strafe ber 3:^eil- 

19* 



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284 3>eutf*e5 @trofrc*t. (Srtetmtmffc be8 Wet<f>3gericbtS. 

nannte georbnet, im §. 153. bic fubfibtatifdje SerttetungSoerbinblichfeit brittcr 
^erfonen. 68 laüt iut nicfjt anber£ annehmen, als bafc bic über biefe Untere 
Stubrif getroffenen Sorfchriften folchc ^erfonen, meiere bei ber fkafbaten £anb* 
lung aß SJtothäter, Hnflifter ober ©efjülfen beteiligt fmb, nicht betreffen. 

dagegen ift bie Steoifton ber StaatSamoaltfchaft nach ben anberen oon 
ihr oerfolgten Widmungen begrünbet. 

£>er Stngefl. (£9. <S. tyatte jur 3 eit 0 * r £f) ot ba3 ätoölftc, ober nia)t ba3 
adjtjefmte SebenSjahr oottenbet; er befafj naa) bet fteftftcuung bc$ SorberrtchterS 
bie sur @tfenntnife ber Strafbarfett feiner äanblung erforberliche einfielt. @3 
war beSfjalb gegen ihn §. 57. 3iff. 3. 6t. ©. S.'S auch in Sejiehung auf bic 
nach §. 135. be« SBereinsSjoU*©. auSjufprechenbe ©elbfrrafe in Slnroenbnng 311 
bringen. 9cur hat baS ntdjt in ber Söcife $u gefo)ehen, bafc auf bie ßälfte ber 
burch §. 135. angebrohten Strafe ju erfennen ift, oielmehr fyaV fio? auch in 
biefem $aüe, roo an fuf) ber oierfache Setrag ber hinter jogenen Abgabe oer* 
roirft mar, bie gegen @f). (£. auäjufptechenbe Strafe ju beroegen äioifdjen bem 
3)iinbeftbcttage ber angebrohten Straf art, roie biefelbe nach §. 27. St. ©. S.'S 
feftjufteUen ift, unb ber §älfte ber nach bem feflen SÖtaBftabe be<8 §. 135. et* 
mitteilen Strafe al$ beä juläffigen ^öchtfbettageä ber angebro^ten Strafe. 

3tu3 biefem ©runbe fann auc| bie Strafe nidu oon bem 9teoifton£gerichte 
auSgefprochen werben, oielmehr ifi unter Aufhebung biefeS ZfyiltS be£ UttheileS 
bie Sache nach §. 394. St. $to$. D. an bie nötige ^nftanj behufs anberroeitet 
fteftftellung biefet Strafe sutücfauoetroeifen. 

©nbltdh ift biejenige Sef<hränfung, roelche bet Sorbertichter bezüglich 
ber 3>erurtf)eUung bet btei Slngeflagten §u ben Äoflen au$gefptodf>en l)at, einfach 
aufgeben. 

$)a£ ftmbgericht hat ben Dermin §ur §auptoethanblung 0. 16. $>e$. 1879, 
in meinem nut bet SERitangefl. St. G. etfe^ienen roat, aufgehoben unb eine Sor* 
rubrum] bet beiben anbeten 9)tttangeflagten $u bem neu anberaumten Termine 
um beöroiUen abgelehnt, roeil bie 3uftellung beS mit ber fiabung $u ber $aupt* 
oerhanblung behänbtgten Sefdf)luffe3 über bie ©röffnuna beä §auptoetfahten3 
nicht orbnungSmäjjtg befunbet mar. 3 roar ^ atte oet ©ertchtSoollsieher auf einet 
2lu3fettigung bet Labung befunbet, bafe et biefe Sabung, eine Slbfdjtift bei .Bu» 
fteUungSuthmbe unb 2lb|dfjrift beS Sttaffammetbefchlutteä, ben genannten SJtit* 
angesagten jugefieUt habe, auch roat in bet Sabung bet Sefchlufj bet Sttaffammet 
bed Sanbgerid^tö 00m 22. Sfooember 1879 als beiliegenb angejogen, bet ©crtd^tÄ- 
oottjie^et Jiatte abet bie 3ufieUung5urfunbe roebet auf bie llrfdjrift bed 5U3U* 
jlellenben Straffammerbefd)luffe^, nod^ auf einen bamit ut oetbinbenben Sogen 

fiefe^t. 2hi£ biefem @tunbc ^at ba5 ootberticDtetUdje urt^eil bie bura> 3luß* 
e^ung jene« Termine« etroao^fenen Äoften oon benjenigen Soften, ju beten (£t* 
fiattung bie 3lngeflagten oerurtbcilt fmb, au£gefdf)ieben. 

Wlit «Hc^t etblicft bic fteoifton bet Staatöanroaltfd^aft in biefet 2tuS< 
f Reibung eine Serle^ung be8 §. 497. St. ^roj. D. 

©in s Jled^t, Äoften, roelo)e burdf) eine unrichtige Se^anblung bet Saa)c 
o^ne Schulb ber Setheiligten erroachfen finb, niebcrjufchlagen, ober, maS auf 
baffelbe hinausläuft, auf bie StaatSfaffe ju übernehmen, ijt ben (Berichten nur 
bejüglich betöcbühten burch §. 0. beS ©etichtsfoflengefe^e« 00m 18. 3uni 1878 
eingeräumt. 3)a§ in biefem gafle burch Wc 2luSfefcung befonbere ©cbübren, 
roeldje nach §. 78. be3 @erichtöfoftengefejje)3 §u beregnen roären, etroachen feien, 
ethettt nicht. 

S)ie burch eine etwaige Serfchulbung oetanlafeten Slu^lagen abet auf 
bie StaatSfaffe ju übetnehmen, fehlt t& an einem gcfe§lia)en ©tunbe. £>ie 
StrafproäeBorbnung h«t eine ähnliche Sorfdfjrift wie §. 97. 6. $ro$. D. nicht; 
nur für einzelne gälle ift bem Sttafgetichte bie Sefugnifj ettheilt, beugen, Sach* 
oerftänbige obet ben Scrthcibiger jur Prägung oon Stoffen $u oerurtheilen, 



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axulfäefl etrafrecftt Srfetmtntffe bc« fflei$8geri<$t3. 285 

meldte burd& btefe ^erfonen oerfdfjutbct finb (§§. 50., 69., 77., 145.). Jtoftat 
folget SCrt finb benn aua) bem Sngeflagten mit jur ßafl ju legen. Mein ein 
%aü btefer 2trt liegt Inet nidfjt oor. Soroett aber, abgefefjen oon ben burdb bie 
angebogenen SBeftimmungen ber ©trafprojefeorbnung getroffenen fällen, 2tu«lagen 
infolge einer SBerfd&ulbung britter $erfonen erroad&fen, ifl ben 2lngeflagten ju 
überlaffen, ben elroa begrünbeten ülegrefe gegen btefe ^erfonen auf (Srftattung 
ber jenen jur Saft gelegten Äoften ju nehmen. 2öie btefe britten ^erfonen bem 
©ertöte gegenüber aufeer ©euefjung bleiben, fo bleibt iljm gegenüber ber 2ln* 
gesagte, weiter $u ben Äofkn be« ©trafoerfafjren« oerurüjeilt wirb, aud) 
bcjügltd^ jener SluSlagen ber allein SBerpflid&tete. 6eine Sßerurtljeilung ju ben 
Sofien |at ftd£> alfo aua> auf btefe auflagen ju erftreäen. 



§. 141. 0t <B. B. t §. 64. m @t <B. B. Die Jrage t toie toeit fl* 
ber ,flü$tige jur Dollenbung 6er <falmenfuto>t entfernt fcaben müfle t ifl 
tyatfäö)Uö)er Hatur. 

(£rf. be« EU ©troffen, o. 31. 2Här* 1880 c/a. ©elbe, tooburdfj bie 
tteoifion beä Hngcflagten für begrünbet eradjtet, unb auf Burüdoerroeifung er* 
fannt roorben tft. 

© r ü n b e. 

$>te Steoifton beantragt 2Iuff)ebung be« oorigen tfrtljeil« wegen 25erle|ung 
be« ©trafgefefce« (§. 141. be8 ©t. ©. 8.) unb ftreifpredmng be« 3lngeflagten. 
$)te gerügte §8erlefcung be« ©trafgefefee« wirb barin erblicft, bafj jur 3eit, al« 
ber 2lngetlagte bie tfnn jur Saft gelegten §anblungen begangen, ber ©olbat X., 
beffen $af)nenflud)t oom 3lngetlagten beförbert fein folle, feine Äafeme in ber 
2lbfi<f)t, nicljt roieber baf>in jurüdjufefjren, bereits oerlaffen gehabt, alfo bie 
^afmenffuäjt bereit« oollenbet Imbe, baljer nur nodf) eine 23egünftigung, nidjt 
eine öeförberung feiner ftaljnenflud&t möglid^ geroefen fei. 

$He oorigen *Ri$ter ftetten tfjatfäd)ltd) feft, X. $abe in ©iotlftetbung am 
15. Oft. 1879 fld^ auf ben Safmfrof in kauften begeben, um abjureifen unb fid) 
feiner mtlitairifd&en SJienftpfltajt für immer ju ent$ie§en; ber Sngeflagte Iwbe 
ftd& mit ifmt fdron brei jage oorfjcr unb an bem genannten Jage tt)eil£ in 
feiner ©ofmung, ttjetl« in mehreren SBirt^fd^aften fwuptfä<pä) roegen 33e* 
fd&affung ber (ftoilfleibung in fortgefefetem engen Serfebr befunben, ifmt bie 
Günlflcioung oerfd&afft unb jum '$rotd ber ^Heifc jtoci Koffer paden Reifen, ben 
einen baoon für i^n auf ben Sa^ntjof getragen, ibn in feiner Sffiolmung bie 
Uniforraftüde au«- unb bie Gioilfleibung an^en laffen; bie eigenmächtige ©nt- 
fernung be« %. oon ber Xruppe fei bemfelben lebigliaj bura) bie Seibüife oc& 
Slnqeflagten mögltdj geroorben; ber leitete |abe, toäl)Tenb er in ber befdjriebencn 
Söctfc t|ätig geroefen, rooftl geroufet, bafj t& fta; bei ber beabftdfjtigten 2lbretfe 
be« X. oon «aufcen um beffen ^lud)t in« 2tuSlanb unb um ba« Serlaffen ber 
ftafme gel;anbelt §abe. 

3)te $afjnenfluc$t befreit na«^ §. 69. be8 2J?il. ©t. @. 33. oon 1872 in einer 
unerlaubten Entfernung (§§. 64., 66., 68. biefe« ©. 8.) mit ber 2lbficr)t, fta) ber 
SSerpflid^tung ^um 2>ienftc bauernb ju entjie^en. Söte roeit ber glüa;ttge ftd^ 
entfernt fjaben müffe, bamit bie 5of)ncnflud)t oollenbet fei, ift eine ?Jraae ber 
fonfreten Umftänbe unb l)ängt namentlia) aua^ baoon ab, roela^e ©röjie ber 
Entfernung fid^ ber ftlüdf)tige felbft al« ba« Littel ber 2lu«füf)rung be« 33er* 
ge^en« gebaebt unb oorgefe^t ^atte. %m oorliegenben ^aüe mar, gcmä§ ben 
tljatfädjltdjen geftfteüungen, roelc^e burd^ bie Statur ber ©adjc unterjlü|t roerben, 
oon ©eite beä %. nid)t ber ©ang oon ber tfaferne bis wf ben ©a^n^of al« ba« 



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286 3)<utf<fie« ©rraftertt. (Siteimtraffe be8 WctASgerirttS. 

bic glud&t ooüenbenbe Witid gebaut, fonbern bie Steife in'S SuSlanb, unb bem 
2tngeflagten roar bicfcÄ be!annt. 2U£ baljer X. auf bem Salmrjofe oerbaftet 
rourbe, war bic $afmenflud)t nidjt oollenbet, fonbern bie 2lu8fübrung berfelben 
fa^on im ©eginn oerfunbert. $)emnadj fielen jene oom Slngeflagten bem Z. 
aeleifteten SHenfte ni^t in bie §t\t nadj ber 3$otfenbung ber ^atjnenflud&t. 6te 
fielen fogar gröjjtentfjeilä nodj m bie 3*^ fi<& X. «uf ben Safmfjof begab, 
würben alfo aua) bann gröfetcntfjetlg cor ber SMenbung be3 Vergebens geletftet 
roorben fein, wenn e8 möglta) märe, mit bem ©angc nad) bem Safjntjofc bie 
ftaljnenflud&t für bcenbigt ju galten. 

2>emnadj ifl in bem 2lu£fprucf)e ber oori^en 9tia)ter, bafe ber Slngeflagte 
burcf) bie ermähnte £anblung3roeife bie 2)efertton beS %. oorfä^liä) beförbert 
babe, bafe alfo ber §. 141. be£ St. ®. 93. jur Slnrocnbung $u bringen fei, ein 
s Jted)tSirTtf)um in leiner SSeife ju finben. 



§. 49. a. 6t <B. B. Die Qlnnatjme eine« nierjt ernftlia? gemeinten aber 
für ernfHiO) gehaltenen (Erbietens 3U einem XVrbredjen ift gleich roic 
öaa (Erbieten fträfloe. 

(Sri. beä Hl erraffen. 0. 31. 9)tär$ 1880 c/a. Ärumbbolj, rooburd& 
baS SSorerfenntnife oernicf)tet unb auf ftreifpredjung erfannt roorben ift. 



© r ü n b c. 

2>er 2tntraa ber ftemfton ge§t auf 9luff>ebung be$ oorigen Urtrjcilö, fo 
roeit cä ben 93efd&roerbefüfn*er betrifft, unb auf $reifprecrnirig bc£ lefcteren. 
Segrünbet ift ber Antrag auf bie ©erjauptung einer unrichtigen 2Inrocnbung bes 
§. 49. a. be« 6t. ®. 8. 

9la$ ber ftefrftellung ber oorigen 9tict)tcr batte ber 2)iitangeft 2). bem 
©efcf)trjerbefüf)rer unb anberen ^erfonen bie falfcfje SBorfpiegelung gemalt, er fei 
im (Staube unb SBiUenS, gegen SSorauäentridjtung eckten ©elbeS irmen falfcbe 
fteiefySgolbmünjen anzufertigen unb ju liefern ; ber Sefdjroerbef übrer fjatte biefer 
33orfpiegelung geglaubt unb ba£ ©rbieten, bie falfajen ©olbmün$en ju liefern, 
für ein ernftlicb gemeinte« ge&aUen unb angenommen, roärjrenb SD. babei nur 
bie 2lbfia)t gehabt fjatte, fia) ©elb ju oerfctyaffen ; ber ledere ift baf)er roegen 
öetrugg, ber $efa)roerbefüf>rer nebji Slnberen au3 bem §. 49. a. bc3 8t. ®. «. 
oerurt&etlt. 

9ta# ber im 6trafgefeöbua) jur ©eltung geforamenen Set)re oon ber 
Slnftiftung bleibt foroofyl bie mtjjluncjene Stnftiftung, eine folaje alfo, meldte ben 
9BiHen be£ SKnjufäftenben nidjt befummle, aLS aud) bie erfolglos gebliebene 9ln 
ftiftung, meldte jroar ben SSiUcn beSjenigen, ber bie $f)at begeben follte, be* 
ftimmte, aber niajt einen Anfang ber 2lu5füt)rung jur $olge r;attc f {traf (od; 
i^ieruon roaren $unäd)ft nur einige fpcjieüe 2lussnabmcn gemacht (ogl. §§. 8ö. f 
110., 111., 112., 159., 100. bc« 6t. ©. ö. unb äfutlic&e Öpejialbeftimmungcn 
im 9Ril. 6t. ©. 33. §§. 78., 99., 100. unb in ber 6cemann3 0. §. 88.). eben fo 
unterlagen nacb ben ©runbfäfcen beö ©trafgefe^buebs baS Komplott, roela>3 
nidjt einen Anfang ber 2lu8fürjrung jur ^olge ^atte, unb bic SSorbcrcitungS- 
banblungcn feiner Strafe, unb aua) Neroon roaren nur einige befonbere 
^ättc aufgenommen (ogl. §§. 83., 86. bc3 6t. ©. §§. 59., 103. beS SRil. 
6t. ©. S.). 

3)ic s Jlooeüc oon 1876 roolltc oon biefen ^Hegeln in Sejie^unc^ auf $er 
brechen eine aügemeincre 2lu£nabme eintreten laffen. 2)er ©runb fueruon lag. 
abgefe^en oon einem 3Sor!ommni§ in 33clgicn, in ber ^üdftajt auf bic ©efäljr> 
liajfeit beö SÖerben« oon 2:ijätcrn ober 9)iittf)ätem jur öegefjung oon 3?er- 



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3>eutf*e8 Stwfreät. (Sttcnntntffe tc8 8let<&8geric$t8. 287 

Breden für bic öffentliche Sicherheit; bic 9Rotioc bemerften: „eS liegt auf ber 
£anb, bafj bic Ausführung oon «erbrechen erfchmert unb in ftolge beffen wahr* 
fdjeinlicf) minbet häufig werben wirb, wenn fdjon ein berarttgeS Unternehmen 
oom ©efefte für ftrafbar erflärt ift; wenn cS $u ben Aufgaben ber ©trafgefefc» 
gebung gehört, bie Sicherheit ber Staatsangehörigen, fo weit eS burch ©trafen 
t^unlich ift, ju oerbürgen, fo erfchemt eS geboten, ben ©efaljren entgegensutreten, 
welche bem Ginjelnen für feine $erfon unb fein eigentfjum bie ©traflofigfeit 
ber mißlungenen Sluftiftung unb beS (MtetenS jur Begehung oon Serbreien 
bereitet." (6tenogr. Scripte über bie Verfmnblungen beS Reichstag« 1875/76, 
III., 180.) 

S)er hierbei geltenb gemachte jurtfttfehe ©efichtSpunft mar ber ber erfolg* 
lofen ober ohne Slnfang ber Ausführung ber 2f) at gebliebenen 2lnftiftung unb 
beS ohne %i)at gebliebenen flomplottS- biefcS ergiebt fich fomohl aus ben 
ÜMotioen, als auch aus bem Berichte ber Äommifüon beS SRetdjStagS unb ben 
(srflärungen bei ber Veratfmng im Reichstage oon ©etten ber 3Jtitglicber beS 
leiteten unb ber Vertreter ber Regierungen. ^nSbefonbere macht ber $ur 
Begehung eines Verbrechens ©rbietenoe burch feine $ropofttion fid) einer Vor» 
bcreituncjshanblung burch ,§inmirfen auf eine SSillenScinigung fduilbtg; unb ba 
er jugletch bie befinitioe Raffung feines oerbrecherifchen @ntf<f)luffcS noch oon 
ber (Einwilligung beSjenigcn, beut gegenüber er fiefj erbietet, abhängig macht, 
liegt in ber bie Vebingung beS bcfmttiocn @ntfa)luffeS erfüüenben Annahme beS 
(SroietenS baS SRoment einer ben SÖUlen beftimmenben Stoftiftung. 

demnach erfcheint, nach bem ©cbanfen ber Rooellc, beim Grbieten 3ura 
Verbrechen unb ber Sinnahme beS (SrbtetenS bie befinitioe Vefrimmung beS 
SSillcnS beS ftaj (Srbietenben jur Vegehung beS Verbrechens als baS Söefentltche. 
3)er Vergleich mit einer ohne ÜBirfung gebliebenen unb bennoch frraf baren 2luf^ 
forberung ift l)icx auSgefchloffen burch baS Voraufgehen beS ju Veftimmenben 
mit bem erbieten. 2>a6 baS ledere oon oorn herein ernfttich gemeint geroefen 
fein müffe, barüber ^errfc^tc in allen ©tobten ber Verathung bie ooUfommenftc 
Uebercinfttmmung ber gefefcgebenben ftaftoren; ein nicht ernftlich gemeintes @r* 
bieten foUte unter bie ©trafbrohung nicht fallen. 2tuS biefem ©runbc fann 
auch bie Annahme eines nicht emillich gemeinten (SrbietcnS nicht unter bie 
©trafbrohung fallen; entfeheibenb hierfür ift ber ermähnte innere 3ufammen 
hang ber ©ad)c, ba biejenige Annahme getroffen werben follte, welche ben ernft- 
liehen, aber bis baf)tn nur bebingt gefaxten Gntfchlufe beS ftd) ©rbietenben burch 
bic Grfüüung ber in ber Annahme beftehenben Vebingung $u einem unbebtngten 
tfntfchlufe umwanbelt, was nid)t möglich ift wenn oon Anfang an ber fia) 6r* 
btetcnbc baS Verbrechen nicht begehen wollte, fonberu bura) baS Vorgeben eines 
oerbrecherifchen 2BiUenS qanj anberc ^weefe oerfolgte. 

Ungeachtet biefe Äonfequcnj ftet) fchon auS bem ©ebanfen beS ©cfefecS 
ergab, beabftchtigte bie Äommiffion, um jebem ^rrthum bei ber praftifchen 2tn- 
wenbung bcffelbcn ooräubeugen, eine auSbrücfliche &eroorhcbung. ©ie fchlug 
baher oor, ju tagen: 

„gleiche ©träfe trifft benjenigen, welcher fich — sur Vcgchung eines 
Verbrechens — in ber 2lbficht erbietet, für ben $att ber Annahme feinem 
Erbieten gemäfj $u hobeln, fowie benjenigen, welcher ein foldjjcS Qx- 
bieten in ber 2lbficht annimmt, bic Vegefjung beS Verbrechens ju förbern." 
(©tenogr. Verichtc III., 479.) 

3)urch ihren Verichterftatter liefe fie hierzu bemerfen: 

„darüber herrichte in ber Äommiffton ©moerftänbmfe, baß in ben 
jenigen fällen, in welchen ber Offerent unb ber jenige, welchem offerirt 
worben tft, nicht bic ernfte Abflaut gehabt hoben, Den anbern §ur 93er* 
Übung beS $eliftS nt beftimmen, bejw. feinerfeits baS $>eltft §u oerüben, 
wenn ber anberc feine Einwilligung baju gebe, baß alfo in benjenigen 



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288 



2)eutt*c« ©twfre$t. (Srtenntnifie beß ffleicWfleritftä. 



fällen, in roelct)en ber ernfte unb be[Hmmte 2öitte mangelt, an$ufHfteit, 

bejro. in ftolge ber Slnftiftung, baS Verbrechen 3U begeben, bic Straf» 

barfeit nicht begrünbet ift" (2)af. IL, 838.) 
3)er SunbcSfommiffar erflärte: 

„er fönne nur beftättgen, bafj bic Regierungen mit bem in bem 2lbfa|e 

auSgefprochenen ©ebanfen ciuocrfianbcn feien." (2)af. IL, 844; III., 470.) 
S)ie $ajfung ber ßommtffion rourbe bann aroar nidt>t angenommen, aber 
nur be8t;alb, rocil bie baburdj) tjemorge^obene 2lbficht fidj oon fclbft oerftehe unb 
gerabe bie auSbrücfliche ^eroorljebung berfelben gu ^rrtbümern in ber Slnroenbung 
führen fönne, inbem man hinter bem SluSfpredjen beffen, roaS fid) oon fclbft 
oerftehe, einen befonberen Rmd unb befonberen Sinn fueben unb baburch bic 
richtige 9foffaffung beS ©efefceS ocrfehlen werbe (ogl. baf. IL, 83G f 844 2c). 
Slugenfcheinlieb fleht aber, unb hierüber nmrbe auch bei ber 93eratljung fein 
3roeifel gelaffen, bei jener ben magren 9BilIen beS ©efe^cS auSbrücfenben 
Raffung ber Äommiffion ber auf ben fuh (Srbietenben besügltche Sa§ mit bem 
Safe, melier fid) auf ben 2lnnel)menben bejietjt, in untrennbarem 3ufammen* 
bange: berjenige follte ftrafbar fein, melier in ber 9lt>uct)t ber görberung beS 
Verbrechens ein (Erbieten annehme, roelcheS mit ber Slbficht nerbunben geroefen 
fei, im ftall ber Stnnabme bem (Erbieten gemäfe ju ^anbeln. 

Such ber prafttfd)e ^wtd beS ©efefceS läjät biefe Auslegung als bic 
richtige er f feinen. S)ie Slufforbcrung jur Begebung eincS Verbrechens ift 
gefährlich, rocil nicht oorauSgefehen werben fann, ob fic nicht bie Slnnalmie jur 
^olge ^aben werbe, foU baber beftraft werben, auch wenn fie im Eontreten $all 
Sie Slnnaljme nicht jur ftolge ^atte. 3lbcr bie Sinnahme eines nicht ernftlid) 
gemeinten, fonbern nur fimulirten (ErbietenS ift nicht gefährlich, weil ber nur 
Scheinbar fid) (Erbietenbe aud) für ben %aU ber Sfonafyme baS Verbrechen niajt 
oerüben wollte. (Sine anbere ftrage ift eS, ob in einem fonfreten Sali bie 2ln 
nähme eines blofj fimulirten (ErbietenS ctroa in bem fid) ©rbietenben ben wirf* 
liehen (Entfcfuufe ber Veger)ung erft neu fjeroorgerufen, alfo wie eine erfolgreiche 
2lufforberung geroirft habt; non biefem ©eftchtSpunft roürbc es fuh nicht 
mehr um bie änmenbung beS bie Slnnabme eine« Erbieten« bebrot)enben ©efefces, 
fonbern um baS ©efefc über bie 2lufforberung, bejm. bic 2lnfiiftung jum 33er- 
brechen Imnbeln. $>er uorlicgcnbe gaü giebt feine Veranlaffung, biefen ©efichts* 
punft weiter ju «erfolgen. 

Wlit ber obigen Stillegung fte^t ferner ber SBortlaut be3 @efe^eS im 
(Sinflang. S)enn wie bei jener Raffung ber flommiffion, fo be^ie^t fidt) aud) in 
bem angenommenen ©efc^e ber Safc: „wer ein fola^cS Grbictcn annimmt" auf 
ben oorljcrgc^cnben Safc: „mer fid^ jur Scgctjung eine« 2fcrbred(jenö erbietet", 
rote ba5 referens auf ba« relatum; bcuS 2öort: „ein fold^cS Erbieten" uerroeift 
auf ben uorf)ergej)cnben Sa^ als auf feine (Erläuterung unb ©rgänjung; roar 
alfo im lederen ein emfUid&e« ©rbieten oerftanben, fo fann im nad^folgenbcn 
Sa^ aud) nur ein folajeS, alfo ein emitlidjeÄ (Erbieten a\& gemeint gelten. 2lud) 
in biefem fünfte fc^ltcfet fid) baS ©efe^ genau an fein ^orbilb, baS belgifdjc 
©efefe oom 9. 3uli !875, an, tueld^eS an ber betr. Stelle fagt: „quiconque aura 
aeeept^ semblable proposition." 

S)ie Slnna^mc eines ntc^t ernftlid) gemeinten, aber für ernftlic^ gehaltenen 
(SrbietcnS ift uor ber SWoral of)ne ^lucircl nicht roeniger uerroerflieb, als bic 
Annahme eines emfilichen GrlüetenS. ^«^effen fann bie moralifebe Söürbigung 
nicht ben SluSfchlag geben, roo bie juriftifchen Unterlagen ber Interpretation befannt 
unb gegeben finb. 2)iefeS ift, roie im 93orftehcnbcn erörtert, h^r ber Jfall, fo» 
roohl in thearetifcher §inficht, ba bic Annahme beS nicht ernflltchen drbieten^ 
roeber bem begriffe ber Slnftiftung, noch bem beS Komplotts entfpricht, als aud) 
in praftifdjer öinficht, ba eS an |uh für Slnbcre nicht gefährlich ift. S)ie SKottoc 
beS citirten befgifchen ©efe^eS, rocldjeS gleichfalls nur bic Annahme eines ernft 



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I 



* 



StaitfäeS ©rrafwd&t. (5r!«rattttiRc te§ ?Rci$«gmd)t«. 289 

lid^cn (SrbietenS mit Strafe bebtofjt, fagen bemnach jmar mit oottem SRcd^t: 
„l'aceeptation de la proposition n'est pas moins immorale que la proposition 
meme; le danger qu'elle fait courir est plus imminent; il est donc juste qu'elle 
n'eehappe pas ä la repression." aber fie fefcen babei ftillfchweigenb oorauS, 
baß bie angenommene ^iropofttion eine crnftliebe mar, benn fie tonnten oon einer 
©efäfjrlichfett ber 2lnnahrae nicht fprechen, wenn ber ^roponirenbe baS Sier* 
brechen niemals begeben wollte. 

hiernach ^aben bie oorigen Siebter ben §. 49. a. beS 6t. ©. SJ. auf ben 
$}efd)roeTbefüf)rer mit Unrecht in »nwenbung gebradjt, unb war ber 93c* 
fd>werbeführer oon ber 2lnflage freijufpred^en. 

3n berfelben rechtlichen Sage befmben fid) aber nach ben tljatfäd&Itc^cn 
^efrfteüungcn ber oorigen föidjter auch bie Olngefl. ©chanfwirth Z. unb @befrau, 
ftabrifant 9)?. unb Gfjcfrau, unb ffrämer Scf., ba auch ihnen gegenüber baS 
Erbieten beS 2>. jur ^Begehung beS Verbrechens ber galfc^münjeret fein ernft* 
lid) gemeintes mar. @S mußte bafjer ba« oon M. angefochtene Urzeit auch in 
fo weit, al« eS biefe Hngeflagten für fcbulbig befunben unb aus bem §. 49. a. 
beS 6t. ©.8. oerurtfjetlt bat, in ©emäßbcit beS §. 397. ber 6t. $roj. 0. auf* 
gehoben unb auf greifprea)ung erfannt werben. 



§. 283. Hr. 1. @t <B. B. §. 210. ttr. 1. ftonf. <T\ Der nad) §. 283. 
£t. <B. B. jkafbare Diffcren^anbel ifl nid)t auf eigentliche Differenj- 
gefdjäfte cin3ufd)ränfen t fonoern umfaßt au* foldje (Befcbäfte, bei 
melden IcbigUcb 6ic ^Ibfiajt ber (Einforberung ber Diffcren3 jur 
Cieferungejcii vorliegt. 

Grf. beS II. 6traffen. v. 31. 2ttär$ c/a. 2Bolff, woburd) bie fleoifton 
beS 2tngeflagten jurüefgewiefen morben ift. 



© r ü n b e. 

35ic behauptete Sßerfcnnung beS (SrforberniffeS für ben Segriff beS ein* 
fachen SanferuttS auS §. 283, 1. beS 6t. ©. baß ber banreruttirenbe flauf* 
mann burd) SHffercnjhanbel mit 2Baaren ober SBörfenpapieren übermäßige 6unrmen 
oerbraudjt habe ober fdmlbig geworben fei, liegt nicht cor. 3Jtag immerhin au* 
gegeben werben, baß unter eigentlichen Sbiffercnjgefehäften nur folche 3citgefchäfte 
nU oerftehen finb, bei welchen bie Erfüllung in s Jtatur burd) Lieferung ber oer* 
!auften SBaare cinerfeitS unb 3ahlung beS ÄaufpreifeS anbererfcitS uertrag> 
mäßig auSgefdfloffen, ©cgenftanb beS ©cfd)äftS oiclmchr nur bie ©elbfumme ift, 
um welche ber oercinbarte Kaufpreis oon bem am Stichtage befiehenben SBörfcn* 
ober SJiarfprcife ber Söaare überfliegen roirb, bejw. gegen biefelbe jurüdbleibt, 
fo fann bod) hiermit ber Söeariff beS S)iffcrenjhanbcl^ im 6inne beö 6traf* 
gefe^eö um fo meniger als erfchöpft angefeljen werben, ald praftifch berartige 
©efchäfte im Sörfenoerfehr eine nur gan$ untergeorbnete 9toHe fpielen, baS 
©efe^ ben Äeim feiner SSirfungSloftgfeit baher fa)on bei femer Grlafjung in fia) 
getragen haben mürbe. 

2)aä ©trafaefe^ beruht auf ben ©ebanfen, baß ber Kaufmann, welcher 
für feinen ©ewerbebetrieb bie Gigcnfdjaft ber 6olibität beanfprucht, Sßaaren 
unb Sörfenpapicre nur für bie 3roetfc bicfeS ©ewerbebetriebeö unb im Bereiche 
beffelben fauft ober oerfauft, mithin aües8 fern hält, was als ein neben feiner 
eigentlichen faufmännifchen Scntfe hcrlaufenber, auf oöllig unficheren Äombi* 
nationen beruhenber unb wefentlia) oom 3 u f a ^ abljängenber 6pefulationShanbcl 
ftch barfteHt. dergleichen Dperationen werben bem Spiele gleichgefteUt, wie fie 
auch ber (Sache nach etwas EnbereS nicht finb; fie beeinträchtigen baS Vertrauen 



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290 2>ctJtfÄc< ©trafrccbt. GMenttttnff*. befi SRei(6$geri<f>t$. 

auf bie baucmbc Ärebüfähigfeit unb rechtfertigen, währenb fonft bcr unoer* 
fdjulbete Sanferutt einer 23eftrafung nicht unterliegt, wenn e« ftd^ um babureh 
oerbrauchte übermäfjtge Summen h<ntbelt, bie gefejjliehe $iftion, bafe folche jura 
eingetretenen 33ermögen«öerfall unb ber baron gefnüpften 3ahlung«einftellung in 
mehr ober weniger urfachlicher ©ejiefmng fielen. $iefe unfolibe SSetfe be« 
©ef<häft«bctrteb« unb bie babureh herbeigeführte SBcfchäbiguug ober ©efärjrbung 
ber ©laubiger foll ber frrafrcchtltchen Sl^nbung oerfallen. 

Pr biefe Stücfftebt be« ©efefcgeber« aber bleibt es nach einer geroiffen 
fötehrung gleichgültig, ob ba« ©efebäft nur ben 2tnfpruch auf bte &ifferen$ 
begrünben ober neben bemfclbcn auch biejenige auf reale Erfüllung bcjtefjen foU. 
3Me ledere bat bei 3cttgefcbäften nur au«nabm«weife Sebeutung, 5. 8. wenn ber 
Ääufcr ftch Leerung oerfchaffen will für Sieferungen, tocld&c er fclbfl am (Stich- 
tage ju machen hat. 3u ben meiften fällen ift e« thatfächtich ben contrahirenben 
Xhctlen ober einem oon beiben nur um bte Sifferenj 5U tbun. 9öo aber biefe« 
Moment in ben SJorbergrunb tritt, liegt für ben Xhcil, toeteber bie Stbftcht oer* 
folgt, jur SteferungSjcit nur bic SDiffcrcnj $u forbern, wenn fidt) folche \u feinen 
©unften hcrauSftetlen folltc, im anberen 'Jafle aber bicfclbe auf Verlangen be« 
(Gegners ju Rahlen, für btefen ein $tfferemgef<häft oor, unb ber gewerbmäßige 
Setrieb toller ©efd}äftc geflaltet ftch *um SDiffcrens^anbel im 6inne ber 3tff. 1. 
be« §. 283. $>enn auch hier trifft Dasjenige ju, 10 a& ba« Verwerfliche ber 
9tgiotage begrünbet, baß ba« ©eferjäft nicht bem faufmännifchen (Srwerb burch 
Setfhtng unb ©cgenletfhtng, wobei betbe Shcile ihre Rechnung finben, fonbem 
bie Sucht nach müliclofcm ©ewinne auf auSfchlteBltche Äoften be« anberen £beil«, 
gleich bem Spiel ober bcr SBcttc, bienen foU. S3et folchem $anbcl liegt auch Die 
00m ©efefegeber gerabe in ba« Slugc gefaßte ©efahr bcr Zerrüttung be« SJer* 
mögen« oon Seiten be« nur auf bte $ifferenj fpefulirenben Kaufmann« recht 
eigentlich oor, ba, wer effeftioe Erfüllung beabfichtigt, bei bem 5lbfchluffe oon 
„Seitgcfdjäften ben ftuffanb feine« Vermögen« wegen bcr bann gebotenen größeren 
2lufwenbungcn mehr in Betracht 3iel)cn wirb. 

S)agegcn fonntc e« nicht in bcr Stbftcht be« Straf gefefce« liegen, ben 
Begriff bc« SMffcrenahonbel« auf eigentliche 2) iffcrcnjgefchäfte im obigen Sinne 
ein^ufchränfen, welche in einem großen 2l)citc be« beutfehen föechtÄgebtete« cioil* 
reebtlich feine Älagc auf ßrfüllung begrünben unb auch fchon be«halb alö 
Seftanbtheil be« .§anbel«ocrfehr« nicht erheblich in ba« ©croicht fallen. 

$)ie Behauptung be« Slngeflagten, baß bei ben oon ihm aba,cfcf)loffenen 
Börfengef (haften, welche für ihn im 3af)re 1878 allein einen burdb Berechnung, 
bejw. Zahlung, ju beefenben 2)tffcrenjoerluft oon 138 824 3Jr. 25 $f. §ur ^olge 
hatten, er feinerfeit« bie Wicht effeftioer Lieferung ober Sinnahme gehabt habe, 
ift 00m erften dichter al« wiberlegt angenommen, unb bcr 3lppelIation«richtet ift 
3U Feinem abweichenben Grgebniffe gelangt. 

S)ic 3"ft a wchter haben baher ohne 9lccht«irrthum bic ftattgehabten 
Serlufte bem getriebenen ®iffcren3hanbcl ^ugcfchricbcn. 



§. 246. 0t. (F. B. <£s liegt feine UnterfAlagang ooc t wenn ber (Eigen« 
tbümer eines TDcchfel« ttot^ ber »cn ihm bei gcthhmg, ber IDecbfcl- 
fummc jugefagten Verausgabe bes XDcc^fcls, teueren weiter begtebt 

©rf. be« II. Straffen. 0. 2. 2lpril c/a. Gohn. 

3)cr 3lngeflagte hottt bei Suriicfjahlung ber einer SBittwe St. gewährten 
3)arlehnc biefer bic bemnächfie 3u*ücfgabe ber betreffenben SBcchfel jugefagt unb 
war, ba er bicfclben gleichwohl weiter begeben fwNe, in 5 ol 9 c appellation«' 



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1 

4 



2>«itf$e* (Srtenntniffe be8 3l«<$3gcricbtS. 291 

ridjterlicber Entfdjeibung, wegen Unterfcblagung betraft worben. SDaS 9ietd&S* 
geriet bob auf föeoijton beS Slngeflagten baS ^orerfenntnife auf unb ertonnte 
auf 3uriicfoerweifung. 

® t ii it b f. 

2)ie auf ®efe|eSoerlefeung geffti|tc 93efdjwerbe ermöglicbt allgemeine 
Prüfung ber ©cfe&cSanwcnbung, unb biefe ergiebt, bafj ber 91. SR. baS ©efe$ 
unriebtig aufgefaßt bat. S)crfelbe ftellt feft, ba§ bic oon ber Söittwe St. ju 
©unften beS 2lngef legten aeeeptirten unb bemfelben jut Sieber fycit oon Marleben 
übergebenen Iffieebfel nacb beten 33c$at)lung bureb bie Scbulbnerin unb, nad>bem 
ber SBeajfelgläubtget alsbalbigc SutüdQabt ber SSecbfel oerfproeben ^atte, niebt 
mefjr Eigentbum beS Sefeteren, beS Slngeflagten, fonbern im Sinne beS §. 246. 
beS St. ©. 58. für tbn ffembe Söecbfel gemefen feien. S)er SIngeflagte mar aber 
bur$ bte Ucbergabe ber auf tbn als ©laubiger lautenben unb oon ber Sejogenen 
aeeeptirten SBecbfel als Eigentümer berfelben legitimirt (SCrt. 36. ber beutfeben 
2B. £).). $>ie Sßecbfelfcbulbnerin Ijatte bagegen baS Stecht, $u oerlangen, bafe ibre 
S^eilsa^lun^en auf benSBcdjfeln abgefebrieben, unb bafe Üjr gegen 3af)lung beS 
Heftes ber ftorbcrungSbeträge bie quittirten Söeebfel oerabfolgt mürben. 35er 
Scbulbnerin, roelcbe oon biefen öefugniffen feinen ©ebraueb madjte, ftanb lebiglicb 
baS perfönliebe Steajt $ur Seite, aufeer ber Quittung bie 91ti<fgabe ber über bie 
beriebtigte Sdfmlb auSgeftellten 3Öecbfel *u f orbern (Sanbr. $bl. I. Zxt 16. 
§. 125.). 2>ie Sßecbfel, roelcbe im 53eft$e beS urfprünglieben Eigentümers oer* 
blieben, rourben bureb Tilgung ber SBecfrfelforbcrungcn feiten« ber 2lcccptantm 
noeb niebt beren Eigentfmm, unb nur bureb bie öeTauSgabe ber SSccbfel bätte 
fie foldjeS erlangen tonnen. SDer 2lngeflagte blie6 oielmefjr trofc ber 3ofyluug 
feitenS ber Scceptanttn Eigentümer ber SSecbfelurfunben unb mar fogar, ba 
bie 3ablungen ber 2kceptantin auf ben SBecbfeln nt#t uermerft roorben waren, 
nacb Söecbfelrecbt wenigftenS formell in ber Sage, als Eigcntfnimer über Mefelben 
ju oerfügen. $)ie SOBcdjfel bilbeten fomit für ben 9lnaeflagten leine fremben 
Sachen nacb bem 9kcbtSbegriffe beS |. 246. beS 6t. ©. 8. 3>aS angef. Erf. 
nimmt jroar an, bafe bie fräglieben SSecbfel, naebbem ber 2lnge!lagte ber SBecbfel* 
fc^ulbnerin gegenüber bie 3<*blung ber Beträge ber Söecfyfelforberungen aus* 
brüdlicb anerfannt battc, oermöge beS SBerfprecbenS alSbalbigcr 3urticfgabe ber* 
fetben, niajt mebr Eigentum beS 2lngeflagten, fonbern im Sinne beS §. 246. 
beS 6t. ©. 8. für if)n frembe Söecbfel geroefen feien. 2lücm ber oon biefer 
©efefceSbefhmmung aufgeftellte Segriff ber fremben Sacbe trifft niebt auf foldje 
Saajen ju, roelcbe ber Eigentümer einem anberen ^erauBjufleben nur perfönlicb 
oerpflicbtet ift. S)ie üttotioe ju bem in ber entfebeibenben 9tic§tung unoeränbert 
gebliebenen §. 241. beS ©efe^entrourf« beben beroor, bafj ber SJri^atbeftonb ber 
Unterfcblagung bic $ällc einer roiberrccljtlicben Verfügung über frembe Vermögens* 
redete unb fomit aueb üoer perfönliebe Slnfprücbc auf Soeben niebt umf offen foHe. 
3)er Entwurf wollte oielme^r einem in ber SBiffenfcbaft erörterten unb auf eine 
Erweiterung be§ XbatbcftanbcS abjielenben Sebürfniffe baburc^ 2lb^ülfe oer^ 
febaffen, bafe er ^äüe jener 2lrt unter ben begriff ber Untreue gefallt b«t 
(§. 261, 9ir. 2. be<8 Entro., §. 266. 9h. 2. be$ St. ©. 33.). 3;näbefonbere macben 
bie SWotioe barauf aufmerffam, bafe baS ©efefc nur oon einer förperlicben be* 
roeglicben Sacbe fpreebe, roeld^c ©egenftanb bcS Eigentbum« eines anberen 
fei. ipierju roirb weiter bemerft, bafe ber Entrourf bie in ber SBiffenfdmft, roie 
in ber SlecbtSanfcbauung bcS SolfS unb in ber s Jiatur ber Sad^e begrünbete 
SHcrwanbtfcbaft ber SSergeben bcS ©icbfiablS unb ber Unterfcblagung feftgefjalten 
babe unb ben 3$atbefianb ber leiteten einfacb als bie recbtSwibrige Aneignung 
ber fremben beweglidjen Saaje, in beren Labung ber ^^äter fieb bereits bc* 
finbc, bejeic^ne. ^nbem ber 31. 91. bie oom erften 9ttd)ter aufgeftellte 2lnficbt 



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292 Eentföe« GtraMt «rtcnntnifie b«5 Wei<$*getic$t«. 

als roefentlidfjen SJebenfen nidjt unterliegenb anfab, bafi ber 2lnge!lagte oon bem 
2lugenblide an nur Snfcaber bcr Söedrfel unb nid&t mel)r (ftgentljümer berfclben 
geroefen fei, als er anerfannt gehabt fjabe, ba& er oerpflicbtet fei, bie bejahten 
2Bedf)fet jurüdjugeben, biefe aber fcfjon bterburdfi für tyn frembe ©egenftänbe 
geworben feien, meld&e er herauf für bie 2ötttwe 6t. oerwabrt fiabe, beruht bie 
tt)at\ää)l\fy ^efifteflung ber Sorinfknj auf einem 9ted(jtSirrt&ume. 



§. 263. @t. <B. B. 3n bem t)erfpretben t nad) llebergabe öe« ßauf- 
objeftes fofort Gablung 311 leiten, fann, wenn ber Käufer mußte, 6a| 
er ja^lungsunfäbig mar, 6ae Heguifit bea Betruges gefunben werben. 

@rf. beS UI. Straffen. 0. 3. Hpril 1880 c/a. Otto, woburdfc bie föeoifton 
beS Staatsanwalts für begrünbet erachtet, unb unter UrtfjeilSauftebung auf 
flurüdoerwetfung erfannt worben ift. 



® r ü n b e. 

©et ftteifdjer D. oon ©rbmannSborf bat oon bem Sädermeiftet in 
39örnidjen jmei Sdjweine getauft. @S fottten für ben Stein in auSgefdfjlad&tetem 
3uftanbe 11 3fl. 50 5ßf. gejault werben. ©er SföitangeFl. £>. fottte bie Sememe 
oon bem Sßerfäufcr abbolen. ©r f)at fun$ugefe&t, ba fönne fr bann gleidf) mit 
nad) ©rbmannSborf fahren; bort mürben bie Sdjweine gcfd)laä)tet unb geioogen, 
baS roerbc nid&t lange bauern, bann tonne fein ©elb friegen. 

D. ift nun imdf) am 10. 9?oo. 1879 nacf> SBörnid&en gefahren, b at bie 
beiben Sd&weine na<ij ber tl)atfäcf)Udjen $:eftftellung beS SBorbcrrid&terS oon bem 
5ßerfäufer übergeben erhalten, unb ift mit benfelben unter SWitnabme beS $er* 
fäuferS %. nad) ©rbmannSborf gefahren, roo bie Sdf)mcine geftod&en unb au«* 
gefd)lad)tct worben finb. (SS l)at ftd|j ein ©ewid&t oon 14 Stein ergeben, ber 
$rei« ift fjiernac^ für bie beiben Sdjwetneauf 160 9Jt. feftgeiteUt; ber angeklagte 
bat ftd) nun aber außer Staube erflärt, ben ben $reiS fofort ju saljlen; er 
bat ifmt aud& fd&liefclid) bie Verausgabe ber Sdfnocinc oertoeigert. ©iefelben 
finb no<ij in berfelben 9tadf)t, als fie fd&on oon bem Slngeflagten weiter oer* 
äufeert waren, unb ftdb in britter $anb befanben, polijetlidf) mit $cf<f)tag belegt. 

©te Strafkammer erwägt, ba§ 2lngeflagter auS bem «ermögen beS 
Beugen % etwas oljne ©egenleifhmg erhalten I)abe. ©aS SSermögen beS 2c. 
fei alfo oefdjäbigt. 5 crTtct ro * r0 ermaßen: 2lngeflagter fmbc aud> einen redjts* 
wibrigen SßermögenSoortbeil ertanqt; beim fr b<*be annehmen müjfen, ba{j er ben 
$reiS nadj 2luSfcblad)tung ber Sememe erhalten roerbe. (Snbtidij roirb feft^ 
geftellt: ber Xngetlagte babe Tub Htntx in bcr 2lbftd^t, ben 2c. jur ^ergäbe 
ber Sdnoeme o^ne fof ortige @egenleiflung )U ocranlaffen, einer Xäufd^ung beä 
%. fdmlbig gemalt; er §abt gar nidfjt in ber Sage befunben, ber 3«fage 
ber Saarsablung -tu entfpredjen. 

3tber ber @crid)t«bof bat in ben SBorten: „(£r — 5. — fönne bann 
— nämlidb nad) erfolgter 2luSfd(jlad()tung — fein ©elb frtegen", eine SBor« 
fpiegelung falf(ber ^f)atfai$cn ober eine Unterbrtidung roabrer ^otfad^en, unb 
eine l)ierburdj bebingte Erregung ober Unterbaltung eine« ^rrtbum« nia)t er* 
blidt, oielmc^r barin nur eine ftraflofe 2äufd^ung gefunben. ©er Slngeflagte 
unb feine toegen Segünftigung angcflagte (Sljefrau finb be^b^lb freigefprod^en. 

3Wit föed&t erblidt bie 5Reoifiort be$ Staatsanwalts in biefer grcifpred&ung 
eine SBerlefcung beS §. 263. be« SU. St. ©. 

©a§ ber Slngeflagte ficb nid^t in ber Sage befanb, bem SJcrfäufer ben 
^reiS bcr Sdjroeinc fofort üu bejablcn, ifl ebenfo eine Xfyatfaty xok, ba§ er 
bie 2lbfia)t niö^t ^attc, ben $reü8 fofort jaulen ju roollen. 



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3>tutf<feeS ©trafredit. £*ttcnntniffe fceö Hei*8<icric$t«. 293 

SBenn nun bcr 2lngeflagte, obfdwn er wufjte, ba§ er ben $retS ntdt>t 
fofort jaulen fönne, unb obfcfjon er bcabftcfjtigte, bie Sajweine otme 3 a ^ un 9 3 U 
erwerben, ben SBerfäufer bur$ feine ©rflärung, „er fönne ba& (Mb nad) ber 
2lu3fdjlad)tung friegen", unb burdj feine (Sinlabung, mit tfmi nad) feinem s Botm* 
orte ju fahren, unD bie beSfaÜß getroffenen 5teranftaltungen in ben @lauben 
oerfefctc, Slngeflagter fei in ber ^age unb bereit, ben Sßrei« ber ©djweine 
fofort ju bejahen, nadjbem biefelben gefa)lad>tet worben feien, unb wenn er i^n 
Ijierburd) befttmmte, bem 2tngeflagten bie 6d>weine anvertrauen, fo waren 
bamit alle XljatbefianbSmomentc be3 ^Betrug« gegeben. ift aud) fein ©runb 
oortjanben, einen folgen %aü bem Greife oon fällen beä ftrafbaren Betruges 
$u entäiefjen, al$ ob berfelbe auSfdjliefclia) ein eioilunredjt barfteüe. aüerbinaS 
haftete bcr SBerflagte aus feinem 3$erfpredjen auf fofortige $aar$at;lung ebenfo* 
wotjt in bem oorltegenben faHi, wie in bem, wenn er ben ^Bcrfaufer nidjt 
getäufetyt l)ätte. Sber ber Sßerfäufer, welcher 3 a ^ un 9 3 U 9 um 3 U 9 enoartet, 
übergiebt bie Söaare nidjt, um füg auf ben 2Beg ber Älage oerweifen ju laffen 
unb ben Käufer auf biefem 2Bege jur 3al)lung §u äwingen, roenn etwa« oon 
bem Ääufer ju erlangen ift, fonbern ber SBerfäufer übergiebt in bem Vertrauen 
barauf, bafj ber Käufer erfüllen fann unb fofort erfüllen roirb. 2)ie £äufa)ungen r 
roeldje in biefer Sejicljuna ausgeübt werben, finb aud) nidjt weniger gefäbrlia) 
als anbere formen beS betrug«. ®a$ 6trafgefefc ift alio auef) fjier feinem 
SBortlaut entfpredjenb ofme (Sinfc&ränfung anjuwenben. 



§§. 242. 246. et <B. B. IDi6errecb,tUa?e Aneignung oon JDaaren- 
»orrätyen feiten« bee Perfaufeperfonal* qualiftyrt fld> nicht als Unter- 
fa)lagung, fonbern als Diebjkbt 

<£rf. be$ 1. Straffen, ». 5. Slpril 1880 c/a. Sternijjfe, woburd) auf 
3urücfweifung ber 9teoifion erfannt worben ift. 



@ r ü n b e. 

$ie fteftftettung: 

,,6t. tjabe bem ^leifd^er St. roätjrenb fie bei bemfelben al3 Saben* 
fdjleufeerin biente, bura) mehrere, wenigften« jwei, fclbftftänbige $anb* 
hingen ftleifdjwaaren unb ©clbbcträge oon ungefähr 50 9H. bem St. 
gehörig, biefem in ber 2lbfiajt rea)t8wtbriger 3ueignung weggenommen" 
begreift alle gefefclia)en SUferfmale be£ wiebcrljolten £iebftal)l&. 

©in unterliegenber s Jted)t3irrtfmm, inabefonbere eine irrige 2luffaffung be3 
Segriff« btefe« ^ergeljenS ift unerftgtlid). 

SSenn bie ÜDtitangeflagte fpejictt behauptet, fie Ijabc ja bie angeblich ent* 
frembeten ©egenftänbe bereit« felbft in Söefifc gehabt unb bedtjalb an bcnfelben 
bödmen« eine Unterfa^lagung. feinen $iebftal)l, begeben tonnen, fo überfielt 
fie, bafj in ber oorenoätjnten gefifteOung, wonad) fie bie beseidjncten, üjr fremben 
beweglicben ©egcnfiänbe bem Ä. weggenommen tjat, im 2lnfa)lu0 an ben 
Söortlaut be« ©efe^e«, jugleia^ bie Xljatfadjc enthalten ift, ba^ nia)t fie, wie 
jur 2lnwenbung be$ §. 246. beg 6t @. S. erforberlidtj wäre, oielmeljr ber 
^entljümer unb S)ienfif>err St. fictj im ©efifc bejüglia) bem ©ewaljrfam 3ur 
3ett ber Aneignung befunben f;at. 

tiefer @ewal;rfam beS St. ift aud) red;tj8$utreffenb angenommen. 
3)a bie 6t. als ,^üabcnfc|leu§erin"' im ©efc^äftc be« Ä. biente, i^re 33er^ 
ridftungen biejenigen einer Serfäuferin für fllednwng be3 ^rinjipaljS in beffen 
iiaben waren, fo tjatte fidt) biefer beS ©ewa^rfamö feiner SBaarenoorrättje unb 
be* bafür erlöften, in ber Äaffe aufbewahrten ©elbe« niajt entäufeert, bereit 



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294 2>e«tfd)e§ »troitecfjt. Crtenntniffe be§ Neit$«geric&t§. 

bicfen eigenen ©ewahrjam melmehr bei, ba er benfelben, fo weit erfennbar, 
nicht burch befonbere 2tfte ber Slngef tagten übertragen hatte, oielraehr in ber 
^age unb gewillt war, feine auäfchlie&liche Verfügungsgewalt aua) ber Unit 
bienftlid) untergebenen, in feinen ©efchäftöräiimlichfctten nur ju fpcjieüen SMenft* 
hanblungen ermächtigten 2tngeflagten gegenüber jeberjeit auszuüben. 

$u einer näheren 2tu£einanberfe£ung btefer auS ber (Stellung be3 Ä. unb 
ber (£igenfchaft ber Ungefragten „als SabenfchleuBerin'' oon felbft fid) ergebenben 
SBerhältniffe ^atte baS ßanbgeria)t beim Langel beS^albigcr (Sinwenbungen ber 
2lngef lagten, bie fta) fetbft ata „Serfäuferm'' bejeidmete, feinen nötlngenben Hnlafc. 

3>a£ angefochtene Urtheit beutet nicht entfernt Momente an, welche auf 
eine freie felbftftänbige ^nnehabung ber Slngeflagten 3U eigenem ©ewahrfam, 
namentlich etwa barauf fd)liefjen (äffen, bafj ü)r bie Sachen im Sinne be£ 
§. 296. beS 6t. ©. SB. „anoerttaut" gewefen feien, würbigt oielmehr ÖL 94. v - 
ben „^ertraucnSbruch" ber Stngeflagten lebiglidtj bei 2tu8raeffung ber ihr wegen 
beS »erübten SHcbftahlS naa) §. 242. be^ 6t. ©.33. jujuerfennenben Strafe. 



§. 20. Prcjj/©. ». 7. Mai 1S74. Die üerantwortlichfeit bes Hebafteurs 
einer periooifcbcn geitfehrift ift nur bann wegen Aufnahme einee r»or 
feiner Deröffentlichung nicht 3ur ttenntnij? genommenen jlrafbaren 
Oktifel» ftraflos ju erachten, wenn bie Hichtfenntni^ aujier feinem 
Willen lag. 

<£rf. beS II. Straffen. t>. G. 2tpril 1880 c/a. tflug, woburdj bie ftaat^ 
anwaltliche SKeoifion gegen ba£ feeifprechenbe Vorertenntnife für begrünbet er«- 
achtet unb unter Aufhebung beffelben auf 3urücfoernieifung erf annt roorben ift. 

© r ü n b e. 

Sie oon ber StaatSanwaltfchaft wegen ber ftretfpredjung bcS 2tngefl. XL. 
eingelegte, auf Verlegung be£ ®. o. 7. 3Kai 1874, fowie ber §§. 185., 186. beS 
St. ©. 8. geftüfcte toifion muf? für begrünbet erachtet werben. Stach bem feft> 
geftettten Sadwerhaltc mar ber 2tngefl. ÄL oerantwortlictjer SRebafteur ber täglich, 
mit Ausnahme be£ SDcontagS, erfcheinenben Rettung „®eneralan$eiger für Stettin 
unb bie $romng Komment" jur 3eit ber Verausgabe ber 9tr. 131. berfelben 
vom 8. ä"ni 1^79, in beren 3mciten Beilage ber oon ber Straffammer für 
beleibigenb erachtete ^Bericht bcS üJtamjer Journal« uom 4. beSf. 2Jct3. über eine 
„Solbatenfchinberei" fid) abgebrueft finbet. 3 U ber ^reifprechung beS Slngefl. ÄL 
gelangt bie Straffammer auf ©runb ber Xhatfachen, ba& ber Mangelt. Ä., ber 
§aftor jener 3 e ^ tun 9f ben infrirainirten 2lrtifcl felbftftänbig unb ohne Sorwiffen 
be£ ÜHebafteurS ÄL jur SluSfüllung eines leeren StaumeS in ber betreff enben 
Beilage aufgenommen hat, weil e£ ©ebrauch fei, bajj berartige 3Jlitthetümgeu 
burch ben gaftor felbftfiänbig ausgewählt würben unb ber flontrole beS Jttcbafteurä 
nicht weiter unterlägen, betfen £h Q tigfeit oielmehr nur auf bie ^nferatentheilc 
be§ ©cncralanjeigerS fich erftreefe. S)arin, bafe eS hernach Sache beS Slngcfl. SL 
gewefen, biefer e« aber unterlaffen habe, ben fraglichen 2lrtifel oor 3lufnabmc 
beffelben bem Stebaftcur Ä(. oorjulegcn, finbet bie Straffammer „befonbere um* 
ftänbe" im Sinne beS §. 20. 2lbf. 2. beS ®. über bie treffe o. 7. Wlai 1874, 
welche bie Annahme ber Xhäterfa)aft be^ oerantworUichen StebafteurS ÄL 
auSfchlöffen. 

S)iefc 3luffaffung oerfennt jeboch, wie bie 5ReoifionSfchrift mit stecht geltenb 
macht, Sinn unb 33ebcutung ber angeführten ©cfe^eSoorfchrift. ®amach ift ber 
oerantwortliche Slcbafteur einer periobifchen Srucfichrift, weil er fich a l* ^ cr ' 
faffer berfelben nach au|en hin barftellt, rücffichtlich ber burch biefelbe begrünbeten 



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2>eutf<$t8 @twfre<$t. «rttnntmffe fce« ftei^eriAtS. 295 

ftrafbaren £anblungen grunbfä&licb verantwortlich, unb $war als Xhäter ju bc* 
ftrafen. ©eine Stellung legt ihm bie Pflicht auf, ju »acuten, bajj bic unter 
Snfünbtgung feiner Verantwortlichfeit erjebemenbe SDrucffchrift einen ftrafbaren 
Inhalt erhalt; er hat pofitioe Xbätigfeit nach ber Dichtung aufeuwenben, bafe 
ber 3fth a l l ber S)rurffd)rift ben ©efefcen gemäfj fei. unb Deshalb ju prüfen unb 
au befttmmen, waS in biefclbe Stufnabrae finben (öU. Uebcrläfjt er bieS einem 
dritten, fo billigt er int voraus baS Verfahren beffelben unb macht bei ber 
Vorabfebbarfeit beS Erfolges ber Veröffentlichung oon ftrafbaren Slrtifeln beffen 
§anblung ju ber feinigen, hiernach finb bte Umfiänbe, meiere in bem freien 
äßttten beS 9tebafteurS gelegen ftnb, nicht befonbere Uraftänbe im Sinne beS 
gebauten §. 20. Slbf. 2.; vielmehr fefcen, rote bie ÜDtaterialien ju bera (Sefefcc 
o. 7. 3Jcat 1874, inSbefonbere ber Vericfjt Der OictcbStagSfommiffton, ergeben, bie 
befonberen Umfiänbe folche $äüe voraus, in welchen ber verantwortliche 9te* 
bafteur von bera ftrafbaren Slrtifel cor beffen Veröffentlichung Jtenntnifj ju 
nehmen ttjatfächlich nerhinbert roar, bie 9itchtfcnntnifj baher aufjer feinem 
äütUen lag. Solche Umfiänbe ftnb aber nicht feftgefteUt 



§§. 35. 199. et. Pros. & <£ntfcbetbungen im öinne bes §. 35. 
dt. Pros. A n0 ai ^ e un Strafverfahren r>orfommen6en richterlichen 
2lnorbnungen. — Dem Slngeflagten i|t gemä|§ §. 199. @t. J>ro3. <D. 
bie Tlnflagefcbrift 3U3UlteUen. tEs involvirt eine cBefefceeverleftung, 
roenn bem 2lngeHagten in ber IjauptverhanMung anjtatt ber £>u» 
jtclluna bie 2lnflagefcbrlft nur vorgelefen roorbcn t unb fettend beffelben 
bemsufolge ein erfotglofer Dertagungeantrag eingebracht roorben 

6rf. beS II. Straffen, u. 6. 2tpril 1880 c/a. <^aw lowSft, woburd) bie 
Steoifion unter Aufhebung beS angefochtenen VorcrfenntniffeS für begrünbet er* 
achtet unb auf 3urücfverweifung ernannt roorben ift. 



© r ü n b e. 

S5ie 9tevifton ftüfet fidt) barauf, bafj bem verhafteten 2lngeflagten bie 2ln* 
ftagefebrift nicht bureb #ufteüung, fonbem bureb Vorlefung mitgctbetlt unb ber 
in ber ^auptoerhanblung vor beginn beS ßeugenaufrufs baraufbin gefreute 
2lntrag auf Vertagung ber Sache unb vorherige 3iachholung beS Verfäumten 
bura) ©ericbtsbefchlufj abgelehnt roorben fei. 

SDiefe Slbletmung wirb barauf gegrünbet, bafj bie Verfügung beS Vor* 
fifcenben, welche biefe Vorlefung anorbnetc, als (Sntfcbetbung tm Sinne beS 
§. 35. ber St. «ßtoj. 0. nicht angelegen roerben fönne. (SS foll bamit unoer^ 
fennbar ausgebrochen roerben, bafe bie Vefanntmachung biefer Verfügung, weil 
ledere feine ©ntfebeibung geraäfj §. 35. fei, nicht ira JfiJege ber $uftettung su 
erfolgen gehabt habe. 

@s ifx jeboa) roeber richtig, bafj bte Verfügung, rooburdj ber Vorftfcenbe 
jufolge §. 199. baf. bem Slngeflagten bie 2lnflagefcfarift mit ber 2lufforberung 
mittijctlt, innerhalb ber ju beftimmenben ^rift in ber näher bezeichneten Dichtung 
(Srflärungen, welche feine Vertheibigung betreffen, abäugeben unter bem Vegriff 
einer „(Sntfcheibung" nicht falle, noch würbe, wäre biefes felbft jujugeben, bamit 
bie grage entfdbieben fein, ob, wenn ber §. 199. bte „3Jttttbeilung" Oer 2lnflage* 
fchrtft an ben Slngetlagten oerlangt, eine blofce Vorlefung genüge. 

Unter ben (Sntfcheibungen im Sinne bes §. 35. tinb alle im Straf* 
oerfahren oorfommenben richterlichen 2lnorbnungen jufaramengefafet, einfchlteBlich 
berjenigen, welche lebiglich proaepleitenbe finb. äßan fann in biefer Vejiebung 
oon ben lüiotioen ju 27. bis 34. beS (Jntro. ber St. ^roj. D., welche biefe» 



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296 3>eutf*c« <Strafr«d>t. ©rfentttuifte bei ffleirtSflettAt* 

S. 29, bejtimmt auSfprea)en unb, was bic S^rminologie beS ©efefceS in biefem 
fünfte betrifft, burd) bic Verhanblungen ber RetchStagSfommiffton feine 2lb* 
änberung erfahren haben, ganj abfegen, benn bie §§. 338. ff., 346. ff., 354. ff. 
unb 374. ff. ergeben in ihrem 3ufammenf)angc baffelbe. 2)er §. 338. ff. begeht 
fich auf gerichtliche (Sntfcheibungen unb bie babei ootfommcnben Rechtsmittel 
überhaupt; in ben §§. 346., 354. unb 374. werben bie einzelnen gegen richter* 
liehe ©ntfeheibungen je nach ber ^erfon beS 9ti<hterS, welcher folche erlaffen unb 
bem Verfahren, worin fte ergangen, juläffigen Rechtsmittel ber Vefchwerbe, ber 
Berufung unb ber 9teoifton erörtert, unb wenn babei in §. 246. 2lbf. 1. aus* 
gefprochen ift, bafj bie Vefcfnoerbc aegen bie Verfügungen beS Vorftfcenben su* 
läffig ift, fo weit baS ©efe$ biefelben einer 2htfedjtuna nicht auSbrücflich ent- 
jteht, fo wirb bamit beutlich genug ausgebrochen, baji aud) bie Verfügungen 
beS Vorfifcenben, mögen folche immerhin nach ber Stellung bcffelben im Straf* 
projeffc baS aJiaterieüe ber 6aa)c nicht betreffen, fonbern nur auf ben Fortgang 
beS Verfahrens abfielen, ben Gharafter oon ©ntfeheibungen an fich tragen, 
weldje baher, wenn fie nicht in 2lnwefenf)eit ber baoon betroffenen s #erfon 
ergehen, berfclben gemäfj §. 35. ber 6t. v ^roj. D. mittels 3ufiellung befannt ju 
machen fmb. 

gührt btefe ^Betrachtung baf)in, bafj bie Verfügung, welche ber Vorfifcenbc 
gemäfj §. 199. ber 6t. s }koj. D. erläßt, bem Sngcflagtcn mittels 3 u ftellung unb 
nicht mittels Verfunbung befannt gemacht roerben mufj, fo ergiebt [ich barauS 
mittelbar, bafj baffelbe auch oon ber 2lngeflagefchrift ju gelten fyat, welche eine 
2lnlage biefer Verfügung bilbet. 2>ie 3 u fi^ un 9 a °er befteht nach §• 37. ber 
6t. $ros- D. in Verbinbung mit $. 156. ber ßtoil*^iroj. 0., wo eS fich nicht 
um eine SluSfertigung h an belt, in ber Uebergabe einer beglaubigten Slbfchrift 
beS äUjufteUenben SchriftftücfS, woju nach §• 35. 2U>i- 3. ber 6t ^03. £>. noa) 
bie Verpflichtung beS 3 u f^ e üung^ beamten tritt, bem nicht auf freiem Sufjc 
Vefinblichen baS jugeftellte 6chrtftfrücf auf Verlangen oorjulefen. 2)iefe Vor* 
fünften finben baher auch hie? Slnwenbung. GS laffen fich jebodh auS ber 
©efdSnchte beS §. 199. nicht weniger gewichtige 2lnf)altSpunfte bafür gewinnen, 
bafj unter ber bafelbfl oorgefchriebenen ajtittheilung ber 2lnflagefchrift bie form* 
liehe Aufteilung hat oerftanben fein follen. 

3)er (Sntw. ber 6t. ^ßroj. 0. \)attc m §. 178. bie Vefanntmadjung ber 
2lnflagefa)rift in ein fpätereS 6tabium oerlegt, inbem fie gleichzeitig mit bem 
Vefchlujj über Eröffnung beS £auptoerraln;enS, fpäteftenS mit ber Stabung be$ 
Ülngeilagten erfolgen follte, unb jmar war bort auSbrücflia) beftimmt, bafj fowohl 
bie Slnflagefchrift, wie ber (SröffnungSbefchlufj bem 3lngeflagteu ^uauftellen feien. 

$)te 9tetchStagSfommiffion nahm jeboch in bem oon ihr in erjter 2efung 
als §. 165. a. eingefugten je&igen §. 199. (ogl. bie "JkotofoUe 6.315—321) an, 
bafj, abgefehen oon Schöffcnfachen, bem Slngeflagten im ftntereffc feiner Ver* 
theibigung bie älnflagejchrift fdt)on oor ©rlaffung be§ VcfcbluffeS über Eröffnung 
beS ^auptoerfabrenS mmutheileu unb bamit bie vorerwähnte 2tufforberung ju 
oerbinben fei. aJlufjte baraufhin jwar in §. 178. beä (Sntw. — ber §.214. beS 
jefcigen ©efe^eS — bie 3nf tc nung ber 3lngcflagefchrift bemnächft wegfallen, fo 
laffen boch bie Verhanblungen nirgenbS erfehen, ba^ man bezüglich ber oom 
Entwurf gewählten ÜJiittheilungSform h a ^e abweichen wollen, fonbern es läfet 
bie Vemerfung beS ^ommiffionSmitglicbeS, weld;e bie 6treicf)ung burch bic 
SiebaftionSfommtirion herbeiführte, 

„bafj bic 5 a f)nng oeS §. 178. neben ben Vefchlüffcn ber Äommiffion 
3U 161. unb 165. wohl nicht befielen bleiben fönne, ba bie frühere 
3uftcllung ber 2tnflagcj"chrift burch biefe Vefchlüffe angeorbnet fei" 
(ogl. KommiffionSprotofoUe 6. 331), 
unbebenflia) ben 6chlufe ju, bafe bic ftommiffion oon ber regelmäßigen Vefannt^ 
machungsform auch «i^t fyat abweichen wollen, unb' baß Die unbedingte 



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2>eirtfd>c8 6trafrt4t. (Jrtenhtmffe be8 Mei^jcri^tS. 297 

SBorfdbtift im §. 199. (be$ gegen«) artigen ©efebe«) enthalten fet. Siegt hiernach 
eine Verlegung ber §§. 35. unb 199. ber 6t. $ro$. D. oor, fo raufe audtj femer 
anetfannt werben, ba& ba£ Urteil ouf bicfcr Verlegung beruht. 

$laä) §. 198. ber 6t. $ro*. D. foll bie Slnflagefchrift in 6chwurgericht$* 
unb SanbgeridjtSiadjen nidt)t btojj bie bem Slngeltagten jur Saft gelegte Zfyat 
nadt) ihren gcfefeUc^cn SKerfmalen unter 3tngobe be8 an&uwenbenben 6trafgefefce3 
bc$eidmcn, fonbern auch bie ^Beweismittel unb bie roefentlidjen @rgebni]fe ber 
fiattgehabten Ermittelungen angeben. 

25er 2lngeflagte gelangt Damit nidt)t blofj in bie Sage, feine Vertheibigung 
gegen bie mögud&e (Eröffnung beä Joauptoerfa^renÄ ju rieten unb biejenigen 
©rünbe mit äBirffamfeit geltenb ju machen, welche geeignet finb, baS §aupt* 
»erfahren überhaupt ju befeitigen, fonbern er erhält auch für ben galt ber @r* 
Öffnung beffelben baburdj, bafj er ©inficht erlangt in ba3 53ewei3material, welches 
ber 6taat£anwalt gegen ihn oorjuführen unb bie Slrt unb SBteife, wie er bas* 
felbe su benufcen gebenft, ein fehr mistige« $fitfSmtttet für feine SBertfjeibigung 
in ber ßauptoerf>anblung felbfl. 

(fg rann baljin gefteUt bleiben, in wie meit 2tngeflagter baburet), bajj er 
fiel) mit ber an u)n erfolgten münblichen Eröffnung ber Slnflagefchrift begnügte 
unb bi3 jur ^auptoer^anotung ungeachtet oerfdtjtebener, itjm gebotener ©elegen* 
Reiten unb Seranlaffungen SRemebur be£ 9Rangel£ mittels orbentlidtjer 3uftcHung 
weber felbfl, noch burdb feinen Vcrtheibiger beantragte, ju erfennen gegeben ^at, 
bafj er auf biefe 3ufteuung fy t 0 fe Vorbereitung feiner SBertbeibigung burch 
£erbeifcr)affung neuer Beweismittel 2c. feinen Sßettb. lege, ^ebenfalls träfe felbfl 
im bejaljenben $alle biefer 3krjid)t boä) nicht bie Rührung ber Vertheibigung in 
ber £auptoert)anblunQ felbfl unb biejenigen Vorteile, welche bie Jfenntnifj beS 
SnrjattS ber 2Jnflagefchrift fchon an unb für ftch bafür gewährt. Um biefer 
Vortheile oerluftig gu toerben, hätte ein neuer felbftftänbiger Verzicht hinzutreten 
müffen. @in foldjer aber liegt nidt)t oor unb fann namentlich barin nicht ge- 
funden merben, bafj 3lngeflagter nid)t fofort bei Seginn ber 6cf)wurgerid)tS* 
oerhanblung mit Vilbung ber ©efchwornenban!, atfo $u einem 3^itpunfte f wo 
bie unterbliebene 3uftettung praftifche 9tad)thetle für ihn noch nicht äufeern 
fonnte, fonbern erft nachher als in baS Materielle ber Oerhanblung eingetreten 
werben foüte, ben oorltegenben Langel heroorgehoben unb barauf ben 33er* 
tagungSantrag gegrünbet yat. 

§. 123. 6t. (£. 8. £>ur Begehung eineo fjauefriebenabruches ijt es 
nicht ausreichend, baf bas öejifcthum eingefriedigt ifr t »ielmebr mu| 
bie §ufammengehörigfeit beffelben mit einem bie 2lueoebnung be» 
^auefriebene baranf erwirfenben bewohnten fjaufe fejtgefreUt »erben. 

<£rf. beS II. 6traffen. v. 6. Slpril 1880 c/a. Slomlin, moburdh unter 
Vernichtung be« angefochtenen VorerfenntniffeÄ auf 3urücfoerroeifung erfannt 
roorben ift. 

© r ü n b e. 

S)er erfte dichter unb ibm folgenb ber 9L 91. beurteilt ben ©arten, 
welchen ber 2lngetlagte in ber Slbficht betreten, um oon ba ben ©erichtSgefangenen 
Vrannttoein unb Söurjt jujuftecfen, al« ein befriebete« Sefi|thum im 6inne be« 
§. 123. be& 6t. ©. V. lebiglich be^holb, weil ber ©arten oon brei 6eiten oon 
einem 3^*"; au f Dct nierten 6eite, nad) bem $elbe }U, oon einer ^eefe um* 
fajloffen fei, welche jwar lücfenhaft fei, inbeffen bie Umfriebung beutlich er* 
fennen loffe. 

S)iefe Vccrrünbung erfchöpft jeboch ben begriff beS befriebeten SefitthuiwS 
nicht, fo bafj nicht bie Ueberseugung gewonnen werben fann, ba| bei ber Ve* 

8r4i» i»a 9. u. i. «tft. 20 



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298 2)<ntf<I>c8 Straftest. (Srtcttntitifft bc§ fRet(!b&}cridjt&. 

jetdmung be« ©arten« al« eine« befriebeten 8eft&tf)um« ein 9led)t«trrtf)um nid)t 
unterlaufen tjt 

35er timjianb, baf? ein Selikum eingefriebigt ift, reia)t nid>t au«, 
um baffclbc für betriebet $u erachten. @« gehört t)icr^u eine Mammen* 
gcf)örigfeit be« $3efifctl)ura« mit einem betoobnten £aufe, meldte bie 2tu«bcc)nung 
be« £au«frteben« auf baffelbe enoirft. Soldje 3ufammenge!jörigleit be« ©arten« 
mit bem ©efängnifjarunbflücf ift niebt genügenb feftgeftcilt. Süie ^nftanjridjter 
Ijaben nur tjernorgeboben, baß ber ©arten Dem 3ufti$ft«fu« gehört. S)afj ber* 
felbe §u bem ©efängni&grunbfrücf gehört, ift nid)t mit l;inreiä)enber 23cutlid)fett 
feftgeftellt; nod) weniger aber erhellt, bafi ber ^nbaber be« ©efängnifigrunb> 
ftttcf« äugleia) änljaber be« ©arten« mar, bie £anblung be« 2lngeflagten — ba« 
betreten be« ©arten« — alfo ben £au«fricben bc« ©rftcren ftörte. 



§. 173. 6t. (F. B. Hicbtetlöfdjen ber Qlffinität jaufeben üerfdwäaerten 
bura) Sluflöfung ber öiefelbc bearünbenben (ErjcC ,fortbaucr ber @traf- 
barteit bes Beifcblafs j»ifd)en bcrfd)it)ttgertcn in biefem Jalle. 

@rt. be« III. Straffen, v. 7. 2Ipril 1880 c/a. 2lm«^ein, roobura) auf 
3uriicfoerroeifung ber SReoifion erfannt roorben ift. 

(ßatfwrina 2lm«f)ein, bie oerrotttrocte Stiefmutter be« 2Billjclm 2lm«bcin, 
batte mit lefcterem ben Jöcifdflaf öou>gen, unb waren beibc bemjufolge beftraft 
roorben.) 

© r ü n b e. 

$ie behauptete 2*crlcfeung bc« Straf gefefce« liegt nidjt oor. 9lad) §. 173. 
be« St. ©. 33. roirb ber 33cifd)laf jrotfdjen $crfcbroäaerten in auf* unb obfieigenber 
iiinie mit ©efängnifj bi« ju jroet 3«b r ttt beftraft: oie gegen bie 2lngef tagten er* 
kannten Strafen liegen innerhalb biefe« Straf ma|e«, §. 173. ift alfo nietjt burd) 
bie Strafjumcffung oerlefct. 6« ift audj nidjt burdj feine 2lnrocnbung t>er* 
lefet. Sie ©cfdjlcebtögemcinfdmft ber (Regatten fcbliefet bie 9Jtögltd)feit einer 
gefa)Ied)tlia)en Sierbinbung jroifdjen bem einen ©begatten unb ben leiblichen 
tfinbern be« anberen ©begatten für ba« fittlicbe ©efüljl auf immer au«. 

S)e«ljalb f)at a ud) öon jc^cr bie Stiefnerroanbtfcbaft ein bauernbe« ©be 
Ijinbernijj jmifd)en ben bezeichneten Stterfonen gebilbet — §§. G., 7. J. de nuptiis 
(1. 10.) can. 1. caus. 35. qu. 10. yteid)«*®. u. 6. gebr. 1875 §. 33. — 3n 
ben angejogenen Stellen ber 3ted)t«quettcn wirb auSbrücflid) hen>orgef)oben: 
cinerfeit«, bafe ba« ©ljcl)inbernifj in bem bezeichneten $alle überhaupt erft in 
A-rage Eommen fann, nadjbem bie ©l;c, roeldje ba« 2lffimtät«ücrl)ältni§ begrünbet 
bat, aufgelöft ift, anbererfeit«, bafj in biefer 2Je3icI;ung bie Affinität burd) ben 
%ob be« einen ©Regatten niebt erlöfcbe. 

5Hun beruht bie ftttlidje 3lnfchauung, meldte bie aufeerehcliebe ©eidjlcdjt«« 
gemeinfe^aft jroifcben Stiefoater unb Stieftocbtcr ober äraifc^en Stiefmutter unb 
Sticffolm al« fünb^aft anfielt, unb ba« @e|efc, meiere« fie unter Strafe ftcüt, 
auf bemfelbcn ©runbe. 2Benn fiaj bie SBertfeibigung bem gegenüber barauf 
beruft, ba| bie Affinität bura) bie Slufföfung ber ©he erlöse, bureb meiere fie 
begrünbet rourbe, fo ift biefe 2lnftdjt in ber ^ter fragliajen SBejiefnmg fo tm* 
ridjtig roie bejüglid) be« ©bcoerbot«. ©anj nerfeblt ift bie S3egrünbung, roeldje 
bie 9teoifton«fd)nft für biefe 2lnfta)t au« ber oerfdnebenen Sejei$nung entnehmen 
will, meiere ba« a5ern)anbtfa;aft«ncrl)ältnife in §. 17;'). bc« bcutfa)en St. ©. *B. 
unb §. 141. bc« preufe. St. ©. 58. gefunben Ijat. 9kch §. 141. bc« preufe. St. ©. 53. 
mar mit Strafe belegt bieUnjucbt jroiicben Sdbroiegercltern unb Scbroicgcr' 
finbern, jroifcben Stiefeltern unb Stieffinocrn; burd) §. 173. be« beutfeben 
St. ©. 33. ift unter Strafe geftettt ber «cifdjlaf jungen 35erfd;u)ägerten auf* 



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S)eutfd>cS 6trofre*t «ttemitroffc be« Nei<Wgerk$t8. 299 

unb abftetgenber Shtic. Somit ift bcr X^atbeftanb bezüglich bcr ^erfonen er- 
weitert, inbem auch bie weiteren Süfcenbcnten unb Seicenbenten hereingezogen 
fmb; bezüglich ber Sauer be« fä)roägerfa;aftlia>en SSerhältmffe« ift aber eine 
SIenberung nicht eingetreten. 



& 288. @t. <B. 8. gur 2lnn>en&ung 6es §. 288. et. <B. 8. genügt 
6te '2lbfiü)t t ourd) Deräu^erung 6er Dermögenabejtantobcile biefe 6er 
Sroangsoollftrecfung 5U ent$ieben; nicht erforderlich ift dagegen öie 
^IbjldVt, 6ic Befriedigung Oes (Erefutionsfudjere überhaupt ju vereiteln. 

©ntfdj. be« L «Straffen, t>. 8. Slpril 1880 c/a. ©logauer, moburcr) auf 
3urüdfroeifung ber 9tichtigfeit«befchmerbe erfannt roorben ift. 

© r ü n b c. 

Unrichtige 2lnroenbung be« §. 288. be« ©t. @. 8. wirb barau« hergeleitet, 
bafe ba« Dbertanbe«gericht red)t«irrthnmlich bie oom ©efefc erforberte 2lbftd)t 
be« Schuldner«, bie öefrtebigung be« ©täubiger« ju oereiteln, fchon burch 
bie 2lbfuht, bie brohenbe 3roang«üollftrecfung in beftimmte &ermögen«ftücfe 
$u oereiteln al« erfüllt anfefje. 

3n biefer Sejiehung beruht bie fteftftettung: 

„bau bcr Slngeflagte am 3. San. 1H78 ju Kempen bei ber tym au« 
einem — gegen tön ergangenen — 3öcd)f elerfenntmfe oom 12. ÜÖtarj 1877 
— feiten« be« 2. — brohenben 3n)ang«noD[firecfung in ber 2lbficf)t, bie 
Sefricbigung be« ©laubiger« £. ju Bereitete, fein 3Jcobiliar, alfo 83e- 
ftanbt^eilc feine« Vermögen«, oeräufcert habe," 
auf ber ü)atfächlichcn Unterlage, bafc mr 3eit biefer SBeräufjerung Steaellagter 
oon ber beantragten (srefution £enntni§ erhalten, unmittelbar oor bem uierfaufe 
be« 3Jiobiltar« f gegen welche«, wie er mußte, bie bereit« eingeleitete 3ro<mg«' 
ooUftrecfung ficb sunäcbft rieten mürbe, von bem beoollmächtig,ten fi.'fchen 
Sdnotegerfohn 91. unter jpinroeifung auf bie burch biefe« Mobiliar gemährte 
Sicherheit eine 3^hlung«frift oon einigen Sagen erroirft, trofcbem aber ba« 
Mobiliar fürs barauf an einen ©ritten oerfauft unb bamit bie 2tbficf)t Eunb 
gegeben f>abe, biefen 3krmögen«beftanbtbeil bem <Srefution«antrage bc« & ju 
entziehen unb bie Stefriebigung be« ©läubtger« au« ihm ju oereiteln. 

Sa« angefochtene Urteil roetft fobann ba« ©ehufcoorbrütgen be« Sin- 

Seflaaten, er fei bamal« nicht oölltg zahlungsunfähig gemefen unb ^abe nicht 
eabfichtigt, ben & um feine ftorberung ju bringen, burch bie (Srtuägung ob, bafc 
jum ^hotbeftanbe be« »ergehen« au« §. 288. be« 6t. ©. 83. bie Wicht, ben 
@rehition«fucher ju benachteiligen unb beffen ©efriebtgung überhaupt >u oer* 
eiteln nicht erforberlich, oielmehr bie Slbficht genügenb fei, burch SBeräufeerung 
ber $ermögen«beftanbtheile biefe ber 3roang«üoUftrecfung ju entziehen unb bie 
burch fie crflrcbte Scfriebigung ju oereiteln, lehnt be«lmlb auch einen com an- 
gesagten angebotenen Sercci« be« Vorhaben«, fein ©runbftücf au« freier ßanb 
ju oerfaufen unb alle feine ©laubiger su beliebigen, al« für ben ihö^ c ft anD 
bebeutung«lo« ab. 

Sie % ift unbegrünbet. 

§. 288. bejroecft — nach Vorgang mehrerer früherer beutfehen Sanbe«' 
gefe^c — ber Söortfaffung unb ben aJlotioen jufolge, burch ©trafbrohung 
Unternehmungen bö«roiHiger ©chutbner ju Innoern, melche barauf jielen, bie 
mittel« einer in 2lu«ficht genommenen 6pejialerefution angeftrebte Sefrie* 
bigung einselner roachfamer ©laubiger bura) S3efeittgung non (§refution«gegen- 
ftänben ju oereiteln. 

20* 



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300 2>cutfd>«8 ©trafrcdit. ertemttmftc m «eid)Sfleri*t8. 



3)a3 angefochtene Urteil bat in öetraebtung biefcS mafjgebenben ©eftcbt&' 
punfteS bie tytxnaä) bureb §. 288. bc§ St. ©. 8. erforberte 2tbficbt bc£ 
5ilngeflngtcn in üöllig sutreffenber Söeife als uorbanben angenommen. 

Seic Scbui&fcftftcUung, bem lerte bcS ©efefce« ftcb anfcblie&enb unb 
formell ben X^atbeftanb erfd^öpfenb, läjjt ba^er eine recbt3irrthümlicr)e Sluffaffung 
überall md)t erfchen, rechtfertigt oielmehr bte erfolgte Schulbigfprediung. 

§. 283. rtr. 2. et. <B. B. §. 210. K. ttonf. (D. Tlotlsbücber, »eiche 
nur bie (BrunMage für Me (Eintragung in bie tjanbetebücber enthalten, 
gelten nicht als Ijanbelebücber im Sinne bce §. 285. @t. <B. ö. 

©ntfd). bcS II. ©traffen. r». 9. Stpril 1880 c/a. Sange, rooburd) bic 
9teoifion 3urücfgennefen roorben ift. 

© r ü n b e. 

$cr 2lngeflagte erblicft eine un^tätfige 3k»"cbränfung fetner 33ertbetbigung 
barin, bafi ber Antrag auf ßinforberung feiner 9totijbücber, roeld)e nach feiner 
Sclmuptung einen uorjüa. lieben 9ladm)ete über fein Hermögen gewähren f ollen, 
uom erften Siebter beSt)alb abgelehnt roorben fei, weil SNotiabficber feine §anbcB* 
bücber im Sinne ber 9lrt. 28. unb 32. bcS £. ©. 33. feien. $er Slngeflagtc 
bält lebteren ©runb für unjuretcbenb, weil bie Drbnungämäfjtgfeit ber öud> 
fübrung jroat für ben Stiebtet bann in Hetracbt fomme, roenri eö ftet) barum 
l;anbele, roclcbc ©laubroürbigfett btefen 33üd)crn beijumeffen fei, ber Straf* 
ridjtcr aber bie Drbnungsmä&igfeit ber bücber nur nad; ber Dichtung bin t ut 
prüfen r>abe, ob fie bie ftorberung beS §. 283. 2lbf. 2. unb 3. erfüllen. SlUein 
eine berartige Untcrfdjcibung ift bem ©efefcc fremb. Söcnn ber §. 283. bc£ 
St. ®. 33., bejm. jefct ber §.210. ber 9t. ftonf. D. ben ßaufleuten, welche ihre 
3atjlungen eingeteilt haben, eine Strafe roegen einfachen 3Janferutt3 anbrobt, 
wenn fie $anbelÄbücbcr ju füt)ren untcrlaffcn haben, beren Rührung ibnen 
gefc&licb oblag, ober fie unorbcntlia) geführt haben, bafj fie feine Ueberficbt 
ihres Herrn ögcnSjujtanbcS gewähren, fo fann ber $tnwet$ auf bie gefefcltcbe 
Herpflicbtung jur Rührung oem £anbel3bücbem nur auf bie beifälligen Hör' 
fdjriftcn bei ©. 33. bejogen werben. Unter §anbcl£bftd}ern im §. 283. 9tr. 2. 
bei St. ©. 33. finb bal)er auch nur folebe Hücker ju oerfteben, roie fie baS 
Sq. ©. 33. im 2lrt. 28. unb 32. im Sluge bat. 3)a& aber 9toti$bücber, welche nur 
bic ©runblage für bic (Eintragungen in bic viaubelSbücber entbalten, nicht als 
£>anbelSbücbcr im Sinne bc« §. ©. 33. anjufeben finb, ifi uom erften Siebter 
SUtrcffcnb ausgeführt unb be3t;atb mit Stecht bie beantragte 33eroeteert)ebung 
abgelehnt. 

§§. 218. 2lbf. 3 M 219. 6t.<B.B. Die Oinwenbung bee §. 219. 6t. (F. IV 
fefct nid)t »orau«, 6a^ bie 6d)roangere als Crjäterin ober (Bebülfin 
für fcbulbtg ertannt ift. 

entfeb. be« III. Straffen, u. 10. 2lpril 1880 c/a. Steffen, rooburdb auf 
3urttdroeifung ber s Jteoifton erfannt roorben ift. 

© r ü n b c. 

2)ie Steuifton ber SJlitangefl. St. beantragt bie 2tuft)cbung beS oorigen 
UrtbcibS megen Hcrlefcung bei Strafgefcöeg unb bie greifpreebung ber Söeidnoerbe' 
fürjrcrin. 2)cr 2lntrag roirb barauf geftti^t, baü bic Ücfetere au« bem §. 219. 
bc$ St. ®. 8. atö ^bätcrin ucrurtl)eilt morben fei. ungeachtet bic ©efdnüorenen 
bie ^rage nad) ber Xhätcrfcbaft ber Slngcfl. 3-, oeren Scibeöfrucht abgetrieben 
fei, oerneint hätten. 



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2>cutfäe8 ©trafre^t. (Jrtcnntniflc fcd «eu^fleri^tS. 301 

Ucbcr bcn Sinn be« §. 219. baf., reeller burdfj feine Raffung ju oer* 
febiebenen Auslegungen Anlafj gegeben, bat ba« 9teidfj«gcricht in ber Seflicfning 
bereit« eine (Sntfd&eibunq abgegeben, ba& bte 2öorte: 

„wer einer ©d;roangeren, weld;e ihre £eibe«frucht abgetrieben ober 
getöbtet bat", 

bic öebeutung haben, ba§, um bcn Paragraphen in Anwenbung flu bringen, bei 
ber ©ehwangeren ber Erfolg ber Abtreibung ober Söbtung eingetreten fein müjfe 
(ogl. Urteil be« I. Straffen, oom 9. gebr. 1880 gegen ©$. unb ©enoffen), 
bafä bagegen, wenn biefer Grfolg nicht eingetreten, fein au« biefem Paragraphen 
firaf barer Serfua) angenommen werben bürfc, fonbem bie ^Beurteilung oer 

tanblung be« dritten nach §. 218. einjutreten habe, ©iefe Vorausfcöung ber 
nwenbung be« §. 219., ba§ ber Grfolg crrcid)t fei, ift im gegenwärtigen galt 
oorljanben. 

©ie flitirten Söortc be« Paragraphen führen aber auf bie weitere ftragc, 
ob berGrfola burdf) bie ©djjwangere felbft al«£f)ätertn herbeigeführt fein 
muffe, eine 3$orauSfetmng, bic nad) bem ©prua^e ber ©cfdfnoorcncn im gegen* 
roärtigcn galt nicht oorlicgen mürbe, ©iefe 3*age mufe, ungeachtet ber äöort* 
faffung be« ©efefcc«, oemeint werben. 

©er Abf. 3. be« §. 218. bebroht benjenigen dritten, welcher mit Gin* 
roiHigung ber ©ehwangeren bte Littel äitr Abtreibung ober Xöbtung bei iljr 
angewanbt ober ihr beigebracht hat; bie ^fjäterfc^aft ober TOtbätcrfchaft ber 
©cpwangeren ifi \)kx nicht bie Sßorbcbingung ber ©trafbarfeit be« dritten, 
fonbem e« ifi bie £anblung be« fieberen, bie jtdb nach bem aHaemeinen Xfyiii 
be« ©trafgefefcbuch« mcijien« al« Seihülfe jur fyai eine« Ankern barfielfcn 
mürbe, }u einem felbftftänbigen Verbrechen gemacht, unb ber ©ritte auch bann 
3U firafen, wenn fich bie ©chwangere blofj bulbenb »erhielt, ober wenn ftc au« 
befonberen ©rünben, j. 23. weil ihre freie SBillenöbefrimmung au$gefa}loffen war, 
nicht im frrafrcchtlieben ©innc für fchulbig ber St^ätcvfc^aft angefehen werben fann. 

3n biefer Vefltebung für ben galt be« §. 219. eine Abweichung eintreten 
$u laffen, war nicht bie Abfi^t be« ©efefcgeber«. ©a« preufjifcbe ©efcfclmd) 
(§. 181.) hatte ba« §anbeln be« ©ritten gegen Entgelt unb ohne Entgelt nicht 
geforbert. ©ie3Jiotioe jum jefngen ©trafgefcfcbuch fprechen au«, bafe ber §. 219. 
e« bei ber ©etheiligung ©rttter al« einen befonber« firafmürbigen $aH beroor* 
heben wolle, wenn ber ©ritte bic §anblung gegen Entgelt begangen hat; fie 
fagen ferner, bafi für biefen %ctt ber ^Imtbcttanb be« §. 218. Abf. 3. nur nach 
einer anbern Stiftung hin oeränbert werben folle, unb jwar bilbet biefc 35er* 
änberung feine (Sinfcbränfung, fonbern eine ©rweiterung gegenüber bem prcujjtfcben 
©efefcbucb, welche aber oon bem Verhalten ber ©ehwangeren oöHig unabhängig 
ifi: nicht blofe berjenige ©ritte, welcher bie 2Jtittel anwanbte ober beibrachte, 
fonbern auch berjenige, welcher fie nur oerfchaffte, foU, weil er gegen ©ntgelt 
hanbelte, ber ©träfe be« §. 219. unterliegen. 

©ie 9Jtotioe erflären ferner, bafc ber §. 219. nicht anber« mr Anwenbung 
gebracht werben foll, al« wenn bic Abtreibung ober Xöbtung wirtlich erreicht ifi. 
©iefer öefrimmung entfpridjt bte oben citirte (Sntfcbetbung. Aber auch hierin liegt 
feine Abänberung be« in §. 218. Abf. 3. oorau«gefe£ten £f)atbcftanbe«; auch 
wenn ber ©ritte ohne ©ntgclt hanbelte, fann er au« §. 218. Abf. 3. nur bann 
gejiraft werben, wenn ber erftrebte ©rfolg eingetreten ifi; ifi er nicht eingetreten, 
fo fann ber ©ritte nur in fo fern jur ©träfe gesogen werben, al« feine 
^anblung ftd) nach bcn allgemeinen ©runbfäfcen al« eine Art ber 2bcM na hroe 
flu bem in §. 218. Abf. 1. bebrohten Verbrechen ber ©ehwangeren fclbft auf* 
faffen laßt. 

Um biefe« bei bem §. 219. befümmt hetoorjuheben, finb jene freilich nicht 
genau abgemeffenen äöorte gebraucht: „wer einer ©ehwangeren, welche ihre 
grua)t abgetrieben ober getöbtet hat", ©ie 3Rotioe fagen barüber, bajj bie 



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302 SXutföe« 2>trafred)t Crrtenntitifie beS Wei$äfleri*t$. 

VorauSfefcung bcr Sefirafung auch in bera quatiftjirtcn ftaU beS §. 219., alfo 
eben fo wie in bent %aU beS §. 218. 2lbf. 3., bic fei, ba| bie Abtreibung ober 
Xobtung burch bie oerfchafften, angewandten ober beigebrachten Littel erfolgt 
fei. ÜRur unter biefer VorauSfcfcung fottte alfo bie &anblung beS dritten, mag 
fte unentgeltlich ober gegen Entgelt oorgenoraraen fein, als ein befonbereS felbfi* 
ftänbigeS Verbrechen beganbelt werben. 

liefen ©ebanfen beS ©efefceS, wonach aus ben fällen beS §. 218. 2tbf 3. 
ein %aU. qualtfötrt mit bcr ermähnten Erweiterung herausgehoben werben 
foüte, mürbe man oerfeblen, menn man im ©egenfafce ju §. 218. 2lbf. 3. unb 
beffen ^h^efan 0 einfehränfenb, bei bem §. 219. bie fcheinbar burch ben 
Sortlaut gegebene VorauSfejjung f orbern wollte, bafj bie Schwangere als 
£f)cüerin gef}anbelt fyabtn unb ftrafbar fein mtiffe, unb wenn man mit bcr 
9teoifionSfehrift baS Verbrechen beS dritten, wenn objeftio ber (Srfolg ein» 
getreten ift, nicht als ein felbftfiänbigeS SJelift, fonbern als blofee Vetyülfc ju 
einer Xfyat ber Schwangeren behanbeln wollte, ^ft es aber »om ©eicfc nicht 
als eine berartige blofee Seihülfe aufgefaßt, fo fehlt jugleich bie formelle juriftifehc 
Veranlaffung, es in ber Strafbarfeit oon bcr Schulb unb bcr SCf>ätcrfdt>aft bcr 
Schwangeren abhängig ju machen. 2tlS fclbftfiänbtacS S)clift läfjt cS anberer* 
feitS, wie jebcS fetbftjtänbige Verbrechen, wieberum Sic oerfchiebenen Arten bcr 
£heilnafime Anberer, aud; ber Schwangeren, ju. 

SBenn baher baS angefochtene Urtheil, bem Spruche bcr ©cfchworcncn 
aemäfe, bic Vcfchwerbcführerin als Shäteri" auS §. 219. beftrafte, ungeachtet 
Die ^fjäterfchaft ber 3- au3 §• 218. oerneint war, unb wenn eS gegen bic 
bie Strafe ber Veiljülfe su ber Xfyat ber Sefchwcrbeführcrin auSfprach, fo ifk 
weber in erftcrer, noch in lefcterer Vejichung ein 9ic$t£irrtyum erfichtlich. 
SDemnach war, wie gefcherjen, ju ernennen, unb über bie Äoften biefer ^nftanj 
nach §. 505. ber St. ^ßroj. 0. Anorbnung §u treffen. 



§. 286. @t. (F. B. Das Anbieten oon Coofen an etnseinc JJnbirnbucn 
in Deren prroaträumen Tann ficg ate öffentliche Dcranjtaltung einer 
Cottcrie ober 2lu»fpielung im @inne be* §. 2S6. et. (B. 8. bar* 
ftellen. Die Dollenbung *bes Deltfts jinöct burch fiunbgcbung öes 
giebungeplanee unb Cooeojfcrte jratt. 

entfeh- beS I. Straffen, o. 12. April 1880 c/a. Raxl 
S)cr Angcflagte hatte in oerfchiebenen Drtfchaften in ^rioatbäufern Soofc 
ä 50 $f. jur AuSfpietung einer Uhr nebft einem oon ihm gefd)ni&ten §ol,^ 
gehäufe auSgeboten, unb jwar follten nach bent feinerfeits mitgethcilten $Ian 
90 berartige £oofe an ber Lotterie theilnchmen. (SS war ihm gelungen, mehrere 
berartige üioofe unterzubringen, bis er poltjeiltcherfeits an ber $ortfefcung beS 
SooSocrtricbeS gehinbert würbe. 2luf ©runb beS §. 286. St. ©. angeflagt, 
warb Ä. com Sanbgericht freigefprochen. hiergegen legte bic St. X. bie 
SReoifton ein, unb iourbc biefelbe unter Aufhebung ber Vorcntfcheibung unb 
3urücfoerwcifung ber Sache für begrünbet erachtet. 

© r ü n b e. 

5)aS angefochtene Urtheil giebt bafür, warum bie für erwiefen erfannte 
Xfyat nicht für ftrafbar erachtet worben, einen jweifachen ®runb an, einmal, 
bafe nicht eine öffentlich oeranftaltctc SluSfpiclung einer beweglichen Sache im 
Sinne beS §. 286. beS St. ®. ©. anzunehmen, unb fobann, baf? bic AuSfpielung 
mangels ber ©ewinnjiehung nicht oollcnbet fei. Vcibe felbftftänbig bie frei' 
fprcdjcnbc Gntfchcibung tragenbe ©rünbc finb oon ber StaatSanwaltfchaft als 
Verlegung beS ©efc^ bc3eia)net, unb in beiber .fnnficht ift bie 9teoifton begrünbet. 



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SeutfcfjeS ©ttaftet^t ©rtenntniffe fccS SReicfySflCTicfitS. 303 

2)aS ©eriäjt ooriger ^nftanj ift bei ber tfiatfä<$U$en fteftftettung, ba| im 
oorliegenben %a\lc bie 2luSfpieIung feine öffentlich neranfialtete fei, oon einem 
recbtSirrthümlichen Sßerftänbnifj beS SBegrtffSmerfmatS „öffentlich" ausgegangen. 
SDer Segriff beS Dcffentltdjcn ifi roie im gemeinen fieben, fo aud> im ©t. @. 33. 
ein fehr mannigfacher. Söäljrcnb er einerseits in einer 33e$icl;ung jum Staate 
ober einer potitifdjen Korporation ju finben ift (öffentliche 2lemter, öffentliche 
2ßah^"r öffentliches ßtgenthum, §§. 31., 33., 132., 361. 7 unb 370. "•*•)» be- 
beutet er anbererfeits überhaupt baS faftifche Vcrhältnifj menfchltchen 3utammen- 
leben« (öffentlicher triebe, öffentliche Meinung, öffentlicher Verfauf, öffentlicher 
3roecf, 126., 130.*-, 187., 324., 317., 320., 250. 3 -, 360. 14 -, 365., 285., 
366. 3 ' 6 - 8 • 9 - 10 -, 367. 12 -) unb roieber anbererfeits lebigtich bte Beziehung auf eine 
üDJchrfjeit r-on ^erfonen, fei es, bajj eine $anblung fich gegen eine fofehe richtet 
(cor einer SHenfchcnmengc, §§. 85., 110., 111., 130.*-), fei es, bafj fie oon 
mehreren wahrgenommen roirb (§§. 183., 186., 187., 200., 360. 13 -), ober fei es, 
bafj fie bie SBetljeiltgung anberer ermöglicht (§§. 115., 124., 125.). (SS ift baficr 
untunlich, roie norliegenb mit ftcranjiehung beS §. 183. gefegehen, aus ber 
fpejiellen Scbeutung in einem ©efe&eSparagrapben 6d)lüffe auf einen gleich* 
finnigen ©ebraudj in einer anberen Strafbeftimmung ju jiehen. 3)aS 6(mrafte> 
riftifche beS SluSbrucfS fann uielmehr nur in jebem ©iitjelfaue aus 3 u f ami " en * 
hang unb 3roecf ber betreff enben Straf fafcung entnommen roerben. %m §. 286. 
beS 6t. ©. fann als ber legislatorifche ©runb für baS unter (Strafe geffctftc 
Verbot fein anberer gcbaajt roerben, als bafj bie §anblung, roelche in finanzieller 
ober poliseilicber §inficht in bie obrigfettlichcn 3 u ftänbigfeiten eingreift, bie 
(Spicttuft anberer anregt unb bejro. ausbeutet. Söllig gleichgültig ift eS ba* 
gegen für ben 5£^atbcftanb beS MiftS, ob bie £anblung oon anberen wahr- 
genommen roirb, ober ob bie ©e ia mmt he it eines ÄreifeS tjon 3Jcenfdben 
baoon berührt roirb. $ür bie Strafbarfeit ber Veranftaltung einer Sotterie 
unter einer Slnjahl beliebiger unbeftimmter ^erfonen ifi es ohne S3ebeutung, 
ob bicfelbe burdj Slnfcblag ober öffentliche Starter bem (Sü^elnen jur Äunbe 
gebracht roirb, ober ob baS Unternehmen benfelbcn bcfonberS münblich ober 
Schriftlich jur Äenntnifj fommt. 2luch im lefetem ftalle ift eS „bem großen 
spubtifum zugänglich gemacht", fobalb bie JEunomachung unb Offerte $ur xheil- 
naljmc fich au f e ^c n beftimmten burch eine 3ftbimbualbesiehung beS S3erufcS, 
ber persönlichen Vefanntfchaft, gemeinfamer ^ntereffen, Verbinbung u. a. ähn- 
licher Begrenzungen feft abgefdjloffenen ßrciS befchränft. 3)iefer aus ber ©cfcfceS' 
befiimmung felbft fich ergebenben Auslegung entfpridjt auch biejenige, roelche 
gleichartige formen in anberen ©efefegebungen gefunben fmben, fo beruhte ber 
wörtlich gleichlautenbe §. 268. beS ehemaligen preufc. St. ®. 33. auf auSbrücf- 
liehe 3lncrfennung in ber ©efefcgebung, bafj als Unternehmen öffentlicher som 
Staate nicht genehmigter Sottcrien ( 2ll!g. fianbr. 3JL IL Sit. 20. §§. 248., 249.), 
rooju auch ohne auSbrücflichc ©enchmigung beS Staates errichtete ©lücfSbubcn 
unb SBeranftaltungcn öffentlicher äuSfpictungen gerechnet mürben (Vcrorbn. oom 
7. 3)ej. 1816, ®. S. 1817, S. 4 §. 4.), jufolge Mlaration beS UntcrfchiebS ber 
öffentlichen »on ^rioatauSfpielungcn {St. 0. u. 20. 3ßärj 1827, ®. S. S. 29) 
folche nicht ju betrachten feien, roelche in ^rioatjirfeln $um 3roccf eines gefelligen 
Vergnügens ober ber 3)tilbthatigfcit, ober behufs Sertoofung gcmeinfchaftU(|er 
Sachen »orgenommen roerben. 

S)a baS Urtheil beS SanbgcridjtS niebt feflftettt, ob unb roeldje S3ejiehung 
jroifcben ben Stbnehmcrn ber Soofe unb bem Singet tagten ctroa bcflanben, fo 
genügt bie Shatfactfe, bafe ber ledere fidt) mit bem Slnbicten ber Soofe nur an 
einjelncn ^nbünbuen in beren ^rioaträumen geroenbet, beren SluSroahl ihm frei 
ftanb, nicht, um baS SegrtffSmcrfmal ber öffentlichen SluSfpiclung ju oemeinen. 

2)as Verbot richtet ftd) ferner gegen bie Veranftaltung ber fiotterien 
ober SluSfpielung, unb roenn auch ju ber Sottetie ober 2luSfpielung neben 



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304 $cutfd)c8 ©ttafrt^t (Srtcraitnifie tocS HcidbSgeri$t«. 

> 

ber Gntmerfung be$ $lane$ unb bem 2lbfafc bcr Soofe bic ©eroinnaiebung mit 
gehört, fo crforbert bod) ba3 33 er auf; alten mäu, baf? ba$ Unternehmen ,;u 
©tanbe gefommen, bejto. ju (Snbe geführt fei, fonbern liegt fd&on bann »or, 
wenn ber 3ictynng3plan anbern funbgegeben unb bie £f)ciina(jme an bem Unter» 
nehmen burd) (Srroerb eine« 3tnred)t§ auf cucntueHen ©ciuinu angeboten toorben, 
xoaä alle« uad) bcm Urteil I. ^nftanj I»« zutrifft. $a§ bie 3w^ung burdfc 
bnS S)a3roi^entrctcn ber ©enbarmerte gebinbert, bcjtetyentlidfj in golge beffen 
oon ber Unterbringung fämmtlidfjer planmäßiger Soofe abgeftanben ift, tjebt 
ben Xtjatbeftanb beS §. 286. be« 8t. ©. nid&t auf. 

§. 43. @t <B. B. ©trafbarfeit bee Derfuä)8 tro^ bcr Benutzung abfolut 
untauglidjer mittel $ur Herbeiführung bee beabftebtigten aber niebt 
eingetretenen Erfolges.*) 

^lenarentfd^. b. fombimrten ©troffen, o. 24. üflat 1880 c/a. ©onntag, 
roobura) bic 9teotfton oerroorfen toorben tft. 

© r ü n b e. 

$>a3 angefochtene Urteil beS £anbgerid£)ts Imt fefigeftellt, bafe bic Sin* 
gefragte 6. ben (5ntfdf)luB, baS Serbrecben bcr 2lbtreibung ju oerüben, burdj 
£anbtungen, roeldje einen Anfang ber Aus&fübrung btefeä SerbrecbenÄ enthalten, 
betbättgt fjat, inbem fic toäfjrenb ibrer ©d&roangerfdbaft ju bem Qmdi, ^ rc 
fieioe^fruajt abzutreiben, mebrmate eine tyr oon bem 9Jlitangefl. 6. jugeftcUte 
bittere, buntelfarbige ^lüfftgfctt, roetdjc fie zur fterbeifübrung be$ oeabfiebtigten 
(SrfolgS für geeignet ^iclt, ju jid) itamn, unb bafc bcr Angefl. fo. bie Angcfl. ©. 
mt Scge^ung be3 Verbrechens bcr Abtreibung baburd^ oorfä^Ua) beflimmt bat, 
bafj er tyr, toäbrenb fic r roic er wufjte, fdjroanger mar, mehrmals eine ^lüfftgfeit, 
roeld)c er zur Abtreibung bcr SeibeSfrud&t für geeignet dielt, juftcütc unb fie 
überrebetc, biefelbe jur Grrciäjung biefeS 3 roc "^ einzunehmen; unb bat auf 
©runb biefer Sfjatfad&en, unb toeil baS angeroenbetc Mtel bic beabfid&tigte 
SBtrfung niebt gehabt, alfo baS bcabfiajtigtc $erbredf)en niebt zur Menbuug 
gefommen, bic Serurtbcilung ber SlngefL ©. roegen SBerfucbS bcr Abtreibung 
ber £cibc£frud)t im ©innc bcr §§. 218. unb 43. be« ©t. ©. bic beS An* 
gefragten wegen Anftiftung zu biefem Verbrechen im ©inne beS §. 48. beS 
©t. ©. 8. erfannt. 

Seibe Angefragten festen biefc Verurteilung megen Verlegung ber 
^orfd^riften bc« ©t. ($. 53. über ben SSerfud^ an; fie grünben bie gegen baS 
UrtljciX eingelegte Sleuifion auf ben in bemfelben entbaltenen Sludfprudb, bafe 
niebt erioiefen fei, ob baS angeroenbete Littel, rocl(^e5 bie bcabfid^tigte 9Birtung 
nid^t gehabt, überbaupt ben beabfidfjtigten 3 ro ccf ju erfüllen geeignet geroefen, 
unb finben in bcr glcidfjmofyl erfolgten 2lnmenbung be« ©cfefoeS einen 93erftofe 
aegen bie 9tc<$t8norm, bafe ber ^Jerfud^ mit abfolut untauglichen aJlitteln 
ftraflo« fei. 

Da bic als unriebtigerroeife nid^t angemenbet bejcicbnctc 9ledbt«norm 
bireft im ©t. ©. 23. niebt aufgeftcllt ift, unb bic ©trafloft'gfcit be« SSerfucbä, 
roenn biefer oljnc StcebtSirrt^um feftgcftcllt morben, auf ben angegebenen ©runb 
bin ausS §. 46. be£ ©t. ©. S. niebt herzuleiten ift, fo !ann bie $rage nur bic 
fein, ob aus bcm Segriffe be$ (ftrafbaren) 2Jcrfud)3, mic ibn bcr §. 43. bcö 
©t. @. S. giebt, ber gebadete 9lecbtöfa^ als beftebenb ju entnebmen ift. 

SDie SBeantioortung biefer ^rage böngt junäcbft oon bcr Auslegung ber 
3Bortc bcS ©efe^eS ab, ba& jur ©trafbarfeit bcS 3icrfua)3 eine Set^ätigung beä 



•) ©ne Äririt tiefer $lenarentfcfKibun;i t>on tem ^errn «. Dr. jar. ^. 5obn ju 
£>alle »erben rcir im 5. §eft 3um «bbrutf bringen. 2). «. 



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$<utf$e3 etwftedjt (Srtwntniffe fcc« 9W<$*geri$tS. 305 



©ntfdjluffeS, ba« ©erbrechen au begeben, burdfj £anblungen gebore, roeld&e einen 
Anfang her 2lu«fübrung biefe« SBerored&en« enthalten. Die legten geführten 
Sßorte ftnb einer Doppelten 2tu«lcgung fä&tg unb baben aueb eine foldfje »er^ 
fd^tebene Auslegung gefunben. 2Ran bot fic tbctl« »on folgen föanblungcn 
»erftauben, roefd&e im ©tanbe ftnb, ben jur 2$ollenbung be« Scrbrcdjen« 
gebörenben (Srfolg b^tbeijufübren (Anfang ber SMenbung be« !öerbre<ben«), 
anbererfeit« »on folgen, roeld&e ber ^ätcr für geeignet \)&U, biefe Söirfung 
ju äu&ern (Anfang ber 2lu«fübrunq be« Zfyättzä). 

%üx bie ©ntfd&eibung, ob Da« 6t. @. 83. mit ben bereiten SBorten bie 
eine ober bie anbere biefer Stuffaffungen habe jum 2lu«brucf bangen motten, ift 
t& »on erheblichem SBcrtbe, bie (Sntftebung biefer SBortfaffung in'« 2lugc $u 
nehmen. Siefelbe ift nicht neu. 2lu« ber fran^öfifeben ©efefegebuna, berftammenb, 
bat fie in gleicher ober bod^ febr ä^nltd^er Söeife ©ingang in faft aflen frraf* 
redt)tlidjen Äobififationen im loufenben ftabrbunbert, »ornehmlidb aueb in benen 
Deutfcblanb« gefunben. Slucb ba bat fie ben gleiten 3roiefpalt ber SKeinungeu 
aur fjolge gebabt. @« tfl berfelbe ©egenfafc, welcher, roie bem ©efe|e«au«bru<f 
gegenüber, fo aud) in ber tbeoretifdjen ©egrünbung ber Straf6artcit be« 33er* 
fueb« au« recbtöpbilofopbifcbcn unb ftiminalpolttifdjen ©rünben feit bem ißeginn 
einer roiffenfcbaftlicben Äonftruftion ber ©runbbegriffe be« Strafrecbt« aufgetreten 
ifh 2115 ba« 6t. ©. SB. für ben norbbeutfd&en SÖunb entftanb, mar ber fted&t«* 
gebanfe »on ber 6trafbarteit be« in bie äußere ßrfebeinung getretenen »er* 
breeberifeben ©ntfdjluffe« obne 9tüdfid&t auf bie ÜNöglicbfeit feiner objeftioen 
a3crroirfltdt)ung in »erfchiebenen 3ftecbt«gcbieten Deutfcblanb« geltenbe« s Jiedt)t, er 
fanb ftd) mehrfach in ber bt«bcrigen ©e)e$gcbung »ertreten (»gl. 6trafgefefcbücbcr 
für Olbenburg 1814, Jpannooer 1840, Sa$fen*5ättenburg 1841), unb ^atte aud) 
trofc ber bem §. 43. beffelben entfpred&cnben Definition be« 3>crfucb« in einer 
9teibc non Strafgcfefebücbern 2fa«brucf aefunben (»gl. bie »on öraunftbioeig 
1840, $effen*$armftabt 1841, «Raffau 1849, ^ringen 1850, Äömgreicb 6acbfcn 
1855, gletdjroie S3abcn 1845). 6dfjon biefer Sachlage gegenüber läßt e« fieb 
nicht annehmen, bafc ba« jene ©efcjjgebungen erfe&enbe neue ©efc&bucb mit ber 
in Siebe flebenbcn Raffung biefe Streitfrage babe jum 2lu«trag bringen mögen. 
Äommt nun aber &tnju, bafe bie 2)totioe tum ©efcfcbud) au«brütfltcb auÄfprecben, 
bafj e« nidjt in ber 2lbfid)t liege, bie in mebreren Strafgefe&büd&ern unter* 
nommene Regelung ber Streitfrage, ob ober in mie weit ber Serfud) mit 
untauglichen Mitteln ober an untauglidjem Objeft fkafbar fei, aud) ^ier »or* 
annehmen, bann mufj man nad& bem SBortlaut be« ©efc^c« beibe 3lu«legungen 
für gleia^berca^tigt galten, unb fann au« ber 2lu«bru(f«roeife be« ©efe^e« eine 
(Sntfd&etbung au<| nidjt inbirett herleiten, fonbern mufe biefer Böffung be« 
Paragraphen bie Sebeutung für ben begriff ber 2lu«fübrung«hanblung oor* 
bcbalten. 

3ene entfa^eibung roirb »ielmebr gegenüber biefer Stellung bc« ©efe^ 
geber« ju ber ^rage über bie ©renjen ber 6trafbarfeit be« ^erfud[)« lebiglidf) 
au« ben inneren ©rünben für biefe 6trafbarteit überhaupt entnommen roerben 
Fönnen unb müffen, unb bie 9te»ifton fann nur bann ©rfolg baben, wenn bie 
Unridbtigfeit be« lanbgeridjtlidjen Urtbeil« au« ben bem §. 43. be« 6t. ©. $3. ju 
©runbe ju legenben flrafred^tlidden ^rinjipien, roie fie bie Söiffenfdjaft feftgcftellt 
bat, fid^ ergibt. Darüber nun fann fein 3roeifel auffommen, baB im Scrfucbe 
ber »erbredjerifdbe SCÖiüe biejenige (£rfa)einung ift, gegen roeldfje ba« 6trafgefetJ 
fieb ridjtet, im ©egenfa^ ju bem in ber SMenbung 31t Sage tretenben, au« 
bem »erbretberiftben SBillen bc r oo^9C9 a "Ö^en rca)t«roibrigen Erfolge. 2ln unb 
für fieb mürbe jebe SBejiebung auf bie Sollenbung al« ben ©egenfafe be« 35cr^ 
fua^« aufjer 31ü<f fid^t §u bleiben baben unb mebr niajt 3U »erlangen fein, al« 
ba& ber »erbred^crifa^e ©cbanfe fidb in äufeeren ^anblungcn funb gegeben b fl bc 
SlUcin roeil e« mana)e ^anblungen giebt, bie au« »erbrca)erifd;em (Sntfa)lu& 



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306 2>eutfd&e* ©trafre*t. Srteimtntffe be8 Wetd&Sfleric&t«. 

heroorgegangen, bod^ an fich fo roenig als ber ©ebanfe beS Verbrechens objeftio 
eine ©efahr für bie öffentliche 9techtSorbnung in ftd) tragen, unb weil ohne 
foldje ©efährbung ein Strafrecht nicht gegeben, fo oerlangt eine oiel oerbreitete 
fiefjre, bafj bie föanblungen, wenn fie als SBerfuch firafbar fein follen, in einem 
ßaufaloerhältnijj §ur Söotlenbung, in welcher biefe für jebe ©träfe not^joenbige 
©efährbung ober Verlegung beS 5Redt>t^ enthalten ift, flehen muffen. 3Gur foldjie 
ftanblungen follen firafbar fein, bie, wenn bie SoUenbung nict)t burd) felbftftänbige, 
oom SBiuen beS 33)äterS unabhängige Umftänbe gefjhtbert roorben wäre, bte 
SoHenbung mürben px ftolge gehabt ^aben. Sie SBiffenfd^aft $at baS Unbalt* 
bare biefer X^eorie überjeugenb nadtjgeroiefen. ®er Äaufatoufammenhang 
äroifchen einer öanblung unb bem burch biefelbe bcabftchttgten Erfolge ift niemal« 
burch baS S)afein ober fehlen eines einjelnen 3 ro ^ cnctc ^ m ff e)8 unbebingt 
gegeben ober aufgehoben, fonbern jebe* auf ben enblichen SuSgang Einflufe 
aujjernbe Eretgni§ ober SBcr^ältnife giebt ftetS als einzelner flaufalitätSfaftor 
nur eine gröfecre ober geringere ÜKöglid^feit ober SBabrfeheinlichfett beS ledern, 
niemals bie ©ewtfiheit feines Eintritts ober 9UchteintfittS. SDie ^teigebung ber 

Jcbe 3Jlöglichfeit einer SSoDenbung auSfchliefeenben föanblungen oon ber Straf* 
»arfeit als Serfudt) mürbe nicht bie Sefchränfung beS ftraf baren SerfuehS nur 
auf bie eine tljeilweife SSoUenbung enthaltcnben, roeil eS foldt)e rtidtjt giebt, fonbern 
bie Straftoftajett jebeS SöerfudhS jum 9tefultate fyaben. S)cnn faufal für ben 
Erfolg ift etne §anblung nie, menn ein Erfolg nidt)t eingetreten: ber -JUcht* 
eintritt $cigt eben, ba§ Tie nicht faufal mar. 2lber eS barf auch weiter gefagt 
roerben, bafc eS im 2tUgemeinen berartige öanblungen, bie unter allen Umftänben 
ungeeignet feien, ben beabfichtigten Erfolg heroorjurufen, in 23irflichfeit gar 
nic|t giebt, im Einzelfalle bagegen jebe ^änblung, bie nicht jum Erfolg geführt 
hat, als eine $u beffen ^eroorbringung abfolut ungeeignete fich ermiefen hat. 
Sluf ben Untcrfchieb amifdhen .^anblungen mit abfolut untauglichen unb mit nur 
relatio untauglichen SÜlitteln tarnt bie Strafbarfeit ober Straflofigfeit beS 2ter* 
fud)S nicht c^egrünbet roerben, unb roiH man nicht ledere bei allen ^anblungcn 
mit untauglichen Mitteln ftatuiren, fo läfjt Reh fein ©runb bafür geltcnb machen, 
biefclben bei ben erftern eintreten 511 laifcn. 2lud) bei ihrer Slnwcnbung fyai 
ber Shäter baS gethan, waS er als $ur SBerroirfltchung feinet oerbredjerifchen 
EntfchluffcS geeignet angefehen fwt, unb bamit feine Auflehnung gegen bie 
StechtSorbnung bethätigt. Sein ^rrthum über bie Sauglichfeit feiner §anblung 
fann auf beren Straf barfeit feinen Einflufe hoben. ©afj baS beabnehtigte Ser* 
brechen bei bem Sterfuche ftehen blieb, ^at jebeSmat in einem S^thum beS 
ShäterS feinen ©runb, roeil er bie baS Ausbleiben beS Erfolgs beroirfenben 
Umftänbe bei feinem Panc jur SBerwirflichung beS gefaxten EntfchluffcS nicht 
richtig in 9lnfchlag gebracht hat. ©leichgültig mu§ eS aber bleiben, in ©ejielmng 
auf roclche thatfächlichen SBorauSfcfcungen, bie nöthig roaren, um baS Serbrechen 
5u ©tanbe ju bringen, er geirrt hat, ob baS ber Sollenbung entgegengetretene 
^inbernife im Verlaufe ber ^anblung eingetreten ober bereits bei beren 
beginn oorhanben roar, ob bie oom Xbäter nicht in Rechnung gesogenen 
ÄaufalitätSfaftoren aufeer ihm liegenbe 3Scrhältniffe ober XfyätiQhitcn finb, ober 
ob er über bie Söirffamfcit feiner eigenen öanblungcn geirrt, ob über bie 
Söirffamfeit eines gebrausten ÜWittelS feiner 5lrt ober s J)?enge nadt) ober feiner 
2lnrocnbung nach, ob über baS als «Kittel gebrauchte Dbjeft felbft ober über bie 
ihm bcigcmcffcnen ober übcrfchcncn Qualitäten. 

ES ift mithin nicht irrig, roenn baS fianbgerid^t jur Strafbarfeit beS 
$erfudt)S mehr nicht erforbert hat, als bafe bie .^anblung oon bem £hätcr in 
bcr SBorfiellung unternommen roorben, fie werbe ,jur Herbeiführung beS beab* 
fichtigten Erfolges führen. 



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Literatur. 



(jrgänjungen unb Erläuterungen ber ^rcufeifdjen WedfjtS* 
bü$er burd) ©efe&gebung unb 9Bif|"enfd)aft unter Senu&ung ber 
3uftijminiftcrtal*Silften unb ber ©efe^SHeotfionSarbeitcn. ©edjfte 9lu3* 
gäbe, neu bearbeitet oon Dr. üubwig oon Diönne, SlppettationS- 
geriet« ^icepräfibenten a. 35. »erlin 1880. 9t. o. Scdfer'ä Verlag, 
3Karquarbt & ©äjcndf. 4 Sänbc. 378 3 /4 Sog. 4. 



Seit bem g<u)re 1864, in weld&em bie fünfte 2lu£gabe beS obigen SBerfcä 
erfdnen, fjat fict> bie ©efefegebung in rieftgen 3)tmenfionen erweitert, unb fotoorjl 
üRec^tfprcdiung als SBiffenfdjaft tfjeilmeife oöllig neue ©tanbpunfte eingenommen. 
$)er $err SSerfaffer mufete Demzufolge bie gewonnenen Sftefultate ber 9teujeU 
unter SluSf Reibung be« Veralteten ber Umarbeitung feine« fompenbiofen SBerfcS 
$u ©runbe legen unb (ja* bie« in einer SBeife getljan, bafj mit SRedjt ber oor* 
liegenbe Äommentar bcS Slllgem. £anbred&t£ fomof)l in Betreff ber S)arftellung8* 
roeiie wie ber SlusSroa^l be£ Materials als bie bebeutenbfte Slrbeit begrüfet *u 
werben oermag, welche auf bem betreffenben (gebiete bisher geleiftet worben ift. 



gefammten Sftefultate ber Sfjeorte unb SßrarüS be£ neueren Ätrd&enredbtS (IV. 
@. 88, 231), beS VerfaffungSretyeS (IV. 6. 263—327), beS «otnrnnbfd&aft«. 
redete« (IV. 6. 534—589) unb ber bie ^reijügigfeit unb ben UntcrftüfcungS* 
wofmftfc betreffenben ©efefce aufgenommen, öatte wäf>renb be£ über 6 Saljre an* 
bauernben (£rfdf)einen£ beS SSerfeS bie 9Jed)tfpred(jung mandjeS if>r (Sntleljnte 
unb in ben früheren Steilen SBiebergegebene überholt, fo würbe in ben 9t ad)* 
trägen beS 4tenVanbe£, welker allein einen Umfang oon 145 Sogen aufweift, 
auä) biefem Umftanbe 9ted[mung getragen, unb ^ier bie neueften (Sntfd&eibungen 
beS 9ieid)§oberl)anbel&', SKeid&S* unb DberoermaltungggcrtdjtS eingereiht, nebenbei 
aber aud& bie in^wifcljcn erzeugten ©efefceSprobufte, infoweit fic auf bie 
lanbrcdHlid&en Materien belogen, jum Slbbrudf gebraut. Gin umfangreid&eS auf 
ba£ forgfältigfte gearbeitetes <$ronoloqtfdf)c£ unb Sacbregiftcr giebt ber anerfennenS' 
werben Arbeit einen würbigen 3lbfa)lufe, unb felbft nad) erfolater ttjeUweifcr 
9teufobtftfation ber lanbrccfytlidjen ©efefegebung bürfte ba£ Wonne fd&e ÜBerf noef) 
anf lange 3cit IjinauS als &ülfSmittcl ju eingetjenben ©tubien ju oerwerujen fein. 



Seljrbudfj beS ^reufeifd&cn SßrioatredfjtS unb ber ^rioat* 
red)t£normen beS 9leid>ä oon Dr. fieinridf) Wernburg, ©el>. 
3ufttjratl>, ^rofeffor an ber Unioerfität Berlin, 3)iitglieb beS £crren* 
Kaufes. II. Vanb. 3meite, neu bearbeitete Auflage, £alle, Verlag 
ber Vud&jwnblung beS 2öaifenfwu|"eS. 1880. 8. 970 6eit. 




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308 Sitcrotut. 

3)ie frühere SRebaftion be« 2lrchio« hat ftd^ bereits über ba« Wernburg' fchc 
SSerf übcreinflimmcnb mit ber gefammten ßritif anerfennenb auSgef proben, unb 
ifl bie gegenwärtige in ber Sage, bie« Urtljcil bezüglich bc« oorliegenben jrociten 
Vanbc« m abopttren. 3)ie in fur$er ^rifi nothwenbig geworbene Neuauflage 
bc« 2Bcrre« bat ben ocrbtenftooUen £crm Sßcrfafjcr bewogen, eine umfaffenbe 
3nf)alt«öermchrung unb auch Vcrbefferungen, wo ihm folchc erforberlich crfdfnenen, 
eintreten 3U laffcn. (Sine erhcblidfjc Veroollfiänbigung bürfte in ber foftematifchen 
Vehanblung bc« in ber früheren 2luSgabc oermifjten Scdjfclr echte« ju finben 
fein. Von befonberer SBtchttgfcit für ben Söerth bc« ba« Obligationen* unb 
bie prioaten ©ewerbe* unb Urheberrechte umfaffenben SBud^cS, welche« tiefe« 
unb einaehenbes 6tubium ntrgenb« oerfennen läfjt unb ba« gefammte Material 
mit meisterhafter Jtlarhctt bcf^errfdjt, ift bie Vcnufcung ber einfehlägigen SReich«* 
aericht«entfchcibungcn unb ber neueren Sitcratur. (Sin umfangreiche« unb forg- 
faltig gearbeitete« 6adt)* unb üuellenregifter bilbet ben Vefchlu)} be« al« £anb* 
wie Seljrbudt) gleich oorjüglid&en unb cmpfct)lenStoert^en SBerfc«. 

S)te gefefclichen unb reglcmentarifchen Vorfchriften über 
bie Vorbereitung 5um höheren 3uftijbienfte in Sßreu&en, 
Hufammengcftcllt unb erläutert oon Äah, ftgl. ^ßreufe. 2lmt«richtcr. 
Verlin 1880. «erlag oon ftranj Valien, tot. 74 Seit. $rei« 
3,20 3». 

S)a« oorliegenbe 2Bcrfd)cn ift angeregt toorben burch bie mehrfach in 
lefetercr Seit auftaud&enben Älagen über bie nicht oöllig genügenbe wiffenfehaft* 
liege Vorbereitung ber jurifttfd;cn Äanbibaten unb bie tn golge be« jefeigen 
VorbereitungSbicnfte« nicht ermöglichte ftreng wtffenf ertliche S)urdt)bilbung ber 
■Kcferenbare, welche burch prattifdt)e Schulung nicht erfefct ju werben oermag. 
Stögen biefe Vcbcnfcn auch nur jum $heil gerechtfertigt fein, fo fann man bod) 
bem £erm Verfaffer 2)ant wiffen, bafj er bura) bie oon Unit gewährte 3ufaramen- 
ftcHung ber bie Vorbereitung unb Prüfungen jum höheren 3fuftijöienft regelnbcn 
gefefclichen Vcftimmungcn mit jahlrcidt) eingeflochtenen fachlichen 9lnmcrrungcn, 
inSbefonbere praftifchen Slnmeifungcn, j. V. über bie Grforberniffe ber Delation 
unb be« münblidt)en Vortrag«, ben Vetheiligten Söegioeifung unb Dath erthetlt 
hat, au« bem praftifchen Voroercttung«btcnft mit bem für bie Prüfung erforoer* 
liehen Cuantum wtffenfchaftlicfier Äcnntniffe hcroorjugehen. 6« fann bemnach 
ba« Vuch ben erwähnten Greifen bringenb empfohlen werben. 

Sic $intcrlegung«orbnung 00m 14. HKärj 1879, prafttfeh unb 
theoretifch erläutert, mit Veifptclen unb Formularen oerfehen, *um 
©ebrauch für Verwaltung«behörbcn, ©crichtc, 3techt«anroältc, 
oon 5. ßunsc, Degierung«rath. Vcrlin 1880. Verlag oon granj 
Vehlen. Vroch- 182 Seit. *ßret« 3,60 2H. 

®er gegenwärtige mit großer 6orgfalt gearbeitete Äommentar oerfolgt 
in erfter Einic bie Aufgabe, ben Verwaltung«ocamten burdLj eingehenbe ©r* 
läuterungen, Vcifpiclc unb Formulare bie 6chwierigfeiten ju ebnen, welche fi<h 
bei Sinnahme unb ^erawSjahlung oon 2)cportten ergeben, unb ben Hinterlegung«» 
bctheiligten bie s JJtöglichteit jur Stellung formgerechter 9lnträge 5U gewähren, 
währenb anbererfeit« für bie Äönigl. ^auptfaffen Erläuterungen, betreffenb bie 
^Buchführung, 3lcchnung«legung unb weitere Manipulationen, erteilt werben. 
5Da« Vuaj wirb bemnach al« ein nach oerfchiebenen Dichtungen hin brauchbare« 
$ülf«mittel willfommcn fein. 

SaS^rcufnfche^elb* unb ^orftpolt jeigef efe 00m 1. Slpril 1880, 
au« ben Materialien unb mit befonberem «ejuge auf bie sur 
Ausführung beffclben ergangenen Verfügungen be« 3Jlinifier« 



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fiitwatut. 



309 



für Sanbroirthfdjaft, Romainen unb ftorflen com 12. u. 29. 9M 1880, 
erläutert oon 2B. & ©üntljer, Äöniglid)em Erften Staatsanwalt 
beim Sanbgericht juSielefelb. VreSlau 1880. fr U. Äern'S «erlag 
(3Rar SDhiÜer). 151 Seit. $reiS fort. 3 W. 

2)er £err Verfaffcr, welcher ftch bereite burdj jroei frühere bem gorfl* 
jfrafgebiet angehörige Äommentare befannt gemalt, ^at in ber gegenwärtigen, 
gleichzeitig für Suriften uu* £ ß i cn beftimmten Sdjrift bie roidjtigficn tca)mfa)en 
unb juriftifchen fünfte beS gorftpolueigefefceS mit Erläuterungen uerfehen, inbem 
er, inforoeit ihm bieS erforberlicb ersten, auf bie c^cbem gültigen Veftimmungen 
ber ^clbpolijeiorbnung oon 1847 zurütf griff. 3n feinen Ausführungen ift eS 
ihm gelungen, bie oorgefafeten SJfeinungen zu aerftreucn, als ob baS oorlicgenbe 
©efefe einen oQm brafonifdjen (ibarafter inooloirte, roenngleicb nicht »erfannt 
toerben foQ, baß ber ©efefcgeber manage 5E)iSpofitionen bei weitem milber hätte 
foffen fönnen, als er bie« getljan tat — ^ebenfalls mufe baS 2öerfa)en als eine 
ancrfennenSrocrthe Seifhing erachtet roerben. 

2)a$ ^oenitenjre^t oon Dr. fterbinanb 3JtannS. 2. oermehrte 
Sluftoge. »erlin 1880. 130 Seit, ^uttfammer & 3Rühlbrea;t. 
S)cr £err Verfaffer fleUt fich in bem burdb fdjarfe ftiftion ausgezeichneten 
SBertajen bie Aufgabe, ben früher nicht bemängelten SBertf) be« SßoemtenzrechtcS 
einer haarfdjarfen Prüfung zu unterwerfen, rodele er in anerfenncnSrocrthcfter 
2Beife jur Durchführung bringt. 



Theorien, beleuchtet er inSbcfonbere bie §altlofigfeit ber bie condictio mit ber 
Seiftung oerbinbenben SeiftungStbeorie unö roenöet |ld) bann jur eingehenben 
Ventilation ber ^oenitenjtheorie, nad) welcher ftd) baS *poenitcnzrecht bem rechts* 
gültigen Vertrage mit bem Erfolge gegenüberftellt, bog ber Vertrag als befeitigt 
unb als nicht ju Stanbe gefommen ju gelten habe. %m Saufe biefer Prüfung 
unterzieht er bie baS Sßoemtenzrecht oorfehenben Stellen, mSbefonbere lex 27. §. 1. 
mandati 17. 1. unb lex 5. §. 2. praescriptis 19. 5. (S. 91) einer ein* 
gehenben Erwägung in Vetreff ihrer Sluthenticität unb eutfdbeibet fich auS 
formellen roie materiellen ©rünDen bezüglich ihrer roie inSbefonoere ber lex 3. 
unb lex 5. cond. caus. dat. 12. 4., welche leitete bem Ulpian jugcfdtjrieben 
roerben, für bie Unmöglichfeit ber 2lufrechterhaltung ber bisherigen Slnfidjt, bafj 
fie Sßrobutte flaffifdher ^dhriftfteüer feien. 2Rag auch in mancher Vejiehung feine 
Beweisführung auf berechtigte SBroerfprüdje ftofeen, fo fann bort) nicht oerfannt 
roerben, bajj bie Argumentation, welche ftd) bezüglich ber lllpianifchen Stellen 
für eine bujantinifche Kompilation auSfpricht, infofern als jutreffenb anerfannt 
roerben mu§, als bem §errn Verfaffer bartn beizupflichten ift, bafj bie Schreib» 
roeife beS Ulpian in feiner 9öeife mit jenen in Ärotifel gezogenen Stellen 
harmonirt. Unter biefer VorauSfefcung unb bem Einbrucf ber fo erheblichen 
Abweichung ber Anfchauungen ber Älaffifer unb Äomjnlatoren, welche ledere 
felbfi bie oon ihnen oorgenommenen oielfachcn unb einfdmeibenben Slenberungen 
flafftfcher Stellen einräumen (cf. Verorb. de confirmat digest. ad Senat et 
omnes populos §§. 10. u. 15. de confirmat dig. ad raagnum Senatum §§. 10. 
unb 15.), fann eS nicht bebenflidt) fein, ben gegen baS ^oenitenjredbt erhobenen 
Einroenbungen eine geroiffe Berechtigung einzuräumen unb baS Vucf) als ein 
äufeerft intereffanteS zu bezeichnen. 



S)aS 2)eutfche Straf prozefjredjt mit 9lüdficht auf bie ^uflizgefe&e 
bcS ©cutfdjien SRei(3heS in ben ©runbjügen fpflematifch bargcftcUt. 
Ein Supplement zur 3. Sluflage ber 0. ^olfcenborff'fchen Encn*» 
flopäbie ber ^HechtSroiffenfchaft oon Dr. 3ticharb Eb. 3 ohn, ©el;. 
^uftizrath u. ^rofeffor b. Stechte in ©öttingen. Scipjig. 2)uncfer 
unb ^umblot. ©r. 8. 81 Seit. 




oielfad)e ©iberfprüche h<*öuSforbemben 



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310 «tcwtirt. 

$>ie äußerft beachten*mertl>e Sirbett be« berühmten ,§errn Verfaffer«, 
welche fich felbft äl& eine Ergänzung ber $olfcenborff 'fchen'Encoflopäbie bo 
jeidjnet, enthält unter Venufcung ber einfchlägigen ©efammtliteratur eine fuftema* 
tifetje «ehanblung be« ©trafprojeffe« unb Entwicfelung ber bie Strafprojeßorbnung 
ftüfeenben t^corctifc^cn ©runblagen. Sie muß in ihrer präcifen 2)iftion nicht 
nur al« ein fdjäfcbare« £ülf«mittet für ba« ©tubium be« ©trafprojeffe« erachtet 
werben, fonbern wirb auch ^infic^tli^ ihrer eingehenben rritifchen (Erörterungen 
^raftitern angelegentlich empfohlen werben fönnen. 

3ur Äritif be« ungarifchen @trafgefe|jbuche«, über Verbrechen 
unb Vergeben, oon Dr. £l;eobor SRcin^olb Schübe, ^JJrofeffor an ber 
Unioer fität m ©raj. ©eparatabbruef au« ber „SKagoar £bemi*". 
Vubapeft. 53ud)brucferci ber Slftien ^ OcfcUfd^aft »thenaeum 1880. 
Sroc^. @r. 8. 31 Seit. 

S)er gelehrte unb auf bem ©ebiet be« ©trafrecht* heworragenbe $err 
Verfaffer fjat in ber oorliegenben ben wesentlichen 3 n h° lt eine« oor etwa 
2 fahren feiten« be« Äönigl. Ungarifchen ^uftijminifterti oon ihm eingeforberten 
©Machten« urafaffenben ^Monographie einen fdtjä&baren Beitrag ju ben rritifchen 
Erörterungen geliefert, welche fowobl ber Entwurf wie bie Emanation be« un* 
garifchen ©trafgefefcbuchc« ocranlaßt h at - 3JZit fdmrfer ©onbc tritt er ber 
fid) balb an ba« beutfehe unb öfterretchifchc, balb an ba« belgifche ©efefc an- 
lehnenben, nicht weniger al« 486 Paragraphen aufweifenben Äobtftfation näher 
unb gefleht freimütbig ein, baß ihr in«befonbere ber Langel ber Ucberfichtl ichfeit 
in ber ©toffoertbcüung innewohne. Bei Vehanblung be« ©trafenfnftem« (©.9) 
wirb mit 9Fledt)t bie Beibehaltung ber 2obe«ftrafe burch ben Strang anftatt bura) 
ba« Fallbeil, lueil ihr ein entehrenber Eb araEtcr anhafte, befämpft unb gegen ben 
erheblichen Umfang ber lebenslänglichen greiheit«ftrafe platbirt. 2luch fann bem 
£errn Vcrfaffer barin beigepflichtet werben, baf? ba« ©efefc mit fyrci^citÄftxaf- 
mitteln überlaben ift. E« Eennt nämlich ^udjtbau«, ßerfer, ©taat«gefängniß unb 
©efängniß. ©leich begrünbet erfcheinen Die (©. 13 u. 18) gegen ben bie Xtytih 
nähme unb bie ßonfurrcnä ber jtrafbaren $anblungen beljanbelnben V. refp. 
VIII. Slbfchnitt be« ©efefee« gcltcnb geraachten 2lu«ftcUungen. 

3n Betreff be« II. (befonberen) XgeU* be« ©cfe&e« Irot fich bie Arbeit 
einer größeren Äürje befleißigt, läßt aber auch fliegt oerfennen, baß bie 
Xcrtirung be« ©efefee«, wie 5. B. bei Definition be« üöcorbc«, nicht unwefentlichen 
Bebenfen begegnet. v Jlud; hinudtflich ber ©rabation be« Sttebftahb&oergehen« 
jum Verbrechen, im $att oer SBkrthbetrag be« ©eftohlenen 50 ©ulben über* 
fteigt, wobei außer bem biefclbe Eigen thümlichfeit aufweifenben öfter, ©efefc wohl 
noch ber einftmalige ©trafunterfchieb swifchen furtum maguura et parvum oor* 
gefdnoebt haben mag, tonnen bie Bebenten be« £crrn Berfaffer« wohlbegrünbct 
erfcheinen. Xrofc aller feiner ÜDlonita gelangt er inbeffen am Schluffe ju bem 
Wefultate, baß ba« ungarifche ©trafgefefcbuch in feiner heutigen ©eftalt al« ein 
guter Anfang jur äßeiterentwicfclung anjufehen fei. 

3)ie Deutfcje ©trafprojeßorbnung unb ba« ©erichtSocr* 
faffungSgefcft neben ben 2)eutfchcn Einführung«- unb ^reußifchen 
2lui§rührung«gcfe|en. SMit Kommentar in Slnmcrrungen oon % SDa l a c , 
Dbcr^©taat«änwalt. 2. umgearbeitete unb jtarf oermehrte Auflage. 
$rei« 8,50 ajf. Berlin 1881. Verlag oon ftranj Vahlen. ©r. 8. 
445 Seit. 

3mar ift nur ein fur$er 3citraura feit bem Erfcheinen ber crflen Auflage 
be« Kommentar« ocrfloffen, gleichwohl ^at ber §crr Verfaffer ©elcgenheit gehabt, 
eine erhebliche s Jteoifion be« Serfe« oorjunehraen unb auch in ber Umarbeitung 



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iiteratur. oll 

bieienigen Stetten au^umerjen, roclche, weil fie bie frühere preujjtföe Siedet* 
fpredmng roiebergaben, mit bem neuen ©trafprojefirecht nicht red^t im 3ufammen- 
hange ftanben. %n ber gegenwärtigen Ausgabe finb an ©teile ber preufeifchen 
Subifatur bie ©ntfdjeibungen beS SicictjSgerichtS getreten, moburch ber 
pratttfdje 2öerth beS VucheS erheblich erhöht worben ift. gerner finb bie neueren 
Siteraturerfcheinungen beS ©trafprojcffeS, wie 5. V. bie Äommentare oon £öwc, 
tßudjelt, X\)iio, SÖceuer u. St, in ausgiebiger SEBeifc gewürbigt worben. 3n 
fnapper aber gebiegener Ausführung bringt baS SßerE in ber neuen ©eftalt aUe£ 
SBiffenSwerthe unb enthält nebenbei bie $reufe. AuSfÜhrungSgefeße unb Ver* 
orbnungen in größter Vollftänbigteit, fo bafc feine Senkung mit Stecht fowohl 
bem 2^eoretifer wie ^raftifer empfohlen werben fann. 

Sie Rechtsmittel beS GtoilprojeffeS unb ©trafprojeffeS 
nach ben Vefiimmungen ber beutfehen 9teiehSgefe&e oon Dr. Auguft 
0. ÄrieS, $rioatbojent an ber Unioerfität ©Otlingen. VreSlau. 
Verlag oon äüilhelm Äoebner. 1880. ©r. 8. 517 Seit. 
Sic Sarftetfung biefer in ihren Einzelheiten trefflich begrünbeten unb 
beachtenswerten ©chrift umfaßt gleichseitig ben (Steil* unb jtriminalprojefj unb 
behanbelt bie in beiben oorfommenben Rechtsmittel. AIS ®runb für bie fdjeinbar 
auffällige 3ufammenftellung beiber Sßrojeffe unb ihre Vergletchung fa)webt bem 
bura) feine fritifa)en Arbeiten rühmlichfi befannten <0crm Verf affer ber Umftanb 
üor, bafj trofc ber erheblichen Sifferenjen swifchen beiben Sßrojeffen bod> ihre 
Rechtsmittel eine jiemlich gleite Aufgabe oerfolgen unb in ihrer Äonfrruftton 
unb ©ntwicfelung eine erhebliche 2tel;nlia)feit aufweifen. Safe biefe Anficht als 
berechtigt gelten mu&, erhellt überbieS aus ben attotioen jur ©trafproje&orbnung, 
in benen auSbrücfiich auf bie Anlelmung lejjterer an bie Vefhmmungen ber 
ßünlproaefjorbnung oerwiefen wirb. Seim Eingehen ber Argumentation auf bie 
einzelnen Momente ber Uebereinftimmung ber Rechtsmittel beiber ^rojeffe hol 
ber Verfaffer bin unb roieber mit ©chwierigfeiten ju fampfen, unb bürfte nach 
unferem (Srmeffen bie im 1. Äapitel enthaltene Vcrglcidjiung beS ©traf* mit bem 
GioUprojefj auf ©runb ber aufeer ben föauptparteien noa) feiten« anberer an 
bem Ausgange beS $ro3effeS intereffirtcr $erfonen erfolgenben Vetheiligung 
ihre Vebenfen ^erauSforbcm. ©ehr erhebliche Verfd)tebenhcit jeigen beibe 
^rojeffe bei bem Vergeht unb ber 3u*ücfnahme ber Rechtsmittel fowie be$üglich 
ber ftorm unb grift ihrer (Sinlcgung, wäljrenb bie ©runb^üge ber Söirfung fich 
in beiben oöllig beefen. 2Sie in biefem bie generellen UebcreinPimmungSgrunb* 
fäfce bc^anbelnben erften £f)cil bcS 9ßcrfeS bie Erörterungen be$ ^errn 33er= 
fafferS einen crfcfjöpfenben 6l;arafter aufioeifen, fo aua^ bie an ber §anb ber 
Literatur erfolgenben 33etraa)tungen über bie ßntroirfelung ber einjelnen 9tea^tS= 
mittel, unter meldjc er aua) bie SBieberaufna^me be« Verfahrens im ßioilprojefe 
fubfumirt, roäljrcnb bie SioilprojeBorbnung fic als felbftfiänbige Älage qualipsirt. 
2)aS SRefultat ber ^arallelifirun^ berjenigen öeftimmungen, roeldje fia^ bejüglia^ 
ber 2Bieberaufnahme ber Älage m beiben ^rojeffen finben, ift, bicS erfennt ber 
.öerr SJerfaffer felber an, gegenüber bemjenigen bei ben anberen s tfed)tSmitteln 
(Berufung, ftemfion unb Sefchroerbe) ein toefentlid) mangelhaftes. 

S)ie 2lbfa)affung beS ©trafmafieS. (Sin 5öorfa;lag jur Reform 
ber gütigen ©trafred)tSpflege. Von Dr. med. (Smil Äraegelin, 
^rrenarst. ©tuttgart. Verlag oon fterbinanb Gnfe. 1880. 8. 78©eit. 

SDJotioe ber oorliegcnbcn ©djrift maren bem §erm Vcrfaffer bie toilben 
SluSroüchfe ber alten VcrgeltungS* unb Abfa^rccfungStheorie. Von bem Verfug 
ber Äritif unb Sleubegrünbung beS VegriffS ber 5D?oral auSgehenb unb bie 
Anficht befämpfcnb, bafe bie Sehren ber ©ittlichfeit als integrirenbe Veftanbtheile 
ber göttlichen 2ßeltorbnung ju gelten hoben, roenbet fich bie ©chrift inSbefonbere 
gegen bie ßntmtcfelung beS VegriffS ber friminaliftifchen #urechnung8fähigfeit 



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312 



UltXCllüX. 



unb bic auf bcm ber fcarbarifdjen Ätnbljeit be£ 3tafdjengefchrcchtj8 cntftatmnenbctt 
9tachegebanfen beruhenbe tabellarifche Berechnung bea (Strafmaßes (6. 17). 
2)ie ganje ^olemif rieftet fidt) bemnäcbft gegen bie oermetntlich oon ben fdjäblictyten 
2Üirfungen begleitete ftirirung beS (Strafmaßes a priori unb gelangt nach einer 
frittfehen Beurteilung ber 3uläffigfett ber einjelnen ©trafarten unb befonberer 
BcrücfFta)tigung ber oefannten jiemlich abgehauen 3Jitttelftäbtfchen Slnftchten, 
ju bcm fonoeroaren Sftefultat, bafj eine gcbcu)liche SBirfung ber Strafe nur bann 
legerer innewohnen fönne, roenn bem dichter nicht ba£ s Jtca)t jufiehe, bie 2lrt 
ber ©trafoerbüfeung nach beren Stauer ju beftimmen. JsBtclmc^r ©erlangt ber 
Berfaffer auf ©runb ber ^nbioibualiftrung oöllige Unbestimmtheit bcS 
(SntlaffungSterminS, mobura), wie er meint (©. (52), ben ©trafanftaltS* 
beamten eine grünbUdje päbagogifche ßinwirfung auf ihre Pfleglinge ermöglicht 
mürbe. Bei oölliger föeorganifation beS ©efängni&rocfenS roill er ben «nftaltS* 
bireftoren, ju welchen er übrigem? lebiglia) ^erfonen oon höchfter allgemeiner 
unb fadmnffenfchaftlicher Bilbung ernannt m fehen oerlangt, baS bereits heut 3u 
Xage ben ^rrenärgten bejüglidj ihrer Pfleglinge juftehcnbe ittecht eingeräumt 
wiffen, bie Häftlinge nadt) ©utbünfen, b. h- roenn fte für gebelfert gelten, ju ent* 
laffen ober fte länger p tnhaftiren. Söä^renb er femer ber (Erweiterung beS 
BcurlaubungSfüftemS baS 2öort rebet, polemiftrt er gegen bie Beibehaltung ber 
s 2UterSgremc in ü)rer Bebeutung für bie Strafrechtlichen folgen einer §anblung. 
2lm ©chlufje feiner auf fehr gewagten BorauSfefcungen fteljenben Argumentation 
gelangt übrigens ber Berfaffcr 3u ber Ueberjeugung, bafe juriftifdEjcr ©eits feine 
Borfdjlägc als Utopien bezeichnet roerben bürften. SOöir um Heu tim inenu nicht 
forrigiren, benn bie Annahme ber Borfchläge ber oorliegcnbcn Schrift, infoweit 
fidj iic&terc in bem gelbgefchrei „Bort mit bem ©trafma&" concentriren, 
roürbe nichts anbereS ^ctBen, als unfer beutiges ©traffoftem über Borb werfen 
unb ben dichter fo ziemlich für überflüjfigerrlären. ^öffentlich werben wir oon biefem 
ibealiftifchen ^talt**» btfj&t Anbruch über furj ober lang ber §err Berf affer 
prognofticirt, oerfchont bleiben. 

ferner machen wir auf folgenbe neue Erlernungen aufmerffam: 

2>te ©trafprojefjorbnung für baS beutfehe Steich, erläutert 
oon Dr. (s. Sßuchclt, iHcichSgerichtSrath. 8. Lieferung. Seipjig. 
2)ru<f unb Verlag ber Sfcofcberg'fchen Buchfmnblung. 1880. 



Allgemeine ©erichtSjeitung für baS Königreich ©achfen. $erauS* 
gegeben oon Dr. ftriebrid) DSfar oon Schwarbe in ©reiben, 
Äönigl. ©ächf. ©eneralftaatSanwalt. ©rofefreuj. Dleue ftolgc, L %at)x* 
gang, §eft 1—3. Seipjig. gueS «erlag («. föctSlanb). 

£>ie3ufti$gefe&e für baS beutfehe SReitt). ©erichtSoerfaffungS* 
gefefc, (Sioilprojefcorbnung, ©trafproje&orbnunq, ÄonfurSorbnung. 
XertauSgabe mit @inführungSgefc&en, Sßreufj. AuSführungSgefefcen, 



weiterer etnfehlägiger ©efetje unb «erorbnungen, in ßeinewanb c^eb. 
8. I17©ett. <ßreiS5äR. ß. ©chwann'fche^erlag^hanblung. 
borf 1880. 

©ine prattifche unb bt&fyalb fcljr empfehlenSwerthe ©ammlung. 




R. Backofifner. 



4ktUn, Haut i . :t iL«. tBüfcitflriil. 



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„älit tfl bie gorfdjrift bes §. 128. ber beutfdjen Strafprojcfjorbnung, 
roonad) ber in (Semäßljeit öcs $. 127. eod. uorläufirj J eftgenammene 
untferjüglid) bem 3Untsrid)ter be« $e?irhs, in roeldjem bic IFeftnaljme 
erfolgt i|t, uormfuljren tfl, m nerfteljen; — ift insbefonbere ber 
Smtsridjter beredjtigt, bie Amtuljntc ücö iljm Porgefüljrten aus 
bem törunbe abmieten, roeü bie jufKinbtge Stttatsanwaltfdjoft fidj 
om Sit? bea ämtögeridjts beftnbet?" 



Von &errn Oberlanbc«gcti(^t!8< Senat« =^räfibcnten Xeffenborf 

5U tfönigSbcrg i. ^r. 



<S3 befiimmen: 
§. 127. @t. *ßro$. D. 

„9öirb ^emanb auf frifäjer Zfyat betroffen ober »erfolgt, fo ift, wenn 
er ber glud)t uerbäduiä ift ober feine Sßerfönlichfeit nicht fofort feft* 
geftellt werben fann, Jebermann befugt, ihn auch ofme rid)terlid)en 
Haftbefehl oorläufig feftjunetjnten. 

2)ie 6taat5anioaltfd)aft uub bie ^olijei» unb Sicherheitsbeamten 
Pub aud) Hnn pr oorläufigen fteftnahme befugt, roenn bic Vorauf 
fertigen eine« Haftbefehls oorliegen unb ©cfabr im Verjuge obwaltet. 

Vet [traf baren ^anblungen, beren Verfolgung nur auf Slntrag 
eintritt, ift bie uorläuftge ftejtnahme uon ber Stellung eine« folgen 
Antrags nid)t abhängig." 
unb §. 128.: 

„2>er geflgenommenc ift unoerjüglich, infofem er nicht roieber in 
Freiheit gefefet wirb, bem Amtsrichter beS VejtrfS, in meinem bie 
geftnaljmc erfolgt ift, oorjuführen. £>er Amtsrichter l;at ilm fpätefUnS 
am Sage nach ber Vorführung ju oerne^men. 

Hält ber Amtsrichter bic ^eftnahme ni^t für gerechtfertigt ober 
bie Örünbe berfclben für befettigt. fo uerorbnet er bie Rreilaffung. 
AnberenfallS erläfjt er einen Haftbefehl, auf melden bie Veuimmungen 
beS & 126. Anroenbung finben." 
S)iefe Vorfdjriften erfreuten fo flar unb befiimmt, bafj man meinen 
tollte, il;re Auslegung biete feine befonberen Schwierigfeiten, unb ein näheres 
Eingehen auf fie fei unnüfce Arbeit. (§rftereS ift nun par auch meine Meinung, 
welche 2)leinung bie mir befannten Kommentatoren ber St. $roj. 0., wie id) 
auS ber Äürjc unb Raffung ber bezüglichen 9toten entnehme, feilen, allein biefe 
Uebereinftimmung ^errfc^t nicht au(h in ber Auslegung felbft, inSbefonberc nicht 
in ber Veantwortung ber oben auf gern orfenen ftrage. ©efehalb, unb ba bie 
lefetere aud) in ber $rajiS ftreitig geworben ift, inbem Amtsrichter — im 
aßiberfprua) mit ber ^oliaeibehörbe uub mit ber StaatSanwaltfcfcaft — bic 

»v$io ifcso. 5. fltft. 21 



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314 §. 128. 6t. ^roj. O. 

Sinnahme ber ihnen in ©emäfehcit beS i?. 128. cit. oorgcführtcn Sßer* 
foncn unter bcr Vegrünbung abgelehnt haben: 

bafj, ba bic juftänbtac StaatSanwaltfdjaft fid) am Sifcc beS XmtS' 
gerid)ts befinbe, bic Vorführung cor biefc $u erfolgen habe, 
bie #rage mithin bic (Sigenfchaft einer brennenben Streitfrage angenommen 
hat, feheint mir beren nähere Erörterung angezeigt unb nühlid), unb jtoar um 
fo mehr, als bcr Streit auf Soften oon Verhafteten [oorläufta, fteftgenommenen] 
geführt wirb, beffen atsbalbigc (Srlebigung mithin cbenfo in beren, als im 
öffentlichen ^ntereffe liegt. 

£)ie 2lnfid;t, bafj bic im §. 128. cit. angeorbnetc uuocrjüglidjc Vorführung 
beS fteftgenommenen oor ben Stmtöttd^tcr jur VorauSfefcung habe, bafj bic 511 
ftänbige StaatSanwaltfchaft (Staatsanwalt, bcj. 2lmtSanwalt) fid) nicht am St&e 
beS 2fmtSgcrid)tS befinbe, wirb anfd^einenb oon Soerac oertreten. 3n beffen 
— bisher unübertroffenen — Kommentar jur Strafprojefwrbnung heifit eS 
Note 3 ju §. 128.: 

„$allS fid; am Si(je beS Amtsrichters aud) bie $uftänbige Staats* 
anwaltfdjaft bennbet, mirb ber fteftgenommene 3imäd)ft bic f er 
uorjufüljrcn fein; bicfelbe hat, falls fte nicht bie ftrctlaffung oerfügt, 
alSbalb bic Vorführung oor ben 2lmtSrichter su benürfen unb jugleid) 
bie geeigneten 2lnträge ju ftellen. 2lnberenfaUS ift bcr tfefigenommenc 
mit Uebergehung bcr StaatSanwaltfchaft unmittelbar bem Amtsrichter 
oorjufütjren." 

SJJein oorheriger 3 u fafe : „anfdjcinenb" bejie^t fidtj auf baS: „wirb" in 
biefer 9iote, weldje 2luSörucfSwetfe bem 3 10 ^ifel staunt giebt, ob bic 9lotl;* 
wcnbtgfeit ober nur bie 3 ulft nigfctt ber Vorführung oor bic StaatS- 
anwaltfchaft ^at behauptet nierben foüen. ^nfofern bic oben ermähnte *prariS 
unter bem (SinfTufi biefer 3Zote fteljen foUte, oerfteht fte biefclbc in bem erftcren 
Sinne, benn bie ätfeigeruna beS SlmtSricfiterS, in fällen ber gebauten 2lrt bic 
Vorgeführten anjune^men, läuft auf bic (srflärung hinaus, bafe bic Vorführung 
oor bie StaatSanwaltfchaft gefcßlia) geboten fei. 

©egen biefc Stuffaffung beS §. 128. fpridjt fid) Xf;il 0 auS, wenigjtcnS 
läfjt bie N Jiote 7. S. 113 fcineS JiommcntarS: 

„2)ie Veftimmungen (beS §. 128.) fichern bem geftgenommenen bic 
unocräügliche Herbeiführung einer gerichtlichen ©ntfeheibung, mäfjrcnb 
nach etnjelnen beutfehen Wefelen bie Vorführung junäc^fl oor bic 
StaatSanwaltfchaft ju gefchehen hat. $reuf$. ©efeö oom 2. gebr. 1 8f»0 
unb «preufe. St. ^roj. ö. oom 25. £uni 1867 §. 125." 

barauf fd)lieBen, baft er bie Vorführung oor ben 2lmtSrict)ter ausnahmslos für 

geboten holt. 

$n oon £ol6enborff'S £anbbud) beS beutfehen StrafprojeferedjtS finbet 
fich (Vb. I. S. 361) bie 2tnfid)t oon &oewe wörtlich citirt mit folgenber 
^arenthefe: 

„obgleich baburch nothmenbigertoeife emVerjug in ber gefefelicf) an- 
georbneten Vorführung oor ben 2ImtSrid)ter entftehen müjjtc," 
in welcher qSarentfjefe wohl el;er eine Vcanftanbung, als eine Slboption biefer 
Anficht ju finben ift. 

Sil ben Kommentaren oon 0. Schwane, ^uchelt unb 3)alcfe ift bic 
#rage mit StiUfdjweigen übergangen. 2)afj fie SlngertchtS ber bie Vorführung 
oor ben SlmtSrichter fdjledjttjin anorbnenben Vorschrift beS §. 128. bie Vor- 
führung oor bie StaatSanwaltfchaft in ben qu. ftäHen, b. i. bic fHH- 
fehweigenbe Suppofition einer 2luSnahme, welche StuSnahmc nadj ber 3 a ^l °cr 
hierunter fatlenben tfeftnahmen, 3- Vettlcrn unb fianbftrcichcm, jur s Jtegel 
werben würbe, für felbftücrftänblich crad;tet haben folltcn, lä|t fich nicht an- 



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§. 128. @t.*to}.0. 315 

nennen, oielmet)r rechtfertigt biefeS StiUfd)weigen ben Schlufe, bafe bie Vorfdjrift 
in einem oon rt)rem Söortlaut abmeutenben Sinn nicht »erftonben worben ift. 

2Benn £oewe feine Anficht offne Vegrünbung geloffen h«t, fo bat er 
barmt, wie bie SBortfafiung: „wirb" anbeutet, bic Anficht felbft wohl nicht als 
jwetf eisfrei bcacidmen, fonbern nur ju erfennen geben wollen, bafe ti)re 33e = 
grünbung, weil nalieliegenb, entbehrlich fei. 

Siefe Vegrünbung fann benn auch in ber %i)<xt in erfter Sinie nur 
barauf hinauslaufen, bafe nact) bem ber Strafprojefeorbnung p ©runbe liegenben 
yinflageprin3ip bie Vorfdjrift beS §. 128. cit. jur ftillfchwetgenben Boraus* 
fe^ung habe, bafe bie $ax Strafoerfolgung berufene unb juftänbige Staatsanwalt* 
jd)aft fict) nicht am Sifce beS Amtsgerichts befinbet. 

AHcrbingS beherrfdit biefeS ^rinjip (cf. §. 152. ff. unb §. 150. ff.) ben 
Strafprojefe, unb jwar bergeftalt, baß bie Vornahme richterlicher Unter fudjungS* 
Iwnblungen oor Erhebung ber öffentlichen tflage in ber Siegel burch einen bejüg* 
liehen Antrag ber StaatSanwaltfct)aft bebingt unb nur auSnahmSmeife auch ohne 
Antrag in ben ftäHen ber ®efal)r im SSerjuge jugelaffen ift (cf. §. 125. u. §. 163.). 
Xiefem ^rinjip entfpräct)e es, wenn ber oorläufig $eftgenommene, falls bie 
3uftänbige StaatSanmaltfdjaft ben Srfc beS Amtsgerichts theilt, sunädjft biefer 
oorgefürjrt mürbe, benn fie allein hol über bie Erhebung ber öffentlichen ßlage 
ju befinben unb fann ben ftefrgenommenen f 0 fort roieber auf freien gufe fefcen, 
be$. ben oon bem Amtsrichter erlaffcncn Haftbefehl roieber aufheben. 

Allein gcrabeju einen äöiberfpruct) mit biefem $Prin3tp oermag ich in 
ber Vorschrift beS §. 128., wenn fie nach tywm Söortlaut ausgelegt wirb, nicht 
5U erfennen, fo bafe alfo auch ber ßufammenjjang beS ©efefceS feine oom SÖort* 
laut abroeichenbe Auslegung gebietet. Scr (sefefceSjufammenhang in bem be^üg* 
liefen Abfchnitt 9.: „Verhaftung unb oorläufige ^eftnahme", führt fogar auf biete 
Auslegung hin, benn berfelbe ergiebt, bafe jum Sdnifc ber perfönlichen Freiheit 
bie Beftnafmte ber SHegcl nach nur auf ©runb eines ritterlichen Haftbefehls 
erfolgen barf, für bie auSnahmStoeife pgelaffenc geftnahme ohne einen folgen 
Befehl aber bie fdileumgfte 9iad)holung beffelben unb m bem Vetjufe bie un* 
Bezügliche Vorführung oor ben (näd)ften) Seichter als nötjjig befunben worben ift. 

Sie Vorschrift felbft enthält feinerlei Anbeutung barüber, bafe unter 
Umfiänben bie Vorführung oor bie StaatSanmaltfchaft m erfolgen höbe, ins* 
befonbere ift eine fold)e nicht in bem 3uüf<hc n f Q | e: ti^txn er nicht roieber in 
Freiheit gefegt wirb" ju finben. Siefer 3mifchcntafc fehlte in bem bem Reichs- 
tage oorgclegten ©ntrourf unb ift erft oon beffen Äommiffion aufgenommen 
roorben, um einem bort geäufeerten ßweifel barüber ju begegnen: ob berjenige 
s 4$rioatruann ober $rioatbeamte, welcher eine s #crfon in flagranti feftoenommen, 
biefe nicht, ohne fie bem Amtsrichter oorjuführen, fofort wieber freilajjen fönne. 
(cf. ^rotofoUe ber MeichStag*3uftt>flom. $ur St. SJkoj. 0. S. 175.) 

Ser aus bem ©cjc^eSjufammenhang gegen bie wörtliche Auslegung ber 
qu. Vorfchrift unb für ihre Vefchränfung auf bte ftälle ber s Jlic9ttefiben$ ber ju« 
ftänbigen StaatSanwaltfdjaft am Si|e beS Amtsgerichts hergenommene ©runb 
erweijt fich aber bei einem 9tucfbluf auf bie <gntftehungSgefcr)ichte ber Vor* 
fchrift als ganj unhaltbar, benn bie letztere läfet feinen 3 roe *f e ' barüber p, bafe 
ber ©efefcgeber mit ber Vorfdrrtft baS bat ausbrüefen wollen, was ibr SBortlaut 
befagt, b. i.. bafe bie StaatSanwaltfchaft als nothwenbige Bwifcheninftanä 
bei ber Vorführung fd;l echt hin hat auSgcfdbloffcn werben fouen. 

Sie Vorfchriften ber cit. §§. 127. Abf. 1. 11., 2. 11., 128. Abf. 1. finben 
fich unb jwar im Sßefentlichen gletct)lautenb bereits in bem I. (fog. Sßreufeifchen) 
Entwurf (cf. §§. 111. unb 112.), nur bafe ber oben erwähnte ßrotfchenfafl beS 
§. 128. fehlte, ^n ben 3Rotioen ju biefem Entwurf (S. 90—91) wirb junächfl 
hcroorgelioben, bafe bie aufgehellten VorauSfe|jungcn, unter benen eine oorläufige 
§eftnahme ohne richterlichen Haftbefehl erfolgen bürfe, im ©efentlichen mit ben 

21* 



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3iG §• 128- et*w a .o. 

befiehenben ©efefegebungen übereinftiramten, fich aber oon bcr SDUljtsa^l berfelben 
baburch unterfdneben, bafe man baoon Hbftanb genommen habe, bie mannigfachen, 
auf biefem (Gebiete benfbaten gäüe oon einanbei ju fonbern unb ba£ Verfahren 
für jeben einzelnen berfelben bura) befonbere Vorfchriften ju regeln, 9cacb einem 
furjen Hinweis auf bie besüglidje Äafuiftif ber franjöfifchen unb oerfchiebenen 
beutföen ©efefcgebungen, foioie barauf, bafe baS enalifchc Me<ht, Neroon abroeühenb, 
ud) mit ber 2lnorbnung begnüge, bafe in mögltchft Eurjer grifl ein richterlicher 
auSfprud) über bie oorläufige geftnahme herbeigeführt werben müffe, heifet c£ 
im unmittelbaren Slnfdjlufe hieran roörtlich: 

„$ie Veftimmungen ber §§. 112. unb 113. fiebern bem geftge* 
nommenen bie unoerjügliche Herbeiführung einer richterlichen i£nt* 
fcheibung unb erteilen bem SlmtSrichter, bem jener oorgeführt wirb, 
bie Vefugnife, bie fofortige greilaffung be3 geftyenommenen an3u* 
orbnen, wenn er nach Anhörung be£ leiteten bie geftnahme nicht 
für gerechtfertigt ober bie ©tünbe berfelben für beseitigt erachtet." 
Snbem alfo bie 9)iotioe bie unoerjügliche Herbeiführung einer 
richterlichen Gntf Reibung betonen, enthalten fie hier unb auch weiterhin 
nicht bie geringfte Slnbeutung barüber, bafe biefelbe feine unbebingte fein folle, 
bafe oielmehr in benjenigen fällen, too bie juftänbige StaatSanroaltfchaft ben 
Sifc bejo SlmtSgerichtS theilt, bie Vorführung oor biefe ju erfolgen fmi>e. Unb 
boch legte bie bamalige fcage ber ©efefcgebung, inSbefonberc ber preufeifchen, 
eine Vebeutung gerabe hierüber fehr nahe. 

$n ben Anlagen ju biefem (Sntrourf ift in bem @rfurfe über bie Unter* 
fudmngshaft ber oorläufigen gefi nähme ohne richterlichen Befehl befonberS gebaut 
unb baä preufeifd&e ©efefe oom 12. gebr. 185U jum ©dmfc ber perfbnlichcn 
Freiheit in ben bejügltchen Stellen abaebruef t worben. %n biefem ©efefc befrimmen : 
§. 4. „3eber oorläufig hergenommene mufe fpäteftewS im £aufe 
be3 folgenben Xaqt& entroeber in Freiheit gefefet, ober eS mufe in 
biefer 3eit baS ßrforberliche oeranlafet werben, um ihn bem Staats* 
anmalt bei bem juftänbigcn ©erid)t oorpführen. 

S)er Staatsanwalt mufe entroeber bie fofortige greilaffung 
oerfügen, ober unoerjüglid) bei bem ©ericht ben Antrag ftcllen, 
bafe über bie Verhaftung Vefd)lufe gefafet roerbe. 3ft Semanb aufeer- 
halb be£ VejirfS be£ juftänbigen ©erichts oorläufig feftgenommen 
roorben, fo fann er oerlangen, junäajft oor ben Staatsanwalt beS 
VejirfS, in roelchem er ergriffen roorben, geführt ju roerben . . 

§. 5. „$eber Verhärtete ober oorläufig ^genommene raufe 
fpäteftenS ira tofe bes. folgenben XageS nach feiner Vorführung oor 
ben juftänbigcn dichter fo oernommen roerben, bafe . . ." 
Hiermit ftimmten bie Vorfchriften ber preufeifchen St. ^Sro$. 0. für bie 
neuen $rooinjen oom 25. ^uni 1807 (§§. 125—126.) ira SÖJefentlichen überein. 
Slua) nach biefen raufe ber oorläufig gefigenommene (binnen 24 Stunben) ftets 
junächft ber StaatSanwaltfdwft jur Verfügung geftellt roerben, roelche, fall« fie 
nicht bie greilaffung oerfügt, binnen 24 Stunben nach ©rapfang ber 2lnjeige bei 
bem iuftänbigcn dichter ben ßrlafe beS Haftbefehl ju beantragen h<*t. 

2Benn biefen Vefitmmungcn gegenüber unb entgegen ber (fog. ^reufeifche) 
Csntiourf bie unoerjügliche Vorführung ber oorläufig geftgenomraenen oor ben 
dichter fchlechthin oorfchrieb, ohne in ben ÜDtotioen bie nach jenen obligatorifchc 
Vorführung oor ben Staatsanwalt, bcgio. beren Veibehaltung für geroiffe gallc 
— auch nur mit einem üBorte ju ermähnen, fo feheint mir bie« unroiberlegbar gu 
beroeifen, bafe im ^ntereffe einer möglichft befchleunigten richterlichen Vefchlufe* 
nähme bie Staatäanroaltfchaft als befonbere ^wifchen Onftattj überhaupt nicht 
hat jugelaffen roerben follen. ')ad)t unerroogen roirb bierbei geblieben fein, bafe 
bie äulaffung einer folgen %n\tani naa) bera Vorgange jener ©efefte bie ©e> 



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§. 128. 6t $r<?3. O. 317 

Währung einet, wenn aud> nur furzen, bcfHmmten VefcfcluBfaffungS^rift 
bebinge, unb bafj eS nid^t unbillig fein würbe, bicfeftrifl für bic Staatsanwalt» 
fd^aft ebenfo lang, wie für ben Amtsrichter, ju bemeffen. 

$)cr bent 9teid)8tage oorgelegte (Sntrourf enthält in ben §§. 116. unb 
117. genau biefelbcn Vorfdjriften unb auch bic bezüglichen 2Wotioe (cf. SMotioe 
©. 159) ftimmen mit ben oben rotebergegebenen Sftotioen beS erften ©ntrourfS 
unb aroar roörtlidj überein. SBeber in ber Äommiffion, noch int Reichstage ifl 
Sur Sprache gebraut, ober auch nur angebeutet roorben, bafe bie Vorfdjrift beS 
§. 117. (jefct 128.) jur VorauSfcfcung habe, bajj fid) bie juflänbtge StaatSanroalt* 
Schaft ntebt am Sifce beS Amtsgerichts befinbe. 2)ie Äommiffion, beren Vera* 
jungen an ©rünblidtfeit nid&tS ju roünfd>en übrig laffen unb mr @enüg,c 
ergeben, bafj ftc r foroeit es fid^ um bie StaatSanroaltfchaft fyanbelte, auf. bie 
Gr^altung ober gar (Srroeiterung ber 9Jtad)tbefugnijJe bcrfclben nichts weniger 
al« bebaut, im ©egentheil überall beftrebt geroefen Ifl, biete Vefugniffe möglichft . 
5,u befdjränfen, — 'bie ßommiffion bat offenbar an bie SRöglidifeit einer foleben 
Auslegung ber Vorfdjrift gar nid)t gebaut. &ätte fte bie le&tere für möglich 
gehalten, — ber Amtsrichter mürbe iljr hierbei roohl nicht oorgefchroebt haben, — 
fo mürbe fie oorauSftchtlicb ein — an ftdj allerbingS felbftoerftänbltcheS — : „ftetS" 
ober „ausnahmslos" jufä&lich bcfd)loffen Imben. 

2Ste roörtlidh gerabe bie ßommiffion bie unoerjügliche Vorführung bor 
ben Amtsrichter oerftanben hat, baoon geben bie bereits oben erwähnte @üv 
fügung beS äroifchcnfa&eS: 

„fofem er ntd^t roieber in Freiheit gefegt roirb", 
foroie ber fernere Umflanb .Reugnifj, bafä auf Anregung eine« ihrer SJiitguebcr bie 
WcbaftionS^tommiffion beauftragt rourbe, in bem qu. ^aragrapljen aud) bem ®eban* 
fen AuSbrucf $u geben, baf? eine ^ßrioatperfon ben oon ihr ^eftgenommenen nur 
ber ^oliüci jur roeitcren Veranlaffung $u übergeben brauche, ihn aber nid)t noth* 
roenbig felbft bem Amtsrichter oorführen muffe, (cf. SßrotofoHe S. 176). 
tiefer Huftrag ifl unerlebigt geblieben. Ob bic s JtebaWon£*Äommiffton einen 
bezüglichen .Rufats für bebcnrlicp, ober, roeil felbftücrflänbltdj, für überflüffig cjc* 
halten hat, fonftirt nid;t. AllerbingS mürbe bic ^rioatperfon mit bem oon ihr 
nächtlicher Söeile fteflgenommenen ferner ju bem fdjlafenben Amtsrichter ge* 
langen. 1 ) 

©laube ich hiermit ben 9tad)roeiS geführt ju haben, bafj in ben fällen 
beS §. 128. cit. bie Äonfurrem ber ©taatSanroaltfcbaft als nothroenbige 3rotfd)cn* 
inftanj fd&ledjthin auSgefchlojfen ifl, fo läfjt biefer SHadhroeiS bic hieroon ocr> 
fdhiebene ftrage: 

Ob in benjenigen Ratten ber Vorführung, roo bic juflänbige 
StaatSanroaltfchaft fidj am Stfce beS Amtsgerichts beftnbet, bic Ver» 
mittelung ber Vorführung oor ben Amtsrichter burdj bic 
StaatSanroaltfdjaft gefefclich juläfftg ifl, 

unberührt unb offen. 3d) halte biefe Vermittlung für juläffig unb — unter 

llmflänben — 

inforocit baburd) bie oom ©efefc gewollte unoerjüglicbc 
Herbeiführung einer richterlichen @ntfd>eibung nicht oer* 
jögert roirb, 

für jroecfmäBig, rocil bie jur Erhebung ber öffentlidhen Älagc allein berufene 
StaatSanroaltfcbaft hierbura) in ben 6tanb gefegt roirb, falls fte bie @adjc jur 



1) ^nfccm tie "^rifat^erfon ben itjt tmrdö bie 9Zatur bet Skt^dUttffic C|Ctt>iejenen fßea jut 
nä*Pen ^oIqcittjad)e einfdjlaqt unb ittren Äneflanten bort ©e^ufä SJorfüftrung »or ben ftmtö« 
riebter abliefert, ©ertefet fte m. (£. ben §. 128. nitbt, unb beborf e8 jur SBabrung bietet ©orfebrift 
ntebt be« t>on einzelnen ilommentatoten (cf. k.8. Buckelt ®. 266 9iote 6.) babin borgefcblagenen 
«uötunUömittclß: 3)er ^rttarmann entlätjt in ©emärjbeit be« §.128. feinen Sltreftanten in 
«cgenirart ber i3otijei, unb biefc nimmt ibn in ®cm5&beit bes §. 127. «L 2. fofort »ieber [eft 



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318 



§. 128. 6t Vroj. O. 



Verfolgung md)t für angetan hält, bie foforrigc ^reilaffung beS ^genommenen 
$u ocranläffen unb fo bem AmtSridftcr bic Vernehmung, bcjw. bcn Grlafe beS 
Haftbefehls $u erfparen, anbcrnfaüs aber bem Amtsrichter mit bcn Vcrt)anb* 
lungen mgletch baS etwa fonft noch oorhanbene Material ju unterbreiten. 

SDem nal;eltcgcnbcn (Jinwanbc, bafe bie Vorführung uor bcn Amtsrichter 
^ierburd) immerhin einigen Auffdmb crlcibc, Ijalte ich j$olgcnbcS entgegen: 

Söcnn bie S8orfd)rtft bcS §. 128., welche bem Amtsrichter jur Vernehmung 
beS Vorgeführten bis §um Gnbc bcS nächftfolgenbcn SagcS, olfo 1—2 Sage, 
3cit läfet, jeben Auffajub $wifchcn geftnabme unb Vorführung, — jebe Ver* 
mittlung ber lederen fdjlcdjtbtn aaSfchlicBt, bann borf auch bie ^rioatperfon 
ihren Ärreftantcn nidf)t zur ^olijcimadjc führen, — bann mufj bic ^oli^ei oon 
jeber Vernehmung cincS ^genommenen Abfianb nehmen, — bann mütten bic 
Amtsrichter bei fich einen regelmäßigen Sftadjtbicnft einführen, gegen welche 
ledere Neuerung ftd) Xhtlo (S. 133 s Jir. 5.), Äeller 9Jr. 2. $u §. 128. unb 



mentator befürwortet worben ift. 

^ält man aber bcn Auffdjub in biefen fällen mit bem „unocrjüglicb" 
beS §. 128. oereinbar, inSbefonbere, wie bie genannten Autoritäten es thun, bie 
einftweiligc 2)etention ber beS 9taa)tS fteftgenommenen im ^oliseigefängnifc für 
ftatthaft, fo wirb aud) ber bura) jene Vermittlung ber Vorführung ocrurfaa)tc 
furje Auffdjub nicht in Vetradjt fommen fönnen. 

2>ie Vermittlung roirb fid) je nach ber 2ftt ber Vorführung ocrfdjicbcn 
gestalten, bcj. gan$ in 28egfaU fommen. 

2)afj unter „Vorführung" nicht blof3 bic perfönlicbe VorftcUung, fonbern 
auch ber fidU ju begreifen ift, wo ber ^eftgenommenc bei Ucbcrfcnbung ber Ver=- 
Imnblungen bcrgcftalt jur Verfügung geftcllt wirb, bafj er jeberjeit fofort 
perfönlich oorgeführt werben fann, ift meines SßiffcnS unbeftritten. SBcnu 
£oewc (©. 435 Dtote 4.) bezüglich ber lefeteren Alternatioc bemerft, bafe im 
ftall ber fteftnahme außerhalb beS AmtSftfceS beS AmtSridjtcrS ber geftgenommenc 
fofort nad) biefem Cxt tranSportirt werben müffe, fo fann ich bem nur beipflichten, 
benn cS fehlt tyitt jene VorauSfefcung ber nicht förperlichen Vorführung. 

Grfotgt bie Vorführung, förperlich, fo ift baS Amtsgericht ber für 
fie geioicfcnc Ort. S)aS AmtSlofal ber 6taatSanwaltfcbaft ift in ber Megel jur 
Aufnahme uon (befangenen ganj ungeeignet. S)ie auf bic Vorführung bezüglichen 
Vcrhanblungcn barf ber Amtsrichter, foweii bicS ohne erheblichen ^cttocrüift 
gefchehen fann, junächft ber 6taatSanwaltfd)aft oorlegen. 

Erfolgt btc Vorführung burch Ucbcrfcnbung ber burch bie 
fteftnahme bcjüglichen Verhanb lungen, fo Dürfen bie Icfctercn unter bcrfclbcn 
VorauSfefcung sunächft ber <Staat3anwaltfdjaft jugefteüt, bej. oom Amtsrichter 
corgelcgt werben. 

Haben baS Amtsgericht unb bic 6taatSanwaltfd)aft in ein unb bcmfelbcn 
©ebäubc ihre ©efchäftSjimmer, fo wirb hierburch in ber Siegel ein Auffchub 
überhaupt nicht oerurfacht roerben; — finb beibe Vchörbcn räumlich getrennt, 
fo roirb fich bic Vermittlung ber llebcrfenbung burch bic StaatSanroaltfdjaft in 
ber Siegel bergcftalt bcfdhlcuniacn laffen, baß bicfclbcn in fürjefter ftrtft an bcn 
Amtsrichter gelangen. 6inb bie lofalcn ober fonftigen Vcrhältniffe ber Art, ban 
biefe Vermittlung einen roefcntlidjcn 3citocrluft bebingt, fo ift oon iljr Abftanb 
ju nehmen. 

S)ic 3rocdmä^igfeit ber Vermittlung ber Vorführung burd) bic 6taatS 
anroaltfehaft mögen folgenbe Vcifpiclc illuftriren: 

Am Vormittage finbet eine Vorfühnmg oor bcn AmtSridjtcr fiatt. tiefer 
hält bic Sache jur foforttgen ^vrcilaffuncj bcS ^eingenommenen nidht für angethan, 
oernimmt — wegen ©efdjäftSüberbäuruna. — bcnfclben am l^achmittagc bcS 
näd^ften SagcS unb erläßt fobann ben £nftbcfcl)l. Am folgenben Sage gelangen 




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§. 128. ©t. ^roj. 0. 319 

bic Aften an bic 6taatSanroaltfct)aft, reelle nach §. 126. jur Prüfung ber 
Sache, bc,v (Sr^cbung ber öffentlichen Älagc eine SSoctjc Reit bat. Vct näherer 
Prüfung finbet fic, — bie in Vctracht fommenben ^Jcrfönlid^fcitcn fmb it)r oiel* 
leicht anS anberen Itntcrfucbungcn berannt, — jur ©trafocrfolgung feinen 
genügenben Stn^alt nnb crfud)t beSrjalb ben Amtsrichter um 3Bicberaufr)ebung 
beS ^»aftbcfcljtö. 

^pättc ber Amtsrichter bic auf bic $cftnabme bezüglichen Vcrr)anblungcn 
Sunächft ber — uicUeic^t im 3immer nebenan befinblichen — StaatSamoaltfchaft 
oorgclegt, fo mürbe er fret) bic Arbeit unb bem Vorgeführten bic längere &aft 
erfpart haben. 

©in anberer gatt: 6S roerben mehrere 5ßerfonen rocgen VerbadjtS beS 
2JtorbeS oorläufig feftgenommen unb bem Amtsrichter oorgefütjrt. @r oernimmt 
fic, nimmt ben Augenschein ein 2c. SSärcn bic Verr)anblungcn unmittelbar ber 
Staatsanwaltschaft jugcftellt worben, fo hätte biefc fofort bic Voruntersuchung 
bei bem am Orte bcfinblichcn UnterfuchungSrichter beantragen fönnen unb biefen 
baburdj in ben <3tanb gefegt, bieje wichtigen crflen Untcrfuchungölmnbtungcn 
fclbft üor$unchmcn unb bic eigene Anfcr)auung für bic Unterfudmng nutzbar 
$u machen. 

Safe übrigens baS ©efefc, inbem cS bic unocrjüglichc Vorführung oor ben 
Amtsrichter oorfebreibt unb bic StaatSanroaltfchaft als nothroenbige 3roifd$cninfian3 
nicht anerfennt, hiermit nicht ben fteftgenommenen bem Amtsrichter gemiffermaßen 
oorläufig ganj §u eigen bat geben wollen, bergeftalt, baß bic Verrjanblungen, 
bcj. ber fteftgenommene fclbft niebt oor beffen ^rctlaffung ober oor ©rlaß beS 
Haftbefehls ber StaatSanroaltfchaft ju ©cficht gebracht werben Dürften, ergiebt 
fich flar aus ber Vorfdjrift beS §. 211. AI. 2. f wonach ber Amtsrichter im $atl 
ber Vorführung beS Vefct)ulbigten mit guftimmung Dcr staatSanwaltfdmft obne 
3u3ier)ung oon Schöffen jur ^auptoerhanblung fdjreiten fann, wenn ber 
Vefchulbigtc nur wegen Uebcrtrerung oerfolgt wirb unb bic ihm 3ur Saft gelegte 
£hat eingefteht. tiefes Verfahren, in welchem jährlich im beulten gleiche 
etliche Saufcnb Vettlcr unb Vagabunben abgeurteilt werben, ^at alfo 3ur nottp 
wenbigen VorauSfefcung, baß, wenn aud) nicht bie Vorführung fclbft junädjft oor 
bic StaatSanwaltfehaft ju erfolgen f)ai, boch bie auf bicfelben bezüglichen Vcr* 
hanblungen ihr oorgelcgt werben, benn ohne bic StaatSanwaltfehaft unb ihren 
Antrag rann ber Amtsrichter nicht ocrbanbeln. — 

3n ber $rariS wirb gan§ oeridjicben oerfat)rcn. 3^ managen großen 
Stäbten erfolgt bic Vorführung ftetS burch Vermittlung ber am Ort bcfinblichcn 
Zufiänbigcn StaatSanwaltfehaft. bergeftalt, baß bie ^oU?»eibcI;örbc bic auf bic 
^eftnalnnen bejüglichen Verbanblungcn unter einftweiligcr 3 ur ücfbct)attunß ber 
?ycftgenommencn im ^olijeiarreft ber StaatSanwaltfehaft oorlcgt, unb lefctere, 
fofern fie nicht bic ^rcilaffung anorbnet, bicfelben mit it)ren Anträgen fofort an 
ben Amtsrichter bez. UnterfuchungSrichtcr weiterlebt 3n anberen großen 
Stäbten erfolgt Dagegen fowobl bic perfönlicr)c Vorführung ber ftcftgcnommcncn, 
als auch oic Uebcrfenbung ber bezüglichen Verr)anblungcn ftetS unmittelbar oor, 
bez. an ben Amtsrichter unb zwar in ber Siegel unter gleichzeitiger VcnaaV 
richtigung ber StaatSanwaltfehaft oon ber öeftnahme. Auf biefc Benachrichtigung 
wirb bic StaatSanwaltfehaft allcrbingS nicht Oermten fönnen, wenn anbcrS fic 
Darauf ©ewicr)t legt, oon ben in ihrem Vcjirf oerübteu Straftbaten fictS in 
fürzefter Jyrift tfenntniß zu erhalten. Öcfcbicbt bie Uebcrfenbung ber Verhanblungcn 
burch törc Vermittlung, fo wirb biefc Sdnreibcrci erfpart. 

2)ic ^oltjcibchörben oerfahren aud) infofern oerf Rieben, als bic einen bic 
uoii ihren Veamten feftgenommenen ^ierfonen bem Amtsrichter unmittelbar, bie 
anberen aber bicfelben zunächft fid) «nb burch tyw Vermittlung bem Amtsrichter 
oorführen laffen. $n Greußen ift baS erftere Verfahren oon bem "gerrn Üfiimjrer 
beS Innern gebilligt worben, inbem berfclbc in einer aus Anlaß cincS (Special* 



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320 §. 12a 3t $roj. 0, 

falls crlaffcncn Verfügung rom 8. Januar 1880 (cf. GentrakVlatt für bic innere 
Verwaltung pro 1880, 6. 20) bic Auffaffung, wonach bie oon ben -^olijci- unb 
«SichcrheUSbcamten f eftgenommenen ^erfonen in ber Flegel bem 3uftänbigen 
Amtsrichter unmittelbar oorsufübren finb, mit ber Vefchränfung auf biejenigen 
gäüe, in melden ber Stfc bcS Amtsrichters fidj in bem £ienftbcurf beS auf* 
greifenben Beamten befinbet, für äutrcffcnb erflärt unb fid) zugleich batjin auS* 
gesprochen fmt, bafe in ben fta'Hen, wo ber Amtsrichter feinen 6i| nicht inner * 
halb biefeS DienftbcairfS hat, ber betreffenbe Veamte bic oon ihm geftgenommenen 
an bie DrtSpolijcibehörbc absuliefern haben werbe, oon welcher bemnächft mit 
tl)untiä)fter Vefcgleunigung baS (Srforbcrhche wegen ber Vorführung oor ben 
Amtsrichter $u oeranlaffen fei. $Sie ber Stnlaft unb ber SBortlaut biefer Vcr* 
fugung ergeben, läfjt bicfelbc bie $rage nach ber Vermittlung ber Vorführung 
burd) bie am 6i| bcS Amtsgerichts bcfmblichc jiujMnbigc ©taatSanmaltfchaft 
völlig unberührt unb tjat inSbcfonberc ein hierauf bezügliches Anfügen ber 
©taatSanwaltfdwft an btc ihr als &>ülfsbcamte unterstellten ^olijci- unb öidjcr* 
heitSbeamtcn nicht als unjuläffig erflären, ebenforoenig aber auch fia) in jenen 
gftüen für bic auSnahmSlofc unmittelbare Vorführung burd> bie aufgreifenben 
Veamten auSfprechen wollen unb auSgcfprochen. 

Auf eine redjt er^cblid^c unb oon ben Kommentatoren allgemein ancr* 
lanntc Ausnahme — auf bic nächtlichen fteftnahmen — ift bereits oben ^in* 
gewiefen. GHnc weitere Ausnahme ergiebt fid) aus ber ^otljroenbigfcit, bem 
Amtsrichter mit bem Vorgeführten äuglcich baS VcweiSmatcrial jur Verfügung 
m ficUen. Abgefehen etwa oon ben ^cftnaljmcn wegen VettclnS unb Sanb* 
ftreichcnS, werben $ur ftiyinwg beS VemeiSmatcrialS fdjriftlichc Vertäte ober 
Verlmnblungen unentbehrlich fein. 3u bem Vcbufe wirb ber aufgreifenbe Veamtc 
feinen 2öcg §um Amtsrichter nicht feiten über baS ^oli$ci*Vürcau nehmen müffen. — 

3d) refumire: 

1. $cr Amtsrichter ifl gcfeftlich nicht berechtigt, bic Annahme ber ihm in 
©cmäfehett bcS §. 128. «St. $roj. D. oorgeführten fteftgenommenen, bcj. 
ber auf bic Vorführung bezüglichen Verhonblungcn aus bem ©runbc 
abäulchncn, weil bic juflanbigc 6taatSanwaltfdjaft fich am Sifc bc£ 
AmtSgeridtfS befinbet. 

2. Vefinbet fic^ bie juftänbige etaatSanwaltfaaft am 6ifc beS Amtsgerichts, 
fo ift, infomeit bieS ohne 3citocrluft gefdjehen fann, bic Vermittlung 
ber Vorführung burd) fie, bes. ihre SJtttwirfung babei unb jwar im 
ftall ber nicht törperlidjcn Vorführung: burch Ucbcrfcnbuna, ber bejüg- 
hchen Verhonblungcn an fie, im $aU ber förpcrltd;cn Vorrührung nor 
ben Amtsrichter aber: burch Vorlage ber Verhonblungcn fcitenS bcS 
Sejtcrcn an fie, juläffig. 

3. 2)icfc Vermittlung, bcj. SDfitwirfung ber 6taatSnnwaltfd)aft ift jwctf < 
mäfeig, wirb jeboch (cf. 9lr. 1) burch ihre Anorbnung, bcj. ihre 3u> 
ftimmung bebtngt. — 

Sirb oon biefen bem Söortlaut unb bem ©eift bcS ©cfcfccS gleichmäßig 
9ledjnung tragenben ©ctidjtSpunftcn ausgegangen, fo werben bie beteiligten 
Vehörbcn unter Vcrücffichtigung ber tofnlcu Vcrhältniffc — leicht ju einem 
(Sinocrnchmcn gelangen unb wirb fich, ohne bafe cS einer ©efc&eSänbcrung 
ober Defloration bebarf, eine gleichartige s £raris berauSbübcn, welche ebenfo fcljt 
bem ^ntcreffe ber oorläuftg ^eftgenommenen, ab bem ^«tereffe einer prompten 
Strafjuftij entfpridjt. — 



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I 




Der Ißwxi* ?ur JJram 



3?on £errn Sanbricijter ©. §crbft in ©olbin. 



ßaum wirb unb ift ein ©emeinfpruch wot)l fo oft gebraust unb ebenfo 
oft mißbraucht al£ jene« 2üort: 

©tau, tjjeuret ftreunb, ifl alle $fjeotie 
Unb grün bes& Sebent golbner 23aum. 

bebarf $ur 2Mrbigung nicht be$ oetgleichcnbcn &inmeife$ auf jene ©äfce: 

Verachte nur Vernunft unb SBtffenfchaft, 
2)eS 3Henfchen atterf)ö$fk Äraft! ic. 
fonbern nur ber Jpinbeutung barauf, ba§ c3 aJ2cpr)iftopt)cleS ift, ber jenen 3luS* 
fprudj tljut, unb baf? er ir)n thut, nachbem er bcnfclbcn mit ben bebeutung^ooHen 
SBortcn eingeleitet: 

^d) bin beS trotfnen %on& nun fatt, 
s JJtufj wteber recht ben Teufel fptelcn. 

$>afe plle, 9teid;tf)um unb 9}tannig.faltigteit bc« ©toff<8, wie Um bie 
$rari3 jufu^rt, jur ©idfjtung unb Klärung, ja jur Ilmformung theoretifcher 2uf> 
faffung beiträgt, foll gewiß nicht »erfannt werben. 3ft oic ptttttw ^ cr " 
wertyung, boep ber (Snbjwecf ber rechtlichen üßorfchriften unb 2lnorbnungcn, aber 
gleichzeitig aud) bie Feuerprobe, welche bie begriffliche, bcaiclrnngSwetfe gefefc- 
geberifche ftormulirung ber SChatbeftanbSmomente ju befielen hat; unb nicht 
feiten ift e8 gcrabe bie praftifdfje 2lnmenbung, welche bie Unjulän glichfeit jener 
ftormulirung barthut. 

2lnbererfeit$ aber ifl e8 bie Theorie, welche ber $raju8 bie Sehcrrfchung 
bcsS ihrer Gntfchcibung untcrfallenben (Stoffel ermöglicht, ihr jur 9lnwenbung 
ber jutreffenben iöorfebriftcn auf bie thatfäehlichcn $er$ältmffe, unb jur Untere 
ftellung ber faftifchen (Sreigniffe unter bie entfeheioenben rechtlichen SBeftimmungcn 
bie geeignete ^anbljabe unb mafegebenbc SRichtfcfmur bietet, burch erneuerte ein* 
heitliche Gntwieflung unb SluSbilbung ber begriffe ba3 Material fchafft, ba<3 
wieberum in ber fortfehreitenben ©efefcgebung SScrwerthung ftnbct. 

„2)058 zweifache Clement bc£ ^Rechts, oaS theoretifche unb ba£ praftifetje, 
gehört bem allgemeinen SBefen be$ Stecht« felbft an ." (©aotgnn.) 211« Söefen* 
l)eit bc« Stecht« mujj e« bemnadf) auch einheitlich fowoljl in ber ©efefcgebung, 
als in ber 9techtfprechung $ur 2lnerfennung gelangen. 

$em gegenüber ift bie Älaac über Die ©djetbung unb Trennung, um 
nicht $u fagen ben ©egenfafc unb SBibcrjrreit oon Theorie unb ^rariS mehrfach 
laut geworben. 



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322 



Äu3 bcr $ra?t3 jut ^ßrapg. 



-Jtod) in bcr Vorrcbc junt £anbbud)e bc3 bcutfchen SttafrccbtS betonte 
ü. öolfccnborff bic (Srfcbcmung, „als ob in ben legten ^^rjefjnten unserer 
SteebtSentwuflurtg ©cricbtSprariS unb Xfycoric fid^ immer mehr unb mehr oon 
einanber entfernt haben", unb erft bie nunmehr ocrroirfliajte einheitliche ©ipfclung 
bcr fjö$ft richterlichen Entfärbungen wirb üieücic^t im Stanbc fein, bie »or< 
banbenc Kluft aHmältg auäjufüllcn. 

„(S-ntgciftigung", „Vcrftocbung'' unb „9iacbbetung" — unb anbererfeitä 
,,juriftifcbe &aarfpaltcrei", „©picierei mit imaginären Gegriffen", „phantajtifcbe 
(rrjeugniffe ber ©elcbrfamfcit" — ba<§ finb bie wcchfclfettigen S3efd)ulbigungcn, 
in benen bic ßrtreme fid) $ufpi&en. 

üängft ift c$ sunt guten 3Jtobeton geworben, beffen Klangfarbe burdj 
politifdjc Erwägungen unb anbere, außerhalb be$ Wcd;t<S liegenbe Wütfücbten 



bem Vorwurfe be8 SMtrinariSmu« ju bclafkn, über bic ©ebrauctjsfä^tgfcit bcr 
©efefee abfprccbcnb ben Stab ju brechen. 

^nbefe jebc« 2>ing bat nach Sickenbergs 2Iu8fprudj feine $wei Seiten. 
SBiclIctdjt lofmt eS bcr SRttlie, auch einmal bic Kcbrfcitc ju betrachten, bic Strafe 
gefefcgebung in bem Spiegel ihrer praftifdjen Verwerfung §u beleuchten. Unb 
ba,ut bürfte gerabe bic mit bem 1. Oft. v. 3- iu'ö Sebcn getretene SReugcftaltung 
bcr ÜHed)t$pflcgc einen paffenben 2lu3gang8punft bieten, ^i^tönenb genug finb 
ja bic ^ropbejeiungen, mit benen auch biefe IcgiSlatorifcben @rrungcnfc$aftcn 
bcS beutfeben ÖlcicbS begleitet roorben finb. $m oollen Umfange wirb norauä* 
fia)tlid) auf fie bic Mahnung v. Schwarbes anwenbbar werben, mit bcr er 
ben Kommentar jur St. ^roj. 0. einleitet. 

„(SS ift eine befannte Erfahrung", fo lauten bic 9Borte beS rcebtSgelebrtcn 
^Jraftiferö, „baß bic ^rnriS oft Scbwicrigfeitcn , welche man bei Durchführung 
cineö ®cfe^c§ erwartet hatte, leidet überwinbet unb Zweifel, mit beren fa^arf= 
finniger Sluffinbung unb ^Beantwortung man fieb befebäftigt hatte, nicht auffommen 
läßt, bagegen Komputationen febafft, meiere oon feiner Seite erwartet roorben 
unb baljcr bureb jene S)ctailbcmerfungcn nid)t gclöft werben fönnen. £icr fann 
nur bic Kenntniß ber maßgebenben ©runbfäfce unb bic fdjarfc Sluffaffung unb 
^YcftftcUung be£ in bem ©anjen wie in bem Einzelnen befolgten SuftcmS eine 
nUfettig befriebigenbe $ülfc gewähren." 

S)od; bic Umformung ift noeb im wollen Sfficrbcn begriffen, dagegen ift 
mit bem Oftober r». 3. wieberum eine Epoche beS JHccbtSlcbewS $unt Slbfc^tufe gelangt. 

3n bem ©ewefenen ruht bcr Keim bcr ftortbtlbung unb Entwtcflung bcS 
Sßcrbcnben. 3n bem beworbenen fieb balb möglichft aurcebt su finben, in bem 
immerbin mächtigen unb prächtigen Neubau bcS beutfeben WcichcS fieb mobnliebft 
einzurichten, wirb bic lobnenbe Aufgabe bcr 3 u h m f t t cul - 

2)aß ba3 Veraltete $u biefem Neubau reebt gute Vauftcinc geliefert, baß 
wir bem Vergangenen in »ielcn Schiebungen reichen Danf febulbcn, foll gewiß 
nidjt in 2lbrcbc gcfteUt werben, ^nbefe: w®° oicl Sicht ift, ift ftarfer Schatten". 
S)a;g in bcr scitlta) abgcfdjloffcncn ^ccbtScntwicflung abgelagerte (Srgcbnife gehört 
bcr ©cfdjtcbte an. eröffnet bic SJiügltcbfcit cincö objeftioen tRücfblicfs/ einer 
fachlichen Dinchprüfung, ob bic fdjwcr laftenben Vorwürfe wirflid) nur in bcr 
angeblich boftrimiren (Scfcfcgcbung wurjcln, ober ob nicht bie 2lngriffc bcr 53c = 
grünbung tbcilwcifc überhaupt ermangeln, unb tbcilwcifc bic gerügten Sftififtänöc 
burch bic s 4^rari3 minbcftenS fchulbbaft mit ocranlaBt finb? 

(Sinigc bcr Streitfragen, weldje oermeintlich gcrabc in bcr früheren ( s 3cfc^ 
gebung ihren Urfprmig unö Vcffanb fmben, follcn bann in bem Weiteren jur 
(irörtcrmtg gebogen, unb ihre üöfung ucrfud)t werben. 




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«US ber $rap8 jut Profis. 323 



L 

Tvafl allgemein ift juoörbctfl bic JUagc ob her lieber fülle bet neuen ©efefec. 
©cgenfäfec berühren fid). 3cnct 3WcpI)iftopt)eUfd;c <Safc: 

G§ erben fief) ©efefc' unb Mcdjte 

äBie eine cw'ge tfranfljcit fort; u. f. ro. 
ift burd) ben Vorwurf ungeftümer £aft Der ©efefefabrifation abgclöft roorben. 
;)cbod) „Qefefee finb", nad? bem 9lu£fpru$ be3 ^ürften JöiSmatcf, „wie Slrjcncien; 
fic finb gcwöbnlicrj nur Teilung einer JtranKjett burcl) eine geringere ober uor 
übergebenbe tantyeit". Sief genug muf? alfo ba£ Seiben wol)l eingcwurjclt 
gewefen fein, baö bic Slnwcnbung fo waffenfjaftcr SJtebifamcntc notbwenbig 
gemalt l>at; bic fo oerfdnuene ©efe$c84leberftürjuna weift auf einen ber Teilung 
ober bod? minbeftcnS ber Söeffcrung bebürftigen Bujtanb beftimmt genug jurütf. 

Unb bafe trofc aller IcgtSlatorifdjen Ueberprobuftion bodj immerhin mancjc 
©ebietc ber gefcfcgebcrifdjen Umformung nodj bringenb crfmrrcn, bafür bürftc 
beifpiclSmeife ber $ur 3eit in ©cltung bennblidje, im 2öcfentlt<r)en auf ber $reuf>. 
Ärim. D. 00m 11. 2)ej. 1805 fufeenbe, unb in ber gcfcfcgeberifctjcn ©cftaltung 
bc$ Saljrcä 1845 $um 2tbfd)lufe gelangte *Wtlitärftrafpro$efe ein frrcitlofcS »croei«-- 
ftücf liefern. 

SBor 2lHem ift e« fernerhin „bic moberne Stecrjnif ber ©efefcgebung", ber 
SDtiftfaUcn unb ÜJlifebtUigung in fo Ijoljcm ©rabe ju Ztyii geworben. 
Unb bodj bleibt baS 2öort ©lafcr'3: 

„(SS ift ^eutsutagc nid&t möglid) ein ©efefc ju geben, ofme bafe 
bem begriffe eine gewiffc Setynbarfcit innewohne, unb baS ift eben 
bic moberne Secfjmf ber ©efe^gebung." 
barum nietjt minber wafyr. 

3ft c& ettpa nur bic 6prad>c ber ©efefec, welche eine Umformung erfaßten 
Ijat, ift cö nur bic ©efefegebung, bic mit folgen bcfmbaren SBejcidjnungcn unb 
Scgrirrcn operirt unb operiren mufi? ober ift nid)t in 2öirflia)feit bic gefammte 
SDcnf- unb 2tu§brucfc§mcife be3 laufenben ^al^rljunbcrtö ueränbert unb umge* 
ftaltet roorben ? 

„.^cutjutage willen wir", fo fagt Sange in ber ©cfdjtdjte bcsS SflatcrialiSmuS, 
,,bafj man nur abftraftc, fclbftgefc^affenc begriffe befiniren fann, roic fic ber 
s IJtatl)cmattfcr brauet, um fia) ber quantitattoen 23cfcf)affenl)ctt ber £iugc iu'3 
Uncnblidjc nät)crn 3U tonnen, ofme fidb jeboa) jemals mit feinen Wormeln ju er- 
fd^öpfen. 3 c0er Sßctfuet), ®ingc 3U befiniren, f ablägt fcfpl; man fann ben (Sprad) 
gebraut eines SBortcS willfürlicf) firüen, aber roenn biefeS SBort eine .ttlafic 
oon ©egenftänben nacb iljrem gemeinfamen Sföefen bcjcidjncn f oll r fo jeigt fid) 
ftetö, früher ober ipäter, bafj bic 3>ingc anberS sufammengefjörcn unb anbere 
maftgebenbe Gigenfdjaftcn l;aben, als urfprünglia) angenommen rourbe. S)ie alte 
Definition wirb unbraudfjbar unb mufj bureb eine neue erfcöt werben, bie iljrer^ 
fcitS burdjausS nidjt mebr 2lnfprudf) auf ewigen iScftanb Ijat, al3 bic crflc." 

Kaum beftreitbar ift rool)l bic Folgerung, bap bic ftaatlia^cn, bic politifdjen 
unb [oktalen SScrljältniffc ber legten ^a^nelmtc ooUftänbig anbere geworben 
finb, inglcid)cn, ba§ uornämlia; bic 9iaturmiffcnfd)aftcn m il;rcr (Sntwidflung unb 
2lugbilbung einen Sluffdjroun.q genommen unb anberericitö einen rücfwirfcnocn 
(Sinfluü geäußert ^aben unb duöcrn, ber ft^ faft überall gleiap fühlbar maa^t. 
©taatöpolitifdje ßreigniffe, mafftg unb gewua^tig genug, Ijabcn bic geträumten 
Hoffnungen nerförpert unb DcrwtrHid)t. „Die Ärife, weldje ba§ pl)ilofopl)ifd)c 
Kenten ber ©egenwart erfdjüttert, Ijat alle hergebrachten ^becn in einer 3Bci|c 
in ©ä^rung uerfc^t, bafe feincg ber l)crfömmlia;cn ihJovtc mebr in Ucbcrcin 
ftimmung ftc^t mit einem allgemein anerfannten ^cgrifföinljalt" (Noire). 5)ic 
9Kannigfaltig!cit ber (Srfd&einungSformcn ^at fia^ uncnblidj erweitert; überall 



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324 ^tt ^Jwril jut ^Jrartf. 

finb 3wifcf>enfhifett, Unterarten unb Uebergänge etngcfd&obcn, btc bcr beflimmten 
Sonberung unb 2lbgren 3 ung, ja bcr Senenramg unb SBejcichnung erharren. 

Unb btefem gäbrenben ftlujj unb fliefeenbem ©erbcprojcfj fann fich bie 
©cfefegebungSweife fclbftrcbcnb nidjt cntjictjen. 9lothgebrungen mufj fte mit 
bchnbaren Gegriffen regten, wenn fic nicht ©efafjr laufen null, in fürjefter ftrift 
bereit« eine Umgeftaltung ber Sorfchriften in 2lu8fid)t 3 u nehmen, ober ber 
9iothwenbigfeit eine« gefünftelten, äwangSweifen ©inpaffcnS bcr ftcugeftaltung 
in bie ©efe&eSüorfchrift ju oerfaHen. 

2113 beß Sßuluer noch allein regierte, ba beburfte man nicht beS gewife 
behnbaren Bufafce« „erplobtrenber ober fta) fclbfl entjünbenber ©toffe", unb ehe 
ba« Sebürfnifi ber 6elbftoerwaltung mit ihren oielfachen Ebftufungen fid^ (Sin* 
gang unb ©eltung oerfchaffte, ba mar ber Begriffsinhalt bcr Scjeichnung Hmt 
unb Beamter noch greifbarer unb fafebarer. 2)en 2lu3brücfen: „Scfchäbigung an 
ber ©efunbhcit", „(Sntftellung in erheblicher 2Mfe", „^ortheü", u. f. w. läfet 
fia) eine 2)el>nbarfeit nicht abfprechen, aber paffenbere unb 3utreffenbere, einer 
Üßiftbeutung weniger jugänglichc Sejeichnungen werben faum aufjuftnben fein. 

Ober tu etwa in unferer .^eit, trog be£ deicht fmmS ber beutfeijen (Sprache, 
btc Sdtjroicrtgfcit eine minber erhebliche, für jeben Segriff baS fennjetchnenbe 
©ort ju finben, jeben Segrifräinfwlt auf einen eraften, gefchweige benn auf 
einen geläufigen, geraeinoerftänblidjjen 3lu£brudf ju bringen? *) 

Nichtig maej es fdfjon fein — unb nach 6dfjroar$e'3 3 cll 9 m & W ^ i a 
bic erfahruugSmäfttg mieüerfehrenbe 6rf Meinung — bafj in bcr praftifchen $anb* 
habung be3 ©efcfceS bisweilen 3rocifel entftehen, bie, faH3 fic bei ber s Jtcbaftion 
in 0tücfficht gesogen ober überhaupt oorhergefehen mären, möglicher SBctfe burd; 
eine präjiferc ^ormulirung oon oornherein hätten befeittgt werben fönnen. Sber 
nicht minber auffällig mag eS ben bei ber ^ertigftellung bcS ©efcfccS Jöctheiligtcn 
ebenfo oft erfcheinen, ba| trofc ber wicbcrholt präjifirten ©runbfäfce unb trofc 
ber biefen ©runbfäfcen angepaßten 2ßortfaffung bisweilen ©chwicrigfeiten auf* 
tauchen, bejielmngSweife ©ebenfen aufrecht erhalten werben, bic fcijlcchterbinga 
faum erwartet werben tonnten, unb beren StafemSberechttgung nur in fünfHia)fier 
Söeifc gefriftet werben fann. ■) 

@inc oermetntlich immerhin lohnenbe unb erfolgreiche Sßrobe ift cS, bei 
cntftchcnbcm Zweifel in bcr 2luÄlcgung ben oerfchiebenen ©cbanfcninhalt, bcr 
möglichermeife in ber betreffenben ©cfe&e3i)orfchrtft enthalten fein foll, ja fcharf 
unb genau auf ben entfprechenben SuSbrucf gu bringen; unb e£ wirb wcnigflcns 
ber Siegel nach gcrabc bie oergleidhenbc ©egenüberfteHung ba« 9tefultat ergeben, 
bajj bic im ©efefe gewählte Söortfaffung nur ben einen Inhalt beeft unb nur 
bic eine Auslegung gerechtfertigt erfcheinen läjjt. s ) 



1) Bergt, bic „<Romu>torigtcitSmerftnale" beaicbung§n>cife „Delittämcrtmalc", »inbingö 
formen unb tbre Ucbcrtrcrunqcn «b. ]. 8. 103, Sb. 2. »orrebe d 7 n. |. ». 

2) Sktqleicöe in tiefer Sejietjung bie im §. 244. 6t. ^roj. O. angeotbnete s Jiotb»cnbigteit 
bcr Crftredung ber 93en>ei6aufnat)me auf bie fämmtlicfeen torqclabenen beugen, bie beSfallftflcn 
»crt>anblungeh bei bcr $}orberatbung, {jaljn SJiatcriattcn jur @t. ^roj. O. €». 852 ff., foroic bic m 
Scjug auf biefe Sorfdbrift immer unb immer »ieber notbtoenbig geworbenen b&a)ftricbterlicben £nt* 
fdjeibungen tom 10. Januar, 12. Januar, 10. ^ebrnar, 14. frebruar, 7. «brit, 10. Hpril, 24. »pnl, 
«lefbtfpr. beä «eid)Sgerid)tS ©b. 1. «. 215, 219, 333, 357, 549, 551, 571, 660. 

2>er §. 207 be8 (Sntnmrfä, bcr bie ©eftimmung bc« Umfang« ber ©cwetöaufuabme bem 
ricfcterlitben Cfrmeficn überwies, ift hn §. 244. ber ©t ^roj. O. 'bewufjt unb beabfiebtigt ab* 
geänbert, unb bei bcr ftirirung tiefer Umgeftaltung neben bcr Ifycorie bie 'JJrarte ber einjelncn 
iöunbcöftaaten in umfangreiebfter SBeifc erörtert »orben. 

3) Bergt, betfridöroeife bic nad) §. 74. ber Gro. *l<roj. O. ju beiabenbe gfrage, ob bic 
gegen amtögencf)tlt4e »crfügutiqen k. ftd> riebtenbe »efct)»crbc in febriftlicber, »om Bwoattfk 
jiranqc unabbängiger ^orm ftattbaft ift? (Snbemann, bcr beutfebe (ShjiPfJrojcß ©b. 2. @. 493 
bagegen Eitting, bcr «ctcb^-drctl-^rojeö @. 222. 



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«u« ber ytapi jur »praris. 325 

Söieberholt ift gerabe bic äußere gaffung al$ einer bet ©runboorjüge 
ber neueren ©efefce, inSbefonbere aua) beS beutfehen ©trafgcfclbud^ie« anerfannt 
worben. 4 ) Unb biefe 2tnerfennuna, erfc^cint in Doppelter Stiftung begrünbet. 

CSiit md)t weg $u beutelnber Sorjug beä ©efefce« ift t§> boch, mit einem bo 
ftimmten Söorte einen beftimmten, genau begrenzen Begriffsinhalt $u oerbinben, 
unb in bem fonfequenten ©ebrauch bejfelben SÖorteS für benfelben Segriff ber 
(Srflärung unb ©rläuterung ein maßgebenbeS unb burdjgreifcnbe« «gülfSmittel 
5U fdwffen. Unb bie m biefem 3n>ede gewählten 2Ut3brücfe finb fd)arf unb genau, 
unb gleichzeitig geläufig unb gemein oerflänblich, fo baß noch bei ber Beratung 
ber St $roj. 0. ©neift bie Sorgfältigst ber ffiortfaffung bc« Strafgefe&e« 
rülmtenb heroorheben, unb bie in ftrage gcftcHtc Sluflöjung ftrafred^tlid^er Segriffe 
unter ber Segrünbuug ablehnen fonntc, baß, wenn e£ möglich fei, einen ber im 
©efefc gebrausten SluSbrücfe burch einen populären, gemeinoerftänblic^eren ju 
erfc^en, fchon ba£ Strafgefefc ihn gemäht h«ben mürbe. 5 ) 

Surdjficbtig genug ift benn auch baS Schaufelfnftem, in bem bie gegen* 
faßlichen Singriffe fich bewegen, ©inmal foll e8 bie mangelnbe Stbftraftion unb 
bie barum unzulängliche ^räjifion ber begrifflichen Bezeichnungen fein, welche 
eine Unbeftimmtljeit unb Unfidjer&eit ber 2lu£brucf3weife zur golge Ijat — unb 
bann foll e« roieber baS Slbftrafte, ba£ bem Umgangstone grembe ber 2Bort* 
falfung fein, baS fich ber ©emeinoerjtänblidjfeit unb ber ©ebrauchsfäbigfett beö 
®efe$eS für bie oorroiegenb Beteiligten beS „mittleren &urchfchnittSbilbungS» 
grabe«" hinbernb entgegenftellt. Unroiberleglia) fürwahr ift bie Behauptung, 
baß bie ©efefce für baS Bolf beftimmt finb, aber oermeintudj nicht minber un* 
antaflbar ift bie 2Bahrheit, baß fic in ber Sprache beS geroöhnlichen Sebent, in 
ber 2luSbruclSmeife beS SerfehrS nicht gemacht werben fönnen unb bürfen. 6 ) 
3)aS alltägliche ßeben nimmt eS mit ber Schärfe ber Sogif nicht fo genau. 2)aS 
ajmenbe ilMitempfinben unb auslegenbe Sötitbenfen rechtet nur mit Dem ©emeinten, 
nicht mit bem (Geäußerten. 3)em gefprochenen unb gefchriebenen 2Borte wirb 
ber gewollte unb beabsichtigte Begriffsinhalt ftiüfchweigenb angepaßt, wie fehr er 
auch immer bem SluSbrucf wiberfpricht. Slber biefe oerftänbnißooUe Harmonie, 
biefe fich wecbjelfeitig ergänjenbe unb erläuternbc Uebereinjtimmung hält auch 
nur fo lange cor, als nicht ein wiberftrebenbeS ^Wereffe bie grammatifchc unb 
logifche Auslegung herauSforbert. 3eber Streit eröffnet ber gegenfäfelichen s Jluf* 
fallung Das weitefte gelb, nur bie Auslegung beS in ber SluSbruaSweife beS 
aütägltchen Gebens abgefaßten, jur rechtlichen (Erörterung gelangenbcn Vertrag«» 
entwürfe* gehört wohl ju ben 3)leifterftüdcn reefttfprechenber $rar;iS, bie, ab* 
hängig oon ber SBort* unb Safcoerbinbung, ber Siegel nach ein ©rgebniß liefert, 
baS jeoenfalls ber etwa uorbanben gewefenen 2öillen5übereinftimmung ber Vertrag* 
fchließenben faum entfpria)t, ober richtiger faum entfpredtjen fann. 

2)ie ©efefce ber Jteujeit follen weiterhin lüefenhaft fein, fie follen bie 
©ntfdjeibung rechtlicher Streitfragen umgehen, bie $rariS mit ber ßöfung recht» 
licher B 1156 »^ „intommobiren", bie womöglich mühelos ju befeitigen ber ©efe^ 
geber im Stanbe gewefen fein würbe. Sludj bcuS Strafgefe^buch hat folche 
AJücfen, folche ber 2Biffenf(boft unb Rechtsprechung überantwortete Probleme auf- 
juweifen; ja, bie Soroerhanblungen (äffen fogar jur ©enüge erfennen, bajä bie 
beäüglichen fragen beabfichtigt unb bewußt offen gelaffen worben finb. S)ie 
üehre oon bem fogenannten fortgefe&ten Serbrechen, bie Strafbarfeit besiehung«* 



4) 8crgL ». Äirc^mann, ba§ ©trafgefejjbmf) für ben 9iorbleutfd)cn S3unb 6. 11. 

5) JjSatm, aHtatcriaticn jur ©t ^roj. O. @. 919. 

6) «erat bic treftenbe $tu8füt)tung SoettltrS, X^eoric unb ^lajid »b. 1. ©. 18: „2>a3 
Qitl bet s <Hebahoten toot löblid), aber bie mt unb SEBetfc, wie man e8 erreichen tvoütc, mar »cmt-lt 
unb bat mand)ertei s Jiad>t heile b^etbeigefübrt. Senn man tuvfte mdit ju einer ungeübten, ber 
nötigen ©diätfe entbebrenben «uftafiung ber tfied)tö»ert)ältniffc berunterfteigen, fonbern man 
rau&tc bie ftätjigtetten beö »ölte«, bas Wedn 3U oerfteben, entwicleln, b,eben, ibnen etroag jurauttjen." 



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326 * ö « *«* J« $Wfl& 

weife (Btrafloftgfcit beS VerfudjS mit untauglichen Mitteln, bie mangelnbe begriff* 
lid)e ^irtrung ber ^urechnungSfähigfeit Je. finb Öcifpielc biefer angeblichen 
Untcrlaffungdfünben. Zweifelsfrei lag eS in ber 3)tacht beS ©efe&geberS, auch 
biete ftreitigen, ber Klärung unb Sichtung in mehr ober minber hohem ©rabc 
bebürftigen fragen in ber einen ober anberen ÄÖeifc ju entfeheiben. @r mürbe 
traft biefer Machtbefugnis bie oielletcht nach furjer 3cit als irrthümlidh nach' 
gewiefenen Sluffaffungen ju gefcfclicher ©eltung erhoben, bie fanftionirten Rechts- 
jä&c, bemnächft als unhaltbar erfannt, ber Sfoltrung unb (srftarrung überliefert 
haben, bis eine anberroeite gefefcgeberifche goratulirung bie nothgebrungene 2tb 
hülfe fchafftc. Grft in jüngjtcr ^cit ift glüeflicher Steife jener §. 45. ber $clb* 
$olt$et*£). com 1. s )too. 1847 ju ©rabe gegangen, ber in bem bie 2lnroenbung 
ber SDtebftahlSftrafc bebingenben, mit bem Motioe ibentifijtrten Mcrfmale „in 
geminnfüchtiger Hbfuftt" eine $orauSfct$ung aufftelltc, bie entmeber bie Slnwenbung 
beS SpcjialgcfcfccS in ber Mel^ahl ber gälle auSgcfchloffcn crfchcincn liefe, ober 
ihrerfeits in ber roillfurlichcn ^irirung eines auSfchlaggcbenben SöcrtheS beS 
(Sntwenbctcn begrifflid) bei ©eite gefchoben, besiehungSweife burch biefeS mehr 
ober weniger frembe ftequtfit erfefct mürbe. 7 ) 

Doch bie gefefcgeberifchen ßrjeugniffe finb oielfach mit bem Mangel ber 
3nfonfequcn$ behaftet! 

£>icfer Angriff erfcheint in ber Slmt begrünbet, unb neranlafjte bereits 
©chü&c 3U ber treffenben Ghnrafterifirung beS (sntftehungSpro3cffcS beS Straf* 
gefcfccS, bie er mit ben SBortcn fdjlofe: „man barf ftd) über bie Mangel beS 
beworbenen nidjt, fonbern eher barüber oerwunbern, bafe cS überall bewolmbar 
fid; erweift." 8 ) 

Snbefe wirb ober richtiger fanu woljl bie 2tnforberung ernftlid; erhoben 
werben, bie in bem Uöerbeprojcfj ber ©efejje wurjelnbe Urfachc berarttger ßr* 
fd)einungcn 311 befeitigen, bat wohl ber 9lnfprud) auf Slenbcrung ber (Sefefr 
gebungSweife ein Anrecht ooer auch nur eine 2luSficf)t auf ßrfolgV Selbft bie 
etwaige Abhülfe, bie Mitwirfung ber gefejgcbenben SScrfammlungen bejüglich 
beftimmter Wefcfce refp. bejüglid) einer gewiffen Kategorie oon ©efc&en auf eine 
Annahme ober Verwerfung en bloc einjufchränfen, würbe bei ber größeren ober 
geringeren politifchen 33cbeutung unb Tragweite eines jeben ©efefceS eine uner* 
füübare ftorberung f c { n> <gi c iuürbe fernerhin baS 3nftanbefommcn 3ahlrcid;cr 
©efefce oerhinbem, unb bie uiftanbefommcnben ber Vorige berauben, bie ihnen 
in ben Seratfmngen unoerfennbar unb unbeftreitbar wicberljolt 31t Xtycü 
geworben finb. 

Unb nun einmal bie ©egenprobe. Sinb bie gcfc&gebcrifchcn Seiftungen 
ber Vergangenheit, inSbcfonbere bie ihrer ÄeH mit Stecht "gerühmten unb ancr* 
fannten Vorfchriften beS 2lllgemeinen &anbred)ts oon bem fehler ber mangelnben 
^olgerichtigfcit, Unebenheit unb llnflnrljcit etwa frei? &te flraf rechtlichen 5öe* 
ftimmungen finb oorwiegenb bereits ber Scrgcffenheit anheimgefallen. 2lber ein 
fo langer 3^i^um ift uermeintlid) bod; noch nidjt oerfrrichen, ba& bie fritifchen 
söemerfungen beS 2IltmeifkrS ber ^reufeifdjen MechtSmiffenfchaft, tfoch, mit benen 
er bcifpielSweife ben 18. Sitcl beS II. Zfyzilä einleitete unb begleitete, barum 
minber treffenb unb bebeutungSooll geworben, ober bafe bie mifjbilligcnbe .ftritif, 
weld)e ftörftcr, nicht minber rechtSfunbig unb rcchtSocrftÖnbig, einer gan3cn 
Weihe lanbrcchtlidher «orfchriften gegenüber ausübte, an übe^eugenber ftolge- 
rtd;tigfeit eingebüßt hätte. 2öo bie Schatten ber alten ©cfc&gcbung, 3um Zl)tii 

7) öaelfdmcr, 2i>fkm l>c$ fcrcufjifcfccn iStrafrcd)t§ Ob. 2. i». 426, 437 ff., 439; ^inbinq 
a. a. O. »t>. 2. ©. 540 ff.; iWertcl im ^anbbuefte »t. 3. @. 622 [f., 628 ff.; <»dm>ar3c, 
Äommcntar 242. 6. f>92; octgl. t)ic »nmertung »on 56ülon>8 jur ?relb« unto gorft^olij««' 
Ortuunfl '5- 0. 12 Dahin: „$)ct »egriff Der (w\*<) (intwcittung ift gaitä tcrfclbe, »«e Hx 

2)tcbftabU." 

8) «r*» 20. ©. 350. 



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«iiS ber i3rari§ jut v l*wpä. 327 

in roefentlidjen fünften burd^fefet dou prinjipiell abrocid&cnbcit Umgeftoltungen, 9 ) 
in bic neuere 3«t hineinragen, ba l>ctrfd)t bod) minbeftenS feine gröfjere SUax* 
hett unb golgerit^tiafeit, unb nur bie 3cu)re lange Befolgung ber in ben höchft* 
ritterlichen (Intfcheioungen 511m 2äfaSbrucf gelangten Stillegung bcr ©cfefccsftcllen, 
welche an Jfcaft unb s ltttrfung authentifcher Interpretation bisweilen naljc genug 
heranftreidf>en, oermoebte bie güUe ber in benfelben nad) ©ortfaffung unb In- 
halt liegenben 3toetfel unb SBebenfen }u »erbcefen. 

Unb auf bcr anberen Seite ift c£ roieberum bie $onfcqucn$ be£ Straf- 
gcfcfecS bejichungSroeifc feiner Auslegung, bie Jabel erregt bat. 

3)a3 bem Segriff bc<5 s Jted)tSftaate8 entftammenbc (Srforbernife „rcdjt* 
mä&iger Ausübung bcS 2ImteS" im Sinne bcS §. 113. 0). St. ©. foll bic 
ftaatlid)C Crbnung unb beren <Qanbl)abung gcfäbrbcn, bie McchtSficherljcit brach 
legen. läßt ftd) nid)t in ülbrebe fteucn, bafj bureb bic Aufnahme bcS bc* 
regten 2JferfmaL3 in bic Strafbcftimmung „ber Ertrag bcS Staates an ©traf* 
urteilen" ^Töbgcminbcrt, bafe eine Sittel oou fällen ftraffrei roirb, bic nod; 
nach §. 89. beS feumfdjen StrafgcfejjeS geftraft raerben fonnten unb würben. 
2lber roelche ©efdhrbuna. unb Schäbigung crroächft bem StaatSrooljlc aus ber 
forgfältigften Söahrung jenes ^cchtögrunbfafccS? 

2)er ^Beamte, beffen näd)fte Aufgabe es bod) in bcr Zfyat ift, ftdr) mit ben 
i^m obliegenben amtlichen fechten unb Mieten oertraut 51t machen, wirb ge* 
nöthigt, bic ©renjen biefer amtlichen Söcfugniffe genau innc ju holten, — um 
bann mehr beS StraffchujjcS im oollften Umfange thcilfjaftig 3U werben. 

$n Se^ug auf bie ben fogenannten 2lrreftbrucb behanbclnbe S3orfd)rift 
beS §. 137. SD. <bt. ©.93. hatte bereit« 3ohn im §anbbud)c 23b. 3. S. 194 auf 
bie begriffliche 9tothroenbigteit beS rürfroirfenben (SinfluffeS ^ingerotefen, beu 
jene« einmal anerfannte (Srforbernife ber ^Hcchtmäfjigfeit bcr 2lmtSauSübung auf 
bic anberrociten, bie 3uftänbigfeit beS Beamten erforbernben Strafbeftimmungen 
ausüben mufe; er hatte inSbefonbere betont, bafj bic bem Straff chu^ ju unter* 
fteüenbe öeichlagnahmc eine formell unb materiell rechtsgültige, ber befchlag- 
nehmenbe Beamte gerabe in bem fraglichen ftalle ber 23efchlagnahme juftänbig 
fein muffe. 3 n bem (srf. 00m 18. s Jioo. 1879 10 ) fyat ber höchfte ©erichtSlpf 
beS beutfehen Meiches ben Safc auSgefprochcn, „bafe bcr recbtlidjc Erfolg biefer 

2) ta&rea,el (ber Sefchlagnahme) bauon abhängig, bafc bic mit 2lrrcft belegten Sachen 
Sur 3«t oer Süehanbigung beS SlrreftbefehlS bcr rechtlichen ober thatfächlichen 

3) iSpofition beS jenigen unterliegen, an ben ber toeftbefehl ergangen ift", unb in 
bem Urtheil oom 25. $um b. 3. roiber ©eppert bcjüglia) beS §. 156. beS 
3). St. ®. 33. bic rechtliche Sluffaffung gebilligt, baß 3ur Grfüllung beS SfchatbeflanbcS 
nicht bie Suftänbtgfeit bcr Schörbc &ur 2lbnal;me einer eibcSftattltchen SJerfichcrung 
in abstracto genüge, fonbern eine folche ^ufumbigfeit in concreto erforberlid; 
fei, unb bafe bie je im gegebenen galle mangelnbe ^orauSfc^ung einer folcben 
3uftänbigfcit bie ^ichtanroenbbarfeit ber beregten 35orfa)rift bebinge. ") 

@incn förmlichen Stothfcbrei l)at enblidt) bie übelbeleumunbeie angeblich 
übergroße SJcilbe beS Strafgefe^eS heroorgerufen , unb, roenigftenS bcjüglich 
einiger Straf anbrobungen, bie abänbembe legiSlatorifchc ^hätigfeit fobalb in 
üöemegung gefegt. 



9) a5crgtcict?e 3. ». Die Srimtnatotbnung bom 11. 35ej. 18()5, bic ^erorbnung bom 
3. San. 1849 unb baä (»efe^j bom 3. SDtoi 1H52; ba3 2MlitärfMflcfct> mm 3. «pril 1845 
Ib. IL.; bie 8t. O., bie ^erotbnung t>om 1. 3«ni 183;^, unb ba§ (»ejet? »om 21. 3uli 1846; 
ba« a. il. SR. unb beflen ja^treidje ttrgänjiitifleti. 

10) »r*ib »b. 28. ©. 34. 

11) «Jergt So^oto im §anbbud)e S9b. 3. <S. 239; eAworjc, Äommentar §. 156. @. 432; 
8*ü^e, t'eljrbu* ©. 309 contra Cppentjoft, Äommentar «ote 2., 3. äinn §. 156. 



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öat man bei ber nicht megjuleugnenbcn Steigerung ber Straffälle auch 
ben Umftanb gebüljrenb in söerücffichtigung gejogen, bafe baS Inkrafttreten besS 
St. ©. 33. in bic 3*it nicht lange oor Veenbigung beä großen, ruhmreichen ÄrtegeS 
fiel? ÜBJeifen etwa bie gerichtlichen unb ftaatSanwaltf ertlichen Siftcn aus ben 
fahren 1867 unb 1868 nicht eine ganj gleite Gehrung ber Verbrechen nach, 
bie auf bie (Sinfüljrung eines neuen, milberen Strafgeldes boch fc^lc^tcrbingd 
nicht jurücfjufübren ift. ^ft jener burdjauS nicht oercinjelte, nur in ber ftorm 
wechfelnbe, ebenfo oerfehrte alö unoerftänbige (£inwanb ber beS SföibcrfknbeS 
gegen ben @rcfutto*Veamtcn befchulbigten BngeElagten, bafe fic ifjrcrfeitS an bem 
^elbjugc Xtyiil genommen, etwa eine ganj unerflärliche ©rfcheinung, ober ift er, 
nic^t minber als bie Straftat fclbft, ber SluSflujj beS burch bie .Kriegsgefahr 
übermäüig gefteigerten SelbftbemufjtfeinS, ber Ütadjwirfung beS tfriegSjufianbcS, 
ber feine' eigenen, in oielen Begehungen anomalen fechte unb Regeln forbert 
unb befolgt? 

©ewijj foll ber 2lbfchrccfungStheorie als foldjcr nicht gchulbigt werben. 
Slber vollauf gerechtfertigt erfcheint boch bie ÜWafjnahmc, ber fid) häufenben 
5liJieberfehr ber Straffälle gegenüber oon bem anoertrauten Strafmaße im oollften 
Umfange ©ebrauch ju machen. $ft oa $ gefeiten? Sie tflage ob beS Ueber* 
hanbncljmcnS beS SchanfbctrtebeS ift weit genug laut geworben. Snbtfc beburfte 
eS nicht einer ganjen 9teihe hö<hftrichtcrlid)er (£ntfcheioungen, um in ben fällen 
beS unbefugten, flraf baren Betriebes beS SdjanfgewerbeS nur bie3ugrunbe* 
legung ber Stcuerftrafe bei ber Strafabmeffung einzubürgern V — ein £inauS* 
geljen über baS niebrigfte Strafmafi werben uorauSfichtlich nur M$fi oercinjelte 
Strafurtheile aufjuweifen im Stanbc fein, (Sine oergleichenbe ©egenüberfteUung 
ber Straffäfce beS beutfehen unb preufcifdjen St. ©. V. hat roiebcrholt bereite 
ftattgehabt. *£ie refultirt uorwiegenb in ber öerabfefcuna ber 20jährigen 3üä)U 
hauSftrafe auf eine fünfzehnjährige 3^loauer, forote ber Erweiterung ber Strafe 
gremen nach unten hin bei Vergehen. 2)ie burd; bic 9iooclIe uom 26. gebr. 1876, 
welche jene klagen mehr ober weniger fmt oerftummen laffen, herbeigeführten 
Vcränberungen befchränfen fich in ber hier fraglichen Beziehung, abgefehen oon 
ben öerabminberungen in ben §§. 103., 183., auf bie gtrtrung anberweiter 
Strafminima in ben fällen ber 113., 114., 117. ( s Biberftanb gegen bic 
Staatsgewalt) unb beS §. 223. a. (#örpcrucrlc|mng), bezüglich berer überbiefe 
beim Vorhanbenfein milbernber Umftänbe bie früheren Straf grenzen aufrecht 
erhalten finb. 

2Öo lag nun in bem Strafgefcfe fclbft bie Verpflichtung, ja nur bie Be* 
rechtigung auSgefprochen, fich noch ^er 2luSbrucfSwcifc Beyers „in ber 
9tähe beS Minimum aufzuhalten?" 

3Baren jene klagen über bic gefährbenbe üDiilbe überhaupt begrünbet, fo 
waren fic {ebenfalls auf baS Strafgefefc urfachlich nicht äurücfzufüijren. (Sin 
©efefc als unpraftifch bezeichnen, baS bie praftifche öanbljabung unb Verwerfung 
im wollen Umfange frei läfjt, — baS boch in ber Zfyat fich «i eine falfchc 
2lbreffe richten, fich auf Unfoften beS angeblichen SoctrinariSmuS ber eigenen 
Verfdmlbung entladen. 



Sie oorftehenbc ftragc leitet oon felbfl ju einer weiteren Umfchau in 

bericlben Dichtung, ju ber Betrachtung über, wie fich &te Stechtfprechung bem 

©trafgefc^ gegenüoer geftcllt, lejjtercS fich in ber praftifchen .^anbhabung ge- 
flaltet hat? 12 ) 



12) SBenn trflent» ciij ^egrift Debnbat unto öictteutig, fo ijl e« »o^l ber «uSbnitf ,,)>rattifd)". 
Qu bcrfcbitDeitartiac ln\.\< roerbeu ta, unter eiiifeitiger Betonung bald biefeä, balb jeneä Mc^> 
fiebtspunttes, untcvicbicbälöiJ 3ufammcn9«mifCb,tV 3fl *• bie fad)* unb wmunjtgcmä&c «nwenbung 



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&u« ber $rari§ jur 'prartö. 



329 



9)ian roar gewohnt, bic ^rariS, rote fte in bcn ©ntf Reibungen beS be* 
jiehungSroeife bet f)öd)ften ©eridjtShöfe in bic ©rfcheinung trat, uns mit ber 
%\)toxk in oergleichenbc Schiebung ju bringen. 

5?aum yat roohl bet (SrfahrungSfafc einen begrünbeten SBiberfprucb $u 
fürdjtcn, bafj bicfe ^ödjft ritterlichen Urteile jene SSerfchmelaung beS theorctifdt)cn 
unb prattifc^en Elemente« aufroeifen, baß fie baS (Srforbetnife einheitlicher unb 
grunbfäfolichet (sntfdheibuna roa^ren. 2öenn ber 9tegel fcheinbare Ausnahmen 
gegenübertreten, fo fällt in S ®eroid)t, bafj bie Sporte it)re Säjje einheitlich aus 
einheitlichem Suftem entroicfelt, unb in einem einheitlichen Präger jum Abfehlufo 
bringt, bafj fie nach ber AuSbructSroeife ferner' 0 „oermöge ber ^rinjipien auf 
bie uliaffe ber (Sinjelnheiten einbringt", ju ben gewonnenen 9techtSfäfcen im forn* 
binirenben Kenten praftifdje Belage fud)t, — bafj bewegen bie Stechtfprechung 
„bem tüdifdicn Spiele ber roecbfelnbcn Majorität" nicot ganj entzogen ift, bafe 
bie UrtbeilSfinbung ju bem gegebenen SJiatertal bie Rechtsnorm auf|'ud)t, unb 
bajj bei biefem Suchen bie thatiächUchen SBerhältniffc unb begleitenben Umflänbe 
beS (sinjelnfalleS fich oft ftarf genug in bcn SSorbergrunb orangen mögen. 

$)ie ocrgleichenbc ©egenübetfiellung auf bic hb^Rrichtcrli^cn ©ntfehei* 
bungen befdjränf en, beifjt boch roohl ein 9techeneyempcl mit unjurreffenben $aftoten 
auffteHen. Unjutreffcnb nach beiben Seiten hin. 

®enn einerfeits fommen in Anfafc bic Momente, bic o. Äirchmann 18 ) 
jur ^egrünbung ber roiffenfchaftlichcn SBebeutung ber ftubifate bahin heroorhebt, 



• ausgezeichneter ^uriften unb Kenner beS Utechts finb, bafj ihnen alle &ülfSmittel 
für * bic richtige Seurtheilung brr ^rage einfchliefjlid) ber Ausführungen ber 
nieberen ^nftanjen unb ber SKed)tSanroältc, foroie aUc früheren $räccbcn$*3ätte 
ju ©ebote ftehen" — 3J?omentc, benen fich bic bcn SBorinftanjen jur Saft fallenbe, 
oft genug mit Schroierigfeiten oerfnüpftc Älärung beS thatfächlichen SadroerhalteS, 
foroie baS gesteigerte ArbeitSpenfum anreihen, um einen Untcrfchieb oon oorn* 
herein erflärlich ju machen. 

2lnbererfeitS oer fehlt in ber ©ejiehung, bafj bie enbgültigcn ©ntfdheibungcn 
ber legten ^nftanj nur einen üerhältnifnnäfjig geringen ber sur Slburthei* 
lung gelangenben Unterfudtjungen umfaßt. SDie 3)khrjahl ber ©traffällc fommt 
bereits in bem erften Urteil su befinitioer Grlcbigung. Skr oerblcibenbe 9teft 
finbet in ber jroeitrichletlichen ©ntfeheibung feinen Abfdjlufj, in bem ein weiteres 
Rechtsmittel entiocber überhaupt nicht eingelegt roirb, ober eingelegt , ohne 
materiellen erfolg an ber flippe ber formellen 9iichtigfeitSbcfdjroerbe, einfchltcfjlich 
ber ber 9iachprüfung ber ^Rechtsfrage unjugänglichen, bie SBorentfdjeibung fichern- 
ben thatfächlichen ^eftftcllunq, feheitert. 

£er quantitatioe Sdjroerpunft bet s Jtechtfpred)ung ruht crfichtlid) in ben 
Sorinftanjen, unb es fragt fich nur, ob hier baS gleiche 8Ub fich roiberfpicgelt? 
Üttan oerglcichc einmal baS Spruchergebnifj sroeicr angrenjenben ®erid)te, wie 



ber fflccbtSnorm auf bie ber Snrfcbäbung unterfaücnben tbatfctcblicben SJerbäUniffc, ift cö feie ein« 
beitlicbe Auslegung berfelbcn ©orfibrift, bic gletcbinafei^e ^Befolgung beffetben WecbtSgrunbfa&eS 
ober gar baS Parre ^eftt?alten an bem «ämlictjen ^nnji<>? iu ei bie rafcfye «uffihbung ber 
Äueftblag gebenben töetbtöregel für ben »orliegcntcu ^all, ober bie UrtbetlSfinbung naS) ber 
flieget bcö fogenannten gefunben SWenfcbentierftanbcsi, unbetihntnert um bic ^ofttiuen Scrfttriftcn 
beä Weltes? ift e§ bie bisweilen jur ^räfumtion, um niebt ,-,n fagen ^-ittion fid) ge^attenbe 
Jöcriicfficbtigimg ber Örtlicben ober gar ber ^erfönlicbcn Serbältnifje, ift & bic 3 wttf b i < ,, ^* te » t 
ber ju trenenben ober getroffenen (Sritfcbcibung, baö ^n. Sctracbtsiebcn be§ <£rfolgeö ober anberer« 
fcit§ bic »broägung ber bcn (Srfotg abjnjetfcnben SPlittclV :c. (Sä ift crfitbtlitt), ju »ic »crfdjicbenen 
Folgerungen btc $ u fl run telegung ber einen ober anbercu ^3rSmiffc tnnfiibren mu§- 

Cime cbenfo intcreffante als tebuciebe (Srfcbeinung bürftc c8 fein, mie noeb bei ber Sorbe» 
rattjung ber «ätrafproK&orbnung 3ur fllecbtfcrtigung ber oft cntgegcngcfcfctcn (Srunbfd|je auf bie 
^raytö ber einzelnen «unbeöftaaten benjabrljeitenb unb beftätige'nb «ejug qenommcu wirb. 

13) ©t. ®. ». für bcn 9iorbbcutfcben »unb. g. 12. ' 

attyC 1880. 6. *<ft 22 




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330 ber ? rfl P s i m JWfc 

fie ju einer StaatSanroaltfchafl oerbunben maren. SSeld^c ftülle ber 2?er* 
fdnebenheit in ber Veantroortung ber ZtyaU unb StedjtSfragc, meldte Siüancirung 
in ber 2lbroägung beS Strafmaßes! Unnrillfürlich wirb ber 33unfd) oollftänbiger 
Vereinheitlichung ber Ütcd^tfprc^urtg auftauten, ber ja felbftrebenb bem (Gebiete 
unlösbarer Probleme anleint fällt. Slber bic Öilbung möglich^ großer ©ertd^ts^ 
bcäirfe, bic, gleidmicl ob in crjtcr ober jioeitcr ^nftans, oic ftbrocichungen, um 
nicht §u fagen ©egenfäfce, in Sejitg auf $hatfrage, Sted)t3frage unb Straf3umeffung 
einigermaßen auS3ugleid)en in ber Sage finb, möchte, in oollfornrnner SBürbigung 
ber anbererfeitS barauS abfließenben SlachtheilCj immerhin ju begrüßen fein. 

Unb nun bie praftifche £anbl;abung bcffclbcn StrafrcchtcS bei bemfclbcn 
©eridjte! 

©rfid^tltdf) ift boer) bie Aufgabe, bic bem Strafricbter $ufäfft f faum eine 
leid^tcrc , geschweige eine minber oerantwortliche als bie Obliegenheit beS 
mit ber (Sntfdjcibung oon ^Hcd^töftrcitigfcitcn betrauten ©ioiltid^tcrS. §ier tritt, 
minbcftcnS überwiegenb, nur bic 2lb* refp. 3ucrfennung oon Vermögensrechten 
in %xa$t. ®ort hanbelt es fid}, wenigftenS in ber SDicljräafjl ber ^-äüe, um baS 
föftltchfte ©ut ber perfönlia)en greil)cit r unb anbererfeitS um bie fchwcrwuchtigcn 
Singriffe gegen (£igentt)um, ©efunbljeit unb Scben, um bie gröblichen Vcr* 
lefcungen ber fittlichen unb ftaatlichen ©runborbnung. 

Vcrmcintlid) ift fernerhin baS Strafred)t faum eine einfachere, rechtlichen 
ßwetfcln unb Scbenfen ingleichen abiocidjcnber 2Uiffaffung unb Slnfdjauung 
minber zugängliche SkchtSbiS3iplin. 

Ober fann ein ben beqeitiaen SebenS* unb 3SerfcbrS<$Berbältniffen ent* ' 
fprechenbeS, bem Schule beS 3ufammenlebens genügenb Stcdjnung tragenbcS 
Strafgefefc ein fo fa)lichteS, cinfadjcS fein? 3ft beffen Verfaferung mit faft allen 
©ebieten oeS öffentlichen unb ^rtuat^HechtS enoa geeignet, ein emgehenbcrcS unb 
umfangreicheres Stubium su erübrigen? Sdwn bic Scfchäftigung, bic %a$x? 
Ijunbertc bem 3luSbau unb ber SliiSbilbuug ber ftrafrcchtlichen formen geroibmet, 
che an baS angeblich „fompli3irte" beut)a)c ©trafgefefe gebaut mürbe, biirfte bic 
ftragc entfeheiben. 

s Jüohl gehört ja baS ©trafgefe^ im Sinne beS SSorteS ju ben ©efefcen, 
„welche recht eigentlich für baS Volf gemacht finb." Snbeß etroaS 2lnbereS ift 
eS, eine £anblung im Semußtfein ihrer äöibcrrechtlichfeit, ja ihrer Strafbarfeit 
oerüben, — etroaS SlnbereS 3U miffen, 3U erfennen unb 3U beftimmen, welchem 
Straf gej'efe bic betreff enbc ^anblung untcrfällt, ob baS Zfyun als 2)iebftahl 
ober Unterfchlagung, als Staub ober . Grpreffung, als Stötfngung, grciheits= 
beraubung ober Äörperocrleöung 3utrcffenb 3U dwrafterifiren ift. &ier gilt rcdjt 
eigentlid) baS SBort beS geiftrctd;en, praftifd) erfahrenen Lichtenberg: 

„Um ficher Stecht 3U thun, braucht man fcljr roenig oom Stechte ju miffen, 
allein um ficher Unrecht ju thun, muß man bic Stechte ftubirt hoben." 

©ewiß ift cS ein gutes 35ing um „ben ©enius beS gefunben S)knfchen^ 
oerftonbeS". Slber bic „ftunft bleibt Äunft", unb baS Strafrecht SBiffenfchaft. 
2)ie fichrc oon ber Xhcilnahme ow Verbrechen, bem Vcrfuch, ber Vorfäfclichfeit 
unb gahrläffigfeit, ber ßurechnungSfälngfeit 2c. macht oermeintlich ein rechts- 
roiffenichaftlicheS Stubium gerabe fo nothroenbig unb erforberlich als bie Xheoric 
ber ^anblungS* unb VertragSfälngfcit, ber ocrtraglta>n 2ÖillcnSbeftimmung unb 
28iUenSüberetnjtimmung, ber Schulbocrhältniffe, beS (SigenthumS u. f. n». 

3ft tro^ aUebcm SWttß unb ©rab ber Vcfchäftigung, bie bem Strafrecht 
im ©egenfafc jum ^ßrioatrecht ju Xheil mirb, eine gleiche ober boch entfprechenbe? 

3)ie in neuerer $t\t roieberum mehrfach oentilirtc J ta 9 c na( h ÖCt ^l^' 
änbcrungSbcbürftigfcit beS StcchtSftubiumS liegt unferer Slutgabe fern. 2)ic 9In^ 
nähme bürfte jeboa) mohl faum auf SiHberfpruch ftoßen, baß in ber Sßrartö bie 
Steigung 3U einer eingehenberen S3efchäftigung mit bem Strafrecht eine ocrhältniß^ 
mäßig feltene unb geringe ift. S)ic nicht roeg3uleugnenbc SChatfachc, baß eine 



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Bus ber $rayi§ jur fxa^. 33 \ 

■ 

grofec Slnjahl bcr in ben Borinftanjen 3ur Berhanblung unb STburt^eilung 
gelangenben ©traffachen beS „jurifhfchcn ^ntereffeS" gar roenig bietet, möchte bie 
(Irfcbeinung rocnigftenS jum Xtyil erflärlich, unb baS Beftreben ocrftänblid> 
machen, bie BerufSthätigfcit auf bie Gioil unb ©traffachen ju oertheilen. Sticht 
cianj ernfllich genteint ift roohl bie $enn3cichmmg bietet ftrafrtajterltchen Berufs* 
thättgfeit bafun, „ben in aller $lüchtigf ett eingebogenen ©eift beS ©traf* 
rechts in jebem 3JJomcnte oon Beuern auf jroei neben il;m ftfccnbe unb roirfenbe, 
mit gleicher SDiacht unb 9lechtShcrrli<htcit auSgcftattetc ©chöffen träufeln $u 
laffen, unb biefelbcn in bie ©cheimniffe beS gar nicht fo einfachen, bejüglid) ber 
©trafaumeffung juntal fogar etroaS tomplijirten 91. ©t. ©. S3'Ä. unb fo nebenbei 
natürlidj auch ber SteichSprojefiorbnung einsuroeihen". (Sin begrifflich etwas 
fchärferer, weniger belmbarer SluSbruc! mürbe baß Ueberrafchenbc ber (S&arafteri* 
firung beS ©t. ®. B'S. rool)l herabgeminbert unb erfi$tlicf>er gemalt haben, bafj 
bie cBtrafeumcffung mit ber ^tyirung ber ©cfammtftrafcn im galle realer 
Äonfurrenj ibenti^irt morben ift- Snbefj fpärltct) genug möchte unter fo 
betroffenen Umftänben ber BefruchtungSproaefj bannmehr freilidE» auSf allen, unb 
eine all$u grofec Ueberfülle an Belehrungsmaterial mag jener flüchtige ©in* 
faugungSprojcfi roohl nicht herbeiführen. 

(£ntgegengcfefcte Behauptungen finb nad) bem ©a{je beS $rotagoraS 
gleich wahr, unb entgegengefe^te ^ntfdbcibungen bisweilen gleich richtig. 2lber 
bod) wohl nur unter gewijfcr Borausfefeung unb Begrünbung. 

gn bem 2)orfc £ mar eines ©onntngS 2lbcnb oon einer im Aufbau 
begriffenen SJtauer eine 2uuahl ©teine aus bem Berbanbe loSgelöft unb herab* 
geroorfen. 5Die in Begleitung mehrerer anberer junger Seutc bort befinblich 
geroefene 20jährige, geifleSgefunbe B. mar geftänbig, einige ber ©teine, ihrer 
2lngabe nach, um bie 9J?aurer ju neefen, loSgertffen unb jur (Srbe geroorfen ju 
haben, ©oroohl oon ber 2)orfgemeinbe, für welche bejiehungSweife in berem 
Auftrage bie 3)lauer erbaut rourbe, als oon bem Bauunternehmer mar ber Antrag 
auf ftrafrecbtliche Verfolgung geftellt roorben. SDie Eröffnung ber Unterfuchung 
rocgen ©achbefdjäbigung rourbe wenigftenS in ber erften Snjtanj unter ber 
Begrünbung abgelehnt, „bafj ber auf Befähigung gerichtete Borfafc unb oaS 
Bcwujstfein bcr 2lngeflagten baoon fcf)le". ©lücflicb gewählt ift bie nach 2Bort* 
faffung, ©afeoerbinbung unb Inhalt otelbeutige 2luSbru<fSweife geroifj nicht, ©oll 
ber „3lngcfchulbigten" baS Bewufjtfein bcr einroirfenben £l;ätigfeit, b. h- beS 
SlnfajfenS an bie «Steine, beS $in* unb $erbewegenS unb ber baburch oerur* 
fachten SoSlöfung aus bem Berbanbe; foll ibr baS Bcwufetfein biefer fchäbigenben 
SBirfuna ihrer XMtigfeit, foH ihr baS &ewujjtfeitt ber Borfäfcltchfeit , baS 
Bewufetfein beS BorfafceS in ber Dichtung auf ben fchäbigenben erfolg 2c. 
ermangelt baben? 

2Bohl gemerft; baS Berou^tfetn ber SHechtSroibrtgfcit, biefeS bebingenbe 
©rforbernife bes beliftlichen BorfafceS, ift nicht angeäroctfelt roorben, unb fonnte 
fchlcchtcrbmgS nicht angesroeifelt werben. ©S fehlt jeglia)er Inhalt bafür, bafe 
bie 2lngcfchutbigte bie oon ü)r ooaführte ^anblung für etne nicht oerbotene auch 
nur hülle erachten fönnen. 

es ift fernerhin beEannt, bajj baS Dbertribunal, l4 ) aUcrbingS in 21b* 
rocichung oon ber anberroeit oertretenen 9techtSauffaffungJ 5 ) ben ©a& befolgt §at, 
„bafe ber jum S^atbcftanbe beS §. 303. erforberliche Borfa^ nicht unmittelbar 
auf bie Befähigung gerichtet }u fein braucht, bafe oielmehr bic Borfä^lia)feit 
ber §anblung oerbunben mit bem Beroufjtfein genügt, bafe biefelbe im geroöhn* 
liehen Saufe ber 2)inge bie Befchäbigung jur §olgc hoben roerbc." 2luch biefe 



14) (frt. 5. SDcj. 1873, *. 6. fyxil 1876, «r*iö »t. 2k ©. 567, »t>. 24. 6. 370; 
SdjflUc a. a. O. @. 501. 

15) ^>älf*ncr, ®tijkm »D. 2. 8. 545, @*marjc §. 303. K. 

22* 



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Streitfrage läfjt ber obige 33efchlu& oermeintlich ganj unberührt; im gegebenen 
«alle roirb ^orftelluna^' unb SöillcnSinfjalt erfichtlich von bem Seroufjtfein um* 
fafct. 2)ie Slngefd&ulbigtc erfaßte bie einjclnen Steine unb rifj fie aus ber $er* 
binbung lo& $iefe £o$trennung peefte ihr betätigtes äßollen ab, unb Unteres 
rourbe Durdh ben Setoeggrunb motiotrt, bie Arbeiter ju neefen. Üßtenn ber Sin 
gefdmlbigtcn, worüber roenigften« ihr ©eftänbmfj in ber ^oroerlmnbtung feinen 
&ufid)lutf giebt, etroa bie Ucberlegung unb 58ergegcnroärtigung fern geblieben 
ift, auf roie Ijod) fid^> ber oon ihr oerurfacfjte SdjaDen belaufen mürbe, fo er* 
übrigt root)l eine weitere Segrünbung, bafe biefer llmftanb ben begriff ber oor* 
f abliefen Sachbefdjäbigung $u beeinfluffen nicht im Staube ift. SDte (Sinroirfung 
auf bie bereit« fc|tgemauerten Steine mar eine gewollte, in biefer (Sinroirfung^ 
roeife erfüllte fut ber fdfjäbtgenbc ©rfolg, unb biefer fich als Skrlefeung ber 3n* 
tegrität ber Sadje barfteUenbe (Srfolg mar fogar beabfichtigt. ©er $orfteü"ungS* 
intjalt beefte fich im oorliegenben Straffalle genau mit bem 2ötUen8inlwlte f unb 
e§ ift in ber Sljat nid&t erfennbar, meines jum 3:^atbeftanbe ber oorfäfelichen 
Sacbbefchäbigung erforberliche Moment ber Slngefduilbigten nicht beroujt ge* 
roorben, bejiehungSroeife geroefen fein foHV 

©er im &ienfte be3 91. befinbliche 6. mar in beffen Scheune mit bem 
2Iu£brefchen oon ©etreibe befchäftigt. S)ort erfdf)ien bie wegen 3)iebftat)ü8 mehr* 
fad) oorbeftraftc 3). mit ber Sitte an (£., ihr bie Söegnatjme einer Quantität 
bc§ bort lagemben Strohs ju geftatten; ein 2lnfinnen, ba£ 6. mit ber Ent- 
gegnung: er l;abe fein ©troh, roenn fie folcheä ^aben roolle, folle fie fia) roa£ 
holen! bc^iehungSroeife, nach ber in sroetter ^njtons roieberholten 3eugenbefunbung, 
mit ber 2teufecrung beantroortete: 

Äomm frofe bir ein 33unb. 

2öäf)renb ber Stbroefeuljcit beS 6. aur üMittagSjcU entnahm bie 3). einige 
SBunbc bcS Strohe«, ba« 6. oor ber Scheune hatte liegen laffen, unb berief fich, 
fpätcr roegeu SDicbftaljLS unter Slnflage gcftcllt, ju ihrer ^Rechtfertigung, allerbingS 
erfolglos, barauf, bafe 6. iljr bie ShJegnaljme be£ Strohe« geftattet ober boch 
nidrt oerboten Imbc. 3)er mitangcflagte 6. rourbe in 2Ibänbcrung ber 3>orcnt- 
fdjeiüung freigef prochen, eine 3lnftiftung, fo lautete bie beSfallfige Scgrünbung, 
fönnc in ber beregten 2teufeerung beö (S. nicht gefunben roerben. @£ fönne 
roeber als erroiefen angenommen roerben, bafj 6. burch bie im Saufe bcS ©c* 
fprädjeS auf bie 2lnfprache ber bingeroorfenen Söorte ben @ntfchlu& ber 
lederen jur Begehung bcS StrohbiebftatjlS tyabt heruorrufen roollen, noch bafe 
leitete lebiglia) burd) biefc ©orte 3ur 2luSfüljrung beS ©icbfta^l« beftimmt 
roorben fei. 3)ie i^r burety baS 3tn^aufcn oon Stro^ oor ber Sd^cunc ge* 
botenc ©elegenfjeit, fid^ baS 5)cttftrol; buxti) ©iebftaljl ju oerf Raffen, ^abe 
i^r nid)t entgegen fönnen, unb mit 9tütffid)t auf iljre Sergangcnljeit fei an il)rcr 
Sereitroilligfeit, biefe ©elegenljeit aua) oljne eine an fie ergangene 2tufforberung 
äu benu^en, nid^t $u peifeln. 

2)aS Urt^eu ift unangefochten geblieben, unb ber fubjeftioirte ©runbfafc: 
in dubio mitius, mag aud) biefe 9kgatio*geftfielIung refp. geftfteHungen tragen. 
S)ic begriffliche gormulirung ber Xf)eilnal)me aber, roie fie baS beurfdf)C Strafe 
gcfe§ bietet, roirb für ba£ ©rgebnife fc^roerlich oerantioortlia) gemacht roerben fönnen. 

SBenn bie £>. nidbt lebiglic^ burc| jene SIeufeerung 3ur Segc^ung beS 
©icbftat;l§ beftimmt rooroen ift, fo roürbe bamit nodtj nic^t einmal bie 2lnnal)me 
auSgcfchloffen fein, bafe nid^t beffen ungeachtet eben in jener tafjerung ber ben 
SöiucnSentfchluB motioirenbe unb fomit urfachlic^e SeftimmungSgrunb rourjelte. 
3)ie besfallfige 2luSfül;rung roürbe beS^alb fogar ber ^eftftellung, ba§ eine oor* 
fä^lidje SBeftimmung ber 5D. für oorliegenb ju erachten, nicht entgegenftehen. 

äofet aber „bie gan^e Sachlage", inSbefonbere bie oorgängige 2lufforberung 
ber 2). an ben ($., bie Folgerung gerechtfertigt erfcheinen, bafe ber (Sntfchluü 
Sur biebifchen (Jntroenbung beS Strohe« in ber SD. in ber £hat burch bie tänU 



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Äug ber $rap$ jur ?raji3. 333 

gegnung überhaupt nid^t erft hervorgerufen roorben ifi, fo bränat ftdj bod) immer« 
5m bic nahe lieäcnbc ftrage auf, ob nicht bet 2). burch Sftath unb %i)at £ülfe 
gclciflet, ob nicht tf)r bereits uorhanbener, bet Selbftbeftiramung erroachtener 
(Sntfdjlufe burch bie ihr geworbene Entgegnung geförbert unb geftärft, bic Sc* 
gehung ber £hat „burch bie gebotene — unb fügen roir ^inju benufctc — 
Gelegenheit" unterftüfct unb erleichtert ijt? Sern 6. fällt jur Saft, bafj er, bcr 
für baS 6troh unb beffen Sicherheit als beauftragter Arbeiter beS 21. ju forgen 
hatte, bie oon ber X. flar genug in AuSficht gefteüte Sntrocnbung nicht nur 
nicht gemifebiHigt, fonbern gegenteilig burch bic aufmuntembe Acufjeruna.: 
Äomm, \)ok 3)tr ein ©unb! geförbert, bie 2). in bem oerbrccherifchcn ©ntfchluffe 
beflärft, unb auf bie AuSffihrungSroeife gerabe3u hingeroiefen, bafs er fernerhin, 
ftatt baS feiner Obhut anoertraute @ut in geficherte SBerroahrfam ju bringen, 
lüährenb feiner Abroefenheit ber 2). bic befte unb bequemfte ©elegcnhett jur 
^erroirflichung ihres (SntfchluffeS geboten fmt- AnbererfeitS Jat bie feft* 
ftchenbermafeen biefe bargebotene ©elegenheit benujjt, unb ber in ber mehr bc- 
regten Aeufeerung liegenbe pftjdnfche Ginflufe, fei eS, bafj er bic SBilbung unb 
baS 3 u f tanocfommcn oc $ oerbrecherifchen (SntfchluffeS geförbert, fei eS, ba§ er 
bie Ausführung unb Serroirfltchung beffclben erleichtert unb gefräftigt hat, tritt 
in bcr cinroaubSroeifen Scjugnahmc bcr 2). auf bic angebliche 3uftimmung unb 
©enehmigung feitenS beS @. flar genug 3U £age. 

3}e$üglich bcr ßrafrechtlichen Gharafterifirung jener oicl ermähnten 
Aeufecrung als £ülfeletftung mag ftatt aller weiteren Gilaie bic Ausführung, bie 
ferner bereits bem ^reufeifchen Strafgefefcbuch roibmete, ^lafc finben: 

„SDodj roirb man ben Segriff bcr Anleitung nicht fo eng faffen bürfen, 
bafj bic ftrafbaren $älle, roo bic geiftige ©tnrairfung fi<h nicht gerabe 
als ein Anreisen, SScrlcitcn ober Sefrimmen jur 3#at burch roirffamc 
Seroeggrünbc aufraffen läfet, ftrafloS roerben. (SS mürben fonft ^-alle 
fhafloS bleiben, bie faft intellettueHe Urheberfchaft, unb bie ftraf barer 
finb, als bie Ülathfchläge über an$uroenbenbe Littel unb über bie 
Art unb Söeife bcr Ausführung; roaS offenbar nicht im Söillen beS 
©efejjgebcrS gelegen haben fann." 16 ) 
2)afj eS fernerhin „ohne Csinflufe ift, ob bie $ülfe eine nothroenbige ober 
fclbft nur förberliche geroefen ifl ober nicht" (Schroarje), barin ftimmen oor* 
auSfichtlich bic bchauptetermafecn „oiclfach überflüffigen Äommcntare" unb &hr* 
büchcr beS beutfdjen StrafgefefceS übercin, unb bamit roirb jener heroorgehobene 
Umftanb, bafj bic mehrfach oorbefrrafte 2>. auch ohne bie Aufforberung, bic 
(Gelegenheit sur biebifchen (Sntroenbung ju benu{jen, bereit geroefen fein roürbc, 
bebeutungSloS. 

2öcitcrhin finb cS bic mehrfach abroeidfjenbcn ScgriffSbcftimmungcn beS 
preufeifchen StrafgefcfeeS, welche oft in ber Auslegung unb praftifchen Germer* 
thung beS beutfehen ©trafgefefcbucheS nachroirfen. AIS SBeifpicl mag ber §. 15(1 
beS erfieren bienen: 

„2öer burch eine SSerlc^ung ber ©chamhaftigfett ein öffentliches 
Aergernifj giebt", 

bcr trofc bcr bcrou&tcn unb bcabfichtigten Umformung bcr ShatbeftanbSmcrfmale 
im §. 183. £. 6t. ®. 33. balnn: 

„2öer burch eine untüchtige ^anblung öffentlich ein Aergernijj giebt," 
immer roieber in bic 9tecf)tfprechung refp. JlcchtSocrfolgung hincinfpiclt, unb ben 
bemnächft eingehenber ju crörtemben, fcnnseichncnbcn Untcrfchicb bcr Strafbc* 
ftimmung beS §. 183. gegenüber ben 6trafanbrohungen ber §§. 3ÖO. 3ir. 11. 
185. 2c. üerroifcht 



16) ©niHDfa^e jum yx. et i». ». «o. 46; »crgl. 6$»at3C a. a. 0. «2. 166, 168; 6d)üt>e, 
s J2o^»Dtnl)igc £I)eiUtaf)inc €>. 285 :c. 



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334 auS b " y* a & 5 ut ? ta P 8 « 

2luch bog beutfd&e Straf gefefcbuch ift oon Streitfragen unb aHeinungSoer«« 
fchiebenbeiten nicht befreit geblieben; eS t^eilt in biefer «ejiehung baS gleite 
Scbtcffal mit allen anbeten s JtcchtSbiSjiplinen. S)te Befolgung beffelben Rechts* 
grunbfafecS, bie $anbhabung beS nämlichen SßrinjipS bureb baS nämliche ©eridfit, 
felbftoerftänbltch, ' ohne fieb einfettig einer rooblbegrünbeten neuen Anficht unb 
Sluffaffung p oerfcblie|en, erfdjeint aber gcrabe ht ber ftrafred)tlid)en stecht 
fpredfjung ein nothroenbigeS Erforbernift. 

2>er £anbelSmann £. rourbe burch ben SlmtSoorfteljer angeroiefen, ben 
an bie Sorfftrafje angrenjenben $aun jurütfsurücfen; eine Söeifung, bie er mit 
ber (Entgegnung beantwortete: Dber auch nicht! 2luf ba§ nunmehrige ©ebot beS 
Seamten, er fotte febroeigen, erroiberte 2.: 2)aS brause ich nicht! ES erfolgte 
bie Verurteilung beS 2. wegen Seleibigung. 

3n einem anberen galle erging fidj Ä., wegen Erreaung ru^eftörenben 
SärmS, oon bem amtlich einfdjreüenbcn 9tadjrroäd)ter jur 9luge oerroiefen, in ber 
2leufjerung: Sie haben mir nichts ju fagen, Sie ^iepcnfop! — unb CS mürbe, 
roenigftenS in ber erften Snftanj, °* e Einleitung ber Unter fudfmng unter ber 
Ausführung oerroctgert, bajj ber ÄuSbruä ^iepcnfop nur einen Äopf bezeichne, 
ber pfeift, unb bafe barin eine Scleibigung nicht enthalten fei. 

®aS beutfc|e Strafgcfefcbucb bat bcfanntltch eine SBegriffSbcfttmmung ber 
8cleibigung nicht aufgeteilt, unb eS mag babin geftellt bleiben, ob eine ber er* 
malmten (£ntf Reibungen auch nur ben 3Herfmalen einer Definition entfprid&t 
ober entfpreajen fann. S)ie nämliche ScgrtffSbeftimmung ber JQeleibigung 
bürfte beiben Entfcbeibungen boa) rooljl nicht uorgefd&roebt haben. 

SDtc fctcnftmagb SD. hatte ihren Sienft eigenmächtig oerlaffen, fidj einige 
3eit banach in ©emeinfebaft mit ihrem ©ruber ohne äßijfen unb Sitten ber 
£ienftherrfchaft nach ber SBobenfammer ber lefcteren begeben unb oon bort ihren 
tfoffer weggeholt 6ic rourbe unter ber fteftftellung, bafj fic, unb jioar gemein* 
fchaftlich mtt einem Stnberen, roiberrechtlich eingebrungen, roegen JauSfricbenS* 
brucbS oerurtheilt, inbem, erftcbtltcb im 2lnfdhlufj an baS llrtheil oeS DbertribunalS 
(SR. b. D. 53b. 9. ©. 463), aufgeführt rourbe, baf3 ein Einbringen im Sinne beS 
§. 123. 3). St. ®. 33. auch bann oorliege, roenn ^emanb frembe Ääumlichfeitcn 
roiber ben juuermuthenben Söillen beS Inhabers betritt. 

Unter gleicher fteftftellung rourbe 5- beS ^auSfricbcnSbrucbeS für fchulbig 
erachtet, ber, jufammen mit einem 2luberen, in ber 9lacr)t ein umfrtebctcS, mit 
einem SBolmhaufe oerfeheneS frembeS ©artenbeft&thum betreten unb bort über* 
nachtet hotte, unb roegen beS nämlichen Vergehens rourbe ber Änecht ©. beftraft, 
ber, gleichfalls jur SRacbtjeit, in bie flammer ber S)ienftmagb beS SC. ctngcfticgcn 
mar, „ba, fo lauteten bie EntfcbeibungSgrünbe, ©. offenbar gegen ben SBillen 
beS EigenthümerS in baS §auS eingebrungen, unb eS gleichgültig ifi, ob bie 
Sienflmagb ihn hierju aufgeforbert Imt, roeil ber lederen ju folchcr Slufforberung 
feine SefugniB $uftanb." 

Ebenfalls roäbrenb ber 9kcht hatten bie beiben Äncchte 3K. 9t. baS rings 
umfchloffcne ©ehöft beS S3auerS 3c. betreten, hotten aus ber auf bem öofe be* 
finblichen S^äbchenfammer bura) baS genfter ÄleibungSftüdfe ber bort fchlafenben 
3)ienftmagb hcrauSgclangt, roaren in berfclben -Dtacbt naa) bort jurürfgetehrt, 
hatten bie Sachen jurüdgebracht, bie Dienftmagb bura) ©eroerfen mit ben Sachen 
beläftigt, unb fta) bann oon bem ©ehöft roieber entfernt. 

Die auS §. 123. S>. St. ©. 8. erhobene Auflage rourbe jurüdgeroiefen, 
roeil „in ben ben Sefdmlbigten jur Saft fallenben ^»anblungcn nur ber £hatbc* 
ftanb bcS groben UnfugS(?), nicht bcS baS Veroufjtfein einer ©törung bcS 
JeauSfriebcnS burch ^anbeln gegen ben funbgegeben SBillen bcS EigenthümcrS 
oorauSfe^enben ^auSfriebenSbrucheS ju pnben fei." 

sticht lange bonaa) rourbe roieberum St., ber in Slbrocfcnheit bcS nach bem 
$olabiebftahl3gcfe& nicht oereibeten q3rioatförfterS X. bellen Statt betreten unb 



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Stuö bct ^JtayiS jut ^JrayiS. 335 

aiuS bcm lederen bie non £. ihm bei VerÜbung beS öoläbiebftahlS abgenommene 
Statte roegaeholt Ijotte, rocgen ^auSfriebensbruchcg beitraft. 

Waffen mit tykt bie ^rage uncrörtert, ob ftd^ bog Vergehen be3 ,§au3* 
friebenSbrucheS bereits in bem'Vetrctcn beg fremben, befriebeten Vcfü)tbum3 
miber ben oermutbeten ober $u oermutbenben 2BiUen be£ $tfobnung§*j n h Qü cr<8 
(Grfcnntnijj be§ DbcrtribunabS), in bem Gintreten unter ^ufjcracbtlaffung ber 
Siegeln bc3 gewöhnlichen VerfchrS (Sohn), bcjtebunggroeife, roie in bem frag- 
ten J-allc, unter gröblicbfier Verlegung bcS gewohnheitsmäßigen VraucbeS erfüllt, 
ober ob ein foanbeln „miber ben präfumtioen ÜSHUen" nicht ausreißt (Schmarre), 
ja gar ber Vrudf) eines funbgegebenen 2Biü*en£ erforbert roirb, roie ihn ber ab* 
lefjnenbc Vcfcblufj jur VorauSfebung bat — ein Grforbcrntfj, bellen Siotbroenbiglcit 
aUcrbingS ben Sd)u& beS ^austrieben« mehrfach in ftrage [teilen möchte. ®cm« 
felbcn ftrafrccbtlicbcn tßrtagip, einer einheitlichen wccbtSauffaffuna, entflammen 
bie oorerroäbnten Gntfcbeibungen fidjerlicb nicht, unb bie unoermtttelt unb un* 
motioirt tun unb berfebroanfenbe ^ugrunbelegung entgegengefefcter ^rinjipien 
innerhalb bcffclben ©ericbtSbcäirfS bflrftc baS Veroufjtrocrben ber jtrafrechtlichen 
Worin 3U förbern nicht gcrabc geeignet fein. 

3m geroiifen Sinne auffällig ift ja ber übel belcumunbeten Mibe bcS 
StrafgefcfcbucbeS gegenüber bie fiebern ber ^rariS nicht feiten fühlbar machenbe 
."parte ber Strafbeftimmung bcS 3lbf. 3. beS §. 123., bie, ber Annahme milberober 
Umflänbe unjugänglich, ausnahmslos eine einroöchentliche ®efängni§frrafe als 
Strafminimum anbroht. ^nbefe baS tjt ja nun roof)l ber Gnbpecf beS pofttioen 
Strafrechts, in ber $echtfprechung unoerfümmert $ur Snroenbung ju gelangen, 
unb cS oorlommenben ftaUS ber Vegnabigung 3U überlaffen, etroaige gärten 
unb Schärfen anzugleichen. ' 

3fm Strafrecbt beanfprucht jumal im ^inblicf auf bie Vereinheitlichung 
ber ftrafrechtlichen Verfolgung, jebe Gntfdjeibung eine ben (Stnjelnfall überragenbe 
Vebeutung. Qnforoeit nicht bie l)ier aufjer Sicht bleibenöe VeroeiSfrage SluSfcblag 
gebenb ift, bebingt bie Annahme ober Slblefmung beS einen ober anberen töecbtS* 
grunbfafccS, bie 3ugrunbelegung biefer ober jener SftecbtSauffaffung bie Strafbarfeit 
bcstebungSroetfe Straflofigfeit einer ganjen Jfategoric oon ^anblungen. Gine 
Ginengung ober Grroetterung ber Straf oorfebrift nach ocn begleitenben Umfiänbcn, 
ein Slnpajfen berfelben an bie jeitlichen ^Bewegungen unb Vefirebungen, eine 
Regelung ber -Jcorm naa) ben $ebürfnififragen beS SageS, nach ben perfönlichen 
unb örtlichen Verbältniffen mufj ber Äanbhabung beS StrafgefcfccS fern bleiben, 
roenn nicht eine fchroantenbe 9le<htSun)icherheit als unroiUfürliche $olgc abfliegen 
foll. Gine ^anblung, bie in ber Vlüthepertobe beS ©rünbungSfcbroinbelS ber 
ftrafred)tlichen Verfolgung unerreichbar roar, fann in ber Qtit entnüchtember 
VerfebrSflocfung nicht nachträglich belangbar roerben, unb bie in ber politifchen 
Strömung ber ©egenroart ftraffreie ^hätigfeit fann ber Strafbarfeit nicht oer* 
fallen, roenn ber Parteien ©unft ftcb änbert. >Jtoch immer behauptet baS ©cfühl 
in bem deiche bcö ©eifteS fein gefonbertcS ©ebiet. 2lber in ber praftifchen 
Verroerthung beS Straf gefe^bucheS ift für baS mitfühlenbe Gmpfinben nur ein 
fehr befchränfter 5Raum. Äategorifch forbert bie fhafrechtliche 9iorm ihre ©eltung 
unb Slnroenbung, roie fehr auch immer ba8 SKitleib auf eine ^reifpredwng hin« 
bräunt, unb ba3 ben ©eliftSraerfmalcn nicht entfprechenbe Verhalten erheifcht 
Straffreiheit, roie fehr auch immer bie Verroerflichfeit, ja ©emeingefährlichfeit ber 
%\)at auf bie 9cotf)roenbigfeit einer gefe^geberifchen llmgcftaltung beö pofitioirten 
VerbrechenSbcgriffS binneift. 

5)em „$urchfcbmtt$bilbung$grabe" ift eS an fic^ nicht leicht uerfiänblicb, 
bafe baffclbe Strafgcfcfc oerfchiebenen ÜDieinungcn unb 2luffaffungen gar oft be* 
grünbet unb berechtigt jugänglich i^. Gine nicht unwefentlichc Veftätigung beä 
SprüchroortS oon ber road/fernen Scafe bcS Rechts roirb ber in erfter Sinie 
betheiligte £aie barin finben, ba^ unter ber ^errfchaft bcffelbcn ©trafgcfe^eS 



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336 Äu§ fcet 'P M * tt $ ut * ra f ie - 

oon bemfelben ©erichte Ijeute biefct&e §anbluno, beS 8. für ftrafloS crflärt wirb, 
bic noch geftern, oon bcm 6. oerübt, mit ©träfe belegt worben ifi, unb morgen, 
oon bem 3). begangen, mieberum firafrechtlid) geahnbet wirb. 

35a& weber bcm ^rajubijienfult, noa) Bern ftarren gehalten an bem 
einmal angenommenen ©runbfajjc baS 2Bort gcrebet werben foll, bebarf oer* 
meintlid) nicht befonberer $eroorhebung. Stur baS unbeftimmte, oftmals mehr 
oon ber ©timmung als ber (srwägung abhängige ©ebwanfen, bie prinjtplofe 
(Sntfcheibung untec abroedtfelnber 3 u 3runbclegung entgegengefefeter ^rtajtpUn 
erfchemt bcbcnflidö unb unjtoccfmäBig. 2luct) barin möchte eine jwccfbicnliche 
ißrartS faum 511 finben fein, etwa mit bem ©chleier ber gefügigen thatfächliehen 
geflfteUung bie 2lnerfcnnung ober 3 uru ^ roc M un 9 cntc 3 ftratrc<$tU$en ©runb* 
fa^ejS $u oerbeden. S)enn baS ©trafrecht bient erfichtlich höheren ^nteceffen. 
2öirb ein SlechtSfafc oon bem hofften ©erid&tShofe aufgeftcllt, fo mag immerhin, 
falls er überjeugenbe Söahrheit md)t enthält, in abroci^enber «egrünbuna 
erfannt unb entftieben werben. 3lber bie (Sntfdjctbung beS ©runbfafoeS felbft 
mufj mr ftrage gebellt werben, bis fid^ in immer neuer unb neuer ©rörterung 
unb dnoägung ber ©egenfafc }u einheitlicher 2luffaffung flärt; nicht aber burqj 
SBctwerf ber einen ober anoeren 2lrt baS Urtbeil gefiebert werben, um einer 
Vernichtung beS StechtSfpruchS im ©injelnfaHe oerjubeugen. 17 ) 

Unb gerabe in biefer SBcjtefjung bürfte fd&werwiegenb genug bie ©rwägung 
inS ©ewtd)t fallen, bafj, ganj abgefeljen oon ber 93ebeutung, welche bie höchft 
ritterlichen ©ntfe^eibungen an fid^ ju beanfpruchen geeignet jinb, wenigftenS in 
einer aHehrjahl oon gäUen ben entgcgengefejjten tlnftd&ten gleich triftige ©rünbe 
jur ©eite fielen, bie erfl nach 3ai)rc lang fortbauernber Prüfung ihre Söfung 
finben. Vis balnn berarttgen ^räjubijien ausnahmslos ju folgen, bürfte 
theoretifch folgerichtig unb praftifer) förberfam er f feinen. 

3wei Sebenfen mögen fchliefelicb im Vorübergehen noch far$ berührt 
werben, welche in SBejug auf bic Umfe&ung beS ©trafrechtes in bie $rartS 
ber S)eutfchen ©t. $roj. D. entfprtngen, — bie burch baS mehr ober weniger 
auSgefprodjene SJltfjtrauen gegen bie ©taatSanwaltfchaft oeranlafetc fiabmlegung 
ber ftrafoerfolgenben Vehörbe unb anbererfeits bie mangelnbe einheitliche 
©ipfelung ber föechtfpredmna,. SBenn irgenbwo, fo erfcheint hier bie Slüge ber 
„Äautelenfucht unb Äautelenjagb" begrünbet. 9)cag immerhin bie 2)ienftfertigfeit 
unb 2lmtSberettmilIigfeit in nereinjelten gaffen bis &ur ©renje beS 2lratSmife* 
braucheS gefteigert fein — gerabe in berartigen fällen finb »orausfichtlich bic 
lauteten unb (SicherunqSmittcl oon bem mit bem Stechte genau befannten unb 
oertrauten Beamten faft ausnahmslos ju umgehen. „Um mit Sicherheit Unrecht 
m tfmn, mufe man bie Siechte ftubirt haben." %n bem oerbletbenben, bodj ftreit* 
loS bie Siegel auSmachcnben fällen bilben bie cinengenben unb einfehränfenben 
Vorfchriften eine fteffel, bezüglich bereit bie Erfahrung lehren mufe, in wie weit 
unter ihrer öerrfchaft nad) ber SluSbrucESwcife oon Suc^S 18 ) „eine prompte 
unb gerechte 5ufrij" burchführbar bleibt. 

2>en ^weiten ^ßunft anlangenb, fo hatte bereits £cin&e la ) bem Entwürfe 
jur ©t. ^Proj. D. gegenüber warnenb heroorgehoben, wie cS in ber £>aub ber 
©traffammer bejiehungSweife ber beantragenben ©taatSanwaltfchaft liege, bic 



17) Sergl. Xixt «uSfü^runfl 9?Ö»8 bei *et »etatbuug ber @t. *ßroj. O. ßafjn, aRaterioticn 
6t. "}koj. O. 6. 884, fcer bie s J?otl)»entigteit öorflänflifler fd»riftti*et Sbfaffung ber Urtfjeitö« 
(irünbe burd) ben §üm>ei3 rctbtferriaen ©erfucfjte, ba& bei einer nad)tT«äqltd)en ^irtrung bie 
fcauijubätiatcit barauf gerietet fein roerte, baö Urtbeil »or ber Vernichtung feitcnS be§ ftaf)ationö« 
bofcS 3U fetjütjen, ba& 311 biefem 3»cde nicbt feiten ben Ibatfac^en ber äufjerfte 3u>ang »erbe 
angetban werben, unb babureb 3»ar bie eintegung beS Äaffationäreturfeö intmUglidt) gemaebt, 
aber nitbt aum sbortbeite be« materieflen ÜRecbteö. 

18) (»cri(btö|aal »b. 30. ©. 400 ff. 

19) ©benba ©. 87. 



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Äus tat jut ^rajiS. 337 

enbgüttige Crntfcheibung bcr Stechtäfrage nach bcr 3luffaffuna bcS SlctdjsSgcric^t^ 
ober nach berjenigen be3 OberlanbeSgertchtS erteilen ju laffen. 

2)ic Grrociterung bcr territorialen ©re^en in ben Sanb- unb DberlanbcS* 
©ertöten im ©cgeufafc }u ben jtreiä* unö 2lppellation&=©erichten finbet in 
9iücf ficht barauf, bafc nach §. 50. beS ©efefceS vom 24. 2lpril 1878 nur bic nach 
£anbe3recf)t ffrafbaren .§anblungen bem Äammcrgericht überroiefen morben finb, 
bereit« in bem fanget einheitlicher Stcchtfprechung, Inufichtlid) ber Uebcrtrctungcn 
il;r ©egengeroicht. 3n betreff bcr ben Schöffengerichten zugehörigen ober übcr> 
roiefenen Sergehen (§§. 27. 75. ©. ©.) tji in ^reufecn ber 3Jioni$mua in 
eine breijefmfaltigc Vielheit serfpalten, unb jur 3ctt fteht oorau3fidt)tlt(fi bic Sc* 
ftätigung baftir noch ob bie in ben s Uiotiocn ju bem ermähnten §. 50. in 
söejua, genommene SRücfroirrung ber rei$$gciichtlichcn Gmfcheibungcn bic Ginheit* 
lichfett Der 9iecf)tfprcchung oollftänbtg ju erfefcen im Stanbe fein wirb. 



IL 

Bit Atntöctgcnfdjaft ber im I;omniunal unb gfrioatbienft bctinbltrljcn lotftrr 

unb Tr lbljütf r. 

1. 

SEcr oormaLS im 35ienft ber ©emeinbe %. befhtblidj geroefene unb in 
biefem $)ienfh>erhältnifc nach SJtafcgabe be8 §. 51. ber gelb* s $oU$ciorbnung oom 
1. 9too. 1847, fomic bc« §. 33. bc$ £oljbicbftahl£gcfe&e3 oom 2. ^uni 1852 
nereibetc Ä. mar im 3af)rc 1874 oon bem 9tittergut£bcfi&er t>. %. $u SX als 
ftörfter unb gclbfmtcr auf unbefrimmte $tit angefteut morben. %n biefer neuen 
3)ienftfiellung fyattt eine ©enehmigung bejtehungäroeife eine Prüfung unb S8c^ 
ftätigung unb fomit auch eine nochmalige Bercibigung be£ k. im Sinne bc3 
§. 51. refp. 33. ber angebogenen ®efet$e nicht ftattgehabt. Grft naa) Ginleitung 
bcr bemnächft $u erroähnenben Unterfuamngen hatte nachträglich eine Söcfannt* 
machung be3 £anbratl)3amte3 im ÄreiSblatte bahnt ftattgefunben, bafj nunmehr 
bem jjerrfchaftlichcn %öxftcx Ä. bic Sefugnife jum 2öaff engebrauch in ©emäfeheit 
bc« ©cfcfceS nom 31. 3Jcan 1837 unb bcr auf baffelbe' $c$ug Imbenben 3n* 
ftruftionen crtheilt morben fei. 

3m Sommer 1875 mar ber Gigcntfjümcr oon bem Ä. innerhalb be§ 
feinem Schule untctftcUtcngorftbe$irfc$ beim^oljbiebftahl betroffen morben. hatte 
bem Ä. einen ^^aler mit ber Sitte eingehänbigt, oon einer Sln^cigc abgehen. 

bcr gegen rocgen Beftechung aus §. 333. 55. St. @. «. eröffneten Unter* 
fuchuna, erfolgte in sroeiter Snftnnj ftveifprechung. £ur Öegrünbung würbe 
aufgeführt: 

®ie oon ben ^rioatbefifcern mit bem ^orftfdfmfc beauftragten Sßerfonen 
feien Beamte, roenn fic nach SJto&gabe be$ §. 33. bc3 2). ©. oereibet roerben. 
Ginc foldjc Becibigung fei inbejj nur unter Beobachtung ber Grforbernifte bc£ 
§. 32. bafelbft ftatthaft. liefen Grforbcrniffcn fei nicht genügt, inäbefonbere 
ber oon bem tf. oormals als beßcUter gclb^ unb Söalbhütcr bcr ©emeinbe %. 
gclciftctc Gib nia)t geeignet, für feine gegenmärtige ^unftion ©eltung ju bean* 
fpruchcit. 5Dcr im §. 33. a. a. D. oorgefchriebene Gib fei fein 2lmt3eib unb 
Ijabe niajt bic Süirfung eine« folchen. SlUcrbingS hätten bic im §. 32. s Jlr. 2. 
feftgefc^ten 2?orbebinaungen ber Sßcrcibigung auf bic ©laubroürbtgfeit besS Sc- 
trefteuben ihre nächfte Sejicfmng. ©emi& aber fönnc einem ^rioatroalblmtcr, 
bem ber im §. 31. a. a. 0. ben gerichtlich ocrcibctcn Jotftfdmfcbcamtcn beigelegte 
©laube fehle, nicht bie Gigenfchaft eine« öffentlichen Beamten beigemeffen roerben. 



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VIR 2lu3 b« ^mriS atr'Crariä. 

$>a£ in feinem ©nbergebnife oermeintlich gutreffenbe Urtheil ifi nicht an* 
gefönten roorben. ©£ mag ^iet nur auf ba£ Vcbcnflicbc ber Schlußfolgerung 
btngeroicfen werben, ber bereite bie Grroägung entgegentritt, bafe bie ertjö^tc 
©laubroürbigfeit im Sinne beS §. 31. be£ §. 3). ®. oon ber nach SJtafegabe 
be£ §. 33. bafclbfi ftattoe^abten Vereibigung abhängig gemalt, nicht aber an bie 
möglicher SBeife vollgültige Vcftallung unb Veeibigung als Beamter angefnüpft 
ift; baß nach ber auSbrücf lieben Vorfcbrift bc£ §. 359. 3). St. ©. V. fogar bie 
Scifhmg bcS 3)ienftetbc£ gleichgültig ift, unb bajj bcifpieLStueife auch bem jroeifeHoS 
mit 3lmt£eigenfcbaft auSgcftatteten ^olijeibeamten bie erhöhte ©laubroürbigfeit 
im Sinne ber citirten Vorfcbrift crmangelt. §ür bie Vejabung ober Verneinung 
ber hier allein fraglicben SlmtSqualität ift bcSlwlb ein Inhalt au£ bem beregten 
Momente ber ©laubroürbigfeit überhaupt niebt ju entnehmen. Von Vebcutung 
mürbe bie bie ©laubroürbigfeit bebingenbe Vereibigungim Sinne be£ §. 33. L c. 
oielmcbr nur infofern werben, als biefclbe ettoa als URobuS ber Slnfkllung, als 
2lft ber 2(mtSübcrtragung m ebarafterifiren ift, ähnlich roie bie fpejiette Qualität 
ber ©fenfeabnbeamten als ^olijeibcamte uon ibrer Vereibigung in bem Reglement 
abbängig gemalt roorben ift. (Grf. oom 5. gebr. 1873; Slrchio 33b. 21. 6. 192.) 

bereits »or bem oorerroäbnten Vorgange mar bie oerebcliebte ©. oon 
bemfelben Ä. auf ber feiner Veaufficbtigung gleichfalls anoertrauten Söicfe beim 
©raSfcbneibcn angehalten roorben. Tic @. fcjjte ber oon Ä. beabftebtigten 
4 4$fänbung gcroaltfamen SSiberftanb entgegen, unb ü)r herbeigeeilter ©bemann 
bebroljtc ben St. mit bem Verbreeben oeS SobfcblagcS. ©. rourbe roegen Ve* 
brobung auS §.241. 2). St. ©. V. oerurtbeilt. 9iacbbem in ber jroeitricbterlicben 
Gntfa)eibung barauf I)ingeroiefen mar, bafj baS Vergeben beS SStbcrftanbcS gegen 
einen ftorftoeamten eoent. Vcamtcn in ftrage trete, rourbe bie Unterfucfmng 
gegen bie ®. auS §. 113. eingeleitet. 3)ie Ermittelungen ergaben, bajj bie 
Söiefe, auf ber bie ©. betroffen roorben, ju ber frorft nicht gehörig. 2)te ©. 
rourbe in atoei ^nftanjen freigefproeben, inbem aufgeführt rourbe, bafe bie ©igen* 
fd;aft als gorftauffeber überhaupt nicht in Vetracbt fomme, fonbem nur bie als 
gelb- unb äöicfenauf feher. 2)ie Veamtenqualität eine« oon einem ©utsbcftfccr 
angefteUtcn ftelbbüterS fei bura) bie Vcobacbtung ber frörmlichfeiten, roelcbe in 
ben §§. 50. 51. oorgefebrieben, unb namentlich bureb feine Vereibigung bebingt. 
(@oltb. 2lrcb. Vb. 6. S. 841 ; SR. b. 0. 9b. 13. S. 869.) Ä. fei ohne Ver- 
eibigung unb ÜJlitrotrfung ber Veljörbe angefteüt, unb bie frühere ©ibeSleiftung, 
bie fieb auf bie bamalige ftunftion befdjränfe, nicht geeignet, bicfcS ©rforbernif? 
ju erfe^en. 

3)ajj ber bie beiben ©ntfebeihungen fiüfeenbe WecbtSfafc bcrfelbe ijt, ift 
erfiebtlicb. 3>aS le^terroäbnte Urtheil rourbe auf eingelegte 9ücbtigfeitsbefcbrocrbc 
bureb ba<5 Cbertribunal oemichtet (Slrcb. Vb. 24. S. 609). „S)a3 angefochtene 
©r!enntnife, fo lautet bie l)kv intereffirenbe Vcgrünbung, gcl;t oon ber Rechts* 
auffaffung au3, bafe bie Veamtcnqualität eines oon einem ©utSbeft&er angeftcllten 
gelbbüterf bureb bie Vcobacf)tung ber prmlichfeiten, roelcbe in ben 50. 51. 
ber s ^5. 0. oorgefchrieben unb najncntlich bureb feine Vcreibiguna bebingt ift. 
3)icfc 3luffaffung ift nicht jutreffenb. SDcr §. 51. ber fr % 0. ftellt bie Vc> 
bingung für bie erhöhte ©laubioürbigfcit ber ^elbbütcr, nicht für beren Vcamtcn* 
eigenfehaft auf. ftür bie grage, ob ber ^elbhütcr cinc5 ©utSbcfi^erS bie 
stechte unb Pflichten cineä — mittelbaren — Staatsbeamten fyat, 
fommt cS barauf an, ob baS lanbliche ©ut su einem ©emeinbeoer* 
banbc gehört ober nicht, 52. «p. 0., alfo einen fclbftflänbigcn 
©utSbejirf bilbet. Sollte ctroa bie Slnftcllung bcS tf. nach Einführung ber 
ÄreiSorbnung erfolgt fein, fo rourbe rocitcr in Vetracht ju sieben fein, ob unb 
welchen Ginflufj biefcS ©cfcjj auf bie 2lnftcUungöbered)tigung bcS ©utsherrn 
refp. bie 3lmtSeigcnfd)aft ber oon ihm angefteUtcn gclbhütcr geäußert hat." :c. 

5)aS nach erneuerter Vcrhanblung ergangene 3rocitrichterltche Urtheil gc> 



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, . . ,- ^ ■ J 1 . , v ,r. • -vy k . . \ 



*u3 ber $rapä jttr ^rortS. 339 

langte nunme&r $ur grctfptc^uno in bct tfmtfäd&Udjen Erwägung, ba& bie ©. 
bie SlmtSeigenfdjaft bcS Ä. ntd^t gefannt f)abe. 



2. 

2)ie 2lmtjScigenfd)aft bejm. eine gewiffe 2lintSqualität als Grcfutiobcamter :c. 
fommt in boppclter öcjiejjuna in Setradjt. Sic bilbet cincrfcifcS ba3 Mitta* 
merfmal ber ben 6d)uft ber Organe ber (Staatsgewalt abgroedfenben 33orfd)riftcn, 
unb ftcllt ftdj anbcrerfcitS als bebingenbeä (Srforbernijj ber fogeuannten 2lmt3* 
beUfte bar. 3m §. 153. beS ©. 2J. ®. ifl ben SanbeSregterunaen bie 33cjeia)nung 
ber als «pülföbeamtc ber StaatSanwaltfdjaft fungirenben Beamten flaffen beä 
^olijei- unb 6ia)cri)eitSbienftcS überladen worben. Unbebenflid) erfdjeint e« in 
ber Xf)at „baß ber 2luffid)t3bienft — bie Ausübung ber fioxft' unb 3agb*Mi$ci 
— in ben Äöntglid)cn gorjten als 6idjerf)eit3bienft anjufeljen ift." Scffcnun* 
geartet finb in Greußen auäwetölidj ber aJlinifterial'2krfügung vom 15. Sept. 1K79 
jclbfi bie mit beut ftorfifdmfc beauftragten Äöniglidjcn ftorftbeamten ber beregten 
Seamtenflaffe im 6inne be3 §. 153. beS @. 2J. ©. nicfjt bctge$äf)lt worben, unb 
fomit für bie Beantwortung obiger $ragc auä ben betreffenden Bcfrtmmungcn 
irgenb weldje Hnfjaltcpunfte nia)t m entnehmen. 6inb bemnadj bie gorft; 
beamten fd)led)tt)in ju einer Scfdjlagnaljmc unb SDurdjfudjung nad) Maßgabe 
ber §§. 9-i. ff. ber 6t. Sßroj. D., abgefcl)en oon ber äuäfütjrung einer in 
©emäfjlpit ber citirten 3Sorf$riften in rca)t3gültiger 2Beife angeorbneten 
$cfa)lagnalnnc 2C., J0 ) nidjt befugt, fo legt boa) bereite baS in SRücfjidjt tretenbc 
33crgefjen refp. $Berbrea)cn ber Seftedjung im 6inne ber §§. 331. ff., ber Körper* 
oerlefcung in Ausübung bc£ 2lmte3 naa) 2*orfd>rtft beS §. 340. SD. 6t. ©. 
u. f. m. flar, bafj bie ftrage nad) ber 2lmt5eigenfd[)aft ber ^rioatförfter nad) wie 
uor oon praftifdier (irficblidjfeit unb Sebeutung ift. 

%l& aufjerljalb ber ©renken ber Ijüer gesellten Aufgabe liegenb, fd)etbet 
bcSljalb bie jur nad)roei«lid)en SScrooHftänbigung biefer praftifdjen Sebeutung 
ettoa geeignete Erörterung aus, ob unb in roeldjem Umfange ber §. 16. be£ 
$orftbiebflafjlj3gcfe&e3 00m 15. 2lprtt 1878, unbefdjabet ber angebogenen Sor* 
fünften ber 6t. ^roj. 0., ben nia)t als $ülf3beamte bejeidmeten Beamten ober 
gar bem 2öalbeigcntf)ümcr unb bem oon biefem befleHtcn 2luffef)er bie 33ef#laanaf)me 
ober boa) bie äßegnatyme unb ^fänbung ber Söerfjeuge gemattet. 21 ) Öebingenbc 
^orauöfe^ung ber in s Jlticffid)t tretenben Stmocnbung bc^ §. 113. 3). 6t. ©. 
mürbe immerhin bie Vorfrage bleiben, ob ber Sßfänbcnbc refp. SBcfdjlagncljmcnbc 
mit 2lmtj8cigcnfa;aft überhaupt ocrfcl)cn ift, unb erft In'eran würbe fia) 
baö weitere 33ebingni§ anreihen, ob bie Ausübung biefc^ SlmteS eine rea> 
mäßige war. 



3. . 

3n ben Sel)rbüa)em unb Kommentaren jum SD. 6t. @. S3. t)at bie obige 
gragc eine cingcfjenbcre «erürffta)tigung nur ocrcinjclt gefunben. 3u ben 

20) ©tftwane, Jtomincntar jut ©L ^5roj. O. @. 238. 

21) Oclilfchli'iiicrriecnibarDt, ®efe|j betreffenb ben Soritbicbfia^t §. 16. £. 45; ^atefe, 
©hrafrcdit unb ©traf^rojeu II. Sufl. @. 522; ». »iUon^tcrnberg, ^lb« unb ^orlt-^olijet- 
Wcfefc §. 53. 6. 72; wrgl. baS Urtbcil be3 9tci(6«flcrid)t« »om 26. flpnl t. 3. 'äicditfprc^ungcn 
»6. 1. @. 671. „55on einer SJctteftung ber §§. 102. 105. ©t. ^03. O. unb §. 153. ®. 

tann f*on bcötjalb teinc Webe fein, »e>( flc nid>t bierber paffeu, ba cS jidö na* ber ftepfteuuna, 
ber »orinftani Icineöt»eg5 um eine Surtbfucbumi bcr^Jerfon be« I., gefdjwcige benn um bie »n-- 
orbnunoj unb ben Soüjitg einer fotdien S)urd)fuCbung banbelt, fonbern ecr ^agbbcamtc Ä. baS öon 
©4. getragene <J6eroci?r njcgaunebmeu ober 311 pfänben beabfidjtigt tjattc." 



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340 



§§. 117. ff. bafetbft fjebt 3ol)n im §anbbud)e 8b. 3. ©. 138 crldutcntb fjcroot, 
bafe ba£ gorft' unb ^öbrcd^t neben bent 58 ermögen Sterte „bic 2lu§übung 
ber ftorft» unb 3agb=$oli$ei" umfaffe, bafj „baSjenige, toaS 3ur 2lufredjtcrf)altung, 
ber oie %ox$' unb ^öflb^oUjci betrcffenben 58orfd)riften gcfdnefjt, abS Bus* 
Übung ber bem Staate jufieljenben ^oliscigctoatt gefdjcfjc. 2)a3, 
worauf e3 anfommt, tft, bafj eS $orftbeamte giebt, meldte nur bie ^rioatredjte 
bcffcn, bcr fic angejieüt, ioaf)r3unefnnen I>aben, roäforenb anbere §orftbeamtc 
aujjcrbcm aud) nodi mit ber Ausübung ber 3agb* unb ftorft-^otyei betraut fmb, 
nod) anbere oielleidit auSfdjlicfelid) auf bic ftunftionen ber lederen 2lrt befd&ränft 
fein mögen". 

än Sejug auf bic 2lmtöqualität fü()rt fernerhin 2Weioc3 ebenba ©. 936 
aus „bafe in ^reufjen (nad) ber tonftanten 2Innaf)me beS DbertrtbunalS) ben 
^rioatf orftbeamten , wenn fic ben im §ol$biebftabtegefc§ oom 2. $uni 1852 
geforberten Gib gelciftet Imben, auSbrüdlidd amtlid&e ^unftionen oom ©taate 
übertragen werben. ?iur in einzelnen fällen, fo fä|rt bcrfclbe fort, ift fte — 
bie Slbleifrung eines Sttenfteibeg — bic auSbrücflidic 93ebingung ber Beamten* 
Qualität , nämttd) .... bei ben ^rioatforftbcamten , toclaje in $reu§en nur 
burd) bie Seifrung bcS im ©efc&e oom 2. 3mti 11352 oorgefdjriebcnen (fibe$ bie 
(ftgcnfdwft eine* ©eamten erlangen; unb bei ben ©emeinbe^elbbütem, loeldjcn 
nur bei ber 8eobad)tung ber für ifjre 2InfteHung in ben §§. 50 bte 52 bcr ftelb* 
^olijci'Orbnung angeorbneten $örmlid)tcitcn bie Seamtenqualität aufteilt, 
ftörmlidjfciten, ju benen bic 9tblciftung eines SMenfteibeS gehört." 3n bcr 9tote 8. 
wirb auf bie (Sntfdjcibung oom 28. ©cot. 1865 91 b. 0. 53b. 6. ©. 46 öcjug 
genommen, jebod) glctd)jcittg ba§ ab ioeid)enbe ©rfcnntniB oom 9. 3ult 1860 
m. 10. 6. 498 citirt. ») 

Gnblid) merft 0. föönne in bem ©taatSredjt für bie preufjifdje 3Jionara)ic 
8b. 2. b. ©. 102 an: 



bcfdjräntt, für melden fie oeretbigt ftnb. UebrigenS gehören ju ben 
Beamten bcr gertd)tlta;cn ^ßolijci audj bie Söalb* unb ftclbbüter bcr 
©emeinben unb ^rioaten, oorauSgcfc&t , bafj biefe oon ber oor 
gefegten Regierung mit SBeftaHung ocrfefjcn finb." 
Die «Rote 3. bafclbft aber enthält folgenbe (Sinfajränfung: 

„$ic in bem fcoljbiebjtalj&gefefce jur Ermittelung bcr ^oljbicb^ 
ftäble oereibeten ^orfifa^u^bcamten ftnb nidjt mit ben Söalb* unb 
ftelbbütcrn 3U oenocdtfeln. ^xc Slnftcllung geljt nad) §. 32. fclbft« 
ftänbig oon ben ©emeinben unb ^rioaten au£, unb bcr ©ejirfs* 
regicrung ftcfjt nur bic Genehmigung il)rcr ^creibigung ju. 2>ic 
foidjcrgcftalt oereibeten $orftfdm$bcamtcn fittb jebod) feine üBcamten 
bcr gend)tlid)en ^oltjei, fonbern Icbiglia^ 3^gen oon befonberer 
©laubioürbigfcit." 



^arbcnreiä;ct ift baS 53tlb bcr bejüglid) bcr beregten ftragc bis in bic 
neuere ^cit immer unb immer roieber ergangenen l)öd)ftrid)tcrltd)en Gntfa^eibungen. 

3n bem Grfcnntnife oom 29. ©cpt. 1859, 2lrd)iö «b. 6. 6. 841, tourbe 
bcr ©a^ au£gefprod)en, 



bafe ber ^crrfdjaftlta^c gclbpter bem oon ber ßJcmcinbc angcftclltcn 
glcidj 3U erachten, ba| legerer unjroeifetyaft naa) §. 67. Z\). U. 



22) 33etglci4c ©ahn, 35. @t (5*. 33. §. 359., Oppcnt)off, Sfommcntat ebenda; 3ünmcrle, 
beutfefcc ^trafreettö fxarii §. 350. Wx. 47. 2)cr in ^riöatticnflen 5. 33. eines ©tantcSfjcrm 
ftcl>cnti« ^orftwart ift alö 3?camter anjufeben, »renn er jufllcicfi für Den ^oii'tfAuy *on @eitcn 
teö Staates »cr^flidjtct wutfce. «aoeT. Äaff. ®rt. öom 27.' «prit 1877. 




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3fa$ fcet $rapä iux $rayi& 341 

Sit. 7. unb §. 69. Sty IL Sit. 10. 31. 2. 9t. 311 ben mittelbaren 
Staatsbeamten gehörig, unb deshalb audj erftcrer 3U ben öffentlichen 
Beamten ju jählen fei; 
in bem Urteile 00m 20. Sept. 1661, 9t. b. D. Bb. 1. 6. 540, 

bafc ein gehörig r-ereibeter ^rioatförfter bie 9tea)te eine« öffentlichen 
Beamten im Sinne beS §. 102. St. ®. B. habe, ba junt SBefen eines 
jeben Staats* ober öffentlichen 2)ienftcS bie 2lufrccbtcrbaltung bet 
Sicherheit unb örbnung im Staate gehöre, bajj eine Uebertragung 
foldjcr gunftionen auch burch generelle öefege ohne SBtbcrfprudj 
mit §. 69. %\). II. SCit. 10. 21. 2. 9t. gefchehen fönnc, unb bafj ba« 
^oljbiebftahlägcfetj burch bie Bezeichnung ber betreffenben ^erfonen 
als Beamte eine folche Sttöpofition getroffen habe. 
3n bem Subifate 00m 28. gebr. 1865, 2lra)io Bb. 13. S. 869, mürbe $ur 
2lmtSeigenfchaft beS gelbhüterS beffen Bereibtgung nach SKafegabc ber Borfdnüftcn 
ber $clb^oli3eiorbnung erforbert, unb in gleicher Jüeije in bem (Srf. 0. 
28. Sept. 1865, 9t. b. 0. Bb. 6. S. 347, anerfannt, bafe bie Beamtenqualität eines 
©emeinbe*gelbbüterS burch bie Beobachtung ber für feine Slnftelluna, in ben 
§§. 50. bis 52. ber gelb*^. 0. norgefchriebenen görmlichfeiten bebingt fei. 

$ie beiben ©ntfeheibungen oom 27. gebr. 1867 unb 16. ^an. 1868, 9t. b. 
D. Bb. 8. S. 140 unb Bb. 9. S. 17, ftimmen bar in überein, baff ber non einem 
^rioatroalbbcfifcer befteUte, nach ben Borfchriften beS £oljbiebftahlSgefe&eS ner* 
etbete görfter Beamter fei, unb glcichlautenb fteUte baS llrtheil 00m 23. ^uni 1869, 
9t. b. D. Bb. 10. S. 445, ba« $räjubi$ auf, bafe ber oon einem ^rioaten ange» 
fteUte ftörfter nur bann als Beamter anjufehen, menn er nach ÜJtafegabc bcS 
<p. 3). ©. »ereibet fei. 

3n Stbroeidmng hieroon mirb in bem Urteile u. 9. 3uli 1869, SR. b. O. 
Bb. 10. S. 498, unb gleichlautenb in bem (srf. 0. 27. Januar 1875, ebenba 
Bb. 16. (0. 87, ber 9ted)tSfafc 31« (Geltung gebracht, bajj ber oon einer ©ememöe 
befteUte gelbhüter felbft bann Beamter ift, menn bei ihm bie BorauSfe&ungen 
beS §. 51. ber $elb*$. D. nicht jutreffen, ba bie ftunfttonen beS gelbhüterS poliäei* 
lieber Statur, unb hieraus in ©cmäfeheit bet §§. 68. II. Zit 7., 69. £1). IL 
Sit. 10. 21. & 9t. ftd) ergebe, bafc fic burch bie oon ber ©emeinbc als ber bc* 
treffen ben ^olijeibehörbe erfolgte 2lnfteUung bie Dualität eines Beamten 
erlangt haben, bie Bereibigung bagegen nur bie erhöhte ©laubroürbtgfeit bebinge. 

3n eingebenberer Begründung rechtfertigte aueberum bie (sntfdt). uom 
15. 3uni 1871, 3. 9)t. Bl. oon 1871 S. 178, bie 9tedt)tSauffaffung, bajj ben gorft« 
fdm&beamten, welche oon $riüat*58albeigenthümern unter ben im £. ®. ©. t>or* 
geichriebenen Bcbingungen an^eftellt ftnb, ber (Sharafer im Sienfte bcS Staates 
ftehenber öffentlicher Beamter tn fo roeit beijulegen fei, als es na) um ben ihnen 
anoertrauten gorftfdjufc hanbele. GS ftehen ihnen, fo lautete bie weitere 2lus* 
führung, in btefer Beziehung nicht nur bie sunt Sdntfee beS 2lmteS gegebenen 
Borfchriften 3ur Seite, fonbern ihre SlmtShanblungen unterliegen auch ben in 
Betreff ber 2lmtSoerbrechen unb 2lmtSoergehen gegebenen gcfcfclichen Beftimmungcn. 

(Snbltch liegt ben Grfcmttntffen bcffelbcn Gerichtshofes oom 21. 9Jtai 1873 
unb 9. gebr. 1876, 9t. b. 0. Bb. 14. S. 3VK), Bb. 17. S. 104, übereinftimmenb bie 
2lnfict)t $u ©runbe, baf? ein naa) ben Borfchriften bcS §. 5). ©. oeretbeter ^rtoat* 
förfter unb ein in gleicher SBeife angeftellter ^rioatauffeher als ein jur Bollftrccfung 
oon ©efe^en unb 2lnorbnungen ber BcrmaltungSbchörbe berufener Beamter 
anäufehen ift. 

2)cS bem ©runbfafce ber Urtt)etle 00m 9. 3uli I8t>9 unb 27. ^att. 1875 
entfprechenben erfenntniffcS oom 29. 9too. 1876, Slrch. Bb. 24. S. 609, ift oben 
bereits Ermahnung geliehen. 



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342 auS fc€r ^ ra ^ § ?> m 

3)ie ^öd^fiti<^tcrlt^cn (Sntf Reibungen ftimmen bartn überetn, bafj ber 
oereibete ftörftcr unb $elbhüter ber ©emeinben unb ^rioaten bic Qualität eine« 
^Beamten, ja bic eines ©refuttobeamten befifct, unb bafj, roie in mehrfacher 
5fiiiebcrfcl)t auSbrücf lieft betont roorben, biefer ittuffaifung inäbefonbere ber §. 09. 
ZI). II. Stit. 10. 31. 2. ft. nieftt cntgcgenftefjt. 

Sie roeieften, abgeben oon ber SJerfdjiebcnartigfeit ber einzelnen Sc* 
grünbungSroeifc, barin oon cinanber ab, bafj bezüglich DeS oon ber ©emeinbc 
bcsiehungSroeife, inhaltlia) be$ Icjjt citirten llrtheiLS, bc§ oon bem Inhaber eine« 
felbftftänbigen ©utSbejirfeg ancjeftcUtcn gelbfyüterS bic Siothrocnbigfeit ber Seob* 
achtung ber beregten SBorfcftrirten ber %. $. 0., nämlicft ber ^creibigung, in 
einsehen @rfenmnif)en oerneint, in anbeten bejaht wirb. 

©ie Frage, ob unb in welcher Söeifc etroa anberrocit eine Seftätigung 
ber SlngcftcUtcn burd; bic 2luffid^töbc^örbe jtattgelmbt ^at, ift jur Erörterung 
nidjt gebogen roorben. 

S)ie wieberholtcn, trittfeften 2lu$ftcÜungen mehr ober roeniger oerfallencr 
Definitionen be3 Begriffs 2lrat unb Beamter möchten flar legen, bafj eine er* 
fcftöpfenbe ©cgrtffSbeftimmung in ber %$at mit nicht unerheblichen Scftwierigfetten 
oerfnüpft ift. £te Einführung ber StaatSoerfaffung, bic Einbürgerung ber 
©elbftoerwaltung in ihren oerfdiiebenartigen Slbftufungcn, bie £eransiehuna, be§ 
StoienelementeS jur Ncdutpredjung u. f. ro. f)abcn Umformungen herbeigeführt, 
beren umfangreiche Folgerungen in ben tftahmen ber lanbredjtlicften 33eftimmungen 
unb ber biefclbcn alänbcrnben unb ergänjenben ©efefce bisweilen feftwer genug 
hincinpaffen. S)ic immer unb immer roieber notlnoenbtg geworbenen h°$fa 
richterlichen Entfdbeibungen betätigen bann ocrmeintlidh auch bie oben bereit« 
angebeutete 9luffaffung, bafj bei ber girirung be8 ^Begriffs 2lmt nach Sage ber 
©efefcgebung „oielfacfte Zweifel unoermeiblich finb", unb bafj erft bic „©efcfceS* 
fabrifation" ber 9tcu$eit geeignet fein Dürfte, eine ben praftifchen SBebürfniffen 
gleichseitig Rechnung tragenbe, ungejroungene £öfung ber hier fraglichen Öebenfen 
3U fchaffen. 23 ) 

3JM bem 1. Oft. o. 3. unb bem 1. 3uti b. 3. ftnb bie bis baljin in ©eltung 
befinblich geroefenen ^orfchriften burch bog gorft-2)iebftahl&'©. o. 15. 3lpril 1878 
unb ba« Felb* unb ^orft^olisei^©. o. 1. Slpril 1850 aufjer Äraft gefegt. S)ie 
öragc mufj bcmcntfprechenb, um baS ©ebiet ber $rari£ nia)t ju oerlaffen, näher 
bahin jugefpifct roerben, an welche jßorauSfc&ungcn jur 3eit bie SlmtScigenfcftaft 
ber oon ben (J&emeinbcn unb s 4>rioatcn angeheilten görfter unb gelbhütcr gefnüpft 
ift? Skr beSfaUftgc Verlauf ber Unterfuchung roirb gleichseitig bic Folgerungen 
begrünbet erfcheinen laffen, 

1. bafj jroar auä) bie oon ben ©emeinben unb ^rioaten auSgchenbc 2In- 
ftellung ber gelb- unb ftorfthüter (görfter) 2tmtöcigenfchaft ju übertragen 
geeignet ift unb geeignet mar, bafj jebod) biefe Uebcrtragung oon ber 
üöcftätigung ber Slnftcüung burch bic 9luffidjt3behötbc abhängig, unb 

2. bafj nach Sage ber ©efe^gebung bic Sßereibigung ber mit bem Ftoftfdnifc 
betrauten ^Jerfonen nach 3)iafegabe bc$ Forft*S)icbftahtögcfc|e« für bic 
Slmtöaualität bcbcutunaöloS ift 



23) 3Rctt>cö, im ^antbu* St. 3. S. 935 unb bic bortiflen Gitatc; ö. Stönnc, Staat3rc*t 
für bic ^rcugifctic a)ionar*ic, 3*b. Ia. ®. 2iK); Ptftcr, Xljcöric unb ^raxi§, ©b. 2. @. 31)7; 
&. aJJcpcr, a. a. O., ö. ^adjariae. 2>cutfd)c6 etaat«- unb «unbcörcdjt III. ftufl.e. 8, lGfj.; 
^oc^ile, (Ärunbfd^c be« Gemeinen 2)«utf*cn @taat3rcd)t§ ©. f>22, 777; üabanb, @taat«rcd)t 
beß 2>eutf#cn «ieicb«SBb. 1. @. 389, 401; «oemufl, öaftuufl be« ©taote« @. 53, 131 ff. :c. 



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«u§ ber *pra?t« aur $roriS. 343 
4. 

• 

$n ben tyier einfchlagenben gäücn fjanbclt c« fid> um bic Slnmenbung 
be« $cutfä)en Strafgefefcbuch«. Äaum 3tDeifclf>aft fann c« bafjer fein, bafi für 
bic Beantwortung ber ftrage nach ber ämtöcigenfehaft im Stnne be« Seutfchen 
Strafgefefee« befjcn 3>orfd^riftcn in ctftet Sinie maßgebenb finb unb [ein muffen. 

21nbcrerfeit« beftätigt Söortlaut unb 3nljalt be« §. 355). <D. 6t. ©. s& bic 
anfeheinenb in X^coric unb $rari« gleich ^errfd^enbc 2luffaffung, bafc bic beregte 
3Sorfd)rift eine erfct)öpfcnbe Bcgriff«beftimmung nid)t enthält, bafj naa) ber 
2lu«brucfömeife ©chwarje'« „bic ftrage be« SHenfte«" unb „ber Slnflcllung rote 
überhaupt ber begriff bc« Beamten in ber £auptfache nur oom Stanbpunftc 
bc« ^artifularrcchtc« 311 beantworten ift." 

3n bem gleiten Sinne t)Qt ft$ aud) ber oormalige hödjfte ©erid&fcSljof 
Sßrcufeen« wicberholt au«gefprochen. 3n ocn t ©tfeimtnijj oom 9. 9ioo. 1870, 
SKrdfno 33b. 24. S. 555, ift ausgeführt, öafe nach bem bejogenen §. 359. unter 
Beamten — Srägern eine« öffentlichen Amtes — im Sinne be« 6t. ©. B. alle im 
$ienfte bc« Meia)« ober im unmittelbaren ober mittelbaren SDicnfte be« Bunbe«* 
ftaate« angefteUten s ßerfoncn ju oerftchcn finb, bic berufen, al« Drgane ber 
Staatsgewalt jur görberung ber gweefe bc« Staate« tt)ätig ju fein, bajj bagegen 
bic 2anbe«gefefcc beftimmen, welche ^Jerfoncn in bem einzelnen Sunbe«ftaate ju 
ben unmittelbaren ober mittelbaren Staatebeamten ju rennen, unb bafe nach 
§. 09. II. Sit. lu. 21. & 9t. bie Beamten ber bem Staate untergeorbneten, b. h- 
organifch in beffen Bcrfaffung eingreifenben unb unter 2luffid}t fte^enben Kollegien 
mittelbare Staatsbeamte finb. 24 ) 

^mmcr^in aber treten bie ftaat«red>ilichcn formen ber (sittjclnfiaaten ben 
im §. 359. 3). St. ©. 8. fifirten ©rforberniffen gegenüber nur fubfibiär in 
9iücfftd)t; bic ÜDierfmale, ioeld)c ba« ;Reid)«ftrafgefe£ jclbft jur begrifflichen 
^ormulirung bietet, finb erper £>anb 21u«fchlag gebenb unb cntfdjeibcnb. 211« 
rocchfclmirfenbc, fid^ gegenfeitig crgänjenbe unb bebingenbc ©rforbemiffc ftcllcn 
fia) „bie Slnftcllung" unb „bic amtliche gunftion", ein „unmittelbarere« ober 
mittelbarere« SMenjtoerhältnift bc« iReich«* ober eine« )Öunbe«ftaatc«" bar; Irr- 
forberoiffe, bic oermeintlia) ben anerfannten ^Wertzeichen be« 2lmtc« überhaupt 
cntfprea)en, „ber befonberen Verpflichtung in $orm öffentlicher 2lnftellung, unb 
materiell ber BorauSfe&ung, baß c« wirfltd) ein Staat«bienft ift." (.ßachariac.) 

6« fönntc bie Sinnahme fia) nahe legen, ba§ im 2lnfd)lufj an biefe reich«* 
gefefclichen Bebingntffe bic Söfung ber mct)rbereaten ftrage bireft in ben befug* 
liehen ®efe6c«oorfchriftcn be« Bunbc«ftaatc« 3U Jüchen unb ju finben fei. £afc 
bic in ber ^elb^olijei^O. o. 1. 9too. 1847, fowic bem £ol3bicbftahl«gcfc§e oom 
2. Qunt 1852 enthaltenen Spejialbeftimmungcn ftrcitlol'en Slnhalt 3ur Beant- 
wortung ber jyrage nicht bieten, bürftc bic 33egrünbung«wcife ber zahlreichen 
höchftrichterlichcn föntfehetbungen beftättgen, unb bie Erörterung bc« gorftbieb* 
ftahLSacfcjje« oom 15. 2lprtl 1878 wirb bic 2luffaffung rechtfertigen, ba§ beffen 
^orfchriften bic etwaige 2lmt«cigenfchaft ber mit bem tforftfdmfc betrauten ^cr- 
fönen auch nicht einmal ju regeln befhmmt ftnb. 

S)ic einfchlagenbcn, auch ben angebogenen ©ntfeheibungen mehrfach in 
SBcjug genommenen aagemeinen ftaat«rwhtlichcn Vorfchriftcn bc« 2lHgemeincn 
^anbrecht« lauten bahin: 



24) Skrgt <SrL »ora 3. Suli 1873, «rd)it> 93b. 21. ©. 192, „im §. 359. tfl nur bic »camten. 
qualitat im Stagcmcinen im 6inne bcS @t fcftgcftellt, unb feine s Jiorm für bie Äeftpcflung 
gegeben, ob eine bcjnmmte ^erfon bic gcfctjtid)en aJorau^feöungcn für bie »uöübung ber 
^untrionen einer fpejküen Äategoric »on »eamten erlangt t>at"; Wimmerte, a. a. 0., <£. r>70, 
„für bic ^eurtbcilung ber »Irrage, ob eine «nftetlnng als Beamter »orljanben ift, ba ba« 
ÖL ©. ^. eine eigentlut;e «egriffsbcjhmmung nid)t gegeben l)at ( bie iöcflimmungen ber üanbeö» 
gcfcjjgebung toon »or3üaliö)cr ajebeutung." t&xl b. SBürt. Äaffahon«t)ofc8 ö. r>. 3uni 1878: 
Äircbmann, @t. «. ©. 211; aKener, a. a. O. @. 377, 667, 695. 



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§. 68. $h- U. arit. 10. Sltlc Beamten beS Staate«, reelle »um 
3)iUitairftanbc nicht gehören, finb unter ber Benennung oon Gioil* 
bebienten beartffen. 

§. 69. dergleichen Beamte flehen entracber in unmittelbaren 
2)icnften beS Staates ober geroiffer bcmfelben untergeorbneter 
Kollegien, Korporationen unb ©emeinen. 

& 71. Sitem bie Vefefcung ber oerfchiebenen 3lrten oon (Sinti* 
bebienungen äufomme? wer gu bergleid>cn Vebienungen gelangen 
fönneV unb toaS für Vorbereitungen unb Prüfungen ba$u »orber* 
gehen muffen, ift nad) ber Verfchiebcnhett ber Rächer unb Stufen 
foldjer Vebicnungcn burd) fpejiclle ©eiefec unb ^nftiuftioncn bestimmt, 
©ine genauere (Srroägung ber Vorfdjriften möchte flar legen, bajj bie* 
fclben in Vejiehung auf bie tjicr fraglichen gällc, in benen cS fid) um bie Stn* 
ftettung ber betreffenben ^erjonen burch bie ©emetnbe, ja burd) s ^rioat=(rigen* 
thümer tmnbelt, ber Erläuterung unb ©rgänjung felbft bebürftig finb, bofe fic 
inSbefonbere eine Erörterung nicht erübrigen, ob biefe 2lrt unb Söeife ber 9ln» 
ftellung unb ber barauf geftü&ten bienftlicöen <yunftionirung mit ben begriff lid;en 
VorauSfefeungen ber SlmtSübcrtragung unb amtlicher Sljätigfeit nicht im äüiber* 
fprua) fie^t? 



a. 

3)ie oorfiehenb bereits beroorgefyobenen reid)Sgefc{jtlidjcn 9tequiftte ber 
ämtSeigenfchaft onlangenb, fo 90t „bie 2lnftellung" gleichseitig bie s JMitroirfung 
ber ftoatlid)en Autorität jur bebingenben VorauSfefeung. SDtc wcnigftenS 
herrfebenbe unb oermciutlich sntreffcnbe 2lnfuf)t bejeic^net bas SlmtSoerhältnif? als 
ein öffentlich rechtliches, nach publijiftifc^en ©runbfäfeen 3U bcurtheilenbeS. ÜJenn 
in Stbiocidjung Neroon ber §. 151. £()• II. Xit. 6. Des & £. 9t. bie 9ied)te unb 
Pflichten ber Beamten ber ©emeinbe unb Korporationen nach iljren VcftaUungcn 
unb SlmtSinftruftionen, übrigens aber nach ber Seljre uon ben VoUmnd)tSaufträgcn 
beurteilt roiffen null, fo ift biefe, ber beseitigen 9teä)tSauffaf|uug ertuachfenc, 
pofitioc Vorfchrift fclbftocrftänblict) majjgebenb, unb bezüglich beS Verhältnifjes 
ber Kommunal * Vcamten bie Folgerung gerechtfertigt, bajj „roenigfienS eine 
analoge Veurtheilung nad; ben allgemeinen VertragSgrunbfä'fccn gemattet ift". * 5 ) 
^ebenfalls erfdjeint gcrabc btefe Vorfchrift geeignet, bie 3luffaffung nidu un> 
tuefentlid) ju unterftüfecn, bajj in ber Xtyh neben ber einfeitigen Berufung feitcnS 
ber Staatsgewalt ber Vertrag als VcgrünbungSaft beS amtlichen VerbältniffeS 
als gleichberechtigt fid; bnrfteHt, bafe inSbefonberc bie oertragSmäöige Konfiituirung 
beS in ber Ucbertragung unb ltebernahmc oon fechten unb pflichten jur 33er* 
rairflid)ung ftaatlid)cr 3roccfe beftehenben Verl)ältniffeS ber begrifflichen Vebeutuug 
beS SlmtcS nicht entgegenfteht. 2ßic ber ethifdje Inhalt beS ehelichen VerhältntffeS 
ber (Singrcn^ung in bem 9taf)men rotUftirlicher »erträglicher Vereinbarung fich 
entsteht, fo befchränft fich in ber hier fraglichen Vcjiefmng bie SßiHenSbiSpofttion 
ber Kontrahenten auf ben VcgrünbungSaFt beS amtlidjen VerbältniffeS, auf bie 
freier 2ßiUenSübcreinftimmung entftammenbe Uebernahme oon Obliegenheiten unb 
Vefugniffen, bereu StuSübung unb Ausführung ben ©runbfäfcen beS öffentlichen 
Rechts folgt. 

,3fmmerhin aber d^aenfteriftrt fid) bie 3tmtSübcrtragung, mag fie auf ©runb 
eines Vertrages ober Kraft einfeitiger Ventfung erfolgen, * ü ) als ÄuSflufj ftaat* 



25) (Srtennrnific fccS ObertribunatS 00m 21. Ott 1872; ©trietfiorfl, «td)it) «b. a r >. 0. 36«, 
Cbcnba »t. 58. & 239, »t>. 75. 280. 

2C) Üoeniiig, a. a. O. @. 53, 131; 3immerlc, a. a. O. §. Äji». 9iote 8. „Cfiue Unter- 
fdjeibung, ob t>ie «nftcaunfl auf einer fönnlicben ©eftaUung ooer auf einem tkrtragöwrltältniö 
beruht, $ für Die 3xage nacb ber «camteneigenfebaft niAt ju machen. " 



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SluS ber <ßrari§ jur tyrnris 



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lieber Slemtcrlwljeit. Dirne mit fid) in 2i>iberfprud) ju geraden, fann ber 6taat 
in oerfaffungämäfeiger gorm bic SluSübung öffentlich redjtlidjcr Functionen, ins* 
befonbere bic Vefugnifc zur 2lnfteuung oon Beamten aur Korporationen, ja 
^rioate als „fubjicirte Xräger" eine« X^cil5 ber Staatsgewalt übermitteln. 
£)ie in biefer äitetfe zur Vermirftichung ftaatlicher ßroeefe berufenen s Jterfonen 
reiben fic^ oon felbfl ein in ben ftaatlidjen Organismus, inbem ber ötaat fia) 
entweber eine 3Kitwirfung bei ber Slnftellung in ©cftalt einer Prüfung, 
Genehmigung unb Veftätigung oorbehält, ober boch ben Slngejiettten gegenüber 
baS ftaatliche SluffidjtSrecht zur ©cltung bringt. 21 ) Vebingenbe Vorausfefcung 
bleibt jebod) immer eine unmittelbare ober mittelbare SDiitwirfung bes 6taateS, 
eine burd) bie ftaatliche Autorität ftattgehabte SlnfieEuncj. ,Mdn aus ber Vor* 
nähme polizeilicher Functionen, jo lautet bie jutretfenbe Vegrünbung beS 
(SrCenntniffeS oom 4. SDej. 1873, 2lrd>io ©b. 22. 8. 131, folgt bie Beamten* 
Qualität, fonbern umgefchrt fefct bie Vefugnijj ju biefen Functionen baS Vor* 
ijanbenfem ber Veamtenqualttät oorauS", — baS Fehlen ber lederen macht bie 
2lmt£auSübung zu einer unbefugten unb unterteilt jte ber ©trafanbrohung beS 
§. 132. 6t. ©. 58. 

3)er ainftettung mufe fid) aber baS weitere SDlerfmal beS §. 359. 1. c. 
ergänjenb anfchliefccn; e$ roirb eine 2lnftellung im mittelbaren ober unmittelbaren 
2>ienfte beS s Jteict)eS ober eine« VunbeSftaateS, eine Berufung zur Vornahme 
amtlicher Functionen, eine Uebertragung ber Verwaltung unb Ausübung eine« 
SlmteS erforbert. 

®afj bie ftunftionirung ber gelbmeffer an fidt) feine amtliche ift , ergiebt 
bereit« ber §. 36. ber ©cwerbe-Drbnung, ber bie 2lrbeitSlcifrung auSbrücfltch 
als „©ewerbe" Cennjeidtjnet. Deffenungeachtet Imnbelt biefelbe Vorfchrift oon 
einer „öffentlidt)en ainftellung" 28 ) unb „söeeibigung" biefer ^erfonen, unb ber 
2tbf. 2. bafelbji beföränft bie Vefugnifc beS VunbeSftaateS jur 2luSftattung ber* 
artiger ©ewerbetreibenben mit einer befonberen ©laubwürbtgfcit auf bie oon ben 
„oerfaffungSmä&ig ba^u befugten Staats* ober Äommunalbehörbcn ober Äorpo* 
rationen angebellten ^erfonen". 2)ementfprechenb fajreibt baS ^reufeitche 
Reglement oom 2. ÜJiärj 1871, @ef. 6. 6. 101, bie Vereibigung unb öffentliche 
2ln|tellung ber Felbmeffer oor, ber §. 2. bafelbfi macht biefe SlnfteUuna, oon einer 
oorgängigen Prüfung ber Unbefcholtenhett unb 3ut>erläffigCeit abhängig, unb ber 
§. 3. unterwirft bie ^Ungeteilten ber Disziplin ber Regierung, währenb bie 
äurücfaielmng ihrer Veftallung einfach nach s J)tojjgabe ber bie Mcfnaljme ber 
Approbation regelnben Vorfchriften ber §§. 53. 54. ber ©emerbeorbnung erfolgt. 251 ) 

©ine Umformung ihres VerhältniffeS ju einem amtlichen tritt erft ein, 
wenn fte zu einer ftaatSjwecf liefen %t)äti$Uit berufen, bei „ben SluSeinanber* 
fetjungsbeijörben ober ber Veranlagung unb Verwaltung ber ©runbjteuer an* 



beS angezogenen Reglements it)r DtSäiplinaroerhältnijj, unb „ihre befinttioe 
Entfernung aus bem StaatSbienfte erfolgt im Disziplinarwege". 

SDaS bie SlmtSanfteUung oon ber ocrtraglia^en 2)ienftmietl>e fc^etbenbe 
Äennjeic^en beftel)t barin, bafj im erfteren galle bie Berufung gu einem Äompler 
ft aa t w ccflidjcL' linuigfcit . ,ui einem abgegrenzten Umfanae bienftlia^er Ver» 
ric^tung erfolgt, ju beren SluSübung unb 2luSfiil)rung bie StnfMung berechtigt 
unb oerpflic^tet. 3)iit Stecht bezeichnet man bie SlnfteUung als bie ©infefcung in 



27) tfrt m Obertribunatäöom 29. Januar 1879, «rd)ib »b. 27. ©. 219. „2>ie »cpätigung, 
m\d}t bie für fcit »eamteneigtujdjaft crfortcrliO>e ftaattidje (xrtnäc&tigung entbfilt, »ertritt bei ben 
mittelbaren bie bei ben unmittelbaren ©taatöbienem eintretenbe SBerufüng." 

28) »ergt über ben »egrift ber «nftcüung im @inne ter §§. 31«., 319., m. 3). 6t. 0». 9?. 
OkricbtSfaal Sb. 27. @. 407 ff. 

29) »ergl. O^enboft, Äommentar §. 3f)9.; ^artmann, etrafgefefte §. 36. ber Uktoerbc- 
ürbnung. 

*r$tp 1880. 5. ^<ft. 23 




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346 Äu * bcr 3 ur $rari«. 



eine 9lmtSfielIe, als bie Berufung $u einem 2mte, welches baS begrenze ©ebiet 
ftyirter bienftltdjer Sfjätigfeit umfafjt, roährenb bie gelegentliche Beauftragung 
mit eimeinen Berrtcbtungen, bie ber fidt> je barbietenben Gelegenheit erroad»"ene 
uertraglicbc Uebernahme einer ®efc&äft«bef orgung, bie BefteUung — nicht 2ln* 
ftellung — als Dbferoator, Sequester, Transporteur ic, ber BertragSnatur ber 
SDtenftmicttie unterfällt. 30 ) 

(snblicb bebarf eS in Befdjränfung auf obige <yrage noch ber aöeroorbebung, 
bafj „baS Slmt foroobl bie SluSübung öffentlicher ^toditbefugniffe beS Staates 
als bie pljrung priüatred}tlicber öicfcbäfte bcS Staate« mm Inhalt" ^aben 
(£oentng), unb bafj baS übertragene Simt ein Nebenamt bilben, bie 2lmtSetgen* 
fa)aft ftcb auf eine ganj beftimmte unb begrenzte amtliehe gunftionirung neben 
einer anbenoeiten Bcfcbäftigung unb BenifSthätigfeit befebränfen fann. 9mr in 
33caiel)ung auf otefc bienftlicbc Berrichtung tritt bann mcljr bie 8lmtSqualität in 
bie ©rfdjeinung. 

Dtad; §.32. ber <ßoft*Orb. 2I6fcbn. IV. ift bie Sinnahme ber Boftillone 
Sadje ber ^oft^alter. inhaltlich beS §. 34. bafclbft ftet)t ber Sßojtilion 5«m 
^oftbalter im Berbältnife eines ^rioatbienerS mr fcienftherrfebaft. „Bon bem 
Slugcnblufe bagegen, mo ber ^oftillon eine ^oftbienjtleiftung angetreten fjat, ftebt 
er unter ber Strafgeroalt ber ^oftanfialten unb beren Beamten. (£r geniefet 
roährenb ber Sicnftleiftung in Bejug auf ben $)ienft bie Borred)te ber Staats* 
beamten, rotrb anberroeit aber aud), roenn er fidj im ^ofibtenfie Bergeben 
erlaubt, nach ben Borfdjriften für Beamte beftraft." 

©ans ainUici) ift bie Stellung ber $rtoat*(£i)enbahn*Beamten. 2luSroeiSlid) 
beS @ifenbabn.»9xeglements roofmt ihnen eine amtliche ©igenfebaft nur bejüglid) 
ber SDienftoerrichtungen inne, welche bie §anbhabung ber Bahnpolizei mm 
©egenfianbe tjaben, roäbrenb fie !)inftdt)tltd^ il)rer anberroetten S)ienftleiftungen 
als Schaffner 2C. nur als ^rioatyerfonen in Betraft fommen. 31 ) #n grunb* 
faßlicher Uebereinftimmung hiermit ift tum bem Dbcr»BerroaltongSgericbt ber 
Saft ausgebrochen, bafe bie ©ifenbahnbeamten eine amtliche Stellung nur in 
foroeit einnehmen, als fie bie gunftton ber ^ßoli^ei ausüben, unb baf fie nach 
bem ©efammtdjarafter ibrer bienftlia)en Stellung unb SC^ätttjCctt als Slngeftellte 
unb nia;t als Beamte gu qualifqtren finb; 32 ) unb in ber mtnifterieHen ©irfular* 
Berfüg. oom 10. ^uni 1873 ift barauf bingeroiefen, bafj bie Berroaltung ber 
2lmtSbtenerfteHcn fia) ber Siegel nad) als ein ^Nebenamt ermöglichen raerbe. 33 ) 



30) 3°tyflr «• <>• @- 780. „$)er ©ouöcrain bat bie Befugnis, aud) <Pcrfonen , tt>ct*c 
nidit ©taatsbiener ftnb, Aufträge jur Ausführung cinjetner öefcbäfte im öffentlichen ^ntereff« 
crtt)cilcu, jetod) imrt *>orau«gefe^t, bafe fie niööt wrfafiungSmäBig butd) ©eamte au63iifül)ren 
fmt. <£o »enig ein fotcfceö öcjdjäft ein %mt im 9ic*t«fbine ift, ebenfotoenig »irb ber hiermit 
Beauftragte burd) einen fotdjen Auftrag ein SBeamtcr ober ©taatöbiener." (Sri. be8 Obertriounaia 
t>om 11. Dtt. 1877, «rd«ü ©b. 25. €. 572. „2)afj biefetbe — bie Uebcrtragung ber ftirnttion — 
burd> bie jujtänbige Serginfpettion erfolgte, ift nieftt entfdicibenb , »eil bie Übertragung nidjt 
erfidjtlid) in Ausübung bcr biefer Beb^rbe ^uftebenben Smtdgeroalt, fonbern lebiglid) auf &runb 
eines mit bem Slngettagten emd)teten SBcrtrageS erfolgt ift, unb teiueäroegä ade oertragSmäBigen 
üeiftungen, ju benen fid)3emanb einer SBebörbc gegemiber t>etbflid)tet, amtlidje fuxb, eö fiel) t>iel- 
mebr nur aus bem ^nlfalte bc8 SJertrageS ergeben tann, ob es pd) um bie ©egrünbung cincS 
anberen al* eine* blofe bribatrecbtlicben «erbaltniffe«, bicr alfo um mebr al« eme ®ieintmiett)e 
geoanbcU bat." Bergt, femerbin bie Begrilnbung beS bie Amtseigcnfcbaft beS £ranS{>ortcurä 
unb ber ^otterie^^inuebmer oenieiuenben Urtbeile bejfelben (ScricbtdliofeS oom 7. SD2ai 1875, 
Slrd)» ®b. 23. ©. 551, unb bom 7. Ott. beffelben Satjre« »25. 553. 

31) tfrt. b. Ob. Xrib. o. 4. ®ej. 1873, »rdjiö »b. 22. ©. 132. Bergt. rüdft*tlid) ber 
SlnftcUung im Sienfte ber Äöniglicbcu Balmocnraltung, bqiebungöaeife ber unter ®taat«t>cr* 
»altung ftet)enben Bahnen bie Urtbeile beffelben töcricbtstjofeS ». 3. yioo. 1875 unb ia 2>ej. 1873 
Bb. 23. ©. 551, Bb. 21. ©. 527; mgleicben binficbtlid) ber yiotbrecnbiglcit it>rer Bcreibigung 
jum ^rcede ber gunttionirung als Cxrctutiu-Beamte bie (Sittfctf. ö. 5. j$ebr. 1873 Bb. 21. 6. 19a. 

32) (intfeb.. ». 6. 3uni 1877, ^ebtuS unb ». aKeötrn. «ntf*. b. Ob. Ben». ®. Bb. 2. @. 175. 

33) b. Braucbitfd), bie OrganifationSgefctje ber inneren Berwattung. Bb. 2. 6. 53. 



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«u« ber $ra*i« aur $rartf. 347 
b. 

Richen roir im Slnfdblufj an ba3 gewonnene SReiultat bie lanbeSgefe&' 
Hajen &orfd)riften in Setradjit, fo fällt junäd^fi bet jur löegriffabilbuna, roefentliche 
§. 1. XI). II. Sit. 10. S.&8L batnn in'« ©eroicht, bafj bie SBeftünraung ber ajlilitär* 
unb Gioil SJebicnten »orjügltch barin befteht, bic Sicherheit, bic gute Drbnung 
unb ben 3Bol)lflanb bes Staates unterhalten unb förbern ju ^dfen. Sfcarin 
liegt suüörberft eine 23eftätigung beS obigen SafeeS begrünbet, bafj aud; in 
Sßreufeen bie auf bie ftörberung beö aiioljlftanbe« abjroecfenbe 2Bahrung Der- 
mögenSrechtlicber ^ntereffen ba« 2lmt aum ©egenftanbe (jaben fann. SBeber bem 
begriff be3 2tmteS, noa) ber pofitioen (^cfe^esSoorf^rift roiberftreitet e3 baher, 
wenn beifpieläroeife ben ^orfibeamten neben ihrer anberroeiten $unfttontrung 
oielieicht fogar uorroicgenb unb hauptfächlich bie Rührung urioatred)ttid;er @e* 
fchäfte in ©eftalt ber ^crroerilrnng beS &olae£ 2c. obliegt. 

2lllerbinga barf Ijier, reo e$ fid) um bie Siratscigenfchaft ber »on ber 
©emeinbe ober förioaten angefteHten görftcr unb gelbl^üter hanbelt, nicht aufjer 
2ld)t bleiben, bajjj bie Uebertragung ber 2lu3übung ber Staatsgewalt fettenS beS 
Staates an bie ihm untergeorbneten $Hea)tSträger fiü) auf einen begrenzten 
Umfang beföränft, nur bie Jßerroirflia)ung einzelner Staatsaroecfe umfaßt, unb 
baf? eine äßahmehmung ftaatliajer ttedne über btefe ©renae hinaus auSgefchloffen 
ift. 34 ) §ier genügt es, ju fonftatiren, bafj eine üofitioe lanbeägefejjliche söeftim* 
mung, welche bie gleichaeittge görberung unb äüaf)mel)mung prioatrea)tlia)er 
Sntcreffen neben einer amtlichen gunftionirung bur$ biefelbe $erfon für un- 
ftatthaft unb mit ber SfottSeigenfehaft für unoercinbar erklärte, nia)t eriftirt. 

©treittee ift tnbep motu bie Sinnahme, baß bie SMtigfeit bc*s ftelbhüterS 
auch bic ©idjerung beS (Eigentums abaweeft, unb ebenfo folgerichtig bie Sluffaffung, 
bafe bie ©ienfileiftung unb 2)ienftoeuia)tung ber ftörfier fieb wenigftens theü> 
weife in ber görberung ber für ben Staat fo wefentlichen §orfl*Äultur, foroie 
nicht minber in bem ödjufec ber SBalbprobutte erfüllt. 2)ie beiberfeitige gunftuv 
nirung ift fomit erftchttid; öffentlid? rechtlicher Statur, unb jroar a)arafteriftrt fie 
fidj fpejicU als bie oon 9lid)tbeamten nicht toalj^unetimettbe Ausübung ber bem 
Staate auftehenben ^oliaeigematt. 2Rag an fia) ber SJeariff ber $oliaei im 
weiteren ober engeren 6inne ber mtreffenoc fein; nach bem §. 10. Zf). II. %it. 17. 
31. 2. % gehören jum Stmte ber ^ßolijei bie nött)igen Slnftalten aur (Spaltung ber 
Sicherheit, Orbnung unb aur Slbroenbung ber bem ^ublüo ober einaelnen 3Kit* 
gliebern beffelbcn bcoorfichenben ©efo^r, foroie ber erfte Angriff bei ben bie 
(cidjcrl)oit ftörenben Vorfällen. T ;c räumliche Slu^behnung ber ^elbmarfen, 
Salbungen unb gonun, beren Slbgelegenfein oon ben ©täbten unb Dörfern, 
bie immer roieberfc^renben forffc» unb ]relbpoliaeilic$en Ucbertretungen unb bie 
baburd) bebingte 9btbrocnbig!eit einer fpeaieHen Sicherung ber gefdtjrbeten ©igen* 
Ummcobjcfte i)tU feit geraumer 3eit bie gefonberte 2Bat)ruelmumg bed auf ben 
Sd^uß ber 5 or ft* unb §elbmar! abaroeefenben SicherheUäbicnfteS burch befonberiS 
berufene ^erfonen ratsam unb gebräuchlich gemacht. S)a^ Strafgefefcbuch 
felbft f)at e3 für erforberlidfc) erachtet, foaar bie 2Balöeigcnthümer, gorft* unb 
^agbbercchtigtcn, fo roie bie oon biefen beficllten Sluffeher fchlcchthin unbeaa)tlich 
ber etroaigen Slmtöeigenfchaft biefer 2luffcher ben §§. 117. ff. mit befonberem 
Straf fdjug auSauftatten , unb ben Angriff gegen biefe ^Jerfonen innerhalb ber 
©renaen ihrer ^ea)t«au)3übung bem Slbfchnitte über ben äüiberftanb gegen bie 
Staatsgeroalt einzureihen. 

34) „SMefe «igenfc^aft »ofoit m$t o^nc SßeitercS ben mit bet Sßaijrmtfl ber ^riöatte^te 
bet Oemcmßen bettauten ©emeinbebeantten bei, bielmetyi ift in biefer Jöcjiebung son Sinflup, 
ob bie Gemeinte auf ötunb bet ibt für i()tcn ©ejirt j«fteb,enben ©yccutitgewalt be« Staates bie 
2lnfteUung für biefen »cjirt benrirtt twt. lieber benfelben frnauS t>at bic »emeinbe Weckte 
ber Staatsgewalt nad) Äu^en b,in nic^t tt>abtauuebmcn." Urtbeil M W. ®. b. 27. 3an. 1880 
9t. b. 9t. 33b. L ©. 279. 

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S)aS ßrforbcmtfj einer bera begriff beS 2lmteS entfprechenben $unftio* 
nirung ift bamit gegeben, unb es fragt fieib nur, ob auch eine Slnftellung 
burch ftaatlidje Autorität, eine red;tlid) bebeutfome Berufung su biefer gunftioni* 
rung oorliegt? 

SDie oorwiegenb mafjgebenben Paragraphen beS X. SitelS be^ SlUgemeinen 
SanbrcchtS ftnb oben bereits citirt worben. 3)ic Streitfrage, ob in benfelben 
eine „genaue, logifdje Definition" beS Begriffs 9lmt bcjtcbungSrocifc Beamter 
enthalten ift, ift eine alte. Sic mürbe bereits in ber bericjjtlidjcn Stnfrage beS 
DbcrlanbgerichtS SDiaricnroerber unter ber Ausführung oerneint, ba| in ben 
Bcfttmmungen nur eine negatioe BcgriffSabgrenjung aufgeftellt fei, wärjrenb bic 
barauf ergangene Ä. D. o. 16. %um 1806 barin eine erfa)öpfcnbc Kennzeichnung 
unb hinlänglich flarc Untertreibung ausgesprochen finbet. 35 ) 

2lü*erbingS erfajeint bie erftcre Anficht bie jutreffenbere, bafj bem ^anbrecht 
eine foldje Begriffs beftimmung ermangelt, Smmcrlnn aber wirb bic noch in 
bem 2öetSfe'fchen ^echtSUriton, Artifel Beamte, oertretene 2Jceinuna,, bafj 
jwtfchen öffentlichen Beamten im engeren unb im roeiteften Sinne 5U fdjeiben 
fei, baB ber leiteten Kategorie, welche jwar „juglctch $ur Erreichung geroiffer 
StaatSsroecfe mit oerroanbt werben", bic Rechte unb Pflichten ber StaatSbiener 
absprechen unb nur bie oom Staate felbft angepeilten ^erfonen als öffentliche 
Beamte im eigentlichen Sinne ju charafteriftren feien, wenigstens für $reufjcn 
bereite als ju eng burd) ben SBortlaut beS §. 69. bafelbft wtberlegt, ber bie im 
Dienftc gewiffer, bem Staate untergeorbneter Kollegien, Korporationen unb 
©emeinben jichenben Beamten auSbrücflid) ben im unmittelbaren 3)icnfte beS 
Staates bennblichen Beamten gleich ftellt. 

Söürbe fomit minbeftenS bcjüglich ber oon ber ©emetnbe angebellten 
^erfonen bereits in bem beregten §. 69. eine entfeheibenbe Unterftüfcung bafür 
3U finben fein, bafe ben Kommunen eine 2lnftellungSbefugnifj im Sinne beS 
§. 359. St. ©. B. in ber Zl)<xt sufteht, fo ergeben boch anbermeite ©efefceS* 
oorfchriften , bafj jene Borfdjrift bie Kategorie ber mittelbaren Beamten beS 
Staates {ebenfalls nicht erfchöpft. S5aS Allgemeine ^anbrecht fefbft bclmnbelt 
beifpielSweife in ben §§. 19. ff. Sb. II. Sit. 17. bie Uebertragung ber offene 
fichtlich einen Bcjtanbthetl beS jtaatlichen §ohcitSre<hteS ausmachenden ©ertchts* 
barfeit, unb 3war bezeichnet r erfennbar in Abweichung oon bem mehrcitirten 
§. 69., ber §. 20. biefeS Titels auch ^erfonen unb ftamilien, unb ber §. 23. 
bafelbft bie Beftfeer geroiffer ©ütcr als qualifyirt, bergleichen ©erichtsbarfeit su 
erlangen, währenb in ben §§. 76 ff. cbenoa bic Aufteilung ber bic ©erichtsbarfeit 
AuSübenben, ber ©eria)tShalter, burd) bic .Onljaber ber ©erichtsbarfeit unter 
näher beftimmter fkatltcher SJtitwirtung geregelt roirb. Selbjt roenn man aber 
bem gegenüber bie in bem §. 69. a. a. 0. enthaltene Aufjählung für eine aus* 
fchliefelichc erachten roolltc, fo roürbe biefe Annahme boch immerbin nur $u ber 
Folgerung führen, bafj bem Sanbrechtc biefc emfchränfenbc Auffaffung inne- 
wohnt. (SS fel;lt jeber Anhalt bafür, bafj bamit auch für bie fommenbc 3eit 
eine gefefegeberifche Erweiterung ber Beamtenfatcgorien Qat auSgcfchloffen werben 
follen, bafj bem Staate in Beranlaffung jener einmal crlaffencn Borfchrift bic 
Berechtigung ermangelt, im 2ßcge ber ©efe^gebung ben ÄreiS ber Beamten 
auSjubchncn, unb aua) bie oon anberen Rechtsträgern jur Serwirflichung ftaat* 
lichcr 3roccfe angeftellten perfonen für Staatsbeamte ju crflären. 5Dcr oben 
gleichfalls angeführte §. 71. $[;. II. %it. 10. weifl beflimmt genug auf bic 
öpejialgefefce fyin, welche bic Jbefucjnifj jur öefe^ung ber oerfetnebenen (Sioil^ 
iöebicnungen §u orbnen beflimmt ftnb. 9tach 3)tafegabc ber §§. 38., 45., 49., 
67. ff. ber ^nftruftion oom 30. 3Jlai 1820 finb bie oon ben StanbcSherrcn an* 
gcftcllten ^erfonen, unb inhaltlich beS ©efefceS oom 14. Slpril 1856, betreffenb 



35) ungemeine 3utifHf$e 3Ronat8fd)rift »on mm. 8b. 9. fc 472 ff. 



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«uS itx gravis jur ^rajri«. 349 

1 

bic länbliche OrtSobrigfeit, bic oon ben ©utShcrrcn $u polijeittcbcr *unfttonirung 
in »orgefchriebcncr Steife berufenen ^Serfonen ftreitloS Beamte, urib ber §. 22. 
bcS (£baufieca,elb'XarifS oom 29. gebruar 1840 , f jä(jlt fogar bic Gfjauffecgclb- 
päcbtcr ben Beamten bei", ^n ben Borarbeitcn urnt Sßreufjtfdjcn Strafgefefc, 
©oltbammer'S 3Jcaterialten Bb. T. S. 138, 517 ff., mürbe nnerfamtt, „bafj unter 
ben öffentlichen 2lcmtcrn nicht allein bic Königlichen, fonbem auch bie Kommu* 
nalen, StanbeSherrlieben unb anbere 3U begreifen feien," unb ba« ©eamte, btc 
oon einer Korporation ober oon einem fonfrigen ^nbaber einer öffentltdjen 
©eroalt ober gcwtffer SRegierungSredjte (mebiatifirten gürften, StanbcSljerren, 
©utSberren 2c.) gerodelt, berufen ober bcjteUt fmb, im unmittelbaren Staats* 
bienfte ftetjen. 

$afj bie im StaatSbienfl befinblichen, mit bem gorfrfchufo unb Suftuhfö* 
btenft in ben ffaatlicben, refp. Königlichen 23albungen betrauten Königlichen 
Beamten fötale im Sinne beS §. 359. St. ©. B. fui>. bebarf nicht roeitcrer 
Begrünbung. 56 ) 

$m älnfchlufe an bie (SingangS angeführten höchftrichtcrltchen Gntfcheibungcn 
roürbe fidj alfo in Betracht beffen, ba§ ber §. 69. Z\). II. Sit. 10. nur ben 
Kollegien, Korporationen unb ©emetnben eine SlnftettungSbefugnife äumeift, bie 
Untersuchung barauf 311 befchränfen hoben, 

1) ob unb in welchem Umfange ctroa in Spejialgcfcfccn, abroeichenb 
oon jener allgemeinen Regelung, bie 2tnfteflung5bcfugni& anöeren SReehtS' 
inhabem übertragen roorben, unb 

2) ob in biefen Spejialgefefccn etroa bic 2lrt unb gorm ber SEfafiettung 
gleichzeitig geregelt, unb oon ber Beobachtung biefer fpesiell oor« 
gef<hriebcncn gorm bie Uebcrtragung ber SttmtSeigenfchaft abhängig ift? 

Bezüglich ber gelb* unb gorfifjüter flnb in bem feit 1. ^uli b. 3. in 
Kraft getretenen §. 62. bcS gelb unb gorMoltjcigefcfccS bic 3luSfchlag gebenben 
Bcfttmmungen enthalten, ©ie aus benfelben in Berbinbung mit ben Borfcforiften 
bcS ^orftbiebftahl^gefe^ejS abfltefjenben golgerungen werben baS oben bereits 
auSgefprochene Wefultat ergeben, baß eine nach 3Jta§gabe beS lefet citirten ©efefces 
fkttbabenbe Beeibiaung ber görftcr 2tmtSqualität in übermitteln nicht geeignet 
ift. Gtne Nachprüfung ber überbieS gleidjlautenb bcantroorteten grage, ob eine 
ben Borfchriftcn beS $ol$bicbftahl#gefe|jeS oom 2. ^uni 1352 entfprcdjenb ftatt* 
gefunbene Bccibtgung ber als gorftbeamte bezeichneten ^erfonen, letztere mit 
aimtScigenfchaft ausstatten im Stanbe roar, f Reibet bamit aus. 3)aS ©leiche 
gilt, eben im £>inblicf auf bic Siegelung unb fcöfung ber grage in bem neuen 
gclb*$oltjeigefe|} , t)tnfid)tli<^ ber Hnflellung unb Bereibtgung ber gelbhütcr in 
Beobachtung unb nach 9)iafjgabc ber Borfchriftcn ber gelb * ^olijei > 0. oom 
L 9(00. 1847. 

Bon Bcbcutung bleibt nur bic in ben eben angejogenen Gntfcheibunqcn 
bcS oormaligen Obertribunals oom 29. Sept. 1859, 28. gebr. unb 28. Sept. 18&5, 
unb anbercrfeitS oom 9. 3uli 1869, 27. 3an. 1875 unb 29. s Jioo. 1876 fkeitig 
geworbene unb abroeichenb beantwortete grage, ob bic Beobachtung ber förmlich* 
feiten beS SpeaialgefejjcS bebingenbc BorauSfefcung ber SlmtSqualität bcS gelb* 
büterS ift, ober ob btefc (Sigenfchaft rüctfichtiidj ber oon ben ©emeinben unb 
Inhabern, fclbftftänbigcr ©utsbejirfc angcjtcUtcn ^erfonen bereits aus ben all- 
gemeinen ©cfcfceSoorfdjrif ten folgt, unb bejahenben gaüS, an roclchc weiteren 
Bebingungcn btc 9icd)tSgültigfeit einer berartigen 2lnfteOung gefnüpft ift? 



36) SSergt. fcie StufjäMung tict bctteffenfcen SBcamtcutatcaoricu, OeMfcbtäger * 5Pemf>artit 
0. a. C. &. 6<) 9lote 2. 



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350 



8u3 bcr ^raji« 31« $tapg. 



a. 

SIS SuSgangSpunft mu§ auch rficfftdjtlich bcr neben ben allgemeinen 
Borfdjriften in $rage tretenbcn @pe,ualaefe&e unoeränbert ber 6afc bleiben, bafj 
bte SuSübuna, bcr StaatSgeroalt, tnSbefonbere bie £anbhabung ber $olt$ei unb 
bannt auch bte Berufung oer jur 2luSfübrung ber polizeilichen X^dtigfeit er« 
forberlichen nr.b geeigneten Organe an fich nur bem Staate juftebt, unb ba§ es 
bcr Ucbertragung bietet ftaatSrccbtltcbcn Befugni§ auf anbere $crfonen, gleich* 
oiel ob phnftfdjc ober »uriftifche, bebarf, roenn eine Slnfteüung fcitcnsS ber lederen 
ju Siecht befieben unb ju amtlicher ftunftionirung befähigen foH. 

$)er sureid^enben Begründung ermangelt aber bte in einer ber ©ngangS 
ermähnten (Sntfdjeibunqen äroeiter §nffon$ auSgefprochene Folgerung, baf? bte 
Sanbgemeinben eine *ßolt$cigeroalt nie gehabt, unb ba§ bie Snbaberfdjaft einer 
berartigen ©eroalt für bic Berechtigung ju einer rechtsgültigen 2lmtSübertragung 
einflußlos fei. 

$>em entgegen hatten bereit« bie mehrfach citirten ©rfenntniffe bcS Ober* 
tribunalS 00m 9. 3uli 1869 unb 27. Januar 1375 bie ©emetnbe als „bie be* 
tteffenbe ^Soliseibehörbe", roeldje jut 2lnflellung bet ftelbhüter juuanbig fei, 
bezeichnet, unb biefc 3lnnabme erfetjeint folgerichtig. Süchtig tfi, ba£ bie Sanb* 
gemeinben Inhaber bcr ^oUjeigeroalt nicht roaten, bafe tnSbefonbere burch ©efefc 
00m 14. 2lprit 1856 bie ©utSpolijei tf)eilS als eigene, theilS als fommiffarifajc 
roieberfjergefteUt, unb erfl burch §. 46. ber ÄreiS*0., inhaltlich beffen bic föanb* 
habung ber ^oltjei im tarnen beS Königs erfolgt, aufgehoben tu. SCbcr barauS 
folgt nichts gegen bic Berechtigung ber ©emeinben zur 2lnfteHung beamteter 
^elbhüter. 

SDafi bie HuSübung ber ftaatlidjen ©eroalt nicht in ihrem ganzen Umfange 
übertragbar ift, ergiebt ftdj> »on fclbft. Stur ein ber öffentlichen ©croalt 
roirb übermittelt, nur befummle öffentlich rechtliche ^unftionen roerben beftimmten 
StedjtSträacrn anoertraut. 211S ein foldjeS ©tüdf ftaatlichcr (Srefutiocjeroalt ftettt 
fich bie ^soli3cigeroatt bar, beren Ucbertragunq bic SfafielhtngSbefugmft bcr $elb* 
hütcr bereits mit umfaffen roürbe. $ie amtliche Verrichtung beS ftelbbüterS ift 
noli^cilicher Statur, unb bilbet roieberum einen integrirenben Bcftanbtljeil ber 
$oli3eigeroalt, unb zroar einen Beftanbthcil, bem eine gefonberte 2öahrnef)muna 
unb ftanbbabung unb eine fpezieHe SlmtSthatigfeit non 3llterS her zu $hcil 
gcroorben ift. @S ift nicht erjtdjtltch, roeshalb bie Uebettragung ber SluSübung 
biefeS SheitS bcr ^olijeigeroalt einer befrimmt genug abgegrenzten polizeilichen 
3$ätig!ctt unflatthaft unb unausführbar fein fofltc? 

Stach §. 19. 5£fjcil IL Sit. 7. X. 2. St. haben bie $orfgcmeinbcn bic Siechte 
öffentlicher Korporationen (Sit. 6.), unb auSroeiSlich bcr §§. 159. ff. II. 
Sit. 6. bafelbft fleht ben Korporationen ber Siegel nach bic Befugnife zu, ftch 
ihre Beamten felbfl ju wählen. %m §. 37. Str. 5. Sheil II. Sit. 7. ift unter 
ben „©emembeleifhtngen" bie Berforgung bet S)otfhirten unb anberer im 2)ienfte 
ber ©emeinbe befinblichen ^ktfoneu aufgeführt, im §. 59. ebenba ifi bem Schulden 
bic genaue Befolgung bet £)orf* unb SanoeS-^olizeiorbnungcn , su benen nach 
Koch 'S jutreffenber (Erläuterung bic ?yclb*^olijeiorbnung gehörig, unb in ben 
§§. 66. 68. bafelbft bie Pflicht auferlegt, bie ftelb« unb ©artcnbicbfiählc an^u- 
jeigen unb bic Slachtroächtcr, Birten unb $lurf<hüfecn mit ©ruft 3U ihrer 6d)ul* 
bigfeit anjuhalten; Borfchriften, bie hinlänglich barthuu, bafe bic ©emeinben jur 
2lnflellung bcr ju polizeilicher ^unftionirung berufenen jyelbhüter berechtigt unb 
ucrpfltchtct Ttnb, unb baß bem ©chuljcn baS SluffichtSrcdht über biefclben über- 
tragen roorben ifl. 

Sticht minber flar flcHt ftch °ic 3lnftcllungSberecötigung bcr ©emeinben 
unb 3"h a bcr felbftftänbigcr ©utsbejirfe nach ben S^orfchriftcn ber ÄrciSorbnung. 
3)er angeregte 3roetfcl, ob bic ©utsbejirfe als juriflifchc ^erfonen ju charafterifiren, 



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I 



«u3 btt $rari« jur tyapi. 35 1 

unb fie fomit na$ 2lrt ber $otfgemetnen forporationsbcredjttgt, ober ob ftc nad) 
bcr xtä)Üiö)tn 9tatur eines fommunalcn SierbanbeS auSgeftattetc Präger oon 
s Jled)ten unb ^fltd)ten finb, 37 ) muft f)ier, als in ben Folgerungen nidfjt roefentlid», 
außer 5Hd)t bleiben. $)cnn nad) §. 46. bcr Ärei$*0. erfolgt bie SluSübung bcr 
^olijei Flamen« be$ Staates. *Nadj bem §. 59. bafelbft finb bie 3iratöoorftänbe 
Vermalter ber $oli$et, nad) Den §§. 22.tr-, 31. ff. cbenba bie ©emeinbe* unb 
©utöoorfteljer beren Organe unb ©entilfen. $n biefer @igenfd)aft finb bie 
©emeinbo unb ©utSoorflefjer aber gleidjjeittg Vertreter be3 JtommunaloerbanbeS, 
benen bie in bem §. 30. aufgeführten poli$eilid)en Sterte unb $fli$ten über* 
miefen morben finb. 38 ) 

Ueberctnftimmenb lautet bie in ber Sted&tfprcdjung unb im VcrroaltungS' 
toege p 2luSbrucf gelangte 2tuffaffung, 39 ) bafj ben AfreiS*, 2lmt3- unb ßom- 
munaloerbänbcn bie Slnfteflung polizeilicher Organe, unb fomit erfidjtlidj audf) 
ber Rclbljütcr geftattet fei, unb jioar, tote baS ©rfenntnife beö DbertribunalS 
jutreffenb t;eroorf)ebt, weil eine auSfdpefjlid&e 2BaI>rnebmung ber oerfd)iebencn 
ftunftionen burd; einen Beamten eine tl}atfä$li<$e Unmöglidjfett ift. ©ine 33c- 
ftätigung für bie fltidjtigfeit biefer 2lnfid)t liegt in bem ßntro. jum §. 46. beS 
tfompetenj*©. 00m 26. 3uli 1876 auÄgefprod)en. 3" bemfelben mar oot* 
gefdjrieben: 

2>er ÄreiSauSfdjufe befcpefjt enbgültig über bie Veftätigung bet 
©utSoorfief)cr :c. 

SMefe Seftimmung finbet gleidjmäfng Snroenbung auf bic Sc* 
ftätigung ober s JUd)tbefiätigung ber oon bcr ©cmeinbeocrfammlung 
(©emeiribeoertretung) ju roät)lenben OrtSfleuererfjeber, ©emetnbe* 
färetber, gorftbeamten, gelbtjtiter, foioie auf bie Ernennung oon 
©tefloertretern. 

SDtefe in bem 2lbf. 2. miebergegebenc Sluffaffung ift nun jroar oon ber 
Äommtffion aeeeptirt unb anerfannt morben, bafe überall ba, mo es nad) SDtafj* 
gäbe beS ©efefceS ber ©ejtätiguna oon ©emeinbebeamten überhaupt bebarf, biefe 
fortan in ©emäfjtjett beS §. 26. bcr ÄreiS'D. ju erfolgen fmt. dagegen mürbe, 
um ber Sanbgemeinbeorbnung nid)t oorjugreifen, cS abaelcqnt, über bie ^rage, 
mcla)c geroäblten ©emeinbebeamten einer Jöeftätigung beourfen, an biefer ©teile 
eine ©iSpofition §u treffen. 2)te bcöfaUfige ftrage ift beSfmlb na$ ber ju- 
treffenben 2lnfict)t o. Vraudjitfays nad; ben bisherigen ©efefcen 311 beantroorten. 40 ) 

$ie nämltdje WteilungSbefugnif) ber ©tabtgememben ergeben bie Vor* 
fünften bcr ©täbteorbnungen. ^nlialtlid) beS §. 56. ber ©täbte*0. 0. 24. 9Rai 1853 
liegt beifpielSroeife bem ^Dtagiflrate bie ^flid)t ob, bie ©emeinbebeamten, nadjbem 
bie ©tabtoetorbneten barüber gehört morben, anjufteHen unb ju beaufiidjtiaen, 
nad) §. 58. 2lbf. 3. ftejt bem Sürgermciftcr jur Erhaltung ber nöthiaen SMS* 
siplin baS 9ted)t ju, bie ©emeinbebeamten nad; SJcaigabe ber gcfcfclicffen Vor* 
fünften ju aj^nben, in bcr Silier^. Äab. Orb. 00m 22. %an. 1826 ifl bie 2ln* 
fteHung bcr ftäbtiftficn Beamten auSbrücflid) auf ©runb oertraglid^er Vereinbarung 
Ijeroorgc^obcn, im §. 76. unb ff. baö Dberauffid&tSrec^t be« ©taatc« geregelt, 
unb im §. 80. bie 2lnrocnbung bcr betreffenben ©efege auf bie 2)icnfloergcl;en 
bcr Sürgcrmcifter, bcr s JJlitglicbcr bc3 Vorftanbc« unb ber fon fügen ©emeinbc* 
beamten auSgcfprodjen roorben. 



37) Gebens unb e. WUrpm a. a. O. 33b. 1. @. 115 ff. 
». »rau*itf<i> a. a. O. »b. 1. 6. 33 ff., 33b. 9. &. 53. 

39» ffltinifter.*2!nftruthon ü. 20. Qfpt. 1873, Verfügung ». 20. SWärj 1874, ». 8rau*ttfdi, 
a. a. O. 33b. 2. @. 19, 54; 2Jlinifterial-33latt b. 3n. Skr». ©. 199, Gr!, be« ObcrtribunatS »om 
21. 3an. 1875 unb 21. ftebr. 1879, flrdnc «b. 23. 8. 549, 33b. 27. 5. 108. 

40) ü. 33raud?irfd) »b. 2. ®. 23-5. 



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352 » u * *«P* »uttyraji«. 

2115 oormaliger ^n^abcr einer ©utSpolijei unb bemnächfter Inhaber eines 
fclbftftdnbtgen ©utSbejirfeS war alfo ber StittergutSbeftfcer o. X. in bem (singangs 
angeführten ftaHe jur Slnftellung beS Ä. ate ^elbbüter befugt, unb fomit baS 
oernichtenbe Urteil oom 20. 5Koo. 1876 gerechtfertigt. 



2lber mar biefe STttflellung oon bent suftänbigen ©ewaltinbaber auch in 
rechtsgültiger, ben gefcfclicbcrt ^©rforberniffen entfpreebenber Söeife erfolgt? 

inhaltlich beS, wie aus ber oorftchenben 2luSfübrung erhellt, noch bt 
©eltung befinblichen §. 19. Xtyii II. Sit. 7. 2tHg. 2. SC in SBerbinbung mit 
ben §§. 159., 160. Xheil II. %it 6. bafelbft mufe bie oon ben $>orfgemeinben 
als öffentliche Korporationen getroffene 2öahl oon Beamten „ber oorgefefcten 
Schörbe jur Genehmigung angezeigt werben." 

Stach .bem mit bem §. 4. ber SSerorbn. o. 20. ©ept 1867 oöUig gleich* 
lautenben §. 4. beS ®. o. 11. aflärs 1850 bebarf 

„bie Grnennung aller Sßolijeibeamten, beren Slnftelluna ben ©emeinbe* 
behörben äuftefu, ausnahmslos ber Betätigung ber StaatSrcgierung." 

^n biefer oorbehaltencn Betätigung ber 6taatSregierung liegt recht 
eigentlich bie ftaatlidjc äftitwirfung jur Slnftcllung in ©eftalt geeigneter Prüfung 
unb ber barauf gefrü|ten Berufung ju amtlicher Shätigfeit. 3)ieTe Betätigung 
ift anbererfetts aber auch *>ag bebtngcnbe ©rforbernife jur Einreibung ber be* 
treffenben ^erfonen in ben ftaatlichen Organismus, bie BorauSfefcung ber erft 
bamit gum 2lbfchlufj gelangenben Ucbertragung ber SImtSqualität unb ber aus 
lefcterer abfliefeenben Berechtigung §u amtlicher ftunftionirung. 

Sie btcnftlicbe Verrichtung unb ^^ätigfcit ber ^clbhüter ift polizeilicher 
ÜRatur. 35icfer ©^araftcr il;rer bienftlicben iieiftung berechtigt ©emeinben unb 
Inhaber felbftftänbiger ©utsbejirfe jur 2lnftcUung oerfelben ol;nc Beobachtung 
ber Borfcbrtftcn ber $elb*$olijciorbnung bereit« nach allgemeinen gefefcltchcn 
Beftimmungen. 2c|tere müffen bann mehr, aber auch ihrem ganzen Umfange 
nach gemährt werben, eS mu§ bie für bie ^olijetbcamten, unb bamit auch für 
bie fpejieüe Kategorie berfclben, bie $elbbüter, oorgefchriebenc ftaatlicbc Beftäti- 
gung ftattgehabt baben, oon ber bie ftcchtSoerbinolicbfcU unb SRccbtSgiUtigtcit 
ber 2lnftcflung unb ber 2lmtSübertragung abhängig ift. 

©ine foldje Betätigung bcS ftörfterS unb ftelbbütcrS JL, bem gleichseitig 
auch eine Bcretbigung nach 9)iaf>gabe be« &oljbiebftahl3*@. o. 2. 3uni 1852, fo* 
mie ber ^clb^olyei 0. o. 1. 9too. 1847/ für ben Bejirf beS Rittergutes ©. 
ermangelte, roar nicht erfolgt, unb barauS fließt, ba nur bie aus feiner 
poüjeiltchen ftunfttontrung erroachfene amtScigenfdmft in grage tritt, bie 
Folgerung ab, bafj ihm lejjtcre nicht innewohnte. 



2)ie feit bem 1. 3uli b. 3- in Kraft getretenen Beftimmungen bcS ftetb' 
unb $orft'$olisci>@. o. 1. Slpril bringen biefe in ben allgemeinen ©efetjeSoor-« 
fehriften enthaltenen Bcbingungcn unb Grforbcrniffc benn^auch jur befttmmten 
unb auSbrücFltchcn ©eltung unb 2lnwcnbung. 

„Jelbhüter (^orftljüter) im einnc bicfcS ©cfcfccS, fo lautet ber 
§. 62. baf., ftnb bie oon einer 6tabtgcmcinbc , oon einer Sanbge* 
meinbe ober oon einem ©utSbefifecr für ben gclbfchufc (^orftfchu^) 
angcftcHtcn ^Jerfonen. 

$)ie 2lnfteUung ber fyelbhütcr (^orfthütcr) bebarf ber öeftattgung 
nach ben für ^olijeibcamte gegebenen Vorfchriftcn, unb, forocit folchc 
nicht beftehen, ber Söcftätigung bcS ÜanbrathS (SlmtShauptmannS, 
ObcramtmannS)." 



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8u§ ter tyrap* jttr $Mp3. 353 

9lid()t etwa, ba§ bie jtoatlidje SBeredjtigung in 3roeifcl gebogen werben 
follte, hn SBege ber ©efefcgebung nidjt nur bie 23eredjtigung §ur Slnftcllung oon 
Beamten, fonbern gleicbjettig aud& bie 2lrt unb SBeife, bte ftorm unb SJorbc* 
bingung einer foldjen 2lnftcüung umzuformen unb umzugestalten. 9M)l aber 
liegt in ber £l;atfadje, ba§ baS neue Spejialgefefc jenes SDcoment ber 23cftätigung 
auSbrücflidf) mit aufnahm, ein 93elag bafür, bafc jene allgemeine ©efefceSoorfc&rtft 
nur auf baS ©pczialgefefc übertragen, bafe in legerem eine SluSnabme nidjt 
gefa^affen worben, unb bafj jened für baS gelb* unb gorft^oli$etgefe& nur 
wieber&olte @rforbcrni§ in ben angesogenen allgemeinen ©ei efceSoorf Triften in 
ber %l)at bereite enthalten mar. 

S>ajj bie naef) SKafcgabc bcS §. 62. 1. c. erfolgte Slnftcttung allen SBebtit- 
gungen einer 2lnfteü"ung im ©inne oeS §. 359. 3). St. ©. 58. entfpridfjt, unb 
baß bte in biefer 9Beife angefaßten ^erfonen Beamte fmb, bebarf nadj ber 
obigen 2IuSfüf)rung feiner weiteren SÄec&tfertigung. 2)ie Erweiterung, welaje 
bte beregte SBorfajrift ben Sefiimmungen ber 0elb*$olijeiorbnuna gegenüber 
enthält, ift erftcfjtlic^. GincrfeitS ift oie ßrmäStigung jur Slnftcllung jebem 
©runbbefifcer f$le$t$m, gleid&oiel ob er ^nfmber eines felbftftänbtgen, besiefyungS* 
weife eines ju feinem ©emetnbeoerbanbe gehörigen ©utSbejirfeS ift ober nityt, 
übertragen. 2tnbererfeitS begreift baS ©efefc neben bem Sdjufce ber ftelber 
leu&jeittg aud) ben ber gorften. „£)ie Obliegenheiten ber gelb* unb Aorffyütcr 
efie^en nadfj ber SluSfübrung ». SBülowS im Allgemeinen in ber Scauffid&ttgung 
unb $efd)ü(jung ber $elocr unb ftorften", unb umfaffen bie 2ln$etgepflid&t „aller 
oon ifjnen entbeeften ftrafbaren ipanblungen, mögen foldje in btefem ober in 
anberen ©efefcen uorgefefjen fem." 

Dieben biefen, bie 3orft*$olijei regelnben SJorfd&riftcn ift bereits fett 
L Oft. o. 3- öaS ben in ber ftorft 2c. oerübten ^iebftajl an £olj unb anberen 
SBalbcrjcugnifien betreffenbe ©. ». 15. Slpril 1878 in ©cltung befmblid&. 
S)cr §. 23. beffelben fdjrcibt oor: 

„2Serfonen, weldje mit bem #orftfo)u|} betraut finb, fönnen, fofern 
btefelben eine 2lnsetgegebü^r nid)t empfangen, ein für allemal gerid)tlid) 
beeibigt werben, wenn Tie 

1) Äöniglidfje Beamte ftnb, ober 

2) oom 2öalbeigentf)ümer auf SebcnSjett, ober na<§ einer oom £anb* 
ratl) (2lmtSl;auptmann, Oberamtmann) bef peinigten , breijäljrigen 
tabettofen gorftbienfijcit auf minbeftenS brei 3af)rc mittels fdjrift* 
ticken Vertrages angefteUt ftnb, ober 

3) su ben für ben gorftbienft beftimmten ober mit gorftocrforgungS* 
td&ein entlaffenen HRilitärperfoncn gehören. 

3n ben fällen ber 91r. 2. unb 3. ifl bie ©enc^migung bcS 
33e5irf3ratf)ee erforberlidfj :c" 

®te gormel ber SBeetbtguna lautet nad& §. 24. baf)in: 

ba§ er bie 3uwiberljanblungen gegen bicfeS ©efefe, meldte ben feinem 
6d)u£e gegenwärtig anoertrauten ober fünftig anjuoertrauenben Scjirf 
betreffen, gewiffenfwft anzeigen, bei feinen geriajtlid&en Vernehmungen 
über btefelben nach beftem 2Siffen bie reine 2öal)rf)cit fageu, nid&tS 
oerfdfjweigen uno nid^ts f)inaufc|}en, audj bie ujm obliegenben Sd&äfcun* 
gen unpartciifd(j nad) beftem Riffen unb ©emiffen berotrfen werbe. 

3m §. 25. enblia) ift angeorbnet: 

5ft eine in ©cmäfefjeU ber oorftelienben öeftimmungen, ober nad) 
ben bisherigen ^efe^lid^en Sßorfd^riften jur ©rmittelung oon 
gorftbiebftäljlcn beetbigte ^erfon als Beuge ober 6a^oerftänbiger gu 
oernc^men, fo wirb eS ber (SibeSletftung glcid^ geartet, wenn 
ber iu 33cmc|menbe bie 9lidbttgfctt feiner 3luSfage unter Berufung 
auf ben ein für allemal geleifteten @ib oerna)ert. 



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354 *< r 8« UtatfS. 

2öcld»e Bebeutung h«t nun btefe nach SJlafigabe "her angebogenen Be* 
frimmungen erfolgte Beeibigung? 3ft fte inSbefonbere geetgenfehaftet, ^mtgeigen* 
fc^aft ju übertragen? 



3)ie angebogenen zahlreichen Gntf Reibungen be$ oormaligen ^ödjflen 
Gerichtshofes ftimmen barin überein, bajj bic unter ber ^errfdjaft bc£ ^olgbicb' 
ftabl£gefc&cS oom 2. Sunt 1852 nad) a)tofjgabe unb in Beobachtung ber bort 
erteilten Borfchriften oereibeten ^erfonen a& Beamte, unb jroar fpejieff als 
(SrefutiO'Beamte $u erachten finb. SMefelbeu ©ntf Reibungen legen aber emerfeits in 
ihrer immer unb immer erforberlieb geworbenen SBieberfeyr/ anbererfcttS in 
ihrer mehr ober weniger eingef>enben Bcgrttnbung dar, bafe ba8 ©pejialgefefc, bc* 
treffenb ben ^oljbiebftabl, eine btrefte unb auSbrücfltdje Söfung ber Frage nicht 
giebt, bafj es einen fireitlofcn 2lu£fpruch über bie 3lnfteUungSberea)tigun(j unb 
eine mit ber SlnfMung oerfnüpfte 2lmt3eia,enfchaft ber angefteUten unb oeretbeten, 
mit bem §forfrf<$u$ betrauten $crfonen nicht enthält. 

S)ementfprea)enb führt fia) baS ©rgebnifc ber bie 2lmt$qualität bejahenben 
Solgerungen auc^ minbeftenS oorroiegenb auf 2lnaIogicfd)lüffe jurücf. 

©in ben ^orftfdjutj unb bie 2luSübung ber ^orft'^olijei regelnbcS Gefe{$ 
mar ntä)t oorlwnbcn. $)ie %t)at)ad)i, bafj baS .§okbiebftahl3gefefe in mehrfacher 
Beziehung oon einer auf bie Sicherung ber ftorft unb ihrer ©rjeugniffe ab* 
jrocefenben $hätigfeit ber »jörftcr fjanbelte, legte ben 9tücffchluB nahe, bafe biefcö 
Gefcfc gleichseitig jene i'ücte auszufüllen beftimmt fei, bafj bie bort genannten 
Sßcrfonen, jumal tn Mcfficht auf ihre Bereibigung unb bie ber Icfetercn oorauf« 
gegangene Genehmigung burch bie ©taatsbehöebe, berufen feien, jene nottj* 
roenbige, auf bie Sicherung ber gorften abjtoecfenbc polizeiliche Funftion wahr- 
zunehmen. 

©er amtliche, ober minbeftcnS amtsartige Gharafter ihrer 25icnjlleiftungen, 
inSbefonbere bie Ermächtigung zur Bornahme oon §anblungcn, beren Berridjtung 
anberroeit Beamten übcrioiefcn ift, unb bic an fich nur burch Beamte ausführbar, 
bic Gleidjftellung ber unmittelbar oom ©taatc mit ben oon ben ^rioateigen* 
thümern mit bem Forfrfchufc betrauten ^erfonen, bie Bezeichnung berfelbcn als 
Forftfdnifcbeamte, bie Gharafterifirung ihrer XfyätiQhit als bienftlidjeS Auftreten, 
ihre Bereibigung nach oorgängiger Genehmigung fcitenS ber Regierung, fomie 
bie erhöhte Glaubrotirbigfeit ihrer SluSlaffung finb bic Momente, welche für bie 
Bejahung ber ftrage naa) ber SlmtSqualität oornämlich geltenb gemadjt 
roorben n'nb. 41 ) 

$)ie BorauSfefcungen biefer Folgerungen finb burch bic beiben Gcfcfce 
oom 15. Slpril 1878 unb 1. 3lprtl 1880 in Doppelter Beziehung umgejkltet worben. 

3enc Surfe, roclche baS Bcbürfnifj einer gefefclichen -[Regelung unb bic 
praftifchc 9iothwcnbigfeit eines geeigneten Schule« ber bic ^orfien fichernben 
^erfonen, unb bamit bie Sroetfbtenlicbfcit einer ergänzenben 2luSlcgung anregte, 
ift aufgefüllt; eS ift ein Gefcfc in Äraft getreten, wclc&eS ben Slnforberungcn in 
beftimmter gcfejslicncr %oxm im oollftcn Umfange Genüge leiftet. 

2lnbercrfcitS finb bic in bem £)olzbieoftahl8gefe&e enthaltenen ©runb* 
lagen, auf benen fich jene Slnalogiefchlüffe aufbauten, mit bem ?lufjer*#rafttretcn 
btefcS ©cfe^oS in ©eafall geraden. $n bem gorftbiebflahlögefc^e haben bic 
in ^rage tretenben Beffimmungen be3 ^olsbiebflahlögcfe^c« in ben crhcblichftcn 
fünften eine Beränbcnmg erfahren, ©ine oerglcichcnbc ©cgcnübcrftcUung ber 
ctnichlagcnbcnBorfdjriften biefer beiben ©efetje roirb biefe 6chluf?folgcnmg beftätigen. 



•11) 2krjil. Irrt, oom 2U. £cpt. 18(51, t». O, St. t @. 'AO unt oortiämlid} oaö 
Urtpeil oom 15! Sinti 1871, & m. SB. ®. 178 ff. 



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»ufl bet <ßrariä jw $to|i*. 355 

3fn bcm ©efefce 00m 2. $uni 1862 waren bie mit bcm ftorftfd&ufc be* 
aufragten ^erfonen in bcn §§. 21., 28., 30., 31., 33., 35. als f^orft- refp. 
ftorftfchufcbeamte aufgeführt. $m §. 21. mar benfclben bie 3Jiitmirfung jur 
(Ermittelung unb S3erfolaung oon ^oljbiebfiä^len außerhalb ber ftorft über- 
tragen, im §. 22. bie SBefchlagnafjme übermiefen, im §.30. mar bie£abung ber 
$orftbeamten burdj it)rc S5tcnftbehörbe oorgefchrieben, im §. 31. mar ibre SBabr* 
netjmung auSbrüdTich als eine btenftlidjc, unb im Sd)tu&fa&e beS §. 33. il)r 
2luftrcten oor ©ericht als ein McnfHicheS bejctdjnet morben, wäbrenb nach §. 35. 
bie eine 2lmtSentfefcung nad) fiä) aiehenbe Verurteilung bie SBirfungSlofigfeit ber 
3kreibiaung unb ftaatlidjen ©cnehmiguna nur ftolge haben füllte. 

S)cm gegenüber ift in bem $orftbicbftahlSgefcfe oom 15. Spril 1878 in 
einer gerabeju auffälligen SSeife jebe 83ejei<hnung oermieben worben, welche in 
[ich unb bireft auf eine amtliche ftunttionirung, bejiehungS weife auf eine amtlid)e 
©igenfdmft ber in bem ©efefee aufgeführten Sßerfonen Anbeuten fönnte. Qa, bie 
forgfame rebaftioneUe Raffung beS lefctcitirten ©efefceS, gerabe in Abweichung 
unb im ©egenfafce ju ben SBcftimmungen beS ,§ol$biebflahlSgefejjeS, rechtfertigt 
bie Annahme, bajj bie ftrage nadj ber 2lmtSeigenfdjaft ber mit bem ^orftfdjufc 
betrauten ^erfonen in bem erfieren ©efefcc erfi"ct>tlicr) überhaupt nic^t hat $um 
Austrage gebracht werben follen. 

5)er o6en ad 2. srnm Sdbluffe bereits berührte, uon ber Sefchlagnahme 
ber jur Begebung beS ftorfibiebftabls geeigneten 2öerf$euge fmitbelnbe §. 16. ift 
nicht, roie Der einen ähnlichen Inhalt roiebergebenbe §. 22. beS §. 2X 
unter ben baS Verfahren regelnben Slnorbnungen, fonbern unter ben 
materiellen Storfchriften beS ©efcöeS enthalten. 3« einer ©djlufjfolgerung auf 
bie \)kx fragliche AmtSeigenfdjaft aber ift bie beregte VefHmmung beS §. 16. 
umforoeniger geeignet, als bie in biefer Vorfchrift, welche über bie berechtigten 
^erfonen {einerlei 2luffd)lu6 giebt, oorgefehene SBefchlagnahme oon ber 2tmtS* 
eigcnfdjaft ber Scfchlagnclnnenben gänzlich unabhängig, neben ben Beamten auch 
ben niebtbeamteten 2öalbeiacntt)ümern aeftattet fein \oürbe. 42 ) 

2)ie §§. 23., 26., 27. beS ftorfc®. ®. fprechen oon $crfonen, welche mit 
bem ftorftfchufc betraut finb. SSeber biefe noch anbere SBorfdjriften enthalten 
eine Seftimmung barüber, wer ut einer berartigen Betrauung ermädjtigt, gefchweige 
benn wer ju einer 2lmtSetgenf<haft gewährenben Slnftellung berechtigt ift. 9tor 
ber §. 23. bafelbft erwähnt neben ben in bem §. 3. 9tr. 3. unb §. 9. genannten 
Vcftohlenen bie Aufteilung fcitcnS ber SÖalbeigenthümer — eine Erwähnung, 
bie in beren Sefchränfung auf bie SSereibigung unb in ber Sebeutung ber 
leöteren ihre ©rlebigung finbet. S5er §. 31. beS ©., ber eine erhöhte 

©laubwürbigfett ber auf bienftlicher Söahrnehmung ruhenben StuSlaffung aus* 
fprad), bat Aufnahme nicht gefunben. £ie fernerhin auS bem bienftlidjen Auf* 
treten im Sinne beS §. 33. £. 2). ®. entnommene Sprung beS ©ertdjtS ift 
im §. 24. Abf. 2. beS ftorft*$. ©. nad) bem Sejirfe aeregelt, „ber bem 6dntfce 
beS üBceibigten anvertraut ifi". $>ie «eseidmung ftorftbeamter, bejw. ftorftfdmfc 
beamter ift in ben §§. 24., 25. ftorfWD. ©. burd) bie AuSbrücfe, „ber m Sc* 
eibigenbe", „ber m Vcrnehmenbc" erfe^t, unb nach §. 27. bafelbft bie 2abung 
ftatt burd) bie 5)iennbchörbe burch bcn Vorgefeöten $u oeranlaffcn, eine 2luS* 
brucfiSweife, bie inhaltltd; ber Äammerocrhanblungen aud) auf btc im ^rroat* 
bienfle ftehenben görfter ju bejietjen ift. 4S ) 

42) „Sielmefir wifl fie — bie Sorfcörift beS §. 16. — auSfcrütfen: baß, im ??aflc b« 
Xtjätet bei «uäfütjrunq eine« gf^^^^fta^ 8 °tor unmittelbar na* berfetben betroffen ober »er» 
fotat »irb, bie (ber Ginjjictmnfl unterliegenben) SSJertjeuge aud) bur<t> einen 9Ji£btbeamtcn in 
^cfdjtag genommen »erben bürfen, »ätirenb in jebem anberen ^atle jebe aSefcfelagna&me nad> 
tüJakabe ber aügemeinen Seftimmungen ber ©trafproiefjorbnung nur burtf> bie im §. 98. bafelbft 
beäeicfineten »eamten »orgenommen »erben bürfe.' 7 OcMfctjiäger^ernbarbt, a.a.O. 8. 45; 
»ergt. 3)alcfe 1. c. 57. 

43) Oeblfd)läger=5Beniljarbt, a. a. O. ©. 73 Wote 8. 



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356 *«* b « r siir^taytS. 

3)emna<f) oerbleiben überhaupt nur bie beiben Momente, roeldje einen 
2tnl)alt *ur Gbaraftcrifirung ber betreffenben ^er fönen als 93eamte nadj SDlafe- 
gäbe beS ^orftoicbftatjlögcIc^cS abgeben fönnten, bie Vcretbigung unb bie infjaltlidj 
ber GibeStormel gelobte 2tnjeige unb Verfolgung „ber 3uroibcrf)anblungen gegen 
biefeS ©efefc", foroie bie ju ber Vereibigung gleidifaUS in Vejiefnmg fte^enbc 
eoentuclle Verewigung jum SSaffengebraudj. 

£e§tercm Momente crmangelt fogar bie flraft eines 2lnalogiefdf)luffeS. 
2IttcrbingS* befitmmt ber §. t. beS ©. oom 31. 3Mr$ 1837: 

Unfere ^orft» unb ^agbbeamten, foroie bie im kommunal* ober 
$rioatbienft ftef)enbcn, roenn fic auf SebenSjcit angcfteHt, ober bic 
Äted)te ber auf ^cbcnSjcit Angebellten baben, naaj Vorfdjrift beS 
®. o. 7. $uni 1821 oereibigt )tnb 2c., Iwben bic Verewigung, oon 
ibrer Söaffe ©ebraudj ju madjen. 

Snbcfc eine nur oberflädjlidje Verglcidjung biefer Vorfd&rift mit bem 
§. 23. beS %. ®. ©. ergiebt, bafj bie (srforbemiffe einer Veretbigung nadj SJtofr» 
gäbe beS lefct citirten ©cfefceS anbere finb, als bie Vebingniffe einer Verewigung 
*um 2Baffengebrau$, bafc bie Vereibigung ftd& fogar nur als eine ber VorauS- 
fefcungen jener Veredbtigung barftettt, unb bafj fomit bie oon ganj anberen 
SHcquiftten abhängige Verewigung jum Söaffengcbraud) unmöglich cntfdjcibenb 
für bic $rage fein fann, ob bereits eine biefer VorauSfefcungen, bie Veetbigung, 
2lmtSetgenfa)aft ju übermitteln im Stanbe ift. 

SBie ber bereits cittrtc §. 23. beS gorft*$. ©. betätigt, tonnen bie unter 
ben dli. 1. bis 3. bafelbft aufgeführten wfonen, roela)e mit bem ftorftfdEjufee 
betraut finb, ein für alle mal geriqjtUdf) beeibigt werben, unb nadj bem §. 25. 
roirb eS ber (sibeSleiftung gleid) geartet, roenn ber ju Vernefjmenbe bie 5Rid)ttg* 
feit feiner 2tuSfage unter Berufung auf ben ein für allemal getrifteten (£ib oer* 
fidjert. SMe eine analoge Vorfdjrift ent^altenbc Vcftimmung beS (SntrourfcS jum 
ftelb.» unb ^orft-^olijeigcfe^ ift befanntlidt» abgelehnt roorben. ©er §. 66. beS 
fe&tcitirten ©cfefceS fdjreibt oor: 

„ftelbbüter, ©brenfelbljüter ober ^orftyütcr fönnen für fämmtlidjc 
in ©incr ©eridjtsftfcung §u oerfjanbelnben fyelb* unb ^orftpolijeifad&cn, 
in roeldjen fie als beugen oernommen roeroen follen, in biefer 6i^ung 
burdt» einmalige fieiftung beS 3c u 9 c neibeS im Voraus beeibigt werben." 

SBortfaffung unb Snljalt biefer Vorfd&riften finb oermeintlia) nid)t nur 
nidjt geeignet, bie fortbauernbe Slnna^me einer burdb biefe Veeibfcnmg fjerbei* 
geführten Ucbertragung ber 2ImtSeigenfdjaft ju unterftü^cn; fic Itcfern gegen* 
tfjcilig, inbem in ifmen 3roecf, Vebcutung unb Sragroeite ber Veetbigung flar 
auSgefprod&en liegt, einen burd&greifenben Velag bafür, bafj fuf) biefelbc in bem 
bcabfidjtigten projeffualtfcben 3roecfe erfüllt, unb bafj bie 2lmtSqualität ber be- 
eibigten $erfonen oon ber Veeibtgung nia^t berührt roirb. 

3uoörberft fällt in biefer Sejictjung als weiteres SBeroeiSmoment in'S 
©eroid^t, bafe aueb Äöniglia^c SBeamtc, bic botf> fhcitloS mit SlmtSeiaenfcbaft aus- 
gerüftet finb, ber Vcrcibigung naa^ äRafwabe ber §§. 23. ff. beS ^orft^. ©. felbfi 
neben bec ctroa bereits erfolgten 3lbleiftung eines $5ienft* refp. 3lmtSeibcS bc- 
bürfen, roenn eine ©efräftigung i^rer Vefunbung in gorm beS §. 25. bafelbft 
flattbaft fein foll. $ie bernnaa^ für bereits beamtete in aan* gleia)cr Sföeife 
crforbcrlid&e Vccibiguna, fann fomit nifyt eine Folgerung ba^tn ftü|en, bafe bie 
gleid)befdbaffenc Vercibtgung in Sejug auf anbere ^ierfonen erft biefe 3lmtS* 
cigcnfa>ft fa^affe. S)aS ^oljbiebjlablSgcfc^ befa^ränfte ftd) auf bic Slnorbnung 
einer ein für allemal crfolgcnbcn Vercibigung unb ftattetc bie fo beeibeten $a> 
fönen in ber beroorgebobenen 2Scifc mit einer befonberen ©laubroürbigfett aus. 
Heber bic in baS Strafrcdjt cingrcifcnbc Söcbcutung unb 6bara!tcrifirung biefer 
Söccibigung unb ibrer Söirfung enthielt cS feine Veftimmung. SlnbcrS baS 
$orftbicbftal)lSgefe§. 



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%u$ ttt *}3rap§ jur $ta*i«. 357 

$cr beregte' §. 155. beS 6t ©. 33. lautet bahrn: 1 

5)er 2lbleiftung eines ©ibeS wirb gleicfcgea$tct, wenn 

3) ein Beamter eine amtliche SBerftcherung unter Berufung auf feinen 
2)ienfUib abgiebt. 

©S ift febon fireitig geblieben, ob bet 93cgriff beS Beamten im 6inne 
biefer «orfebrift fidb mit bem beS §. 359. 2). 6t. ©. «. bedt? 44 ) SDte fich auf* 
brängenbe ©rwägung, bie noch in Dem §ol$biebftahtSgefc&c geeigneteren 33obcn 
finben fonnte, bahnt, bafe im 155. 6t. @. 8. bie Statt^aftigfeit amtSeiblidbcr 
s8crficherung an bie 2lmtSeigenfchaft beS ^erfia)ernben gefnüpft, unb ba& fomit 
in ber in bem 6pe$talgcfeö gcwährlciftctcn 3uläfjlgteü einer berartigen §Ber* 
fieberung beren bebingenbe sBorauefefeung in C^eftalt ber 2lmtSqualität beS 2Jer* 
fiebemben gefefclich anerfannt fei, ermeift fich bei näherer ^Betrachtung als nicht 
ftidj^altig. 

2) ie mehrcitirlcn §4?. 23. 25. 1. c. enthalten nichts barüber, bafj ber (gib 
ein 5)ienftetb, bie Sßcrficherung auf ben ein für allemal geleiftetcn ©ib eine amt- 
liche fei. 6te befagt fernerhin nichts barüber, wie bieS in folgerichtiger SBeife 
ber §. 79. ber 6t. $r. 0. unb übereinftimmenb ber §. 375. 2lbf. 2. ber 
5). 6. Sßr. D. in SJejug auf bie öefunbung ber 6adt)oerfiänbigen oorfdjrciben, 
bafe bie Berufung auf ben geleiteten ©ib genüge. $>er §. 25. 1. c. orbnet mcl* 
meto an, bajj eine 3Jerfidt)erung unter Berufung auf ben ©ib „ber ©ibeslciftung 
gleich geachtet werbe", eine Sefthnmung, bie in ber SJat nur bie Auslegung 
311 (äjjt, ba& bie Skrficberung ber an fich erf orber lidtjen förperlichen ©ibeSleiftung 
gleichwertig, (entere auSnahmSmcife $u erfefcen beftimmt, 45 ) unb ba{j fie auch 
im 6inne beS 1. 155. 2). 6t. ®. 8. einer förperlichen ©ibeSleiftung gleich 
ju erachten ijt. 

SDarin liegt nun aHerbmgS mbireft gleicbjeittg eine Slbänberung ber 
ShatbcftanbSmerfmale ber §§. 154. 155. S>. et ©. 93. auSgefprochen. Qnbefj 
biefc Abweichung ift bereits bei ber ^erathung ber Geichs '3ufti3.»@efe|e $ur 
6prad)e gebracht worben, unb fleht mit ben anberroeiten ©efefceSoorfchriftcn hn 
©mflange. 6chon im §. 2. beS ©inführ. ©. jum SX 6t. ©. 2). ift bie Siegelung 
ber gelb* unb ^orftpoHjct ebenfo wie bie ftrofrec^tlic^e Slbnbung beS §olj* 
(gorft ) Srtebftahis bem £anbeSfrrafrecf)t oorbehalten, unb im §. 3. beS ©inführ. ©. 
nir 6t. ^ro$. 0. für bie ftorft* unb $elbrügefaa)en ber SianbcSgefefcgebung bie 
Slnorbnung eine« befonberen Verfahrens einfchlieilich ber ©eeibigungSrorm über* 
laffen roorben. 48 ) 

2tuS bem 2Berbeprosejj ber 6trafprojefcorbnung unb beS ©ericbtSoer» 
fajfung^gefefeeS ift junächft erfichtlicb, bafj inhaltlich beS §. 3. 9ir. 5. beS ©ntw. 
beS ©inführ. ©. julefct ermähntem ©efe^e bie 5 0t f^ uno ^elbrügcgerichte als 
,,befonbere ©erichte" jugelaffen werben follten. S)iefe 53cftimmung beS ©nrrourfs 
ift burch bie 9teich$tagS*#ommiffton unter bemnächfler 3wftimmung beS Geichs* 
tag« befeitigt unb bie beregte SBorfcbrift beS §. 3. beS ©infuhr. ©. jur 2). 6t. Sßr. 0. 
an beren 6telle gefegt roorben. 3ion ber in lefcterem Paragraphen reichSgcfe^lich 
gemährten iBefugnifj h at °ie ^reufeifche SanbeSgefe^gebung in bem ©rlafj beS 
gorftbiebftahlSgefe^eS. foroie eines befonberen f^elb- unb 8oTftpoli$eigefefceS 
brauch gemacht. 

3) crfelbe ©ntraurf jur 2). 6t. ^roj. 0. wollte bie SBerficberung unter 
Berufung auf ben ©ienfletb für Seamte beäügli<h beS ihr Slmt unmittelbar 

44) ©ebtttse üetjtbud) 6. 308 IRote 10.; ©c^watje, «ommentat ©. 431 ; 2Rcüer, a.a.O. 
©. 577 Wote 7.; Dagegen 5Do^oto im £>anbbud)e »t. 3. ©. 235; D^pcnl}off ( a. a. £>. §. 15T).; 
». ÄiTdjmann ©. 104. 

4ö) Oeljlfd)läger.»enihartt ©. 63 »ote 1. 

46) »etgl. areftiö 5&t>. 22. ©. 307 ff., ©cfaxirae, Äommentar a«t @t. ^roj. D. §. 3. «bf. a, 
bei» liinfübr. Ö. ©. 112; i!5we, Äotnmeutar ©. 193 Röte 3., ©. 194 SRoteb.; ßabn, iDcatctiaUen 
m. 1. ©• 53 ff., 2Ö8 jc; Oei?Mchlager-iöcnibartt ( a. a. D. © 64 Scott 1.; ». *ülo».©tcrntbctg 
©. 86 s Jtote 1. 



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358 ÄuS * cr ^ ra ^ s l m 

bctrcffcnbcn Scudtiffc* geftatten. 2tucb bicfer SBorfdjlag tourbe oon bcm Steide 
tage oertoorfen. 33ci ber ©elegenbcit würbe inbefj ber 3Jlifeflanb , bec ftcb au$ 
ber Häufung ber GtbeSleiftungen ergeben, unb einerseits eine söcrroeitläuftgung 
ber ^er^onblungen unb anbererfeitö eine £erabtoürbigung ber Gtbe£letfiung jur 
golge baben toürbe, rücffidjtlicb ber fyclb^ unb gorftrfigefadjen auäbrücflicb aner* 
fannt, unb bestyalb auf ©runb jene« 3. b. feinfül;r. ©. jur 6t. ^Jroj. 0. ber 
Sanbeägefe&gebuna, bie (üxmädjtigung ilbcrroicfen, in ber tbr oorbcljaltcnen 9te* 
gelung bee gericbtlicben 9krfat)ren3 aueb bie ftorm su beftimmen, in ber in 
rechtsgültiger unb rccbtSoerbinbltcber 3Beife bie söefräftigung bc3 3eugniffe3 ""b 
©utaebteus ftattt)aben folltc. 5Dem anerfannten iüebürfnife, bie brotjenben Uebel- 
ftänbc ju befeittgen, ift in ben §§. 23. bte 25. beS SX @. unb anbcrcr< 
feit« in bcm §. 06, beß gelb* unb gorft*$ol. @. ©enüge geleitet, unb 3toar 
bcrgeftalt ©enüge geleiftet toorben, baß in bem lefctcitirtcn ©efe&e bie Söccibigung 
ber betrettenben gierfonen auf eine einmalige förperltcbe GibeSleiftung für jebc 
©ericbtöftjning bejdjränFt, in erfterem, bem gorfibtebftablSgcfe&e, bie Söerftcberung 
auf ben ein für allemal geleifteten Gib als* „förperlicbe GtbcSleijtung" felbft 
qualiftjirt roorben ift. 

darin finben aber aud) 3rocdf unb Sebeutung ber beregten ©cfcfocSoot' 
fünften iljren Äbfölufs. 

die me^reriüäbnten §£. 23. ff. bc£ gorji*$). ©. ftnb, gcrabe im .§in- 
blief auf ba$ gelb* unb fjorft * s 4ioli jeigef f toeber bem JÖebürptifj crioadnen, 
nod; oerfolgen fic bie "Jlbiicljt, bura) TOnurfung ber ftaatlia)en Autorität 5ur 
äJerroirClicbung ftaatltdjer 3roecfe in ©efialt ber 8etf)ätigung ber gorft*$olijct 
btc 5öered;ttgung jur SlnftcUung oon ^Beamten auf Äommunen unb $rioatbeit$er 
ju übertragen, unb ben fo angcftcHten ^erfonen 2lmt$seigcnfcbaft ju überroeifen. 
©ie befebranfen ftd; oielmel)r, bie grage nacb ber 2lmtäqualität unberübrt unb 
offen lajfenb, barauf, lebiglia) $ur öejettigung projeffualifcber Uebelftänbe, bie 
Grmäcbttgung ju erteilen, in ben fid) an bie ©efe|e3oerle&ungen anfcbliefecnben 
Unterfucbungcn, für roeldjc bie ^nbaltSbeftimmung be8 §. 25. 1. c. ja au«' 
fd)liejjlicb oon löebeutung ift, bie 2lusfunft3ertl)eilung tn einer gorm §u betraf tigen, 
toeldje oo.n ber allgemeinen Siegel abtoeiebt. 9ud)tig tjt, bajj bie in §. 24. baf. 
»orgefebene GibeSnorm glcicbjeitig bie ©elobung begreift, 3 Uttn0er !i an bl un Ö cu 
gegen bog gorft*5)tcbftabl£gefc{j geroiffenbaft ansteigen. 2lber biefe ©elobung 
bilbet im 3uf ammen b an 9 c mit bem roeueren 3nf)alte ber GibcSformcl nur bie 
oerallgemeincrte ©runblagc unb Sßorau&fefcung einer ein für allemal ftatt&abenbcn 
GibeSlcifiung, toelcbe eine Berufung auf biefclbe ermöglicht, gür aüc niebt 
Jtöniglicben Beamten, alfo für alle im mittelbaren StaaUbtenfte, in^befonbere 
im Äommunalbienfi fte^enben Beamten, foroie für bie oon ben $rioat*2}3alb* 
cigentbümeru ÄngefteUten ift bie 5öerca)tigung jur Scfräftigunggiioeife in ber 2luß- 
nabmeform oon ganj beftimmten, im §. 23. oorgefd&riebencn (Srforberniffen, roelcbe 
oon ben Jücbingungcn einer aimtßanfteUung niebt uniocfentlic^ abioeidjen, abbängig. 
S)urcbauÄ folgerichtig unb ber Sebcutung ber Öeeibigung cntfprecbcnb roieb, ab* 
meiebenb oon ber *öeftätigung ber gelb' unb gorftbüter, 47 ) bie ©enebmiguug 
feiten^ beS üBesirfSratbeö unb sroar niebt sur Slnftcllung, fonbem ^u ber 
bie aöiebcrbolung jebeßmaliger förperlic^er ®ibcslciftung erfe^enben 2kreibtguug 
erlljeilt, unb bie äiiirfungglofiflfcit bicfer SBceibigung ift nacb §. 25. 3Xbf. 2. 1. c. an 
bie 3wrücfjiebung biefer ©enebmigung gefmipft, o^ne ba§ bie 8eobacbtung 
trgcnD eine« JJi^iplinaroerfabrcn« erforberlicb roäre. 

demgegenüber ift bie Regelung ber gorft*$olijei burdt) ein befonbere«, 
fieb fclbft alegorft'^olijeigefe^ bescia^nenbeö ®efe§ erfolgt, unb in bemfelben 
finb, cntfpredjenb bem §. 71. Zi). II. Zit. 10. 21. & 9t. bie fragen geregelt, toem 



47) ütogleiAc bie betreff enben «Behren in fcer 9?ote 5. ®. 84, to. $ölo»^teniebcrg 
«. a. D, 



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ÄuS ber <|3rari« jur fyraxi«. 



359 



bic 2lnftelIungSbefugni§ jufleht, oon welchen VorauSfefcungen bicfelbe abhängig, • 
unb in welcher $o*m bicfclbc rechtsgültig oor$unchmen ifi. 

2>ic ftienftoerrichtung bcr ftorftlnUet ift, cbcnfo wie bic bcr fttlbtyttet, 
polizeilicher Statur. Sie Sfitahrnehmung biefer polizeilichen ftunftton tffc , unter 

f" ^eiliger Ueberweifung an bic im .königlichen 3)icnfte für ben ftorfl* unb 
Ibfcbufc angeflellten ^etfonen im §. 63. 1. c, auf bic im §. 62. baf. befttmmten 
:rfoncn übertragen. %n bemfelbcn 6pejialgefefe finb biejemgen Rechtsträger, 
welche ju einer 2lnfleHung befugt finb, bezeichnet, unb cbenba ift bic ftaatücbe 
3)citwirtung bei ber biefen Rechtsträgern überlaffcnben 9lnftettung in ©efialt 
einer SJeftättgung burd) bie StaatSbctrörbe ausgebrochen. 

SDarin ift bie gefefcliche Siegelung ber Materie im Döllen Umfange erfd)öpft. 
©dwn bcr ©egriff beS Sßoli.ici iHmtcS rechtfertigt bie Folgerung, bafj auch 
anbere ^Jolijcibcamte innerhalb ihrer örtlichen uno fachlichen 3 u ftänbigfeit, alfo 
alle Beamten , bic ohne >Öef chränfung auf ein beftimrateS faßliche« (Gebiet 
fd)lcd)t^in $u polizeilicher Stjätigfeit jeber 2lrt innerhalb gewiffer SBejirle berufen 
finb, ju einem polizeilichen Eingreifen, jur Sicherung beS (SigenthumS unb jur 

terbcifütjrung einer 2lbnbung ber innerhalb bcr ^elbmarfen unb ftorften verübten 
trafthaten berechtigt finb, unb bcr §. 2. Dir. 3. beS ^elb- unb $orft*$ol. ©., 
ber neben ben gelb* unb gorfthütern ber „anberen jufiänbigen Beamten" auSbrutf" 
lidj Erwähnung tlmt, beftätigt biefe 2luffaffung. 



finb bura) baS Spejial*©. v. 1. 3lpril 1880 ganj beftimmte ^erfonen betraut, 
bereu Obliegenheit in ber bereits hertwrgehobcnen SBetfe bic Veauffichtigung unb 
Sicherung ber Salbungen unb $elbmarfen unb barin zugleich bic Pflicht sur 
2(n$eige unb jur (srwirfung bcr Verfolgung aller innerhalb biefer ©ebiete be* 
gangenen ftrafbaren £anblungcn im trollen Umfange begreift. 

daneben eine noch engere Vcamtentatcgorte $u fehaffen, beren amtliche 
^unrttontrung fta) inhaltlich ber EibeSnorm beS §. 24. beS gorft-S). ©. auf bic 
bereite tron bcr Stenftocrrichtung bcr gorftbüter mit umfaßten „gcroiffenlmften 
Slnjcigc bcr 3urotberhanblungen aegen baS gorftbiebftahlSgefefe" bcfa)ränfen mürbe, 
lag roeber ©runb noa) Vcbürfmfi uor. 



©omit bleibt — in fo fern bicfclbc nicht bereits in trorfiehenber Erörterung 
ihre (rrlcbigung finbet — nur noch Eutg bic $rage zu berühren, roic fich bie in 
©emäfcheit beS ®. oom 2. Sunt 1852 ftattgehabte Verewigung bcr 

HJrioat* unb Äommunal'ftörfier, oorauSgefe&t, bafj lefetcre 2lmtSeigcnfchaft ju 
übertragen geeignet war, bem oiel citirten ^elb* unb tforft^olizeigcfcfc gegen- 
über gefteflt? 

ücfctereS ©efefc ift öffentlich rechtlicher 9latur. ftaburd) ift oermeintlicn 
bic auSnahmSlofc Slnroenbung feines Inhaltes tron bem 3eitpunftc beS 3n* 
tfrafttrctenS an bebingt. $as ^oljbtebftabbSgefe^ ifl aufgehoben. 2>amit finb 
bie Obliegenheiten, bie inhaltlich biefeS ©efe^eS ben nach SJiafjgabe beffclbcn 
angeftcllten ^erfonen überroiefen waren, in äßegfall gcrathen, unb mit bem 
Wegfall ifl auch bie biefe Obliegenheiten umfaffenbc Berufung gcgenftanbSloS 
unb hinfällig geworben. 

3ur Vornahme ber Verrichtungen beS ben ^orftfc^u| regelnben neuen 
©efe^eS finb aber beftimmte Vcamtc berufen, beren 2lnftellung an cbenfo bc* 
fthnmte, in bem ©efefc felbfl uorgefehene VorauSfefcungen gefnüpft ifi. Eine 
ÄnfteUung naa) 3)cafegabe biefeS neuen ©cfe^eS ift aber nicht erfolgt. 

2UlerbingS ifl im §. 25. beS gorfrS. ®. bie fortbauembe SBirlfamfeit 
einer nach bisherigen gefeilteren Vorfchriften ftattgehabten Vereibigung 




d. 



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anerfannt. S)iefc Söirffamfeit etfiredtt fid^ aber nad) bem Söortlaut beS cittrten 
§. 25. nur auf bie in Siorjteljenbem djaranertfirtc (Srmäajtigung, tf>r B^«^ 
unb ©utaa)ten unter Berufung auf ben ein für aüemal geleiteten @ib $u 
oerftdjem. 

3ft bie oorflebenb ju begrünben ocrmdjte 2tuffaf)ung jutreffenb, bafj bie 
Skeibigung in ©emäj^eit ber §§. 23. ff. be8 $orft*$. ©. für bie ftrage naa) 
ber Stratsübertragung unb SImtSeigenfdmft überhaupt einflußlos ift, fo bebarf 
es feiner weiteren 9tea)tfertigung, ba£ audj ber einer folgen Seeibigung nur 
glcidfjgeftelltcn SBereibigung naa) ben bisherigen ©cfefcej8ootfa)riften eine fold&c 
Sinung niä)t innewohnen fann. ©erabe bie @rroägung, bajj biefer Vorbehalt 
im (Sinne bcS §. 25. 1. c. auSbrüdlia) für notyroenbtg cradjtet roorben, läßt aber, 
sumal in SBürbigung ber „mobemen $ea)nif ber ©efefogebung", bie jebe über* 
flüffige Slnorbnung forglia) oermetbet, bie 2lnnal)me bercajtigt erfajeinen, bafj 
oljne jene referoirenbe ©eftimmung mit bem ©efefcc uom 2. ^uni 1852 aua; bie 
iniwitlia) beffelben ftattgefunbene ^ereibigung rotrfungSloS geworben iein mürbe 
— ein s Jtefultat, baS bejüglia) ber anbermeit gefefcUa) geregelten 2tmtSqualität 
ber ftorftfdjufcbeamten fidj um fo jtoingenber aufbringt. 



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Ute Den tmtauglidjen Uerfudf betreffende JUettar* 
entfdjeiöunö De« üeidjögeridjte- 



«on §errn 3t. 31. Dr. jur. Subroig Sohn $u <Qalle a. ©. 



SDtc Bereinigten ©traffenate beS SfteicbSgerichtS gaben unterm 24. 3M 1880 
ben ©runbfafc aufgehellt, ba{? bic ©trafbarfeit bc$ söcrfuchcS eine beftimmte 
Cualiftfation ber ijjanblung nicht erforbere (©ntfeh. be£ !Reid^^gerid^tö in ©traf* 
fachen I. 93b. 5. £eft. ©. 439). liefern ^räjubije gemäfe unb lebiglicb auf beffen 
9Wotioirung Scjug nehmenb, bat locitcr ber I. ©traffenat in fetner dntfdjeibung 
oom 10. ^uni 1880 auch ben 33crfud^ am untauglichen Objeft für firafbar erflärt 
(a. a. 0. ©. 451). 

$amit ift jroar bie fa)limmfte Äontrooerfc, meldte ba£ ßriminalrecbt feit 
bem beginn be£ gegenwärtigen 3 a $^unbettö beroegt, oon unferem höchften 
©erichtShof entfebieben, nidf)t aber unfercr Meinung nach gelöft; benn roeber bic 
©rünbe, auf welche bie spienarcntfchcibung fiä) ftüfct, noch Die SJefultate, ju benen 
ber barin als richtig »erfod&tene fubjefttoe ©tanbpunft hinführt, Dürften Danach 
angethan fein, bie Anhänger ber gegnerifd)en X^eorie oon ber Unhaltbarfett ihrer 
2tnfta)t ju überzeugen. 

&on ber 2lnnahme auSgeljenb, bafj bie Segalbeftimmung be$ §. 43. 9t. 
©t. ©. 93. einer boppeltcn Auslegung fähig fei, inbem bie SBorte „Anfang ber 
Ausführung" an fiep foroobl im fubjettioen wie im objeftioen ©inne aufgefaßt 
werben fömtten, ^aben nämlich bie vereinigten ©traffenatc be3 9letd^ööerid^t3S 
geglaubt, auf bie ©rünbe recurriren m mtiffen. auf meieren bie ©trafbarfeit beS 
i&erfucbeS beruht, inbem beim ©dfjroetgen be£ ©efcfecS ber §. 43. nur bann als 
uerlefct anjufeben fei, wenn bie angefochtene @ntf Reibung bie Danach $u be* 
ftimmenben ©renken überfd^rttten haben mürbe. 

©djon biefer 2lu£gang£punft erfcheint un£ bebenftidj. Slbgcfe^en von ber 
weiterhin ju erörternben ftrage, ob bie SefHmmungen unfereS ©efcjjbudjcS uns 
in ber £f>at oollfiänbig über bie legtSlatorifche Senben* im ©tich laffen, wirb 
oon bem Reichsgericht a priori ber fog. untaugliche Jßcrfuc^ bem begriff be£ 
SBerfucbcS untcrftellt. 3mar brennen mir nia)t, bafj in ber roiffenfdjaftliä^en 
SÖehanblung ber Äontrooerfe allfeitig ber gleiche modus procedendi cingefcfjlagen 
roorben ift; niä)t foroohl barum, ob ^anblungen, meiere nicht geeignet ftnb, ben 
5um £l)atbeftonb eine« «erbrechend erforberlichen Erfolg herooräurufen, ben 
Gharafter oon Setfuchöhanblungcn an ftcb ju tragen, fonbem barum, ob ber 
©taat $u ihrer Seftrafung berechtigt fei, tyat fia) seither ber ©treit unter ben 



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3(;2 2>ic ben untaußlichcn iScrfud) bctrefittrte ^Icuarcntf^cibung fccä 9leid>Sgetid)ta. 

Anhängern bct ocrfdjiebenen X^eoricn gcbrc^t. Grwägt man aber, bafj bic 
Strafbarfeit einer ^anbluna, oon beren Sfmrafter abfängt, fo leuchtet ein, bafe 
bie differenj eine tiefere ijt, als bieS auf ben erften #licf ber $att 8 U f e * n 
fcheint. denn biejenigen, meiere ben Staat für nicht berechtigt crtlären, ben 
fog. untauglichen SBerfucb $u beftrafen, währenb fie im Uebrigen bie Straf* 
barfeit beS #erfuchcS nicht bcjiDeifcln, erflären bamit, bafc fic ber oermeintlichen 
species bie $Befdjaffent)ett nicht utgeftchen, welche bem genus nach tyxtx Snftcht 
innewohnt. 3p bie« aber ber #all, 10 oerbietet es fta) oon ihrem Stanbpunft 
aus oon felbft, jwei ftategorien oon jpanblungen, beren s Jlatur fte für oer* 
fchiebenartig erachten, unter ben gleichen begriff ju stehen. Vielmehr hört bamit 
ber untaugliche Jüerfuch auf, eine 2lbart bes 3ier)ucheS ju fein; es bleibt nichts 
übrig, als ihn aus bem begriff htnauSjuweifen, oon bem er ftd) generifch unter* 
febeibet. demgemäß laufen nach unferem dafürhalten bie 2lnftrengungen ber 
objeftioen Xheorie erft in petter üinie barauf fyvncaa, baS Straf recht bes 
Staates in engere ©renjen m oenoeifen, als fte bte fubjefttoe ^h^^ fjejogen 
wiffen will ; in erfter fiinie jmb fte oielmehr barauf gerichtet, bem 2ücrfucbSgebtet 
ein Stile! ju entreißen, baS ihre Gegnerin ihrer Anficht nach au Unrecht offuptrt. 

Sßenn umgefehrt bie fubjefttoe Theorie ben Strafrahmen weiter auSbehnt, 
als bics bie objeftioe geftatten will, fo erflärt fte bamit fttUfchweigenb unb cor* 
weg, bafj fie eine @l)arafteroerfchiebenheit ber unter beut einheitlichen begriff 
jujammengefafjten ^anolungen anjuerfennen nicht in ber fcage )ei. freilich fittD 
oabei bie wenigften ihrer Anhänger fonfequent; benn alle biejenigen, welche ein 
anbereS Strafmafj für ben s Jcormaloerfuch , ein anbercS für ben untauglichen 
^eii'udj ftatuirt fehcii wollen, negiren bamit im ^tachfag bie Homogenität Der 
jganDlungen, welche fie im &orberfa§ als gleichartig unb eben Deshalb als jum 
nämlichen begriff gehöricj ausgeben. 

daraus ergiebt ftd), baß ber 2luSgangSpunft ber reichsgerichtlichen Snt 
fcheibung infofern nicht glücf lieh gewählt war, als nicht fowotjl bie Aingc, ob ber 
untaugliche isüerfud) ftraföar, als oielmehr bie, ob er unter ben begriff beS SBer* 
fucheS, welcher in unferem (Scfcfebuch fei eS auSDrüdlich, fei es ftillfchweigenb Sin* 
erfennung gefunben Iwt, fällt oDer oon ihm nicht berührt wirb, $ur Unterfuchung 
ftanb. S)enn bie bamit iinpiicite ftatuirtc UnterfcheiDung $wi|chen begriff unb 
Strafbarfeit ift unfercS ©rachtenS eine unnatürliche; es ift naa) unferer Meinung 
ein innerer äüiberfpruch, oon einem oerbrechenfehen JHerfuch, ber nicht ftrafbar 
wäre, 3U fprea)en. Erfüllt eine &anblung bie äJterfmale Des ge| [etlichen *öe* 
griffeS, fo ift bamit iljre Strafbarfeit oon felbft geboten; ift Dies nicht ber 
#all, fo ift fie eo ipso ftrafloS. %nx bie 3)tittelbtlbung, baß eme %\)at auf ber 
einen Seite oon ber Definition betroffen, auf ber anberen bennoch oon Strafe 
oerfchont fein tonnte, bleibt fomit fein Maum übrig, demgemäß h atle Da * deiche* 
gcricht, um bie ülcoifton ju prüfen, nicht in bie disfuflion ber Spejtalfontro* 
oerfe, fonbern in bie beS JöegriffS bes 58crfucheS eintreten müffen; es war ein 
Hüthum ber S&ffenfchaft, wenn Tie, mit iljrem JÖcifpiele ber tfubifatur ooran* 
gehenb, geglaubt hat, aus beut 2Befen ber Strafe Sa)lüffe auf Dte üöefchaffenheit 
Des ^er)ua)eS sieben unb anberS ben Umfang Des Begriffes, anbers ben Der 
Strafbarfeit beftimmen ju bürfen. 

SUenn nun aber bie Strafbarfeit einer £anblung mit beren tyaxattcx 
forrefponbiren mufe, fo liegt barin bie ÜKechtfertigung, weshalb wir ben SlusgangS* 
punft ber ^lenarentfcheibung nur als inforreft, nicht als unrichtig bezeichnet 
haben, denn banach mufj man ju bem nämlichen SHefultate gelangen, gleichoiel 
ob man baS Siiefen bes ^erfuches erforfdjt unb feine Straf Darf cit als beffen 
2luSflufj anficht ober ob man ben ©runD feiner Strafbarfeit ermittelt unb Daraus 
Den Sct)lufj auf feine SÜefchaffcnheit ableitet. 2Jtag auch immer ber erftere shteg 
ber entiprechenbere fein, mDem bie Strafe nur eine (jolge ber oerbrecherifchen 

in, fo ift Doch Darum ber zweite modus proceUendi, wenn auch 8 enn B 



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fte ben ntttongU^en Skrfurt t>cttef1enbc ^tenartntföettimg bei 9iei$Sgeridjt8. 3($ 

umftänblid)er, fo bodj nod) nidjt unsuläfüg. £cr ©dnoerpunft ber (Sntfdjcibung 
be£ 9teia>8gerid)t$ liegt fomit in feiner 2luffaffung über ben ®runb ber ©traf* 
barfeit be£ Serfudje«. 

3wei Styeorien flehen fid) Ijier feinblia) gegenüber; bie eine eradjtet ben 
SBerfud) um feiner objeftioen ©efäfn:lid)feit willen für jtrafbar, bie anbere wegen 
be£ burä) ilm junt realen 2lu£brucf gelangten oerbrea)erifd)en ÜBitlenS. ^ene 
fwt batjer baS Siefen beS SerfudjeS als potentiell re$tSöerle&enb ju dbarafte* 
rifiren, wäljrenb biefe tyn als bie üDknifeftation beS dolus auffaffen mup. $)ie 
$olge Neroon ift , bar, man oon bem juerft gebauten ©taubpunft aus bem 
Uierfud) einen objeftioen Xhatbefknb beilegt, oon bem julejjt gebauten ©tanb* 
punft aus bagegen ifmi benfelben abfprid>t; bort fallen unter ben Segriff nur bie 
Jpanblungen. 1 melden baS ^ßräbifat ber objeftioen ©efä&rUdtfett gebührt, biet 
unter Ü)n alle öanblungen, weta)c ben 33ewetS ber oerbre(f>erifa)en 2lbfid)t fjer* 
ftellen, ofme baf es im uebrigen weiter auf beren Sefdjaffenjjeit anfommt. ®arin 
wurjclt bie Ütteinungsbioergcnj 3wifd)en ben Hnljängern ber objeftioen unb 
ber fubjefttoen £f>eorie. 

2)as $eid$gerid)t Imt ftdj ju ©unften ber lederen auSgefprod)en, allem 
bie Ijicrfür erbrachten ©rünbe erachten mir nidjt für burd»a)lagenb. 2>enn 
banadj foU eS feinem ßwcifcl unterliegen, „bafj im Serfud) ber oerbredjerifdjc 
SWUle biejenige (Srfd)einung fei, gegen weldje baS ©trafgefefc ftd) rietet, im 
©egenfafc ju bem in ber SToüenbung ju Sage tretenben, aus bem oerbredjerifdjcn 
aSiUen tyeroorgegangenen red)tSwibrigen Gefolge." 

3roar lägt fia) nidjt in Slbrebe fetten, ba& bie fpe$iftfd)e 33erfdnebenl;ett 
äwifdjen 3*erfud) unb Menbung bartn befielt, bafj bort ber oom 2krbrecj>er 
bcabfidjtigte Erfolg ausbleibt, bicr bagegen eintritt; ber barauS gezogene ©d&lufj 
aber, ba| beSlmlb baS ©trafgefefe im erfteren $alle lebiglid) gegen ben oer« 
bredjerifajen SBillcn reagire, erfä)eint uns in 3Jfafee bebenfltdj. 2)enn 
babei wirb unerwogen gclaffen, bafj mir oon ber Statur feincSwcgS berart organiftrt 
ftnb, bafj mir auf jebem uns beliebigen 2Bege einen (Srfolg, um beffen §erbei* 
füljrung es uns 3U tlmn ift, fieben ju rufen oermödjten. SBielmeljr finb 
mir barauf angeroiefen, eine ber Duellen ju eröffnen, weldje ber oon uns beab* 
ftajtigten Seränberung bie aRögliä)feit tyreS Eintritt« gewähren. SÜaS nia)t ein* 
mal in ber Sßotenj faufale Äraft befi^t, mu& it)rer erft reäjt in ber Realität ent' 
beeren. ^QQben mir bcsimlb bie potentielle ^aufalitat als bie unerta§lia)e $or" 
bebingung ber aftueUen anjufe^en, fo ge^t barauS bernor, bafe nur ber feine 
2lbfia)t ju oermirflia)en im Stanbe ift, ber eine £anblung oornimmt, roeldjer bie 
^ä^igteit innewohnt, bie Dbjeftiottät ber ©ubjeftioitat entfpreo)enb ju mobtneiren. 
Xntt bie beabfid^tiate SJeränberung nidjt ein, fo ^at bamit nidjt bie Dbjeftioität 
i^re S3ebcutung in oer SBeife ocrloren, bafe nur nod) bie aöillenSfeite in Setrad^t 
fommt, oielme^r unterliegt unferer Beurteilung noty barüber ^inauS bie 
potentielle fiaufalität, roelAe baburd) unberührt geblieben ift. hiergegen oerfto&en 
biejenigen, roeldje beim 5üerfua) baS 6d)ulbmoment lebiglia) in bie fubjeftioe 
©p^äre oerroeifen. 

©ne oielfad) oerbreitete Slnfia^t fuäjt freiließ biefeS ü)r entgegenf!e^enbe 
Argument baburd> aus bem Söege ju räumen, bafe fie jebem ernfüttfien, auf ben 
(Srfolg geria)teten Streben potentielle ßaufalität jufd)reibt. Sßäre bie SBorauS* 
fe^ung richtig, fo märe ber oon mir erhobene (Sinroanb roiberlegt, ba bonaa) ein 
objeftioer Unterfc^teb jrotfe^en ber einen unb anberen Äategorie oon ßanblungen 
nidjt erfinblia) märe, ^a) merbe Ijierauf im Serlauf ber weiteren »ebuftionen 
bcS 9teia;j5gcria;tS jurtirffommen; ^ier mag bie Semerfung genügen, bafe bie 
gegnerifd)e 2luffaffung eine boppelte ficljre oertritt. ^anbelt es fta) nm ben 
2:i;atbeftanb beS SBerfua)eS, fo erflärt fie alle ^anblungen für potentiell faufal; 
banbelt es fi$ um ben ber SoUenbuna^, fo toeifett fie il;ren ©tanbpunft. £>at 
Semonb in Unfenntni^ oon ber 93efü>trenl)eit bcS oon i^m angewandten ^iittelS 

24* 



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8(J4 ten untauglidjcn SJcrfud) betrcftentie ^Icnareiüfcfyetomtfl be$ Weidjägcridjt«. 

Patron in bie ©pcifen eines Anbeten gemifdjt, um ihn «i oergiften, fo wirb bie 
s J)iöglid)feit beS SobeS für itid;t auSgefchloffen erflärt. 3ft aber nachträglich ber 
£ob, gleidmicl in golge melier anberroeitigcn ümfiänbe, eingetreten, fo fällt eS 
Memanbem ein, baS 33orhanbcnfetn oon SUatron im 3Jtagen obet in ben (Sin* 
gcroeiben burd) bie Obbucenten fonftatiten ju laffen. darin liegt baS fliU* 
fd)meigenbe Slnerfenntnifj, bafe bie ^Behauptung, roonach jebcS 3Jtittel geeignet 
fein fott, bie Slbficht beS ShäterS ju realtfvren, fich benn bod) nicht aufrecht er* 
halten lägt. ©o lange uns bie 9kturroiffenf haften lehren, bajj mir genötigt 
finb, um eine beflimmte SBirfung ju probusiren, ju beftimraten Mitteln ju greifen, 
finb mir nadt) meinem dafürhalten im Ärtminalrecht nicht berechtigt, baS ju 
leugnen, mag mir außerhalb beffelben nicht ju beftreiten oermögen. 

damit ift aber Sie söegrünbung beS fubjeftioen 6tanbpunfteS in ber 
lSntfdt)eibung beS 9teichSgerichtS nid)t nur abgesoffen, fonbern es wirb fogar 
ber gegnerijehen X^eoric bie &on$effion gemalt, bajj bie Sluffaffung Des &erfuÄes 
als s JJiamfeftation beS oerbrecherifchen äÖtllenS baS ftrafbare ©ebiet unangemeffen 
weit auSbehne, inbem man na^eju baju gelange, bie nuda cogitatio jur :Hcd)cn 
fdmft $u jic^en. Slnftatt jeboa) ben Äonflift ju löfen jroifchen bem, toaS bie 
ftolgertchtigfeit erforbert, unb Dem, toaS bie ^rinjipien beS StrafrechtS oerfagen, 
menben fic^ bie (SntfcheibungSgrünbe nunmehr gegen bie objettioe Xljeorie. 2lUein 
es leuchtet ein, baft bamit, bafj bie gegnerifche 2tnfi<ht miberlegt mirb, bie 
s Jtidt)tigfcit ber eigenen nod) nicht bemiefen ift; roeber ift bie SDlöglidjfctt au«* 
gef^loffen, bog beibc Parteien oon ber Söahrhctt gleich roeit entfernt finb, noch 
bie, ba| bie eine oon ilmen, rocnngleidt) au« unjureidjcnben ©rünben, an fich 
billigenSroeruje Ütefultate oertheibtgt. SÖir möchten jeboch nod) einen Schritt 
meiter gelten unb ben 3roeifel anregen, ob bie objeftioe $beorie in ber tyat an 
ber Stelle eine Slöjje aufroeift, an ber baS SieichSgertcht fie befämpft. 

3n ben (^tfdjeibungSgrünbcn wirb nämlich ihre £ef)re bat)in gefennjeuhnet, 
bajj banad) nur biejenigen ^anblungen ben Ehatbeftanb beS ftrafbaren ißerfuches 
erfüllen follen, melden baS s #räbitat ber objettioen ©efähruchfeit jufommt. Jür 
ioentifch bamit mirb bie Anficht ber ßriminaliften gehalten, meiere beim Verfuch 
oon einem Äaufal$ufammenhang fpredjen unb nur biejenigen §anblungen für 
ftrafbar erachten, toeldje bie Vollenbung herbeigeführt hätten, roenn (ein oom 
Hillen beS &hätcrS unabhängiges (Jreignifj eingetreten roäce. 

äüenn mir auch nicht oertennen, bafe in ber fiittemtur oielfach barauf 
fein ©emicht gelegt morben ift, ob man bie Straf barfeit beS 33erfuche£ in ber 
einen ober ber anberen SÖieife a^arafterifirt, fo ift bieS boch nicht burchmeg 
geliehen. 3 ,öar 8 euet0at ^f benroirmobl als ben söegrünber ber objeftioen 
6a)ule bejetchnen bürfen, beibe SluSbrucfSiocifen für fononym gehalten, inbem er 
fich ju bem ©runbfa$ befannte, Dar, ber ^erfuch nur bann unter *<Bönalfanttion 
ju ftellen fei, „menn bie Joanblungen felbfi nach ihrer äußeren ^efdjaffenbeit 
(mittelbar ober unmittelbar, menig ober oiel) mit bem beabfichtigten Verbrechen 
im urfachlichen 3ufainmenhang flehen, objeftio gefährlich leien." (geuer* 
bach, Sehrbuch beS peinlichen Rechts §. 42.) 2luch ^achariae unb bitter* 
maicr hoben nicht meiter Simulien einer objeftiu gefährlichen unb einer folgen 
äanbluug gefchieben, bie üd; mirffam gezeigt hätte, menn fein oom iiUUcn beS 
^häterS unabhängiger Umfianb ben Üaufal^u|ammenhaug gelöft ijaben mürbe, 
oener charafterifirt nämlia) ein „unjulänglicheS Littel" bahin, bafe bei feiner 
^Imoenbung ber (Erfolg eingetreten märe, menn nicht ber 3 u f Q Ü bie äBirfung in 
concreto oereitelt hätte, (^achariae, bie Sehre oom Jüerfuch ber Verbrechen 
5öb. L 6. 240); er nimmt mithin ebenfalls an, ba& bei entgegengefefcter ÜJor* 
auSfcfcung ber ihötbeftanb ber ^ollenbung oorliegen mürbe. 2)icfcr bagegen 
mill ftrafbaren 4$erfuch überall ba angenommen hoben, roo 

„baS (Eintreten ber 3Menbung beS Verbrechens an ber ilngefchicfltch' 
feit ber Ausführung fo icheitert, bafj bie (^ntbeefung unb Abwenbung 



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3>ie fcett uittaunti*ett öerfu* frttreffenbe ^tettatentftfeibuufl bei ffleicf>«flerirtt«. 3(55 

bcr Menbung beS Verbrechens ober bcr Crreidjung bcr Bwccfe 
beS Jäters leidet war ober bic SBoHenbung bureb bie 2lrt bcr 2IuS* 
führung beS ^^äterS, burd) bie mangelhafte, ungefchiefte, unooUjtänbtac 
ober in ju geringer Quantität gesehene änwenbung beS an fidt> 
tauglichen Littels ober burd) gewiffe oorbanbene Gigenfdjaftcn unb 
3uftänbe beS 3U Söoflenben ober baburch gehinbert würbe, bafj wegen 
eines nach bcr SJhätigtcit beS UebcrtreterS ^injuforamenben UmftanbeS 
bie SMenbung in bem einzelnen Me unmöglich würbe." 

(Wittermaier, bie rechtliche Scbeutung beS 2lu$brucfS „2lnfang 
bcr Ausführung", im ©erichtSfaal pro 1859, 6. 439.) 
Ohne ba§ cS nötfjig wäre, b^r in eine flritif ber Söcittermaier'fcben 
$erfuchslchrc näher cinjugehen, finb wir auS bem oon ihm gelehrten „@runb* 
fafc" jebcnfaH« ju ber 2lbfrraftion berechtigt , bajj auch Danach bie Menbung 
als eingetreten an3ufeben wäre, wenn baS in concreto j\u Sage getretene 
§tnbernifj als weggefallen fingtrt wirb. $n ber neueren $tit bat jeooch bie 
objeltioe S^eorie fid) oorfidjttger auSgebrücft. ^nSbefonberc |at ©eoer barauf 
bmgebeutet, baft nur biejenigen SterfuchShanblungcn unter ben objeftioen ZfyaU 
beftanb bcr Verbrechen fallen, welchen, in ©ebanfen 00m Erfolge toSgelöft, bie 
p^igfeit innewohnen würbe, 3U if)m 311 führen, (©euer, über bic (Strafbarfeit 
untauglicher VerfuchShanblungen im @ericr)t8faal pro 1806 ©. 58.) danach 
würbe ftd) aber bie formet, welche baS Reichsgericht als bcr objeftioen £fjeorie eigen» 
thümlidj anfielt, ein wenig änbem. drüeft nämlich bie ^äfjigfcit bie 9ttöglid)feit auS, 
fo tonnen wir nicht fagen, bafj, wenn ein fonfretcS §inocrnife ntcr)t eingetreten 
wäre, ber aftuelle Äaufa^ufammen^ang 3ur (Srfcheinung gefommen, oielmehr 
werben wir nur behaupten bürfen, bafj ber potentielle ßaufaljufammenhang be* 
fteben geblieben märe. 3$ null midj burefo ein Scifpiel flarer machen. 2Bir 
werben wohl oon bemjenigen, bcr einen SBücbfenfcbufe auf einen OJfcnfdjcn in 
bcr SMßance oon jelm «Schritt abfeuert, anerfennen, bafj er 3U einer ^anblung 
gegriffen hat, welche bie ftäbigfeit beftfct, ben £ob berbei3uführen. ftmti 2llter* 
natioen finb bamit jugleich gegeben: bie aftöglicbfeit beS Belingens unb Wifr 
lingenS. 3Ber bieS bejtretten wollte, würbe nadj meinem dafürhalten baS SBefen 
ber Üffiöglicbfeit oerfennen, benn nur bann, wenn ein ©reigntfj fowotyl eintreten 
wie ausbleiben fann, finb wir befugt, es als möglich su be3eid)nen. Verfehlt 
nun ber 6cf>üfce fein Siel; fo i|t bamit bie ihm günfttge Sllternatioe jur ^eft^iens, 
bie i^m ungünfiige jur ©rtfiettj gelangt. 3>enfcn wir uns biefen Umftanb hin* 
weg, fo fommt bie Sadfjc wieber balnn 3U ftchen, wie He oorher geflanben hot. 
2öir fönnen barum nicht fagen, bafj, wenn baS ^inbeniiB nid^t eingetreten wäre, 
ber ©egner getöbtet worben wäre, oielmehr müffen wir uns auf bie Behauptung 
befchränfen, baf3 nur bic 3WÖglid)feit beS Eintritts ber einen unb bamit oon 
fclbft auch bcr entgegen gefegten Slltematioe beftchen geblieben wäre. S)ieS ifl 
aber auch bcr @inn ber objeftioen Schre im 9lllgemeinen. S5enn wenn alle ihre 
Slnhänger fidfj bartn jufammenfinben, ba§ Tie ben ©runb ber 6trafbarfeit beS 
ScrfucfeS in feiner ©cfährlicbfeit crblicfen, fo oerlaffen fic unbewußt ben ©tanb- 
punft, oon bem fic ausgehen, wenn fie, — baS eingetretene ipinbemife als weg- 
gefallen ftnairt — ben aftuetten Äaufaljufammenhang als oorhanben annehmen. 
3)enn ber begriff ber ©efaf;r briieft nur bie Üflöglfchfeit beS Eintritts eines 
fchäblichen ©retgniffeS auS; er fe^t mithin ebenfalls bie beiben 2llternatioen als 
gegeben oorauS, oon benen ich foeben gefprochen. in meinem 9tadjbarhaufe 
eine ^euerSbrunft ausgebrochen, fo werbe ich meine 9ttobUicn als gefährbet be- 
trachten; bie SWöglichfeit, ba§ fie oon ber flamme ergriffen unb bamit oon felbfl 
aud^ bie entgegengefe^te, ba| fie oon ihr oerfchont werben, ifl bamit eingetreten. 
2Beht ber 2Binb baS ^euer nach ber meinem £aufe entgegengefe^ten Dichtung 
hin, fo würbe ich unoorfirhtig ^anbeln , wenn ich erflären moUtt, ba§ mein 
Mobiliar anberenfatts rettungslos 3U ©runbc gegangen wäre, oielmehr werbe 



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,°»66 ®' e ben untauglitfcn 3$erfuc$ betreffende ^lenareittfcfjeilmncj *c8 fteid)8geric$t«f. 

iri) midi auf bie ^Behauptung bonliränfen, baft cS möglicher SBcife ofjne bie 
®ajmifchenfunft beS SHaturereigniffeS ein 9taub beS entfeffetten Clements ge* 
worben wäre. 

demgemäß ocrlangt bic objeftioe "Xtytoxic, wenn wir ihre 2luSbrucfSwcifc 
forrigtren, 3ur Strafbarfeit beS SBerfudjeS folche föanblungen, welche bic Soll* 
enbung jur $olge hätten Ijaben fönnen, wenn (ein oom 2ßitten beS ShätcrS 
unabhängiger Umftanb eingetreten roärc. SScnn baljer baS 9teid)Sgericht, in 
feinen £ebuftionen fortfahrenb, erflärt: 

„$te ©iffcnfdjaft $at baS Unhaltbare biefer Xtyoxfc (sc. ber 
objeftioen) überjeugenb nachgewiefen. $)cr Äaufaljufammenhang 
äwiichen einer £anblung unb bem burch bicfclbc beabfichtigten Grfolgc 
ifl niemals burdj baS £)afcin ober $eljlen cineö cinjelnen 3wifchcn* 
ereigniffeS unbebingt gegeben ober aufgehoben, fonbem jebeS auf ben 
enbfichen SluSgang Ginftafs äu§ernbe ilreignifj ober Verhältnis giebt 
ftets als einzelner ßaufalitätsfaftor nur eine größere ober geringere 
3)?ögttchfeit ober 28a!;rfa)einUd)feit beS lederen, niemals bie ®erotfjl;cu 
feines Gintritts ober 9iidjtcintrittS." 
fo roirb bamit ber Stcxn ber objefttoen Sefjre nicht getroffen, 2)cnn barauS, bafj 
roir nidjt berechtigt finb, bie Sjkognofe ju ftellen, bafc ber Vcrfudj in SBottenbung 
umgefchlagen roärc, folgt nicht, — unb hierin liegt ber <Sd>roerpunft ber $hcoric, 
gegen bic baS DteidjSgeridjt ftch roenbet — bafe wir nicht roenigftenS ju berjenigen 
befugt fein tollten, ben Eintritt einer ^olgc bei einer abroeidjenben VorauSfefcung 
als möglich ju beliehnen. SllSbann müfiten roir benjentgen §anblungen, welchen 
nicht potentielle ßaufalität inncroohnt, baS ^räbtfat ber ©cfährlichfeit ober ber 
gäbigfeit, baS oom Verbrecher beabftdjtigte Grcignifj in ber Sinnenroclt fytxbti* 
äufutjrcn, abfprecheu unb bamit ben Gtmrafter beS fhafbaren VcrfucrjeS oerfagen. 

hiergegen machen bic ©ntfcheibungSgrünbe beS 9teid>SgerichtS geltcnb, bafe 
man bamit bic 6traflofigfcit beS VerfudjcS überhaupt fanftionirc. 

„3)enn faufal für ben Grfolg — fo roirb bebujirt — ift eine 
^anblung nie, roenn ein Grfolg nicht eingetreten; ber 9iichteintritt 
«igt eben, bafj fie nicht faufal roar. 2tber cS barf auch weiter ge» 
jagt werben, baß cS im 2lllgcmeinen berartige öanblühgen, bie unter 
allen tlmftänben ungeeignet feien, ben bcabfttf)tigtcn (srfolg fytxvox» 
prüfen, in SBirflich feit gar nicht giebt, im Ginjelfalle bagegen jebe 
ßanblung, bic nicht jum Grfolge geführt f)at, als eine ju beffen 
öcroorbringung abfolut ungeeignete fidt) erwiefen hat-" 
3$ rann nicht jugeben, baft bic objeftioe Zfytoxii p bem Wcfultate führt, 
welches baS 5Kcicf>Sgcricht als bie 5lonfequcn3 ihrer fieljrc anfleht; weber burch 
ben erften noch burch ben §wetten ©a(j beS jitirten ^affuS ber GntfcheibungS* 
grünbe wirb fie meines GrachtcnS ad absurdum geführt. 

Von jenem wirb fie nicht betroffen, weil bic aftucHe Äaufalität beim 
S3erfuch nicht in ^raae fteht; burch biefen wirb fie nicht crfd)üttert, weil bic 
barin auSgefprodjcne $nfid)t in ihren beiben Xhcilcn nach meinem dafürhalten 
auf einer unhaltbaren petitio prineipii beruht. SBebcr ift eS gerechtfertigt, alle 
&anblungcn, welche nicht bie 9tbftd;t beS ShötcrS realifiren, als „abfolut un 
tnuglid)" nt bejeichnen, noa; jeben 2öcg, ben er einfehlägt, um ben oon ihm 
gewollten Gtfolg in'S Scben »t rufen, als hierzu geeignet ju erflären. 

3n jener Sesiehung wiH eS mir feheinen, bafe wir uns einer contradictio 
in adjeeto fchulbig machen, wenn wir oon einer „abfoluten Ungccignetljcit" im 
„fonfreten %aüt" fprechen. S)cnn ber öegriff beS ©ccignctfcinS brüeft nur bic 
3)löglichfcit aus, ju einem beftimmten 3^le auf gewiffc SBeifc 311 gelangen unb 
hat eS baljer lebiglia) mit ber Slbfiraftion su thun. Gr bleibt beSfjalb unaltcrirt, 
gleichoicl ob bie beabfichttgte ^olge in concreto eintritt ober wegfällt. Grflären 
wir bic Slnwenbung oon digitalin für geeignet, ein neroöfcS ^erjleiben $u heben, 



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SDte ben untauglichen SJcrfucfj betreffende ^tenarentfcbeitmitg fceä Steid)Sgeri<$t§. 3^7 

fo finb wir nicht berechtigt, einem Slrjt, bem eS nicht gelingt, baS Ucbet auf 
bem bejeichneten Söege ju befettigen, entgegenhalten, ba§ er „eine abfotut un* 
geeignete" SehanblungSweife etngefdjlagen ^abe. 2)ic ^ät)tgfett einer £anolung, 
einen ©rfolg ^erbei^ufflliren, tft nielraeljr eine iljr immanente ©igenfdfjaft, welche 
ftc burä} außerhalb berfelben liegenbe Momente nid)t erlangen unb nicht oer* 
lieren fann. 28er anerfennt, baft ein ©chlag mit einem ferneren ^nftrument 
auf ben ©cf)äbel geeignet tft, ben £ob eines iücnfdjen nach ftdj &u Rieben, b,anbelt 
mitlfürlid}, roenn er benn bodj ^interbrein bie Xfyai anberS bei eintretenbem, 
anberS bei auSbleibenbem $obe qualifijirt unb ftaj ubcrbieS ein Urteil über 
ihren Gbarafter wäfjrenb beS SchwebejuftanbeS zutraut, in meinem eS ungewiß 
ift, ob bie eine ober anbere SKltematiue pr ©ntftemtng gelangen wirb, ftdj 
glaube nicht fehlzugreifen, roenn ich annehme, bafj bie (sntfdjeibung beS Weichs* 
gerichts inforocit oon ber in ber Siteratur häufig roieberfebrenben SBerwecbSlung 
oon Sauglichfeit unb SBirffamfeit nidt)t unbccinffuBt geblieben ift. $)enn hierauf 
läuft eS hinaus, roenn Äöftlin, ber barin nur aß$uwiü*fährige 9kdEjfolger ge* 
funben hat, jebe ^anblung, welche beim SBerfudj flehen bleibt, für ungefährlich 
nuSgiebt (ßöftlin, 9teuc Mcoifion 6.371), ober roenn £älfdjner unb mit ihm 
bie übrigen 2lnbänger ber fubjeftio*objefttoen £t)eorie erflären, bafj jeber SSer* 
fudt) — bie ©riftenj beS DbjcftcS üorauSgefefct — bie Untaugtidjfett beS Littels 
jum Sßorfcbein bringe (£älf<hner, ©tjftem 33b. I. ©. 186). Slnftatt m er* 
roägcn, bafe bie pfjigfeit nicht mehr unb nicht weniger bebeutet als bie 3Jcöglichfeit, 
oon jroei cinanber auSfchliefeenben SHternatioen bie eine 511 ocrroirflidjcn, rennet 
bie gegnerifdje Sünfic^t nur mit realen ©röfjen. £rttt in concreto ber £ob ein, 
fo wirb baS Littel als geeignet, bie ©efaljr als oorhanben bc jcidt>nct ; bleibt er 
in concreto aus, fo roirb baS ©egentheil oerfichert. ©ehört aber bie Sflögltchfett 
ber 3ufunft <m, fo unjuläfftg mit Gegriffen, bie eS mit it)r ju thun haben, 
ba $u operiten, roo cS fidj um (Sreigniffe hanbelt, bie bereits in ber Vergangenheit 
liegen. 2Ber eine <panblung für gefährlich erachtet, wenn ber ©chufj beS 9JtÖrberS 
ben 2:ob beroirft, für ungefährlich bagegen, roenn er fein 3iel fef)lt, überfielt, 
bafe in bem einen unb anberen ftalle bie ©efaljr $u erifiiren bereits aufgefrort 
^at: fürSegriffe, bie in ber Slbfiraftion rourjcln, ifl bie Realität bie ©tätte, bie 
i^nen ben Üntergang bereitet. Wut auf jenem, nic^t auf biefem ©ebiete Ijat ftd) 
bal;er ber 6treit über bie Sauglidjfeit unb Untouglidt)feit einer £anblung ju 
bewegen. 

%n btefer S3ejie^ung roirb bie objeftine Xbeorie mit einem 2;rugfdf)lu6 
befämpft, roenn ifn; bie fdt)on an ftdj auffallenbe Scljauptung, bofe ber 9Kcnfdt) 
in ber Söa^l feiner Littel fd&ranfenloS fei, entgegcngeljalten roirb. Ratten 
biejenigen, roelcie fid^ ju bem <5afc befennen, ba§ eS feine £anblung gebe, ber 
nidt)t in ber Slbftraftion ÄaufalitätSnatur inneroob^ne, fid) nidjt bie 6ndöc bnburc^ 
erleichtert, bofe ftc ben ©egnern itjre SBiberlegung überlaffen l)aben, ol)ne it)rer= 
feitS ©rünbe für it)re 2lnfi<$t ju erbringen, fo roürbe bie Äonflufion, §u ber ftc 
iljre 3«^"^* t)ättcn nehmen müffen, auf bie ^rrigfeit ber Se^re, bie fte uer» 
t^eibi^ert, oon felbft ^ingeroiefen l)aben. 3)enn nur berjenige roirb meiner Slnfid&t 
nach tn ber fiage fein, ben SBeroeiS, ba§ bie potentielle Äaufalität jeber 2öillenS* 
bettjätigung eigenthümlich fei, ju führen, ber oon ber SBorauSfcjjung auSgcl)t, 
bafe jebem Umftanb, ob,nc ben ein anbercr nid)t eingetreten roäre, baS 5ßräoifat 
„Urfac^e" gebühre, ©egen bie baburdf) gebotene ^bentifijirung beS objeftioen 
©eltjufammenhangeS mit bem Äaufalsufammenfmng Ijabe ic^ mich bereits an 
einer anberen ©teile geroenbet; 1 ) l;icr bleibt mir nur noch übrig, meine 23e* 
bauptung ju rechtfertigen, wonach baS ^beorem, bafe jeber .§anblung potentiettc 
Äaufalität innewohne, auf einem Xrugfcfclufc beruhen )6fL 



1) 3n meiner ifebre: „5Jom öcrfuAtcn und unttoüenbeteu SJerbrcdien" §. 18. @. 488 fg. 



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3ß8 Sie ben untaufjli^eit $etfu<$ Oerteffeube «Ulenatentföeibung beS fflei<$3gerirttS. 

$>ie fubjeftioe Theorie projebtrt nämlich, um $u bcm 9tefultat, ba3 fie 
als richtig pertbeibigt, ju gelangen, in fotgcnbct 2öeife: 6ie beruft fieh auf baS 
eine ober baS anbere Söeifpiel, in roeldjcm ein ©reignife, bem mir bie ftahigfeit 
abfpreeben, ftcb $ur SobeSurfacbe ju geftalten, ftd) in concreto allem STnfcpem 
nach roirffam gezeigt ()at, unb fie oerlangt beähalb oon un£ ba8 Slnerfcnntnifc, 
bafj mir ihm bemnach ju Unrecht ben (Slmrafter ber potentiellen Äaufatität oer* 
fagt Ratten. So führt fie un« por bie 2tugen, bafj eine pfndnfche Erregung ober 
ber ©enujj eines borten StücfcS 3ucfer3 fia> biSroeilcn letbal erroiefen habe, unb 
fie toitt barauS gefolgert reiften, bafj forooljl bem einen roie bem anberen Um* 
ftanb bie ftäbigtett beiwohnt, ein 2J?enfd)enicben ju nerniebten (0. 53uri, $ie 
Sebren Pom SJerfucb im ©eriebtsfaal pro 1867 @. 72, öerfelbe: abfjanblungen 
au« bem 6trafrecr)t. ©tefeen 1862 6. 68; §erfc, lieber ben Serfucb mit un- 
tauglichen Mitteln. Hornburg 1874 6. 38). 

9tad) meiner Meinung wirb hierbei ber Segriff ber „ftähiafeit" oertonnt; 
benn bamit bejctdjnen roir, wie bereits bemerft, eine einer ©acbe ober einer £anb- 
lung immanente ©igenjebaft. 6<bon barauS ergiebt fid), bafj ber Sdjlufe oon ber 
Söirffamfeit in einem inbioibueDen $aU auf ben (Sbarafter ber $bat ein unbe* 
rec^tigter ifl; ber Vauf ber ^Begebenheiten oermag an ihrem 2Befen nichts ju 
änbem. Vielmehr werben mir un$, um ein Urtgeil hierüber ju geroinnen, an 
bie Elbfrraftion ju roenben haben. 9iur bie $oten$ bleibt oon bem ©ang ber 
(sreigniffe unberührt. 

$äblen mir Slrfenif unter bie £öbtung8mittel ober crflarcn mir einen 
6ä)ufj für geeignet, ein SJienfcbenleben ju ©runbe *u richten , fo ift für uns 
hierbei niebt ber llmftanb beftimmenb, bafj roir bie Söirfungen, bie fid) auf bie 
eine ober anbere 2öeife erzielen laffen, in einer mebr ober minber großen 
3lnjabl oon hälfen ju fonftatiren Gelegenheit batten, fonbern ber, bafj ibnen bie 
eigentpmliebfeit inneroofmt, in abstracto eine £obes8urfacbe beroorjurufen. SOBie 
aueb immer ba£ einzelne Snbioibuum organifirt fein mag, fein ßeben ftebt, oon 
ben fonfreten 33ert)ältniften abgcfeljcn, alle 2Me auf bem ©piele, fo oft cS ber 
Crmroirtung beS einen ober anberen 3)fittel£ ausgefegt roirb. ©erabe barin jeigt 
Reh bie ^abiflfeit leiber, ben £ob berbeisufübren, ba§ in jebem gegebenen ftall 
bem Sttjäter ungtinftige Umftänbe eintreten muffen, roenn bie oon ihm eröffnete 
2Jiögltd)feit fid) in concreto roieber oerfcbltefeen foü*. 

©an* anberS fleht e$ mit ben ©eifpielen, mit benen bie fubjeftipe Theorie 
ibre ©egnerin befämpft. 2öir roiffen blo$, bafj fid) an bem ©enufj beS 3ucfer8 eine 
©rftiefung, an bie Erregung beä 2tffe!teS ein ©ebirnfcblag angcfcbloffcn ijat. Rk^cn 
roir bie mebi^inifebe 5iöiffcnfd;aft ju 9latl;e, fo erfahren wir nur 1 , ba§ roir c8 b»cr mit 
einer eigentbümlicben Äomplifation oon SBerbältniffen ju tbun haben, bie unS jtu 
irgenb einer 3lbflraftion nicht berechtigen. ©0 lange uns aber nicht ber 9iaaV 
roeiS geführt roirb, ba§ bem einen unb anbem Umfianb, auf roel<ben bie XobeSurfache 
gefolgt ift, potentielle Äaufalität innewohnt, finb roir nicht in ber Sage, ju beur* 
theilcn, ob roir ihn al$ für ben eingetretenen ©rfolg roefentlich ober als wirf* 
fam JU erachten h fl ben 2 ). 3<h möchte roeit eher geneigt fein, einen 3>eran* 
laffungSjufammcnhang ftatt eine« ßaufaljufammenhangcS anzunehmen, ba eö 
mir unerfinblid) ift, auf roclche Ungunft ber fonfreten 3?crbältniffe roir ba5 9)iife 
lingen ber %l)at in bem einen unb anberen ^atte jurtief^uführen hätten. 

S)er ^eblfchlufe, mit bcm bie fubjeftioe Theorie ihre ©egnerin befämpft, 
liegt mitbin barin, Safe fie nicht erflärt: rocil eine Ütlwt in abstracto bic 
ftäbigteit befijjt, eine ^olge hemoriurufen, barum fommt ihr auch ba« gleiche 
^räbifat in concreto fit, fonbern bafc fie umgefehrt folgert: rocil eine $bat fid) 
in concreto roirffam erroiefen hat, barum ijt fie aua) in abstracto gefährlich. 



2) liebet ben Unterfcftieb jwifcbcu trefenUid^ unb wirtfam, ^roifdben Staaulafiuna unb 
®mnb cf. bie citirte S^rift e. 163, 1G4, ®. 4W, 491, @. 539 fg., @. 576-5S0, ©. 659,660. 



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Sic ben untauglichen 8erfu$ betreffende Wenauutföeitmng be8 WeidjSgerichtö. 359 

Slnflatt 311 bebmiren: Söeil ein «Schüfe in abstracto geeignet ift, ein 3JJenfchen* 
leben au oernichten, wohnt U)m biefer (J^araftet auch im tnbioibuellen ftalle 
innc, folgert fie umgefebrt: bte gefammte 2Jtenfchheit ift bei bem jcbeSmaligen 
©cnufe non $ucfer bem Stöbe aiuSgefe^t, weil einmal ein beftimmteS Snbioibuum 
auf bie bejetdfmete SQScife au ©runbe gegangen ift. 

SBicUcid^t fprtngt ber f5c^lfd>lufe noch mehr in bie 2lugen, wenn mir ein 
fraffereS öeifpiel wählen, in welchem mir an ber Slnnabme eine« SSeranlaffungS* 
aufammcnbangeS nicht fonberlich fdjwantcn werben. Dörnen wir an, cS habe 
ftemanb einen 3lnbercn in eine ©d>eune gefperrt, in welche balb barauf ber 
23U|} eingefeb lagen unb ben ©efangenen getöbtet hat. Ohne SöettcreS leuchtet 
ein, bafe roir nicht berechtigt finb, barauS ben Sa£ au abftrafjircn, bafe eine oor^ 
ubergebenbe Freiheitsberaubung geeignet fei, ein SJlenfdfjenleben au oernichten. 
©ine innerliche SBerfchtebenheit aber awifeben ben $öHen, mit benen bie fubjeftioe 
5£^eorie cyemplifijirt, unb bem, welchen idt) ihnen gegenüber gefteltt habe, oer* 
mag ich nicht anjuerfennen. 2öer nicht gewiUt ift, ^icr au erflären: bie «Möglich* 
feit beS SobcS roar burch bie Freiheitsberaubung eröffnet, unb ift himerbrein 
baburdj, bafe ber Slifc nicht nieoergefahren ift, in 3BegfaO gefommen, bleibt bic 
2(ufflärung fefmlbig, warum er bort behauptet: TO bem ©cnufe beS 3uäcrS 
waren beibe Sllternattoen gegeben, im weiteren «erlauf aber ift bic eme mt 
Sefijiena unb bie anbere aur ©rifiena gelangt. Wach meiner Meinung ift mel* 
mehr weber bort noch t)tct ber ©oben ber potentiellen ßaufalität betreten; benn 
nur bann, wenn bie Erfahrung uns lehrt, bafe baS Ausbleiben einer Söirfung 
auf inbtotbuellen Umftänben beruht, nicht umgefebt, wenn fie unS fagt, bafe fie 
bie 2)?öglicbfeit ihrer (Sntftchung bem unberechenbaren 3ufaU oerbanft, finb wir 
3U einer 2lbfrraftlon berechtigt. 

Damit bürfte zugleich bie ^anbhabe gewonnen fein, einer aweiten 
Kategorie non SBeifpielen, bie uns bie fubjeftioe Theorie entgegenhält, unb 
welche fie, ihrer inneren SSerfdnebenbeit ungeachtet, mit ber bereits befprochenen 
in eine üinie fteUt, erfolgreich ju begegnen. 6ie weift barauf hin, bafe bei ge* 
wiffen ÄranfheitSerfchcinungen ©ubftanaen, welche an fid) nicht fchäblicher Watur 
finb, ben Zob au befchleunigen »ermögen, unb fie aiebt barauS abermals ben 
(Schlufe, bafe banaa) ber begriff ber Sauglidjfeit ein unbegrenabarer fei. Sßeit 
bie 3ufüf>rung oon 3ucfer Der Diabetes SBorfchub leiftet, fo glaubt fie bamit 
ben WachweiS geführt au haben, bafe auch biefer 6toff ber 30hl ber XöbtungS* 
mittel eingereiht werben muffe. (Ärug, $)ie fiehre nom SSerfuch ber Serbrechen 
6. 23; — ßerfc, a.a.O. ©. 24.) Allein babei überficht fie, bafe bic Möglich* 
feit, bamit eme Solgc heroorsurufen, hier eine beftimmte Äranffjeit au ihrer $or* 
bebingung hat. ©er ^e^lfchlufe beftcht fomit barin, bafe He fich nicht barauf be* 
fchränft, ben $udtx als geeignet au bezeichnen, einen SDiabetifer }u töbten, fonbern 
bafe fie Umt indisdinete baS $räbifat-- s J)tittel aufpricfjt $)cnn mit ber Äonaeffion, 
bafe ber ©ecjriff ber Sauglichfctt balb einen gröfeeren, balb einen geringeren Umfang 
einnimmt, je nachbem bie SBorauSfefcung , non ber in abstracto bic ÜHögüchfeit 
ber einen unb anberen Sllternatioc abhängt, bei bem ganjen genus ober nur 
bei einer beftimmten species zutrifft, wirb man noch nid^t auf ben fonfreten 
©tanbpunft gebrängt, bie Söirffamfeit einer 3^üt über ihre l^ä^tafcit, eine ^olge 
ju »ermitteln, entfcfieibcn 5U laffen. 6agt uns bie Erfahrung, bafe bie 2lnwen* 
bung eines SomittoS bei einer mit 3Ragengefchwüren behafteten ^erfon geeignet ift, ben 
$ob burd; Sluterbrechen herbeizuführen, fo nerlaffen wir nicht baS ©ebtet ber 2lb* 
ftraftion, wenn wir uns innerhalb ber baburdt) bebingten engeren ©renken be» 
wegen unb eine £anblung anberS unter ber gegebenen, anberS unter einer ab* 
weia)enben SßorauSfefcung qualifijiren. ©rflären unS bie Sterbe, bafe bie 3^öbtung 
eines 6äugtingS burch 3"fwhning non ©pirituofen bewirft werben fann, fo finb 
wir barum nicht bel;inbert, im Uebrigcn ben nämlichen 6toff unter bie WahrungS* 



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370 ® ie ben «ntaugtitften »etfucfj betreffende ^lettaremföeibunß be« fflei<68geri<$t«. 

mittet ju jä^lcn, bem mir innerhalb eine« engeren, in abstracto abtrennbaren 
Streife« eine fc&äblidje @if|cnfd^aft jufd&reibcn. 

25er Unterfc^ieb awifdjen ber 2lnfidfot, tucldje mir oerfcd&tcn, unb ber, 
wcld&c bie 2lnf)änger ber fubjefttoen Sfjeorie oertreten, liegt fomit audb bier 
barin, baß mir bie 2lbftraftton über ben (£f)arafter ber Zfyat entfd&eiben laffen, 
wäljrcnb biefe fic nad) tljren fonfreten folgen beurteilt unb bamit ber ^benti- 
foirung oon $auglid()tctt unb 3Birffamfcit ocrfäHt. 

Steinen mir ^inju, baß bie gcgncrifcoc fiebere nodf) ein gut «Stücf weiter 
geljt, inbem fic oon un« oerlangt, baß mir ntdjt blo« in ben Seifpiclen, bie fic 
erbringt unb oon benen ba« praftifc&e 2eben nid&t« weife, bie potentielle ßaufalität 
al« erwiefeu, fonbern baß wir augleidj audf) nadf) ifyrem weiteren Sdjluß, baß 
jebe Objcftioirung be« Söillcn« bie gäbjgfcit beftfce, bie Sinnenwelt nad& beffen 
belieben ju mobtfijircn, al« bamit motioirt cradjtcn follen, fo werben wir woljl 
ifjrc Offcnfioc niefct für banadf> angctljan craajten, bie Stellung ju befefrigen, bie 
fic in ber £)efennoe einnimmt. 

3nbcm ba« 9tctä)«gerid()t im ©egenfafe baju ben 9iadljwei« ber Unljalt* 
barfeit be« objeftioen Stanbpunft« aUS geführt anfielt, präjifirt c« feine 2luf> 
faflung über ba« Sßcfcn be« ftrafbaren SBerfuaje« am Sd&luffe feiner 6nt* 
fd)eibung«grünbe baljin: 

,,3)aß ba« bcabfid&tigte SBerbred&en beim 93erfudb ftcb.cn bleibt, bat 
jcbc«mal in einem ^rrtb^um be« £f)äter« feinen Örunb, weil er Sic 
ba« SStujoblciben be« Grfotge« bewirfcnben Umftänbc bei feinem $lanc 
Sur 58ermirflidmng bc« gefaßten Gntfd)luffe« ntd^t ridb^tig in Slnfölag 
gebraut f>at. ®lcid)gültig muß c§ aber bleiben, in Scjicljung auf 
welche tliatfädfjlidjen 5Borau«fc|jungcn , bie nötbtg waren, um ba« 
Söerbre^en ju Stanbe ju bringen, er geirrt f>at, ob ba« ber 93oII* 
enbung cntgegentrctcnbc öinberniß im Verlauf ber §anblung ein* 
getreten ober bereit« bei beren beginn oorfjanben war, ob bie oom 
Später nidb.t in töed&nung gezogenen ÄaufalitäbSfaftorcn außer i&m 
liegenbe ^crb,ältniffc ober Xljättgfeiten finb, ober ob er über bic 
28tr!famtcit feiner eigenen .^anblungen geirrt, ob über bie SSirffamfctt 
eine« gebrausten Littel« feiner Slrt unb 9Jtcngc naefc ober feiner 
Slnwcnbung nadj, ob über ba« al« Littel gebrauste Dbjcft felbft 
ober über bie tym beigemeffenen ober überfe&enen Cuantitäten." 
£anad) wirb alfo ber Srrtljum al« ba« Gljarafteriftifon bc« ftrafbaren 
Skrfudfje« cradjtet. oermag bie« nidjt al« rid&ttg amuerfennen. 3öeber 
oerf)inbert ber ftrrtljum bc« Später« ben Ucbcrgang be« SJerfud&e« in ben 2b,at* 
beftanb ber Sollcnbung, nod) iffc er im Stanbe, ben ÜHangel im $b>tbefianb in 
einen 3krfudl) umjuwanbeln. 

$n biefer SBejicljung ift, foweit \$ felje, bie Siteratur barin einig, bafc 
bie fieiftung eine« 3Jkincibeö oor einer oermeintlicb; juftänbigen S3cb,örbe nid^t 
al« ein SBerfud) be« bejei(bneten sßerbred^en«, fonbern al« ein SWangel im Xfyat* 
beftanb ju crad^ten ift. Söirb oon bem $rrtl)um ausgegangen, fo müßten wir 
eine Xljat, oon ber Ijeutc allgemein anerfannt wirb, baß i&rer Seftrafung ber 
im §. 2. unfere« ®cfe^bud()e« fanftionirte ©runbfafc „nulluni crimen sine lege 
poenali" entgegenfteb^t, ben 6trafbeftimmungen über ben SBerfudfc unterwerfen. 

^n jener üBc.ueljung ift e« unfdjwcr mit fyäUcn ju eremplifistren, in benen 
ber 3rrtl)um ben ßrfolg ^erbeigefübrt, ber olmc ib,n nid)t eingetreten wäre, ftin* 
airen wir, baß ftemanb in bem 2öab,ne lebt, baß 3Jfagncfia unter bie ©ifte, 
Slrfcnit unter bic Heilmittel jö^le, fo brausten wir nur anjune^men, baß er, im 
begriff, einen 2D?cn)d)en au« bem SSegc ju räumen, bic Subftanj, ju ber er 
nadj IKaßgabe feiner Äcnntniffc oon ben 9?aturgefcfecn m greifen entfdf)loffcn ift, 
mit ber. bic $m ntdjt smerfbienlid^ erfd^cint, üerwca)fclt, unb wir überjeugen 
un« un|d;wer, baß ber £ob nia^t bic Salinen ge^t, bic il^m bie ^orfieuung 



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2>ic feen untauglichen »erfudi frctuficnbe ^tenatcntfd&ettmng bc8 »eit^SflcrirfjtS. 371 

weift. Ober nehmen wir ein einfacheres Seifpiel. ©upponiren wir, baß ber, 
welcher bemerft, wie mit einem ©ewehre nadj ihm gejielt wirb, in bem 2lugen* 
blief bei Seite fpringt, in meinem ber £abn in ©emegung qefefet wirb. SSollte 
cS nun ber 3 u f flU '/ 0Q & $ n b* e Äugd bie ihn nicht getroffen ()ätte, wenn er 
feinen Stanbpunft nicht gewechfelt haben würbe, erreicht, fo müßten mir bie 
etwa erfolgte Söbtung als ^erfuch qualtfyiren: baS Gharaftertftifon beS 3rr* 
tljumS im Sinne ber ^lenarentfc^cibung würbe ihr nicht fehlen. 

Dioeh mehr überzeugen wir uns oon ber bebenfltchcn Seite ber Xfjeorie, 
welker baS 9tctchSgericht anhängt, wenn wir bie Säfee, bereit Prüfung uns 
gegenwärtig obliegt, mit benen Dergleichen, bie wir bereits befprochen haben. 
2itöhrenb uns in Siefen auSeinanbergefe&t wirb, baß ber ftaufalitätSprojeß ber* 
art befchaffen fei, baß fid) niemals mit ©emißbeit befttmmen laffe, welken Sücr* 
lauf er genommen haben würbe, wenn baS eine ober anbere ©reigniß nicht eiip 
getreten wäre, wirb in jenen in ooHem ©egenfafc bierju bie Anficht oertreten, 
baß gerabe ber tlmftanb, in SBcjug auf ben ein ^rrtbum beS SbäterS oorpcfallcn 
ift, für bie ©riftenj beS ©rfotgeS oon entfeheibenber Söebeutung fei. 35aS $rin$ip, 
welches bei ber objefttoen %bcorie als unhaltbar bezeichnet worben ift, wirb 
bamit für bie fubjeftioe Sfjeorie wtcberbcrgcftcllt. 2)ennoa) ift cS, wenn man 
fid) mit ihm überhaupt befreunben fönnte, bort noa) mehr als fykx erträglidj. 
.\)anbclt cd fich um ein delit nmnquö, fo wirb man noch weit eher geneigt fein, 
ftd) ju ber Slnnabme 311 bequemen, baß ein oom Hillen bcS £f)äterS unabhängiger 
Umftanb beu erfolg, ber fonft eingetreten wäre, ocreitelt hat, als in bem ftallc, 
in welchem ein Schuß auf einen Seichnam abgegeben wirb, $>ie ^rognofe wirb 
noch crfdjwcrtcr, wenn bie Realität eine noch unfidberere ©runblagc fiir fie Dar 
bietet. SDennod) follcn wir, wenn bie ÜMöglichfcit bcS (SrfolgeS erft eintreten 
müßte, ju bem €d;luß berechtigt fein, ber uns oerfagt wirb, wenn fie bereits 
oorlicgt. 

3)aju fommt noch, baß bie ßntfdjeibungSgrünbe eine boppelte 9lrt bcS 
3rrthumS ftatuiren, einen ^rrthum in SC^atfadjen unb einen ^rrtfjum, ber mit 
bem Langel, bie 3"^ n ^ oorber3ufebcn, jufammenfällt. §at ber ^tjater anftatt 
eines gclabenen ©ewebreS ein ungelabeneS ergriffen, fo wirb oon jener, bat er 
nicht geahnt, baß bie Äunft ber Sierße baS Söerf jerftören werbe, ju bem er ben 
©runo gelegt hat, oon biefer SpcjieS gefprochen. 2)aß bamit jwet heterogene 
Birten unter ben nämlichen begriff gejoaen werben, oon benen ber einen bie 
£)ioergenj jwifchen ber SBorftcttung unb oem beftchenben Hufianb ber Außenwelt, 
ber anberen bagegen bie ^^fongrucnj jwifchen ber Wicht unb bem Sauf ber 
Gegebenheiten eigentümlich ift, baß in fyolge beffen auch Smci 2trtcn beS 2icr* 
fucheS ihrer inneren ^erfdnebenbeit ungeachtet als homogen ausgegeben werben, 
unb baß cnbltd) eine SpejicS beS ^rrtbumS in baS Äriminalreit eingeführt 
wirb, oon bem baS Gioilrecht nichts weiß, wirb babei überfehen. Xritt ber Er- 
folg ein, fo Imt fein 3rctbum oorgclcgen, bleibt er aus, fo war ein 3rrtbum 
oorhanben, unb ift es noch ungewiß, ob bie eine ober anbere 2llternatioc jur 
(xriftcnj gelangen wirb, fo bleibt bie (Sntfdjcibung ber $rage, ob ein $rrtbum 
obgewaltet Imt, noch ausgefegt: fo lautet ber ©runbfajj bei ber einen $lrt bcS 
SBerfudjcS. ©ei ber anberen bagegen, bei ber bie 3)iöglichfcit ber 2Menbung 
auSgcfdjloffcn ift, wirb wieber ein abweidjenbcS ^rittjip aufgejtellt: ber ®ang 
ber (rreigniffe ift nicht im ©tanbe, einen nicht oorhanbenen 5 rtt () um 5 ut ^ nts 
ftchung, einen oorhanbenen Srrthum in 2\5egfall ju bringen, ©egen bie 2)upli* 
aitat ber begriffe, ju ber bie fubjeftioe Theorie greift, haben wir uns batjer ju 
wenben, wollen wir baS ^unbament, auf bem fie ruht, erfd)üttern. Söir haben 
fomit ihre 2lnhättger ju ber Söahl jwifchen ber einen unb anberen 2lrt beS 
3.?erfuchcS ju brängen, ben 2luSwcg aber, baß fie fich, je nachbem es baS $0 
bürfniß ber jcbcSmaligcn Situation crheifdjt, balb für bie eine, balb für bie 
anbere cntfdjctben, ifmen befinitio 3U oerlcgen. 



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372 üntanaß^tB »erfucfi bctteffenbe ^(enatmtf^eibuug be« Weia}8flert$t3 

Söirb oon it)nen an bet fefigehalten, für meldte bie 3nfongruen$ jmifcben 
2lbftet)t unb ©rfolg als entfcheibenb angefehen wirb, fo tft bamit oon tljnen Set 
untaugliche Serfuch, ber baS 9fterfmal beS fafttfehen ^rrtbumS nidt)t entbehren 
fann, preisgegeben. üflit bem ©eroufetfein beS bie Unmöglichkeit beiS GrfolgeS 
bebingenben UmfianbeS wäre bie ©mjUidjfeit ber 2lbftcht unoereinbar. Rur fo 
lange ber Später nicht roeife, bafj fein Singriff ftdfj gegen einen 2eidt)nam rietet, 
ober baf? baS ÜWittel, baS er anwenbet, nicht |it ben ©iften johlt, ober baf} er 
in ftolge einer SScriücdt)fclunt^ anftatt eines gelabenen ©eroe^rcö ein ungelabeneS 
ergriffen t)at, ift ihm bie 2lbfidjt, einen 9Jienfd)cn ju tobten, ju imputiren. 

gäflt bagegen bie 2ßahl ber fubjeftioen ^fjcoric 5U ©unften ber 2lrt beS 
SBcrfucheS, ber bur<h ben faftifcfjcn ^rrthum efearaftertfirt mirb, au«, fo mürbe 
fich baS normale SBer^ältnijs in fein ©cgentbeil umfehren : roaS nach ber lieber«« 
aeugung 2111er ftrafloS ift, märe [traf bar. unb maS banad) flrafbar ift, märe 
ftrafloS. 

2>enn aisbann märe ber SBcrfud) etnerfettS nicht auf bie Verbrechen ein* 
üufcoränfen, beren fubjeftioe Seite bie SSillenSqualiftfation erforbert, mela)e bie 
äüiffenfchaft mit „2lbficht" au bezeichnen pflegt. SBirb jugegeben, baß eS ber 
^rrthum auSfchltefjlich mit ber Sorflellung, ju t^un (jat, fo märe ein Verfuch 
aua) innerhalb ber Seliftc anjuerfennen, bet benen ber dolus in bem 8eroufjtfein 
oon ben SJferfmalen beS SlwtbeftanbeS befielt. S)ie ftolge Neroon märe, bafe 
SJtangel im 3#atbeftanb unb üBerfud) sufammenfatten mürben. $ie 3IuSmanberung 
eines oermeintlich Wehrpflichtigen, bie Seiftung eines 2JceineibS oor einer oer* 
metntlich fompetenten ütehörbc, ber Ghebrud) mit ber eigenen grau mürben ber 
Gtjnrafteriftif beS faftifchen SrrtfjumS nicht entbehren. 2üer baS fubjeftioe 
Moment beS SBerfucfjS in ber 2lbftd)t fief)t, barf fid) nicht htnterbrein mit bem 
SÖeroujjtfein begnügen. 

2lnbererfeitS märe ber Rormaloerfuch oon bem ©ebiete auS3ufchlte|jen, 
baS oom fafltfdjen 3rrtt)um bcfjerrfdjt mirb; benn für ifm märe baS für ent* 
fdjeibenb erflärtc Stterfmal nicht oon mefentltcher Sebeutung. Von einer SDioergenj 
roifa^en ber SBorfteUung unb ber $Sirflid)feit fönnte meber in ben fällen bie Rebe 
ein, meldte fid) jeber Reflerion entjichen, noch in benen, in melden ber Sauf 
ber üöegebenbcitcn mit ihr |armonirt- roeber bort noch ^ter märe ein Srrtfjum 
erfinblia). SSir mären baljer allenfalls in ber Sage, ben wegen Serfud&eS $u 
beftrafen, beffen Solch an einer SJJanjcrrüftung abprallt, nicht aber ben, ber einen 
Slnberen ©ift beigebracht hat, beffen Söirfung bura) ein ©egengift paralofirt 
wirb, ober ben, ber ftd) in bem 3)loment, in roelchem er einen 6dr)ufj abfeuert, 
nicht oerfjc&lt, bafe nia^t jebe Äugel ju treffen brause. S^nen fönnten mir nicht 
mr 3?crantroortung jiehen, weil ein ^rrtljum in Xhatfachen, roelche nicht oon 
ber SSorfleHung umfafjt merben, unbenfbar erfcheint: biefen nicht, roeil bie 6ub* 
jeltioität fich mit ber Dbjeftioität in Ginflang befinbet, eS mag bie eine ober 
anbere 2llternatioe eintreten. 

2>emgemäj3 haben nach unferer Meinung bie ©ntfcheibungSgrünbe beS 
Reichsgerichts, roeit entfernt, bie Strafbarfeit beS untauglichen SJerfucheS na^- 
jiuweifen, im ©egentheil bargethan, bafe es un^uläfftg ifl, bie Äategorie oon 
^anblungen, bie man hierunter begreift, unter ben $hötbcftanb au jiehen, unter 
ben ber ÜRormalocrfuch fällt. 

3>ie Sehre, welche Äöftlin in feiner Reuen Rcoifion oertreten hat, hat 
er in feinem ©oftem preisgegeben, 8 ) unb bie, welche er preisgegeben, bat btc 
2lnerfennung Seitens unfereS hö<hften ©erichtSfwfcS gefunben, baS ift baS 
wunberbare ©efehief, welches fie im Saufe oon laum oicr S^ennien bura> 
gemacht hat. 



3) cf. meine citirtc ©cfcriit 6. 148, 149. 



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Ä>ic b«n untauglichen 3krfutf> belrtflenfce ^lenaretttfdtjeitutig bcö föet*8getidjt3. 373 

Slber meüeicht erregen nur bie (^tfcheibungSgrünbe beS StcichSaeridjtS 
unferen Sötberfpruch. @S wäre benfbar, bafs baS r»on ihm uertheibigte 9tcfuXtat 
fid) aus onberen, jeitber oon ber fubjeftioen % ^eorie nicht erbrachten Slrgumenten 
aufredet erhalten lictjc. SöoUen mir eS Daher nicht an ber nötigen Borficht 
fehlen laffen, fo haben wir uns auf ben ©tanbpunft ju ftellen, als wäre uns 
ber Beweis geführt, baß bie X^atfeitc beS BerfuchcS IcbicjU^» in ber Dbjeftt* 
uirung beS Sillens, ohne bafj eS weiter auf bie Dualififation ber £anblung 
anfäme, beftänbe. SBürben fia) barauS Äonfcquenjen ergeben, welche bie 2Biffen* 
fchaft als irrig oerwirft, fo wäre bamit bcuS 3tel, beut bie fubjeftioe X^eorie 
jufteuert, al£ il;r abgefchnitten §u cradbten, unb mir würben baljer nicht weiter 
mit ben äöegen ju rennen haben, auf Denen fie eS au/erreichen trautet. 

S)te gegnerifd;e Sehre als richtig angenommen, mürben fich barauS fol* 
genbe fieben Folgerungen ergeben, bie fie als haltbar nachjuweifen bat, roenn 
|tc weiter im Äriminalrccht ihre seitherige ©teile ju behaupten entfdploffen ift: 

1. 2Bäre ber Berfuch lebiglich als Objeftioirung beS nerbrccherifchcn 
SÖiUenS aufjufaffen, fo märe fein $elift benfbar, baS il)m nta)t juaangliap roäre. 
%\id) bie Verbalinjurie mürbe tlm nia)t jurüerrufen. Äöftlin ift baffer ganj 
fonfequent uorgegangen, roenn er benjenigen, ber in ein frembeS $auS geht, 
um feinen 9ta$bar au beleibigen, wegen Berfua)S beftraft roiffen roill, obgleid; 
big balnn lein Saut über bie Sippen gefommen ift. (Äöjtlin, 5leue Steoifion 
©. 442.) S)ie gleiche ©ntfdjcibung wäre $u fällen, wenn ein ftreraber, ber 
©pradjc beS SanbeS unfunbig, anftatt ein injutiöfeS s litort aussprechen, ein 
järtlicheS ©pitheton bem beilegt, auf beffen Beleibigung er eS abgefehen hat. 
SBknn aber bic Anhänger ber fubjefttuen Xfytoxit na^eju einmütig erflären, 
bafe ein Berfuch ber Verbrechen, wela)e burd; ein gefprochencS Söort jur Äon* 
fummation gebraut werben, abjurechnen fei, fo werben fie bamit bem s $rtn3ipe 
untreu, uon bem fte ausgehen. ü)?it ber gewöhnlich roieberfehrenben Slrgumen* 
tation, bajj man nur bie 2Bahl habe, baS 2üort als gefprodjen ober als nicht 
gefprodtjen anjufehen, ift f^rgegen nicht amufämpfen. 3Jtit bem gleichen, wenn 
nicht mit größerem 9te$t lie^e fid) bie Behauptung aufftellen, bafj, ba nur bie 
Slltematioe jwifchen Seben unb Stob gegeben ifl, bie 3)iöglia)feit eineö Sttorb* 
uerfuchCiS entfa)winbe. Sielmehr hoben wir 2lufflärung bar über ju »erlangen, 
weshalb bei ber wörtlichen SBeleibigung bie ihr oorangehenbe Cbjcftiuirung bc? 
2öillen« ignorirt, bei ben übrigen Verbrechen bagegen regelmäßig berüefftchtigt 
roirb, weshalb ba« unbefugte Betreten eine« fremben 9laume« animo furantii 
für ein Verfudt) be« S)iebpahlS, baS einer fremben Sßohnung animo injuriandi 
für fein Verfuch ber wörtlichen Bcleibigung ausgegeben wirb, — unb biefe 2luf* 
flärung wirb umS oon feiner ©eite crtheilt. 

2. $>en VorbereitungShanblungen wäre weiter ber (Sharafter be« Ver< 
fuchea nicht abjufprechen : bie Dbjeftimrung be« 2öiffen$ ^ätte ftattgefunben. 
2lm Slnfang be£ 3 a h r ^ unocrtg f a ^ °er Streit barüber, ob bie voluntas delin- 
quendi mit bem conatus delinquendi ibentifa) fei, entbrannte, fiubcn wir auch 
in ber £ljat, bafe Diejenigen, welche ben untauglichen Verfudtj in feiner (Sigen* 
fchaft al5 SBerfua) beftraft fehen wollten, ftch Der in ?Hebe ftehenben Äonfequcnj 
nicht entjogen hßben. (cf. ®eib, ßehrbudt) be« !Deutfchen 6trafrechtö Öb. II. 
6. 301 unb ©. 306, 307.) ®er Kommentator be« ^effifchen ©trafgefe&buche«, 
Breibenbach, h«t baher oon feinem ©tanbpunft au« nicht Unrecht, roenn er 
erflärt: ber ©taat tönne ü)n äroar sroingen, bie Borbereitung$h<mblungen nicht 
ju betrafen, nicht aber f>abe er bie 3Jladt>t, ihm bie Ueberjeugung ju rauben, 
baß fte unter ben Begriff beS Berfua)eS fallen. (Breibenbach, Äommcntar 
über ba« ©rofeherjogl. §cffifche ©trafgefefebuch Bb. L 2. Slbth- ©• 141 9cote 7.) 
2öer einem Slnberen auflauert, um ihn ju tobten, ^ätte ftch mithin, roenn roir 
ber fubjettiuen 'Itieonc folgen, eines 3Korboerfuche£ fchulDig gemacht; baß baS 
pofittoe öefeö ihn Deshalb nicht beftraft, würbe baran begrctfUcher äüeiie nichts 



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374 ben ttntoufltt<^en SJerfucfc betreffende $lenarentf<$eibung beS 9ki*«geri$t8. 

• 

änbent. 23olIte man hiergegen erinnern, bajj in fubjeftioer 53esief)ung ein 
Unterfdueb srotfa)en bem, ber fid) bie Littel sur JBegcljung eine« Verbrechens 
befc^afft, unb bem, melier e« ausführt, obroalte, fo roürbe man uerfennen, bafj 
ljierin baS 3ugeftänbntB liegt, bafj bie Objeftürität auf ben Ütitllen surüctroirft. 
iUJenn berjenige, roela)er fidj mit ber gelabenen ißaffe auf ben Ütteg madE)t, um 
einen a)ienf$en $u ermorden, fia) nidjt non bem, roaS biö baf)in oon feiner 
6eite geiajejjcn ift, ben oon u)m beabftdjtigten (Srfolg ocrfpridjt, fö Imt bie« 
barin feinen örunb, bafj er fidj ber UnmögUajfcit, bafj barauS ber Xob Ijcroor* 
ginge, beroufjt ift. 2lllcin gerabe hierauf foll e$ ja nad> ber 2lnftd>t ber fub* 
jeftinen üeljre nia)t anfommen; roo&nt bodj naa) ihr jeber ,§anblung potentielle 
Äaufalität inne! 

SJeSbalb fdjeinen mir biejenigen i^rer 2lnt)ängcr fu$ nid>t frei tum 3SilI* 
für ju erhalten, meldte fner mit ber objeftioen Sljeorie gemeinfd)aftlid)e Sadje 
machen, ftdj im Uebrigen aber gegen fie roenben (}. sö. o. Soßmar je, Sierfud) 
unb Menbung in o. Jolfeenborff'S fcanbbud) m. II. 6. 277 unb ©. 290 ff.). 
SJJfan hat aber nur bie SÖatyl, entroeber jebe Objeftioirung be£ SBillenS jum 
^erfud) 3u ergeben ober mit bem begriff ju bredjen, beffen Äonfequcnjen man 
nia)t ju ertragen vermag, ni$t aber fteljt ber 2luSrocg frei, fi$ jum £hcit ber 
einen, jum ber anberen Partei anjufdjlicfjcn. 

3. 2)ie allfeitig perlrorre$$trte Slnnafjmc eines üBerfu<$cS oom 2terfucf)e 
märe nid)t ju umgeben, ^nooloirt ber ©djufj gegen einen ficidmam, ber in baS 
<pcrä bringt, einen Verlud), fo roürbe er, roenn er fein ,3icl feljlt, einen $erfucJ) 
oom Vcrfua) jum &orf$cin bringen, älter einem lebenben äJtenfd&eu eine un* 
|d)äblid)c <5ubftan$ in mörberifajer Stöftdjt injijirt, Ijätte fidj eines 2>erfud)eS 
fdmlbig gemalt, l)ätte er baffclbc ßrperiment mit einem Äörpcr oorgenommen, 
ber furj oorljer oom «Sdjlage getroffen roorben ift, id; rottete nid)t, roie ia) feine 
Ztyat anberS als auf bie ganj glcidjc Stteife qualifaircn fottte. 

$)ic gleiaje Komputation träte ju Sage, roenn cS fia) um einen „93erfuäy 
eines ©pcjialbcliftS Ijanbclt, roclchcS materiell bem öcreid^ ber Vorbereitung an* 
gebort ; an ber , t Dbjeftiüirung" ber „Objefttoirung bcS Hillens" roürbe eS nidfjt 
fehlen. Um bie)er bcbenfltd&en Situation ju entgegen, l;at man nidjt ben 8e* 
griff angetaftet, ber Sdnoierigfeit auf 6cl)roierigfcit thürmte, fonbern man l;at 
oorgejogen, einen neuen in'Ä Äriminalredjt einzuführen : ben ber formell ooll- 
enbeten, materiell oerfuc^ten Verbrea^en. 2Rit it)m ^at t& folgenbe Seroanbtnife: 
Um cinerfeita nidjt mit Der fie^re 511 brechen, roonaclj ber Slmtbcftanb ber s -öoll= 
enbung oorlicgt, roenn bie ucrbred^erifa)e Xtyat fia) mit ben gcfefclid)en 9Kerf* 
malen eines 5DcltfU8 bedt, unb um anbercrfeitS fia^ nidjt oon bem jeitfjerigcn 
ilterfud^Sbcgrirt loSjufagcn, ber ju ber als unjuläffig empfunbenen @rfa)cinung 
tyinbrängte, fa)lug man einen ^ittclroeg ein. 3)tan erflärte alfo: gigurirt in 
einer pofitioen ©efe^gebung ein VcrbrcdjenSbegriff, rocldf)cr bie fc^roerfte 9le(f>t«- 
ucrlcfcung unter ©traffanftion fteüt, unb fommen baneben Gelitte oor, roela)e 
gcroifjermafeen als beren Siorftabicn in betrauten finb, fo ift bamit eine ^roltter* 
bilbung in ber äiieife gefa)affen, baö bie unter ben Sljatbcfhnb beS geringeren 
Verbrea)enS ju fubfumirenbeu «ganblungen formell unter ben begriff ber £on^ 
fummation, materiell unter ben beS ^erfua^eS fallen. Um mid) anfcibaulidjer 51t 
madjen, roill ia) ein ^icifpiel roäljlcn, roeldjeS baS beutf^e ©efc^budE» an bie £anb 
giebt. 2)anac^ liegt oollenbeter §o^oerrat^ oor, roenn bie oerbrcdberifd&e Xl;atig- 
feit fo roeit gebieben ift, bafe ?tc fia) unmittelbar auf bie Herbeiführung ber 
Jüeränbcrung beS XerritorialbeftanbeS ober ber üßerfaffung richtet. (§. 81. 
Dir. 2. 3. 4. §. 82.) daneben roerben noc^ anbere, oorberettenbe ^anbiungen 
unter befonbere 6traffanftion geftellt. (§§. 8:5—86.) 3n i^nen hatten wir 
fomit formell oollenbete, materiell oerfud)te 2)clifte 3U fe^en. 60 gebaute man 
beiben Seiten geredbt \u roerben; mit ben ©runbfä^en über bie Vollenbung fanb 
man fid& ab, inbem man ber $onn 9tcd^nung trug, mit benen über ben SBerfud), 



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■» I 



$>ie ben untaUfllicfcn ©etf ud> betreffende Wenaretitfäetbmtfl tc8 9ki#3a,erid)t§. 375 

bet nidjt feinerfeit« wieber einen Verfug gemattete, tnbem man ben Inhalt be< 
tonte. 2lufgeftellt mürbe bie fcehre oon Kuben (Slbhanblungen au« bem gemeinen 
teuren ©trafrecht Vb. I. 6. 5 ff.), ausgebaut oon 3aa)ariae (Von bem Ver* 
fuc^» bet Verbrechen in ©oltbammer'« SJtraj. pro 1855 ©. 170 ff.) unb aeeeptirt 
im bie«feitigen unb jenfeitigen Kager (o. 609 mar je'* Äommentar. 3. 2luff. 
@. 121. — fcälfchner, ©Oftem Vb. 1. 6. 212, 213. — u. 21. m.) Mein 
fthon bie einfache (Srwägung, bafe man baburet) ju bem bcfremblichen 9iefultate 
fommt, ben fdjroereren Verbrecher milber, ben leichteren ftrenger ju bebanbeln, 
reicht meiner ÜJietnung nach \)\n, ben betretenen 2lu«weg als unjuläfftg ab$u* 
fdmeiben. 4 ) 253er unbefugter ätteife bewaffnete Raufen bilbet, märe ber ©träfe 
be« §. 127. befinitio oerfaüen; hätte er bie« aber mit f)o$oerrätl)crifcf)em dolus 
gethan unb feine 2lbfia)t jurüefgejogen, fo märe er oor jeber Verantwortung fidler. 

4. 9(id)t minber ift bie ihiifjenfchaft einig in ber 2lbwel;r ber, ^bentifU 
jirung oon Anfang unb Verfuch, unb mit Stecht: $cr Verfuch ift eben ittc^t ein 
aliquoter %\)tii ber Vollenbung, fonbem oon ihr quaittatio oerfchieben. Ääme 
e3 nun auf bie öbjeftioirung be« äöillen« an, fo läge fein ^inbernifj oor, ben 
wegen „oerfuchten Steineibe«" p beftrafen, ber ihn nur theilweife begangen Imt; 
ber Süille, ein Verbrechen ju begeben, tann fic^ nicht marfanter au«orücfen als 
babura), bafe er ftd) bereit« auf bie 6tr*ecfe oorgewagt hat, beren Verlängerung 
ben Xhatbeftanb ber Vollenbung au«ma$t. Sie fubjeftioe Xtytozit fommt fner* 
burdh in ein ganj eigentümliche« Dilemma : UM fic ihren begriff fefthalten, f 0 
märe fie jroar in ber Äage, ben ju beftrafen, ber fich $u einem Steineibe erbietet, 
nicht aber ben, melier einen %\)t\l ber @ibe«norm au«gefchworen hat. S)enn 
ber Verfudh — fo lehrt fie einmütyig, unb Sterin fann ich ihr nur beitreten — 
ift (eine pars quanta ber Vollenbung. S)er weitere ^ortfcfjritt in ber oer* 
brecherifchen §anblung würbe ba^er bie ©träfe in äßegfall bringen, weldbe in 
bem früheren ©tabium bereit« oerwirft war. Vielleicht wirb man mir auch ju* 
geben, bafe bie ©ewalt einen Veftanbtheil be« staube«, bie Drohung einen folgen 
ber föroreffung, bie ^rrthumöerregung enblia) einen folgen be« betrüge« bilbet. 
$te fubjeftioe Xtytoxiz geriete aUSbann auch i)itx in bie ganj nämliche 9toth- 
ÜJeht fie oon bem ©afc au«: SDet Verfug ift nicht« raeiter al« objeftioirter Söille, 
fo ftänbe ber Veftrafung ber erften ber fcanblungen, au« benen fiel) bie Verbrechen, 
mit benen ich cremplifairt habe, $ufammenfe§en, fein £inberni& entgegen. Richtet 
fie [ich bagegen nach bem, welche bie Annahme jurücf weift, al« ob ber Verfug 
einen Veftanbtheil be« fonfummirten $elifte« au«mad)e, fo würbe fie jur ent- 
gegengefefeten ©ntfeheibung gebrängt werben. £)enn unocrföhnlid) ftehen fidt) 
betbe ©äße gegenüber; ber eine führt $ur ^bentifisirung 00m Anfang unb Ver* 
fuch, bie ber anbere mieber perhorre«jirt. 2Benn baher bie fubjeftioe Xtyeoxic 
nicht gewiUt ifi, einen Verfuch ber fulpofen Verbrechen, bei benen bie Vollenbung 
ihren ©egenfafc im Veginnen finbet, $u ftatuiren, fo ift ihr 2lriom „ber Verfua) 
ifi objeftioirter SBiflc" gefallen. 

5. äßirb femer ber Xt)at)titc be« Verfuch« eine beftimmte Cualififation 
abgefprochen, fo ift — e« fei nur be« äufammenhange« unb ber 3Bichtigfeit ber 
©aa)e wegen gemattet, h^auf nochmal« jurücfjufommen — ber ©rfolg nicht 51t 
oermeiben, ba§ man jwei Slrten unter einen Vegriff jieht, bie innerlich oerfchieben 
inb. S5er einen wäre ber 3*rth u ro f btt anberen bie ^nfongruenj jrotfehen 2lb- 
icht unb (Srfolg charafteriftifch; jener wäre ber Äategorie oon Verbrechen, welche 
ubjeftio ba« s Jtequifit be« Vewufetfein«, biefer ber, welche ba« ber Slbficht er* 
forbern, eigenthümlic^. innerhalb ber lefcteren klaffe wäre wieber balb bie eine, 
balb bie anbere species anwendbar, je nachbem bie Unmöglichfeit ber Verwirf* 
lichung ber Slbficht oon Jpaufe au« oorliegt, ober bie oorhanben gewefene SDiög* 
lichfeit im Saufe ber Vegebenheit entfchwmbct. Db e« fich um ben Söiberftanb 



4) ef. int UeOriflen flegen bie Ijertfdjenbc »nfic^t: a.a.O. ©.üOÖff. @. 371 ff. 



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376 ben «ntauflufyit &erfu# betreffende $lenatentfd)etoung fceö föeid)§geri#t«. 

gegen einen ^Beamten, bet ucrmemtlid^ in ber 2lu3ttbung feines ^Berufe« begriffen 
war ober um eine Sranbftiftung, bie im Äeime erftieft wirb, banbelt; tuer wie 
bort \)at fid& ber 2Me objeftioirt. ©ort Ratten mir einen SßerfudE) anäunetymen, 
weil ein 3rrtf)um, f)ier, weil fein $rrtf)um oorliegt. j^e nad&bem ein ©<§lag auf 
ben SdnVDcL etneä ßeidmamä ober auf ben Hopf eines Sebcnben geführt wirb, 
Ijätten mir bie gleite ßntfd&etbung auö bem abweidjenben ©runbe \u treffen. 

6. „Langel im Xljatbeftanb unb SBerfuc^" finb oerfd)iebene begriffe, fo 
lautet ber wiffenfa)aftli($e, oon feiner ©eite angefochtene ©runbfafc. Sie finben 
fid) bie 2lnl)änger ber fubjeftioen Xljeorie mit iljm ab? — fo bürfen mir xoo\)l 
mit 9tea)t fragen. 

3)ie einen unter ifjnen geben uns barauf jur Antwort, bajj ber Unter* 
fdneb jwifcf)en beiben Segriffen lebiglidj ber fubjeftioen ©pljäre angehöre 
(Jföfllin, ©gftem §. 84. s Jtote 1.), bie anbeten ent^ie^en ftd^ einer präjifen 2tu&« 
fünft. %n Shiahrtjeit ift aber ber ©tanbpunft beiber ber nämlidje; beibe finb 
barin einig, baß Mangel im S^atbcftanb unb Sierfua) einanber beefen. S)enn 
oon jenen toerben mir, wenn mir ben ©a)leier ein menig lüften, bem Hern ber 
©adje nad) bebeutet, bajj bie bona fides ben dolus aiu&fd)liefjt, bafe hingegen bei 
oorljanbencm dolus beibe ^Begriffe jufammenf allen. Sßirb ein Sßutatiobeltft be* 
gangen, fo mirb oon iljnen oon einem' Mangel im Xfjatbeflanb, wirb bie oer* 
meintlicty frembe ©adje entwenbet, oon einem ^Jerfuä) gef proben, ©eben wir 
baljer oon ben aiSalniucrbrcd&cn ab, bei benen ber Später ben eigenen ©eje^geber 
fpielt, fo läuft iljre £c^re barauf InuauS: 3 m pofitioen 9te$t ift üttangel im 
Slwtbefianb unb Söcrfud; ibeutifd). 2BaS nid;t mit ber oollen ©träfe gealjnbet 
werben fann, ift unter bem Xitel ^erfua) milber ju beftrafen. Sic SBerljeifjung 
be$ ©efcfecS, „nullum crimen sine lege poenali" ift babei ganj nebcnfäa^lia). 

(Sine bünbige Antwort bagegen wirb unsS oon benen oerioeigert, wela)e 
ber ftrage bie prinzipielle Mdnigfeit, bie wir ujr beilegen, abfpredjcn. £)cnn 
baxaiß, baß beim >Bcrfucf) ein Mcrfmal, ba$ bem Stjatbeftanb ber Menbuna 
cigentf)ümlia) fei, in äikgfali fommc, wollen fie ben ©djlufe gebogen wiffen, bafc 
baä plus ober minus babei feine Stolle fpicle; c$ fei baljer, fo bebauen fie, im 
©runöc genommen jiemlid) irreleoant, ob ein Glwrafteriftifon mel;r ober weniger 
au» bem *Berbred)eiu8bcgriff auägefdjicben werbe (o. ©a) war je in o. folgen* 
borff« $anbb. *b. II. ©. 293, cf. aud& o. SBurt, lieber ba3 Söefcn De« #er* 
fua>3 in öoltbammer'S 9lr#. pro 1877 ©.205, 2(»6). 2Inftatt fid) ber Unter* 
fudjung ju Unteraichen, in welchem Merfmal ber Xt)atbeftanb beS SBerfudjjS oon 
bem ber JBollenbung bifferire, weifen fie un$ im ©egentljeil barauf Inn, bie 
©aa)c auf fid) berufen ju laffen, weil baS fonfummirte 2)elift uod) burefy anber* 
weitige Mcrfmalc dmraftcrtftrt werbe, auf bie e3 Ijicrbci — nid^t anfomme. $\)xi 
fceljrc läßt fic^ mithin bal;in jufammenf äffen: 

Öeljlt bas 3)ierfmal im &l)atbeftanb ber 3>oHenbung, wel^c« bie Sifferenj 
jwifc^cn biefem unb bem be3 S3erfu4»ö bilbet, fo liegt $erfu$ oor; trifft eine 
abweidjenbe ^orau^fe^ung ju, fo ^at fid; baburd^ — auc^ md)t ba£ ©cringfte 
geänbert. 

Sluf bem ©ebietc beS materiellen 9tedöt« fonferoirt baljer bie fubjeftioe 
ilt\)xc ben ßuftanb, ben fie auf bem beÄ ^roAcfercddtS oerwirft, ^n ber gemein" 
rcdjtlidjen SDoftrin war eö 9ted)ten£, ben, beffen oollc ©a^ulb ntdjt erwiefen war, 
mit einer 5öerbaa)ti&ftrafe ju belegen — unb ber 3i*rt&unt ift ber befferen 6r* 
fenntnife gcwid[)en. 33on geuerbad) war c8 ni$t minber ©cri^t^gebraua;, 
wegen mangelhaften Xljatbcftanbeö eine milberc ©träfe $u oer^ängen, ~ unb 
ber Srrtlmm ^at fic^ bi« in unfere 2age l;inein erhalten. 9tur ber 9iame Ijat 
fid) geänbert, bie ©aetyc felbft bagegen ift geblieben; wa£ im Mittelalter unter 
bem Sitcl „Mangel im Sljatbcftanb" mit einer aufecrorbentlia)cn ©träfe belegt 
würbe, ba£ wirb am SluSgang unfere« ^a^r^unbert« unter bem Xitel „SJerfudj" 
mitber gealjnbet. 



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S)te ben untauglichen Eerfud) betreff cnfce «pienatentföetoung be« 9lei<f)Sgcrtc$t8. 377 

Slber aud) $iet frtftet bie fubjeltioe ßcfire ihr Däfern nur baburd>, bafj fie in 
boppelter ©eftalt auftritt. SJttt ber objeftioen £f)eorte thetlt fie bcn Scr* 
fuchSbegrtff, foroctt er ihr jufagt; bagegen roenbet fie fid) oon ihr ab unb 
greift bem eigenen, foroeit Langel im Xfwtbeftanb oorliegt. $)ie 2)upli* 
jität ber Segriffe, mit benen fie operirt, ift mithin auch 1)kx bie StofiS, auf 
ber fie ruht. 

ü)ie $olge baoon ift, bafe fie eine Slrt beS SBerfud&eS fennt, ber bcS objef* 
tioen X^atbeftanbe« oöUig entfleibet ift. $)arauS ergeben fid) bie bebenfliajjten 
tfonfequensen. Unfd)toer laffen fid; gälte fonftruiren, in benen nicht ein einjiaeS 
Süterfmal beS 93erbrc$enbegriffc£ übrig bleibt, unb oergeblia) fragt man H4 
toarum bie fubjeftioe Theorie mit bem ©runbfafc be£ mobernen ÄriminalrcchtS 
„fein Verbrechen ohne ©trafgefefe" nicht lieber offen bricht, anftatt ben Umroeg 
cinjuf plagen, ber ju feiner Scfeitigung füt)rt. 

•Nehmen mir an, eS h QOC 3iemanb etn ftlbcmeS ©efäjj, ba£ er irrthümlid) 
für ünu mdu gehörig hält, in ber 2lbi'idjt, eine ©ad)befcf)äbigung ju begeben, in 
ein vebättitti geftellt, oon bem er annimmt, bafj barin 6alpeterfäure enthalten 
fei. SBollte eS ber 3ufall, bafe er es ju feiner eigenen SBerrounberung ocrgolbet 
herauszöge, inbem er eS in golge einer $Berrocd;Slung bem galoanoplafttfcben 
JJrojefe auSgcfefet hätte, fo märe bie offenbare Sertbserhöhung ber eigenen Sache 
als oerfuchte 3öerthSocrminbcrung ber fremben 6adje ju beftrafen. 

9tid)t minber entfd)rombct jeber £lwtbeftanb in bem SBeifpiel, baß id) ber 
fubjeftioen &hcorte bereite anberroeitig entgegengehalten habe. 6 ) Söürbe ^emanb, 
burd) Wacht unb 2)unfclt;eit getäufcht, einem 6d)lafenben in ber abfielt, bie 
£eibcSfrud)t einer ©d^angeren ohne Deren SBiffen abzutreiben, einen Xranf ein* 
geben, fo mürbe man oon einem Verlud) aud) bann fpred)en muffen, wenn fid) 
herausftellen follte, bafc roeber bie ^erfon, gegen bie fid) ber Singriff ber s Jteflerion 
nad) richtete, id)toangcr, noch bie, gegen bie er in SBirflidjfeit aufgeführt roorben 
mar, roeiblidjcn ©efcblecbts, nod) baS angeroanbte Littel irgenb mic geeignet mar, 
einen 2lbort $u beroirfen. 

„9tid)t bloS Langel im X^atbeflanb, fonbern aud) ber äJtongel beS ZtyaU 
beftanbcS ift Verfud)", — fo lautet baS $ogma ber fubjeftioen ©djule. Unb aud) 
noch bie lefcte Äon jeffton, bie fic uns macht, mürbe oerfdjroinben, roenn baS 
pofitioe Stecht bie gleiche ÜÖcftrafung beS oerfudjten unb beS ooUenbeten SBer* 
bredt)enS anorbnen mürbe. Ob ber £ob ber Xtyat oorauSgegangen ober i^r 
nachgefolgt ift, mürbe oon ihrem «Stanbpunft auf oon ba ab nidjt ben geringften 
llntcrfchicb begrünben. 2)cr Langel im Stmtbeftanb mürbe bamit nod) bie le&te 
iBirtung oerlicren, rocld)e fie ihm jufdjreibt. 6in glctc^ed ©trafmafe — unb bie 
6eftion eines ScidjnanuS fönnte gctrofl in allen fällen unterbleiben. 

7. Slber noch oor 2horeöfd)lufe ftürsen bie Anhänger ber fubjeftioen 
Theorie mit eigener öanb baö ©ebäube, baö fie aufgebaut tyabtn, erbarmungS* 
los um. %n ber Ächrc 00m fog. freiroiUigen 9tücftritt fichem fie nämlich &em 
^häter nur bann ©traflofigfcit ju, roenn c« ihm gelingt, ben (Srfolg, bcn er in£ 
Seben ju rufen beabfiebtigt, 3U paralyfiren ober ab juroenben. 3)amit fommen 
plö&Udj bie potentiell faufalcn Gräfte 5um Sorfchein, beren ©yiftenj ftc bis bahin 
beharrlich in Slbrcbc geftellt höben, — nicht jene potentiell faufalcn Gräfte, oon 
benen fic ju Unrecht annehmen, bafj fie in abstracto überall offen ju Stagc 
treten, fonbern jene, oon benen fie ju Unrecht leugnen, bafj fic in concreto 
latent oorhanben finb, unb nur eines günftigen ^mpulfeS bebürfen, um reale 
©cftalt anäune^men unb fid) toirffam ju erroeifen. S)cnn roenn jebe ^anblung, 
roclchc nidjt bie Sßollenbung herbeiführt, ber gähigfeit, ben (Srfolg 3U cntioicfeln, 
entbehren foü, fo ift eS ferner oerftänbUd), rocShalb eS ber ^ttjätigfeit bcS s8er* 
brccherS bebürfen foate, um ein (Srcignifj abjuroenben, oon bem behauptet rotrb, 



5) a. a. D. <5 156. 

«U*iC 1880. &.$eft 25 



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378 ® ic ben untauglichen 3Berfuc$ betrcfftnbc ^lenarentfc^cibunfl b«3 ttci$Sgcri#t*. 

bafj beffen ©tntritt bem Vereich ber ttnmögltchfett angehört, ©äre e« gleich* 
gültig, ob 3emanb ^ nm Oberen ßuefer Arfenif beigebracht t)at, fo mü&te 
man entmeber bort wie hier bie Dbjeftioirung be« ©egenwillen« für au«reidhenb 
galten, itm oon ber bereit« oerwirften ©träfe 311 befreien ober 2lufElärung geben, 
we«hatb nur in biefem, nicht in jenem %allt bie Slftioität erforberlid) ift, um bem 
möglichen Sauf ber Vegebent)eiten eine anbere SBenbung 311 geben. 2öer juge* 
fteht, bafj bort eine paralofirenoe Sfyättgfeit entbehrlich ift, rocil bie Dtatur bem 
3ucfer bie Äraft oerfagt h«t, eine $obe«urfache ju »ermitteln, hier bagegen noth* 
roenbig ift, weil bem 2lrfenif bie ftähigfeit innewohnt, bie Vebingungen, auf 
benen ba« Seben beruht, ju oeraugten, folite fidt) nicht jträuben, im erften 
flapüel ber Verfudj«lehre bie Säfce al« richtig anjuerfennen, bic er im lederen 
nicht länger ju befreiten oermag. 

3n ber Xbat ift auch ber fubjeftioen Theorie bie Vcbenflichfeit ihrer 
Situation in ber «ehre 00m freitoilligen SRücftritt nicht entgangen. 3fn3befonbere 
hat fich 0. Vuri nicht ben Ronfequenjen entjogen, bie feine Sluffajfung über ba« 
2öefen be« Verfuge« erheifchen. $ie Vett)ättgung ber 3urücf$iehung ber 2lbitcht 
ift ihm beähaib auereichenb, bem Verbrecher bie ©träfe be« Verfucbe« ju er* 
laffen, fo bafe er, wenn beffen ungeachtet bie 2öirfung eintritt, eine 3lh noun 9 
nur „wegen fabrläffig unter laffener Slbwenbung bie SHöglicbfett einer Äaufalität" 
für gerechtfertigt ertlärt. ($n feiner Äritif be« §. Liener 'fehen Sehrbuche« im 
©erichtöfaal pro 18 < 6 6. 186, 187.) S)ie ©ache roirb jeboeb baburch nicht ge* 
belfert. S)enn einmal bleibt oer Söibcrfprua) befielen, bafj bem Verfucb hinter* 
brein potentielle Äaufalttät 3ugefchriebcn roirb, bie ihm oon oornherein abge» 
fprodjen roar, htbem in ihm nunmehr bie Duelle gefehen roirb, roclchc bie 
SJcöglichleit ber fpäter eingetretenen Veränberung eröffnet hotte, ©obann tritt 
noch ber weitere 28iberfpruch h"W*/ bafj man bemjenigen, ber fich oon Jpaufe 
aus einer unichäblkhen ©ubftanj bebient, ba« oerfagen müfjte, na& man bem 
gewährt, ber burch feine Xr^ätiQfeit bie 3Jföglicbfcit, bie er erfchloffen hatte, wieber 
beseitigt unb bemgemäfj nur ben 3uftanb herftcllt, ber bort oon oornherein oorlag. 
•ZBcr einem Slnberen SRagnefia in bie ©peifen gemifebt hätte, wäre, wenn er in 
^naftioität jurüeffinft, ber ©träfe wegen oerfuegten üDlorbe« unwiberruflich oer* 
fallen; wer bagegen Vlaufäure anwenbet unb ein ©egenmittel oerabreicht, würbe 
in bem ihm ungünfttgflen ^attc nur wegen fahrläfftger Xöbtung haften. 

S)ie fubjeftioe Theorie tyat baher, wenn fie fonfequent oorgeht, ba« Wlifc 
gefchief, bafj fie jwar in ber Sage ift, ben wegen oerfua)ten ÜJtorbe« $ur 93er* 
antwortung ju jiehen, ber 31t ©nmpathiemitteln greift, bafj ftc aber oerhinbert 
wäre, ben wegen be« gleiten Verbrechen« ju bestrafen, ber einem 3lnberen ©ift 
beibringt unb fi<h be« Patron« al« oermeintlichen ©egenmittel« bebient, mag 
auch immer ber £ob fein Opfer nicht oerfchonen. $ie Dbjeftioirung be« Söillenä 
wäre ber gegenteiligen 2ÖUlen«bethätigung gewichen, unb bamit wäre oernichtet, 
ma« ber Später gel Raffen. 3öer ben Vogen ju ftraff anfpannt, barf fich 
nicht wunbern, wenn er ihm in bem entfeheibenben 2lugenblicf ben $ienft 
oerfagt. 

Rechnen wir h^a"; °°B °^ ©ntflcibung bc« Verfudje« oon jebem objef* 
tioen Shcubeftanb 3ur Veftrafung oon ^anblungen führt, bie nach unferem 
natürlichen 9ted)t«gefühl beffer unoerfolgt bleiben, fo ift ba« Vilb, welche« bie 
fubjeftioe $h e °n e gewährt, in feinen Umriffen ffi33irt. 35er §au«herr, ber bie 
©tuben feiner üöohnung parquetiren läfet, bamit ein ihm mt§tiebige« 3)litalicb 
feiner gamilie burch bie ©lätte be« Voben« 3U galle Eomme; ber Vater, welcher 
feinem franfen ©ot>n, bem bie 2lcrjtc 3ur SBiieberherftellung feiner ©efunbhcit ben 
Aufenthalt an ben italienifchen ©een angeraten höhen, ba« hieju nöthige Steife* 
aelb oerweigert, weil er auf bie reiche ©rbjehaft fpefulirt; ber mifjgtinjtige 
Vauer, ber, um ba« Vieh feine« Nachbarn magerer iu machen, 3U Veherung«* 
mittein feine 3ufludt)t nimmt,— fie atte wären reif sur Auflage wegen Verfug«. 



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2>ic bot untauglichen Serfud) betreff cnfce ^JTenarentfcbeibung be§ nrid)3geticbt§. 379 

✓ 

S)ie fubieftitic $heorie, melier ed nicht entgebt, bafj fie bamit mit unferem 
9tecbt$beroufjtfein in Äonflift gerate ruft bedbalb bie ©runbfäfce bed ^tojeferechtd 
$u §ttlfe, um bem, road fic auf bem ©ebiet bed materiellen Htecbtd lehrt, bie 
©pifec abzubrechen, ©ie giebt und m oerfieben, bafj fie in ben fällen, in benen 
bie unjuläffigfeit ber Veftrafung in bie 2lugen fpringt, bura)au8 nicht bet 
friminalred)tlicf)en Verfolgung bad SBort rebe, inbem in it)nen bie Objcftioität 
nicht geeignet fei, ben Seroeid ber ©cfmtb herzufallen, (o. Vuri in ©oltbammer'd 
Strato pro 1877 ©. 312 unb im ©ericbtdfaal pro 1868 ©. 330.) SlUein bet 
3tueroeg ift meiner Meinung nach aud boppeltem ©runbe unftottbaft; einmal ift 
Die Veroeidfrage für bad materielle Stecht ohne Vebeutung, unb fobann roirb bie 
©adje oon ben Slnhängern ber fubjeftioen $l)eorie nur ba auf bad ^rojeferedtf 
binübergefpielt, roo ber 2öiberfprucb sroifdjen bem, road fie oon und beaebren 
muffen, unb und bod) gern erfparen möchten, ^eroortritt. §anbelt ed fiaj um 
eine Vergiftung mit 2lrfenif, fo bleiben fie auf bem Voben bed materiellen 
9ted)t8, ^anbelt ed fiel) um einen Verfug mit fompathetifchen Mitteln, fo meieren 
fie auf ben bed SJkojcfjrecbtd jurücf.*) 

freilich oerfennc ich nicht, ba| bie Veroetdfrage oielfadj banad) angetf)an 
fein wirb, bie ßrnftlicf)feit ber Slbfia^t in jjrage }u fieUen. 3fm ©cgentpeil 
räume id) ein, bafj fte oon fo roefentlicber SSebeutung ift, baß in bem SJiafje, 
in welchem bie 2Öal)rfa^einlid)fcit für ober gegen ben eintritt ber bem Später 
günftigen Sllternatioe fpricrjt, unfere 3roeifel fallen unb feigen. SBerben roir 
aud) bei ben oielen Söegen, welche bie -Jtatur bem Staffen zur Verfügung geftellt 
bat, bad £eben ju ocrnidjten, oon ooraberein nicht geneigt fein, oon ^emanbem, 
ber einem 2lnbercn einen ©cblag mit ber %au$ gegen bie ©djläfe gegeben t)at, 
anzunehmen, bafj er babei in mörberifeber 2lbftcbt geljanbelt bat, fo iß bied bod) 
für und fein ©runb, und eined prinzipiellen Urtbeild über ben ©harafter ber 
%f)at ju enthalten. 2Öir banbeln ba^er nia)t unbillig, roenn roir in ben Sei* 
fpielen, welche ber fubjeftioen X^eorie unbequem finb, bie Verbunfelung ber 
Sachlage buraj ^incinmifcjiung oon projeffualifeben ©runbfäfcen entgegentreten. 
9tur mit ber quaestio juris, nicht mit ber quaestio facti haben roir und gegen* 
roärtig zu befdjäftigen. 

Unter ben obroaltenben Umfiänben werben roir cd begreiflich finben, bafj 
roir b^r bei bem fünfte angelangt fmb, an welchem ber Äampf 2lUer gegen 
2llle, ber unter ihnen beftebenben VunbeSgenoffcnfdmft ungeachtet, entbrannt ift. 
2Ser aud Unfenntnifj ein Littel anmenbet, roelcbed nicht fähig ift, ber Ver* 
roirflidjung feiner 3lbfta)t zu bienen, tyat fia) eined ftraflofen, roer ed bagegen in 
golge einer Verroea)dlung mit einem ^ierju geeigneten Littel ergriffen tyat, t)at 
|ta) eined ftrafbaren Vcrfucbcd fc^ulbig gemalt, — fo lebrt bie fubjeftio*objeftioe 
^I;eorie. x \\)x roiberfpriebt ihre «Schroetter, bie fubjeftioe 'Xljcorte , roelc^e bad 
©ebiet ber ignorantia (Unroiffenbeit) nid)t räumen roiü, roenn bie anbere Partei 
bad bed error im engeren ©inne (Verroedjdlung) weiter in Dffupation behält: 
bie eine 2lrt bed ^rrt^umd abroeiebenb oon ber anberen |U be^anbeln, erfa^eint 
i^r mit $Re^t ungerechtfertigt, ^nnerljalb bed flcineren Äreifed geben niajt minber 
bie 3lnficbten audeinanber. o. Vuri uclit im fog. ^obtbeten einen ^corboerfudb unb 
bält eine milbere ©pra$e nia)t am $la^e (in feiner Äritif ber ^er^feben 
Vroebüre im ©ericbtdfaal pro 1875 ©. 154, 155). £erfc folgt ü)m in ber 
Clualififation ber %l)at, tritt jeboct) für eine ^jerabfe&ung bed gefe^licben ©traf* 
minimumd ein. (Heber ben Verfucb mit untauglichen SKitteln ©. 89, 90.) $ie 
übrigen Slnbänger ber fubjeftioen Xtyoxit tbeilen roeber ben einen, noch ben 
anberen ©tanbpunft. ßammaf d) roill ben Verfuch mit fompathetifchen Mitteln oor 



6) Um Wemanbem Unred)t ju tbun, tybe id) beroor, ba^ fieb in ber neueften 8ttcra« 
tur, auf beren Seriicfpcbtiflung id) mid) bcfcfjränft babe, oon ber .öineinjiebunfl pTojeffualifcber 
©runbfä^e freigehalten baben: u. Sdjroarje, J^er^, Öamntafch. 

85« 



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380 ® ic bcn untaufllk&en SSerfud) betreffend <pienarentföeibung U9 ffletd)3gerid&t8. 

t 



6trafc retten (Sammafd), $a$ Moment objeftfoer ©efä^rttd^fett im ©cqrtff bcS 
$erbrcd)cn3ücrjud)e3 6. 78); gegen ibn wenben fid) roieber bie, bie imücbrigen 
mit iljm juiammenaeben. 9lo$ 2tnbcre [teilen einen anberen ©runbfafc für bie 
Untauglicbfeit ber bittet, einen anberen für bie Untauglicbfeit be« Dbjcfteg auf. 
(cf. bie bei ®cib a. a. 0. sub 4 unb 5 mitgeteilten 2lnfid)ten 6. 307.) 

Giern oerfage id) eS mir, baS Stlb, ba£ un$ geboten wirb, im weiteren 
Umfang entljüllen. 9lur baö möd)tc id) nod) tjeroorljebcn, bafe biejentgen, 
rocldjc niebt mit o. 2*uri annehmen, bafj ber 3Keineib in ber Wicbt, bafj über 
einen 2lngef tagten ein ungerechtfertigtes XobeSurttieil gefprodjen werbe, ben 
£f)atbefiaiib bcS sföorboerfucbeä erfülle (ßin^ett unb 3Jtebrj)ett Der 3ierbred)en, 
Sbcilagebeft jum @erid)t8faal pro 1879 6. 8) — unb aud) ^icr geben bie 2In- 
fidjtcn ber 3lnl)ängcr ber fubjeftioen £beorie auSeinanber (cf. 3. 5J. o. 6 d) war je, 
Kommentar ju §. lö4. ©. 4.J0) — bamit ber Scbre untreu werben, weldje bie 
Dbjcftioirung beS Hillens für einen ^erfud) auSgicbt. 

Siegen aber bie Xinge fo, roie icb fie gefebilbert, fo bürfte bie $tit gc- 
Fommen fein, bafj mir Don ber fubjeftioen Xtjcoric für immer febeiben. 3)ie 
&bre, bie mir it»r oerbanfen, ift }war oon einem ctyrroürbigen Silier unb oon 
einer beftedjenben (£infad)l;eit. S3erett3 bie ©loffatoren baben fie aufgehellt, 
unb ber Safe, auf ben fie funbirt ift, läßt fid) in bie Söorte jufammenfaffen : 
„$u b«ft gewollt — alfo b°ft 3)u oerfud)t." Slber bie ^rrtbümer, bie fic eut* 
bält, unb Die s Jßunben, bie fie ber s Jtecbt$ficbcrbett feblägt, finb $u fd)wer, als 
baß unö bie Trennung oon tr)r erfpart bleiben fönnte. s I\Jir fagen und oon Ujr 
loö mit bem oollen ^cwufjtfein , bafj jebe Sb^uc, bie berufen ift, an u)rc 
©teile 3U treten, eine größere aöürbc auf unferc ©cbultern legt. 



2Öenben wir uns nun einen Slugenblicf ber objeftioen Xtyoxit ju. Son 
ber Cebrc be3 fog. freiwilligen 9lücf tritt« abgefeljen, finben wir in ibr bie näm* 
lidjen Säfte wieber, bie wir bei ber #eipred)ung be3 fubjeftioen StaubpuuftS 
tennen gelernt unb al£ irrig jurüefgemieien Imben — eine auf ben erften #ltcf 
l)öd))t befremblicbe (Srfcbcinung, bie ibre 2luffäUia.feit jebod) gegenüber ber Xt)al* 
jacbe ocrliert, bafj bie beiben Xbeoricen, welaje tid) in ber beutfeben Söiffenfcbaft 
feit Anfang bc£ gegenwärtigen $abrbunbert$ gegenüberfteben, unb beren Uriprung 
in bie 3cit De * itolienifeben ^raftifer l^inautrcic^t, in allen fünften uneinig 
finb, nur nid)t in bem, in welajem ber 6ife aller 2Jtcinung*bifferenj liegen 
mußte, — im '■öegriff. 2)ie Voluntas sceleris ift ber einen wie ber anberen 
mit bem Conatus delinquendi ibentifeb. Cogitare, agere, nec perticere — ©nt* 
fd)UiB, 33ett)ättgung bed (SntfcbluffeS unb Langel ber ißollenbung btlbcn in bem 
einen wie im anberen Sager bie tfonftitutiomerfmale be« söerfucbeÄ. 5)er gan^e 
Streit bat fid) scitljer nur barum gebrebt, bafe bie eine Partei anberS ben Um* 
fang bcö ^Begriff*, anberS ben ber 6trafbarfeit normirt, wäbrenb bie anbere 
auf^ ber .Hongruenj leiber bebarrt. 2)ie fubjeftioe Xfyotit lebrt mitbin: ^ett 
tktbätiguug be« oerbreeberifdjen Sffiillen« ift Skrfucb; bie objeftioe bagegen 
fnüpft t^aum noeb ben weiteren 3ufa^: ber sßerfueb jerfällt in jwei Sitten, in 
eine [traf bare unb in eine ftraflofc. 7 ) 

^m s iöcfen ber Sacbe tritt babureb feine 2lenberung ein. Unfcbwer 
würben wir un$ bieroon übetjeugen, wollten wir bie Sticbtigfeit bed objeftioen 
©taubpunftc^ au ben oäfeen prüfen, beren $robe ju befteben bie fubjeftioe 
Sbeoric uiebt oermoa)t bat. glaube jeboaj, mieb ^tcr ber weiteren 2lu£* 
füljrung entbalten ju muffen; icb b a be mieb b» cru ber bereits anberweitig, in 
meiner ^ebre oom oeriuebten unb unooüenbetcn 58crbrecben, auSgelaffen. 8 ) 93er* 

7) a. o. O. §. 4. 8. 105 ff. 

8) a. a. 0. 8. 203 ff., ©. 411 ff. 



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2>tc ben untauglichen »erfucb. betreff cnbe $tenarentfd)eibung beö ffleid)3gericbt8. ^81 

§ef)le ich mir bodh ohnehin nicht, bafj ich benjenigen, roeldje ftch mit bcm Inhalt 
meiner 6d)tift oertraut gemocht haben, mit bcm einen ober anberen ©ebanfen, 
ben ich bisher ^ier auSgefproc§en habe ober nodt) weiterhin 311 cntroicfeln mich 
genötigt feljen werbe, nid)tS *RcueS biete. 9tur in jroei fünften habe id) ge- 
glaubt, mid) über baS Sebenfcn, bereits anberweitig ©cfagteS tbcilroetfe §u 
roieberholen, ^inioegfe^en 3U btirf en : in ber SBcfpredjung ber Äoniequenjen, ju 
benen ber fubjeftioe 6tanbpunft Eintreibt, unb in Der Interpretation bcS pofitioen 
©efefceS, ber ich mich balb ju unterbieten aebenfe. Dort überroog bei mir bie 
(Srroägung, bafj bie Söefämpfung ber oerfa)ieoenen 2f;eorieen, gegen bie ich mid) 
in meiner Sonographie roenben mufjte, mir ben .Sroang auferlegt t)atte, in 
meinen Argumenten eine gcioiffe Oetonomic innezuhalten, Da ich, wenn ich mid) 
mit oollcr Äraft gegen bie eine gefehrt hätte, ber anberen waffenlos gegenüber- 
gefianben hätte, fo bafj mir ein fonjentrtrter Singriff gegen ben fubjeftioen ©tanb* 
punft nicht übcrflüffig ju fein fd^ien. ioier mar mir ber Umfianb mafegebenb, 
ba& id) einerfeitiS in ber DarflcHung ber Äontrooerfe, mit ber mir uns gegen* 
märtig ju befestigen haben, jeitf)er baS pofttioe Siecht nur geftreift habe, 9 ) unb 
bafe id) anbererfeits meine Aufgabe nur halb erfüllen mürbe, roollte id) bie 5)e= 
fprechung ber reichSgerid)tlicheu @ntfa)eibung mit ber SBiberlcgung ber ©rünbc, 
auf bie |ie fid) ftüfct, für abgesoffen erachten. 3 n au " cn übrigen (Stürfen ba- 
gegen lege ia) mir bie ftrengfte 6elbftbefa)ränfung auf. Deshalb befdjeibe ich 
mid), oon ben s Jtefultatcn, ju benen ich in meiner 6chrift gelangt bin, nur meine 
Definition beS SBerfuchcS unb meine 2Iuffaffung über bie hier in 9tcbc fteljenbe 
Äontrooerfc oorjutragen, unb baran nur roenige Semerfungen anjufnüpfen. 

Slnlangenb äunädjft bie oon mir aufgeftellte Definition, fo lautet bicfelbc 
mit einer Keinen rebattioneUen ^eränberung, bie td) mir tyier roohl ber befferen 
3krfiänbUa)feit megen geftatten barf, roie folgt: 10 ) 

ÜEBer eine £anblung, meiere geeignet ift, bie jum X^atbeftanb 
eine« Verbrechens erforberlid)e ftolge Ijeroorjurufen, in ber 2lbjid)t 
oornimmt, bafe biefelbe in concreto eintrete, macht fia) — bereit 2luS > 
bleiben oorauSgefcjjt — eine« SßerfucheS fdjulbig. 

Damit ^abe ich bie 2lrt beS sßerfucheS, roelche bie objeftioe ^corie um 
ibrer @efär>rlict;feit roiüen für ftrafbar erachtet, $um begriff felbft erhoben. 
3Jieine Definition umfafet baher nur bie Verbrechen, roela)e fubjeftio baS 9icquifit 
ber 21bfia)t unb objettio baS ihres Korrelates, einen Grfolg, erforbern. ,311 ben 
2lugen berer, roela)e fic^ ber Ueberjeugung nicht oerfcbließen, baft bie Unter* 
fdjeibung jroifa)en ^Begriff unb 6trafbarfeit als tyaitloä aufjugeben unD eine 
^öeränberung ber ©^araftetiftif beS 5öerfucheS je nach °er J&erfchiebcnheit ber 
6truftur ber oerfchiebenen DeliftSfategorien, roelche uns im pofitioen Siedet ent* 
gegentreten, als feiner einheitlichen v J2atur miberfprechenb abjumehren ift, wirb 
meine Steuerung roohl nicht auf fonberlichen 2Biberfprua) fto&en. 

9Ber fia) ihr gegenüber ffeptifch oerhält, roirb oieHeid)t feine 3rucifel 5U 
ihren ®unfien gelöfi fehen, menn er ftch baoon tiberjeugt, bafe ber begriff, ju 
bem ich Anlangt bin, bie ^ßrobe auShält, ber ber seitherige erlag. 2Üer enblid) 
gjaubt, fia) weiter im hergebrachten ©eleife beroegen Ju fönnen, febeint mir bie 
Situation nicht richtig ju roürbigen. ©elbft menn er bie Delifte, bei benen ber 
dolus in bem SBeroufetfein oon ben HJterrmalen beS £h Qt beftanbcS beftcl)t, opfern 
roollte, auS ber Duplizität ber Söeariffe fäme er bamit noch immer nicht heraus. 
Der ^erfuch, ben man l;cut beim $torb unb bei ber Dtothjucbt ftatuirt, jcrbrbdelt 
in jroei mechanifd) miteinanber oerbunbene ^heile, roenn man über ber äußeren 
Einheit, bie im Langel ber «olienbung befiehl, bie innere SBcridjiebcnheit, bie 

9) a. a. O. §§. 14. unb 15. 

10) a. a. O. h. 367. 3)ie icbattionette Scränbcttrag, Die idj mir ertaubt imIh-, beucht 

fadjlid) barin, ba§ id) in bie Definition biet m$ ÄequifU ber Hbfttbt aufgenommen habe, ba<3 id) 
tn metner ©djnft erft aus \t)x ju ennoicfeln hatte. 



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382 3>ie ben «"tauglichen öerfud) betreff enbe $lenarentfd)cibung be8 Wei<63gerid)t8. 

■ 

fidj fubjeEttü unb objeftio bemerflid) maa)t, nidEjt oergifet. jener SejtcfMng 
ma<$t fie fid) babura) bemerflia), bafe bie 2lbfta)t bort auf eine objeftioe, ^ier 
auf eine fubjeftioe ftotge gerietet ift ; in biefer SSejiebung babura), bafj bort fid) 
bie oerbred)erifa)c #anblung jum Sfjatbeftanb ber SSoucnbung raie ©tunb ju 
$olge, ^ier roie Littel ju groctf oerf)ält. 

Stutf aber eine 2lenberung notl), fo möd)te id) bie 2lufmerffamfcit berer, 
bie eS mit ber Prüfung einer neuen Sefyre ernft nehmen, auf einen $unft (nn* 
lenfen, oon bem ia) fürchte, bajj er letd)t ju einem £rugfd)lujj Söeranlaffung 
bieten fönnte. 

^a; Ijabe ben Skrfua) auf bie 33afiS ber potentiellen Äaufalität geftellt. 
2)te Unterteilungen hierüber liegen nod) in ben roiffenfd)aftltd)en Anfängen; 
nod) wenig ift ber ©oben beaefert. SJaju fommt, bafe baS Material, mit oem 
mir eö hierbei $u tl)un fjaben, fo fpröber 9totur ift, bai eS oft ben barlnäcfigiten 
2Inftrengungen einen ift|en SBiberftanb leiftet. 9lur all§uleia)t fönnten fta) baf)er Die- 
jenigen, roela)e bie fjierin liegenben ©a^roierigfeiten untcrfdjäfeen, rjerfud)t fällen, 
bie Safte, auf ber meine fteftnition ruljt, als unhaltbar anjugreifen, aus einem 
6afc, beffen Söiberlcgung Urnen gelingt, bie ^rrigfeit beS SßrinaipeS abzuleiten, 
ober mit ber Sefeitigung einer Äonfequenj, mit ber id) oieHetd)t ju rocit gegangen 
bin, ben Segriff für gefallen ju erflären. 2)arum jjalte icj eS für angejeigt, 
biejenigen, roelcbe eS nia)t über fid) geraumen, ben beiben Säfcen : „$5er $erfua) 
ift objeftioirter SBille unb bie ftaufalität ift ber ^ßrojefe oon Sterben ju Sein/' ju* 
juftimmen, im ^ntereffe ber 6ad)e jur boppelten 3$orfid)t ju mahnen, bamit nta)t u)r 
©efammturtbeil burd) herausgreifen oon Details beirrt, unb babura) ein begriff 
»erbäa)ttgt werbe , ber uns bie rairffamfte Sßaffe gegen bie fubjeftioe X^eorie an bie 
<ganb giebt, inbem er bie 2lbgrenjung beS ÜDtangets im £f>atbeftanb gegenüber bem 
&erfua) ermöglicht 11 .) SBon benjenigen bagegen, wela)e baran feftyalten, bafe ber 
SBerfud) mit bem heraustreten beS t>erbrea)ertfa)en ©ebanfenS in bie Slufcenwclt, bie 
Äaufalität mit bem SBijj ber @oa in ben Slpfct beginnt, empfinbe id), bafe bie 
tfluft, bie mid) oon tfmen trennt, ju grofe ift, als bafe fie je überbrüeft 
m erben fönnte. 

es bleibt mir nur noa) übrig, einem nabelicgenben 3Mfeoerfiänbni&, §u 
bem meine SDefinitton oerleiten fönnte, entgegenzutreten. Sßirb nur ü)r 2Sort* 
taut berücf nötigt, fo wirb ber 2lnfa)ein erwetft, als ob eS bei ber objeftioen 
Seite beS 2krfud)eS nur auf $wei -IRomente anfomme: auf bie Zfyat unb auf 
bie ftolqe, bie burd; fie in abstracto entfielen fann unb in concreto entfielen 
fott. 2tüein ber Segriff ber gä^igfeit wirb nid&t babura; alterirt, bafe bie Äette 
ber ©reigniffe, bereu Prüfung uns untcriter)t, eine größere ober geringere ©treefe 
einnimmt. Qalttn wir bie Öerocgung, mit ber ber S)olct) gegen ben Üörper 
birigirt wirb, für geeignet, ben Xob ^erbewufü^ren 18 ), fo madjen mir fdjon einen 
boppelten Sdjlufe; mir erflären bie htt" D l«"9 f u ^ fä^tg, eine Serrounbung, unb 
bie Serrounbung roieberum für fä^ig, ben Xob beroorjurufen. 2Benn uns nämlid) bie 
@rfal)rung leljrt, ba§ ein Umftanb geeignet ift, jju einem jroeiten, ber sroeite 
roiebetum ju einem britten unb uierten su führen, fo ergiebt fid) barauS oon 
felbft bie gäl;igfeit beS erften ©liebes, bie Serbinbung mit bem legten bersufteHen. 
darauf ftü^t tid) unfer Siöiberfprua) gegen bie SeroeiSfraft beS SeifpielS, baS 
bie fubjeftioe £l)eorie uns oorgefül^rt bot, um bie potentielle Äaufalität für iebe 
2Men$bctl)ätigung in 3lnfprud^ ju nebmen. 2ßir fprea)cn fclbftocrftänblic^ Bern 



11) cf. bie toon mir gef^ene »bgrensung beS einen «Begriffs gegenüber bem anberen 

a. a. O. §. 15. <§. 435. 

12) Skr erft ten ©rieb beä 2>otc6e8 in bie ©ruft für geeignet erflären rooüte, ben lob 
ju bercirten, »ürte überfeben, baß er nur bie bem Übäter günftige alternative unb nid)t jiigtct^ 
and) Deren CSegentbeil berüdfiditigt. SBirb jugegeben, taß Die letjtere in concreto §ur 3>c|i3icnä 
gelaugt, wenn Der flBrper nidjt berübrt wirt, fo ift fcamit aud» ancrlannt, ba& ftd) bie Cbaucen 
beS OHUngenS unb üJiiBlingenS bereite in einem früheren ötabium gegenüberfteben. 



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Sie ben untauglicben «erfucb; berrefienbe $lenarentf<beibung be« «««^«gertc^tö. 333 

(Stahringen eines feften ÄörperS in bie ßuftröljre lelneSroegS bie gähigfeit ab, 
eine (Srfttcfung ju beroirfen, roohl aber betn ©enufe beS 3uc!crS bie , ben 93er* 
f$lufe beS tfcblfopfeS herbeizuführen. 

2BaS fobann bie ©trafbarfeit beS SterfucbS mit untauglichen Mitteln unb 
am mit ausheben Objeft anlangt, fo geljt meine Meinung baf)in: 

bie barunter fallenben ^anblungen tragen meber ben (Sfjarafter beS 
SSerfuchS an ftcf>, noch entbehren fie beS oerbrecherifeben GharafterS. 

3$ habe mich beSbalb genötigt gefeiten, mich foroobl gegen bie fubjeftiue 
wie gegen bie obieftiue Ityeorie ju roenben. Mit jener habe id) auch überbieS 
mich im gegenroärtigen 2luffa$ auSeinanber gefegt; mit biefer habe ich liier nur 
eine furje «emerfung auSjutaufchen. 13 ) 2öenn $euerbac§ unb feine Anhänger 
bie £anblungen, roelcbe eine ©efährbung von ÜtecbtSgütem nicht enthalten, als 
immoralifcb, nicht aber als uerbred)erifcb anlegen, [0 laffen fie unerroogen, bafj 
fie ihnen eine Dualififation geben, melctje nicht ber Sfteflerüm beS £häterS ent* 
fpridjt. £ätte man nid)t baS Sobtbeten jum ÄuSgangSpunft genommen, unb 
mithin ber Seurtheilung einen ftaH ju ©runbe gelegt, bei bem eine £aufchung 
barüber, bafe baS ©ebet nicht bte phigfeit befifct, ein 9Jlenfcbenleben ju oer* 
nieten, auSgefcblolfen erfdjeint, fo mürbe fidb muthmafelich ber 3rrthum nid)t 
bis in unfere Sage hinein erhalten fjaben. Sßürbe man mit Seifpielen ernteter 
9ßatur non £aufe aus eremplifijirt haben, fo mürbe bie (Srroägung, bafj bie 2tb* 
ficht non ber ^otftellung unberührt bleibt, roofjl ju ber Uebcneugung geführt 
haben, ba& nicht ber immoraufebe, fonbem ber rjerbred&erifcbe 2BiUe bie iäu&en* 
roelt betreten unb bamit bie ©tenje Übertritten habe, meldte aufeerlmlb beS 
©ebieteS ber ftrafenben ©ereebtigfeit liegt $er 6chlufe ber objeftioen Theorie, 
baj? eine £hat, roelche nicht bie 9Jterfmale beS SerfucheS erfüllt, bamit eo ipso 
ben uerbrecherifchen Gharafter abftreife, ift baljer als unjutreffenb jurücfjuroeifen. 
$*on ihm haben mir uns abjumenben, moflen mir nicht ben Äern tfjrer fiehre 
ber £ebenSfraft berauben. 2öir bürfen bie Vorgänge um unS herum nicht länger 
unterfcbäfcen. Stenn nicht oerein^elt ficht baS Reichsgericht ba. Ilm nicht auf 
(Srfcbeinungen jurücfsufommen, beren ich bereits an einer anberen ©teile gebacht 
habe, befdjränfe ich mich hier barauf, auf bie ©ntfeheibungen beS heiftfe^en, beS 
roürttembergifcben ÄaffationShofeS unb beS ^enenfer Ober=>2lppeUationSgerichtS 
aus ganj neuefter $üt ju oermeifen. (3immerle, 3)eutfche StrafrechtSprariS 
»b. IL 6. 28 9tr. 7. unb ©. 29 9lt. 10.) Heber 2>eutfcblanb hinaus macht 
fid) eine rücfläufige ^emepng bemer!bar. 

3n ftranfreieb, in einem Sanbe, in roeldbem ber fubjeftine ©tanbpunft 
non jefjer nur geringe Slnerfennung gefunben f)at, ^at ber ÄaffationS^of unterm 
12. Slpril 1877 fiefa bahin entfliehen: 14 ) 

II y a tentative punissable dans le fait de Hndividu qui dächarge 
une arme a feu ä travers les vitres de la fenetre d'une chambre 
sur le lit, qu'occupait habituellement ä la meme heure celui qu'il 
voulait atteindre, encore bien que par des circonstances ind^pendantes 
de la volonte* de Tagent t la tentative alt manque son effet . par suite 
de l'absence fatuite de la personne que le raeutrier avait en vue. 
Ce n'est pas lä une impossibilit-e absolue, qui puisse faire obstacle 
I l'application de l'art. 2. C. P. 



13) cf. im Uebrigett 0. a. O. 6. 395—446. 

14) «uf ta§ ^räjuöy »om 4. 9io». 1876 — $atto», a. a. O. ®. 33 — worin ber 
Umftanb, tag ber 2)ieb ben Stlmofenflod, ben er belebten »oute, teer fonb, at« ein oon feinem 
SBiUen unabbängigeS, bie ^ollenbnng auäfcbliefecnDe« fjtnbernh) angefeben roirb — babe i* im 
Xejt niebt ©qug genommen, »eil icb ber 5Dteinung btn. bafi ba« Objett beim Diebflabl eine 
anbere ffloüc fpielt als bei allen übrigen SctbreO)en; cf. bierüber §. 16. e. 447 fr meinet mebrfao} 
gebatbten ÜDionograpiuc- 



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384 ®* e w^auBl^« 1 *ttfu^ betreffende ^lenarentf Reibung be§ föekbSgeridjtö. 

(Sirey: Receuil genial des lois et des arrets. #aljrgang 1877. 
Dalloz: Jurisprudence generale. 3 a () r Ö an S 1^78 6. 33.) 
— unb idj glaube nidjt, bafc baS ^räjubij, baS unter ben bortigen Suriften 
Ijo&eS 2lufleöcn fjernor gerufen Ijat, unfer 9ftca)tSgefül)l perlest, foroeit eS ftd) um 
bie Strafbarfeit ber Zfyat banbclt. 

3n ©nglanb, beffen ©efefegebung ftdj mit ©pesialbcliftcn als bem «Surrogat 
bcS 58crfud^e^ beljilft unb barum uon und nur mit 33orfi$t ui oerroertljen ift, 
tjat ein unter ber Königin Victoria erlaffcneS Statut ein älteres, meines für 
ben Styatbeftanb ber unternommenen Abtreibung ber ficibeSfrucbt eine oor^anbene 
Scfyroangerfdmft als SBorauSfcfcung Ijingeftellt batte, tnforoeit au&er tfraft gefegt, 
als eS bei Begebung beS Verbrechens Seitens eines dritten feine 9tücfit4t 
barauf nimmt, ob bie jJrauenSperfon „be with child or not." Um fo auf» 
fallenber ift eS freiließ für uns, baß auf ber anberen Seite roieber auf bie 
#efdmffcnt)cit ber Littel ©cioicbt gelegt roirb, inbem — oon bem medmmfdjen 
Gingriff in ben Körper abgelesen — nur bie Slnrocnbung oon „any poisou or 
other nosious thing" als attempt to produce abortion beftraft wirb. 

(Blackstone's Commentaries on the Laws of England, Vol. IV. 

5. 217. 

Stephens' New Commentaries, Vol. IV. 6. 173.) 
3n Belgien IcJjrt $auS, ber im Uebrigen am objeftioen Stanbpunft feft* 
Ijält, bafe man jroifc^en abfoluter unb relatioer Unmöglic^feit unter f Reiben muffe; 
nur bort, nid)t l)ter fei Strafloftgfcit gerednfertigt. 211S öeifpiel für jene 
füfyrt er ben gall an, bafj ^emanb in ber £>unfcll)cit auf einen öaumftamm, 
U)n für einen 3)ienfd)en fjaltenb, einen Sdmfj abgiebt, als ein $etfpiel für biefe, bafe 
quelqu'un tue un coup d'armes ä feu dans la ehambre oü croit 
apercevoir la personue dont il veut se venger et qui fortuitenient 
se trouve ailleurs. 

(Haus: Principes g&ieraux du droit pdnul Beige, 93b. I. 9tr. 490. 
460. 461. 6. 347.) 
®a in bem einen wie im anberen ^alle bie £f)at in $olge eines fafttfdjen 
3rrtl)umS ber gä^igfeit ermangelt, eine Söötung ju bewirten, fo fann idj jnrifdfen 
beiben eine innere &crfd)icbenljcit nidjt anetfennen. 3>er ©runo ber abroeia)enOen 
Scljanblung bürftc oielme^r lebiglid) auf eine ftonjeifton, ju ber uns baS 9ted)ts* 
benmftffein aroingt, jurücfyufübrcn fein. 

3n Italien oertritt Garrara eine Auffaffung, bie im 2öcfentlid)en mit 
ber oon .paus übercinftimmt, unb bennoeb fteljt er, tjicruon abgcfeljcn, ber fub* 
jcfriücn 3:t)Corie Derart fern, baß er als eine „aberrazione" bie (Sntfdjeibung 
di un tribunalo superioie di Sassonia bejeidmet, 

che nel 1851 cindanno come rea di tentato aborto una ragazza, la 
quäle aveva sorbito un arbortivo credendo esser gravida mentre 
realmento uon locra. 

(Carrara: Lezioni sul grado uella forza fisica del delitto, §. 85. 

6. 64 unb S. 61 u. f. S. 62.) 

So treten unS überall acnndjtige Slnjctdjcn entgegen, meiere beutltd) 
genug bafür fprcdjen, bau btc objeftioe Schule 311 weit gcljt, locnn fie bem un* 
taugltdjcn Verfug indistinete ben ocrbreajeriidjen Glmrattcr abfpric^t. 5>or 
2lUem biirfcn mir uns bod) niajt ber Ucberjcugui'g ucrfdjlic&en, ba§ aud) unferem 
fyödtftcn ©crta)tSl)of bie ©runbfäfce über ben $lmtbeftanb ber Verbrechen Ijcilig 
ftnb, uuö bafe eS iljm nid)t entgangen ift, bafe er mit feinem ^räjubije mit einer 
^ubifatur, bie ootber in bem gröfeten Xbeile 2>eutfa^lanbS gc^crr|a)t unb in ber 
S)oftrin oielfad) Jbiaigung gefunben baue, in äüibcrfprudj trete, iöir Ijaben 
bal)er bie ^flid)t, ben ©rünben naefouforfeben, roeldje roobl Vcbenfen fo fc^roerer 
9lrt überwogen Imbcn. ÜJiir ift fein anberer crfinMtcb als ber, bafc baS iRcic^S' 
gcrid)t fid) beioufet geroefen ift, bafe eS ein gut Ztyeil unferer 9k$tSfi$erl)eit 



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2>ie fccn irotaugli^en Sktfud) betrefftnbc Wenarentfdjetbimg beS «eidjSgeri^tS. 385 

preisgebe unb mandbe unferer ©trafbeftimmungen iüuforifdh ma$e, wollte es ben 
untauglichen Verfuch als ein rechtlich tnbiffcrenteS ftaftum wagten, $n ber 
93ermengung oon begriff unb ©trafbarfeit fcheint mir baber baS norjüglic^ftc 
jQinbemife ju liegen, welches jeither ber ©ntwicfelung ber objeftioen 2$eorie im 
2Sege geftanben $at. erwägen mir, bafj biefe Xbeorie ihre ©egnerin balnn 
brängt, ftd) mit Äonfeouenjen ju befreunben, welche bie 2Biffenfdmft als irrig 
oerwirft, bafj fie über fic ben ©icg baoon getragen, foweit eS fich um bie Straf* 
lofigfeit ber VorbercitungSIwnblungcn in ihrer ©igenfdjaft als 23crfuch Imnbelt, 
uno bafj fic cnblich, wie mir balb fetjen merben, mit $ecf)t barauf ^inbeutet, 
bafj bie §ragc, bie bereits ju ihren ©unften entfehieben ift, mit ber, bie itjrcr 
Söfung noc^ h arrt » in einem untrennbaren 3ufammenhang fteht (2ftittermaier, 
a. a. 0. ©. 197, ©. 403 ff.), fo biirftc ber Sdjlufe nicht abwegig fein, bafj ein 
©trett oon über 70 fahren nur barum nod) immer mit roedjfelnbem ©lüefe 
geführt wirb, weil ibre eigene Sehre einen fehler in fidr> birgt. Scfcittgen mir 
it)n, fo bürfen mir uns ber Hoffnung hingeben, bafj baS, waS mir auf bem einen 
©ebiete errungen, uns auf bem anberen nicht wirb entriffen merben, unb bafj 
nach abermals fiebert Bennien ber triebe uns ben öeftfiftanb roiebergeben roirö, 
ben mir heut als tnterimifttfcb ocrloren ju betrachten haben. 

■Jtabc liegt bie Vcrmutfning, bafj ich bamit auf einem Umroeg bie ©traf" 
barfeit beS untauglichen VerfudjeS wieber ein3uführen gebenfe. S)ieS ift jeboch 
fcincSwegS ber $aü. 5Bci ber Oefonomie, bereu ftcb ber ©taat bei ber £anb* 
habung ber ©trafjuftij 311 beflet&igcn r)at, barf ber ©trafrabmen nicht über bie 
Vebürrniffe ber tftccbtSorbnung hinaus erweitert werben, ytur oon jmei Ver 
brechen Ijabe ich bie Üeber3cugung erlangt, bafj bie ©traflofigfeit ber ^anblungcn, 
welche man unter bie Äategorie beS untauglichen VeriudieS 3äf)U, $u einer 
©chäbigung unfcrcS 9ted)tSbcwufjtfeinS führen würbe. Seim 9JJorb unb bei ber 
Abtreibung ber 8cibeefrud)t; beim s J)corbe, foweit niebt bie Vergiftung in 93etradu 
fommt, aus bem ©runbc, weil oft ber Slugenblicf entfebeibet, ob bie Xhat geeignet 
war, ben £ob beroorjurufen, bei ber Abtreibung ber fietbeSf nicht unb beim 
^florbe, foweit cS fid) um bie Vergiftung banbelt, aus bem ©runbe, weil uns 
nur all3uhäuftg baS Stcfuttat ber unter fudntng über bie Vefcbaffcntjcit unb bie 
Quantität beS angewenbeten Littels im ©tich läfjt. $>ort icheint mir bie 
fubjeftiö-objefttoe Theorie bie richtige SKittc getroffen ju hoben, hier werben wir 
über ihre 2chrc hinausgehen muffen, wollen wir oermeiben, bafj bie 33cfcitigung 
beS angewenbeten SJcittelS ober bie Ungewifjijeit ber S)ofiS, oon ber (Gebrauch 
gemaebt ift, ju ftreiiptcchungcn führe, welche ber ©adjlage nicht entfprechen. 
s ißir würben baher 3ur Vilbung einiger ©pejialbelifte greifen müffeu. ©omohl 
bic ©runbfäfee über ben 3;h fltt) cftanb ber Verbrechen würben gewahrt, als auch 
bie Vcoürfniffe beS praftifeben SebcnS berücf fichtigt werben, wenn wir, — um 
bei bem ftall flehen 311 bleiben, ber bic ^Menarcntfcbeibung beS Reichsgerichts 
ocranlafjt hat, — bem §. 218. 9t. ©tr. ©. 2ö. eine etwa bahnt lautenbe 3ufa&* 
bcjtimmung geben würben: 

(Sine ©dhwangere, weldje, in ber 9lbfid)t, ihre Frucht abzutreiben 
ober im 2Rutterleibe ju töbtcu, Littel anwenbet, welche nicht ober 

nidjt erweislich h^ r 8 u geeignet ftnb, wirb bejtraft. 

Sie 2lnwenbung oon fnmpathetifcf)cn Mitteln ift hinunter nicht 
mit inbegriffen. 

S)ic Dteucrung, ber ich baS 2ßort rebe, erscheint auf ben erften Vlicf 
auffaHenbcr, als fie in 3öat)rtjeit ift. 93ei ber 2lnftiftung h aöe » roir unö 
bereits baran gewöbnt, neben ben im allgemeinen $l)cil getroffenen Slnorbnungen 
im fpejieüen Shcil befonberen Gelitten 311 begegnen, ^icr oerfeunen wir nicht, 
bafj wir oon feinem begriff mehr 3U oerlangen berechtigt ftnb, als er 3U leiften 
im ©tanbe ift. Seil bie 2lnftiftung ihrem SBcfen nacb eine ftrafbare ^anblung 
©eitenS beS dritten oorauSfe|t, fcl;cn wir uns genötigt, ergän3enb einjutreten, 



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386 2>ie ben untauglichen Serfucb, betreffend $lenarcntfd>eibung be8 «eiä)«gerichts. 

wenn roir über ben UmfaitQ beS SegriffeS ^tnan^ bic StcchtSorbnung ju fdntfeen 
entfcbloffen finb. Vom Verfucbe bagegen begehren roir, bafc er uns ©pe^ialbeltfte 
erfpare. Steigt aber fein Umfang nicht über ben ber potentiellen Äaufaiität 
hinaus, fo ift mit ihm baS außerhalb berielben liegenbe ©ebiet noch nicht gebeert. 
Sinb roir Deshalb genötigt, einzelne Süorbereitungö^anblungen unter $önal* 
fanftion ju fteflen, inbem roir nidtjt oerfennen, bafj fie oon bem begriff beS SBet* 
jucbcS nicht beherrfcht werben 15 ), fo roerben roir uns roohl auch cingefiehen 
müjfen, bafj roir an ilm, foroeit baS Stabtum ber SluSfübrung in Jöetracht 
fommt, ju grojje Slnfprücbe fteUen, roenn roir ihm sumuthen, Aufgaben ju 
löfen, bie er, als außerhalb ber potentiellen Äaufalttät liegenb, oon ftch 
3urücfroeijt. 



9iur eine ftrage bleibt unS jur Vefprecbung noch übrig, nämlich bie, ob 
roir uns nach unferem pofitioen Stecht für ober gegen bie Strafbarfeit beS fog. 
untauglichen VcrfuchS ju entfebeiben b«ben. 

2)aS ©efefe b,at fidt) hierüber jeber 2Inbeutung enthalten. 2luch bie 3Jtotioe 
gewähren uns !eincn 2lnhalt; auS iijncn entnehmen roir im ©egentheil, bafe 
eine gcfc^tic^c Regelung ber Äontrooerfe in Stücffic^t barauf, ba& ber Streit 
roeber in ber SSijfcnfchaft, noch in ber Äobtftfation $u einem Hbfcbluf? gelangt 
ift, aeftiff entließ oermieben roorben ift. 2öir tyabm unS baber äunäcbft Stechen* 
fd>aft über ben Snfyalt ber Aufgabe , roclche ber ©cjc{jgebcr an ben prafttfe^cn 
Sticbter gefteflt tyat, gu geben, bcoor roir beren Söfung näher treten. 

Sooiet roirb man mir roof)l oon oornhercin jugeben, baß roeber ber Umftanb, 
bajj bie SDoftrin ben überjeugenbfien 9tachrociS oon ber Unbaltbarfeit einer 
Strafbeftimmung erbringt, ben ^Richter ber Verpflichtung enthebt, bic lex lata 
gut 2lnrocnbung au bringen, nod) ber, bajj ftc umgefchrt mit ben burchfcblagenbften 
©rünben ben oerbredberifchen (jharafter einer Kategorie oon &anblungen bar« 
thut, ihn berechtigt x eine Verurteilung aussprechen. $)arauS ergiebt lief), 
bafj bie $rage ber Strafbarfeit bcS fog. Verfug mit untauglichen Mitteln unb 
am untauglichen Objcft für ihn feine Vebeutuna, hat, gleichviel in welchem 6inne 
fie einmütig oon ber SBiffcnfdmft entfehieben roirb. 

©egenüber ber Vcftimmung beS §. 2 SR. Str. ©. V., welcher oorfchreibt: 
©ine §anblung fann nur bann mit einer Strafe belegt roerben, 
roenn biefe Strafe gefefclich beftimmt roar, beoor bie §anblung be- 
gangen rourbe, 

roirb er fich otclmchr ber Unterfuchung $u Unteraichen haben, ob bie £anblungen, 
roelche man unter bem Manien beS untauglichen VerfucbS aufammenfafjt, unter 
ben begriff fallen, ben ber ©efefcgeber auSbrücflidj ober ftittichroctgcnb fanfttonirt 
hat, ober oon ihm nicht betroffen roerben. erfteren $a\li roirb er fonbemna* 
torifch, im lederen abfolutorifa) $u erfennen haben; bic abroeichenbe Anficht 
ber $oftrin, foroeit fie fich auf bie $rinjipien beS Strafrechts früfct, fönntc baran 
nichts änbern. 

SegiSlatorifch ifl baljer baS Uebergehen ber Äontrooerfe nicht empfehlend 
roerth- SBirb ber untaugliche SSerfuct) oon bem Segriff, oon bem ber ©efe^geber 
ausgeht, umfafjt, fo ift eine 2lnorbnung feiner Straflofigfeit geboten, roenn un- 
gerechtfertigte Verurteilungen oerhütet roerben foüen; roirb er oon ihm nicht 
berührt, fo ift roieber eine Strafbeftimmung nötbig, bamit nicht greifprechungen 
ber IcgiSlatoiifchcn Xenbenj juroiber erfolgen. 

3m bireften ©cgenfafc h^rju fpricht 9Jtittermaier feine Slnficht bahin 
auS (a. a. 0. S. 439): 

„2US eine jroecfmämge Einrichtung mu& bie Dichtung ber neueren 
Äobiftfationen gebilligt roerben, in ben ©efefcbüchem feine Vorfchrift 

15) a. a. O. ©. 381 ff. 



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2>ie fccn untaußtitfcn öerfud) bctwficnbe $lenarentfd)eümng be« «ei$ggeri#t«. 337 

über ben S3crfud& mit untauglichen Mitteln aufzunehmen, oielmehr 
bem Ermeffcn ber 9ttä)ter unb ber ©efchmorenen unb bem ©inRufe 
ber ftortfehritte ber 2Biffenfd)aft bie Entfärbung einzelner plle ju 
überfaffen." 

2lu« boppeltem ©runbe mu§ ich bem wiberfpredjen. 3Kag auä) immer 
ber ^ortfehritt ber 2BifTcnfct)aft ba^in führen, ba& man eine Sücfe im ©efefcbudj 
empftnbet ober eine barin enthaltene Slnorbnung bebauert, nimmer tft er barum im 
Stanbe, — unb bieS habe ich jumächft einjumenben — ber lex lata eine barin 
nid)t enthaltene Beftimmung (jinjujufügen ober eine barin uorfyanbene Be> 
ftimmung in SBegfaü $u bringen. Sobann tjanbelt e« fiaj nid)t um eine quaestio facti, 
fonbem um eine quaestio juris im eminenteften Sinne, roenn nicht bie ft-ragc, 
ob eine fonfrete Ztyat, fonbern bie, ob eine ©ruppe abftrafter ,§anblungen unter ben 
begriff ju fubfumiren tft, oon bem ber ©efefcgeber ausgebt, aur Entfärbung 
ftet)t. 3)e)fen ungeachtet hat bie üHittermaierfchc Huffaffung auch bei ben 
fpäteren äobififationen einen na^eju ungeteilten SBcifall gefunben. 

2Men mir baher bie Strafbarfeit be« fog. untauglichen S3erfudh§ an ber 
£anb untere« ©efe^budhcsS entfebeiben, fo fmb mir genötlugt, in bie ityc 
)räjubi3ieUe Erörterung einzutreten, roie benn eigentlich ber Berfucb«begriff be* 
Raffen ift, ber fia) ber legi«latorifcbcn Slncrfennung erfreut 9iid)t fonberlid) 
chroicrig wäre unfere 2Iufgabc, roenn bie Behauptung berer begrünbet wäre, 
welche bem beutfdjen ©efeft, gegenüber bem prcufjtfcbcn, ben $ortfchritt nachrühmen, 
ba§ c«, roeit entfernt, fiep bamit $u begnügen, bie Bebingungcn ber Strafbarfeit 
be« Berfucb« anzugeben, eine Definition be« Begriffe« felbft aufftelle. (0. Schwade 
a. a. 0. S. 110. — $äberlin, Einige Bcmcrfungcn über ben Berfud) nach 
bem 9t. St. ©. B. im ©ericbt«faal pro 1872 S. 253, 254.) SlHein ber oer- 
meintltche Borzug beficht in 2öar)rt)eit in einem 9tcbaftion«feblcr. 2öie nämlich 
bie Sftotioc ergeben, rootltc ber beutfehe ©efefcgeber oon bem preufeifchen nur in 
fofern abweichen, alö er bie Bebingungcn, unter benen bie bereit« oerroirftc Strafe 
in SBegfall fommen foüte, au« ben bie Strafbarfeit begrünbenben 3Jferf malen 
au«fcheiben unb au« ihnen einen felbftänbigen Straf auf hebung«grunb bitben. 
9hm lautete aber ber hier in Betracht fommenbe §. 31. bc« preufj. St. ©. B.: 

35er Berfucb ift nur bann ftrafbar, roenn bcrfelbe burch ^anblungen, 
roclche einen Einfang ber 2lu«führung enthalten, an ben £ag gelegt 
unb nur burd) äußere, oon bem Sillcn be« Später« unabhängige 
llmftänbc gehinbert roorben ober ohne Erfolg geblieben ift. 
Demgemäß hätte ber beutfehe ©efefcgeber, um feine Intention ju erreichen, 
ben $affu« oon „unb nur" bi« ju ben ©orten „Erfolg geblieben" ftreieben unb au« ihm 
einen neuen Paragraphen formen mtiffen, oorau«gefe$t, bajj er glaubte, ben Erfolg 
unter ben bie Strafbarfeit begrünbenben Umftänbcn nicht weiter ermähnen 
ju bürfen. 

Der §. 31. würbe al«bann folgenbe ©cflalt angenommen haben: 

Der Berfuch ift nur bann ftrafbar, wenn bcrfelbe burch §anb> 
hingen, welche einen Anfang Oer 2lu«führung enthalten, an ben Sag 
gelegt ift. 

3n biefer Raffung hätte er freilich an ben beiben gewichtigften Mängeln, 
auf welche bie 2i*iffenfchaft bereit« wenige Sabre nach ber Emanation be« 
preufeifchen Strafgefefebucbe« hinaewiefen hatte (3achariae, a.a.O. in ©olt- 
bammer'« Slrd). Bb. III. S. 16Ü), auch noch fernerhin laborirt: weber hätte 
er ba« Detift bezeichnet, um beffen SUuSfübrung e« fid) hanbelt, noch be« dolus 
al« eine« wefentlichen bie Strafbarfeit be« Berfucpe« bebingeuben Utomente« 
gebacht. 2Öar baher aua) ber beutfdje ©efefegeber nicht ber aftübwattung über* 
hoben, noch weiter nach ber einen unb anberen Stiftung hin an fein Borbilb 
oerbeffernbere §anb ju legen, fo burfte er boct) unter allen Umftänben bie Stuf* 



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388 3)ie ben untauglichen 8etfucb, betreffend Wenarentf Reibung be3 8tei<h«gericbt8. 

gäbe, bic er ftd) gefteft hatte, nicht in bem SJtafce aus bem 2luge oerlteren, bafe 
er bic Sebtngunaen, unter benen er ben Serfuch für ftrafbar erachtete f ben 
3Kerfmalen machte, burch ben ber Segriff feine Glmrafteriftif erfährt Der 
§. 43. unfereS ©efefcbucheS entfprid)t baljer ber IcgiSlatorifchen ^tentton nicht. 
Die Definition, bie er feinem Söortlaut nach giebt, beruht auf einer nicht beab* 
fidjtigtcn Sermengung ber 2Jierfmale beS Segriffs beS Serfuchs mit ben feine 
Strafbarfeit begrünbenben SorauSfefeungen. Dies wirb felbft oon benjenigen JU* 
gegeben, welche bem beutfd)en ©efefe ba$ ßob fpenben, bie ßongruenj jroifä^en 
begriff unb Strafbarfeit hergeftellt ju haben, inbem ftc beffen ungeachtet ben §. 43. 
91. St. ©. S. in einer oon bem Sinne beS §. 31. preufj. 6t. ©. S. nicht ab* 
rocichenben SBcife interpretiren. Sie untcricheiben nämlich nach roie oor jroifchen 
Sorbereitungä* unb 2luöfüt)rungSt)anblungcn, pifdjen einem prafbaren unb 
ftraftofen Serfuch unb erfennen bamit an, ba| ber §. 43., ber anfdjeinenben 
Definition ungeachtet, feine fachliche Abweichung oon feinem Sorbilb enthält. 

Damit hat fia) bie s $räjubisialfrage, beren Erörterung uns obliegt, um 
ein Urtivit über bie Strafbarfett ber Unternehmungen mit untauglichen Mitteln 
unb am untauglichen Dbjeft nach pofitioem SRecbt 3U geroinnen, oerroicfelter ge* 
ftaltet, inbem fie und anftatt ber einfachen Aufgabe eine hoppelte auferlegt. 
sRidjt Mos l)aben roir uns ber Untersuchung $u untergehen, ob ber untaugliche 
Serfuch unter ben begriff fällt, ber gemeinfchaftlich b«c SorbereitungS* unb 2luS* 
führung$hanblung umfafjt, fonbern auch noch weiter ber, ob er oon bem begriff 
betroffen roirb, ber jene oon fich jurücfroetft, biefc in [ich aufnimmt. 

Die erfte Jrage glaube ich bejahen, bic jroeitc oerneinen ju müffen. 

Der Segritt/ nämlich, ber bem 9lrt. 2. Code penal unb allen tfobiftfationen, 
welche bie Strafloftgfett ber SBorbereitungälmnblungcn anorbnen — unb ju ihnen 
jäblt unbcftrittcnermafjen auch bic beutfehe — ju ©runbe liegt, ift fein anberer 
als ber, toelcher ber fubjeftioen unb objeftioen Theorie gemeinfehaftlich ift. 
Durch bic Xrabition ift er oon ben ©loffatoren auS $u uns gefommen, ohne 
bisher oon irgenb welcher Seite eine Anfechtung ju erleiben. Danach ift ber 
Serfuch nichts roeiter, als bie Objeftioirung beS ocrbrechcrifchen SöillenS. Da 
man jeboch erfannte, bafj man ju rocit geljen roürbe, wollte man jebe Sethätigung 
beS dolus, ber voluntas sceleris, beftrafen, fo machte ftd) bereits unter einem 
Zi)t\i ber italicnifchen $raftifcr bic Ueberjeugung gcltenb, bafe ein Stücf aus 
ber Strecfc, roclchc ber Segritt beherrfcht, auSgefchieben unb für ftrafloS erflärt 
roerben mü&te, — eine Sluffaffung, bic im 2lrt. 178. C. C. C. ihre gcfefeliche 
Sanftion erlangt ^at. hieran fnüpftc bic neuere 3uriSpruben$ Q n f fie betonte 
ben Unterfchicb smifdjen' ben SorbcrcitungS* unb 5>luSführung$hanblungen unb 
Serlegte bcStmlb ben Segriff in eine ftrafbarc unb ftraflofe Unterabtheilung, ohne 
bie eine ihm 3U entziehen unb ihn auf bie anbere ju rebujiren. 16 ) 

Der untaugliche Seri'uch entlpricht baher bem trabitionellen Segriff. Die 
brei giequiftte, roclchc bic Söiffenfdmft einmüthig als feine v JJtertmale aufftellt: 
l£ntfd)lufi, Sethätigung beS (SntfchluffeS unb Langel ber Sollenbung, finb ben 
Unternehmungen, in benen ber ©rfolg mit Mitteln angeftrebt roirb, bic feine 
SJitttel finb, 17 ) unb bie fich gegen s Jted)tSgüter richten, bie aufgehört haben, Rechts* 
güter ju fein, 18 ) nicht absprechen. 

Dagegen fällt ber untaugliche Serfuch nicht unter ben Segriff, welcher 
burch bie Untertcheibung pifchen einer ftraflofcn unb ftrafbaren SpejicS entftcht. 

Die burch bic ^nfongrucns jroifchen Segriff unb Strafbarfeit gefchaffenc 
Sachlage ift nämlich seither nicht genügenb geroürbigt roorben. 2öärc jwifchen 
ben SorberettungS* unb SluSführung^hanblungen nur ein seitlicher ober fonft 



16) a. a. O. 6. 104 ff., ©. 202 ff. 

17) a. a. O. @. 411, 412. 

18) a. o. O. @. 316. 



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2>ie ben tmtaugti^cn SBerfutf betreffende <ptenaretttfäetbung De« fflei*«gericf)t8. 389 

ein nur äufeerer Unterfd^icb crftnbli^, fo roäre e« roofu* benlbat, bajj ein ©renj* 
ftein gefegt roirb, roeldjer ba« eine ©ebiet oon bem anberen fdjeibet, ben Segriff 
felbft aber imangetaftet läßt. 2Rit bem 2lugcnblicf aber, in roel^em man ju ber 
Ueberjeugung gelangt, ba| bie beiben Äategorien in ü)tem ß^arafter btffertrcn 
ober mit bem, in roelcbcm man ber einen Straffreiheit jugeftc^t, bie anbere unter 
^ßönalfanftion [teilt, ift e« erforberlid), ben Sorbereitung«banblungen ein 3Jicxt* 
mal abjufpredjen, ba« ben 2tu6fübrung«banblungen jutommt, ober umgefebrt, 
biefen ein 9Jierfmal jitutfcbreiben , ba« jenen abgebt. 2lü8bann tritt ber (Srfolg 
ein, bajj ein Sbeil au« bem gemeinfdmftlid)en begriff au«fcbeibet unb ber barin 
jurüdbleibenbe in tym oollftänbtg aufgebt; ber frühere Segriff ift bamit befeitigt, 
ein neuer tyat ibn oerbrängt. 3$ roill mieb burd) ein Setfpiel oerftänbltdjer 
machen. SBäre bie Objeftioirung be« Söillen«, ba« cogitare, agere, nec perficere, 
SBerfuc^, fo mürbe foroobl ber 2tnfauf eine« ©eroebre«, al« ba« 2lbfcuern eines 
Scbuffe« auf einen ÜJtcnfdjen, bort toie b*cr ben erforberlidjen dolus oorau«gefefct, 
ben Xbatbcftanb be« 9)forboerfucbe« bilben. hieran mürbe fieb auep nichts 
änbern, fo lange man sroifcben ben beiben Stbätigfeiten feinen anberen Unter* 
föteb feben mürbe, al« ben, ba& bie eine bcr anberen seitlitt) oorangebt. 3ft 
man biergegen ber Ucberjcugung, bafe bie £>ifferen$ tiefer liegt, unb erflärt man 
be«balb, baß eine «panblung erft mit bem 2lft unter ben £batbeftanb be« ftraf* 
baren ÜJiorboerfudbe« falle, mit roelcbem ber Angriff auf ein Wenfttjenlebcn be* 
gönnen bat, fo mürbe ber Slnfauf be« ©eroebre« nid)t ba« 9Jierfmal an fid> 
tragen, oon bem nunmebr bie Strafbarfett abbängig gemaebt ift, roäbrenb um» 
gefebrt ba« Slbbrücfen be« £abne« bie Gl^arafteriftif empfinge, roeldje oon ba ab 
ber Sorberettung«banblung abgebt. $er gemeinfcbaftlicbe begriff ber Objeftioirung 
be« Sitten* roäre bamit jertrümmert; ber neue Segriff roürbe lebiglid) ba« 
Stabium ber 2Iu«fübrung umfaffen, — bie ßongruenj jroifcben Segriff unb 
Strafbarfeit roäre roieberbergeftellt. 

$amit treten roir in unferer Unterfud&ung roteberum in eine neue tyfyah 
ein. 9ttd)t barum ^anbelt eS fid), bie ©renjlinie au«ftnbtg ju madjen, jeufeit 
beren bie Objeftioirung be« 2Billen« einen oerbred)ertfd)en ßbarafter annimmt, 
fonbern ein Silb über bie Sefdmffenbeit be« Serfud)e« geroinnen, ber bem 
©efe&geber oorgefebroebt ^ar. 

9)ian fönnte geneigt fein, biegen ju erinnern, bafe id) mid) afljuleicbt 
barüber binroegfefcc, bajj bie Hobtftfationen an eine Umroanblung be« trabttionetten 
Segriff« niebt gebaut unb ärotfd^cn bem Stabium ber Vorbereitung unb bem ber 
3lu«fübrunq nur einen jettlicben Unterfd)teb gefeben boben. Mein ber ©inroanb, 
fo plaufibel er aud> auf ben erften Slicf ju fein |d)etnt, fällt bureb bie ßrroägung, 
baß roir al«bann bie Sorberettung«banblungen, bie unter Sßönalfanftion geftellt 
finb, al« ftrafbare Serfud)e ber Serbred)en, benen fte bienen follen, qualifotren 
müßten. 2>ie« halte idi aber für unjuläfftg; bie Objeftioirung be« Ottilien« bat 
aud) bem pofttioen 3ied)te nacb aufgehört, bie ^^atfeite be« Verfuge« überbaupt 
ju bilben. 

S)ie Seroequng nämlid), roeldje oon ber neueren Söiffenfd&aft ausgegangen 
unb ju ber Störte angeroaebfen ift, bafe fte bie Äobiftfationen mit fidb fortgeriffen 
bat, b at zw tiefere (Sinroirfung ausgeübt, al« bie« in ben Intentionen berer 
lag, bie fie ju leiten oermeinten. %\)xt ©eftrebungen roaren jroar nur barauf 
gerietet geroefen, bie SorbereitungSbcnblungen ber Seftrafung ju entjiebcn, aber 
fte baben babureb ba« barüber bin^öebenbe 9iefultat tierbeigefütjrt, ba§ ber 
trabitioneUe Serfucb«begriff al« ju roeit gefaßt oon ber S)oftrin unb ber Segi«* 
lattoe prei«gegcben roorben ift. 9ttd)t jufällig ift bie« gefc^cn. 2Ber ba« 
Sebürfnife empfinbet, anber« bie Vorbereitung«» unb anber« bie 2lu«fübrung«* 
banblungen ju betjanbeln, fteüt bamit — barüber bürfen roir unß nid)t länger 
täufeben — bie 9tid)tigfeit be« Segriffe«, ber beibe ©ebiete ibrer b^terogenen 
9tatur ungeaebtet jufammenfa|t, in %vaQt. $)a« cogitare, agere, nec perficere 



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390 ® ic ben «ntougtic^cn 3Jerfu$ betteffcnbe ^lenartntfdjeibung be$ 8ieic6§gerid>t§. 

reicht oon ba an nicht mehr Inn, ben X^atbcfianb be3 SBerfucheS erfüllen. 
Äeine ©trafbeftimmung wäre heut m Sage im ©tanbe, ben 2Infauf oon ©ift 
roteber in einen conatushomicidii, ba£ hochoerrätberifcheÄomplott (§.83.9t.©t.©J8.) 
in einen Sflorboerfua*) gegen einen ©unbeäfürften (§.81. 9it. 1.) $u oerroanbeln. 
3m ooUen ©egenfafc 511 bem Sluäfpruch oon Sreibenbach roerben mir 00m 
©tanbpunft ber mobemen äöiffenfchaft erflären muffen: 

2>cr Staat fann uns jroar jroingen, bie 93orbereitung3f)anblungen 

äu betrafen, nicht aber ift er im ©tanbe, fie in 2$erfuchSbanblungen 

umjugeftalten. 

S)er Srud) mit bem trabitionellen Segriff §at ftd) fomit in ber Softem 
unb in ber ©efefcgebung, wenn auch unbemerft, fo boch barum nicht unbemerfbar 
oolljogcn. äüie wollten roir fonft bie ©rfcheinung erflären, bafc roir heut ein* 
müttng — oon ber ertremen Stiftung ber fubjeftioen X^eorie, welche ben 9ftifj* 
brauch beä ©ebeteS als einen echten 2ttorboerfuch eradjtet, abgefetyen — e« oon 
uns ablehnen mürben, einen 3Jleineib, ber in ber 2lbficf)t gefchrooren roirb, ein 
auf äretyeitsftrafe lautenbeS ©rfenntntjj tjerbeimfü^ren, als einen Serfuch bc3 
im §. 239. s Jt. 6t. ©. *8. oorbergefebenen SeltfteS ju qualifijiren? $er 2lugen* 
blief, in welchem roir un£ jum 5öerou§tfein bringen, baß fieb unfere Wicht nicht 
aufregt erhalten liefee, mürben Serfua) unb $ethätigung beS oerbrecherttchen 
SBillenS äufammenfallen, ift jugleich ber Slugenblicf, in meinem ba<8 cogitare, 
agere, nec perficere aufhört, in ber 2Biffenia>ft unb in ber ©efefcgebung feine 
Stolle ju fpielen. 

£ie ©ache roirb jeboeb baburch fomplisirter, ba§ an bie ©teile beS oon 
ben ©toffatoren aufgehellten begriff eS jroei neue getreten ftnb, bie oon ben 
Äobififationen ihrer inneren SBeridnebenbeit ungeachtet unter einen einheitlichen 
©efictjtSpunft gebraut roorben finb. SDer noch nicht überrounbene fott^um, wo- 
nach ber Sßerfuch in ber Sßoücnbung feinen ©egenfafc Imben foll, 19 ) t)at uns 
oerijinbert, biefer (Srfcheinung bie ihr gebübrenbe Slufmerffamfeit %u fdjenfen. 
SBon ben fulpofen Gelitten roirb nämlich gelehrt, bafe fie nur bie Untcrfdjcibung 
jroifc^en (Triften* unb -Jticbtertftenj beä ^batbeftanbeS julaffen, oon ben bolofen 
2)eliften roirb bagegen angenommen, bafe ber üöollenbung ba£ beginnen gegen* 
überfiele- S)ort roie ^icr ift bamit bie 2Bat)rt)eit nur t)alb getroffen. Sei jenen 
roirb ignorirt, bafe uns im pofitioen 3tcd)t Vergeben begegnen, bei benen bie 
Söoüenbung im Slnfang it)ren ©egenfafe finbet, bei biefen roirb nidjt erroogen, 
bafe überall, roo ber Eintritt eine ftolge über ©ein unb 9ticbtfcin entfdt)eibct, bie 
Slnroenbung beä seitlichen 3Jfafeftabe3 auj8gefdt)loffen erfc^eint daraus erflärt 
eö fid), bap fi$ ein boppelter SSerfucfcSbegriff in bie tfobtfifationen eingcfc^lidjcn 
tjat. S)er oerfct)iebene ©egenfafc, ber unberoufet jur Sßollenbung gebilbet rourbe, 
hat bal^in geführt, bafe ber Öierfuch bei ber einen ©ruppe oon Gelitten einen 
Jöeftanbtheil bei8 söerbrechenS aufmacht, bei ber anberen in ber Sefiucnj ber 
oom Später beabfichtigten golge befteht. 6chon im Code pönal treten un§ 
beibe Segriffe entgegegen, bem einen ift ber commencement d'execution, bem 
anberen bie potentielle Äaufalität eigenthümlia^. S)er barin oorhergefehene, burch 
M ©efe^ oom 28. 2lpril 1832 nur unroefentlich oeränberte 3lrt. 2. lautet nömlich: 
Toute tentativo de crime qui aura öte* manifestee par des actes 
exterieurs et suivie d'un commencement d'execution, si eile n'a 6te 
suspendue ou n'a manque son effet que par des circonstances 
fortuites ou independantes de la volonte* de l'auteur est conside'ree 
comme le crime meme. 
Scheiben roir jroifchen ben bie ©trafbarfeit begrünbenben unb ben fie auf' 
fjebenben Umftänben, fo roerben roir bie Unterbrechung einer ^hätigfeit nicht ju 
jenen, oielmehr ben freiroilligen SRücftritt ju biefen au rechnen fmben. 9tiemanb 



19) cf. herüber a. 0. O. @. 23-31. 



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3>te bat untaugfitftn «erfudb. betrtffcnbc ^Uttartntfcbdtoung beS Wei^Sgctit^t«. 391 

ift jur Verantroortung ju fliehen, roeit er oerfnnbert roorben ift, weitet ju gehen, 
fonbern weil baS bis bahin oon feinet Seite ©efchehene ben ©runb für feine 
Vcftrafung abqtebt. $)emgemäfe bleiben als ©trafbarfeitSmerfmale füt bie eine 
©ruppe üon Gelitten nut bie SBorte „commencement d'execution" übrig. 

8et bet anbeten ©ruppe oon SDeliften werben un£ bie bie ©trafbarfeit 
begrünbenben flHerfmale 00m ©efefc bireftcr angegeben. S)ie 2!)ätigfeit be£ 
Verbreeberg rottb bahin dmrafterifirt, bajj fte, roenn fein jufälltger, oon feinem 
2Men unab&ängiget llmftanb eingetreten wäre, bie Verroirflichung feiner Abficbt 
herbeigeführt hätte. 2>er Code penal bat fomit bie £el)re ber objeftioen Xheorie, 
bie roir bereit« bei ber Vefpredmng ber ^lenarcnticbeibung be£ 9teich8gericht3 
fennen gelernt haben, eyjipirt; er »erlangt, bafj ein oom SBtUcn beS Stüters 
unabhängiger Umftanb bie abftrafte ÜDiöglid)feit in concreto in 2üegfall bringe — 
eine Auffaftung, bie in feiner (Sntftebungggefchicbte eine nidjt unwichtige Unter* 
ftüfcung ftnbet. 80 ) 

©teilen roir nunmehr bie Äongruens pifdjen begriff unb ©trafbarfeit 
her, fo h^ben roir bie beiben Arten beä Verlud^, oon benen ich gefprochen habe; 
ber eine ^JaffuS be3 Art. 2. macht ben Verfucb sum VeftanDtncil ber Vollenbung, 
ber anbere ftellt ihn auf bie Söafie ber potentiellen Äaufalttät. 

3)afe ia) babei nicht roillfütlich j^u s Berfe gegangen bin, bürfte barauä er* 
hellen, bafe bei ber ©ruppc oon Verbrechen, bei welchen oon bem eintreten ober 
Ausbleiben einer objeftioen $olge bie ßriften^ unb iRicbtej iftenj be« XhatbeftanbcS 
abhängt, roie V. beim s Moxb, bei ber Abtreibung ber Leibesfrucht, ber Vranb* 
ftiftung bie 2Borte commencement d'execution ihren 3)ienft oerfajjen. Von 
einem realen Anfang fann bei ihnen nicht bie 9tebc fein; baS (Sreignifc, ba£ ihr 
ÄonfummationSmcrfmal aufmacht, ift ber jeitlichen Unter fajeibung sroifchen Ve* 
ginnen unb Veenbigen feiner -Jtatur nach unzugänglich. Sollte man hingegen 
bie ©orte commencement d'execution im fubjeftioen ©inne auff äffen unb fie 
auf ben oerbrecherifchen @ntfchlufj beziehen, fo mürben fie bie Vorbereitung^« 
hanblungen in fia) begreifen unb ju einer Interpretation führen, roelche ancr* 
fanntermafeen ber legtelatorifcben Stenbenj roioerfpria)t 

SÄuf bie Verbrechen Innwieberum, bei benen ber Vollenbung eine pars 
quanta be£ XhatbeftanbesS gegenüberfteht, ift bie Veftimmung be$ Art. 2. C. P., 
welche oon ber ^efoienj einer golge hanbett, unanroenbbar. Seim Staub, bei 
ber ^othjucht, beim Vetruge ift, roenn roir uroS ba3 fonfrete ^inbernifj h mroc 9* 
benfen, nicht bie 3Jlögltd)feit gegeben, bafj baä vom Ztyätcx beabfichtigte Üreignifj 
au£ bem, roaä er gethan bat, heroorgehe, fonbern nur bie Vermutung am 
^Jlafce, bafc e$ ju ber ipanblung gefommen roäre, bie er burä) bie ihr ooran* 
gehenbe oermitteln wollte. SJlit Dem objeftioen ^ufammenbang, ben bort beß 
©efefc oor Augen hat, ift baher ber fubjeftioe ßufammenhang, ber hier in Ve* 
tracht fommt, unoereinbar. 21 ) 

2öoUte man enblidh beibe Veftimmungen, bie roir gefannt Baben, oer* 
bunben bei ber einen unb anberen ©ruppe oon Mitten, $ur Anwenbung 
bringen, fo roücbe man fich barüber hinwegfegen, bafj bie eine ber anberen 
roiberftrebt; ber Vetfud) roürbe bamit als ein Veftanbthetl ber Vollenbung 
chatafterifirt roetben. 

%n ber Xhat unterfcheiben auch einzelne beutfehe ^artifulartechte sroifchen 
ben beiben Arten be£ Verfuch«, bie fie fennen, ber einheitlichen Ve^eichnung 
ungeachtet. S)er Art. 29. be« Xhüringiichen, ber §. 36. bt& Vraunfchroeigtfchen, 
ber §. 29. beö Sübecfer, ber Art. 44. bed Dlbcnburger ©trafgefe^e« u. A. m. 
finb barin einig bafj bei ber einen species bem Verfuch baS ©nbe, bei ber 
anberen bie eyiftenj ber sum ^hatbeftanb crforbcrlidjen ^olge gegenüberjteht. 



20) a. a. O. 0. 698, 699. 

21) cf. im Uebrigen a. a. O. @. 570—580. 



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392 2)ic fccn untauglichen SJetfud) betreff enbe Wcnarcntfcficibung beS Weict)ggerid)tg. 

8on ben bciben Gegriffen ift aber ber, welcher ben 8erfucfj als einen 
SBcftanbtOcil ber 8olIenbung bebanbelt, ftd)cr oerwcrflicb; nichtSbeftoweniger ^at 
er im £aufe ber 3eit feinen ihm überlegenen Nebenbuhler immer mehr oer* 
brängt. ^nbem man ben boppelten ©cgenfafc, melden bie 8oUenbung julä^t r 
überfab, fyat man geglaubt, bafe ihr aud) bei ben Gelitten, bei benen eine objeftioc 
ftolge über (Sein unb Nicbtfein beS £f)atbeftanbeS entfebeibet, ber Anfang gegen* 
überftebe. 3 a ^ ac i flC tft baljcr ber Slnucbt, bafj ber 2lrt. 2. C. P. nur eine 
rebaftionette 8eränberung baburd) erfahren habe, bafe er beS : „effet" unb beS 
©runbcS feinet Ausbleibens ermähnt, roätjrenb ftcb bie StaatSratbSfommiffion 
nia)t ocr^etjlt bat, bafe ber Nidder oljne ben oon ihr betroffenen 3 u f fl & nic &* 
in ber Sage fein mürbe, baS delit manqu£ ju betrafen. (Sachariae, 2)ie&hre 
»om «erjueb 8b. L 6. 179, Note 3. — Chauveau et Hölie, Theorie du Code 
P6nal 8b. III. Note 2. $u Slrt. 2. unb 8b. I. Nr. 677.) 8ieUeicbt ift es feinem 
©tnfluffc mit 3U$uf treiben, bafe anbere beutfdje v J5artifularrccbte auSbrücflicb ben 
2lnfang jum 8erfud) erhoben haben, ohne in 8etracbt ju pben, bafe bieS ber 
2öeg ift, ber *u einem 8erfua) ber fulpofen 2)clifte führt. 2irt. 29. beS 
reoibirten Säcbft|d)cn ©. 8., Slrt. 64. beS Jgeffifcben, 'Art 32. beS Hamburger, 
§. 106. beS 8abenfifcbcn 6t. ®. 8. u. 21. m. orbnen, roenn auch in ber äöort* 
faffung »erfebteben, fo boch bem Sinne nach übeeeinftimmenb an: 

3ßie ein 8erbred)en beginnt, eS aber nicht oollenbet, ift — ben dolus 

oorauSgcfetJt — roegen 8erfudf)S ju betrafen. 
8leiben mir hierbei einen Slugenbltcf fteben. So niel bürfte ohne weitere 
SluSeinanberfefcung erbellen, ba& ber 8er|*ud)$begriff, ber baS rounberbare 
Sdncffal gehabt hat, fid) einer immer größeren Slnerfennung ju erfreuen, mä^renb 
über il)n oas 8erbammungSurtbeil einmütbig gefproeben roirb, jur (£ntfcbeibung ber 
Äontrooerfc, bie uns beschäftigt, nid^t heranziehen ift. Soll nämlicb ber 8erfucb 
ein 8eftanbtl)cil ber 8oüenbung fein, fo folgt barauS oon felbft, bafj ber %i)ättx 
fid) ber Glittet bebienen unb fid) gegen bie NedjtSaüter menben mufe, beren bie 
Strafbcftimmung ©rwäbnung tbut. änSbefonberc ift jebc Unterfucbung nad) ber 
8efd)affenbeit ber Littel auSgefchloffen. öat ber ©efefcgeber jum v Xbatbeftanb 
ber ©rprejfung bie Drohung, ju bem beS 8etrugeS bie Erregung beS ^rrtbumS, 
ju bem bea Naube-3 bie 3lnroenbung oon 3roang oerlangt, fo müßte ich wenigftenS 
nicht, in melden weiteren Unterfa)eibungen mir uns tykxbti ju ergeben haben 
foüten. 8a ) 

2iHr baben uns ba^er nad^ bem &ä)id)al beS anberen 8egriffcS, — ber 
bie 8erbred>en bel;errfd)t f beren Xbatbeftanb, menn ber ©efe^geber feine 
Aufgabe red^t oerfte^t, fieb jeber 2lngabe über bie 8cfcbaffenbfit ber Uliittel ent* 
^ält,* 3 ) — umjutbun, um ju eruiren, ob unb eo. unter melden 3Jlobififationen 
er in unferem ©efe^budb 2lufnabme gefunben bat. 5)er §. 43. enoäbnt feiner 
ntdjt , bagegen !ommt er im §. 46. 3tr. 2. sunt 8orfd)em. Seine Uebergebung 
in jenem ^aragrapben our f tc mieberum auf ein rebattioneÜeS 8crfetjcn jurücf^ 
jufübren fein. Sollte, roie bie ÜJtotioe ergeben, oom §. 31. beS preufe. ©efe^eS 
ntd;t weiter als bereits enoäbnt, abgetotdjen werben, fo war nur bie „8er* 
binberung wiber MUcn" aus ben bie Strafbarfeit fonftttuirenben 8orauS^ 
fe^ungen' ju climiniren, nidjt aber burftc barüber l;inauS ber ^JaffuS geftrt^en 
werben, ber bie 8cbingungcn angiebt, unter benen baS auf bie ^erbeifübrung 
eines „(SrfolgeS" gerichtete Streben einen oerbrcd;crifcben (S^arafter annimmt. 
2)er §. 43. hätte baher, wenn wir ben §.31. ^reufe. ©. 8. 3U ©runbc legen, 
für bie 8erbrechenSfatcgorie, bei welcher ber 8erfuch feinen 8eftanbtbeil ber 
8ollenbung ausmacht, noch bie weitere 8eftimmung enthalten müffen: 



22) <f. im Ucbrtgen btnüber a. a. O. <&■ 632 fg. 2)ic ^rage, in toeldber SScife für ten 
Wcufco:akrfud) ein anbettteitiger (irfaft ju fdjaffen ift, liegt au&ctbalb l>e8 gegenwärtigen 2^etna§ 
cf. bierübcr 582 ff. 

23) cf. o. a.0. @. 348 unb e. 372 fg. 



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3>ie ben untauglichen afcrfu# betreffend Ipltnorcntfcbcibung be§ Reichsgerichts. 393 

2)er SSerfud) ift weiter firafbar, wenn ber vom Später bcabfichttgte 
©rfolg, auf beffen Herbeiführung feine §anbluna gerietet war, 
burc^ äufeerc, oon feinem SöUlen unabhängige Umftänbe auSgeblie* 
ben ift. 

Samit wäre auch im beutfd&en ©efefe bie potentielle Äaufalität bcS SSer* 
fudjcÄ, bie im §. 31. be3 Sßreufe. ©t ©. 93. unb im 2trt. 2. C. P. butchblicft, 
jur Stnerfennung gefommen. 

2>te ftrage, 

ob ber 33erfucf> mit untauglichen Mitteln unb am untauglichen Dbjeft 
nach unferem ©efefcbuch für ftrafbar gu erachten ift, 
ift baher nad; meinet Ueber$eugung im oernetnenben Sinne ju cntfchcibcn. 

3u bem ganj gleichen Stcfuttat führt aber auch eine noch weit einfachere 
Grwägung. S3on feiner Seite wirb wohl beftritten werben, bafe ber beutfehe 
©efejjgeber burch ben §. 43. oor 2lllcm ben Slormaloetfuch h a &e treffen motten, 
äßirb nun aber jugegeben, bafe ber fog. untaugliche SBerfudj eine oon ihm oer* 
fehiebene ©harafteriftü! hat, — unb ich fllaube bieS jur ©enüge bargethan ju 
haben — fo ift e$ logtfct) unbenfbar, bajj mit ben auf ihn berechneten Straf* 
beftimmungen ein ihm heterogener Xlmtöeftanb mit umfaßt fein fönnte. 

2tbminifulirenb treten noa) folgenbe oier Argumente hinju: 

1. %tyxt bie Seftrafung beS fog. untauglichen Serfuch« baju, mit ben 
©runbfäfccn über ben Sbatbeflanb ber $crbrcd;en in 2Biberfprudt) 3U treten, fo 
werben mir nicht geroiüt fein, bie legiSlatorifche SSerhetfeung, wonach feine 
§anblung einer Strafe unterliegen foll, bie nicht bereits oor ihrer Begehung 
angeorbnet war, baburch illuforifdj ju machen, bafj wir nur fyalb gewahren, was 
ber ©efefcgeber coli oerfprieht. 3Högen wir auch immer empfinben, baf? wir 
baburd) ber 9ied)t£orbnung ben Schufc, beffen fic bebarf, entziehen; wir finb 
barum nicht berechtigt, bie Sücfe prätorifch ju ergänzen. §at ber ©efefegeber 
Straflofigfeit angeorbnet, wenn bie SWcrfmale ber Gelitte, bie er oorhergefchen, 
nicht oor liegen, fo giebt uns ber Langel im Xlwtbeftanb fein Stecht, auf eine 
milbere Strafe ju erfennen. 

2. SBenn ber §. 46. 9tr. 2. bemjenigen, ber ben (Srfolg abwenbet, Straf* 
freiheit jufichert, fo ift bamit bie ^orbebingung, bafj ohne bie Scthätigung feines 
gegenteiligen ©ntfchluffeS feine 2lbftcht fid; hätte rcalifiren fönnen, oon felbft 
gegeben. äöo bie SRöglichfeit einer SSeränbcrung nicht oorltegt, bebaTf c£ nicht 
ber 2lftioität, um fie in SBegfatt ju bringen. SDie* potentielle Äaufalität ift bamit 
als bie SSorauSfefcung, welche bie Strafbarfeit beS SJerfuche« bilbet, in unferem 
©efefcbud) anerfannt. 

3. 2BoÜte man bieS nicht annehmen, fo würbe ber SBiberfpruch entftehen, 
bafc man bem gefährlicheren Serbrecher conccbircn müfste, was man bem un- 
gefährlicheren oerfagt. 2Ber ©ift beigebracht hat unb ein ©egengift giebt, würbe 
lieb ber Straffreiheit erfreuen. 2Üer bagegen ftd> beS Patron« als eines 
SöbtungSmittclS bebient hätte unb fich barauf inattio ocrhielte ober auch feine 
Sinneeänberung baburch bethätigen würbe, bajj er Qudix eingiebt, wäre ber 
Strafe beS §.44. oerfallen. Son einer „5lbwenbung beS erfolget" fönnte nur 
bort, nia)t aber hier bie Siebe fein. 

4. Unter ben bcutfdjen Sßarttfularrechten, weldje ben fog. untauglichen 
Serfuch unter ^Önalfanftion geftellt haben, macht fich Die Stiftung bemerfbar, 
bafe bie Slnwenbung oon fgmoathetifchen Mitteln ober oon folgen, benen ber 
Später aus Uuwiffenheit eine fchäbliche @igenfd)aft beimißt, erccptionell befjanbclt 
wirb. Um bei ben in ber SteichSgerichtSentfcheibung jitirten ©efefcgebungen flehen 
3U bleiben, orbnen für begleichen ptte auSbrücflich Straflofigfeit an: Reffen 
Slrt. 67., 9taffau Strt. 63., Thüringen 2lrt. 23., Süraunfchmeig §. 36., cf. aua) 

*r$l» 1880. 5. <>efU 26 



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394 bnt «ntauflli*€n SUrfu* betteffcnbc ^tenarcntfäeifcung t?eS fflcidj$geric$t3. 



£cmitot)cr 2lrt. 34. 9h. 2. 6orocit bagegen bic SBefirafung bc« JßerfucfyS mit 
untauglichen Mitteln ober am untauglichen Objeft angeorbnet ifit, wirb faft burdt)- 
weg butd) bie 23erfd)iebenl)cit be£ 6trafmaBe3 bem Langel ber potentiellen 
Äaufalität 9led)nung getragen (6ad)fen ' 2lltcnburg 3lrt. 27., cf. au$ 2lrt 26. 
lefcteS alin., «raunfdjroeig §. 36., Saufen 9trt. 42. 9tr. 2. f 2trt. 43., öaben 
§§. 110. III., Springen 2lrt. 24. alin. 3., 2lrt. 25.). SBenn nun ber beutfaje 
©efefcgeber, roie mir iljm, fei cS $um Sobc, fei t& jum ifcabel nadrfagen, gegen* 
über ben früheren spartifularreäjten bem 3uge größerer SJtilbe gefolgt ift, fo 
fdjeint mir bamit bie 2lnnaf)me unvereinbar, bajj er gerabc ba eine biö bahin 
unbefannte ©trenge ^eruorgefe^rt haben foHte, roo bie üöiffcnfd&aft nodj barüoer 
red&tet, ob überhaupt ©träfe am $lafce fei. 



- 



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§. 124. $t Uro?. <0. 



Eon §errn ©cf). Dber*£ribunal$rat§ a. 35. EoituS. 



$>ic SdjlufebefHmmung bcS 2. 9Xbf. bcS §. 124. 6t. $roj. 0., nad) weldjcr 
bcr Unterfu$ung£rid)ter, wenn er bie 2luft)cbung be£ gegen ben Sttngcflagten 
erlaffcnen $aftbefel)l3 gegen ben ©iberfprud) bcr StaatSanwaltfdmft anorbnen 
will, „unoer$üglid>, fpätcftcnS binnen oier unb jwanjig Stunben, bie @ntfa)eibung 
beS ©ertcfytä na$fud)cn mufe," tmt unter ben Kommentatoren eine 2Keinung> 
oerfd^ieben^ett barüber fyeroorgerufen, ob biefclbe lebiglid) eine ^nftruftion für 
ben UnterfudjungSridjter enthalte, beren fJltc^tbcfoIguna nur eine 9lüge gegen 
benfclbcn nad) jidj sieben fönne, ober ob bie üöerabfaumung ber grijl einen 
(sinflufj auf baS oon bem Sanbgeridjt bei feiner (Sntfdjeibung ju beobadjtcnbc 
Eerfaljren fjabe. S)er erfteren 2lnfid)t ift: 

2öwe, melier S. 430, 9. bemerft: „Stte Seftimmung, bafj ber 
Unterfud)ung3rid)ter fpäteftenS binnen 24 Stunben bie Gntfdjeibung 
ber Straf fammer nadjjufucben l;abe, ift nur inftruftionell; mit bem 
Slblauf ber ftrift ift eine redjtlidje golge nidjt oerbunben." 
X\)ilo S. 128, 4. unb o. 8om&arb<S. 88, 4. fprea^cn fidj in bemfetben 
Sinne au«. 

@ntgegengefe|ter Widjt ifl 

SftemcS S. 122, 27.: „Söirb bie grtfi ni$t innegehalten — fagt 
er — oöer finb oor ber Abgabe ber Sitten neue ioeweife erfjoben 
worben, beren ßrgebnifi ber Staatsanwalt bei feiner (Srflärung nod) 
nid^t gefannt l>at, fo giebt bie Straffammer bie 2lften bem Unter* 
fud)ung3rid)ter jurücf, um juoörberft erfi bie nochmalige (Srflärung 
be$ Staatsanwalts ju erforbern, ba injwifdjen bie Sachlage eine 
neue geworben ift." 
(Sr tyeilt im 2lnfd)luffe hieran bie abweidjenbe Slnftc^t Öbwe'3 mit unb 
fagt in beren 2Biberlea,ung: 

„9hm tft e£ jwar richtig, baß ba3 ©efefc an anberen Stellen 
— j. SB. §§. 275. 348. 302. — griffen gefefct £at, an beren 3?io> 
beaditung feine befonberen Solgen gefniipft finb, beren $erlefcung 
alfo f)öd)ften3 im 2)t£$ipiinarwege gerügt werben fann. — *}u biefen 
fann jebo$ bie be$ §. 124. niept gejäljlt werben, weil fie etnen ftall 
trifft, ber an jebem Sage eine anbere ©eftalt annehmen fann." 
$u$elt oerweift S. 259, 4. 2lbf. 2. bei «efprcdnmg beS §. 124. mit 
bem S3emerfen, bafc Söroe'S 2lnfi$t oon ber feinigen abweise, auf feine 2lnm. 2. 



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396 §• et S -P"5- °- 

$u beut, bic Vernehmung beS Verhafteten am Sage nad) feiner ©inlteferung 
anorbnenben §. 115., bie aud^ ^ter piafc greife. ©ort ifl jeboch ®. 245, 2. in 
Ve^ug auf bie folgen einer Verzögerung ber Vernehmung beS Verhafteten 
nur gefagt: 

„2)ie ^uroiberhanblung gegen §. 115. fann §ur 2lnroenbung beS 
§. 341. 91. 6t. ©. 33. führen." 

GS ift bafjer ofme nähere Erläuterung nicht erfennbar, roorin bie ©tfferenj 
jroifd)en Söroe'S unb Sßuchelt'S 2lnfid)t in ber Ijier in s Jtebe fle^enben Vc* 
Sichung befte^t, ba bie Vemerfung beS ©rfteren: eS fei mit bem Slblauf ber 
grifft eine rechtliche fyolge nicht oerbunben, nur auSfprcd&en foU, bafj fich in bem 
UnterfuchungSoerfahren an bie Verfäumung ber ftrift folgen nicht fnüpfen, 
nicht aber, baß ben tlnterfuajungSrta)ter wegen einer burdt) tt)n ocrfdutlbeten 
Verlängerung ber .§aft beS 2lngeflagten eine Strafe nicht treffen fönne. 

3)ie Materialien jur 6t. $roj. 0. bieten einen 2Int)alt jur ©ntf Reibung 
ber 6trcitfrage nicht bar. ©er Cmtroutf su berfclben machte im §. 113. bie 
(Sntlaffung beS Verhafteten roäfjrcnb ber Voronterfudumg oon bem (Sinoer* 
ftänbntfe beS UnterfuchungSrtchterS unb beS 6taatSanroaltS abhängig, dagegen 
rooüte bie 3uft. Stom. bei erfter Sefung ben Erftcren nur oerpftidjten, cor oer 
Aufhebung beS Haftbefehls ben 6taatSanroalt ju l)örcn (Prot. 6. 159, 162). 
Vei smeiter Sefung rourbe jebod^ ber ©ntrourf — mobifijtrt burdt) ben bemfelben 
himugefefjtcn 6d)lu&fafc bcS Stbf. 2. : „Verfagt bie 6taatSanroaltfd)aft u. f. ro. — 
roieberhergeßellt (Prot. 6. 864, 865, 1132, 1133). SDie griftbeftimmung blieb 
bei ber Vefprechunq beS Paragraphen gänjlich unberührt. 

Söroe'S SlnfW&t roirb cor ber oon ÜtteroeS oerttjeibigten ben Vorzug 
oerbienen. 

S)ie 6t. pro3. 0. beftimmt aufcer ben — hier aujjer Vetracht bleibenbcn — 
oon ben bei ber Unterfudfmng betheiligten perfonen inne ju ^altenben, 
thcilS im ©efefc firirten, tt)eil5 oom SUa^ter ju befiimmenben Triften, audj folche, 
welche nac^ fpejiellen gefe^lic^en Vorfchriften im ^ntereffe eine« geregelten ®e- 
fchäftSgangeS oon ben ©erichten, 9iia)tem unb ben Veamten ber 6taatSanroalt* 
fchaft bei ihrer 2lmtSoerroaltung ju beobachten finb. SBährenb bie Verfäumung 
ber Triften jener erften Kategorie ausnahmslos (Sinflufj auf bic Unterfudmng, 
äu&ert, finb bie Triften ber lefcteren 2lrt theilS folche, beren <Rt$tmne« 
haltung mit folgen für baS Verfahren in ber Unterfudmng felbfl oerfnüpft ift, 
theilS folche, welche lebiglich auf ^örberung beS ©efchäftSbctriebeS abjielen, bereit 
Verabfäumung bafjer, ohne unmittelbare folgen für bie Unterfuchung, mir 
für ben betreffenben Veamten im SDtSätplinarroege ober burch gerichtliches 6traf * 
urtljeil SJiachtheile mit fidt> führen fann. 

28 eiche ftriftbeftimmungen ber einen ober ber anberen btefer beiben 
le^tgebad)tcn klaffen angehören, ift roeber aus ben allgemeinen Vcftimmungcn 
bcS 5. 9lbfchnitteS bcS 1. VucheS ber 6t. $roj. D. ju entnehmen, noch ift ben 
cinjelnen bejüglichen Paragraphen bie Unterf Reibung burch eine beftimmte 
Terminologie erleichtert. 

Vei einer Slnjahl oon Paragraphen roirb bic präflufioe 5Katur ber ^rifl 
auch ohne auSbrüdlichen 2luSfpruch beS ©efefceS (§§. 100., 126.) für srocifclloS 
gelten müffen, fo j. V. im gaUe beS §. 208. 2lbf. 2. ^n anberen fällen leuchtet 
bagegen oon fclbft ein, bafc ein (Sinflufe auf bie Siechte Vetheiligter mit bem 
Verlauf ber oorgefchriebenen grifl nicht bcabfichtigt ift, roie beifpielSroeifc bei 
§. 348. 2lbf. 2., §. 115., §. 488. 2lbf. 3. $n biefen lederen Ratten haben bic 
griftbefhmmunaen nur ben 6h arQ ^ cr gefd)äftlicher 2lnorbnungen. 

3u biefen roirb auch ber hier in Siebe ftehenbe §. 49. ju rechnen fein. 
3n ber gaffung unterfcheibet Reh berfelbc nicht oon ben erwähnten §§. 115. 
unb 348. äbf. 2. ©r enthält eine in beftimmte Söorte gefaxte, bie Shätigfeit 
beS UnterfuchungSrichterS regelnbc Slnroeifung. darüber, roaS im gatte ber 



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§. 124. et ym- o. . 397 

Nichtbefolgung bcr leiteten gefdjehen folle, fprid^t er fid> nicht auS. 9WeweS 
rechtfertigt auch feine oben mitgeteilte anficht nicht buret) §inweifung auf ben 
Inhalt beS Barographen, ober burd) Folgerungen aus anberen einfchlagenben 
3?orfchriften ber St. ^roj. 0., fagt otelmehr nur : fei bie ftrift nicht inne ge* 
baltcn, fo muffe baS öanbgericht bie 2lften bem UnterfuchungSrtchter bet)ufs (8t* 
forbernS nochmaliger ©rflärung beS Staatsanwalts jurtiefgeben, ba „injwifchen 
bie Sachlage eine neue geworben fei." 

2lllein §u ber Slnhafmte, baß bie Sadblage eine anbere geworben fei, \)at 
bie Straffammer feinen ©runb, wenn it)r ein Sichreres nicht oorliegt, als baß 
ber UnterfuchungSrichter ben ihre (Sntfctjeibung einljolenben ^Bericht um einen 
£ag oerjögert hat SDiefelbe ^at oielmchr baoon auSjugehen, baß, wenn in ber 
Ztyat in ben, bem Votum beS Unter fud)ungSrichterS, bejm. beS Staatsanwalts, 
für unb wiber bie Aufhebung beS Haftbefehls sunt ©runbe liegenben ^^atfac^cn 
fpater eine Slenbcrung eingetreten märe, bcr UnterfudmngSrichter bteS fofort 
ber Straffammer behufs ©erüeffichtigung bei ihrem 8efd)luffe angejeigt haben 
mürbe. 33ei Sefämpfung ber Anficht Söwe'S fagt 2J2eweS auch nur: biegrift 
aus §. 124. fönne 3U berjenigen, an beren Nichtbeachtung ftdj feine befonberen 
folgen fnüpften, aus bem ©runbe nicht gejohlt werben, meil fie einen ftall treffe, 
bcr an jebem Sage eine anbere ©efialt annehmen fönne. Allein bie bloße 
SDiöalichfeit einer eingetretenen 2lenberung ber Sachlage fonnte bem ©efefec wol;l 
um f 0 roeniger ju einer 2lnorbnung, roie bie oon äftemeS oorauSgefefcte, 2Inlaß 
geben, als mit ber Diücffenbung ber Sitten an ben UnterfudmngSrichter unb bcr 
oon biefem httbeijuführenben nochmaligen (Srflärung beS Staatsanwalts unauS* 
bleiblia) eine — größere (§. 78. ©. V. ©.) ober geringere — Verlängerung ber 
ftaft beS Slngef tagten oerbunben ift, alfo gerabc baS jenige eintritt, auf beffen 
Scrmeibung bie Vefttmmung einer fo furjen Sjfrift, roie bie 24fWlnbige, abhielt. 

%üv Söroe'S 2lnfteht, baß jene ^riftbeftimmung lebigltch infrrurtionett fei, 
fpriebt aber auch, bafc, roenn bie 9ttd)ttnnehaltung ber ftrift auf baS Verfahren 
beS £anbgertchtS ßinfluß hätte äußern follen, bieS ol;ne ^weifcl bti ber Stellung 
beS Antrags auf Aufnahme bcr betreffenben Veftimmung in ber 3uft # om - w* 
mät)nt, inSbefonbcrc ausgesprochen fein roürbc, roorin benn bie — ftd) feines* 
roegeS oon felbft ergebenben — folgen beftchen follten. Statt beffen ift — roie 
fchon angebeutet — fo wenig bei ber Vegrünbung beS 2IntragS als bei feiner 
iöerathung bcr griftbeftimmunq mit feinem 2öorte Erwähnung gethan, gc* 
fehweige benn oon folgen ber griftoerfäumung bie 9tebe gewefen — ein VeweiS, 
baß bie erftere allfeitig für nebenfächUch erachtet worben ift. 

S)ieS muß aud; auS bcr 9lrt ber föebaftion gefolgert werben. $enn, oon 
ÜJceweS Anficht ausgegangen, würben nicht bloß bie 2öorte: „unoer jüglich, 
fpätcftenS" oöHig müßig ftehen, fonbem eS mürbe auch an cutet Veftimmung 
fehlen, wie bcr 3eitpunft beS Ablaufs ber $rift §u berechnen fei, ba bie St. ^03. D. 
nur an biefer Stelle eine nach S tun ben bemeffene grift beftimmt, unb nur 
Innfichtltch bcr nach Sagen, 2öod)en unb ÜJJonaten feftgefefcten griften Vorfdjriften 
über ben ©nbpunft berfclben enthält (§§. 42., 43.; oergl. auch Ulimann in 
0. $olfcenborff'S St. ^roj. % »b. I. S. 182). 

^iernad) bürfte bie ftriflbefHmmung feinen anberen 3mecf ocrfolgcn, als 
welcben bie Oeflerreichifche St. ^ro}. D. com Safyxt 1873 burch bic allgemeine 
S3orfchrift beS §. 190. ju erreichen beabfichtiejt, wonach „fämmtliche am Straf* 
oerfahren bethciligte SBehörben oerpflichtet fmb, auf bie möglithfte Slbfürjung 
einer UntcrfuctjungShaft hinjuwirfen." 



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IJcutfdjc* Strafwdjt- 



QIrt. 2. ber KciAsDcrfaflf. d. 16. ^Ipril 1871. §§. 11. 17. 6es preujl <B. 
über bie pollsciverroaltung vom 11. I11ar$ 1850. iln^uläfilgreit 6er 
<Pleid)jMlung einer 3ur (Einführung 6er Kin6»ier;fontrole getroffenen 
fllafregcl mit 6em Verbot 6er Dietpeinfubr $ur Oltwcbr 6er Hin6crpeft 
un6 2lnroen6ung 6er @trafbeftimmungen 6es Heid)8-<B. ». 21. lllat 1878 
auf üerftöfie gegen er|lere. rtiä)tbefugnifi 6er Regierungen, ein Heia)»- 
gefefc auf einen «fall, für toeUben es nidjt gegeben ijt, anjmoenben. 

Qvl beS II. Straffen, u. 20. ftebr. 1880 c/a. 0., rooburef) bie SReoifion 
beS 2lngefd)ulbigteu für begrünbet erachtet unb auf gurütfoerroeifung ocr Sadje 
in bte üBortnftanj erfannt roorben ift. 

@ t ü n b e. 

Sic 9teui[ion (be$ 2lngeflagtcn) crfdfjcint begrünbet. 

$ic Straf fammer l)at feftaefteflt, bajj Slngcflagtcr im 3ult 1879 im 3n> 
lanbc aus gaforläffigfcit ben auf ©runb be£ 9teia>3gcfcfce5 uont 7. 2lprU 1869 
•wr Slkrljütung ber Ginfdjleppung ber s Jtinberpeft erlafjencn Sefctyränfungen ber 
Gtnfuljr lebenoer SSicberfäucr junriber gcfjanbelt Ijabe. 

SDicfc geftftcllung wirb barauf gegrünbet, bafe bie Söerorbnung ber ßöntgl. 
$reufe. Regierung Ut Breslau oom 6. 2lpril 1879 (Weg. 2lmtSbl. 1879 6. 93) 
für beftimmte Sejirfc unb inöbefonbere für bie ©emeinbe 3Jtorfgrunb, ben ©ofni* 
ort bcö 2tngef tagten, eine SKinbüterjfontrolc nad) 2Uafegabe bes §. 9. ber reui* 
birten 3nftruftton uom 9. 3um 1873 jum MeicfySgefefce oom 7. 2tpril 1869 
(3t. ©. ÖL 1873 e. 147) cingeridjtet unb ju biefem 3n)ecfe in §. 6. baf. bic 
2$ierjbefi&cr für oerpftidjtct crflärt tjabe, jebe in itjrem ^ic^ftanbe burc^ Xob, 
©eburt, Sßcrfauf :c. eingetretene SBerünbcrung bem 2tmt3oorftanbe fogleidf) unb 
fpätefteng innerhalb 24 Stunben anzeigen. $n §. 8. bafclbft roerben auf 
Üebertretungen ber getroffenen Slnorbnungen bie 6trafbeflimmungen beS ^teta^S^ 
gefcfcce oom 21. WM 1878, betreff enb ßunriberrjanblungcn aegen bie jur 2lb* 
roerjr ber Sltnbcrpeft crlaffcnen $icljemful)rr>erbote (SR. ©. 331. 6. 95 ) f für an* 
menbbar erflärt, unb JHngettagter foU* folä)e baburd) »erlegt tjaben, bajj er atn 



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2)cutfäe§ ©trafu^t. (Ertcnntniffe tce fflei$3geric$t8. 399 

13. ^uli 1879 eine rotlje $uf) mit klaffe an eine grau au« Defterreid) oerfauft 
unb am 14. $uli jur $ortfd)affung übergeben Ijabe, ofyne fneroon bem 2lmt«* 
oorftanbe Slnjeige ju erflatten. 

2)er 3nftanjrtd)ter fjat Ijiernad) eine jur ©infüljrung ber 9Unbuie^fonttoIe 
getroffene aJtafjregel al« eine SBefdjränfung ber (ginfüfyrung Iebenber Söicberfäucr 
angefetyen unb bem 9teid)«gefefce oom 21. 3Jtai 1878 unterftellt. 6« ift biefe« 
unridjtig, unb c« mürbe nidfjt roeniger irrig fein, roenn babei bem ermähnten 
§. 8. ber 9tegierung«oerorbnung irgenb raeldfjer ©influjj für biefe ftrage einge* 
räumt roerben follte, ba, aud) abgefeljen oon ber burd) §. 15. be« $reufj. ©efefce« 
oom 11. 2Rä« 1850 über bie ^oliseioerroaltung für bie $olij cioer orbnungen ber 
Regierung infofern beftefyenben Sefdjränfung, al« fie nidjt mit einem bcftefjenben 
©e|e|3e in Söiberfprud) treten Dürfen, bie £anbc«gefe|gebung überhaupt naä) 
2Irt. 2. ber 9tei$«ocrfaffung 00m 16. Stpril 1871 ber 9ieid()«gefe&gebung gegen* 
über 3urü<f treten mufe, ein 9teidf)«gefefc alfo nid>t auf einen galt anroenbbar er* 
flären barf, für roeldjen e« nid^t gegeben Ift. 

SßoIIte man aber in ber gebauten Sefümmung ber 9tcgierung«öerorbmmg 
eine fclbftftänbige, nur burdj Scjugna^me auf ba« 9teid;«gefc& 5um 2lu«brucf 
gebraute 6trafanbrofmng finben, fo mürbe if>r ebenfaül« bie gefefoliaje ©ültigfett 
nad) §. 17. be« ©efefce« oom 11. aJtärs 1850 abgefprodjen werben muffen, ba 
fie bie im §. 11. bafelbfi geregelte Äompetenj überfieigt. 

2)0« ©efefc oom 21. 3Kai 1878 aber ift allein erlaffen gegen bie lieber- 
tretung ber $efd>r anhingen unb Serbote in öejielmng auf bie (Sinfufjr Iebenber 
üföieberfäuer. Stofe aber hierunter ntäjt aud) anberrocite 9Jta§regeln 51t begreifen 
finb, roeldje auf ©runb be« (Sefe^cS oom 7. Slpril 1869 gegen bie @infd)leppung 
ber iHinberpeft in ba« 93unbe«gebiet unb bie 2Beiteroerbreitung in bemfelben er* 
laffen merben fönnen, ergiebt §. 2. biefe« ©efe|e« mit fnnreidjenber Seftimmtfjeit. 
6« roerben bafclbft unter fünf Sßofüionen bie oerfa^iebenen ÜKaferegeln jufammen* 
gcfiellt, roetaje, je nadjbem baburd) bie (Sinfdjjleppung ber Ärantyeit ober beren 
Söeiteroerbreitung ober enblid) beren SBieberauSbrud) nad; (5rtöfd)ung ber Seua^e 
foroeit möglid) oerfnnbert roerben foll, ftd) at« juläffig erroeifen. Unter 3iff. *• 
bafclbft finb Sefd)ränfungen unb Verbote ber (Smfujjr, be« £ran«porte« unb bc« 
§anbel« in ©eutg auf lebenbe« ober tobte« Stinbotef), 6d)afe unb Riegen, 
tt)ierifd)e Sftotytoffe unb fonftige oermöa.e ibre« ©ebraud)«pede« al« Präger ber 
Ärantyeit geeignete ©egenftänbc al« etne foldje üttafjrcgel erflärt unb babei su* 
gleidj bie (Itnfüfyrung einer s Junbuiepontrole im ©renjbejirfe al« äuläffig be* 
jeiebnet. fiternaef) f)at ba« ©efefc biefe Äontrolc jroar mit ben (Sinfufjroerboten 
unb Ginfu§rbcfd)ränfungcn in Serbinbung gebraut unb al« lefctere oorbereitenb 
unb beren 2)urd)füf)rung erleid&ternb, jebod) juglei$ al« eine befonbere für fid) 
befteljenbe unb nid)t in bem (smfutyrücrbole, bejic^ungSroeife ber (Sinful)r* 
bcfd;rän!ung mit einbegriffene 9Jlaferegel fl$ gebaut. 2)amit in Uebereinftimmung 
bcbanbelt aud) bie auf ©runb be« §. 8. be« ©efc^e« oom 7. Stpril 1869 er* 
laffene ^nftruttion oom 9. $vlU 1873 (9t. ©. 931. 6. 147) im §. 9. verb.: 

„3n ben bebro^ten ©renjfreifen finb für fämmtlid)e Drtf haften, roeld^e 
innerhalb 15 Kilometer oon ber ©renjc entfernt liegen, folgenbe Ston 
trolmaferegeln einjufüfjren:" 

bie Slinboiebfontrole al« eine felbftfMnbige Äontrolmaferegcl. 

betrifft biefem 2lIIen aufolgc ba« Strafgefe^ oom 21. 9Jtoi 1878 nid;t 
einmal bie Uebertretung ber gefammten in §. 2. 3iffer 1. be« ©efefce« oom 
7. Spril 1869 pgelaffenen oerfd)icbencn Slrtcn oon einfutjroerboten unb 2k* 
fd^ränfungen, fonbern nur eine gan$ beftimmte ©attung bcrfelbcn, nämlid; nur 
bie Serbote unb bie 93efd)ränfungcn ber ßinfutjr Iebenber äöieberfäuer, auf 
beren ftrenge 53eobad)tung im ^ntereffc be« 3ro^3 ein befonberer Söcrtf) gc* 
legt roerben mu6, unb ju beren 2lufrcd)ter^altung c« be«fjalb oerfd)arfenber 



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400 BeutfäeS ©trafreAt. erfenntnifte fceS fflcid>8geridjt«. 

©efid&tSpunfte, unter roeld&e 3. 93. bic Öeftrafung ber Ja&rlä'ffigteit unb bic 
gkäfumtion au8 §. 3. 3tbf. 2. be$ ©cjefceS gehören, forote fkengerer ©trafan* 
brofjungen beburfte, fo läjjt ndf) bic für bcn ©rfolg nur meljr ncbenfäd)licf> in 
baä ©eroid&t fallenbe unb nur inbireft rotrfenbc SJiaferegel ber SSiefjfontrole bar* 
unter nid&t begreifen, ftür btefe oielmcljr bleibt bie Söorfd&rift be« §. 328. be3 
6t. ©. 93. nadt) roie r»or in j?raft, unb ba bie Straframmer e£ unterlagen &at, 
bie %l)at unter biefem richtigen ©efiajtSpunEte ju prüfen, fo war, wie gcfd)ef)en, 
$u erfennen, of>ne bafj e3 weiter barauf anfam, ju erörtern, ob, roie ber 93e* 
ld)roerbcfü^rer aufführt, eö nad() 3nf)alt ber ^olijeioerorbnung einer 2ln$eige an 
ben 2lrat£oorfie()er überhaupt ni^t beburft Jjabe. 



Berlin, Dtutf ton W. «öjenfltin. 



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s 



gg. 99. unb 100- St *ro?. ®. ober: $ot bie Staatsannmltfdjaft, 
fobitlö bie in Bcfdjlag genommene iloftfe iiimng narfj §. 100. 3Uif. 3. 
St Urof. eröffnet morben ifl, Hnfprudj nnf Benntnißnoljme oon 

ihrem 3nl)altc? 



©on $errn ©eh- Dber*2:ribunal*rath a. 3). ©ottu*. 



2)ie im fRcid^ötage (©tenogr. ©er. ©. 448) wegen be* ßufammenhange* 
ihrer ©orfajriften gemeinfchaftlid) beratenen §§. 99. unb 100. ©t. $ro&. D. 
haben ju bet für bie ©trafrecbt*pflege wichtigen unb zugleich wegen ihrer prin* 
jipieflen ©ebeutung für bie (Stellung ber ©taat*anwaltfchaft gegenüber betn 
SRidjter erheblichen Streitfrage Slnlafj gegeben: ob ber etfteten, fobalb bie nach 
ÜJtafegabe be* §. 99. auf ber $oft in ©efcblaa genommenen ©riefe unb anbeten 
Sendungen eröffnet worben finb (§. 100. 2lbf. 3.), ein Hnfpruch auf Äenntnife- 
nähme oon ihrem Inhalt jufteht, ober ob ber dichter biefelben, wenn fie nach 
feiner Meinung für bie Untersuchung feine ©ebeutung faben, bem (Smpfang** 
berechtigten, otjne Sftüctfprache mit ber ©taat*anwaltfchaft, fofort jurücfjugeben 
berechtigt ift. tiefer leßteren Sinftcht ift uon^olfcenborff. 6 giebt bie« 
nicht nur baburcb $u errennen, bafä er in feinem „ftanbbucfc be* ©eutfdjeu 
©t. $roj. Stecht*" ©b. 1. ©.321 «Rote 4. bie Sbfäfie 1. unb 4. be* — oon ber 
durchficht ber bei einer $)urcbjucbung in ©efdjlag genommenen Rapiere t)an- 
belnben — §. 110. auf ben l;icr in 9tebe ftebenben §. 100. für auwenbbar er* 
achtet, fonbem fpricht e* au* ©. 322 burch bie ©emerfung au«: 

„Db ba* uom dichter eröffnete, aufjer ©cjiebung §um Untersuchung*^ 
5ioecf ftehenbe ^oftftücf ber ©taat*anwaltfcj)aft jur ftenntni&nahme 
mttjutheilen ift, fönnte beim ©chrocigen be* ©efc§e* 3ioeifelt>aft er* 
fcheinen, bürfte aber nad) Analogie be* §. 110. 3- 4 - S u 
ncinen fein." 

$ie 2öorte: „aufeer ©ejtchung §um Umctfuchung*awccf ftehenbe" ergeben 
beutlich, bafj er bie Prüfung, o b ber Inhalt ber ©enbung ©influfe auf bie Unter« 
fuchung äufern fönne, ohne SHücfficht auf bie 3Jlögltchfeit einer anberen Slnficht 
ber ©taatSanwaltfchaft, bem dichter überweift. — Stfefelbe Meinung äußert 
Heller ©.92.6. (Kommentar pr ©t. $roj. 0.) ®r bemerft oorweg, baf?, wenn 
ber dichter bei einer oon ber ©taat*anwaltfdmft oorgenommenen ©efchlannahme 
oon oomherein bie ©orau*fefcungen berfelben gemäfe §. 99. nicht für porliegenb 
erachte, er gar nicht jur Eröffnung be* ©riefe* fomme, oielmebr fofort bie ©efcblag* 
nähme aufhebe unb bte 3Mcf gäbe ber uneröffneten ©enbung an bie Sßoftanftalt anorbne. 

iBrdfit 1880. ß. $cft. 27 



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402 SS- m unt llK) - ^ v0 3- °- 

„AnberenfaHS — fo fä^rt er fort — eröffnet er biefelbeu, unb je 
nach bem Inhalte wirb fich jetgen, ob foleber auch bie uorljer auf 
Xhatfachen gegrünbeten SSorauSKfcungen reitfertigt. SSerneinenben 
ftallS erfolgt bie 3urücfgabe ber an fich mit Stecht befchlagnahmten 
©egenjtänbc." 

Soch läBtÄellcr oon biefer oon ihm aufgehellten Siegel in Setreff beS 
oor Erhebung ber öffentlichen $lage in Anfprucb genommenen Amtsrichters eine 

— bemnächft ju befpreebenbe — Ausnahme eintreten. — Entgegengefefster Anficht ift 

Söroe S. 394. 10. (St. ^roj. 0.): „Sic Etnficbt in bie eröff- 
neten ^oftfenbungen — Reifet es bort — ftefjt ber ©taatSanroaltfchaft 
in allen §äUen ju; bie Scftimmung beS §. 110. Abf. 1. ift nur bei 
Surd;fuchuugen anroenbbar." 
Stefelbe SReinung giebt Koitus im ^rinjip baburch ju erfennen, bafc 
er ©. 147. 3. (Äommentar ju ber 6t. $roj. 0.) sunt Abf. 3. beS §. 101. — 
nach welchem berjenige X^etl eines jurücfbchaltenen SrtefeS, beffen SSorenttml' 
tung nicht burch bie fltücf ficht auf bie Unter fudjung geboten erfcheint, 
bem Empfangsberechtigten abfehriftlich mitgethcilt werben Toll — bemerft: 

„hierüber roirb, fo lange ber Scfdjulbigte nicht aufcer Anflagc 
gefegt, ober ein red)tSfräftigeS Urzeit in ber ©a<hc ergangen ift, 
bie ©taatSanroaltfcbaft 311 entfeheiben haben." 

£)alde läfct sroeifethaft, melier Anficht er ift. Er fagt ©. 74.2. (S. St 
$roj. 0.): 

„Ser Staatsanwalt hat bie oon ü)m mit 83efd)lag belegten Sriefe 
uneröffnet bem Siebter jujuftellen. Söefchlie&t berfelbe bie Eröffnung, 
fo hat er bie ©riefe roieber bem Staatsanwalt mitpthetleit." 
Siefe ©chlufjroorte führen bei ihrer Allgemeinheit ju ber Auffaffung, bat; 
ber Stifter bie s .ßoflfenbungen, nachbem er bie ©aifirung als gerechtfertigt an 
erfannt unb bie Eröffnung bcrfelben angeorbnet habe, nicht mehr aus bem 
©runbe an ben Empfangsberechtigten jurüdgeben bürfc, roeil er ihrem 3 n h°lt 
eine SBebeutung für bie Unterfuchung nicht beimißt. $n einer bort in Sejug 
genommenen 3tote ju bem §. 110. fagt Saide jebodj nach ^oranfefnehtng, bafe 
nach biefem Paragraph öer dichter ben Inhalt ber Rapiere ju prüfen, bie irre^ 
leoanten ben SBetheiligten suritcf zugeben, bie mit bem ©egenftanbe ber Unter- 
fuchung im 3ufammenhangc ftefjcnben bagegen bem Staatsanwalt 3U über* 
geben habe: 

„©elbfroerftänbltcb bezieht fich auch biefe Seftimmung auf bie auf 
ber $oft mit 5öefa)lag beleaten «riefe. §. 101." — „Qn ber Sßor 
unterfuchung unb nach Eröffnung beS £auptoerfabrenS fielet bie Ent* 
fcheibung, ob ber ©rief fofort bem SBetbciligten auSjuhönbigen, ober 
bem ©taatSanroalt oorjulegen ift, bem Stichler tu." 
AuS biefen Steuerungen roirb aüerbingS §u fchliejjen fein, bafe £) aide 

— foroeit eS fich nicht um baS Verfahren beS Amtsrichters im SJoroerfahren 
hanbelt — bie Anficht fiöroe'S nicht theile. 

Sie fog. Materialien bieten einen Anhalt jur Entfcheibung ber «Streit* 
frage nicht bar. 

Ser §.91. beS Entro. ftimmte — abgefehen oon ber burch bie $uft. Rom. 
herbeigeführten, bie Uebertrctungen betreffenben Einfchaltung — mit bem §. 100. 
©t. SBroj. D. überein. 38aS in «e$ug auf ben erfteren in ben SJlotioen gefagt 
ift, pnbet bafjer auch auf ben lederen Anroenbung. Siefelben fprechen fich i e * 
boch über bie oorliegenbe grage nicht aus (©. t>4, 65). ©ie ermähnen nur, 
baß bie Eröffnung einer in Sefchlag genommenen $oftfenbung nur burch ben 
dichter angeorbnet roerben bürfe, Iaffen aber bie «frage, roic nach Eröffnung 
ju oerfahren fei, ittSbefonbere, ob ber dichter ber StnatSanroaltfcbaft bie ttenntnijj- 



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fc§. 99. m\X> 100. et. Ikoj. C. 403 

nannte oon bem .gn&alt ber geöffneten ©riefe u. f. ro. oorenthalten bürfe, ober 
fte geftotten müffe, unberührt. 

2lud) bei ben ©eratfmngen über bie betbät. Paragraphen in ber Suftij* 
Atommiffion ift bic Streitfrage nidjt ©egenftanb Dir Erörterung geroefen. S)ie* 
ielbe bat fid) jroar emgetjenb mit ber (SröffnungSfrage befdjäftigt, bie bem Südjter 
be$ro. oer ©taatSanroaltfchaft nach ftattgehabter (Eröffnung beS ©riefeS in ©e$ug 
auf ben 3nl)alt bcffelben juftehenben ©cfugniffe aber md;t befprochen; Protofoll 
©. 104—107, 846—848. 2)affclbe gilt com 3leta)Stage. 3n bemfelben ifl bic 
,§eiltgfeit beS ©riefgehetmmffeS unb bie SJtothroenbigfeit ber SBahrung beffelben, 
unter immer roteberfehrenber £>inroetfung auf ben — nach roef entlich anberen 
©orfdtjriften befjanbelten — ftall" £ebochoro£fi, in fehr lebhaften, jeboa) oom 
2lbg. Dr. fiaSfer (<&tenogr. ©er. ©. 452) als „nerroorren" bezeichneten S)e* 
batten jum Qxotdt ber ©efdjränfung ber ©efugniffe ber ©taatSanroaltfchaft geltenb 
gemalt roorben. 2luf bic \)kx oorltegenbe ftrage begehen fid) bagegen nur 
gelegentliche ©emerfungen beS 2lbg. Dr. iJaSfer ©. 449, ©p. 2.: „nur ber 
dichter bürfe ben ©rief eröffnen unb oon bem Inhalt beffelben allein Äenntnife 
nehmen, bis ber 3">ecf beS ©efefceS als oorliegenb oon ihm anerfannt fei," unb 
beS 2lbg. ©truefmann (6. 451, 6p. L): „ber Staatsanwalt neunte nur ben 
äußeren 2Wt (ber ©efa)lagnahmc) oor, aber bie genauere Prüfung, baS Sefen 
beS ©riefeS, müffc oon bem Stifter oorgenommen roerben; benn eS fyeijje im 
erften ©aß beS §. 91. (beS @ntro. §. 100. 6t. pro$. D.): bafe bie Staatsanwalt^ 
idmü ben ihr ausgelieferten (Begcnftanb, unb swar ©riefe unb anbere ^Joft* 
fenbungen uneröff net, bem Siebter norlegen müffe; ber Staatsanwalt befomme 
alfo gar nicht einmal oon bem Inhalt ßenntnifj, fonbern ber dichter habe bie 
weitere Prüfung oorjunehmen." ftiefe Sleufecrungcn jweier Slbgeorbneten haben 
aber oon (einer Seite eine ©efpredfmng erfahren, unb fdwn aus biefem ©runbe 
fann ihnen ein ©influfe auf bie Gmtfcheibung einer fo mistigen ftrage nicht ein* 
geräumt roerben. 6S ijt aber auch ©truef mann'S £inroetfung auf ben §. 100. 
St.proj.D.nid)t jutreffenb, ba— roie bemnächft bescheren nad&geroiefen roerben fott 

— barauS, bajj ber Paragraph bem Stichler bie ©cfugnifj norbe^ält, ben ©rief ju 
eröffnen unb baburch ben ©chlufeaft ber ©efd^lagna^me ju oofljie^en, ein 
SJtehtereS nicht folgt, au8 bafj er fetnerfeits jur Äenntntfjnahmc oom 3nt)alte 
beffelben berechtigt fei, nicht alfo, roie 6trucfmann meint, bap er ber Staats* 
anwaltfdrjaft bieS 9tedt)t oorentt)alten bürfe. 

2>a enblia) auch ber ©ericht ber 3ufl |om. o. 28. Oft. 187G 6. 26 bie 
6trcitfragc nicht befpriapt, roirb bic ©ntfcheioung berfelben lebiglich auS bem 
Inhalte ber einfchlagenben gefefcltchen ©orfa)riften h^snleiten fein. 

$>ie Prüfung berfelben läßt Söroc'S 2ln|lcht als bie richtigere erfreuten. 

o. ipolßenoorff beruft fia) für feine Meinung, ba& bem dichter bie 
©ntfeheibung, roie über bie Eröffnung ber faiftrten Poftfenbung, fo auch barüber 
alletn suftetje, ob ber Inhalt berfelben jur Äenntnife ber ©taatSanroaltfchaft su 
bringen fei, lebiglich auf bie Analogie beä §. 110. k (Hbf.) 4. 

ßunächft enthält aber bie ©orfchrtft: „2)er mtdt}ter hat bie — bei einer 
©urchfuchung norgefunbenen — ju einer ftrafbaren £anblung in ©ejiehung 
ftehenben Rapiere ber ©taatSanroaltfchaft mitjutheilen", nicht eine auSbrttct* 
lia)c ©eftimmung, ba§ ber dichter bem 6taatSanroalt bic (ginftcht in bte 
Papiere nicht ju gefiatten brauche; man gelangt oielmehr au« berfelben, in ©er* 
binbung mit bem erflen 6ab Oes §. 110., nur ju ber ^onflufion, bafe bie 
Prüfung beS Spalts ber papiere bem dichter oorbehalten fein folle. 6d£)on 
aus biefem ©runbe roürbc eS bebenEltch fein, eine fo fütguläre ©orfchrtft, roelche 

— unter Slbänberung beS, bie durchficht ber Papiere auch bem ©taatSanroalt 
gefiattenben §. 99. beS ©ntro. jur ©t. Proj. 0. — oon ber ^ufl. Äom. (Prot. 
6. 120 122, 853) befchloffen ifl, auf ben §. 100. analog jur 2lnroenbung 
$u ortngen. 

27* 



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404 §§• unt5 loa @t - ^ r °J- °- 

$iefe analoge Slmoenbung ©erbietet fiä) aber aua) beSljalb, weil ber 
3. 110. einer anberen SHeajtSmaterie, als ber §. 100. angehört, baS Saa> unb 
s jtea)tSoerbältnife in bemfelbcn wefentlia) oon jenem oerfa)ieben ift, unb bie 
®efia)tSpunfte, roela)e ut crjffVm bei ber 2tuSfa)ltef?ung ber ©taatSamoaltTdjaft 
oon ber Prüfung ber Rapiere leitenb fein tonnten, bei Dem §. 100. auSf Reiben. 

tiefer lefeterc ^aragrapb befa)äftigt fia) auSfa)liejjlia) mit ber ©efa)lag« 
nabme oon ©riefen unb anberen Senbungen auf ber $oft. SDiefe für fia) be* 
jtebenbe 3Jiaterie finbet tyren 2tbfa)lufe in ben §§. 99—101. Sei biefen ©e* 
fa)lagnaf)men tyanbelt eS fia) nia)t nur in ber föegel um einen einzelnen ober 
bod) um beftimmt be$eia)nete ©riefe — wie aua) in ber ^uft. Äom. S. 122 Jjer* 
oorgeboben tourbc - fonbern fie werben nur oorgenommen, roenn bie Staats» 
anioaltfa)aft fa)ou ©eranlaffung ju bem ©erbaute l)at, bafj gerabe biefe ©riefe 
für eine anhängige ober in ber Vorbereitung begriffene Unterfudmng oon ©c 
beutung feien. $n einem folgen ftaUc ber StaatSamoaltfd)aft bic (Sinfia)t beS 
©riefcS aua) bann su entstehen, wenn ber Stifter jenen ©erbaa)t bura) X1)at< 
faa)en unterftüfct befunben, alfo bic im §. 99. angegebenen VorauSfefeungcu 
ber 3nläffigfeit ber ©efa)lagnabme als oorliegenb anerfanut unb bentaufotge bie 
öeffnung beS ©riefeS angeorbnet fjat, müfcte für eine nia)t gu rca)tferttgenbe 
£äljmung ber StaatSantoaltfa)aft in ber Erfüllung if)rer 2lmtSpflia)ten gelten. 
28efentlia) anberS finb bic ©orauSfcfcungeu ber in ben §§. 102—111. bebaubcltcn 
„25ura)fua)ung ber SBolmung unb anbercr Flaume, fotoie ber ^erfon unb ber 
Saa)en." Um eine fola)e ju rea)tfertigcn, oerlangt baS <$efefe (§. 102.) ein 
iWe^rcreS nia)t, als bafi ber baoon ©etroffene „als Sfjäter ober Xfjetlncljmer 
einer firaf baren .panblung ober als ©cgünftiger ober gebier oerbädjtig ift," es 
genügt felbft, „wenn ju o er mutzen ift, ba§ bie S)ura)fua)ung jur Sütffinbuna. 
oon ©eroeiSmitteln führen werbe." §inben fia) bei einer folgen „$ura)fua)una" 
Rapiere beS oon ibr ©etroffenen (§. 110.), ju beren ©efajlagnainne ber fic 
leitenbe ©eamte fia) oeranlafet fief)t, fo fanu bieS etioaS 3ufäUigeS, aufeerbalb 
ber 2lbfia)t, meldte ber Staatsanwalt bei ber £)ura)fua)ung ©erfolgt fjat, liegenbes 
fein. £>icr liegt alfo baS ^ntereffe b«B loteten, oon bem $nbalte ber Rapiere 
bebufs Prüfung, ob berfclbe „ju einer flrafbaren £anblung in ©eatclning ftebe" 
(§. 110. Hbf. 2.), ÄenntniB $u erbalten, ungleia) ferner, als in fällen beS §. 100. 
(SS märe baljer burd)auS unberca)tigt, barauS, bafe bic St. Sßro*. 0. in ben 2)ura> 
fua)ungSfällen beS §. 1 10. ben Marter sur 3Jtittbeiluna, in ©efdjlag genommener 
Rapiere an bie StaatSGnwaltfa)§(t erft bann ocrpfltdjtet, wenn biefelben naa) 
feiner 2lufia)t ju einer ftrafbartn §anbluug in ©ejie^ung flehen, fa)lieBen p 
raollen, bafe bie StaatSamoaltfa)aft aua) nia)t ein 9tea)t auf bie Ginjiajt foleber 
©riefe unb fonftigen Senbungen bobe, njela)e auf ber Sßoft unter ben roefentUa) 
anberen ©orauSfejpngen beS §. 100. auf ijjren Eintrag beSbalb in ©cfa)lag m> 
nommen morben |mb, rocil ,,^b a tfoa)^n oorliegen, aus benen ju fa)tiefeen ift, 
bafe ibr,3nbalt für bie Unterfua)ung ©ebeutung ^abe." (§.99.) 

$äüt aber für bie Streitfrage bic oon o. ^pol^enborff für fein ©otum 
allein geltenb gemaa)te ^inroeifung auf bic SÜnalogie beS §. 110. Sbf. 4. fort, 
unb ifl bemjufolgc nur ber ^ntjalt ber §§. 99. bis 101. felbft cntfdjeibenb, fo 
fpria)t für iöroe'S 3lnjidbt in erfter Sinie, bafe es $ur s Jiea)tfertigung ber ent* 
gegengefc^ten SluSlegung oeS 100, um fo mct;r eines auSbrüdflia)cn 9luSfprua)S 
beS ©efefees beburft bätte, als eS fia) bei ber ©cfa)lagnabme oon ©riefen auf 
ber ^ioft in ber Siegel um fa)ioerc Straff alle, inSbefonbere um ftaatSgcfäl;rlia)c 
©erbrea)en ^anbelt, baS ©efe^ mitbin, bei aüer Wüdfia)t auf SBa^rung beS ©rief* 
getyeimniffeS, Slnftanb $u nebmen batte, ben Sauf ber ^ufti} ju bemrnen. 3>aft 
eine fola)e auSbrüdlia)e ©orfa)rift i^rer 2lnfia)t jur Seite fle&c, beljaupten 
o. ^ol^cnborff unb Heller nia)t; (Srftcrer giebt oielme^r mit beftimmten 
Korten ju, bafe bas ©efe^ barüber fa)roeige. 



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§§. W. mit 100. ©t. ^toj. 0. 



405 



3n ber %fyat fehlt eS aber nic^t nur an einer ©eftimmung, bafj ber 
Richter allein ben faifirten ©rief lefen unb ohne (Sinoernebmen mit ber Staate 
anmaltfchaft barüber entfcfjetben bürfe, ob fein ^n^alt für bie Unterfudjung 
©ebeutung h<*be; fonbern eS ift auch in ben brei Paragraphen nirgenb auS* 
gefproeben, baß bie @r Öffnung nur burch ben Richter felbft ftattfinben muffe, 
rote o. ßolfeenborff unb Ä eller in ben oben mitgeteilten ©cmcrfungen an* 
aunebmen fchetnen, unb o. ©a^roarse 6. 231. 8. (Kommentar jur St.^roj. D.) burdf) 
oie2öorte: „bie Eröffnung fann nur burd) ben Richter erfolgen", aus* 
gef proben, aud) bei ben Debatten im Reichstage oon2lbgeorbneten unb bemßommtffa* 
riuS ber Regierungen, ®eh- 0. R. 91. öanauer mit mehr ober weniger ©eftimmt* 
beit geäußert rooroen ift Senn berläbf. 3. beS §. 100. überweift bem Richter 
lebiglia) bie „ßntfcheibung über bie Eröffnung", b. h- boch nur: bie ©eftimmung 
barüber, ob bic Eröffnung — objcftit» — ftottyuftnben ober ju unterbleiben habe. 
2)afür, bafj ber Richter perfönlidb fich ber Eröffnung ju unterstehen habe, fte 
alfo nicht einem anberen suoerläffigen ©eamten übertragen bürfe, fehlt eS an 
jeher Slnbeutung. ^enen Sorten: „ßntf Reibung über bie (Eröffnung", ift aber 
um fo größeres @eroia)t beijulegen, als im 3lbf. 1. beS §. 110. in ©ejug auf 
bie bei einer 2)urd)fuchung in 5öefd|IWg genommenen $apiere bie wefentltcb 
oerföiebene gaffung gewählt ift: „@ine ^Durchficht — ftctjt nur bem Weiter ju." 

6ntf)ält aber hernach baS ©efefe eine ©orfchrift fo wenig barüber, baf? 
auch bei einer rechtmäßig erfolgten ©efcblagnahme nur ber Stifter, mit 
SluSfcbliefjung beS Staatsanwalts oon bem Inhalte beS faifirten ©riefe« Äenntnife 
nehmen unb ihn in ©ejug auf bie Unterfucbung prüfen fofle, noch auch felbft 
barüber, baß bie Eröffnung beS ©riefe« oom Richter allein auszuführen fei, fo 
muß angenommen werben, baß ber Staatsanwalt, fobalb bie oon ilmt ausgeführte 
©efcblagnahme ridjterlidj)erfeitJ& beftätigt, unb bie Eröffnung beS ©riefeS auf 
richterliche Slnorbnung — gleichoiel oon welchem ©eamten — bewirft ift, in bie 
ihm in ben §§. 158., 159. eingeräumten Rechte eintritt, alfo ben Inhalt beffelben 
prüft, um feinerfeitS beurteilen Ml fönnen, ob er auf bie llntcrfuchung oon 
ßinfluß ift. 

$)tefe aus ben ©eftimmungen ber §§. 99. unb 100. jur Rechtfertigung 
ber Slnftcht oon Söme fid) ergebenben ©rünbc finben aber auch eine wef entliche 
Unterfiüfcung barin, baß auch de lege ferenda eine ber entgegengefefcten Meinung 
entfprechenbe ©orfchrift in bem ©rabe jweefwibrig erfreuten müßte, baß nicht 
wohl angenommen werben fann, baS ©efefc höbe — unb überbieS fttUfchweigenb — 
mit bem §. 100. ben ihm oon Söwe'S ©egnern untergelegten ©inn oer* 
binben wollen. 

S)enn oon biefer Anficht ausgegangen, -»würbe ber 3 roec ^ ber ©efd)lag* 
nähme oon ©riefen auf ber $oft unausbleiblich in oielen fällen aus bem ©runbc 
oereitelt werben, weil ber Staatsanwalt außer 6lanbe ift, ben Richter über alle 
bie in cinanber greifenben Umftänbe, welche bic ©efchlagnahme hoben nötfng 
erfcheinen laffen — jumal in oerwicfelten Unterfuchungen — im ©orauS fo ooll* 
ftänbtg $u informiren, ihm bie in'S 2luge ju faffenben ©eficbtSpunfte fo 
fpejicll ju bezeichnen, um ihn ju befähigen, ftch beim Scfcn beS ©ricfeS ein Ml* 
oerläffigeS Urthetl barüber ju bilben, ob bie barin enthaltenen 9ftittheUungcn 
unb Steuerungen auf ben @ntfchlu§ beS Staatsanwalts, Slnflagc \u erheben, 



ncht auf anbere ibm befanntc Umftänbe einen fixeren Inhalt, fei es jur 
©eurtheilung ber 2lrt eines SeliftS, fei eS in ©ejug auf bie £f)äterfcbaft, bar- 
bieten. Um biefem SKißerfolge burd; feine bem Richter ju ertheilenbe Information 
oorbeugen m fönnen, müßte ber Staatsanwalt felbft oon bem 5 n ^ a l te ber 
faifirten ^oftfenbung mehr ober minber fpejidl unterrichtet fein, was nur auS- 
nahmSmetfe ber gall fein wirb. 




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406 85 w - »«*> 10a £t. $toj. O. 

SDtefe Stacbtheile für bic StrafredjtSpflege treten befonberS in'S fiid^t, 
roenn erroogen wirb, bafj fidt> bic §§. 09—101. niebt bloS auf ade m ©rteffonn 
in juläfftger ©röfje eingehenben, fonbern auch auf jebe anbere 2trt von $oft* 
fenbungen jebroeben Inhalts, alfo auch auf bic mit ben oerfdnebenartigften 
$rucf)achcn angefüllten, auf ber $oft beförberten $acfete unb bergt, bejiehen. 
än einem folgen gälte müfete fieb ber Staatsanwalt, j. £). auch bei norliegenben 
beftimmten SJerbadjtSgrünben für baS im §. 85. 6t. ©. 33. bejeidmete Ser* 
brechen, bei ber erflärung beS Richters beruhigen, bafe er etroaS auf bieS Sßer* 
brechen SeaügltcJeS in ben in Skfdjlag genommenen ©cgenftänben nicht ge* 
funben Imbe. ©r mürbe auch aufeer Stanbe fein, eine SBefdnoerbe gegen ben 
©efcheib beS iRichterS ju begrünben. 3)enn hierzu müfjte er beftimmt rotffen 
unb bem Ijotjeren 9Ucf)ter glaubhaft machen fönnen, bafe ber 3nfjalt ber $oft* 
fenbung für bie Unterfucbung ©ebeutung fm&e; biefe Äenntnife fönnte er aber 
nur bur<h bie — ihm com dichter oerraeigertc — (Sinficbt beffelben erlangen. 

(5S läßt fiaj auaj nicht behaupten, bafe ber auf Söabrung beS ©rief* 
geheimmffeS abjielenbe 3me<f ber §§. 99. unb 100. @t. $roj. 0. oereitelt roerbe, 
wenn ber 6taatSanroalt|cbaft bie (Sinftcht in ben eröffneten ©rief geflattet roerben 
müffe. $>enn baS ©efefc aiebt baburch, bafe eS — roie oben nachgeroiefen — 
bem 9%id^ter nur bie (Sntfdjeibung über bie ©efefemäfeigfeit ber erfolgten ©e* 
fcblagnabmc unb barüber, ob bie Eröffnung ftattjufmben Imbe, überroeift, ofme, 
über bie lefctere hinaus, auch in ©ejug auf bie einfielt in ben geöffneten ©rief 
einföränfenbe ©eftimmungen su treffen, genügenb beutlich ju erfennen, ba& eS $ur 
2Bahrnef)mung beS ^ntereifeS ber bei ber $oft)enbung ©etheiligten für auSreichenb, 
unb eine Älage ber Sefeteren übet bie (5infid)t beS Staatsanwalts in ben Jnhalt 
ber für fie beftimmten Senbung für unbegrünbet erachtet, fobalb ftd> ber dichter 
nach uorgängiger, buref) bie Scblufjoorfcbrift beS §. 99. geleiteter Prüfung über* 
äeugt, baj 2 bat fachen oorliegen, welche barauf fdjliefeen laffen, öaf> Oer Inhalt 
ber Senbung für bie Unterfuchung Sebeutung habe, bie ©efchlagnahme mit* 
hin mit Stecht erfolgt fei. 

$n ber Ztyat mürbe auch eine Sefiimmung, bafe ber eröffnete ©rief allein 
com Stichler gelefen roerben bürfe — felbft abgefeben baoon, bafc baS ©efefe 
bemfelben, roie oben nachgeroiefen, nicht »erbietet, ihn burd) einen Anberen 
öffnen ju laffen — in biefer Allgemeinheit unausführbar, baher unjroecfmäfetg 
fein. (SS aeiat ftd) bieS beifpielSroeife in fällen, roo ber Siebter bie Spraye, in 
welcher ber Sörief ober bic $)rutffd)rift abgefaßt ift, niebt oerfte^t, alfo bie Mlfc 
eines S)olmetfd^erS in 2tnfprucb nehmen unb bemfelben $u biefem Rmta bie 
6d)rift behufs Anfertigung einer Ueberfc^ung bcrfelben für bie Elften aus» 
|änbigen mufe. ferner, roenn Serbacbt oorliegt, bafe bie ^oftfenbung jur 3}er* 
Übung eines 93erbrca)cnS beftimmte ©egenftänbe enthalte, beren Unterfuä^ung 
burd^ Saa^oerftänbige erforberlitb ift. 3n folgen fällen mürbe jene ©eftimmung 
ba^in fübren, bafj ber %xil)aU ber ^oftfenbung jroar bem jur ^Serfcbroiegenbeit 
ni^t verpflichteten S)olmetfcber (©er. iö. ®. §. 191.) bejro. 6acboerftänbigen, niapt 
aber bem $ur 2öal)mel)mung beS gntereffcS ber 6trafrecbtSpflege berufenen 
StaatSanroalt befannt roürbe. SMe^nltdb, roenn bic 33cfa)lagnal;me §u einer Qtit 
ftattjtnbet, roo üdj bie Slftcu muh abgefcbloffener ^orunterfuebung bei bem £anb< 
geridjt befinben, um über bie Eröffnung beS ^auptoerfahrenS 8efa)lufe ju faffen, 
ober roäbrenb ber 3roifcl)enseit jroifcben ber Anberaumung beS Dermins jur 
^auptoerbanblung unb biefer felbft. $n folgen fällen ift ber ißorft^enbe, bejro. 
ber Slefcrent, genötbigt, in einer Sifcung beS HoQegiumS foroobl barüber, ob bie 
Söefcblagnahme gerechtfertigt, bie ^ßoftfenbung baber ju eröffnen fei, in ©egen* 
roart ber jur 2lnroefenbeit berechtigten Beamten Vortrag ju halten, als auch 
eoent. bie 6chrift behufs Prüfung ihres Inhalts ju ocrlefen. S)ie ©eheim* 
haltung beS lederen im ftalle feiner SebeutungSlofigfeit für bie Unterfuchung 
roürbe baher uam yu ermöglichen fein. 



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§g. !«). unfc 100. 6t. Uro*. O. 407 

$)ie oorfteljenb gegen bie 2lnud&t oon o. £olfcenborff unb ©enoffen 
geltenb gemalten ©ebenfen bürften bie oben auSgefprodrjene Meinung red)t" 
fertigen, bafj, felbft roenn man — was ntd&t nadnoeiSbar ift — in ber ^uft. Äom. 
ober im flfleidiStage baoon ausgegangen wäre, ber 9tt$ter foUe befugt fein, bem 
Staatsanwalt ben 3nfyalt &e« ©rtcfeS u. f. ro. oorjuentljalten. roenn biefer nad) 
feiner alleinigen 2lnfid)t für bie Unterfudjung feine ©ebeutung ^abe, eine 
foldje 2lnorbnung im öinblicf auf bie ber StrafrecbtSpflege Daraus brofjenbe 
eroftc ©efä^rbung im öefcfc auSbrü<flid& auSgefprodjen fein müfete. 

2öie bereits angebeutet, roeidjen bie 2lnfid)tcn oon £>alcfe unb Heller 
infofern oon o. $olfcenborff ab, als fie 3roifcf)en bem im ©oroerfafjren oon 
ber StaatSanroaltfd)aft angerufenen 2lmtSrid)ter einer* unb bem Unter fudjungS* 
ri$ter unb bem 3tia)ter nadE) eröffnetem .^auptoerfaljrcn anbererfcitS unterfd&etben. 
2Bä£renb o. ftolfcenborff eincS fold)cn Unterf^iebe3 nidjt (frroäfmung t&ut, 
alfo bie Gnttfcbetbung Darüber, ob ber^nljalt beS ©riefeS für bie Unterfudnmg 
oon ©ebeutunc; fei, aud) bem im ©orucrfaljrcn fungirenben SlmtSrid>ter allein 
oorbef)alten roiffeu roill, fagt 

Salcfc in biefer ©ejieljung in ber Siotc 5. ju §. 100. im äßiberfprucf) 
aud) mit SÖroc, welcher S. 394. 9. bem s Jlid)ter aua) im ©orbereitungSoerfafyren 
bie (rntf Reibung, roie über bie ©cfcfjlagnaljme, fo über bie Eröffnung juroeifl: 

„3m @rmittelungSoerfal)ren mufe ber föidjter bem 2lntrag,e auf 
(Eröffnung beS ©riefeS ftattgeben, rocil er bie 3roetfmäfugfett ber 
UNafjregel nia)t ju prüfen bat;" 
unb in ber bort oon ilmt in ©ejug genommenen 2lnm. 2. ju §. 110. Reifet eS 
im 2lnfd&luf? an bie ©emerfung, bafj ftdj bie ©orfd&rift bicfcS Paragraphen felbft* 
oerftänblid) aua) auf bie auf ber $oft mit Söcking belegten ©riefe (§. 100.) 
bejie^c: 

„ftanbelt csS ftcb um eine ©riefbefd&lagnafjme im ©oroerfatyren, 
fo fteTjt bie (Sntfd&cibung barüber, ob ber $nf)alt beS ©riefe« für bie 
Unterfudumg oon ©rbcblicbfeit ift. lebiglict) ber StaatSanmaltfdfwft 
ju, unb fyat ber 9üd)ter alfo in biefem #aHe ben ©rief, nad&bem er 
benfelben geöffnet unb oon bem ^nljalt Äenntnifj genommen, of>nc 
s JBeitereS bem Staatsanwalt oorjulcgen." 
gelle« bemerft 6. 92, 6. 2lbf. 2. oorrocg: 

pr ben oor ber ©r&ebung ber öffentlichen Slnflage in Slnfprudf) 
genommenen 2lmtSrichter fomme bei ber Prüfung beS 3nl>altS 
ber ^oftfenbung ber §. 160. St. $ro$. 0. in ©etra$t, 
unb fätjrt bann fort: 

„53enn beim ©orfjanbenfetn ber übrigen ©orauSfefcungen (ber 
©cjcblagnafmie oon ©riefen auf ber j'jft) oom Amtsrichter auf ©runb 
ber itym gegebenen Stufflärungen bie ©ebeutung beS ^rt^altd 
ber befchlagnafmtten ©riefe für bie Unterfuc&ung anerfannt werben 
mufe, fo fann er fie nid&t freigeben, 3. ©. roeil er ben ©cmeiS für 
öoilftänbig geführt unb bieaKaßregel beSfmlb für überflüffig erachtet, 
lieber bie 3roetfmäjjigfeit 311 befinben, ift Sache ber StaatSanwattfchaft." 
2)ajj baS ber Slnfidjt 0. £olfccnborff'S cntfpted>cnbe ©erfahren im ©or 
oerfa^ren noaj in Oberem @rabe, als roäbrenb ber ©orunterfudjung unb nad; 
eröffnetem <öauptüerfal)rcn bebenflid) unb unjroccfmäfeig erfa^eint, ift nidjt 3U oer^ 
fennen. @S fe&lt aber im @efe^ an jebem 2hu)alt §u einer folgen Unter 
fajeibung. 3)er §. 100. fpridjt aan3 allgemein oom „9tia)ter", unb cS roürbe 
fta) um fo weniger rechtfertigen laffen, oon ber ©orfa^rift bicfeS ^ßaragrapben 
ben 2lmt$rid)ter im ©oroerfafren auS3ufcbliefeen, al« ber im 9lbf. 3. beS §. 100. 
in ©ejug genommene §. U8. im (ac^lufefn^e beS 9lbf. 2. biefen ^all auS^ 
brücflidj oorfie^t, mithin im §. 100. bie SluSna^me in ©etreff beS 2lmtSrid>terS 



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408 §5. uut IUI. St yxo h . D. 



tot Soroerfabren befonber« mürbe amSgefprodtjen morben fein, wenn fic bct ?Ib* 
fid&t beS ©cfe^e« entfpräcfce. 

(£3 ifi au$ au£ bcm non Äeller in 93egug genommenen §. 160. St. $roj. D. 
— nad& weitem bct 2lmtSriä)ter ju prüfen fjat, ob eine com 6taat3anroalt be* 
antragte UnterfucijungSfmnbluna. nad& ben Umftänben be$ ftaHeS 9e[e^Itd^ juläfftg 
fei — eine Unterfiü&ung für ferne 2lnfid&t nid^t ^ermneljmen. 3)iefer allgemeinen, 
ben 35orfd^riften über bie Vorbereitung ber öffentlichen Älage angeprenben 
Sefhmmung berogirt ber auf bie S3efd)lagna^me uon Briefen u. f. m. auf ber 
$oft bejüglid&e §. 100. gänbe aber ber §. 160. l)ier Stnroenbung, fo bürfte er 
mit minbeften« gleid&em $Hedf)te non r». §olfcenborff unb Söroe für ü)re 
Meinung, bajj baS 2öort „9tid&ter" im §. 100. aud) ben ämtSrid&ter im 8tn> 
oerfafjren umfaffe, roie »on Äeller für bie entgegengefefete anficht in ©ejug 
genommen roeroen tonnen. 



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/ 



3ft es perkmä^ig, Die Peantroortung 5er frage nadj mübentben 
Umpiinben ben töefdjwarenen überlaflfenf 



SBon $ertn ©taatftmmalt Sßetetfon in 6djneibemüf)l. 



8efanntUcb bat juerfl ba« frcmjöfifäe Straftest baS ©ofiem bet foge* 
nannten milbcrnbcn Umftänbe bei bet 6trafjumeffung eingeführt. Diacbbem fid) 
bie fiärten beä Code p6nal ttllju etnfdfmeibenb geltenb gemalt Ratten, befhmmte 
ein ©efc^ oom 28. Styril 1832 bcjügliö) fämmtlieber Serbred&en, bafe eine 
£erabfefcung ber Strafe unter baS orbemlid&e Strafmaß bei bera Sor^anbenfein 
milbember Umftänbe (circonstances attänuantes) einjutreten twbe. 

$)urcb baS nämlicbe ©efefc mürbe femer »erorbnet, bafe bie grage, ob 
jene circonstances att^nuantes im gegebenen gatte norlägen, ber 3urn jur @nt* 
fäjeibung überlaffen fei. 

»iefera Seifpiele folgten bie meiften neueren beutfdjen ©trafprojejjorb* 
nungen, bie fid^ me&r ober weniger oon ber framöfifeben ©efefcgebung beein* 
fluffen liefen, na$. — 2Wmälig mürben aber in miftenfcbaftUcben Bearbeitungen 
berartig fd&roerroiegenbe Siebenten gegen bie 9Ucbtigfeit biefer (Sinridjtung erhoben, 
bafc bie Stebaftoren beS (SntmurfS jur neuen 2>eutf<ben ©trafprojefeorbnung ben 
franjöftfcben 6tanbpunft a\ä oeraltet bejeidbnen unb bemgegenüber oorfdblagen 
tonnten, bie grage nacb bem Sortjanbenfein milbetnber Umftänbe bem bie ©träfe 
jumeffenben Siebter allein $u überlaffen. 

SMe 9ieta>8taggfommiffion fam jebodE) nadj eingebenben Debatten ju ber 
entgegengefefeten Suffaffung. Äonform ben meinen früheren ©efefcgebungen 
mürbe bie dntf^eibung ber [frage ben ©efdfjmorenen mrücfgegeben unb nur 
bejügltcb ber 6timmenjäblung eine oon ber bei ber Sd&ulbfrage oorgefebriebenen 
etroaS abroeid&enbe, für bie norliegenbe ftrage aber niebt in Setradjt fommenbe 
Snorbnung feftgefteüt. 

©egenüber biefer neuen gefefolidjen (SntfAeibung tonnte eine meitere @r- 
örterung be$ oorliegenben %t)tma& überftüffia erfebeinen, roenn nidfjt bie Hoffnung 
aufregt erhalten bliebe, bafe bie ©trafprojefeorbnung bod) in mannen fünften 
einer Stadjprüfung unb ©menbtrung über furj ober lang ju unterbieten fein 
mirb. 2lud) bei ber norliegenben $rage bürfte eine nochmalige Prüfung ber in 
ber ?$rari£ erhielten unb bureb bic rriminalrecfjtlicbe Statiftit geroonnenen ©rfab* 
rungen faum ju umgeben fein, ba biefelben meines <£rad)ten£ immer lauter unb 
brtngenbcr gegen bie jefcige Regelung unb gegen bie Seftimraungen beS §. 297. 
6t. ^roj. 0. fpredjen. 



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410 3fl cs> -.werfmä&ic-,, bie Seflntiwrtuna ber graoif nad) milbetttben 

3lUe jene ®rünbe, toeld^c für bic jefeige Einrichtung aeltenb gemalt 
würben, finb tfeeüs unäutreffenb, ttjcilS ben anberroeiten feferoeren Sebenfen gegen- 
über unerfeebltcfe. 

Sei SBeratfeung ber ^ufrijgcfefce in ber StetchStagSfommiffion rourbe oon 
mehreren 2Jlitgliebern berfclben junäefeft (jcroorgeljoben, eS fei in ©eutfcfelanb 
als gemeines Slecfet an$ufefeen, jene %xa$t naefe mttbemben Umflänben ben @c* 
fdjroorenen ju überlaffen, ba in nur äujjerft wenigen ^artifulargefe^gebungen, 
roie j. 33. im Äönigrcid) ©aefefen, eine anbere Siegelung beftimmt fei. ^ier^egen 
bürfte mit Wed)t einjuroenben fein, bajj bei einer bireft aus bem fran^öfifcfeen 
Siecht entlehnten .^nftitution oon gemeinem beutfefeen Steckte roof)l mefet bie 
Weöe fein fann, unb baß bie 3eitbauer, roäferenb melier jene Sßartifularredjtc 
in Straft roaren, faum hinreichen möchte, um bie Autorität beS SllterS, ber SiolfS- 
fitte unb ber (rrfafjrung ju begrünben. S)aS ganjc ©ef$roorenengertcfet felbft 
ift ja noefe eine in S)cutfd)lanb oerhältnijjmäjjig redjt junge ©mriefetung, beren 
iBcrftänbmfj noefe fcincSroegS in &eib unb $Hut beS SSolteS übergegangen ifl, unb 
• über beren 3roecfmäfjigfeit noefe feeut ju Xage in ^uriftenfreifen viel unb lebhaft 
bebattirt wirb, ©anj befonbcrS aber ift bie fdjrourgeriajtlicfee ftrageftellung eine 
berjenigen 2)iaterien, bie noefe jum 3rocifeln, jum prüfen unb jum (Srperimen» 
tiren Slnlafj giebt. — ßine gemeinredjtltcfee (Irfaferung fann beSfealb für baS 
oorliegenbe Sljcma ficfecrlicfe niefet entfefeeibenb fein. 

Gvfeeblicfeer fönnte ein anbereS 2JJoment erfefeeinen, roel(feeS oon ©eiten 
eines befannten juriftifefeen ÄommiffionSmttgliebeS ju ©unften beS jefctgen 2kr* 
faferenS oorgefüfert ift. ©S rourbe nämlidfe oon biefem barauf feingeroiefen, bafe 
bie iui) auf bie milbernben Umftänbe bejügüdjcn SöefUmmungen beS je&igen 
©trafgefej$bud(je8 gerabe mit Slütfficfet auf bie ben ©efeferoorenen beigelegte gunftion 
rebigirt finb, mit biefer alfo berartig oerfnüpft erfefeeinen, bafe eine cinfeitige 
Slenberung bcbenflicfe erfefeeinen müfetc. (SS mufj 3unäcfeft geleugnet roerben, bafe 
bie Siebaftoren beS ©trafgefcfcbuefeeS irgenbroie auf baS bamalS gerabe geltenbe 
©trafoerfaferen iRücfficfet genommen feätten. @g n)äre bieS niefet nur unnötig, 
fonbern auefe unmöglich geroefen. ©in für bie Sauer bcfiimmteS materielles 
©cfcfcbucfe burfte fid) gar niefet an formelle SBcftimmungen anlehnen, beren balbigc 
(Smenbirung fdjon bamalS oorauSjufefeen roar. (Sine fol(fee 2tnletmung tonnte 
auefe gar nicf)t erfolgen, ba bamalS in ganj Seutfchlanb gültige formelle Sor 
feferiften noch nidtjt ertftirten. 2lber felbft roenn man roirftiefe annehmen roollte, 
bie SRebaftoren hätten gerabe bei Öefrimmung ber bei oielcn Seliften jugelaffenen 
milbernben Umftänbe ein befonbereS ©eroidit auf bie Sorfc^riften einzelner bei* 
bamals geltenben ^ro^ejjorbnungen gelegt, fo roürbe man bei genauer ©id^tung 
ber ÜWotioe oielleid^t fogar ju bem ©c^lufe gelangen, bafe fie {ebenfalls nid&t jene 
©efe^gebungen im 2luge l;atten, mit benen bie jefeige Siegelung ber grage über* 
einftimmt. $n ben 3)iotioen 311m Gntrourfe beS ©trafgefeßbud^e« nämlia) fxnb 
Sur ^Üuftrirung beS ©nftcmS ber milbernben Umftänbe einzelne ©efe^gebungen 
in ü)rcn hierauf bcjüglic^en materiellen unb proseffualifd&en 33eftimmungen auS* 
fü^rlic^ oorgefüfjrt. 5)rei oon biefen ©efe^gebungen — nämli* bie öfterrei^ifc^e, 
bie braunfd)roeigifd)e unb bic Ijamburgifc^e — fihb foldjc, roela^e bie »orliegenbc 
Syragc ber ria)t erlitten (yntf Reibung unterbreiten. S)ie beiben anbern oorge^ 
führten ©efe^gebungen fmb bie fransöftfdje unb bie bclgifcfie. ^afl fa^eint eS 
alfo, als roenn mit 2lbfu$t nur bie ber ritterlichen ©ntfdjeibung günftigen 
beutfe^en gcfe^lichen s Jlormen $ur Prüfung übergeben fmb. — ©in ^inblicf auf 
bie anbern ©efefcgebungen ift in ben ÜJlotioen, beren ©nftem ber milbernben 
Umftänbe fpäter im s )öefentlichen aboptirt rourbe, feinenfalls ju finben. — 

Uebcrfjaupt roürbe eS ücrfeljlt geroefen fein, bei Slormirung beS (SnftemS 
ber milbernben Umftänbe ben fd)rourgerid)tlid)cn ^rojefe in befonberc ©rroägung 
ju hieben, ba in einer großen :Hc iiic oon fällen, roie 3. 33. bei allen f (ferneren 
unb ben im Stücffall begangenen Siebftählen, bie Aburteilung burc^ ben 9li(feter 



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llmftänbm beu WefdworencN \\i überladen* 



411 



allein erfolgt. — ^enec behauptete ©nflufe bet ©trafprojefrBerfaffung auf bie 
gormulirung beS jefct geltenben ©trafrechts mufe fonach entfehieben geleugnet 
werben. 

GS wirb ferner su ©unften ber jefcigen ^iormtrung angeführt, bafe bie 
iogenannten railbernben Umftänbe ben im ©trafgefefcbuch befonberS ^eroorge- 
hobenen 3flilberunaSarünben gleichjufteüen finb, unb ba& fie ftd) nur als Grfafc 
Tür eine fpesieüe ÄafuifttE aller etwa benfbaren SJKlberungSmomente barfieUen. 
Söeil nun, fo wirb bebujirt, jene fpegiellen 3JUlberungSgrünbe unjmeifelhaft unb 
allgemein ber Beurteilung ber 3urn unterworfen werben, fo liegt fein ©runb 
bafür oor, bie allgemeinen ÜMilberungSgrünbe, bie in itaem 2Be|en oon jenen 
erfteren nicht oerfebieben ftnb, anberS projeffuatifch gu behanbeln. S 2US unein* 
gefchränft richtig ift ber Borberfafc nicht zugeben. Auch bie lange S)auer ber 
UnterfucbungShaft wirb als ein ©trafmilberungSgrunb im oierten Abfdfmitt 
unteres ©trafgefefcbucheS aufgeführt, oljnc bafe bie ftrage, ob eine Anrechnung 
ber ttaterfudningShaft ftatt^ufinben trat, je unb irgenbroo ben ©efchworenen oor* 
gelegt mürbe. Werabe bie Analogie mit biefem fünfte führt baju, bie behauptete 
2öcfcn5glei4)t)cit jwifchen ber $rage nach ben fpejiellen üDcilberungSgrünbcn — 
^ugenb, thätige SReue 2c. — unb ber allgemeinen 5 rQ ge nQ ch milbemben Um* 
ftänben entfehieben ju leugnen. ©rftere ift eine Stjatfrage, ledere ehte ©traf* 
jumeffunaSfrage. — ®ie (Sntfcheibung barüber, ob Seraanb unter 18 Saljre alt 
ift, ob ber %\)at eine baut anreijenbe HJUfehanblung oorangtng, unb ob Semanb 
ben (Sffeft einer Branbftiftung burch eigene freiwillige £t)ätigfeit abgemenbet hat, 
grünbet fidt> lebiglich auf tljatfächliche Erwägungen, bie bem fiaienrichter nach 
bem ganjen Sßrinjipe ber 6t. Sßroj. D. unbebingt §u übcrlaffen finb. Ob bagegen 
eine Xh ot i^rem ©cfammt^ljaratter nach mit 3uchthauS ober mit ©efängmfj §u 
fühnen ift, Dürfte lebiglich §rage beS ©trafmafeeS fein. 6S ift $mar nicht ju 
oerfennen, bafj ber dichter bei Beurteilung ber grogc nach milbemben Umjtänben 
auch rein thatfächliche Berhältniffe ju erwägen haben wirb. $>er Stichler wirb 
ftcher hierbei $u prüfen haben, welches jugenbltcbe Alter etwa ber Shäter gehabt 
hat unb welche Anregung ber ^ hat ooranging. ©enau biefeibe Prüfung mun 
aber erfolgen, wenn bie ©trafjumeffung innerhalb beS s JtahmenS beS orbentlichen 
©trafgcfefceS ju finben ift. AuS ben^ nämlichen ©rünben, jufolge beren man 
bem dichter bie ^rage nach Oer 6trafmilberung entzieht, fönnte man auch bie 
jentge, ob ©trafmilberungSgrünbe oorliegen, Den ©efchworenen juweifen unb 
baburch bie richterliche $bätigfeit ju einer gebanfenlofen Ausführung beS %uv\)* 
fpruchS toabfinfen laffen. Deicht bie fpealeu hcroorgelwbenen ©trafmilberungS- 
grünbe, fonbern bie ©trafminberungSgrünbc ftnb ihrem SSefen nach «1* gleich* 
artig mit ben allgemeinen <Sttafmilbcrüng3grünben aufjufaffen, mag ber SGBortlaut 
beS wunberbaren §. 213. ötrafgefefcbuchS, beffen oerfehlte Raffung jefet wohl 
allgemein anerfannt unb am fchlagenbften oon ftohn in ©öttingen nachgemiefen 
ift, noch fo fehr für bie entgegengefefete Anficht fprechen. ©erabe baS abfätttge 
Urtheil, ju welchem bie Äonfequenäen beS §. 213. allgemein geführt haben, 
beweift am S)eutlichften, wie wenig eine gleiche Sehanblung ber fpejtetten unb 
ber allgemeinen milbemben Umftänbe ftichhaltig, unb wie bebenflich eine Ber* 
mifchung oon thatfächlichen unb oon ©trafjumeffungsfragen ift. %ebt einjelnc 
6chwurgerichtSft^ung, in welcher Die ^rage nach miloernben Umftänben bebattirt 
wirb, läfjt genugfam erfennen, bafe biefe ?yragc junächft eine 6trafjumeffungS* 
frage ift unb fich in ber Sßrarte ftetS als folche geftalten mufe. 5Rach ber Utechts- 
theorie foll ber Laienrichter ohne jebe Berücffidjtigung ber ©träfe, beren 
ßumeffung ihm nicht äufteljt, fein Urtheil abgeben. 3n ber 5prayiS geftaltet fich 
aber bie 6ad)e anberS. S)er Berthcibiger beeilt fich, Den ©efchworenen fofort 
bie gefe^lichen Strafanbroljungen oorjuführen, um ju bem ©rgcbntf? ju fommen, 



renen überfein fich D ^ e iJ^ncn gefteUte ^ Q 8^ unwillfürlich in eine ihnen fafetichere 




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412 



3ft es jwccfmnfeiö, bie »canhoorhinfl bet grase nad) milbernben 



$lu#brucf3roeife unb bebattiren nicht barüber, ob ber oorltegenbe gafl railber 
liegt, als $ätie ber 2lrt gcroöfmlich ju liegen pflegen, fonbern barüber, ob ber 
Slngeflagte mit Sückaus ober nur mit ©efängnifj ju beftrafen ift. Unb fte 
hanöeln borin ooUfommcn richtig unb logifch. 2öenn ber ©efe^geber für aufeer* 
orbcntliche ptte eine aufjerorbentlicr)e Strafe feftftettt, fo ergebt ftcf> bei &nroen* 
bung be£ ©cfefceä nothroenbig bie Sftage, wie ho<h benn jene aufeerorbentliche 
6trafc ift, bamtt ftch erfennen läfjt, ein wie toeiteS ober engeä ©ebiet oon ftäUen 



biefer $rage gar nicht ju umgeben, raät)renb fte bei ben fpejiett aufgeführten 
Strafmilberungggrünben ot)ne jeben ©elana ift. 

2)a fonacr) bie betreffenbe $rage fetjr* leicht oon ber ^^otfrage, aber in 
feiner SSeife oon ber Straf$umeffung$frage ju trennen ift, fo mu& fie auch mit 
ber legieren oereinigt beantwortet werben. 

Glicht nur tfjeoretifdje, fonbern auch rein praftifd&e ©rünbe finb bei fteft« 
fefcung ber jefcigen gefefclieben 9torm ju ©unften berfelben oorgebracht raorben. 
Man hat behauptet, bie ©efchroorenen mürben in oielen letzteren fällen ben 
Scr)ulbigen freifprecr)en, roenn esS nid)t in ihrer SKacht ftänbe, ihm mtlbembc 
Umftänbe jusubifligen. 3Jlit Vorliebe roirb hierbei aus ber franjofifehen 9te<$tS* 
gefliehte ^eroorgeboben, roie bie urfprüngliajen harten Sefttmmungen be3 Code 
ju berart jahlreichen ungerechtfertigten §reifprecr)ungen führten, ba§ fchliefjlieh 
bie (Einführung ber milbernben Umftänbe jur SBahrung ber ©ereajtigfeit notf)* 
menbig erfdnen. $ene fransöfifche Erfahrung fpridtf unzweifelhaft für ba3 
Softem ber milbernben Umftänbe überhaupt, bebingt aber feineßroegS, bafe bie 
Jrage nach oem $ort)anbenfein berfelben oon ©efchroorenen beantwortet roirb. 
Siefen roirb in ber Segel baS ©eroufetfein genügen, bafc bie 3(nnacjmc oon 
milbernben Umftänben im fonfreten JaH juläffig ift. 2öenn man bieg nicht 
ooraußfe&t, oielmehr fich ju ber Meinung berechtigt $ält, bie ©efchroorenen 
mürben boch leicht gegen beffereö Seroufetfeht ben Schuftigen freifprechen, fatt$ 
bie äöeioilligung ber milbernben Strafe nicht in ihrer eigenen 3)tacr)t liege, 
nun bann fpricht man über ba$ game 3 n ftiM ber ©efchroorenen ein ftrifte* 
Unheil ber SJerbammung. 2Ber eine berartige 3Reinung oon bem Pflichtgefühl 
ber ©efchroorenen h at / öc * h Qnö ^t fch* unrichtig, roenn er folgert unjuläng* 
liehen Richtern noch eine ßrroetterung ihrer Äompetenj jubilligen roiU, anftatt 
bafj er ben 3Jiuth haben müfjte, mit aller Energie bafür ju plaibiren, ba£ Urtheil 
über Schulbig ober Sßidjtfchulbig ben orbentlictjen dichtem jurüefaugeben. Söer 
mit ber Schwachheit unb Äurjfichtigfeit ber ©efchroorenen reebnet, bürfte auch 
noch ein anbereS Moment jju erwägen haben, häufig genug fommen jur 
Cognition ber ©efchroorenen foldje ftäUe, in benen bie Sdjulb beS 2lngeflagten 
jroeifelhaft, feine moralifche Söerfommenheit aber unftreitig ift. tiefem Stngetl. 
gegenüber roirb ber ®efchroorene leicht oerlocft, groar ein Schulbig aussprechen, 
zugleich aber im ©efühl ber 3n^if e 'höftigfeit ber Sache milbernoe Umftänbe ju> 
zubilligen. So fönnte unter gcroiifcn ^orauäfe|ungen, bie jefct in bie ^änbe 
ber ©eichroorenen gelegte ^acht gerabc eine ungerechte öärte beförbem unb ben 
Hillen beß ©efe^geberS ocreitcln. 

5Jon ungleich größerem Vertrauen in bie Umftcbt ber ©efchroorenen jeugt 
eine anbere in ber SleichÄtagS^ommiffion bei SBeratfmng ber oorliegenben 5 tQ 9 c 
aufgeftellte Behauptung, bcr^ufolge bie ©efchroorenen bie §rage nach milbernben 
Umftänben meift richtig ju beanttoorten pflegen unb jebenfaÜS oft beffer beur- 
theilen fönnen, als eine mit 3lechtßbegriffen auSgerüftete Schulbfragc. 5)afi 
Üe^tere mag zugeben fein, ba§ (Srfterc roirb aber entfehieben beftritten. @S 
roirb ber 9lact)roci3 oerfucht roerben, baft bie ©efchroorenen jene $ragc Überhaupt 
nicht richtig beurteilen fönnen, unb bafe fie biefelbe bemgemä& auch bl ber 
3J?ehrjahl ber Öäüie falfct) beantroortet haben. 




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ttmft&nbcn txn @ef$j»ovenen $U überlafien* 413 

$ajj bie ©efd&worenen jene grage nid&t rtd&tig beurteilen fönnen, folgt 
auS bet SRatur beS ©dbwurgeriebts unb bem Segriff ber inilbemben Umftänbe. 

„SDurcb bie Rulaffung milbernber Umftänbe", fo fagen bie SJtotioe jum 
©ntwurf be£ ©trafgeTefcbuajeS, „foH bem Stifter bie ^ftid^t befonberer Prüfung 
auferlegt werben, ob nia)t, fall^ bem ©efefcgeber felbft bie Umftänbe beS fonfreten 
ftaUS oorgelegen gärten, eine milbere ©trafbeftimmung etngeorbnet fein mürbe. 
2)er Entwurf (jum ©trafgefefcbuaj) ttjut babura) baffclbe, maS onbere ©efej}* 
gebungen burdf) Aufnahme beS AuSbrucfS leichtere $älle ju erregen fud&en." 

„3n ber Annabme milbernber Umftänbe", fo bemerft ©neift bei Sera* 
tjjung ber in 9tebe ftefjenben grage, „liegt ber AuSfprud), bafe eine befonbere, 
ungewöhnlich niebrige Kategorie beS betreffenben SDeuftS vorliegt." 

Sei ber Seantwortung ber grage na $ wilbernben Umftänben mufj alfo 
einerfeits ber 28iUe beS ©efefcgeberS interpretirt unb anbrerfeitS ein Sergleidb 
mit anbern ©traffällen ber nämlidjen Art gejogen werben. 3n beiben Sejte* 
jungen finb bie ©cfdfjworencn infompetent. $n erftcrer Sejieljung ift genaue 
Jtcnntnife beS ©efefceS felbft unb ber 3uläfftgen AuSlegungSwetfe, in ber anbern 
Sejidjung frrafrecbtlicl)e SßrajiS unb (Irfajjrung nötfug. «Rur bei bem SerufS* 
riajter läfct ftcb beibeS vorauSfefcen. 9tur ber SerufSrid&ter fennt genau bie 
§öbe beS orbentltcben ©trafmafjeS unb fann burd) Sergleid&ung mit anbern ge* 
fefeudjen Straf anbr Olingen ermeffen, roie fernere ober milbe plle ber ©efe^ 
geber bei fteftfefcung ber orbentlidfjen 5Jciniraalftrafe im Auge gehabt fyat — 
Sei bem ©efebworenen mufe in ber Siegel vorauSgcfefct werben, bafj er jum 
erften 2Jlale bei Aburteilung eine« S)eliftS ber vorliegenben Art mitjumirfen 
berufen ift. 6r f>at alfo {einerlei AntmltSpunfte bafür, ob ber ibm vorgefübrte 
ftall milber als anbere berartige $äu*e liegt, unb ob biefer leiajtere Stjarafter 
beffelben als ein ungewöhnlicher aufoufaffen ift. 35er ©efdtjworene wirb alfo 
niemals bie if)m oorgelegte grage im ©inne beS ©efefegeberS in Erwägung 
sieben, fonbem fidf) vielmehr oon nagen ©efüblSregungen unb ben oft einfeitigen 
Anführungen beS Staatsanwalts unb beS SertfjeibigerS leiten laffen. ©erabe 
bei biefer $rage roitb cS barauf anfommen, ob ber Angefl. ftd> in einer pefuniär 
bevorzugten Sage befinbet, bie u)m bie Annahme eines gemanbten unb rebefer* 
tigen SertheibigerS ermöglicht, ba ber ®cfa)n)orene bei bem Langel jebeS anbern 
9)iafeftabS auf bie im ^Uubooer it)m vorgeführten Erwägungen ^ingeroiefen ift. 
©erabe weil ber ©efd&worene nietet in ber Sage ift, bie ibm oorgelegte $rage 
oon einem feften ©cftcbtSpunfte aus §u betrauten, finb in ber SßrayiS jene $&üe 
fo häufig, in benen ber Stifter bei Abwägung beS Strafmaßes ju ganj anbern 
9tefultaten fommt, als ber ©efdjworene burch Abgabe feines Spruchs beabfiebtigte. 
Aud^ ber Stifter bot bei ^eftfe^ung ber ©träfe nadt) feiner tbeoretifeben unb 
prattifd)cn Äenntnil äu erwägen. 2Benn er bann tro| beS SerbiftS ber ©e* 
febworenen, welkes bem Angetl. mübembe Umftänbe jubilligt, biefem inncrljalb 
ber i^m mfte^enben ©renken eine t;arte ©träfe auferlegt, bann fyat biefer 3®^*= 
fpalt äwijqjen ber beiberfeitigen Auffaffung ftets etwas s ^einliä)eS unb für bie 
©efd[)worenen ^emüt^igenbcS. — @S ift aber in ber SßrayiS gar nia)t fo feiten, 
ba^ bie ©efebworenen lan^c unb ctngebenb bie ^rage nad^ milbernben Umftänben 
beratben, um bann ju i^rem ©taunen p ^bren, wie bem Angeflagten eine 
ebenfo t;ot)e ©träfe, als wenn fie jene $rage oemeint fjätten, jubiftirt wirb, 
©flatanter fann wop faum nad^gemiefen werben, bafe biefe ftrage t™i ©traf* 
äumejfungSfrage ift, unb bafs bem ©efebworenen bie nötige praftifa)e unb 
juriftifebe Unterlage §ur Seantwortuna berfelben mangelt. 

(£S fann alfo aud) niebt überragen, wenn uns eine ftatifiifd^e 3ufammcn* 
ftellung oon ^urijfprüc^en lebrt, bafj bie ©efebworenen bie ^rage nadj milbernben 
Umjlänben im ©rofeen unb ©anjen berart beantwortet Ijaben, bafi ber Segriff 
ber milbernben Umftänbe als eine Ausnahme oom orbentlidjen ©trafmafee völlig 
im ©tia)e gelaffen ift. 



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414 3ft e$ iroecfmä&ifl, t>ic ^eantoortuna Der $raae nad) milbernben 

9tadj ber ©tatiftif bct preujjifchen Schwurgerichte haben bic ©efcbworenett 
im Safyn 1878 in bcn 5638 gälten, in bencn bie ftrage nadj milbernben Um* 
fxänben ir)nen oorgelegt worben ift, 2710 mal folge angenommen unb 2928 
»erneint — 6ie haben hiermit beflartrt, bafc bie oom ©efefce gewollte befonbere 
StuSnahme in faft ber £älfte ber ^ätte 5ßlafe greift, unb ba« ganje, oon allen 
^aftoren forgfältig erwogene ©oftem ber ©trafmafee ju einem ganj anberen 
geftaltet. 3 n biefer Begehung ijt an ©teile bcS ©efefcgeberS bie ^urn getreten, 
weil fie eben baju berufen unb bodj nicht im ©tanbe ift, einen gefe|geberifet)en 
2BiUen $u interpretiren. 

3^od^ prägnanter ergiebt fiä) bie Unjulänglid)fett biefer ^Interpretation, 
wenn man bie $urt;fprücbe bei ben einzelnen S)eltft£fategorien betrautet. @ine 
fiatiflifdje Sufammenfiellung für baS Satyr 1878, welche übrigen« in oorliegenber 
Bejiehung faft gleite 3ahlenoert)ältmffe, wie bie Vorjahre, aufweijt, bürfte bie£ 
nad) weifen. 

(SS finb im ^tt 1878 erfolgt: 
Sei ben Verbrechen 

1. gegen bic ©ittli<$feit 

2. beS £obtfd)lag8 

3. be8 fltnbeSmorbS 

4. ber $örpert>erlefcung 

5. bc£ ferneren SMebflatilS im wieber* 

Rotten ftüdffalle 

6. beS staube« 

7. beS Betruges 

8. ber Urfunbenfälfd^ung 

9. beS betrüglidjen BanferuttS . . . 

10. ber Branbfliftung 

11. ber 8lmtSoerbrechen 



S)aS eflatanteflc ÜRifjrjetr)ättni& ergiebt jid) bei bem Verbrechen beS 
ÄinbeSmorDeS, für welches baSÖah* 1877 fogar 58 Bejahungen ber milbernben 
Umftänbe gegenüber oon nur 13 Verneinungen auf weift, 3)er ©efefcgeber jjat 
bei fteftfefcung beS ben ÄinbeSmorb betreffenben §. 217. ©trafgefefebuchS eine 
nicht unerhebliche, aber auch nicht befonberS fwh* orbentliche ©träfe angebrollt, 
um baS Seben ber Neugeborenen ju fdjü|en unb um ein Bewufetfein D on ber 
©djwerc biefeS h Q nfig oorfommenben unb oft nicht ermittelten Verbrechens ju 
ermeefen. 2>ic $rariS ber %\\xy tmt biefe W)\ityt oereitelt unb als Siegel auf* 



440 Bejahungen i ber milbernben 
494 Verneinungen i Umfianbe, 

21 Bejahungen j b 

22 Verneinungen I 

43 Bejahungen i b 
13 Verneinungen i 

161 Bejahungen j b 
137 Verneinungen I 



83 Bejahungen 

106 Verneinungen 

107 Bejahungen 
192 Verneinungen 



271 Bejahungen . b 

961 Verneinungen ( 00 - 

| bo. 
bo. 

821 Bejahungen t h 

460 Verneinungen i °* 

95 Bejahungen | fa 
43 Verneinungen i 

35 Bejahungen i b 
41 Verneinungen ( 

135 Bejahungen | b 
50 Verneinungen i 



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Umftän&tti ben @cf(öworenen ju überladen t 415 

geftettt, bafc bie r-orfäfcliche Vernichtung eine« jungen ÜJfenfchenleben« burch eine 
©efängnifjftrafe oon 2 — 4, höchften« t»on Diahren ©efängnife genügenb gcfüfmt wirb, 
wätjrenb auf einen noch fo ntilbe Uegenben unb folgenden «Dfeincib jebenfaü« 
3ud)thau« gefegt ift. 

2öte feljr bie ^urw geneigt tft, bei ber Zubilligung mtlbernber Umftänbe 
ihren ©efühläregungen nachgeben, bürfte au« ben Verbitten übet 2tmt«üer^ 
brechen heroorgehen. gür öiefe hat ber ©efefegeber im öffentlichen ^ntereffe 
eine weit fchwerere ©träfe beftimmt, al« wie fic bei gleiten unb ähnlichen $e* 
liften «ßrioatperfonen ju Sheil werben fönnen. $er gewollte ©ffeft ift aber 
nicht erreicht worben, weil Die Surn in ber «Hegel bie nur al« 2tu«nahme suge* 
laffene ©efängnifjftrafe anwenben läfjt. — - 

6« fann hiergegen geltenb gemacht werben, bafe burch bie oon ben ©e* 
fchworenen über bie ftrage nach milbernben Umftänben getroffenen @ntfa)eibungen 
ein heüfamc« Äorreftio gegen allju große gärten ber ©efefcgebungen gegeben 
wirb. £)ie oben angeführten ©eifptele fönnen tnelleicht m bem «Jcucffchluffe 
führen, baß, gerabc weil bei einzelnen Mitten wie bei Ätnbe«morb unb bei 
Slmtöoerbrcchen meift milbernbe Umftänbe jugebifligt werben, bie orbentUdje gc* 
f etliche Strafe in biefen ftäUen für ba« Volf«bemußtfem ju unbillig unb %vl hart 
ift. Sei einer berartigen £)ebuftion jeboch, bei welcher übrigen« überfein roirb, 
baß bem ©efchworenen al« folgen bie tfenntniß be« orbentlichen Strafmaße« 
überhaupt abgebt, fteüt man ben ©efchworenen über ben ©efefegeber, ben ©inbruet 
be« einzelnen galle« über bie gorberung be« öffentlichen Sntereffe«. 

©efefct ben Jall, bie orbentliaje Straf anbrohung einer firafgef etlichen 
Veftimmung roäre rotrflich mit ^Hücffic^t auf allgemeine ©rroägungen unb auf ba« 
öffentliche Sntereffe unbtüig hoch gegriffen, fo roürbe boch immer ber «Richter 
ber fompetentere Seurtheiler fein, in roie fern bem grunblegenben ©ebanfen be« 
©efefegeber« unb in roie fem ber praftifchen ©eftattung be« einzelnen gaUe« 
Rechnung ju trogen ift. «JJtan roirb alfo bei ber Erwägung ber »frage nach 
milbernben Umftänben immer roieber auf eine ben ©efchroorenen nicht jUjumu* 
thenbe Interpretation be« gefefcgeberifchen ©ebanfen« surücfgefüfirt. 

©er ©efchroorene foU roeber bie ftunftion be« ftrafaumeffenben «Richter«, 
noch bie be« ©efefcgeber« übernehmen. Seibe« roirb burch bie jefeige Siegelung 
ber twrltegenben §rage in geroiffer &inftcht nothroenbig hetbeigeftu) rt - ©& ift 
an ber 3eit, biefe« ben ©efchroorenen juertheilte S)anaergefchen£ ju beffen ©er* 
ftänbniß ihnen bie üualififation oöllig fehlt, roieber jurücfjunehmcn, um eine 
mit bem Sinne be« ©efefoe« überein|timmenbe Straf jumeffung herbeijuführen. 
dr« ift oiel unb oft über eine ju milbe «#rart« in ber iganbhabung ber Straf* 
geroalt geflagt roorben. «Dian hat hierfür metft ben «Richter unb ba« Strafgefefc 
oerantroortlich gemacht. 3n oielen gälten bürfte e« gerechtfertigter fein, biefe 
Serantroortlichfeit einem Strafoerfahren aufeubürben, roelche« bie geftftettung 
ber Strafmilberung ber hierju unqualifijirten $urö überläßt. Unfere St. Sßroa. 0. 
jeigt genugfam bie $enben$, bie richterliche tfompetcnj unb Verantroortlichfeit 
SU heben, roarum traut man aber bem «Richter nicht $u, bie grage nach milbernben 
Umftänben beffer al« bie ©efchroorenen 311 beantworten? 



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3$ur Urafredjtüdjftt ^eurtljetlunj in Sdju^enofffnfdjnfteii. 



$on Gerrit Dr. GorbeS. 



2öenn auch bcr ©chmerpunft biefer abfmnblung naturgemäß in ber firaf* 
rechtlichen ©cite be8 Z\)tma& liegt, fo wirb bodj eine oorhergehenbe Beleuchtung 
unb Prüfung ber #rage au <$ national-öfonomifchen ®efid)t$punften, foroic 
eine genaue girirung bcr ©efdjäftSprarte ber 6d)u&genoffenfa)aften unb if>re3 
3ioecfeS nicht 311 oermeiben fein. 

©erabe bie SSerfennung ber 23cbeutung bcrfelben für baS faufmännifaje 
fieben, ber ©lauben, bafe c& fidt> bei ben 6a)ufcgenoffenf$aften geroiffcrma&en 
um Bereinigungen jur (Stn$iet)itng rechtsungültiger ivorberungen fmnoelt, läfct 
ben prafttfeben fünften oft an bie fira fr ertliche 6eite ber 5 ra 9 c ntft einet 
geroiffen Voreingenommenheit herantreten, meldte für bie @ntfd;cibung berfelbcn 
r»on feinem geringen ©inffuffe ijt. 

Unfer faufmännifcher Bcrfchr beruht auf einem roeitüerjioetgten ^erfonat- 
i£rebit*Si)ftem. 

2)ie oon ben gabrifanten entnommenen 5öaaren, btc ©rjeugniffe ber 
Sjkobujenten werben erjt nach einer längeren 9lci^c oon 3Konaten oon ben ©rofj* 
änblern befahlt, biefe hoben roiebet eine geraume Qtit auf 8efriebiaung bureb 
ie Älembänblet, ledere eben fo lange auf 6$ablo3f)<ütung burch ote Äonfu* 
menten ju matten. 

3e länger nun biefe Söartejeit be$ BertauferS — ba3 glel — ift, beflo 
me^r ifi er ber ©oentualität auSgefefct, bafj fein ©dmlbner ben übernommenen 
Verpflichtungen nicht nachkommen roerbe, befto fiärfere Garantien mufj er für 
feinen „©lauben" an bie 3ahtong3fähigfett bcffelbcn haben. 

HJlan hat nun gerabe bei un3 in 35cutfchlanb, reo baö ufanccmäfjige Rid 
mehrere i'ionate über baS ber 9iacbbarlänber hinausgeht, bie umfangreitfjften 
(Stperimente gemacht, um ftch biefe ©arantien su oerfebaffen. 

S)ie einfachen Anfragen bei einem ober mehreren ©efchaftSfreunben er* 
uuefen fid) bei bem enormen Söachfen beS ©efchäfts^erfehr« in ben legten 
Jahrzehnten, namentlich aber bei ben burd) $ublijirung be« <fretjtigigfett£*@e<= 
fefce« begünftigten, beftänbigen gluftuationen in ber faufmännifchen äBelt, al& 
burd>au£ ungenügenb. 

$ie großen ©elbtnftitute, bie frühere preufjifche SJanf unb ibre Nachfolgerin, 
bie 9teich$banf, finb jroar im ©tanbe, oermöge ber 3ufammenftellung ber Seob* 
achtungen ihrer gilial-2)irettoTen bie Ärebitroürbigfeit ber in ben ©efehäftöbereich 



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4, 



3ur ftrafredjtKaVn 9?eurU)euung ber ©dju^eiioffenf^aften. 4x7 

ber Sauf ©eljörenben ju tariren unb nadj bcm Slefultate biefer ©chäfcung bcn 
oon ihr $u geroährenben Ärebtt im ©injelfaKc ju befhmmen. 

2)iefe in einer befonberen Ärebitufte jufammengefiellten Beobachtungen 
finb aber nur bem $>irettorium felbft zugänglich unb ber Senufcung burdj britte 
^erfonen entzogen. 

S5er mit geringeren Mitteln unb im geringeren Umfange arbeitenbc 
Kaufmann, bem folche Littel nicht jur Verfügung fielen, mar in ber 3nmng«* 
lage f entroeber auf ©runb weniger, nicht immer unparteiifcher lieferen jen Ärebit 
tu geben, ober burdj Serfagen De« Ärebtt« felbfi ben Äuffchroung feine« ©e* 
fa;äfte5 m uerbmbern. 

um biefem allgemein anerfannten Uebelflanbe abhelfen, ber nicht nur 
in pefuniärer Sejiebung bie Verlaufet fthäbtgte, fonbem auch tmrd) ürboljuna. 
be« ÜJftjjtrauenS auf ba« ganje fommersieUe Seben ben fcf)limmften ßünfluf} tyatte, 
trat cor ungefähr einem Sabraelmte eine 9fo$at)l oon Äaufleuten jufammen, um 
fich gegenfeitig — nach bem oben ermähnten $rin$ipe bcr größeren Saufen — 
genaue Mitteilungen über bie $ahlung«fähigfeit ihrer einzelnen Kommittenten 
\u machen unb fi<^ fo oor bem überhanbnehmenben $ertrauen«*2Jti|brauche ju 
1<hüfcen. @« mürben £>ire!torien in ben größeren ©tobten errietet, an toeldjc 
bie einzelnen 2Hitglieber ihre Anfragen richteten unb beren Anfragen ftc felbft 
roieber nach beftem 3Btffen unb ©eroiffen beantworteten. 3Kit biefen gef^äftö- 
führenben ßentralftellen, beren Hauptaufgabe e« mar, auf ©pejial^Stafragen 
©pejial^Jicferenjen $u fammeln unb m oerujeilen, rourbe bemnächft noch eine 
peite 2lbu)eilung oerbunben, melier bie Aufgabe jufiel, bie tarnen derjenigen 
tn einer fitfte jufammenaufteUen, meiere naa) Der oerbürgten 2lngabe eine« m\U 
gliebe« bereit« bie Regeln be« faufmännifegen ßrebit« übertreten, ein ÜJlitglieb 
burd» Nichterfüllung ber 3ahlung£oerbinblich!eit aefd^äbigt Ratten. 2)iefe Sifte 
rourbe bann ben SDiitgliebem, bie fich burch Unterfchrift jur ©e^ehn^altung ber* 
felben oerpflichtet hatten, monatlich jugefaubt. 

Skr ®efd>äft«gang geflieht in ber 3Beife, bafe ba« gefchäbigte TOglieb 
formularmäfeig ba« 2)irertorium benachrichtigt, bafi ber — nach tarnen, ©tanb 
unb Söolmort $u bejeidmenbe ©chutbner — ben SBetrag ber gaftura nach pHigfeit 
berfelben nicht befahlt höbe, unb bie Slnmahnung be« ©ajulbner«, eoent. roenn 
berfelbe nicht roiberfprochen, bie Aufnahme beflelben in bie monatliche ^rioat- 
mittheilung beantragt. 

®em ermähnten Antrage gemäfj roerben bemnächft bie al« rüdfiänbtg 
angegebenen 6d)ulbner aweimal unter §inwei« auf bie ©efchäftöführung be« 
Snftitut« jur 3 a hl un 9 aufgefordert. Sletben btefe 2Rafmungen frucbtlo«, fo er* 
folgt bie Aufnahme ber Schulbner in bie monatlichen ^rioatmittheilungen. 

3n einer folgen ÜKittbeilung, bie — roie gefagt — nur für bie 2Jtitgtieber 
beftimmt, oon biefen nicht weiter oerbreitet roerben barf, ift nid;t« weiter ange* 
geben, al« bie in bem urfprünglichen Antrage be« äMitgliebe« enthaltene unb 
oon fcejjterem oerbürgte Ztyatfaty, bafe ber nach tarnen, Stanb unb SBohnort 
iu bejeichnenbe Schulbner N. N. bie ihrem Setrage nach anjugebenbe, fällige 
$ofl nicht berichtigt habe. 1 ) 

£>ie ©efchäft«fübrungen ber einjelnen 6ohu|genoffenfchaften unb Sßrioat* 
Unternehmungen unterfcheiben fich nur in unbebeutenben fünften oon einanber, 
beren Slufjäljlung in Anbetracht be« 3wecfe« ber 2lbhanblung nicht nothroenbig 
erfct>eint 



1) Dr. fRofö^er bat in feiner Äritif ber neueften wirtljidjaftli^en <5nh»idfeluna im 
3)eutfO)en iHeia^e - 3ittau, ^atjffdje 5Bu(^^anblung — über bie Äuöbreihina, ben %wed unb 
Die öefd)äftotl)ätiafeit ber (ad)u^enoflenjö)aften ein trefflid)eä (5ypof6 üeröffentliojt, roeldie« 
bei bem geilen Jeber fonftigen cmgebenben Erörterung in ber ^adjliterahir birett alö b«bn» 
breebenb bejeidjnct »erben barf, unb roeldjem ber »erfoffer biefer »bbanblung baß tbatfäd)lid)e 
Material ju berfelben »erbanft. 

Är^io 1880. ß. |>tft 28 



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418 3»r ftrafredjtHdien 93curtt>eiluiift bei Schn&aenoffenfdjafteit. 

£>er je^igen SBcfpred^ung ift bte ©efd^äftöfü^rung beS BereinS: „Mutua 
confidentia" ju ©erlitt 3U ©runbc gelegt. $n Setreff ber anberen Sdjufcgemem* 
fünften conf. Stofdjer 1. c. 

$ic erfte Abtheilung ber ©efdjäftsthätigfcit ift hier von geringerem Ritter* 
efje, ba baS (xrtheilen oon AuSfünftett über einzelne Sßerfonen in $riuatbriefen 
nach unfern j ewigen Anfdjauungen weber in nationaUöfonomifchcr, noch in 
ftrafrechtlidjer S3ejie^ung 31t Bebenfen Anlafi giebt. 

AnberS uerhält eS ftch mit ber 3meiten Abteilung. 

$te 3ufammenftelhmg ber nirf)t3Ql)lenben ©chulbner in Siften, meldte ben 
BereinSmttgltebern, refp. Abonnenten monatlich jugefkllt werben, fmt aHerbingS 
aud) 3imäcbft ben 3roecf ber ?ßropl)i;layc r ben 3 roc ^f BereinSmitgliebem in 
ber oben gefchilberten Art baS 9cid)t3ablcn einer fälligen $oft burdj ben ©dmlbner 
SU uermelben unb ben ÜDlitgliebem fomit an^eimjugeben, ob fie unter biefen 
Umftönbcn bem föumigen ©chulbner Ärcbit geben wollen ober nicht. Aufeerbem 
ift aber, wie aus ben ^rofpeften, refp. Statuten ber Vereine hervorgeht, mit 
ben Siften unb ben ooraufgetjenben Anmabnungen ber 3^ecf oerbunben: 

burd) moralifdjc Ginwirfung bic nid)t jal;lenben ©d^ulbner 
jur S3e5dl)lung ber rücfftänbigcn Soften ju neranlaffen. 

SDte Berechtigung biefer ©d)ulbncr*£tften ift namentlich unter Berücfftch* 
tigung beS oorftcljenb angegebenen 5HebcrtäröccfcS berfelben oon fompetenter 
©ette in 3 roei f el gejogen worben. $)ie ©egner gelten non bem ©runbfa&e au«, 
bafe ber ©laubiger nur ben gerichtlichen 2öeg benufcen bürfe, um ben ©chulbner 
3ur 3 a ^ un 9 S u Stuingc«, unb bafe icbcö anbere Wittel 3ur (Eintreibung ber 
©djulb unftatthaft unb ftrafbar fei. 

©ie weifen femer barauf hin, bafj burch bie ßiften auch btc fchulblofe 
3al)lungSunfähtgfcit unbarmherjig an ben Oranger gefteHt werbe, unb bafj enblta) 
bic auf ©runb irrthümlidjer, ober gar böswilliger Anmelbungen ergangenen (Sin* 
tragungen in bic Siften leicht Anlafj ju unoerbienten Äränrungcn unb ©äjäbi* 
gungen pünftlicfier 3 n ^ cr 9 c ^ en fönnte. 2 ) 

3)icfc auf ben erften ©lief fcheinbar 3utreffenbcn ©inwenbungen ftnb bei 
näherer Betrachtung unhaltbar. 

Auf ben erften IJSunft — bic ©trafbarfeit ber Ciften — wirb fpätcr ein* 
gegangen werben. 

£)er fernere Vorwurf, bafj auch ©chulbner, bic nicht Rahlen fönnen, in 
bic Siftcn aufgenommen unb mit ben böswilligen ©dmlbnern in gleiche State 
geftellt werben, trifft fetneSwegS 31t. 

©S ift weber in ben Siften, nodj in ben ^rofpeften unb ©tatuten ber 
©efcllfdjaften, noch in ben SJtoljnfdjrctbcn oon böswilligen ober leichtftnnigen 
©djulbnern bie $ebe. SDie Siftc erwähnt nur bic 9tichtbc3ahlung einer ©chulb 
in einem eins einen ^ a ^ e *> °a alfo in ber Sifte überhaupt fein Urtheil über 
bie ©chulbner gefällt worben ift, fo fann aud) non einer ©leichftcUung ber 
wirflich 3ahlung3unfähigcn ©dntlbner mit ben böswilligen ©cbulbnern nicht bic 
Siebe fein, ©enfelben Vorwurf fönnte man demjenigen machen, ber etwa oon 
ben Bewohnern einer ©tobt fpria)t, ohne babei bie ©ercdjten oon ben Unge* 
redeten 3U unterfdjeiben. 

Gbenfowenig fann man etwa annehmen, bafj alle in ber Sifte ner* 
3cidjneten ^erfonen als böswillige, refp. leichtfinnige ©chulbner Inngeftellt werben 
follen. £ie (Smpfänger ber Siften, welche als SÖcttglieber bic ©ejchäftSprayiS 
ber ©dnifcgenoffenf chaften fennen, wiffen ganj genau, bafj ©chulbner jeber Art, 
fowohl fcjjulbloS 3ahlungSunfähigc, wie böswillige jahlungSfähige ftatutengemäö 
in bie Siflen aufgenommen werben müffen. 

UebrigenS barf hierbei nicht überfehen werben, ba§ jebe 3^1"«^""* 



2) Conf. SRofdjcr L c. Fol. 154. 



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3ur frrafredjtHthen 3?eurtf)eilung ber ©chufcgenoffenfäjaftett. 419 

fälngfett — auch bie unoerfdjulbete — eine Jranfe Stelle beS SBerfehrSlebenS 
bebeutet, 3 ) beren Stufbecfung in ben meiften fällen bie Teilung beschleunigt, 
rainbeftenS ber ©efährbung Ruberer oorbeuat. 

©egen ben legten Vorwurf, ba& bie Giften leidet burch irrtümliche, refp. 
böswillige Stnmelbung pünftlidjer 3ahler mißbraucht werben fann, tfi junä^ft 
ju bemerfen, ba§ eine ^nftitution beShalb noch nicht eine f flechte genannt werben 
fann, weil ber 2Jiifcbraudh berfelben möglich ift. 

©S würbe nur bann ein gerechtfertigter Säbel autreffen, wenn bie Schüfe* 
gemeinf haften nidt)t alle 3)iiu)e aufwenbeten, um einen folgen 3Hifebrauch ju 
ner^üten. 

2)ie Schufegemeinfchaften ^aben ftdj aber einer folgen UnterlaffungSfünbe 
nicht fdmlbig gemalt. 

än fämmtltchen ajrofpeften wirb es ben ÜJiitgliebern frrengfienS jur 
Pflicht gemacht, nur wirtliche Schulbner jur Stnmalmung unb enent Eintragung 
in bie Sifte anjumelben. 4 ) Streitige $ofien werben überhaupt nicht in 93c- 
hanblung genommen. 

2Jei einzelnen ©efeUfchaften 6 ) ifl fogar bie (Einrichtung getroffen, bafe ber 
9lame beSjenigen (SmfenberS, welcher eine auf Unwahrheit beru^enbe 2lnmel* 
bung eingereiht unb berajufolge eine ^erfon unrechtmäßig als rücffiänbigen 
Sthulbner bejeidmet Ijat, mit SBermelbung beS Sachoerhaltes mährenb eines 
3af)reS in allen Sifien genannt werben unb aus bem herein ausgeflogen 
werben foH. 

@S mufe ferner, wie erwähnt, jiatutengemäfe oor Eintragung in bie Sifte 
eine jmeimalige 2lnmahnung beS SchulbnerS erfolgen, unb nur, wenn biefe 2ln* 
malmung ohne Antwort bleibt, wirb baS ©adEroerhältnife in ber oben betriebenen 
SBeife in ben giften oermelbet. 

(SS ift enblich wohl in Betracht §u gießen, bafj eine ungerechtfertigte 
Ärebitgefährbung in biefer $orm ein leitet greif bares 6 ) Älagobjeft barbietet, unb 
bafe nch aus biefem ©runbe ber eine ©rprejfung beabfichttgenbe ©d)eingläubtger 
fidjer nicht ber Schufcgememfchaften unb ihrer Giften bebienen wirb. 7 ) 

£)ie Vorwürfe, bie man ben ©chufcgenoffenfehaften, ihrem ßmeefe unb 
ihrer ©efdjäftSprariS macht, finb tjiemacü) unhaltbar. (SS finb im ©egentheile 
bie ©chuögenoffenfchaften unbebingt nothwenbig gur Herbeiführung eines gefunben 
ÄrebitwefenS ; fie fmb ein notbwenbigeS Korrelat ju ber Aufhebung ber @a)ulb* 
tjaft, ber Sefchränfung ber 3wangSoolIftrecfunp, ber ©ewerbefreu)eit unb ber 
^reijügigfett. £)te Sicherheit, welche ber Ärebttgeber in früherer %tit in ber 
©chwerfälligfeit beS ©efchäftSoertehrS, in ber Stabilität ber ftirmen befaß, finbet 
i^ren nothwenbigen (Srfafc in ben genauen unb forgfältigen Wachforfduingen unb 
Ermittelungen ber $auSfunftS*23üreauS, in ben ßtften ber Scbufcgemeinfchaften. 
Grftere bie ^rophnlare, lefctere bie Therapie beS ÄrebitwefenS;*) beibeS Drga* 
nifationen, welche bie Solibität be$ ^anbeLS ju heben unb bie fchäblia)en föle* 
mente au« bemfelben ju entfernen im höchften ©rabe geeignet fmb. 

@S fragt fich nun, ob bie oorftehenb aefchilberte ©efd)äftSprarte ber 
Schu^gcmeinf chaften unb ber forrefponbirenben ^rioat* Unternehmungen, info* 



3) Slofcbct 1. c. Fol. 156. 

4) SHoffher i. c Fol. 154. 

5) 3. <B. Mutua eonfidentia in ©er! in. 
0j JRofchcr L c. Fol. 154. 

7) 2)cr Sorwurf, ba^ fi* eine 6d)uhacnwmf<haf( fctbdtaffen fonnte, aiffcntlt* iljre 
Jöilfe »ur ©intreibuna einet 9Hd)tf<hulb m bieten, ift hier nid)t in $ctra<bt ju iieften. «bge« 
feljen oat)on, ba§ bie achtbaren tarnen Der SJtüglteber unb ber bebeutenbe @ef*dft6umfang 
biefer Snftitute bie Utrmoalid)feit einer folchen ^)anblunaisu)eife Werburgen, aürbe eine Scrjujj- 
gemeinfebaft ib,re eigene (Sriftenj untergraben unb fotntt gegen iljr eigene« Sntereffe baitbeln, 
wenn |b ftaj au foldjen (Jrprefjungen herbeiliefe. 

8) 9to|chcr Fol. 147. 

28* 



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420 3«t ftrafrechtlicben Beurteilung ber SdmfegenoRenfd)aften. 

fctn biefelben ©chulbnerltften führen, ftrafr ertlich $u Vebenfen SCnlog geben 
tonnten. 

$ie einfebjagenben Paragraphen be« bcutfd&en ©trafgefefebucheS finb 
§§. 185. 186. 187. 240. 253. 

3ur Älarftettung ber ©act)e empfiehlt e£ fid), bie grage, ob bie Veröffent* 
liebung in ben ©chulbnerltften ftrafbar ifi, oon ber ftrage, °& btc 3)robung mit 
ber Veröffentlichung in ben Giften ftrafbar ifi, abgefonbert ju behanbeln. 

$ie ©trafbarfeit ber Veröffentlichung in ben ©chulbnerltften fönnte eoen* 
tuell aus ben §§. 185. 186. 187. gefolgert werben. 

Pehmen rotr juoörbcrfi ben gatt an, bafj bie gorberung, roegen bereu 
9tichtbejalblung ber ÜRame in ber £ifte oeröffentltcht wirb, rotrfttch bettelt, bafe 
alfo bie £ljatfache, welche in ber Stfte behauptet ift, erweislich roahr ifi. ,)n 
biefem %a\ic roäre fclbftoerftänDlidfc) bie Slnroenbung ber §§. 186. 187. cit. avß< 
gefd)loffen, unb e£ fönnte nur ber §. 185. in $rage fommen. 

5)tc Veletbigung aus §. 185. fönnte juoörberft barin gefehen roerben, 
bafj ein ©chulbner oor ber Deffentltchfeit ober oor einem größeren Sßerfonen* 
freife al& foldjer bloSgefteüt wirb. 9 ) tiefer anficht pellen fi<h jebodt) bie geroich* 
ttgften Vebenfen entgegen. Vor 2lUcm bürfte baran feftjuljalten fein, bafc ber 
§. 185. im ©egenfafee ju §§. 186. unb 187. nur bann Slnroenbung ftnoet, roenn 
nicht blofj eine £hatfad)c behauptet roirb, fonbern wenn ein Urtheil gefällt roirb. 
©o fagt auch §älf ebner (uergl.: $a$ Verbrechen gegen ba<8 9iecht ber ^rioat* 
perfonen, 1868, ©. 266): 

„SBtrb jroar nicht oon einem Siechte, bie 2öahrhcit ju fagen, bie 
Siebe fein fönnen, fo ift ba£ Äunbgcben wahrer Itmtiadiett boch 
jebenfalie an fich etwaö rechtlich Erlaubtes, bar, barum nicht al£ 
rotberrechtlich crfct)einen fann. 2lnberS oerhält e$ fich bagegen, wenn 
ber X^ätcr bei bem SluSfprechen roahrer Xhatfachen nic^t flehen 
bleibt, roenn er bie Äunbgcbung ber ^atfad^en in irgenb einer 5Mfe 
oerübt, mittelft bereu er in ber Slbficht ju beleibigen fein 
eigene^, fittlichoS Urtheil barlegt.'* 
3n ber Veröffentlichung einer wahren £lwtfachc als folcher fann alfo 
eine Velcibigung nicht gefct;en roerben, otelmehr mujj ein weawerfenbeS Urtheil 
auSgefprod)cn fein. 10 ) Siegt nun in einer berartigen Veröffentlichung überhaupt 
ba8 2lu«fprecben eines UrtbetlS? 3Jtan fönnte herbei geltenb machen, bafj ourdj 
bie Veröffentlichung ber betreffenbe ©chulbner als fäumiger ©chulbner bärge* 
ftellt roirb, unb bafe ^tcrin juglcich ein beteibigenbeS Urtheil liegt. $)iefe Debuftion 
erfcheint jebod) unrichtig. &urch bie Veröffentlichung in ben fiiften roirb lebiglich 
bie ^hatfache fonftatirt, bafj ber ©chulbner in einem einzelnen gafle nicht 3 a 5 ? 
lung geletftet tyat. 3Rtt biefen Vehauptungen fönnen, roie ba8 Äammergericht in 
einem freifpreebenben (srfenntnifj rotber Stomas unb ©enoffen oom 11. Januar 
1879 treffenb aufführt, brei Kategorien gemeint fein: 



9) £>iefer 2(nfid)t fcheint baö £ammergerid)t ju ©erlin ju fein in beut (Srfenntnifi 
roiber JRofenftocf unb ©enoften com 10. gebruar 1880, in welchem eS unter «nberent Ijeifet: 
,,SHe Stufnabme in fold)e Senachricbtigung (welche fäumige ©chulbner bejeidinen unb oor ge- 
fd)äftlid)en Verluften j^ü^en foU) ift unter allen Umftanbcn eine ©eleibigung, namentlid) 
einem Äauf manne gegenüber. Senn ber ©a)ulbner nirb baburd) alo ein folcber, ber nid)t 
bloö uutit gejablt bat, ]onbem aud) tn 3ufunft nid)t jaulen rotrb, unb oor bem man fid) 
liüten mu§, roenn man nid)t gefdiäftlidje SSerlufte erleiben totU, oor ben 9luaen feiner ©e« 
fd)üft*genoffen gcrabc»u an ben Oranger gefteat. 3)ie« ift felbft bem toirftieb fäumigen 
Scbulbner gegenüber, ber naö) Urtheil unb 9ted)t jat)len muß unb ntdjt jablt, unftattbaft." 

10) Couf. C5rfenntni& beö Cber>«ooeUationegeria)t8 ju 3)re«ben oom 13. 8U>nl 1H74, 
ilügem. ©cricbtdjeitung *b. XVI11. <§. ü8T>, toelcbefi gleicbfaag auSfübrt, ba& eine öffent- 
lid)e iDfaljnung nid)t febon an fid) eine SJcleibigung barfteHe; femer (Srfenntnifi beö £)b. app. 
Wer. ju 2)re6ben oom 3. «uguft lHtiO, «Ugem. ©eridjtSieitung, 3abrgang IV. 1860 @. 38«; 
GrfenntniB beffelbcn ©eridjte« üoml9.april 18G9. «Ugem. ©eriebtejeitung »anb XVI. @. 303. 



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-7* 



1 . 



1 



3ur ftrafredjtHdjen JBeurtfjeilung ber Sdjufcgenoffenfdiaften. 421 

„1) foldje ^erfonen, welche baS SlufforberungSfchreiben bcr ©dju|* 
genoffenfchaft nicht beantwortet Robert; 

2) folc^e ^erfonen, bereit 2tntwortfchreiben oom oermeintlichcn 
©laubiger nicht für genügenb erad^tet wirb; 

3) folct)e ^erfonen, welche fiel) ihren 3fl^ung^Derbinblid^feiten ent* 
Siefen, bic alfo entweber jahlungSunfälnge, ober böswillige ©djulbner ftnb." 

$fi alfo bie Veröffentlichung nadj biefen brei ^Richtungen f)in aufjufaffen, 
fo liegt, infofern bie beiben erfien Kategorien hiermit gemeint finb, in ber* 
felben weber baS 2luSfprechen eines UrtbeilS, noch otel weniger aber eine« bie 
@hrc beS Vetreffenben fränfenbcS Urtbeit 

S5aS Kammergericht bemerf t aber tn bem citirten Urteil weiterhin fct>r treff enb : 
„S)ie «Dlögltchfeit, bafj bie fiifle nach Stiftung ber legten Kategorie 
aufgefaßt werben fann, reicht aber nicht auS, bie Slufnaljme in ber* 
felben als eine ©cleibißung im Sinne beS §. 185. aufjufaffen." 11 ) 
hiermit fällt bie $ebuftion tn bem unter ber früheren Slnmerfung (6. 420) 
citirten, oerurtr)eilenben ©rfenntniffe beS Kammer gcrid)tS in fidt> fclbft mfammen. 
®ie ^rämiffe, oon melier biefeS Urteil ausgebt, bafe nämlich bcr betreffenbe 
6a)ulbner als ein „fäumiger" bejeidmet wirb, ift fchon an fieb nicht richtig. 

2lber felbft, wenn jugeftanben wirb, baß in ber Veröffentlichung bic Ve* 
xeidmung als „fäumiger" ©djulbner liegt, 1 ') wenn alfo auch hierin felbft baS 
2lu3fpreajen eines UrthetlS gefetjen mürbe, fo märe bieS Urteil bennoch fein 
bie @f)re beS Vetreffcnben fränfenbeS. Unter fäumiger ©chulbner, refp. unter 
ber britten, in bem fammergeric&tltd&en ©rfenntmffe aufgeführten Kategorie finb 
feineSwegS bloS böswillige ©djulbner ju perftehen. 2)aS &eichSgertd)t bemertt 
hierüber in bem freifprechenben (Srfenntnijj 9leumann roiber ftrobwein Pom 
16. $uni 1880 fer)r richtig: 

„SS mürbe aüerbtngS in einer fola)en Veröffentlichung eine VeleibU 
gung liegen, menn baS fiefepuHtfum biefer $rtpatmittheilungen, ober 
auch nur ein St^eil beffelben, oemünftigermeife ju ber Annahme ge< 
langen fönnte, ber in bic Siften aufgenommene ©chulbner oerweigere, 
obgleich baju im 6tanbe, alfo böSwiüigerwetfe, bie 3öhfong f roaj & 
aber nicht angenommen werben fann. 3)cnn gerabe @efcf)äftsleute 
wiffen, baf? in oielen, ja in ben meiften fällen baS ^iichtjahlcn eines 
SdjulbnerS nicht in beffen böfem 3BiDen, fonbern in ben oerf (hieben* 
artigfien ©rünben, welche beffen augenblickliche Unoermögenheit herbei* 
führen, ihren ©runb höbe. Unperfcrjulbete 3 a hlungS'Unoer* 
mögenheit fann aber als ehrenrührig nicht angefehen 
werben." 

Sluch bie frühere ^rariS ber ©erichte, fowie bie Zfytom, ging fchon oon 
ber 2lnficht aus. ba§ ungünfttge Urtheile über bie Vermögenslage eines 2lnberen, 
felbft wenn baburcr) ber Krebit beS Verlebten gefährbet werben foHtc, einen 
Verftofe gegen §. 185. nicht inooloire. (Cfr. @rf. b. Ob. STpp. ©er. ju Bresben o. 
2. SDej. 1872 ht 6chroarjc'S ©ertchtjeitung für baS Königreich ©achfen Sanb XVIU. 
6. 53.; ferner: Vemer etraf recht ©. 441; Oppenhojt 6. 329.) 2)ie 5Richtigfeit 
biefer Slnftcht folgt aus bem begriffe ber Veleibigung. S)iefelbe ift, mie Dppen^ 
hoff (6t. ©. 8. 6. 328) treffenb beftnirt, eine oorfäßliche, rechtSroibriac 
Äunbgebung, melche eine ©eringfdjäfcung eines Slnbern als s JKenfa)en unb als 
Bürger jum ffluSbrucf bringt. Sie Vcjeichnung „fäumiger Schulbner" ift, ba 



11) (Si ift oben fd)on oarauf tjingeaiefen, ba^ bie (Smofänaer bcr giften genau wiffeu, 
bafe ©Aulbner jebet ?lrt, ntd)t nur ber legten Äategorie, in Die giften eingefeht »erben. 

12) 3tu8 ben ©tatuten einiger ©*ufiqenoffenfcf)Qften ift frei»* ju folgern, ba§ ber 
©Aulbner ak- f&umig beftanbelt wirb, ©otriel bem 2?erf affer befannt ift, baben aber bic bc 
treffenben Wenofjcnfrfjaften in ©ejug auf biefen $untt in jüngfter Seit eine (Statuten&nberung 
eintreten laffen, fo ba& aua) bie« 5?cbenteu fortfaUen bürfte. 



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422 3ur ftrafred)tlid)en 33eurt^eilung bet edju&genoffenfdjaften. 

hiermit audf> bie unoerfd&ulbcte 3ablungSunfät)igfeit gemeint fein fann, feine 
Äunbgebung einer ©eringfd)ä$ung gegen einen 2lnbern als 9Jienf<ben unb als 
Bürger. 6ie fann böcbftenS nur bie faufmännifd&e Gbre beS 2lnbern treffen 
unb infofern eine Ärebitgcfäbrbung inootoiren. IS ) 

3Ran mufe ^ier ftreng jroif^en ber allgemeinen, wahren @f)re, bie auf ber 
ftttlidben ^ntegrttät beS SKenfdjen, als folajer, beruht, unb ber fogenannten Sc* 
rufSebre beS Kaufmanns unterf Reiben. £>iefe erftere, auf ber fittlicben Integrität 
berubenbe ßljre eines 2)ienfd)en wirb aber gewifj niebt babunb »erlebt, bafe ber* 
felbe als rücfftänbiger Sajulbner bejeielmet roirb. 2Han fann *ablungSunfäbig 
unb trofcbem ein burcbauS ebrenroertber 3Jtcnf$ fein. 3)te im Plenum gebaltenc 
^Kebc beS ÄommiffionS*9Ufercnten im 9teidfjStag, Dr. 9Jtcncr, jeigt beutlidf) bie 
2lbficbt ber SegtSlatoren. ©r trennt auSbrücflidf) bie @bre beS 3Jtenf<ben als 
folgen »on ber @bre beS Kaufmanns unb fonftatirt, bap bie lefctere oerlc^t werben 
fann, ofme bafe bie erftere fjierbura) in irgenb einer SBeife tangirt roirb. @r fä^rt 
bann wörtlicb fort: 

„Söenn Seraanb uon einem Kaufmann fagt, ber 9ftann bßbe geftern 
einen fälligen 2Bccf>fcl niebt bejaht, fo fann baS, roenn er bamit 
irgenb roeldje Umftänbe oerbinbet, mittelft bereu er 3enen als einen 
lei(btfinnigen aKenfcfien binftellt, otelleidbt audfj eine Seleibigung 
ber perfönueben @bre fein." — 
Dr. 3Kener fagt alfo mit anberen Söorten, bafe eine fol<f>e tafecrung 
nid)t an unb für fieb fdfjon eine Scleibtgung ift. 

$afc bie SBeröffentlubung einer folgen Zfyatfafyt für ben ^Betreffenben 
juglcidb etwas UnangenebmeS mit fia^ bringen fann, barf l;icrbei nid&t ins ©c* 
roid)t fallen. 60 fagt au(b £älf<bncr L c. 6. 265: 

„(5S oerftebt fid) oon felbft, bafc baS 2luSfprcdf)en ber Söa^r^eit nia?t 
als Seleibigung erfahrnen fann, roenn bie betreffenbe Steuerung in 
feiner Schiebung jitr (Sbre eines Slnbcrn ftebt, folltc biefer audb, 
irgenb ein ^ntereffe an ber 3$crbeimlicr)ung ber fraglichen 
Xbatfad^en fyabin unb fid) bureb ib^ Äunbrocrben ocrlefct 
füblen." 

3Kan fönnte nun biefen 3)ebuftionen entcjcgenbalten, bafe in ber 3?er* 
öffentlicbung ber 6(bulbenliften jebenfaUS bie 2lbudf)t liegt, bie betreffenben $er* 
fönen als böswillige ©ebuttmer binsuftellen. (Sine fold^e 3lnf (bauung roiberfpriebt 
aber burd&auS ben fonfreten SBerbältniffen. (SS mufe in biefer Sejiebung auf 
bie Eingangs biefer 2lbbanblung befmblicbe auSfübrlicbe SarfieUung beS roirtb* 
fdjaftlid)en 3roecfeS ber Scbufegenoffenfcbaften bingeroiefen roerben. SHuS biefer 
2)arfiellung gebt beroor, bafj eS feineSroegS nur im Qntcreffc ber 6d?ufcgemehv 
febaften liegt, ibren HRitgliebern bie -Kamen böswilliger ©dmlbner mitjutbeilen, 
fonbem bafe ü)nen eben fo febr baran gelegen fein mufj, ftcb bie tarnen foldber 
6<bulbner mitmtbeilen, bie aus irgenb ro eifern ©runbe 3ablung ju leiten 
niebt im Stanoe finb ober aus irgenb einem ©runbe nia)t sablen. 

Slbgcfe^en bieroon würbe, fclbft roenn bie Slbfiajt oorläge, bie betreffenben 
^erfonen als böswillige 6dfjulbner barjuftellen, fieb biefe SSeröffcntlidbung als 
ein untauglid^cS URittel qualip^iren, ba, wie oben na<bgewiefen ift, feiner ber 
Gmpfänger ber Stftcu biefelben in biefem 6inne auffaffen fann, au^erbem aud^ 
bie TOtbeilung ber Siftcn an britte ^erfonen auSbrüdlid^ »erboten unb fomit 
ntdjt beabft(btigt ift. 

13) <£o au* Da8 Äaittmcrgeridjt in bem Srfcnntni^ toiber 2^oma8 t>om IL palmar 
1879: „Unuerfdjulbeteö 3a^lunaÄum)eratöflcn aber allein amrbigt 9liemanb fterab, aud) einen 
©cfd)äft?uiann nia^t, befien Ärcbit nur burd) eine ba Ii inßel)enbc ©ebauptuna, flefdijrbet werben 
fann. eine foId)e S^ehauptunfl ift tebod) nur im ftalle be« 187. ftrafbar, roenn nidjt anbere 
2:natfad)en, j. 2in{prud)önaljme neuen Ätebitö feiten« eine« fdjon ^nfolocnten al8 bie 
r«erdd)tlid)en erfdjeinen. 

lieber bie eüent. ©traf barfeit einer folgen Äitebitßefdbrbung auö §. 187. »ergl. weiter unten. 



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3ut ftToftett)tlid)en Seutt^etlung fcer (Scbujjgenoffenfdiaftett. 423 

53enn fieb nun aus bcn vorangegangenen ftebuftionen ergtebt, ba& für 
ben $aU, bajj bie ${)atfad&e erweislich wafyr ift, ber §. 185. niegt Slnwenbung 
finbet, fo bürftc weiter in ftrage fommen, ob ber §. 186. ober §. 185. beS 
©trafgefefcbucbcS niebt für ben $aH jur ©eltung fommen mufe, wenn bie 6a)ulb 
niebt erweislich ertftirt. Studj biete ftrage glaubt ber Sßcrfaffcr oerneinen $u 
müffen, unb jmar gleichfalls aus bem fo eben ausführlicher entwidelten ©runbe, 
weil nämlich bie Xljatfadje ber 9cicbtjabUmg einer befiefjenben ©dnilb nicht ge* 
eignet ift, einen 9J?enfd)en als fo leben in ber Meinung Slnberer ^erabjufefeen. 
Sie $crabfefcung bet fogenannten faufmönnifeben @hre unb bie ©cfäbrbung beS 
ÄrebitS ift aber nur im ftalle beS §. 187. ftrafbar, b. b. wenn bie SBebauptung 
wiber bcffereS SBiffen gefcbiefjt. £>iefe 2lnficf)t folgt notbwenbigerweife, 
n>enn man bie oben entwidfelte Ausführung, betreffenb ben §. 185., für richtig 
hält, unb fte ift bemgemäfj auch in ben bafelbft jitirten ©rfenntniffen auSgc* 
fprod&en. 6ie folgt aber aud) auS einem Vergleich beS §. 186. unb §. 187. 
beS ©trafgefeftbuebes, ba nur in lejjterem Paragraphen bie ©cfäbrbung beS 
ÄrebitS Erwähnung gefunben h at - (&ergl. auch in biefer SBejie&ung baS 6rf. 
b. Äammcrgcr. in 6ad)cn wiber %fyoma& com 11. Januar 1879.) 25afj bie« 
gefebeben, Iwt in bem 28efcn beS flrebituerfebrS feinen guten ©runb. 6in altes 
beutfd&eS ©prücljmort fagt mit Siecht: „2Ber Ärebit fucf)t, baut fein fiauS an bie 
©trafen unb mufe bie Öeute über fieb reben laffen." 2ßer ben ßrebit Slnberer 
beanfpruajt, räumt babureb feinen ^Mitbürgern baS Siecht ein, über feine 95er» 
bältniffe ju forfd&en unb fieh ein Urtbeil barüber ju bilben. «erlangt ber HtebU* 
fueber, bafj anbere Sßerfonen ihr SBermöcjen bei ihm wagen, fo barf er eS bem 
^ublifum auch nicht oerübeln, wenn bei bem $orfd)en über feine SScrbältniffe 
fabrläfftgerweife ähatfachen ermähnt werben, welche fieb oicUeicht fpäter nicht 
als erweiSlicb wahr barfkllen. 

$)afj, falls bie ©cbulb nicht criftirt unb bieS bie SDireftion weife, 
ber §. 187. 2Imucnbumi finben mu§, fann nicht jweifelbaft fein. 3)enn wenn 
bie 3$atfa$e ber Sad&tjabtang auch nicht bie @bre beS 3)ienfd^en als folgen 
tangirt, fo mufj man boct) äugefteben, bafe ein Singriff auf bie faufmännifebe 
Gbre unb eine Ärebitgefäfjrbung oorlicgt, unb eS fann, falls baS 2luSfpred)en 
einer folgen S^atfacbe müSer beffereS 2Btffen gefchef>en ift, bie 2lnwenbung beS 
§. 187. feinem Sebenfcn unterliegen. 

Söenn wir nun nacb oorfiebenben 2)ebuftionen bie 3lnwenbung ber §§. 185. 
unb 186. beS 6trafgefe^bucbeS fc|on an fieb als auSgefd^loffen anlegen müffen, 
fo fommt nod) WM bafe auS §. 193. bie 6trafloftgfeit folgt. 

^m 9lctd)Stage würbe bei ber Sefd^lujsfaffung über §. 193. ber 2luSfülj= 
rung oon ?Recbten u ) burdf) einen 3 u f a ^ : /» Dic 2Öa^rnet)mung bereebtigter ^nter* 
effen" glei(bgeftellt unb babei namentlid) auf bie fogenannten f auf männif eben 
Mefercmen binoerwiefen. 

S)arauS erbeUt ntdjt allein, bafe bie berechtigten ^ntereffen burajauS nia^t 
auf eigene befd&ränft fmb, bafe alfo aueb baS SDireftortum fieb auf §. 193. bc* 
rufen fann, fonbern aud&, bafe baS 6treben, fia^ oor «ermögenS^Jac^tbeilen ju 
fd^ü^en, oollfommcn als beredjtigteS ^ntereffe oom ©efc^e anerfannt wirb. 

2)aS ©efe^ gebt fogar, inbem eS ungünfiige, aber gewiffenlwft gegebene 
jHeferenjen für flrafloS erflätt, noa^ weiter, als eS für unfere gegenwärtigen &e* 
^auptungen notbwenbig ift. ^ier tjanbelt eS — bie ungünftigfte Slnficbt ange* 
nommen— ftcb im fdjtimmften %aUt nur um ben beweis, ba§ ein ungünfligeS, 
faufmännifebes Urtbeil auf ©runb einer beftimmten ^^atf ad^e ftrafloS fei, 
nämlicb baS Urtbeil „fäumiger Scbulbner" auf ©runb ber Xfyatfatyt, ba§ ber 
6cbulbner bie fällige ftorberung niebt bejaf»lt bat; wäbrenb baS ©efefc aueb un* 
günfiige s Jteferenjen, wenn fie nacb beftem 9Biffen unb ©ewtjfen gegeben, für 



14) Conf. Oppcnboff, @t ©. 33. S. 354. 



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424 3ur ftrafrc^tltdjen «Beurteilung ber ©dmfcaenofienfd)aften. 

ftrafloiS etflätt, obwohl gerabe biefe SHeferenjen jum größten Xfaik fubjefttoc 
Urteile übet bie 3ablungSfäbigfeit beS qu. Stritten enthalten. 

@S ift Demnach, ba eS fidj um SBahrnebmung berechtigter ^ntereffen 



banbelt, bie fogenannte objeftioe ©eleibigung nut in bem ^aüe ftrafbar, 
baS Sorbanbenfein einer Seleibigung auS ber Öorm ber Steuerung ober aus 
Den tlmftänben, unter welchen fie ^croorgel;t, 15 ) — mit anbeten Worten nur 
in bem %aUt, wenn bie Slbficbt, ju beteiligen, nicr)t allem baS Söcwufetf ein 
ju beleibtgen als erwiefen betrachtet werben mufe. 10 ) 

$af$ aber ber (Snbjtoecf ber Eintragung in bie Sifte nur bafnn get)t, um 
bie Mglieber oor gefepäf Hieben Serluften $u bewahren unb oor einem weiteren 
Ärcbttgeben ju warnen (bafe bagegen bie einjutragenben ^erfonen felbft bem 
herein unb bem SMreftorium ganj gleichgültig finb — alfo oon ber 31 b ficht 
ber Seteibtgung nicht bie SRcbe [ein fann). braucht nicht roeiter nach ber obigen 
6d)ilbcrung beS ©efcbäftSbetriebeS ermätjnt &u roerben. @S ift alfo — felbft 
menn man objeftio eine Söeleibigung refp. üble 9to<hrebe in ber Eintragung in 
bie monatliche Sifte finben will, — fubjeftio biefe 93eleibigung ftraflos, ba fie in 
Söaljrnebmung berechtigter 3fntereffen gefdt)et)en. 

©afe ber §. 193. auch im Salle beS §. 186. beS StrafgefefebucbeS, b. b- 
wenn bie Xhatfachen nicht erweislich waf>r finb, jeboch im guten ©tauben be- 
hauptet finb, Stnwenbung finbet, fönnte einem Sebenten faum unterliegen, 
(«ergl. in btefer Sejiehung baS (Srf. b. Ob. fcrib. o. 12. 2JMra 1879 in Dppent)off 
ftecbtSfpr. ©anb 20. 6. 134, welches bie Stnwenbung beS §. 193. bamit motioirt, 
bafe eS febr rootjl oorfommen tonne, bafe nicht roiber beffereS Wiffen geltenb 
gemachte Xfjatfachen, wenn auch nicht bie entfeheibenben S3eroeife jur jQano finb, 
nichts befto weniger jur Söabrung eines Rechtes ober rechtlichen SntereffeS ftch 
als geeignet erweif en.) 2tuch felbft ber Umftanb, baft ber Setreff enbe nicht ge* 
nügenbe (Sorgfalt $ur ©rfennung ber 2Batjrr)ett angemanbt, barf bie 2lnwenbunq 
bcS §. 193. beS 6trafgefe£bucbcS nicht ausfließen. 3 n biefet Stejieljuna, bemertt 
baS Obet'Zribunal in bem Grfenntniffc oom 21. üJiärj 1879 bei Oppent). SkechtSfpr. 
53b. 20. 6. 154 febr richtig: 

„$)ie Entfcheibung ber ftragc, ob eine Anzeige jur Ausführung ober 
jur ^Bertheibigung oon weckten, ober jur Wahrnehmung berechtigter 
^ntereffen gemacht worben fei, fann nicht baoon abhängig gemacht 
werben, ob ber 2tnjcigenbe oollcn ©runb hotte, mr Stnjeige ju 
fdjreiten, b. h- ob fo gewichtige SBewetSmomente für Die jur Steige 
gebrachten SC^otfac3t)en oorliegen, bafj voller ©runb jur 2lnjeige ge* 
geben war." 

Scbenfen fönnte möglicherweife für bie 2lnwenbbarfeit beS §. 193. bie 
ftrage erregen, ob ein 2lnberer als ber ©laubiger felbfl, b. b. h^r bie $ireftion 
ber Schu^gemctnfchaft $ur Wahrnehmung ber berechtigten ^ntereffen beS ©lau- 
Ingers legitimirt fei. 

SRun ift es aber burchauS nicht richtig, bafj ber §. 193. lebiglich auf bie* 
jenigen ^erfonen befchränft ift, welche unmittelbares ^wtcrefTe an bem ju wah* 
icnben fechte nad)weifcn fönnen. 3 U c ^ ncr berartigen 33efd)ränfung nöthigt 
ber SBortlaut beS ©efefceS feineSwcgS, unb bie ^ubifatur hat auch bem §. 193. 
eine weitere Slnwenbung gegeben. 6o fteUt baS Ober*£ribunal in bem ©rfennt* 
niffe oom 21. ^ebruar 1877 — Oppenf)., JRechtSfpr. «b. 18. 6. 151 — auS> 
brüeflich ben ©runbfa^ auf, ba§ bie Wahrnehmung berechtigter ^ntereffen feines^ 
wegS auf eigenen ^ntereffen beS 2ßaljrnchmenbcn befchränrt ift, baß fie oiclmehr 
auch in ber Wabrncbmung oon ^ntcreffen 3lnbcrer gefnnben werben Fann. 5)en 
glejchcn ©runbia^ oertritt baS Obcr^ribunal in bem (srfenntniffc vom 2. 2lpril 
1879 — bei Oppens, JtechtSfpr. Sb. 20. e. 174. 

ift) §. im. c. f. 

Iflj ('fr. Cppenl)off, 6t ©■ 5B. 6. :i54. 



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t 



3ur frrafred)tltchen «Beurteilung ber @d)ü&0enofienfa)aften. 425 

3ie^t man nun in Vetracht, bafj bie Snreftion bet ©chufegemeinfchaften 
als üttanbatar beS ©IäubigerS fjanbelt, fo wirb man ihnen bcn Sd&ufc beS 
§. 193. fchroerlich in ben gaffen ber §§. 185. unb 186. oerfagen fönnen. Ob 
baS Wlotxv lebiglich bic SBahrnelnnung berechtigter ^ntereffen ift, ober ob jugleich 
bie 2lbftcht beS ©elboerbienfteS oorroaltet, ift für bie 2lnroenbbarfeit beS §. 193. 
oollftänbtg unerheblich ; benn eS ift, rote bieS baS £>ber*Xribunal in bem Erfennt; 
niffe oom 6. gebruar 1878 bei Oppenf)., föechtSfpr. Söb. 19. ©. 57 ridnm aus* 
fü^rt, für bie Rrage ber ©fiftenj eines Rechtes ober berechtigten ^ntcrcffeS bei 
Vornahme beletbigenber «ganblungen .lebiglich ber Qmtd, nicht baS 9Jtoth> biefer 
$anblungen entfeheibenb. 

9tachbem roir fomit ju bem Stefultate gelangt finb f bafe bie Aufnahme in 
bie «Schulbnerliften, fofern btefelbe in gutem ©tauben feiten« ber fttreftion 
gefchefjen, als firafbar nicht erachtet werben fann, motten roir uns nunmehr ju 
ber grage roenben, ob bie in ben Mahnbriefen erfolgenbe 2lnbrof)ung, bap bic 
6d)ulbner bei erfolgter 9tid)tjaf)lung in bie ßiften aufgenommen roerben fotten, 
fich unter einem Paragraphen beS Straf gefefcbuchcS fubfumiren (äffe. 

hierbei bürften in erfter Sinie bie §§. 240. unb 253. beS ©trafgefefcbuchcS 
in Vetracht fommen. 

2BaS ben lederen Paragraphen betrifft, fo tonnte berfelbe bann nur 
2lnroenbung finben, roenn ber 8lnbro(jenbe baS Veroufjtfein ^atte, bafj er einen 
rechtSioibrtgen VermögenSoortheil fudjt. ©laubt er, ba& ber 2tnfpruch rotrflich 
äu SRed^t befielt, fo ift ber §. 253. auSgefchloffen, unb felbft ber Umftanb, bafe 
baS Mittel ju ber Verroirflichung beS Rechtes ein roiberrechtUcheS fein foQte, 
ftempelt noch feineSroegS ben erfrrebten VermögenSoortheil felbft ju einem roiber» 
restlichen. 17 ) 2luch fann bie $ireftion felbftoerftänblich nicht beShalb aus 
§. 253. ftrafbar roerben, roeil ber betreffenbe ©laubiger etroa baS Veroufitfein 
ber 9techtSroibrigfeit hatte. S)enn derjenige, welcher fahrläffig hobelt, roeil er 
bem 9tatf)e beS 2(nbcrn folgt, ofjne bie $ragrocite ber ^anblung ju überfehen, 
roirb, roenn ber 9tatbgebenbe hierbei beabfidjtigte, baburch ben Slnbern ju oer* 
leiten unb ben gewollten Erfolg herbeizuführen, immer nur als Söerfjeug beffen, 
roelcher feinen Jrrthum mißbrauchte/. au betrachten fein. (Cfir. ©chroarje, Äom* 
mentar 6. 151, Oppenhoff, 6t. ©. V. 6- 493 unb Oppenf)., fted)tsfpr. 
2öb. XV. S. 84.) 

3lber auch oer §. 240. mufc als auSgcfchloffen angefehen roerben. 

SDerfelbe ic tu feinem Inhalte aemäfj bie Unbrohung mit einem Vergehen 
ober einem Serbrechen oorauS. 3ft nun aber bie Veröffentlichung in oen 
Sdfnilbnerliften felbft, roie roir oben nachgeroiefen haben, feine ftrafbare joanbtung, 
fo ift audb folgerichtig bie Vebrotjung mit ber Veröffentlichung feine wöthigung. 
(Cfir. G-ntfch. b. SfteichSger. o. 7. 9iot>. 1879 in ben Simulien Vb. I., 6. 50.) 

Gbenfo folgt, falls bie Veröffentlichung felbft feine Veletbigung ift, auch 
mit 9Zott)rocnbigfeit, bajj bie Snbrofmng mit ber Veröffentlichung in ben ©dimlbner* 
liften feine Veleibigung an fi<h fein fann. 

(5S ift fomit bie gefchilberte Eintragung oon ^erfonen in bie 6<hulbner* 
lifte, fowie bie oorherige Snraabnung biefer perfonen immer ftrafloS, roenn bie 
Eintragung refp. Slnmahnung feitenS ber 5)ireftion ber ©chu^genoffenfehaft nicht 
roiffentlich rocgen einer ^ichtfchulb gefchah- 

17) Sebenfen lönnte bieS j. SB. bann erregen, roenn bie einjurreibenbe gorberuna »er« 
täbrt ift. Slber aud) t)ier fdjeint bie Stttroenbuna beö 253. fo lange aneflefa^lofien, alö 
nic^t ber <Sd)uIbner bie Seriä^runa eingeroenbet ^at. Senn bie SBerjäfjrung entfränet nad) 
ridjtiger »nficbt nur bann ba8 9ted)t, roenn fit Dom ©djulbner geltenö gemaajt roirb. Slucf) 
tann bie Sireftion nid)t rotRen, ob nirfit bura) anbere Umftdnbc bie 93eriät)rung unter' 
brodjen ift. 



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Weber iit JUwenbung be0 §♦ 244. in JL St. pro?. & 



SBon $errn Staatsanwalt oon Sßrittroifc u. ©affron in ©öttingen. 



®er bem SteiajStage oorgelegte (gntrourf einer 6t. $roj. 0. befiimmte 
im §. 207., baß baS ©eriäjt ben Umfang ber ©eroeiSaufnafmte 311 beftimmen 
babe, obne gerbet burd) Anträge, $erjid)te ober frühere ©efdjlüjfe gebunben ju 
fein. $)icfe Scflimmung ftiefe aber in ber föetajStag^Äommiffion auf lebhaften 
Sötberfprua), inbem man barin eine un.suläfjtge Sefd&ränfung beS 2lngcf tagten 
foroof)l al& be£ Staatsanwalts in ber ®urd)fübrung ber 8eweife fanb. 2lud) 
eradjtete man eS im #inblict auf bie oölligc üöefettigung ber Berufung, roic fic 
ber Entwurf wollte, für bcbenfltd), bem ©erufrt eine fo große biSfrctionäre @e- 
ioalt in biefer Sejie^ung einzuräumen. £rofc beS lebhaften SBiberforucbS ber 
Regierung würbe bafjer ber §. 207. in ber Raffung angenommen, wie jeftt ber 
Ülbf. l. beS §. 244. ber St. $ro3. 0. lautet demgegenüber befa)lo| ber 
2hmbeSratf), baß minbeftenS für bie fa)öffengcrtcbtUdf)en unb für bie ^rvoatflage* 
fadjen, für weldje bie SBerufungS ^nftanj wteber tyergefteUt mar, bem ©eridfjt bie 
Seftimmung beS UmfangS ber Beweisaufnahme einzuräumen fei; unb biefer 
Siuffaffung fdjloß fieb bie Äoramiffion mit ber 9Waßgabe an, baß in ber SBeru- 
fungS^nftanj oem ©eridfjt biefe Befugniß nur infoweit eingeräumt werben follte, 
als bie Berbanblung in bcrfelben eine Uebertretung beträfe ober auf erhobene 
$rioatflage ftattfinbe. S)er 9tei<f)Stag ftimmte biefem 33efd>luß feiner Äommiffion 
bei, unb fo fjat ber §. 244. feine iefcige ©eftalt befommen. 

3n ber 9teid)StagS*$ommiffton machte fi$ bei Beratung bicfeS $ara^ 
grapben im fjo&en SWaße baS Beftreben geltenb, ben Slngeflagten in ber 2>urd&* 
füljrung ber oon ujm gemünzten Seweife möglid&ft wenig m befd&ränfen. 

Sßon bem Slbgeorbneten 3Sölf rourbe bieS unter anbem aueb bamit bc» 
grünbet, baß, fo lange audj nur ein, roenn au$ ganz irreleoanter ©ntlaftung«* 
äeuge unoemommen bleibe, ber 2lngefl. fia) einreben fönne, baß er ungerecht 
oerurtljetlt fei. 

S)te Bebcnfen, meld&e aus ber Beforgniß oor einem etwaigen 9)ttßbraucb 
biefeS 9ied()te£ feitcnS beS 2lngeflagtcn, namentlid& burd) Sabung einer gu großen 
3aj)l oon Beugen, entfteben fönnten, rourben in ber Äommiffion ntdjt für buxty 
greifenb cradfjtet. $ie Slbftd&t ber Äommifüon ging offenbar balnn, bem 9tedjt 
beS 2lnge!lagten auf ©rbebung ber oon ifmt angebotenen Bewctfe eine möglidftft 
große 2luSbef)nung ju geben. 



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» 



Heber toic «nnjenbuna, befi §. 244. ber S. ©t. fJwj. Ol 427 

©an* onberS jebodt) $aben fid& bie ^rariS unb bie Stimmten ber Äommen* 
tatoren *u ber Seftimmung be« §. 244. 2tbf. 1. geftellt, unb $at namentlicr) baS 
5ieta)Sgericr)t biefelbe nid&t nur nid^t auSbetjncnb, fonbcm oielmeljr möglidftft ein* 
fd^ränfenb aufgelegt. 

3n bem (Srfenntnifj com 12. $an. 1880 ») fü^rt eS au«, bajj ber ®runb' 
fafc, bafe baS ©ertdjt über ben Umfang ber ÖeroeiSaufnarjme *u befmben unb 
oon gan* Aroedflofen ©rfjcbungen Slbftanb *u nehmen Imbe, fo fef)r in bem 2Befen 
einer gefunben 6trafrccr)tSpflcge begrünbet [et, bafe eS ber auSbrücfücben §er* 
oortjebung biefeS SafceS in ber 6t. $roj. 0. gar nvfyt bebürft t)ätte. fcemaemäjj 
betrautet ber $öcf)fte ©erid)tSbof bie SBefrimmung beS §. 244. 1. nur als ein 
biefem ©runbfaft roiberfprecbenbcS 2tuSnabmegefefc, unb roenbet es nur inforoeit 
an, al£ eS bura) bie Haren ©orte bcS ©efcfccS biersu gelungen roirb. 2>aS 
9teidE)Sgerid&t ftedt bie SBorte: „gelabenen Beugen unb Sacjroerftänbige'' ben 
ferneren: „foroie auf bie anberen fjerbeigefd&atften ScroeiSmitter gegenüber, ber* 
acftalt, ba| unter ben Segriff ber lederen 3eugen unb ©adjoerftänbige niemals 
Fallen tonnen. 2 ) $n folgerechter $urcr)führung btefer SKuffaffung bat eS weiter 
angenommen, bafj bie rjorfd;riftSmäi$ig gelabenen unb erfd)ienenen 3 eü 9 en * n 
ber ^auproerljanblung oernommen werben muffen, unb bem ®erid)t eine $rü* 
fung Der ftrage, ob beren 2luSfagen crt)eblid& feien, niebt auflebe. 3 ) i^eboeb roeift 
baS Sfteid&Sgeriajt in bem (Srfenntnife oom 3. HRärs 1880 4 ) mit 9k<f)t barauf bin, 
bafj, roenn aua) bie Prüfung ber @c^ebli$feit ber berbeigcfa)afften SeroeiSmtttel 
bem ©eriebt entjogen fei, baffetbe bodf> nacb bem jrrafred)tlicf)cn Stoerf unb im 
Sntereffe ber 2Baf)rung feiner SBürbe berechtigt fein muffe, foldt)e Serocife abju* 
fdmeiben, bie oöllig beterogene, mit ber 6ac$e in gar feinem 3ufammenf)ang 
ftefjenben Umftänbe beträfen. %n äfmlicbem 6inne Ratten ft$ febon in ber 
StetcbStagS'Äommiffton bei ber arociten Mefung ber 6t. $ro*. D. ber Ibgeorbnete 
SaSfcr auSgefproct)en unb erflärt, bafc bie 3 cu öen jebenfallS über jur 6adje 
©ebörigeS oorgefajlagcn fein müfeten. S)ie SRicrjttgfctt btefer 3luffaffung fann einem 
3meifel füglta) niebt unterliegen. 

Söofjin füllte es führen, roenn beifpiclSroeife baS ©eridEjt gejroungen 
roerben tonnte, in einer Ünterfuajung über einen in $ofen begangenen 9Jtorb, 
3eugen über ben Verlauf irgenb einer gleichgültigen SansgcfeUfcbaft in Äöln ju 
»erne&men. SBerfennen läfet ftcb freilicb niebt, bafe bie Prüfung ber grage, ob 
ber 3 cu 9 e m & öer 6acbe 3 u f flw wenbängenbe5 befunben fotte, leicht in eine 
Prüfung ber ©rljebliä^feit ber in feine 2Biffenfdt)aft gefleHten £t)atfadjen um* 
v fd^lagen fann. 

9Jcan roirb ba^er aua) ber weiteren gorberung be« Sleicb^geri^tö burdt)* 
aus beitreten muffen, roonadf) ein SBefcf)lufe, ourdt) roeldr)en ein gelabener Beuge, 
6aa>crftänbiger ober anbereS ^erbeigefc^affteS 23eroei3mtttel roegen 3)tangelS beS 
3ufammen^angeS mit ber <Sadt)e abgelehnt roirb, einer fef>r einge^enben begrün* 
bung bebarf. 

S)enn nur fo roirb ber 9leoifionSridt)ter in ben ©tanb gefegt, ju erfennen, 
ob baS ©eridtjt nidt)t re^tsirrt^ümlidc) m eine Prüfung ber (5r^eblidt)feit »er- 
fallen ift. 

2>a£ 5leidc)Sgericbt ^at biefer Euffaffung, betreffenb bie Prüfung ber Srage 
bcö 3uf ammenbangeS allerbingS bei einer ®elegent)eit SluSbruct gegeben, 6 ) bei 



1) Gntfctieibuna beS SRcicfißflericfjtS in Straff aAcn 33b. I. CS. 62. 

2) (5ntfd)eibung in Straffadjen »b. I. ©. 198. 
81 6ntfd)ei&un0 in ©tranadjen 3^b. L <B. 2211. 

4) (Sntfcbetbunfl in €traffad)en 33D. I. @. 242. 

5) entfdjcibung beö SReid)ögerid)tä SBb. 1. ©. 244. 



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428 



Uebet Mc «m»enbun0 bc§ §. 344. bcr St. ©t. $hoj. 0. 



weiter es ficf> um fjerbeigefdjaffte Elften Ijanbelte, ober eS ifi biefelbe unjmeifel* 
Ijaft aud) bei 3eugen unb SQ^oerftänbiaen oöüig jutreffenb. 

Semgemäfj wirb aua? bem ©eriegt bejro. bem Borftfcenben bie Befugnife 
eingeräumt werben muffen, oon bem 2lngeflagten bejro. Staatsanwalt oor 53c* 
eibigung beS 3 cu 8 cn c ^ c 2lngnbe ber fünfte ju »erlangen, über meldte berfeJbe 
geprt werben fou. @S roilrbc bcr Söürbc ber Bcrpnblung unb beS ©eridjtö 
ebenfowenig wie ber Bebeutung beS (StbeS entfpred&en, wenn 3eugen erft bc* 
etbigt mürben unb bemnäd&ft alle an fic gerichteten fragen oom Borftteenben in 
©emä§l)ett beS §. 240. 2. als ungeeignet ober nietyt jur 6a<$e geprtg jurfief* 
gewiefen werben müfjten. Berweigern auf bie betreffenbe ftragc bie ^arteten, 
unter SBorbcljalt ber an fic fclbft ju fteßenben fragen, bie Slüsfunft barüber, 
worüber bie .»Jeugen gehört werben foüen, fo wirb baS ©eridjt ope SRe$tS* 
irrtpm befdfjlte&en fönnen, bafe bie 3eugen wegen nid(jt erfid&tltcpn 3ufantmen* 
pngeS ber oon benfelben ju befunbenben $ptfa$en mit ber ©aep äurücfju* 
weifen feien. 

9öenn fonadj bie gelabenen unb erfdtjienenen 3 eu 9 en nut ocr * n % ox * 
tepnbem bargelegten ÜKafegabe unter allen llmftänben oemommen werben muffen, 
o ftellt fic| bie <5acp anberS betreffs ber geseilten 3 e ügen. $)aS ©efe$ 
treibt nur bie Bernefcmung ber gelabenen, mep ber gefieuten 3™9 cn »or, 
unb bemgemäfj napt fcpn sDalcfe 8 ) unb SÖwe 7 ) in ben erften Auflagen ihrer 
Kommentare an, bafj in Betreff ber 3^ugcn, bie erft in ber §auproerpnblung 
geftcllt würben, bem ©eriep bie Prüfung ber ©rpbltcpett sufierje. 3>iefer 2luf* 
faffung pt fic& baS fteiepaeriep angefajloffen, 8 ) inbem eS fid^ fireng an bie 
SBorte beS ©efcfceS plt, uno namentlich bie gesellten 3 eu 9 en niep als m ben 
„anberen prbeigefepfften Beweismitteln" gehörig betraepet. tiefer Mia)t 



ber fianb, buref) Benennung oon im 3uprerraum ober fonft im ©ericpSgcbäubc 
anwefenben flterfonen, bie Bcrpnblung beliebig in bie Sänge ju $iepn. * 

©benfo mufj eS burdjauS gebilligt werben, wenn baS 9tetdpgericp bem 
©eriep in Betreff ber gelabenen, aber in ber öauptoerpnblung ni<p crf<$ienencn 
3eugen bie Befugnife beimifjt, beren (Srpbltcpeit }u prüfen, unb je nadj bem 
(Srgebnife biefer Prüfung bie &auptoerpnblung auSjufefcen ober ntdp 9 ) $ie 
BcmeiSaufnapte mufe fidfj nadf) ben Bcftimraungen beS ©efefeeS auf bie im 
(Sinne bcffelbcn gegenwärtigen Beweismittel erfireefen. Slber ntrgenbS tft bem 
Staatsanwalt ober bem Hngefl. baS SRecp eingeräumt, bie SluSfc&ung ber Ber^ 
lianblung 3U oerlangen, lebiglic^ auS bem formalen ©runbe, bafe ein gelabcncr 
3euge ausgeblieben ifl. SlnoernfaUS mürbe eS ber Slngefl. in ber §ano laben, 
burey Sabung oon ^erfonen, oon benen er weife, bafj fic bemnäc^ft in ber ^aupt* 
oer|Qnblung nic|t erfc^einen fönnen, bie Beenbigung ber 6adf)e beliebig l)tnauS- 
5ufd)ieben. Steigert r«4 ber 2lngefl., anzugeben, worüber ber ausgebliebene 3eufle 
geprt werben foU, fo wirb er olme SBcitereS oom ©eri$t als uner|eblidt) oer^ 
worfen werben fönnen. 

2luf ©runb biefer Sluffaffung wirb auc| ber ©cfafjr, ba§ bcr 2lnqcflagte 
burc| gehörige rec^tjeirige fiabung fämmtlic|er 3Jiitgltebcr eines ©criqitS als 
3eugcn bie Berljanblung wiber it)n an biefem ©eria)t unmöglich madejt, oorge^ 
beugt werben fönnen. $)ie gelabenen 9li^ter leiften bcr Sabung infofern feine 
$olge, als fie nierjt als 3 cu 9 en erfc^einen, unb werben bann, fclbft roenn fic 
als s Jtic|ter anwefenb finb, als 3cugen o|ne 9led>tSirrtf)um als ntcr)t erf Lienen 
anjufclen fein. %n bem, bem ©cric|t nunmehr aufte^enben Bcfc^luB über bie 



6) Saide Äommentar 1. »ufl. 9lr. 3. ju §. 244. 

7) 8ö»c Äommentat 1. Kufl. 9tr. 2. ju §. 144. 

8) entfdjeibung in ©traffadjen »b. £ 6. 198, 248. 

0) entfdjetbunQ in ©tra Men SSb. I. @. 175, 196, 316. 




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J ■ • 
* • . 



Ueber bie «ttwcnbuttg be« §. 244. ber ft. (St. ghroj. O. 429 

®r^cbli(|fcit if)te« 3 cu 9 n ^) eig Kirnen fie unbebenfliclj Sljeil nehmen, ba l^terbei 
ber ©ttafau«febltcfeung«gtunb be« §. 22. 5. ©t. $ro$. 0. ntd>t ^lafc greift. 

3n Betreff ber anbeten ^erbeigcfd^afften Bewei«mittel tyat ba« Steich«* 
geriet in bem 6rfenntni& oora 19. Slpril 18ö0 10 ) au«gefprocben, baö al« foldf>e 
im ©inne be« §. 244. nur biejenigen ju betrauten feien, bie in ber gefefelid) 
oorgefchriebenen SBeife jur §auptoerhanbluug herbeigefebafft finb. da« 9ieid)S* 
geriebt giebt in bem angesogenen ©rfenntmjj ein BerjeichniB ber ÜHöglicbteiten, 
unter melden Beweismittel al« gefe|lich berbeigefdjafft betrautet werben tonnen. 

(SS geboren hiernach baju: 

1) die oom 6taat«anwalt bezeichneten unb oon ihm herbeige' 
febafftett, bem Slngefl. mitgeteilten Beweismittel. 

§§. 198. 199. 20Ü. 213. ©t. $roj. 0. 

2) diejenigen Bcwei«mittcl, beren ^erbeif Raffung ber Slngefl. 
bei bem Borfiöcnben beantragt fyat, fofern biefelben oom Borfifcenben 
unter Benadjtichtigung be« ©taat«anwalt« sugelaffen unb herbeige* 
fdwfft finb. 

§. 218. 219. ©t. $roj. 0. 

3) diejenigen Bewei«mittel, beren $etbetfchaffung ber Borfifcenbe 
oon 2lmt«weaen angeorbnet \)at. 

§. 220. & *ßroj. D. 

4) diejenigen Bewei«mittel, beren $erbeifchaffung ba« Weridjt 
in ber £auptoerhanblung felbft angeorbnet bat. 

§. 243. ©t. $ro$. D. 

demgemäß bat ba« 9teidj«gerid)t ein ©cbttrtftücf, welche« jwat in ben 
3lften befmblicb, ba« aber oon feiner ©eite oot ber ^auptoertjanblung al« Be* 
wet«nüttel in Bejug genommen mar, nicht al« hetbetgefchafft im ©inne biefe« 
Paragraphen betrautet unb baber bie StuSbefmung ber Beweisaufnahme aueb 
auf ein folc&e« Beweismittel, wenngleich fte in ber $auptoerhanblung beantragt 
roorben ift, nicht für obligatorifd; erflärt. 

diefe 2tnfidf)t be« flteid)SgericbtS ericheint nicht unbebentlia). 3 un ä$ft $ 
ba« oben erwähnte SBcrjcic^ntfe ber ^töglichfeiten, in melden Beweismittel in 
• gefefclich oorgefchriebener s J5teife $ur $auptoerhanblung betbeigefebafft werben 
fönnen, nicht ganj ooUftänbig. 

@« ift nämlich ber %a\l fein: wohl benfbar, bafe ber Slngefl. entroeber 
felbft, ober bureb feinen Bettheibiget, fei c« ein 2lftenftütf ober irgenb einen 
anberen förperltchen ©egenflanb jur £auptoethanblung gefc&afft, unb oon feinem 
Vorhaben oother rechtzeitig ber ©taat«anmalticbaft *JHittyetlimg gemalt b Qt - 
diefe 3lrt ber ^erbeifebaffung oon Beweismitteln ift im erwähnten SBcrjeid^ntfe 
nicht mit aufgeführt, mujj aber unjroeifcl^aft al« eine ben gefeilteren 55orfd>riftcn 
oöUig entfprec^cnbe angefehen werben. 

3n Uebereinftimmung hiermit hatte ba« tffcichSgeticht in bem (Srtenntnife 
oom 3. ÜJfätj 1880") angenommen, bafj (Sioilptojefeaften, bie auf 2lnttag be« 
BettheibigetS oon einem Amtsgericht ber ©traffammer oot ber §auptoetbanb* 
lung eingef chieft waren, al« berbeigefebafft im ©inne biefe« paragrapben anju^ 
fetjen unb ba^er bie *Bewei«aufnabme auf biefe, obne Siücfficbt auf bie ßrbeb^ 
lid)fett, au«jubebnen fei. — darüber, ob bie ^Benachrichtigung be« ©egnet« oon 
ber beabfiebtigten ^erbeifchaffung biefe« iöewei«mittel« erfolgt war, enthält biefe« 
(hfenntnife ntdfjt«. Slber felbft wenn eine folebe ©enaebriebtigung unterblieben 
ift, wirb 9lngeficbt« ber Seftimmung be« §. 244. 1. ©t. $roj. 0. ba« ©criebt 
bic 3lu«behnung ber Beweisaufnahme auf biefelben ntdjt ablehnen fönnen. Slucb 
bie unterlaffenc Benennung eine« unmittelbar gelabenen 3eng,*n an ben (Segnet 



10) entfa)etbunfl in ©traffacben Üb. I. ©. 38:5. 
U) enl|5eibun0 in ©traffaAen 9». L @. 241. 



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430 Uebcr bie «mwnbunß be« §. 244. ber SR. St. ^roj. £>. 

bcgrünbet für baS ©ericht ntd^t baS Stecht, bic ©rheblichfeit beffelben ju prüfen, 
oielmebr fann nach §. 24ö. 6t tyxoy 0. eoent. nur bic SluSfefcung ber £aupt* 
oerhanblung »erlangt werben, ^benfowenig wirb baS ©ericht berechtigt fein, 
ein feiner Slnficbt nad; unerhebliches S3eroci5inittcl jurüetjuwetfen, weil bic Sc* 
nennung beffelben oon bem ©egner nicht rechtzeitig erfolgt fei. 

$raftifd)c Rücfficbtcn, wie fte ber unbebingten 3ulaffung gejteüter beugen 
entgegengehen, treffen J)ier nicht JU, ba burch bie Hiorlegung eines ©egenjtanbeS 
ober felbft bie etwa erforberlich werbenbe Bcrlefung einer Urfunbc ein erheb* 
licher 3ritaufwanb nicht in ülnfprucb genommen unb jebenfalls bie Beenbigung ber 
Berhanblung baburch nicht getnnbert werben fann. 

Sßenn baS oorgebraebte Beweismittel weitere ©rmittelungen erforberlich 
macht, 83. raenn eS auf bie ^eftftellung ber Echtheit einer Urfunbc anfommen 
follte, fo wirb bie ©cgenpartei oon bem 9led)te, in @emä§b«t beS §. 245. 
St. $roj. 0. bie SluSfejjung ber $auptoerbanblung ju beantragen, ©ebraud) 
machen tonnen, bejm. wirb ba« ©eriebt weitere Ermittelungen oon 2lmtSmegen 
anjuorbnen hoben. 3>ie ©ntfebeibung aber barüber, ob bie Berhanblung aus* 
$ufe§en, wirb baS ©ericht lebiglid) baoon abhängig machen, ob ba« neue oorge- 
brachte Beweismittel erheblich ift ober nicht, unb ift fonach ber ©cfnhr, ba& bem 
SIngcfl. bie iüiöglichfcit gegeben wirb, burch berartige neue Beweismittel bic 
Berhanblung enbloS Innjufcbleppen, genügenb oorgebeugt. 

Rad) aHebem muß angenommen werben, bafe ber Slngefl. ein Recht auf 
2luSbelmung ber Beweisaufnahme auf alle oon ihm $ur <gauptoerhanblung un* 
mittelbar, fei eS mit ober ohne Benachrichtigung beS Staatsanwalts, berbeigefebaffte 
„anbere Beweismittel" ^at. 3n bem (srfenntnifi oom 26. ^uni 1880 12 ) fa)lie§t 
fich baS Reichsgericht biefer Slurfaffung jwar infoweit nicht an, als eS oom Ingen, 
erft im Termine überreichte Schriftftücfe als „herbeigefchaffte" im Sinne biefeS 
Paragraphen nicht angefeben wtffcn will, dagegen erfennt eS in biefem Urtt>eil 
auSbrücflich an, bafe Bejtanbtbetle ber 2lftcn, infoweit fte fich föon 00 * tet 
^auptoerhanblung bei benfelben befanben (in bem in Rebe ftehenben %aü war 
eS bie 3)enun$iationSfchrift), als hcrbeigcfdmfft ansehen finb, wenn auch feiner 
ber ^rojefebetheiligten ju ber §erbeifcbaffung eine Sbötigfeit aufgewanbt bot. 
S5iefe le&tere Slnftcbt fleht offenbar in bireftem SBibcrfpruch ju ber im @rfenntnifj - 
oom 19. Slpril 1880 auSgcfprochenen, eS mufj ihr aber nach obigen Ausfüh- 
rungen unzweifelhaft ber Borjug eingeräumt werben, ©elten aber alle bei ben 
Elften befinblichen Schriftftücfe, fei eS, ba§ Reh bie Parteien oorber auf biefelben 
belogen haben ober nicht, als berbeigefebafft, fo läfjt fid> bie Behauptung, bafc 
im Xermin erft tibergebenc Schriftftücfe fich nidht als foldje anfehen tieften, faum 
noch holten. 

©enn baS Reichsgericht in bem <5rfenntnife oom 19. Slpril 1880 bicS 
bamit ju begrünben oerfucht, bafj bie Beweisaufnahme nur auf folche Beweis* 
mittel nothwenbig auSgebehnt werben müffe, bic gcmcinfchaftlich geworben feien, 
baS heifet alfo wohl oon beren beabfichtigten Benutzung beibc Xheile Äcnntnife 
erhalten hoben, fo ftet)t bem bie bereits angebeutete (Srmägung gegenüber, ba§ 
3eugen, bie oon einer Seite oorfchriftSmäßig geloben finb, jcbenfalls oer* 
nommen werben müffen, auch wenn ber ©egner oon ber ßabung feine Äenntnifj 
erhalten bat- 

dagegen fann eS zweifelhaft fein, bafj Schriftftücfe, welche bem ©ericht 
nicht oorliegen, bejm. oorgelegt werben, unb auf bie ber Slngefl. erft im öaupt* 
oerhanblungStcrmin Bezug nimmt, nicht unter bie Regel beS §. 244. 1. fallen, 
fonbern, bafj in Betreff beren bem ©eriebt bie Prüfung ber (Srbeblicbfeit zuflebt. 
etwas 2lnbcreS follte auch wohl in ben ©rünben beS (SrfenntniffcS oom 9. ^uni 



n 1 U 9t lA^ PtC * UnÖ 9leid)e0cri * tS ' herausgegeben oon ber 8Reid)«an»altfö)aft 



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lieber bie toenbunß be« §. 244. ber 9t. <St. ^troj. D. 43 1 

1880 1S ) nicht auSgefproa)en werben, obfdjon aus benfelben nicht flar erhellt, 
ob baS in 5tebe ftehenbe (Srfenntnife im Dermin jur 6teHe geroefen ift ober ntd>t. 

Sludr) bei berartigen Seroeigmitteln roirb ebenfo rote bei 3 eu 9 cn b max 
nicht bie @r^eblid)feit, roo^l aber bie ftrage 3U prüfen fein, ob baS Verociömittel 
mit ber Sache äufammenbängt unb oerncinenben ftaHS bie« VeroeiSmittel feiten« 
beS ©ertehts aurütfgeroiefen rocrben fönne. S)enn baS ©ericht fann unmöglich 
gejroungen werben, einen ganzen Äramlaben aller möglichen, mit ber 6ad)e in 
gar feinem Rufammenhange ftehenben S)inge oor ftch ausbreiten $u laffen. 

Selbfroerftanblid) fann unb mufe baS (Bericht trofc ber Vcftimmung beS 
§. 244. 1. Urfunbcn, beren Vorlefung unjuläffig ift, roiej. V. Seumunbjeugniffe, 
al£ VcroeiSmittel jurüdroeifen. Von ber (Hebung einjelner VeroeiSmittel fann 
abgefehen roerben, roenn 6taatSanroaltfd)aft unb Slngefl. barait einoerftanben 
finb. 3ft aber ein 3?erjidjt auf ein VerociSmittel einmal auSgcfprochen, fo fann 
eS nicht roiberrufen roerben. 14 ) 9cimmt im Saufe ber Verljanblung ber Staate 
anroalt ober ber Slngefl. baS VeroeiSmittel roieber auf, fo fle^t nunmehr bem 
©ericht bie Prüfung ber ßrrjcblidjfcit m. Senn burd) ben beiberfeitiaen Ver- 
lieht ift baS VeroeiSmtttel ooflftänbig beteiligt, roirb oon einem auf baffelbe Vejug 
genommen, fo fann eS nicht mehr als fjerbeigefetjafft im Sinne beS §. 244. 1. 
gelten. Slm ffäufigPen roirb ein folcher SBerjtcrjt bei 3 eu 8 cn un0 Sachoerfiänbigen 
eintreten, biefe roieberum roerben in ber Siegel, nad) erfolgtem Ver3iAt, alsbatb 
baS ©eriehtsgebäube oerlaffen, unb ftel;en basier, falls oon Beuern auf fte Vejug 
genommen roirb, bem ,ffli)t erfchienen", oöflig gleich. 

Sollten biefe ^ßerfonen aber auch jufäüig im ©ericrjtSaebäube jurüdfgeblieben 
fein, fo fömtten fie im Sali einer neuen Vejugnahme auf fie, nur als „geftellte" 
3eugen, bejro. Sadjocrftänbige betrachtet roerben, unb auch be$üglid> folcher fteht, 
rote bereits bargelegt, bem ©ericht bie Prüfung ber (Srbeblidjfeit ju. 

9Benn beim Vorhanbenfein mehrerer Slngeflagten ein 3 cu 9 e m betreff 
eines ober beS anberen berfelben benannt ift, fo genügt eS, roenn nur ber be- 
treffenbe SlngeFlaatc unb ber Staatsanwalt auf benfelben Deichten. 

betrifft jebod) bie oon einem 3eug*n 311 befunbenbc Sti^atfac^c alle Singe" 
floaten, fo fann feine Vernehmung aud) nur mit 3nftimmung Silier unterbleiben, 
feloft roenn er auch nur oon einem ber Slngeflagten benannt fein foflte. 15 ) 

Ohne einen folgen fibereinfrimmenben 3Jcr$id)t mufe bie VeroeiSaufnahme 
in oollem Umfange ftattfinben, aud) roenn ein oolIftänbigeS ©eftänbnifj oorltegt. 
— dagegen iji ©aide ber Meinung, 16 ) baß auch ohne einen fola)en Versieht 
baS ©ericht oon einer VeroeiSaufnahme in alten ben fällen Slbftanb nehmen 
fönne, in benen eS gar nicht jur (Sntfcheibung über bie Sdnilbfrage fommt, 3. V. 
im $aH ber Verjährung, beS 3WangelS beS Strafantrages u. f. ro. tiefer Sin* 
fic^t mufe jebodj rotberfprochen roerben. ©S ift feineSrocgS auSgefdjloffen, ba§ 
burch bie VeroeiSaufnahme feftgefteüt roirb, bafj ber anfeheinenb oorliegenbe 
StrafauSfd)UefjungSgrunb nicht oorliegt. 6S mag beifpielSroeife nach Inhalt 
ber Slftcn unb nach ber 3«tangabe im Skfchlufj über Eröffnung bes ^auptoer» 
fahrenS ben Slnfchein hnben, bafe baS in 9iebe ftehenbe Sergehen länger als 
0 ^ahre oor ber erften richterlichen Verfügung oerübt ift. S)ie SBeroeiSaufnahme 
fann aber fehr roohl ergeben, ba§ alle biefe 3eitbeftimmungen irrthümlia) fmb, unb 
baS betreffenbe Vergehen erfl 4 #ahte oor ber erflen richterlichen Verhanblung 
begangen ift. Selbjtoerftänblich roürbc fid) baS ©ericht, roenn fonfl bie ^bentität 
ber %l)at nicht in 3roeifel ftc^t, einer Slburtheilung berfelben nicht entliehen 



13) «Red)tfpred»una be$ 3teid)ögerid)tö in Straf fa^en, herau«geaeben oon ber 
»altfö>ft «b. IL & 48. 

14) (gntf(heibunaen beg 9teid>«aerf<r)tö in Straffadien 8b. L & 34. 

15) ©(hroan Äommentar SRr. 3. »u §. 244. 

16) «Dolde Äommentar 2. «ufl. #r. 8. ju §. 244. 



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432 Ue6ct *> {e Hnwenbung. be« §. 244. Der <R. (St. «ßroj. O. 

fönnen. Ober eS I)anbelt ftch nach bem (Sröffnuno^bcf^Iufe um eine einfache 
fförperoerle&ung im Sinne beS §. 225., unb eS ift ein Strafantrag ^n^lt« ber 
2fttcn nicht gcftellt. SDie Beweisaufnahme fann ergeben, bafe eine gefährliche 
Äörperoerlefcung im Sinne beS §. 223 a oorliegt. 

$m gali ber cmfdjeinenb oorliegenben Strafunmünbigfeit (§. 53. St. 
©. B.) fann bie Beweisaufnahme ergeben, bafj ber 2lngefl. jur &e'\t ber Be* 
gehung ber Xfyat baS jwölfte Lebensjahr bereite überfc^ritten ^atte. — Siegt 
in berartigen fällen unzweifelhaft ein StrafauSfchUejjung^grunb oor, fo barf 
erwartet werben, bafe ber Staatsanwalt unb gewifj auch ber Slngefl. auf bie 
Beweisaufnahmen Oermten. 

2luch ift e$ juläffig, bafj bie Beweisaufnahme sunächjt nur auf ben präju* 
bijiellen $unft, ob ein StrafauSfchliefmngSgrunb oorhanben ift ober nicht, 17 ) auS* 
gebetjnt unb bcmnädjft erfannt wirb, ob baS Berühren einjuftellen fei. 3 U 
einer folgen Befchränfung ber Beweisaufnahme ift aber jebenfaUS bie 3uftim»» 
mung ber Parteien erforberlid), ohne eine folct)e mufe ber ooHe Beweis erhoben, 
unb barf bie SDiöglichfeit, audEj olme «ßuftimmung beS ©erichts burch Durchführung 
beffelben baS 9itchtoorhanbenfein eines Straf auSfchliefjungSgrunbcS barjutfmn, 
bem Staatsanwalt nicht abgefdmitten werben. 

%uä) auf bie feiten« beS Borüfcenben ober beS ©erichts oon 2lmtSwegen 
berbeigefchafften Beweismittel mufe bie Beweisaufnahme Langels eines aUfeittgen 
Berichts auSgebelmt werben. 18 ) Staatsanwalt unb Stoßen, haben auf biefe 
Beweismittel ein Utecht erlangt, biefe finb in ber %l)at gemeinfehaftlich geworben, 
beiben Stheilen fteht es frei, fie in ihrem 9lu^en ju oerioerthen, unb fte fönnen 
baher nicht fallen gelaffen werben, wenn nicht beibe %ty\k Darauf oerjicfiten. 

Die Vernehmung eines gelabenen unb erfchienenen 3cugen fann nicht 
um beSmiHen abgelehnt werben, weil er ber Bcrhanblung oor feiner Vernehmung 
beigewohnt h«t. 19 ) 

Denn bie Beftimmung beS §. 58. St. Sßroj. 0., wonach jeber 3euge einzeln 
unb in Slbwefenheit ber fpäter 2lbsuhörenbcn oernommen werben foH, h a * nut 
reglementare Bebeutung, ihre 9cichtbeoba$tung ift 5war orbnungSwibrig, auf 
Verlegung bcrfelben aber fann niemals baS Urteil bergcftalt beruhen, bafj bie 
Aufhebung beffelben geboten wäre. 

©benfo müffen bie gelabenen unb erfchienenen 3*ugen oemommen werben, 
ohne 9tücfficht barauf, ob ihre Bereibigung suläiiig ift ober nicht, benn baS 
©efefe gemattet auSbrücf lieh , auch ^erfonen, bie nicht beetbigt werben fönnen, 
als Saugen ju oemehmen, unb nichts hinbert baS ©ericht, einer unbeetbeten 
2luSiage Dollen ©lauben beijumeffen. — 2lnberS Dagegen liegt bie Sache betreffs 
ber Sadwerftänbigen. DaS ©efefc fchreibt bie Beeibigung ber Sachoerftänbigen 
unbebingt cor, unb ift baher eine 'sßerfon, bie nach 8§. 5(5. unb 72. St. ^toj. 0. 
ben Sachoerftänbigeneib nicht leiften fann, niajt als Sachoerftänbiger im Sinne 
ber St. ^roj. 0. anjufehen. 20 ) (£S würbe baljer feine Bemehmung, falls er 
nicht auch als 3 cu 0 e 3" h^en ift, als aufjer allem 3 u f a,u 'ncnhang mit ber 
Sache betrachtet unb baljer abgelehnt werben müffen. Sluch ift baS ©ericht trofc 
beS §. 244. 1. nicht oerpflichtet, gelabene unb erfchienenc Sachoerftänbige $u 
oemehmen, welche in ©emäfetjeit beS §. 74. St. ^roj. 0. abgelehnt werben. — 
Dagegen Imt &öwe Unrecht, wenn er meint, 21 ) bap baS ©ericht auch ben als 
Sachoerftänbigen abzulehnen befugt ift, bem biefe ©igenfdmft sweifeUoS nicht 
beigemeffen werben fann. 



17) 6rf. b. JR. ©. ü. 12. 3uni 1880, herausgegeben oon ber 9tri$8anu>alrfd)aft m. II. 

©. 188. 

18) (intfdjeibung in ©trafjadjen «b. I. <£. 388. 

19) Gntfdjdbunß in ©traffadjen fflb. I. S. 383. 
*)) £d)tt)ari Kommentar «Jhr. 1. ju §. 74. 

21) göroe $k 4. au §. 244. 



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Heber bie Hmoenbuna be3 §. 244. ber % 6t. «|Sroj. Ö. 433 

GS mtvb fidfj immer erft burd& bic Vernehmung f)cvau$ftellen ; ob bie in 
tÄcbe ftetjenbe ^erfon ein facfroerftcmbtgcS Urteil über bie in Siebe ftefjenbe 
$rage fyaben fann ober niä)t, aud) bleibt e§ bem ®erid)t noUftänbig überladen, 
roclqen Söertt) e8 bem abgegebenen ©utaebten beimeffen roil @S muffen fonad) 
alle al« Sadperftänbige gclobcnen unb erfdnenenen $erfonen oernommen werben 
unb tonnen nid&t beSlmlb äurütfgcroiefen werben, weil fie offenbar leine 
Sadwerftänbige finb. 

S)a3 ©erid)t bleibt felbftoerftänblidf) audj trofc aflfeitigen SBcrgid^teö befugt, 
bie Veroetäaufnaljmen in üoüem Umfange eintreten ju laffen, ober ju beftimmen, 
bafe nod) bcS ©inen ober beS 2lnberen SeroeiSmittel benufct roerben fofl. 3)er 
§. 244. 1. fd&ränft baS ©ertd&t nur in Vejug auf 9lbfranbnal)me, nidjjt aber auf 
ISrtjebung oon Vcroeifen ein, e£ fmt oöUia freie &anb, bie SBeroctöaufnabmen 
audj über bie geseilten Anträge l;inauö, foroett eS tym erforberlidfj erfdpeint, 
auSjubefnten. 

$>cr 2lbf. 2. beS §. 244. giebt ju Vemerfungen feine Vcranlaffung, benn 
bafj in ben Verrjanblungen in ber SerufungSinftanj, inforoeit e3 ftdj um 33er* 
getien (abgcfeljen oon ben gäHen ber ^rbatflage) tjanbclt, ber 2lbf. 1. in ooßem 
Umfang $la§ greift, folgt au« ben SBorten bcS @efcfce3, unb ebenforoenig fann 
eS jroeifelfjott fein, ba§ alle bie über ^nroenbung beffcXbcn oben erörterten 
©efid)t$punfte, audj wenn ber Slbf. 1. in ber VcrufungSinftanj jur Slnroenbung 
fommt, ityct uoHe Vebeutuna, beroatjren. 68 barf roob,l faum Ijeroorgeljoben 
5u roerben, bafe aud) bei benjenigen Sargen, bie nid&t an fief) jur 3uftänbigfeit 
ber 6d)öffengerirJ)te gehören, fonbern benfelben in ©emä&beit beS §. 75. ©er. 
Verf. ®. pr @ntfd>eibung überroiefen roerben, bie Angaben be£ §. 244. 2. 
>n,lafc greifen. 

3)ie ©efthnmung be3 §. 244. 1. ©t. $roj. D. enthält unaroeifelfjaft eine 
grojje ©efa&r unb roürbe, roenn u)r eine auäbe&nenbe Sfoälegung ju Xtyil ge* 
roorben roäre, ju ben allergrößten Unjuträglidjfetten geführt gaben. 

$l>corie unb 9JrariS b,aben fidt> aber übereinftimmenb bemüfjt, einem Wifa 
braud) biefeä ©efefeeS oorjubeugen, unb t& ift bieS aud> im SBefentlid^en gelungen. 
3um minbeften ift eine d)ifanöfe Vereitelung ber ^pauptoerlrnnblung unmöglia) 
gemalt unb aueb, einer allju übertriebenen Sttu8bc|nung ber SBeroeüSaufnafjmc 
rann, roenn audb nidf)t überall, fo boa) nielfad> mit Grfotg entgegen getreten roerben. 

StnbererfeitÄ läßt ftdf) nid&t oerfennen, bafe e« notfroenbig roar, bem in 
tb,atfäd&li$er Sejie&ung auf eine Snftanj angeroiefenen »ngeflagten eine au«* 
reid()enoe ©eroä^r für eine oollftänbige aufnähme feiner 6ntlafrung3berocifc 311 
geben. 2)er 6taafc8anroalt ift buref) biefe ©eftimmung in ben 6tanb gefefct, auef) 
gegen bie 2lnfid[)t beS ©erid;tä feinen Seroei* burd^jnfüljren. 

S)iefe Vorteile bürften bie ^ad^tbeile unfere« ©efe^e3, inforoeit biefelben 
nidr>t fd^on burd^ bie ajrartö befeitigt Unb, überwiegen. Tie lefctere ^at ba3 
ißerbtenft, eine an ft<^ fetyr bebcnflidje ©efe|3e3befrimmung in roefentlid^e Ueber< 
einftimmung mit ben ^orbenmgen beS ?Red)t5gefü^, ber 2öiffenfa)aft unb be$ 
Sebent gebrad^t ju l)aben. 



*td)h> 188a 6. ©eft. 



29 

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JJcutfd)« Straftest. 



§. 28. '2lbf. 4. i>es H. <F. r». 21. (Dft. 1878 gegen öic gemeingcfabr« 
lieben Begebungen 6er eo$ialoemofratie. ötrafbarfeit Sc« gegen 6ie 
auf (Bruno »on Einordnungen erlafienen Verfügungen nach erfolgter 
Publlfatlon ßanoelnocn ohne iErforocrni§ oes naebroeife* 6er lienntnijj 
jener Qlnor&nungcn. 

üntfä. be« n. Straffen, o. 13. 2lptil 1880 c/a. (Buhl, rooburd) auf 
3urücfroeifung ber Steoifton ctfannt rootben ift. 



© r ü n b c. 

©et 2tngeflagtc bcfdjroett fidt> rocgen unttdt)tiget Suiroenbung bc« 9t. ©. 
». 21. Dft. 1878 gegen bie gemcingcfäljrlicben üBeftrcbungen bet 6o3ialbemoftatie. 
(£t geht bauon aiuS, bafe roebet i^m felbfi, als et am 29. 5loo. 1879 naa) 
s Jteimcfcnbotf, reo tt)m butd) SSetfugung bet pteufc. Stegietung m tyot&bam 
v. 4. Se*. 1878 bet Stuf enthalt roäbtenb bet äöitffamfeit bet am 28. Rm>. 1878 
auf bie &auet eines ^aljte« oom pteufe. ©taatöminiftetium untet Genehmigung 
be« 2)unbe8tatl)« angeotbneten 2Rafenat)men oetfagt rootben war, jutücfteljtte, 
nodd bem 9ttd)tct, meldtjem et nad) feinet am 30 beßf. Womt& etfolgten )8et< 
Haftung am 1. S)e§. ». 3«. jn $etlm ootgefurjtt rootben, befannt geroefen fei, 
bafc am 28. s Jloo. 1879 eine SBefanntmadmng von 6eiten be« preufj. ©taafcS* 
miniftetium« untet ©cneljmigung be« 93unbe«tatl)« übet Sßettängerung bet am 
28. 9ioo. 1878 auf ©tunb be« §. 28. be« ©. ». 21. Oft. 1878 gettoffenen 2ln 
otbnungen auf Die S)auet eine« rociteten äatjte« etlaffen rootben roat. 2>er 
SÄngef tagte null fomit aud) nadj feinet (Sntlaffung au« bet Jpaft am 1. $ej. 
o. 5«. im guten ©lauben nadj Sfleinicfenbotf 3utücfgcfet)tt fein unb ift bet 2ln* 
ficht, bajj e« bed^alb einet befonbeten ©töffmmg an it)n feiten« beö 2lmt« 
ootfteljer« ju 9ieinicfenborf flbet bie fetnetrocite Untetfagung be« Aufenthalt« 
beburrt haben roütbe, um für ü)n eine beroufjtc Ucbetttetung bet 5?otfa)tiften 
be« in Sejug genommenen WeiASgefefce« ju begtunben. 

S)a& angefochtene Utt^eii ftellt feft, bafe bet 2lngeflagte $u Neinüfenborf 
Ausgang« ^ooembet unb Anfang« ^ejembet 1879 ben auf ©tunb bet Sin- 



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gtattföti Sttafredjt. dterntttliffc bcö 9tcid)6acri*t6. 435 

orbnun'gcn bc^ prcufj. StaatSminiftcriumS o. 28. Roo. 1878 unb 28. Roo. 1879 
gegen u)n crlaffencn 3luSroeifungSocrfügungcn bcr Regierung ju s $otSbam oom 
4. S)ej. 1878 unb 28. Roo. 1879 mit Äenntnifj berfclbcn, bcjro. nadj erfolgtet 
öffentlicher Vcfanntmachung juroibergehanbelt unb fo gegen §. 28. 2lbf. 4. 
beS R. ©. 0. 21. Oft. 1878 gefehlt habe. Söiefe t^atfädjlidje geftfleaung er* 
fc^öpf t bie £j)atbeftanbi3merfmale ber angeroenbeten ©efefceSbeftimmung. ©er 
2lngef(agtc befreitet nicht, Äenntnife oon bcr&uSroeifungSoerfügung 0. 4. S)cj. 1878 
gehabt ju haben, er tjätt nur für notjjrocnbig, bafc igm Äenntnife aud> oon bcr 
ermähnten 2lnoronung beS StaatSminifteriumS 0. 28. Roo. 1879 unb oon ber 
Verfügung Ijätte jufommen fotten, meldte oon bcr Regierung ju ^otSbam biefer 
änorbnung gemäfj am nämlichen Xage über Verlängerung ber 2lufenthaltS* 
oerfagung crlaffen roorben fei. 2tttcin bcr erfte Stifter ftcltt auSbrücHia) feft, 
ba^ bem 2tngcflagtcn bic äuSroeifungS^rfügung ber Regierung in $otSbam 
o. 28. Roo. 1879 j'pätcftcnS bei feiner gerichtlichen Vernehmung am 1. 3)cj. beSf. 
^nljreö befannt geworben ift, unb bafj er trofcbem nach Reinitfcnborf jurücfgefcljrt 
ift. £iefc thatfädjlicbc fteftftcllung ift mit bem gegenwärtigen Rechtsmittel nia)t 
anzufechten. 2lufjcrbem ift foroohl bie Slnorbnung beS preufe. StaatSminifteriumS 
o. 28. Roo. 1879, burd; roelaje bie unter bem 28. Ron. 1878 getroffenen 3Jtofc 
nahmen mit ©enefmtigung beS VunbeSrathS auf bie 3)auer eines weiteren 
3af)reS getroffen mürben, roic bic gemäfj berfclbcn am 28. Roo. 1879 erlaffcnc 
Verfügung ber Regierung $u $otSbam, welche bie &uSroeifungSoerffigung 00m 
28. Rod. 1878 auf bie Sauer eines ferneren Jahres erftreefte, in bcr im §. 28. 
bes 9t. @. oorgefchriebenen Söcifc öffentlich befannt gemacht roorben. Rad; bcr 
Raffung ber Vcftimmung beS §. 28. 3lbf. 4. beS angebogenen ReicbSgefe&cS h°t 
auch berjenige bie bort beftimmte Strafe oerroirft, roelcher ben fraglichen er- 
laffcnen Verfügungen nach erfolgter öffentlicher Vefanntmachung auroibcrgehanbelt 
bat. S)aS ©efeö fteUt bie beiben gälte rechtlich gleich, roenn jemanb ben Ver* 
fügungen mit Äenntnifj, ober roenn er nach beren erfolgter öffentlicher Ve* 
fanntmachung juroibcrljanbcltc. £er Gntrourf beS ©efe&eS lwt te °i e wegen 
Xheilnahmc an oerbotenen Vereinen ober oerbotenen Verfammlungen, roegen 
^ergäbe oon Räumtid)feiten ui foldjcn, cnblich roegen Vetheiligung an Ver- 
breitung, 5' ort teöung ober SBicbcrabbrucf oon oerbotenen ober in Vefchlag 
genommenen SDrucffchriftcu ober an oerbotenen Sammlungen angebrohten ©trafen 
für oerroirft erflärt, roenn mit Äenntrttfj ober nach erfolgter Vefanntmachung 
beS Verbots ben Vorfchriften juroibergehanbett roorben fei (§§. 12. 2lbf. 1. u. 2., 
13., 14. u. 15. beS @ntro.). Sic Reid)StagSfommt)fion h at Kboch bie SBorte 
„mit .Kenntnife ober nad) erfolgter Vcfanntmachung beS Verbots" überall an ben 
angeführten Stellen — in bem ©efc&c nun in ben §§. 17., 18., 19. unb 20. — 
geftrichen, roeil fic jur 2lnroenbung ber Strafoorfchriften bic flenntnifj beS Ver- 
bots ober bcr Vefchlagnalnuc für erforberlich erachtete unb bcr Anficht war, bafj 
in ber Xhatfachc ber Vcfanntmachung allein ein ©rfajj für ben ÜRangcl einer 
rechtSroibrigen Slbficht unb fonad; eine gcfefcliche Vermutung für fold»e nicht 
gefchaffen roerben bürfc. 9)Jan hielt bie Sorte „mit Äenntnifj beS Verbots" 
bcjro. „bcr Vefchlagnahmc" für überflüffig, roeil fic nur ein felbftoerftänblichcS 
£ljatbcftanbSerforbernt| aussprechen, Dagegen bic SSortc „nach erfolgter Vefannt« 
machung" als unoercinbar mit ben allgemeinen ©runbfäfeen über bic rechts* 
roibrige 2lbficht. Sic Üommiffion fc^tc bcShalb unb, roeil fic eine milberc Strafe 
für benjenigen als geboten anfah, roelcher gegen baS Verbot h^nbcltc, nachbem 
es öffentlich befannt gemadjt roorben, ohne baß er oon bem Verbote bura) bie 
Vcfanntmachung ober' auf anbere SBcife Äcnntnifi erhalten habe, in bem §. 15. a. 
— nun §. 21. beS ©efeöcS ~ eine befonberc auf ©clbftrafc bis ju 160 SM. 
ober Saft befchränfte Strafe feft, roährenb roegen 3uroibcrhanblungcu intt Äenntnife 
beS Verbote höhere ©elbftrafeu ober ©cfängni^ftrafen angebroht rourben (>Drucf* 
fachen beS beutfehen Reichstags oon 1878, 4. öegislaturperiobe, Seffion I., 



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436 StattfdjeS ©trafrecbt. (Srfntntniffe be$ 5Reid)8gerid)t*. 

9ir. 23. 6. 21), bic 3Rotioc jum Gntrourfe felbft aber bereits anerfannt Ratten, 
bafe bie 3unriberbanblungen im $aüe mangelnber Jtcnntnifj beS Verbots als 
„aus minbercr Sahrläffigfeit begangen" in SBctradjt gu gießen unb bur$ 3"* 
laffung r>on ©clbftrafc unb burdj Mfeljcn oon einem fefigefe^ten 6trafminimum auet) 
geeignet berürf fi^tigt feien (baf. 9lr. 4. 6. 18). ,§abcn cS nun bic gefebgebenben 
^aftoren trobbem bei ber im (Snttourfc bes ©efefccS enthaltenen Veftimmuna,, 
beS jefcigen §. 28. 2lbf. 4. beS ©efebcS, bclaffcn unb benjenigen mit 6trafe 
bebrobt, welcher ben im 2lbf. I. aufgeführten iMnorbnungen ober ben auf ©runb 
bcrfelben erlaffencn Verfügungen mit Stenn tnifj ober nach beren öffentlicher 
Vcfanntmadnrng mtoiberhanbelt, fo mujj angenommen werben, bafj fie bei biefer 
Vorfchrift ben befonberen Stadjroctg ber Äenntnifj ber getroffenen Slnorbnungcn 
nidjt als unbebingte VorauSfebung ber 6trafoertoirfung angefehen, bie uorfc^riftö- 
mäßige öffentlid>c Scfanntmachung oielmehr für auSreichcnb erachtet haben. 



§. 223. @t. <B. 8. Bejrimmungen 5er Can&esgefefegebung, roonacb bie 
Ucberfd)reitung bes gücbtigungsrecbtes feltene eine* Cehrere, ungeachtet 
bie Züchtigung irprer äußeren <Erfa?einung nach unter §. 223. 6t.(B.15. 
fällt, frimincll nicht gefhaft »erben foll, flnb rotrfungelo«. 

Gntfct). beS III. 6traffen. n. 14. Sprit 1880 c/a. Sranbt, rooburcr) auf 
Sieoiuon beS 6t. X. auf Aufhebung beS freifpredjenben VoterfenntniffeS unb 
^urücfoerroeifung erfannt roorben ift. 

® r ü n b e. 

3Racr) ber ttyatfäcblidjen ^ejtftcllung beS fürftl. itaubgeriebts $u Sctmolb 
hat ber angesagte Lehrer bei ber 3^tigung beS Änabcn ©. baS rechte 'üJiafe 
Übertritten; inbeffen ifi bic 3üd)tigung für bie ©cfunbljeit beS Knaben ohne 
jebe naejt^etlige $olgc geblieben. 

2)aS itanbgericht hat beör)alb ben Seigrer oon ber 9lnflagc rocgen förper- 
lieber 9Jttfehanblung freicjcfprocfjen; cS nimmt unter Vejugnahmc auf bic l'ippc'fdjc 
®cfc$gcbung an, bafj ein gerichtlich ftrafbarer 3Jcij?braud) beS 3tt c ()tigungSrechtS 
nicht oorlicgc. 

2)aS ©efefc über baS VolfSidmlioefen com 11. Scj. 1849 oerorbnet: 

§. Vif). Ueberfchrciten bie Lehrer bei Seftrafung ber Äinber ba$ 
redjte 3)iaB, oerfahren fie babei mit Reiben fet)aftlict>feit unb über- 
triebener ctrenge, fo bat ber 6d)uloorftanb, wenn bic oon ihm jeben* 
falls *u oerfuehenbe gütliche Beilegung nicht 3U erreichen ftcht, ber 
Dbcrfcbulbchörbc Sinnige $u machen. 

§. 96. aWachen aber bic Lehrer oon bem 3"d)tiguni^rechte einen 
foldjcn Ulüfebraua), baß fie ben flinbem förperlidjc Verlebungen ju« 
fügen, fo haben fie eine friminclle JBcftrafung ^u gewärtigen. 284. 
beS ifriminalgefcbbudjS.) 
3m 2lnfd)lufj an biefe gcfefcliche Vcftimmung fdjreibt ba^5 3^fularrcffcipt 
beö fürftl. tfabinetSminiftcriumg o. 28. 3Wai 1862 (©. ©. 8b. 5. 6. 102) ben 
ntcrgertajtcn oor: 

a) 2öenn bie öcm gcjüdjtigten Äinbc «igefügte 8cfd)äbigung fo crbeblid) ift, 
bafe fie eine längere als brei aRonate bauernbe töranfheit u. f. ro. 
(§. 159. sub 2. unb 3. bcS 6t. ©. sö.) $ur ^olge gehabt hat, bic Slften 
an baS ilriminalgericht einjufenben, 

b) in fällen oerurfad)ter geringfügiger ©cfunbheitSfiörungcn (§. 159. sub 4.) 
^olijeiftrafcn su erfennen, 



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•Deutfäeä <srrafre<f)t. etfenutitific beS 9tetd)Sgeri*t«. 437 

c) anbete ftälle her Ueberfcbreitung beS 3ücbttgungSrecbtS ber Setter jebodj, 
in benen feine Äranfyeit eingetreten ift, welcbe alfo für bie ©efunbbeit 
ber ©djüler obne nachteilige folgen geblieben finb (j. f&. bei flcinen 
Sugillationen, bei lebiglict) nor^anbener ferner j^after SmjcbweHung ober 
augenblicflicber Ungelenfigfcit ber gefangenen Äorpertbcile), an bie 
betreffenben ©cbuloorftänbe jur Söeförberung ber biS$iplinarifcben l^nbung 
*u oerweifen. 

3Hit Siecht maä)t bie eine 2?erlc|una, ftrafrecbtlicbcr formen rügenbe 
SReoifion ber ©taatSamoalfd&aft geltenb, bafe fi$ ber begriff ber Äörperoerlefcung 
jefct nacb bem 9leicbSftrafgefepucb beftimme. 

dagegen lä&t ftd) ber ©cblufefolgerung ber ©taatSanwaltfcbaft barin nidjl 
beipflichten, bafe in ftolge oeränberter ©egriffsbeftimmung ber Äörperoerlctjung 
ber ©inn ber &orfdjnften beS SBolfSfcbulgcfejjeS ein anberer geworben wäre. 
3lucb craiebt fldfr aus ber SBergleidmng ber ©efrimmungen einerseits ber §§. 95. 
uub 96. unter einanber unb mit ben einfdjlägigen Jöeftimmungen beS .Kriminal* 
gefc&bucbs 0. 5. 2lug. 1843, bafj baS SSolfSfcbulgefefc feine oon ber gortbauer 
ber ©ültigfctt biefeS JlriminalgefefcbucbS an fid) unabbänqtgc Slnorbnung in bem 
©tnne getroffen bat, in weldjem baS l)ixtulaxxt\txivt biefelben erläutert. 

3n biefem ©inne mürbe bcöfjalb baS $ol!sfcbulgcfefc aud) jefct noeb in 
2lnmenbung 3U bringen fein, menn ifmt nia^t bie Autorität ber rcid)Sgefefc* 
liefen Seftimmung beS 6t. @. *B. entgegenftänbe. 

yiaä) §. 223. beS ©t. ©. SB. mirb 3eber, welcher porfäfelidj einen 2lnbereu 
förpcrltdj mi&banbelt ober an ber ©efunbbeit beiebäbigt, wegen iCörpcrocrlefeung 
mit ©efängnijj bis $u brei Sauren ober mij ©clbftrafe bis nu cintaufenb wlaxt, 
nacb §. 340. mirb cm Beamter, welker in 2luSübung ober in SBcranlaffung ber 
2tuSübung feines 2lmteS oorfä&licb eine Äorperoerlefeung begebt ober begeben 
lafjt, mit ©efängnifi nid&t unter brei 9Jtonaten beftraft. 

SorauSfefcung ber ©trafbarfeit ift bie 2Biberredjtli<$feit; fo meit alfo 
bie SanbeSgcfefcgcbung innerbalb ibrer3uflänbigfeit einem Beamten ein3ücbtigungS* 
reebt erteilt, fällt bie in Ausübung unb innerbalb ber ©renjen beffclben oor* 
genommene ^anblung niebt unter baS ©trafgefefc, auch roenn fie objeftio als 
eine Äörperoerlefcung im ©inne beS ©t. ©. 8. fid) barftellt. 33ie fianbcSgefcfc' 
gebunq mag benn Söeftimmungcn bariiber treffen, gegenüber oon welcben Scbülern 
eine 3üd)tiiuing juläfftg fei, was als 3 u 4>tigung gegenüber oon ©cbtilern au* 
sufeben, welcbe 3ücbtigungSmittel in 2lnroenbung $u bringen feien, unter melden 
$orauSfe|jungen bnS 3ü^tigungSrccbt auszuüben fei, unb bie einjelnen mgelaffenen 
SücbtigungSmittcl anjuroenben feien. 2lber SBeftimmungen in ber SRtcbtung, ba§ 
Ucberfdjreitungen beS 3ticbtigungSrecbtS, ungeaebtet bie 3ücbtigung itjrer 
äuieren (Srfcbeinung nacb unter ben §. 223. beS ©t. ©. 53. fällt, unb obne 
ffiücfftcbt auf bie 31t ©runbc liegenbc SöittenSbcfiimmung, lebiglict) barum, weil 
fie obne nachteilige folgen für bie ©cfunbbcit ber ©cbüler geblieben finb, 
friminell nicr)t geftraft, fonbern auSfcblic§licb ber biSjiplineUcn 2Ibnbuna oor* 
bcbaltcn werben follen, geboren niebt mebr jur Siegelung ber ©cbulbiSjipltn, ftc 
würben beanfprueben, ben im ©trafaefefebueb normirten Xlmtbeftanb ber Äörper* 
oerle^ung unb bie gericbtlicbe 3uiiänbigfeit einjufebränfen, unb aus biefem 
©runbe fönnen ftc ber Scftimmung beS 9iei<bSfrrafrecbtS gegenüber niebt auf* 
reebt gebalten werben. 

2Bcnn alfo baS angegriffene Urtbcil feine 2lnnabme, bafe ber Slngeflagte 
im oorliegenben »Jall baS tbm juftebenbe 3ücbtigungSrecbt in geriebtlicb firafbarer 
2lrt niebt Übertritten ^abe, auSfcblie§ltcb barauf ftü^t , bafj baS fiippe'fdje 
«olfSfcbulgefefe eine ftrafrecbtlicbe Verfolgung ber tebrer nur eintreten laffc, 
wenn eine ©efunb^eitSbefcbäbigung beS gejücbtigten ÄinbeS oorliegt, eine folcbe 



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438 



Seutföe« ©rrafredjt. Grfenntnifie beö 9tricf)8{jcrid)t$. 



aber im oorliegenben gaHe nid)t eingetreten fei, fo üerlefct es bie angebogenen 
Seftimmungen beS 91. ©t. ©. 93. 

9lun ifl allerbingS nid^t jebe ba£ redjte 9)taß überfd)reitenbe 3ü$tigunö 
frimineU ftrafbar; es ifl oielmcfjr anjuerfennen, bafj eS Ueberfcbrcitungen giebt, 
meiere nur biöjtptineU ftrafbar bleiben, aber bic ^yeftfteüungen beö 3$orbcrrid)tcr3 
reiben nidjt au£, um erfennen ju laffen, ob bei richtiger ©renjfdjeibung jroifdjen 
biösiplinell unb friminett ftrafbaren 2luSfd)reitungen beS Seljrcrß bic oon bem 
58orberrid)ter fcftgeftelltc föanblung auf jener ©eitc Hege. 

3unäd)ft fann bie ©renje nur in ftragc fommen, roenn e$ feftftef)t, bafj 
bcr Scfjrcr in Ausübung beö 3ücf>tiflunggrecf)t3 gefetylagen I)at. 

Gine -iDli&banblung, roeld&e nur unter bem Sorioanbe biefer Sluöübung 
eines 3 U( $ti9U n 93red)tS erfolgt ift, ift wtberredjtlidj unb fällt beöf)alb unter baö 
©trafgefet*. 

©oUtc aber baö 3üc!)tigung!3recbt ausgeübt werben, fo ergebt fid) bic 
$ragc, ob ein 6rje| in ber 2lu£übung beffclben uorliegc. 

(5S fommt bieSfallö oor allem in $etrad)t, bafj bie (irjtcf)ung bic förper* 
lidje unb geiftige ©ntwufelung bcö 3W n 9^ förbern fot; bafj aud) baö 
3üdjtigung£red)t nur }u befferer @rreid)ung biefes 3roedeS eingeräumt ift. 3)er 
Umfang bcö 9ted)t£ wirb burdj biefen $mtd beftimmt unb begrenjt. Objeftiu 
liegt eine Ueberfd)rcitung oor, wenn bic 3üa3tigung nid)t innerhalb ber ©renken 
fid) f)ält, weldje burd) bie ©cbulgefcfcc gebogen ftnb ober aus ber begrifflichen 
9iatur be£ bem Sefjrer eingeräumten 3ftd>ti9ungörcd)t)S fid) ergeben. 55er ber 



l)croorgcbrad)t werben, welaje nid^t als bic notbwenbigen ober natürlichen folgen 
einer innerhalb bcS regten 9Jtofeeö fid) baltcnben, weil jenem $ma ent 
fpred)enbcn 3ttd&tigung anjufeben finb, wie bic (jrregung förpcrlidjcn ©djmerjcS 
ober fonftigen 2Jlijwcf)agenS, leiste 2tufdjwcllungen, rote fic burd) ©daläge ent* 
flehen, ©inb bic folgen anbere unb fdjwerere, fo fann nicht angenommen 
werben, bafj baS ©efefc, welches bem Sichrer baS äüdhttgungSredjt einräumt, bic 
§eroorbringung foldjcr folgen bem £el)rer $ugeftct)en wollte, (jtne 3"d)tigung, 
burd) welche bic förperlid)e ober geiftige Integrität bcS ÄtnbeS gcfätjrbet, eine, 
©efunbbcitsbefchäbigunq oerurfaebt roirb, liegt außerhalb beS ÄreifcS ber bem 
iieljrer eingeräumten SüdjtigungSbefugnifj. ©in Scljrcr, welcher fd)ulbf) öfter 
Söeife burd) bie 3üd)tigung einen foldjen fehwereren Grfolg Ijcroorbringt, fann 
fid) nid)t mehr auf fein 3ü<$li9ungSrecbt berufen. 

©elbftoerjtänblid) mufj od ber ^Beantwortung bcr gragc, ob ber £cl)rcr 
ftrafredjtlid) fiir einen ©rfolg ^aftc, bcr nia)t inncrl)alb be§ ÄrcifesS ber 
25irfungen liegt, roeld)c als bic natürliche ober naturnotljrocnbigc ^yolgc einer 
innerhalb bcö' redeten 3Jca§eS fic^ Ijaltcnbcn 3üc^tigung 511 betraebten finb, unb 
ob ihm berfclbe äum SBorfafc ober roenigftcnS sur Äulpa $usurcdmen fei, auf,er 
ber Sefc^affcn^cit unb 2lrt ber ^anbtjabung bcS ©trafmittclS unb bcr ©ebroere 
ber eingetretenen »yolge aud) bie 3«btöibualität beS gcjücbtigteu Minbeö, etwaige 
3artl)ett bcr Äonjtitution, abnorme förpcrliajc ober pfi)cbifd)c ^üjpofition in 
Setrad)t gejogen werben. 3 ur ^eftrafung wegen oorfä^lid) er flörperücrlcfcuua. 
gehört, ba^ bcr l'cl)rer wij'f entließ baö 3üd)tigung§rcd)t übcrfdjrittcn Ijat, bafe 
er bei bem, ma<3 er tl)at, bcr 2lu§fd)rcitung fia) bemufet gewefen ift. 

©obann umfaRt ba« 3tta)tigung!ärcd)t, wenn e£ innerhalb ber aus 5yor- 
ftebenbem fid) ergebenben ©ren^e bleibt, suglcid) baö Urtbcil barüber, ob in 
einem einzelnen ^-alle eine ^ctfdjulbung bcö 3ö9ling3 oorlicgt, unb, wenn bicä 
bcr ^aU ift, ob ein genügenber unb geeigneter 2lnlaj3 gegeben fei, eine 3äd)tigung 
eintreten laffen, wclcbeö oon mel)reren erlaubten ^ü^tigungömitteln unb in 
mcldjem ©rabc baffelbc an^uroenben fei. 

3>ic ©orge bafür, ba& baö 3 u< *)tt9ung3rcd)t in biefer Steife gercd)t unb 
SioccfmäBig ausgeübt werbe, ift junäd)ft Aufgabe bcr ©a)ule: fic roirb tyreu 




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Seutföeö Straftest, ertenntntfie bcd 9teid)*9ert$tS. 439 

dienet blSjiplmeU jur aSctanttoortung $ie&en, votxm er ftd& in biefen Schiebungen 
ücrfc^it. eine firafredjtlid&e SBeranttoorttidjfett liegt nid^t fa>n um beStoiUen 
por, weil btc innerhalb ber oben gezogenen ©ren$e uorgenommene Mäßigung 
auf einem objeftip unnötigen Urteil über baä 23erfa;uloen beä 3ögTing3 ober 
über ba£ -Mab bec anjutoenbenben Strafe beruht: bagegen wirb oie innerhalb 
jener ©reme poruenommene 3ü$tt0una friminell firafbar, wenn ber Sebrer baö 
ü)iu überladene Snedjt porfäfcltclj in ber 2Beifc mi§braud)t, baf? er roif fentlid) 
einen Unfdjulbtgen süajtigt, ober bat"; er abfielt Ii a) eine mit bem $erfa)ulben 
in feinem 3fo$ältnif3 fte^enbe ©träfe oerfügt, bafe er jüd&tigt, um ju rnife.» 
Ijanbcln, ober baf» er ein 6trafmittel anroenbet, beffen Slnmenbung gefeftlitlj 
unterlagt ift, unb sugletd) erfennen läßt, bafj es nidjt auf eine bem $>md ber 
^ajulftrafen bienenbe 3üiti8 un 9> fonbem auf eine 3Rifcfwnblung abjjefehen mar. 

£>iemad) genügte e£ nia)t, roenn ber SBorberridjter bic rriminelle Straf- 
barfeit beä Slngeflagten baburd> allein audgefdjloffen erad&tete, bafj bie 3üdjtigung 
nadf) feiner tfcftfreHung olme nadfjtljeüige plgen fär ben Änaben geblieben tft, 
66 war oielmeljr m unterfudjen unb feftpftetten, ob au$ eine Ueberfdjreitung 
naa) ber julefct gebauten Wcfjtung auSgefdfjloffen Hb 



§§. 185. 194. 61. 64. 6t. <B. B., §§. 416. 431. St P»3. <D. Die 
Slujfaffung 6er ©taateanroaltfo^afi, bafc fie naa) (Erbebuna, ber offen!* 
Ud>en Rlage aue §. 416. 0t. PC05. <D. traft eigener ge|efelta>r Be- 
fugntfc banMc unb r>on biefem tflomente an gänUitt) unabbänaig fei 
oon bem Debatten ber urfprünglid) 'Hntragebereajtigten, insbejonberc 
von ber Hüdnafymc bce Strafantrag«, ifl reAteirrtbümliO). 

<£rf. b. III. Straffen, p. 14. Slpril 1880 c/a. ©ünt^er u. Sdjmibt, 
ruoburdf) btc s Jteoifton ber Staat3antoaltfa)aft jurüefgetoiefen toorben ift. 



§. 266. Öt. Pro5. <D. <£in Urtt>etl t in welkem nur ausgefproAen 
tpirb, 6af> ber Slngefl. ber u)m 3ur L'aft gelegten Straftat burdj tbeil- 
roeifee <Be|tänbni§ unb geugenausfagen mit allen Itmjtänben überführt 
fei, olme auö) nur entfernt bie £batfaö)en anzugeben, roeltbe ber Straf- 
tbat vi ßrunbe liegen follen, perlest ben §. 266. bestp. §. 377. 7. 
0t. proj. <P. 

@rf. b. L Straffen, p. 15. Slprtl 1880 c/a. Oppenheim, rooburd) auf 
?luff)ebung be3 $orcrfenntniffe3 unb 3urü(foerroeifung erfannt toorben ift. 

§§. 223. 232. 61. 65. 0t. <B. B. 3tn Geltungsgebiet bes Preufc. 
% C. H., be5». ber preufj. Dormunbf&afteorb. ifl 'bie unebelia)e Hlutter 
als foltbc nirt)t gefeiJUa>e Vertreterin ibres ftfnbee unb fceabälb niebt 
bereinigt, roeaen einer bem llinbe 3ugefÜgten JUi^banblung ben Straf- 
antrag 3u ftellen. 

6rt. b. II. Straffen, p. 16. 3lpril 1880 c/a. Subbel, moburdb bie 
s Jiia)tigfeiti8befdtjtoerbe ber Dber*Staat$anroaltfd>aft ^urürfgeroiefen roorben ift. 

@ r ü n b e. 

2)ie auf «erle^ung ber §§. 223. 232. 61. 65. beS St. ®. gefiü^tc 

% 53. beS preu&. DberftaatSantoaltö ju Ä. fann für begrünbet nid)t erad>tet 
toerben. 



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440 Scutföe* ©ttafredjt. Grfenntniffe beö Nrid^Qeridjt*. 

9tach ber thatfächltchen ftefrfteflung bcr Snftanjtidjtet ^anbelt t& fidt) cor* 
liegenb — wooon auch bic 2lnttagefchrift ausgebt — um eine leiste norfäfcltche 
Äörperoerle$ung im Sinne beö §. 223. be« St. @. V., nicht um eine nach §. 223a. 
baf. quaUfairte Äörperoerle&ung. $)ie Strafoerfolgung tonnte beSfjalb nach 
§. 232. baf., ba auch bie Uebertretung einer 2lmt3*, Veruf«* ober ©ewerbSpflicht 
nidht in 9tebe fteht, nur auf 2lntrag eintreten. $)afj ber oon ber unehelichen 
Butter be« mifehanbelten unb, beoor ihm ein Vormunb beftellt worben, im 3llter 
uon etroa 2 fahren oerftorbenen ßinbe« gepellte Strafantrag baju nicht ausreicht, 
hat ber 21. 9t. ohne 9techt«irrthum angenommen. 3)urch §. 65 be« St. ©. 93. 
ift ba£ Stecht, innerhalb ber im §. 61. baf. angegebenen ftrift auf Veftrafung 
anzutragen, bem Verlebten, roelcher ba« achtzehnte Lebensjahr ooüenbet hat unb, 
wenn ber Verlebte minber jährig, unabhängig oon beffen eigener Vefugmfe, bem 
gefefclichen Vertreter beffelben beigelegt. 

51(3 Verlebter im Sinne biete« §. 65. ift nur berjenige ju erachten, 
welcher burdh bie bie Straftat bilbenbe £>anblung fclbft betroffen, — in feinen 
fechten burch biefelbe unmittelbar gefränft toirb. 9tachthcile, welche nicht burd) 
bie Straf that für fidt), fonbern erft in weiterer golge au« berfelben fich ergeben, 
tonnen bie ©genfd&aft be« Verlebten nicht begrünben. Vei einer leichten oor- 
faßlichen Äörperoerlefcung ift be«halb nur ber, gegen welchen biefelbe gerichtet 
war, ber Vcrlefcte. 2)iefe 3luffaffung liegt offenbar ber Vorfchrift be« §. 232. 
2lbf. 3. be« St. @. V. ju ©runbe, inbem bamach für erforberlich erachtet ijt, 
für ben gaU, bafe ©hefrauen ober unter oäterlicher ©ewalt fiehenben Äinbern 
eine leichte r»or faßliche ober eine fahrläffige Äörperoerlefcung zugefügt worben, 
ben ©hemännern unb Sötern ein felbjtftänoigeS 2tntrag«recht au«brücfltch beizu* 
legen, obwohl au« foldhen Äörperoerle^unaen gerabe ben ©hemännern unb 
Tätern 9tachtt)eile erwachfen werben. 5)er 5t. 93. ifl be«halb barin nicht 6eip* 
flimmen, bafe ber 2J?utter be« oerlefeten ßinbe« wegen ber ihr obfallenben 9Bar* 
tung unb pflege beffelben ein felbftftänbige« 2Intrag«recht §uftanb. 

Sluch als gefe&Uche Vertreterin fann bie uneheliche SHutter be« mi&han* 
belten Äinbc« nicht erachtet werben. 

S)er in ben SWotioen zu bem §. 65. be« St. ©. 33. (S. 76) auSgefprodhenc 
(Sebanfe, bafj ba, wo bie SDtutter, ohne eigentliche Vormünberin ju fem, als gc 
fcfcliche Vertreterin minber jähriger Jttnber erfdheine, biefelbe als jur Antrag 
ftcllung berechtigt an$ufehcu fei, unb bie mit 9tücfftcht herauf ftatt ber 2Bortc 
bc« Entwurfs : „ber Vater ober Vormunb" in ben §. 65. aufgenommene Vc* 
Zeichnung: „ber gefefcliche Vertreter" führen bahin, ben Vegriff be« gcfefcltchcn 
Vertreter« nach oer £anbe«gefefegebung zu beftimmeu. 

Vorliegenb, wo ba« ©eltung«gebiet be« Sßreufj. 31. 2. 9t. unb bcr 
preufe. Vormunbfchaftöorbn. n. 5. $uli 1875 in 91ebe fteht, ift ber oon ber un- 
ehelichen ÜJtutter gcftcllte Strafantraq nicht berjenige be« gefefclichen Vertreter«. 
$war fmb in ben §§. 621. ff. be« 21. £. 9t. XI). II. Sit. 2. ber SJcutter in Ve 
Ztehung auf bie Verpflegung unb bie ©rz^hung be« unehelichen Äinbe« gewiffe 
Stechte beigelegt: auch Beftet)en zwifchen beiben, bem nahen Verwanbtsfchaft«* 
nerhältniffe entfprechcnb , gegenfeitige 2llimentation«pflicht unb (Srbanfprüdjc 
(§§. 633. bi« 638. §§. 656. bi« 659. baf.). (Sbenfo wirb nach §• 49. beS 2t. 
S. 9t. II. Zit. 1. (ogl. §§. 29. 30. be« 9teich«gefebe« über bie Veurfunbung 
be« ^crfoncnflanbe« :c. t». 6. gebr. 1875, 9t. ©. VI. S. 23), im ftatte ber 
Vcrhcirathung, bie Einwilligung ber uneheltdjen 9)tutter erforbert. $>cm gegen^ 
über ift im §. 645. bc« 21. S. 9t. II. Sit. 2. ber ©runbfafc aufgeftettt, bafe 
bie perfönlichen 9tcchte ber Gltern über uneheliche Äinber fich nicht weiter er« 
ftreefen, al« e« ber 3wecf ber ©rzietjung erforbert, unb nach §• 014. baf. unb 
2lnhang §. 95. foU bem unehelichen Äinbe, beffen 9Rutter nicht mehr in oäter> 
lieber ©ewalt jteht, oon 2lmt«wegen ein Vormunb beftellt werben, tiefem lag 
naa) §• 1. 3. 231. ff. be« 21. S. 9t. II. 2it. 18. bic Sorge für bic Pflege* 



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Seutföe« (Straf re*t. <5rfeimtmfie bc« 3leicf)§gerUf)tö. 44 \ 

befohlenen in Sfofehung aller ihrer Angelegenheiten, tnSbefonbere auch beten 
Vertretung ob. 9tadj §. 12. ber VormunbfcbaftSorbn. 0. 5. $uli 1875 wirb übet 
ein uneheliches tönb ber Vater ber unehelichen üßutter, fo lange bog Vormunb» 
fd)aftSgericht nicht einen aitbem Vormunb beftellt, qcfe^ltd^er Vormunb, unb in 
§. 27. baf. ift bcm Vormunbe bie ©orge für bie Nerton unb bie Vermögens^ 
angelegenheiten besS SlflünbelS, fowie bie erforberliche Vertretung beffelben juge* 
wiefen, währenb nach §. 28. baf. ber SJfutter nur beffen (Srjiehung unter ber 
3luffid^t beS 93ormunbeS suftebt, wenn ü)r biefelbe mdjt aus befonberen ®rünben 
entjogen ift. Sil« gefcfoltche Vertreterin ihrer minberjäbrtgen Äinber ift hiernach 
bie uneheliche 3Hutter weber in ben Vorfdjriften beS 21. 8. 91, noch in ber 
neueren VormunbfchaftSorbn. 0. 5. 3uli 1875 anerfannt. 

2Benn aber nach §. 232. beS 6t. ©. V. bie 6trafoerfolgung wegen leidjter 
oorfäfclicher ßörperoerlefcung, welche nicht mit Uebertretung einer 2fattS=% VerufS* 
ober ©emerbSpflicht begangen worben, nur auf 2tntrag eintreten fott, fo barf 
oon bem (£rforberniffe beS Anträge« allein roegen folcher Umftänbe, welche bie 
^erfon beS Verlebten betreffen, nicht abgefefjen werben. 25er Antrag auf ©traf* 
oerfolguna fonnte oorlicgenb roegen beS Alters beS oertefcten ßinbeS nur burch 
ben gefefelichen Vertreter beffelben gefiellt roerben. SDafe unb rote bie Veftcllung 
eines folchen herbeizuführen war, ift im §. 16. ber VormunbfchaftSorbn. 0. 
5. Suti 1875 oorgefchrieben; inSbefonbere £>atte bamach bie uneheliche 9J!utter 
bie Verpflichtung, alSbalb, nachbem bie Stotbmenbtgfeit ber Einleitung ber Vor- 
munbfehaft (ich ergeben, bcm VormunbfchaftSgericht Anzeige ju machen. 3ft burd) 
ben injroifchen erfolgten Job beS tfinbcS bie VefteHung eines gefefclicben Ver« 
treters unausführbar geworben, fo folgt barauS nur, bafj ber com ©efefee sur 
Strafoerfolgung erforberte Antrag nicht befchafft roerben fann, nicht aber, bafe 
eS eine« folchen Antrages nunmehr nicht bebarf, unb bie Strafoerfolgung oon 
AmtSwegen juläffig wirb. 

®te gegen baS AppeUationSerfcnntnifj, welches wegen Langels bes ©traf* 
antrageS bie ©trafoetfolgung für unftatthaft erflärt, erhobene 91. V. ifl hiernach 
aurücfjuweifen. 

. 59. 137. 0t <B. B„ §. 9. Pt. önbhafl. ©rbn. 0. 15. m&t$ 1869, 
30. Pr. <B. über ben (Elgentbumecrwerb ». 5. fllai 1872. Die in 
«folge öer@ubba{lationoeinleUung eintretende Befcblagnabme bes (Bruno* 
flücfß erftretft fia) nach preu§ifchem Recbt auch auf bie abgefonberten 
,frücbte t welche noch auf bem (Brunbjrücf oorban&en jlnb. 2luoge- 
fchlojfen bleibt aber bie Strafbarteit ber (Entziehung aus ber Befcblag- 
nahme, wenn ber Jbrtfchaffenöe ba« üorhanbenfein oon Ihatum* 
flänben nicht rannte, welche 5um gefefcllcben Ibatbeflanbe bee Vergebene 
gehören. 

@rf. beS II. ©traffen. 0. 16. 2lpril 1880 c/a. ©cheffler, woburch baS 
Vorerfenntntjj oemichtet unb auf 3utü<foerweifung erfannt wotben ift. 

§§. 34. 243. 2lbf. 2. @t. PM3. (D. (Ein (Bcricbtsbefthluß, mittelfl beffen 
ein Eintrag auf Vernehmung »on beugen abgelehnt wirb, „weil bas 
(Bericht bie 0ache für genügenb aufgeflört eraa>te u t erfchclnt nicht auo- 
reifend begrünbet. 

@r!. beS III. ©troffen. 0. 17. Slpril 1880 c/a. VartelS, woburch auf 
Aufhebung beS VorerfenntniffeS unb auf 3m u ^erwctfung erfannt worben ift. 




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442 $cutfd)rt (Straftest. (Srfenntniffc beä 9leid)8ßert<f)tö. 

§§. 134. 146. (Ben). <D. ». 21. 3uni 1869. Die tCil^uno 6er Arbeit», 
löhne bureb Auszahlung in £ons, welche ale Gablung för XDaaren 
bienen, welche von bejrimmten l)änMern $u belieben fmb, unb oic «Ein* 
löfung 6er Bona bureb bie ,fabrirTafic t oerjtöfct gegen bic Bcjrimmung 
bco J34. iBcw. <P. 

@rf. beS I. Straffen, o. 19. 2lpril 1880 c/a. Wrüneberg, woburd) auf 
3urüdroeifung ber Meoifion erfannt worben ift. 

§§. 255. u. 244. Qlbf. 1. 6t. Pro$. <D. Der & 255. 6t. Pro*. <D. 
begrünbet fein Hecht auf Derlcfung öer frort aufgeführten ed>rifljtücfe t 
wenn bas (Beriet letztere für unerfyeblid) erachtet. Sdjriftjiücfc, welche 
ber Slngeflagte $u oen Elften eingereicht b.at t gehören nicfyt fdjon be«- 
balb ^u oen bVrbeigefcbafften Beweismitteln im 6inne bc* §. 244. 
'2lbf. L et. Pro5. <P. 

(*rf. bc$ I. Straffen, u. 19. 9lprit 1880 c/a. wobutd& bic totfton 
bc* 2tngcft surürfgewtefen worben ift. 

61. 65. 6t. (F. B. <£in tFcneralbcuollmäcbtigter ift befugt, für 
oen verlebten Auftraggeber einen etrafantrag $u ftellen, infofem in 
ber tpencraloollmacbt Vugleid) eine auf bic Stellung von ötrafanträgen 
bezügliche epczialooll'macbt enthalten ift. 

GrF. beS IL Straffen, u. 20. 2lpril 1880 c/a. J$lefd)mann, moburd) auf 
2lufljebung bess ^orcrfcnntmffcS unb 3urütfoctwcifung erfannt worben ift. 

£ie $rau ©. hatte auf @runb einer if;r uon ihrem ©bemann jur $er* 
maltung bcö ber minorennen Sodjter bcSfclben gehörenben §aufc£ erteilten 
©eneraloollmacht bem 2lngetl. % eine bort befinblichc 3Bol)nung nermiet^et unb 
uor beffen 2lu$3uge ir)r Retentionsrecht geltenb gemacht, um bemnächft gegen ihn 
auf ®runb beä §. 289. @t. ®. SJ. Strafantrag j>u [teilen, ba bcrfclbe gleichwohl 
heimlich feine ÜDtobilien au$ ber SBohnung gefcqafft hatte. 2>a3 mit 2lburthcüung 
ber Sache befaßte Sanbgericbt Berlin II. erfanntc inbeffen auf ßinftellung beS 
«erfahren«, ba bic Stellung cincS Strafantrages auf ©runb einer ©eneratuoll* 
maa)t unjuläffig fei. 

®ie bic töeuifion für begränbet erachtenbe (Snlfcheibung lautet: 

@ r ü n b e. 

SBenn ber Sefchwcrbeführer in ber oorliegenben Sadjc feine 83efd)werbc 
au£fd)liefeücb bureb, ben £inrociS auf bic ©runbfä&e rechtfertigen su fönnen 
glaubt, welche baö preuft. £anbrcd)t JhX I. £it. 13. über ben VoUmachfcSauftrag 
aufftellt, fo erfebeint bic$ allerbingS nicht jutreffenb, benn bic bort gegebenen 
«orfchnften bejte^cn ftd) (ogl. §§. 18. 19. a. a. 0.) auefdjlic&ltd) auf baö Ge- 
biet bcö s 4>riüatrcd^tß. 3 n ll) i c w ^ c » nc Slu^übung oon $efugni)ien r roelcbc 
in bem Ö^cntlidjcn ")ied)t rourjcln — unb um eine berartige 5)efugnife b^anbelt 
efi ftd) f)icr burd) 53cooUmäd)tigte juläffig ift, muß in erftcr üinic auf ©nrnb 
ber (^efeue emfdjicbcn werben, weldje ben betreffenben Xtyii bc$ öffentlichen 
^ed;tö regeln, l)ier alfo beö Strafgcfc^bud)C!8. 

S)aö bcutfdje Strafgefc&bud) bcjcidinet 3um ^Ijeil bic ^erfonen auäbrüdlidb, 
melden baö Mtedu sufteben foü, Straf antrage ju ftcüen (ugl. §§. 4. V JU*. 3. 102. 
103. 170. 182. 189. 195. 190. 288.); wo bieS nid)t ber §all, ift nad) ber 38c* 
ftimmung bcö §. 05. beö St. ®. iö. ber 33erlc^tc ber sum Antrage iöcrcdjtigtc. 
(imc 6tcttocrtrctung bcö lederen im engeren Sinne, b. \). eine Vertretung im 



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2)eutfö>a Strafrcrf)t. Crtcnnhitfie bcä JReia)daeriö)t$. 443 

2öiUcn beffelben, bergeftalt, bafe bcr SBiOe beS Vertreters als bet SBiUe beS 
Vertretenen gilt, fennt baS Strafgefe&buch nur in ben fällen beS §. 65. Abf. 2. 
unb 3., mofelbft bie Vertretung ber 9Jttnber jährigen unb ber beoormunbeten 
®etftcSfranfen unb Xaubftummcn für juläffig erflärt wirb. 9ttan wirb batjer 
auch barüber hinaus eine Stefloertretung in biefem Sinne (Vertretung im 
3öiUen) grunbfäfelid) um fo gewitfer ausschliefen haben, als jebe wahre Stell; 
uertretung wegen ber bartn enthaltenen ftiftion, bafe ber SBiÜe beS Vertreters 
gefefclich als ber SBille beS Vertretenen gilt, nur auf ©runb gefefclicher @rmäa> 
tigung suläfftg unb baö Antragsrecht feiner ÜRatur nach, als ein hödjft perfön* 
licheS Utecht Derjenigen $erfonen erfeheint, meldjen baffclbe burch baS ©efefc 
ocrliehen ift. 

@S mürbe aber unrichtig fein, menn man aus biefen Vorbetfäfcen ben 
Sdfjlufj sieben roolltc, bafe beShalb ein ©eneralbeooümächtigter unter !einen Um* 
ftänben befugt fein fönne, Samens beS Vollmachtgebers einen ©trafantrag su 
fteüen. 

Surd) bie oorftehenben Ausführungen wirb junächft nicht auSgefchloffen, 
baft ber Antragsberechtigte in einem gegebenen $all einen dritten ermächtigen 
fann, für ihn ben Strafantrag ju fteüen. (SS ift bieg feine Stelloertretung im 
engeren 6innc, feine! Vertretung im SföiUen, fonbern eine Vertretung in bcr 
^illenSerflärung. 3n folgern ftall erflärt bcr Vertreter ben rotrflichen SöiUcn 
beS Vertretenen; er hat rechtlich lebiglich bie Stellung eines Voten. Sie 3 U * 
läffigfeit biefer Art ber Vertretung ergiebt ftdj barauS, bajj eine öorm für bie 
Stellung eine« Strafantrags nicht oorgefebrieben ift unb Unterer baljer burd) 
alle Littel, meldte eine Äunbgebung beS 2Btü*enS geftatten, innerhalb ber burch 
ben §. 156. St. $ros. D. gezogenen ©renjen geftellt roerben fann. Saraus folgt 
weiter, bafe auch in einer ©eneratooÜmacbt, burch welche ^emanben bie Vcrroal* 
tung eines ganzen Vermögens ober eines cmselncu VermögenSftücfS übertragen 
roirb, gültig bie (Srflärung abgegeben roerben fann, bafc ber Auftraggeber in 
aßen fallen, in welchen oon Seiten Sritter ftrafbare Angriffe auf baS bcr Ver > 
waltung beS Venollmächtigten untcrftcUtc Vermögen, bejw. ftrafbare Eingriffe 
in bic bamit sufammcnhängcnbeii VcrmögenSrcdjte gefchchen, mit einer Straf» 
ucrfolgung einoerftanben fei, unb bcr Vcooümächtigte ermächtigt fein follc, für 
ben Auftraggeber ben Strafantrag gu fteHen. Auch in folgen ftällen, in welchen 
in ber ©encralöoümacht zugleich eine auf bie Stellung oon Strafanträgen be^ug* 
liehe Spejicdnollmacht enthalten ift, ift ber ©encralbeoollmächtigtc unbebingt jur 
Stellung beS Strafantrags etntretenben $alls befugt, er ift als baS Drgan, 
welches ben Söillen beS Verlebten, bie Strafocrfolgung eintreten au laffen, sunt 
AuSbrucf bringt, aufjuf äffen. 9Jton wirb aber noch einen Schritt weiter gehen 
muffen. Sa nach ben beftehenben iRedjtSgrunbfä&en bcr ftiüfchweigenb erflärte 
Söiüc bem auSbrücflidj erflärten glcichftcbt, fo weit nicht baS pofitioe "Jtecbt in 
einseinen fällen baS ©egentbeil anorbnet, fo mu6 auch, ohne bafe in ber ©cneral* 
oollmacht auSbrücflich unb fpcjuell ber 3wftimmung beS Auftraggebers, eine (traf* 
rechtliche Verfolgung wegen bcr etwa crfolgtnbcn Vermögensbeeinträchtigungen 
eintreten s" laffen, gebadjt ift, bcr ©eneralbeooHmächtigtc sur Stellung beS 
Strafantrags befugt erfcheinen, wenn unb fo weit im einjelncu Salle angenommen 
werben fann, bafe bic Stellung beS Antrags bem wirflichen ilUucn beS Auftrags 
gcberS entfpricht. (SS wirb biefe Schlußfolgerung regelmäßig bei aßen Anträgen 
Sur Verfolgung folchcr ftraf baren ^anblungen juläffig fein, burch mcltfc bic 
Stechte beS Vollmachtgebers in Vcjicbung 'auf baS bem VcooUmächtigten jur 
Verwaltung anoertrautc Vermögen gefchäbigt werben, welche alfo ftrafbare Gin* 
griffe in bie ocrmögcnSrcchtlichen ^ntereffen enthalten, mit beren Ußahrung bcr 
©eneralbeoollmächtigtc gcrabc betraut ift, weil man nicht annehmen barf, baft 
bcr Vollmachtgeber auf bic Ausübung eines s Jted;tS hat oerjichten wollen, welches 
unter Umftänbcn als baS einsige, jcbcnfaUS aber als bas wirffamftc Littel 



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444 5>eutfdje8 ©trafredjt (Erlcimhtiffe t>cS JReid)$ßeri4tÄ. 

erfdjeint, weiteren SermögenSocrluften oorjubeugen unb bcn Grfafc bcr bereit« 
entfianbenen oorjuberetten. ^rcilicb würbe biefer ©eblufe in ben fällen nicht 
zutreffen, in welchen bie bei bcr firafbaren &anblung Setbeiligten in einem SBet* 
bdltniffc jutn Verlebten fteben, welche e£ zweifelhaft erfebeinen laffen, ob auch 
in biefem ÖaHe bie rücffid?t^lofc SluSübung bcS 2lntraa$redjt3 bem roirf lieben 
SBiüen be3 Verlebten entfprechen würbe. $n folgen %äütn würbe e& fid^ aber 
auch nicht um Sßahrung eines auSfchliefelich üermögenSreddtlid^en 3 n tattffc3 
hanbeln, unb roürbe beöljalb bie 2lnnabme einer buret) bie Grt&eiluna bcr ©eneral* 
Dollmacbt erfolgten ftiafiroeigenben SöillcnScrflärung bc§ Vollmachtgeber«, eine 
©trafoerfolgung eintreten ju laffen, in fällen biefer 2lrt nicht juläfftg fein, rocil 
eine ftillfchmeigenbe 2i$tllen$erflärung immer nur ba angenommen werben barf, 
wo bie oorliegenben X&atfaajen einen fiebern €a)lufe auf ben wirfltc&cn SBillen 
geftatten. 

Segt man bie oorftehenben s Jted)t3grunbfä&e jum ©tunbe, fo erfajeint bie 
angefochtene Gntfcheibung re<ht3irrthümlich. GS hätte sunädjft bie ©cneralooll* 
mad)t, welche bie Gt)efrau ©. oon bem gefe&lidjert Vertreter beS GigenthümerS 
bc£ £mufe$ erhalten haben will, oorgelcgt unb auf ©runb berfelben geprüft 
werben müffen, ob nach, bem ^nlwlt berfelben angenommen werben bürfe, ba& 
bie Stellung beS ©trafantragS bem wirflidjen Sffiillen be3 Vollmachtgebers ent» 
fpredje, eine ^age, bie nur bann ju oerncinen fein würbe, wenn Die ®cneraU 
oollmadjt etwa befonbere, bisher nicht jur ©prad&e gefommene Sefdjränfungen 
enthält, ober wenn ein bic 'Sicherheit ber fonft berechtigten Schlußfolgerung auf 
ben SBillcn beä 2tuftraggeber3- beeinträdhtigenbe« perfönlichcS Verhältnis jmifdjen 
bcr 2lngefchulbigten unb bem SlnttagSberecbtigten feflgeftellt werben tonnte. Von 
foleben Ausnahmefällen abgefeben, würbe anzunehmen fein, bafe bic ©eneralooH* 
macht, welche ber ®. bie 3lbminiftratiou beS $aufe$, ben Slbfcblufe oon afliet&S* 
oerträgen über bie barin befinbliajcn s 3täume unb bie ©eltenbrnadjung be$ $fanb* 
rechts an ben oon ben SJiiethern eingebrachten ©adjen überträgt, biefelbe auch, 
Sur ©teUung beS ©trafantragS in ben Ratten be$ §. '289. beö ©t. ©. V. 
ermächtigt. 

§§. 21. 22. Stempel.®, ©. 7. Itlfirj 1822. Itr. 1. 6er allg. Porfcbr. 
5um Stempcltarif. §§. 23. 104. I. 2. 11. C. K. Das einem ÄaufWr- 
trage über Mobilicn beigefügte ücr^ciajntf) oon (Pegenftänben, welche 
nicht einen 3nbegriff oon Sachen auemachen, ftellt 0* nicht als 3n* 
oentariam im Sinne öes larifs jum Stempel»®, r». 7. itläcs 1822 als 
^noentarium bar. Die im Kaufverträge enthaltene Qlbrcbc eines XDieber- 
faafsreebtes 6es Vcrfäufcrs begrünbet neben öem ßauffrempel bic 
Stempelppicbt nad) ber pofttion „üerträge" 6es ermahnten (Tarifs. 

Gr!. be$ II. ©troffen, o. 20. 2lpril 1880 c/a. 3Jiüllcr u. ©en., woburch 
auf t^eilweife Vernichtung beS SorerfcnntniffcS unb SScrhängung erhöhter 
©tcmpclftrafe erfannt worben ift. 

@ x ü n b e. 

3)ic % be§ preufe. Oberftaatöanwalt^ fann infoweit für begrünbet 
nicht erachtet werben, alö biefelbe geltcnb mad)t, bafe §u bem in bem tfaufoer* 
trage oom 7. Oft. 1878 in Sejug genommenen ^cr^eichniffc ber oerfauften 
s J)lobilien nad) ber 2;arifpofition „^noentarien" ju bem ©tempclgef. o. 7. 'JJiärj 
1822 ein ©tcmpel oon 1 2)iarf 50 ^f. ju oerwenben gewefen.' ^ad) bem für 
bic 3luÄlegung hcrbcisujichcnben §. 104. be$ 31. S. 9t. Z\)l I. lit. 2. wirb 
unter ^noentarium bo4 ißcrjcichniB aücr ^u einem Inbegriffe gehörigen ©tücfc 



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5)eutf<f)eS ©trofrcdjt. Grfemitnific bee fRctd)ögert<f)f$. 445 

• 

oerftanben, unb nach §. 23. baf. machen mehrere befonbere «Sachen, bic mit 
einem gemeinf^aftlidjen Flamen beaeidmet §u werben pflegen, einen Inbegriff 
non Sachen auS unb merben jufammengenommen als ein einzelnes ®an$e be* 
hanbclt. Um einen folgen ^begriff fyanbüt eS fia) bei Den in bem gebauten 
25üetäcid;niffc unter 2lngabe ber einsclnen greife als oerfauft aufgeführten 9)iöbel, 
£auS* unb tfüchengeräthen, Äleibem unb Letten nicht. (Sine Vcrbinbung biefer 
Sachen ju einem üJanjen t;at erfichtlich nicht beftanben. Siefelben erfcheinen in 
bem Verjeidmiffe lebiglidj als befonbere Sachen, Die in eine anbere Beziehung, 
als bafj fie gleichseitig oerfauft mürben, nicht gefegt waren. Sic Sarifpofition 
„^noentarien" finbet öaher oorlicgcnb feine SlnrocnDung. 

dagegen macht bie 9t. V. mit Stecht geltenb, bafe bie in bem Jlaufocrtrag 
oom 7. Oft. 1878 ju ©unften beS VerfäufcrS getroffene Slbrebc eines lieber* 
faufs einen befonberen Stempel von 1 'JJtorf 50 >)}f. erforbert. 

Sie 2lbrebe beS SBieberfaufS enthält feine ben Äauf fclbft berührenbe 
Vebingunö, unb macht beStjalb bie Söirfung beS tfaufS nicht roieber aufhören; 
fie giebt uielmehr bem Verfäufer nur ein obligatorifches Stecht gegen ben Käufer, 
— bahin geljenb, baß biefer ihm biefelbe Saa)e gegen einen beftimmten, fei es 
im Voraus feftgefcfctcn ober feiner >$i\t $u ermittelnbcn SJkciS roieber uerfaufe. 
Sie Stipulation beS 2SieberfaufSrechtS ift bafjer ni du eine auflöfenbe Vebingung 
beS ÄaufoertrageS. (SS ergiebt fieb bicS namentlich barauS, bafj, roenn ber Ver* 
fäufer oon bem ihm oorbe^aUencn ftedne Gebrauch mad)t, baS burd) ben Söieber* 
fauf gefebaffene s JtechtSoerhältnifj nicht, wie bei einer auflöfenben Vebingung, 
babura) ieine üöfung finbet, bajj ber Verfäufer gegen SKücfcmpfang ber Sache 
baS Kaufgelb erftattet, fonbern bafj eS beS 2lbfa;lutfeS eines neuen, ben SBieber* 
fauf feftfefcenben Vertrages bebarf, bei meinem ber Kaufpreis burdmuS nicht 
nothroenbig berfelbe fein mujj, wie bei bem erften Äaufocrtrage. 2öährcnb baher 
baS s il. £. SR. bei ben übrigen in ben §§. 258. 260. 272. 333. ermähnten, bei 
Staufen üblichen 9iebem>ertragen bie Statur ber auffdnebenbcu ober auflöfenben 
Vebingung auSbrücflich l)croor^ebt, ift bicS bei bem iffiteberfaufe, offenbar nicht 
ohne ÖJrunb, unterlaffen, mögen auch bie ©runbiäfce über auflöfenbe Vcbingungcu 
bei Vcftimmung ber au* bem Vorbehalt beS üttieberfaufS fid» ergebenben gegen* 
feitigen JHea)te unb Verbtnblichfeiten ben SHebaftoren beS s il. & ?K. oielfach cor* 
gefdjroebt haben. 

Ser iiBieberfauf geroä^rt ba^er nur ben Stitel ju einem neuen obltgalo* 
rifa)en ^er^ältni^. (£r ift ein pactum de contrahendo unb al£ fold)e£ ein be- 
fonberer Stebenuertrag, melier tro^, feiner äufeeren acccfforifa)en Statur ein, 
aufeer^alb ber aus bem Äaufe fclbft fia) ergebenben iftedjte unb ^erbinblia)feiteu 
liegenbeö SHedjtöDer^ältnife, — bie Verpflichtung beS fläuferS ^u einem fünftigen 
Verfaufe, neu begrünbet, baljer einen oon bem flaute oerfa)iebenen ©egenftanb 
hat. S)iefe rechtua)c Statur öcS BiebetfaufS fommt bei Hluioenbung ber 3er. 1. 
ber allgern. 4>orfa)riften jum Stempeltarif in SBetradjt. ^arnad; foü, roenn eine 
fchriftliche Verljanblung uerfdjicbene ftempelpflia)tige ©cgenftänbe ober Öefchäftc 
enthält, ber betrag beS Stempels für jeben biefer ©egcnftänbc unb jebeS biefer 
©efchäfte befonbers berechnet, unb bie &erhanblung mit ber Summe aller biefer 
Stempclbeträge jufammen genommen belegt werben, infofern ber £arif nia)t 
auSbnicflich Befreiungen für befonbere ftalle biefer Slrt enthält. 3 U bem 
aJtobitien*Äaufüertrage o. 7. Oft. 1878 roar baher nicht nur ber Stempel nach 
ber Sarifpofttion: „Äaufoerträge", — V s ^rojent beS oerabrebeten ÄaufpreifeS 
oon 849 Wlt 10 $f. mit 3 s Ml, — fonbern auch für ben ben Sffiieberfauf bt- 
treffenben befonberen Vertrag ber Stempel nach ber ^ofition: „Verträge'' non 
1 Mf. 50 s£f. ju oerroenben. SBegen ber ^tichtoerroenbung be« inSgefammt 
erforberten Stempels non 4 S M. 50 tyf. hat jeber ber Äontrahenten nach otn 
Vorfchriften §§. 21. 22. be« ©tempelgef. o. 7. 9Rär$ J822 bie Strafe beS oic;v 
fachen Betrages, alfo non 18 2Rf., oerroirft. 



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44C SeurjdjeS Strafredjt. (frfenntniffe bcö 9tcid)§acrid)t$. 

@* war ba^cr gemäfe 3lrt. 116. beS ©ef. v. 3. 3Kai 1852 ba« angef. 
(srfenntnijj inforocit aufgeben, als jcbcr ber 2lngef tagten nur mit einer ©clö- 
ftrafc von 12 s JÜtf. belegt worben ift. unb in ber 6ad)c fclbft gegen jeben ber 
beiben 2lngeflagten auf eine ©clbftrafc von 18 Wlt §u erfennen, im llcbrigen 
aber bic m. 23. jurücfjuweifcn. 



§. 2$7>. et. <B. B. fr 210. ftonf. <D. Der Austritt eines f>anbcls* 
gefellfdjafters aus 6er fjanbclegefellfcbaft befreit benfelbcn bei fpäter 
jtattfinoenber 5 a blungscinjtcllung nidu von ber Strafe bes cinfadien 
Banfcrutts, wenn feftgejtcllt worben ift, baf> bie ^ablungseinKellung 
nur eine »folge ber 5ur ^nt ber fjanbclsgcfellfcbaft vorbanbenen üet- 
mögensüberfdiulbung gewefen ift. 

(Sri. bcS III. Straffen, v. 21. Slprü 1880 e/a. Klopfer, wöburd) auf 
Verwerfung ber iWeoifion erfannt worben ift. 

§§. 56. 57. 6t. Pros. <P. 21ur in beit im §. 56. 6t. Pro$ <D. 
aufgeführten »fallen ift bie Dcrcibtgung von 5 cu 9 cn verboten» unb bei 
Perfonen, welche $u bem Bcfcbulbigtcn in einem IVrbältnifi fiebert, 
welches fte jur Verweigerung bes gettönifics nach §. 51. 6t. Pro.v (l>. 
bcrcditigt, hängt es von bem richterlicben vErmejfen ab, ob fic 3U »er« 
eibigen ftnb (§. 57. 2lbf. L). <£in c£rfenntni|i, welches nicht erficbtlicb 
werben laf»t, baf; ein 3 CU S C » ÄU f i^iUn j&eugnifjaiiefage er|ieres 
beruht, 511 einer ber im £. 56. aufgeführten üategorien gehört, noch 
ba£ bei ihm bic XVrfchrift bes i?. 57. QInwenbung finben tonnte, ift auf« 
^uheben. 

Grf. be§ III. erraffen, u. 21. 3tpril 1880 c/a. 9tabfc, woburd) auf 
2lufl)ebung bc3 VorerfcnntniffcS unb auf ^uriiefoerweifung erfannt worben ift. 

p. 249. 255. 6t. Pro5. <P. Die Derlefung ber protofollirten Aus- 
lage eines 6achvcrftänbigen in ber ftauptvcrbanblung ohne llonfta- 
tirung ber eine folche Derlefung nad) ber 6t. pro.v <D. geftattenben 
(Brünbc, gleichwie biejenige von ältlichen (Butachten, infofern fte 
nicht Qlttejte über nicht fchwere Uörperverle^unaen enthalten, i|t un- 
jrattbaft. 

(?rf. be§ III. Straffen, v. 21. SÄpril 1880 c/a. Siücfert, woburd) auf 
2lufl)ebung be<8 SBorerfcnntniffeS unb auf 3urücfocrweifung erfannt worben ift. 

§. 221. 6t. <P. B. & 265. 6t. pro$. <P. £s liegt feine ßinbesaus» 
fet^ang feiten© ber ülutter vor, wenn letztere bem nicbergclegten Uinbe 
fo lange ihre »fürforge angebeiben läf>t, bis es mittel» frember tfilfe 
Aufnahme unb Pflege finbet. Das llrtbcil bat ftcb barüber, ob' bie 
Ibat von einem anberen (Bcficbtspunfte als ftrafbar qualifoirt, nur 
bann ausjufprcdicn, wenn ein Eintrag auf lErftrccfung ber Derbanblung 
nach biefer Hiditung geftellt worben ift. 

Grf. be§ III. Straffen, u. 21. Slpril 1880 c/a. SSolfmcr, woburd; auf 
Verwerfung ber ftaat$anmaltltd)cn iHcotfion erfannt worben ift. 



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Scutfcfjeö ©trafrcdjt. Grfcimtniffc bcö jKei(f)gflcri*t«. 447 
© r ü n b c. 

©egenüber bcr crftinftait^icllcn ^eftftcllumj, bafj 2tngcEl. bcm von ibr 
auf bcr fogenannten ©aalbiele bcr v 4J. ? fdjcn äSofmung niebergcfefcteu tfinDe iyre 
^ürforgc fo lange Ijat angebeigen laffen, bi§ baffclbe oon ben s ^.'|a^cn (itjclcutcn 
gefunben war, bafj fic aua) naeg ben igr befannten ^crfönlidnxitcn biefer 
leute ftürforge unb pflege für baS Äinb Ijat erroarten bürfen, fann bic Sicoifion, 
fo weit fic £erlefcung beS §. 221. beS ©t. ©. 43. rügt, für begrünbet nid)t 
erachtet roerben. S)cnn ift bcr ©inn biefer geftftcllung, bafj Slngefl. baS ilinb 
niegt bem 3ufalle preisgegeben, bafj fic fiel) oon bcmfclben oielmcljr erfl entfernt 
bat, als fie bereite frembe &ülfe UjattadjUa) eintreten fay, fo ift alicrbingS mit 
rKca)t baS SegriffSmcrfmal beS 2luSfefcenS »erncint roorben. 

Slud) inforocit ift bie Stcoifion nidt)t begrünbet, als #erlc|jung beS §. 263. 
bcr 6t. $rt>3. 0. gerügt ift. (SS ift freilid) anjuerfennen, bafe baS bcr iilngefl. 
3ur Saft gelegte fonfrete Sgun beim ^injutritt weiterer tgatfäcglicgcr Momente 
ben £l;atbeftanb beS in §. 169. bcs 6t. ®. 58. oorgefeyenen s JteateS bcr Unter- 
brüefung beS $crfonenftanbcS eines Ruberen erfüllen fann, unb cS ift bcr 
©taatSanroaltfdjaft aud) 3ujugcbcn, bafj bcr ^njtansricytcr }ur Prüfung ber £gat 
aus biefem ©efidjtSpunfte feyon oon 2lmtSrocgen oerpfUcgtct geroefen ift. Jju 
beSfallfigen Bestellungen im Urteil mar berfclbc nur bann gehalten, wenn ein 
Slntrag auf Grftrccfung ber £>erganblung naeg biefer Slicgtung gcflcllt ober bod) 
eine Äunbgebung fcitcnS eines ber ^>ro3efjbetgeiligten erfolgt mar, meldte als 
eine Slufforberung an baS ©cricyt angefeljen roerben mußte, ben neuen ©cficyts- 
punft einer Prüfung 3U untcrjicljcn. 2öenn bieS nid)t ber $all roar, roie nadj 
bem ^rotofoll für bic oorlicgenbe ©aege ansuneymen, fo läfjt fiel) eine ütopflid) 
tung beS ©ericyts, alle bic »erfeyiebenen ©efieytSpunftc, aus beneu bcr $all etroa 
geroürbigt roerben tonnte, in ben UrtyetlSgrünben ju erörtern, nidjt behaupten. 
Jjn ber <Qauptfa<f)e yängt es oon bcr tyatfäcglicgcn iöeurtycilung ber (srgebniffe 
ber SScrganblung ab, ob bie Sßerganblung unb UrtgeilSfinbung auf ben anbern 
©eftcgtSpunft ju erftrerfen ift. GS fönntc aber nur, roenn bic 9iid)tcrfrrecfung 
auf einen föecytSirrtyum, fei eS in Öejug auf baS $ro$efjrccgt ober auf ba* 
materielle SKecyt jurücfjufü^ren ift, bic iHeoifion auf bic Stjatfacge bcr 5Rtd^t- 
erftreefung geftüöt roerben. 3m oorliegenbcn gaU feylt cS an jebem 2lngaltS^ 
pun!t für einen berartigen, ber Wieytcrftreefung 311 ©runbc liegeuben 3rrtl)um. 
GS fann bayer roeber barauS, bafj bie Gntfcyctbung nicf)t auf ben anbern ©c- 
ficfjtSpunft auSgebclmt rourbc, nod) barauS, bajj bic UrtgcilSgrünbe eine Wecgt- 
fertigung biefer Unterlaffung niegt enthalten, ein MeoifionSgrunb abgeleitet roerben. 

115. 0t (F. B. ^lueläncufcben X>ampffd)iffen, welche in beutfebe 
Bobcnfecyäfcn einlaufen, jtcfyt in Ic^tercn nid)t 6as Kccbt öer (Ertcrri- 
torialltdt ju. 

§rf. beS I. 6traffcn. u. 22. 2lpril 188() c/a. %a^tv, roobur<§ auf 3wn»cf 
roeifung bcr 9tc»ifion erfannt roorben ift. 

© r ü n b c. 

S)ie Slngeflagten, ©c^iffsfapitän unb ©teuermann it., eines ben ^obenfec 
befafirenben ©djroetjer Dampfers, unb Seibc ©tyrociser, ftnb bura) Urt^cil beS 
bayer. Sanbgeria^tS Ä. roegen 2i5iberftanbS gegen bic 6taatSgcroalt (§. 118. 
6t. ©. unb roegen groben Unfugs §. 360. 11. oerurtgeilt roorben. 

Siefe ftrafbaren ^anblungen rourben tl;eilS auf bem oorbcjeid)netcn 
©duffe im banerifc^en Sobenfeeyafen 311 Einbau, naeybem bie 3lngefl. mit bem 
©c^iffc in jenen §afen eingefahren roaren, tpeils auf bet ausgelegten SanbungS^ 
brüefe begangen. 



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448 2>eutf<be§ etrofredjt. grfcnntmfic bcö $Rri<b§aerid)tS. 

Sag Vergehen beS SSiberfianbS gecjen bic Staatsgewalt tnSbefonbcre ift 
nad> bcr gcftftctlung beS crfcnncnbcn ©eTidjtS an bem ^oHjcirottmciftcr SD?, in 
Sinbau ocrübt worben, als berfclbc baS ©d)iff betreten ^atte, um ctnxrige 
„Schüblinge" in ©mpfang nehmen, fobann aber bie Sanbung eine« auf 3ln< 
orbnung bcr $oltjelbcf)örbc in Rorfdjach auf bem 'Sdjiffe nach Sinbau, bc^ufö 
feiner &anbung bafelbft, „oerfebubten Vaganten" auS SSürttcmberg unterfagte unb 
5u oerhinbern fudjte, weil ihm auf ©runb einer Vereinbarung jmtfeben JÜanern 
unb ber ©djrocU, wonach au« bcr ©dmxij auSgcwicfenc 3lngct)örigc Gürtlern* 
bcrgS, SBabcnS unb OefterreichS nicht nach £inbau gebracht, fonbern bireft an 
bic ©tcnjbcbörbcn ihrer ^cimathflaaten abgeliefert werben foüten, am 1. SJtärj 
1879 uom ©tabtmagtftrat Sinbau bic fdjriftlidjc Söeifung erteilt worben mar, 
folche «Jkrfoncn in fiinbau nid>t auSftcigen ju laffen, fonbern bic Rücf fahrt ber* 
fclbcn 511 ocranlaffcn. >» 

Sic 3:i)atbcftanbjSmcrfmnle ber ben 2tngcfl. jüc Saft gelegten firafbaren 
föanblungcn finb in ben UrtbeilSgrünbcn crfdjöpfcnb feftgcfleUt. 

Sie OieotfionSbcfdjwcrbe bcr beiben Slngefl. mad)t jeboeb junäa)fl geltcnb, 
baS £anbgerid)t Kempten fei jur s Jlburtbcilung jener Jpanblwtaen auS bem ©runbc 
nidjt juftänbig gewefen, weit bicfclbcn 00» Schweibern auf einem fchroeijerifchen 
©djiffe begangen worben, unb weil nach einer SBcfanntmadmng 10m 4. SWärj» 
18(38 (SBaueriicbeS Regierungsblatt ©. 385) für bie fcäfen bcS SJobafecS cbenjo 
wie für ben SBobenfec fclbft eine internationale Orbnung gefdjaffeu roorben, 
wonach ©dufte, welche fieb auf bem 33obenfec ober in einem &afen beffe'tben bc< 
finben, ftetS ber Äompctcnj ber ©eridjte beS £anbcS, meinem fie ang^ören, 
unterworfen feien. 

Siefc Rüge ift unbegrünbet. 

Rad) §. 3. beS ©t. ©. üb. finben bie ©trafgefc^e bcS Scutfcben Rcid)* 
auf alle im Gebiete bcffclben begangenen ftrafbaren §anblungcn 2lnwenbun4f 
auch menn bcr Später ein SluSlänber ift. \ 

Siefc ^eftimmung finbet im »orliea,enben ftaüe Hnwenbung, weil ber 
üofen oon Ötnbau, wie baS Sanbgcricbt feftgeftettt hat, ein SBeftanbtljeil beS 
iiönigl. bäuerlichen Staatsgebiets ift. * 

Sie behauptete erterritorialität beS fehweijerifchen SampfbootS ©t. ©allen* 
ift aud) bann nicht bcarunbet, wenn man bie oölfcrrcchtlicben ©runbfä&e über \ 
ben ©d)ifffa^rtSocrfebr auf bem ÜJiccrc aud) auf ben 53obenfce anroenben wollte. \ 

Senn nach jenen ©runbfäfccn ftnb frembc jpanbclSfduffc, welche in §äfen 
eines anberen ©taateS fid) befinben, ber ©taatSbobeit, fonad) aueb ber ©ertcbtS- l 
bnrfcit bcS lederen untermorfen. (Sbluntfd)li, baS mobeme 33ölferrect)t, 3. Stuft. \ 
319. 321.; ^peffter, baS europäifc^e mihxxzfy, ti. Slufl. ©. 102.) «oter- ! 
oon abmcidjcnbc Seflimmungen unb inSbefonbcre bie oon ben ©efc^roerbefüt/rerti 
behaupteten Sorfc^riften finö in ber oon ben Äönigreidjen öaoem unb Söürttenv 
berg, bem ©rotiberjogtbum Saben, bem tfatfertbum Oefterreich unb ber fd)ioei3e- 
rifetjen (fibgenoficnfchaft oereinbarten internationalen ©dufffabrtS* unb ^afen- 
orbnung für ben Sobenfee 0. 22. ©ept. 1867 (SatyeriföeS Regierungsblatt oon 
18Ö8, ©. 385 ff.) nidjt enthalten. 

SaS erfennenbe ©eric^t hat feftgcfteüt, bajj baS Sampffc^iff ,,©t. ©allen" 
als .v>anbclSfcbiff 5U betrachten fei. Sa baffclbe ju ber 3eit, in meldjier auf i^m 
bic abgeurteilten .^anblungcn begangen mürben, fich im §afen oon Sinbau, 
fonaa) im ©eridjtSfprengel bcS SianbgcrichtS Kempten befanb, fo h öt 
ledere auf ©runb beS §. 3. bcS ©t. ©. S., beS §. 73. 1. beS ©. V- ©. unb i 
beS §. 7. ber ©t. $ro$. 0. mit Recht als juftänbig eraebtet. \ 

Sie ReoifionSbefchroerbe ber Slngefl. behauptet fobann coentuell: ©et 
Xhatbeftanb beS §. 113. beS ©t. ©. S9. liege nicht oor, meil ber ^oliaeitott- 
meiftcr 3M. nicht befugt geroefen fei, ohne Einwilligung beS ©dhiffStapitänS ^. 
baS fehroeijerifege Sampffdiiff 3u betreten, äöenn fich berfclbe gleichwohl gegen 



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3)eutfd)e8 @traft€d)t. Chrfenntniffe be8 9leid)öflerid)t&- 



449 



ben äBillen $.'« auf bcm Schiffe aufgehalten, fo Imbe er fu$ nicht in her rcd^t- 
mäßigen 2lu«übung feine« Straten befunben, fich oielmebr eine« Uebergriff« in 
bie wed&te be« Äapitän« febulbig gemalt, roelcb lederet nach feinen ©ienftoov 
fünften au«fcbliej3ltch berechtigt geroefen fei, bie $oiijci auf bem Schiffe au«' 

2tü*ein aud) biefer ©mroanb ift ein irriger. Soroeit berfelbc au« ber 
angeblichen (Srterritorialität be« 5Datnpffd^iffÄ St. ©allen tjcrgclcitct roerben roiü, 
ift berfelbe ferron bureb ba« oben 2lu«gcführte roiberlegt. 2Benn auch, wie be* 
bauptet ift, bem Sdbijf«fapitän nach feinen ©ieuftoorfcbrtftcn bie Shu&übung 
polizeilicher Sefugniffe auf bem Schiffe an fieb sufteht, fo ift biefer Umftonb 
unerheblich, roeil jene Sefugniffe, fo lange ba« (Schiff im £afen oon fiinbau fid) 
befanb, fonad) ber bäuerlichen Staat«bobeit unterroorfen mar, gegenüber ber 
le|teren roirfung«lo« geroefen finb. 6« läßt otelmeljr bie in ben Urtbcil«grunben 
enthaltene Reftftcllung, ber ^olijeirottmeifter Wl. habe fid) in ber rechtmäßigen 
2lu«übung feine« 3lmte« befunben, einen iHed)t«trrtljum ntcht erfennen. 

S)ie 9ieoifion«bcfchroetbe ber SCitgctl. macht enblicb gcltenb: 2)cr XtyaU 
beftanb be« §. 113. liege aueb au« bem ©runbe nicht oor, roeil %. oon feiner 
Se^örbe angeroiefen roorben, bcn Vaganten in Üinbau an« £anb ju fefeen 
unb roeil fonadp foroobl ft. Ql« SR. nur im 33eroußtfem ihrer Serpflicbtung, bieten 
2öefef)l gu ooUjicljen, gelmnbelt fjätten. $urch btefe« tlmtfäd)licbc SBerhäftniß fei, 
fährt bie 9leoifion«fcbrift fort, ber jum Sbatbcftanb bc« §. 113. bc« 6t. ©. 
erforberlicbe Solu« au«gefcbloffcn. „Ob ba« Stecht gehabt b«bc, Scbroeijer 



nach ben S3efiimmungen be« beutfeben Strafgcfefcbuche« beantwortet roerben tonne, 
roeil Ijier sroei rechtmäßige polizeiliche ©eroalten cinanbet gegenüber geftanben 
unb lebiglid) über bie ©tenjen ibrer Äompetenj in Streit geraten feien." 
SDiefe s Jtüge ifi gleicbfaH« erfolglo«. 

3)ie llnricbtigfeit ber Behauptung, baß fieb im oorücgenben gall jtdci 
gleichberechtigte ^olijeigeroolten gegenüber geftanben feien, eroiebt fid) foron au« 
bem oben Eingeführten, roonach im £afen oon fiinbau ba« fchroeuerifche Schiff 
ber Staatshoheit unb fonadt) auch ber ^olijeigeroalt be« banerifchen Staates 
unterroorfen roar. 2)en jum $batbeftanb be« §. 113. be« 6t. ©. 2b. etfotber^ 
liehen 2)olu« aber bat ba« erfennenbe Bericht thatfächlidt) feftgeftellt, inbem e« 
ausführte: 2)ie 2lngeflagten hätten gemußt, baß Beamter unb in 2(tt«übung 
feine« 2lmte« begriffen geroefen fei. 

2>iefe fteftfteHung unterliegt, foroeit fie thatfäcblicher 9iatur ift, ber 9cad> 
Prüfung nicht, unb ein berfelben ju ©runbe liegenber s Jlecht«irrthum ift nicht 
erfithtlich. 3)a« Beroußtfein oon Der 9iecbtmäßigfeit ber 2lmt«übung auf Seiten 
be« Beamten ift $um SChatbeftanbe be« §. 113. be« 6t. ®. 8. nicht erforberlicb. 



§§. 540. 544. 149. 386. 2. 6t. Proj. (D.; §. 51. C. Proj. ö>. Tic 
3U Protofoll eines (Bericbtsfcbreibere abgegebene (Erflärung eines '2ln* 
getlagten t auf ba» ^ufldnöige Hecbtemittel 5U lUTOducn, ifl unroiber- 
ruflieb, hieran roirb nid)ts geänbert babura), bag ber TJngetlagte fid) 
nod) in »äterlicber (Beroalt befanb, 6a grunbfä^liä) fclbjl ein mlnber- 
ji'ibriger 2lngeflagter jur Tlbgabe ber auf bas Strafverfahren bc$üa» 
lieben (Erflcirungen fclbflflänbig berednigt ift. l»er Pater eines grof>» 
jährigen» nod) in feiner (Beroalt befinölieben ^nQeflagten ift nid)t im 
Sinne bes 340. St. Pro$. (D. als bejfen aefefelicrjer Vertreter an- 
jufehen. 

(Srf. be« 11. Straffen, u. 23. 2lpril 1880 c/a. Änafla. 




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450 3>eutfd>8 ©trafredU Grfennrmffe De« SRricf>äaerid)t$. 

& 175. 0t. (8. B. Eer Begriff 6er roi&ernatürlid)cn Hn3ud)t 3rotfa}en 
Perfonen mfinnlid)en (Befa)lecr;ts ift nic^t auf 6ie j&ik 6er Pa6erajtie 
o6er 6er immissio seminis in einen ftörperttyeil eines an6eren ITtanncs 
befcbränft. 

Gtf. be« II. ©(raffen. r>. 23. Bptil 1880 c/a. ^teufe, mobutd) bic 9tc« 
oifion be« Slngeflagten oerroorfen würbe. 



© t ü n b e. 

$ie ©troffammer t)at für etroiefen etadjtet, bafj bet SBefd&roerbefüljrcr 
\id) auf ben auf bera dürfen licgenben 9Jtitangeflagten §. gelegt, nadjbem ftd) 
beibe sunt $f)cil entf leibet hatten, unb bafe bet SJeföroerbefütirer bann feinen 
©ef$led)t!Stf)eil an bcm Unten Dbetfdjenfel beS fi. fo lange gerieben, btö bcr 
Samengufj erfolgte. 3 n biefen öanblungen ift olme ^edjtSirttlmm bet 2f)at< 
beftanb beS §. 175. be$ 6t. @. 3. gefunben roorben. 2)iefe Seftimmung Imt 
jroei $äüe bet roibetnatürlid)en ©efcpledjtiSbefrieoigung im 2luge, bic .sodomia 
ratione sexus, Unaud)t unter perfonen beffelben ©efd)led)te, befdjränft auf Sßet* 
fönen männlidjen ©efdjledjt«, — unb bie sodomia ratione generis, bic fogcn. 
öeftialität. 3)ie sodoniia ratione sexus roat audj im gemeinen 9tedr)t feineSfaH« 
auf bie ^äbetaftie befct>ränft; bet 2ltt. 116. bet peinlichen ^alSgeriehtSorbnung 
ftrafte jcbesS „unfcufche treiben jaufctjen SKaim unb SJtonn uitb jrotfc^cn Söcib 
unb 28eib." SBcber bet SBottlaut nod) bie ®ntjte^ung§a,efd)to5te beS §. 175. ge- 
mähten einen 2lnl)alt für bie 53efchtänfung be£ 58egtin8 bet roibetnatütlia)en 
Unjudjt auf bie ^äUe bet ^äbetaftie obet bet immissio seminis in einen Äörper^ 
tyeil eines anberen 2Ranne£. 2UlerbingS wirb man bei einem Vergehen, gegen 
beffen (Sinteichung in ben tftetS bet Gelitte gegen bie @ef(hlecht£fittltd)tevt nad) 
ben Biotinen beS s Jteich$ftrafgefefobud)e8 überhaupt Sebenfen angetegt rourben, 
an einet frtiften 2lu3legung fefttjalten unb uon biefem ©eftdbtöpunfte au£ auf 
bie oerfaptebene Scbeutung be« begriff« oon „untüchtigen $anblungen" unb oon 
„Unjucht", ©erota)t legen müffen. 2lbcr fclbft oom ©tanbpunfte biefet cinfdjtän; 
fenben ^»Ictptetatton fann man nur ju bem ©tgebniffe gelangen, bafj untet 
bet roibetnatürlichen Unjucht ein Slnalogon bcS naturgemäßen SBeifd)laf3 ju oet* 
ftet)en ift, unb bafe bähet, roenn auch nicht jebe untet 9)ittroitfung cineiS anbetn 
s Utanne$ uetübte unb auf 93cfttebiaung eines ©eia)led)tättiebe<S abjtclenbe £anb* 
hing, fo bod; jebenfaÜS ein in biefet Wicht gefchehenet 9Jttfebtaud) beS ÄötpetS 
eine« anbetn Ültannc« ju einem 9>ethalten, roelche« bet ©ulbung eine« natut* 
gemäßen 23eifchlafe8 äfmlich ift, bem 6ttafgefefce unterfättt. $ie SBornahmc 
foldjet beifd)laf8ä^nlio)en $anblungen ift im untetgebenen ftaüi angenommen 
tootben unb tonnte offenbar aud) ofmc 9ted)t8irtt^um in bem t^atfäc^Udjen feft- 
gefteUten SBcrJjaltcn beS 3lngeftagten gefunben metben. 



§. 284. @t. (B. 8. X»ic (Bcrocrbsmätiigfeit 6es ^asaröfpieU fe&t jtoar 
eine fortaefefete auf (Beroinn gerichtete (C^ätigfeit woraus, 6agegeh ifr 
6ie •Jlbfidjt auf <Er3ielung eines Sufcbuftes 3U 6en übrigen (Einfünften 
nia)t in 6em Öinne ein Begriffsmerfmal, 6af> 6er XDille 6es Itters 
auf (Eröffnung einer regelmäfig 06er gar 6auern6 fliefjenöen (Einnahme- 
quelle gerietet fein mü|te. 

@rf. be« III. ©ttaffen. 0. 24. 2tptil 1880 c/a. ^ebet, roobutdb nuf 3ie^ 
oifion be« 6taat8anroalteS auf Aufhebung beß syotetfenntniffe« unb 3« r il^c^ : 
roeifung etfannt rootben ift. 



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25eutfö>8 ©haftest, (frfenntnific bed föridtfaerichte. 



451 



§§. 60. 65. 66. 222. 225. 244. 250. 254. 0t. PW3. <D. Die im 
Dorverfaijren ftattgefunbene Beeibigung eine» ^eugen, ohne baß 6ie 
im §. 65. Qlbf. 3. @t. Pro3. ©. beseiteten I>orausfet$ungen ber Be- 
eibigung vorlagen, begrünbet feine 1lufr;ebung bes ergangenen Unheils. 
— Die bloße Deriveifuna bes FommiiTarifch. vernommenen §eugen auf 
6en im Dorvcrfattren geleiteten (Elb ift unfrattfyaft. (Ebenfo begrünbet 
es Hevijlon, wenn von bem sur Derneb,mung eines §eugen anbe- 
raumten Termine bie Parteien nicht vorher benachrichtigt werben, olme 
baß bie Unthunlidhfeit ber Benachrichtigung wegen (Befabr im Dc^uge 
entjränbe, ferner wenn bie Dertefung einer geugenausfage olme üertuh- 
bung bes (Bombte un b olme voraufgehenben <Bertd>tebcfd>lufi jrattge- 



@rf. beS III. ©traffett, v. 24. Slpril 1880 c/a. SRucf, roobutcf) auf Sfof* 
Hebung beS SorerfenntniffeS unb 3urücföerroctfung erfannt roorben tft. 

• §. 246. 0t. <B. B. 3» öer thatfäcblicben Jtfrftcllung ber 3nftan3ria)ter, 
baß ber Jflietyer einer £aä)e (pianino), welcher biefelbc verpfänbet, 
bie Slbficht unb Jfifytgfeit gehabt habe, jene roäbrcnb ber Dauer feiner 
2llietb,83eit vom Pfanbnehmer wieber eln3ulöfcn unb fie bem Der* 
mietbar 3urütf *u (teilen, unb bent3ufolge eine Unterfdjlagung nicht be- 
gangen habe, ifi ein Rechtsirrthum nia)t 3U finben. 

(Sri be« III. erraffen. 0. 24. Styrü 1880 c/a. ÜEüller, rooburd) auf 
Verwerfung ber ftaatöanroaltlidhen Steoifion etfannt roorben ift. 



§§. 258. 259. 266. I. Jl. TL ß. H.; §. 246. et. <B. B. Das preu- 
jjifthe Tlllg. Canbr. verbietet nicht ein Slbtommen, 3ufolge beffen naa) 
Zahlung bes in bejrimmten (Terminen 3U entrid)tenbcn Jfllethsgclbes 
ber abgefchlojfene ITttethsvertrag bie (Eigenfebaft eines ßaufes erhalten, 
unb bas <Eigcntbum ber bereits vorher übergebenen ©acbe auf ben 
bisherigen Hlietfyer übergeben foll. — Der Umjranb, baß ber Ibäter 
eine frembe @aa)e als eigene verpfänbet, mithin un3roeifelb.aft einen 
21ft ber Ausübung bes (Eigentums unberechtigt vorgenommen bat, ift 
nicht immer entfäjeibenb für bie Jejijrellung bes Cbatbcjtanbes ber 
Untcrfchlagung, »eil bas (Befcfc bie Qlbftdjt bes fcbäters, fld> 3um 
«Eigentümer 3U machen, mitbin ben XDillen ber Pcräujjcning vor- 
ausfefct. 



Ott. be$ III. straffen, v. 24. Stvril 1880 c/a. 3öaltf)er, roobutcf) auf 
&emi$tung bc£ ^orerfenntniffeö unb 3uriitfocrroci|ung erfannt roorben ift. 

§. 175. 0t. <B. B. Unter „tvibernatürlidjer Unzucht" ijt im (Begenfafc 
3U ben ,,un3üa) tigen Ijanblungcn" in ben S§. 174. 176. 1S3. St. <B. B. 
hur ein jolcbes Ch,un 3U vergeben, welches barauf gerichtet i|t, bem 
«Befcbled}t8triebe in einer ber naturgemäßen Befriebigung bes (Triebes 
3ivifchen perfonen verriebenen (Befcblecbts* analogen tDeife Befriebigung 
3U verfd) äffen. 

Grf. be8 III. ©ttaffen. v. 24. Slvril 1880 c/a. ©etbel, rooburd) auf 
theilroeife Aufhebung be$ ^oretfenntniffcä unb greifprea)ung erfannt roorben ift. 




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452 2>eutfäe3 ©trafrerfit. (Jrfetmtmn'e be8 9teid)aQerid)t8. 



® r ü n b c. 

2öa« bie auf wtbernatürlidje Unjucht (§. 175. 6t. @. 33.) gerichtete 
Slnflage betrifft, fo erflärt ber Sorberridjter ben angeklagten für fdjulbig, je 
wibernatürlichc Unzucht jwiferjen fic3t> unb bem 17 jährigen 6., bejierjentUA bem 
im 15. ScbemSjahr flehenben 9Jt., alfo jroif^en ^erfonen männlichen ©cfeglecht«, 
begangen $u haben. 

$ie <panblungen, welche al« wibernaturliche Unsudfjt betrachtet worben 
finb, beftehen nach ber thatfäd&lichen ^eftftellung, wa« ^unä^ft ben ftafl mit S. 
angeln, bartn, ba& ber ftngeflagte biefen in feine 2Öot)nung mitgenommenen 
jungen 3)Jenfd)en veranlagte, ben 9tod abjulcaen unb bie ipofen herunter ju 
fheifen, bafe er atöbann S.'« blofje ©ruft befühlte, bafe er weiter beffen entblößte 
@efchlecht«thcile befühlte unb rieb, mit einer wad)«artigen SJtoffe einrieb, hierauf 
mit SGÖaffer abwufcrj, biefe Manipulation fofort roieber holte, and) bie Üorljant 
äurüctjog unb fid) in biefer SBeife längere Qtit ra ^ ocn ©efd)lecr)ts3tr)etlen be« 
Knaben m fdjaffen machte. 3)ie gleiten Manipulationen nahm ber Slngefl. bei 
öfteren fpäteren Jöefudjen be« 6. mit biefem cor, wobei ber burch bog be- 
rühren unb Reiben feines ©liebe« auf folehe« ausgeübte 9lets öfter beffen 
Ereftion bewirf te. Slehnlidj waren auet) bie Vorgänge in bem fallt mit 9)t\ 
©obann ift feftgeftellt, bafj bie 3lbfta)t be« Sngetl. in bem erfieren gaUe auf 
Erregung unb Sefriebigung feine« unb ©.'« ®efchlecht«trieb«, bei bem ©ebatjren 
mit bem Änaben wenigften« auf Erregung unb Sefriebigung feine« eigenen 
©efct)lecht«trieb« gerietet gewefen fei. 3n ben Urtheil«grünben wirb nun aus 
geführt, bafe im §. 175. nicht blofe bie päberaftie unb ©obomie im engeren 
©mite bebrot)t, nicht bie Vornahme eine« beif$lafär)nlichen 2lfte« t>orau«gefe$t, 
fonbetn ber X^atbefianb be« Paragraphen fchon bann unb ba gebeert fei, wenn 
unb roo mehrere ^erfonen männlichen ©efd)lecr)t« an einanber unjücbtige §anb* 
lungen ju bem ftmdt oometjmen, um burd) folcfje ben ®efo)lect)t«trieb be« einen 
ober bc« anberen SBetheiligten ,ui beliebigen ober minbefien« $u erregen. 

3)iefe 2luffaffung be« §. 175. be« ©t. ©. 59. (ann al« richtig nicht ancr- 
fannt werben . 

Sd)on bie 2l)atbeftanb«be5etchnung führt auf eine engere 2lu«legung. 
2)enn barau«, bafe ba« in bem Paragraphen bebrotjte Jpanbeln al« „wibernatur- 
liche Unzucht" bejeicrjnet ift, barf gefchloffen werben, bafj ^ier , im ©egenfaö 
ben „unjticl)tigen &anblungen" in §§. 174. 176. 183., nur ein foldje« $t) un 
oerftanben ift, welche« barauf gerichtet Ift, bem ©efchtccht«trieb in einer ber 
naturgemäßen Sefriebigung be« Srieb« jwifchen ^erfonen oerfduebenen ©cfdt>lcd>t^ 
analogen 9öeife Sefriebigung ju nerfchaffen, baft alfo jebenfaH« ein am Körper 
ber anberen 3JJann«perfon verübter beifo>lafähnltcher Slft, roenn auch nicht gerabc 
ein Einbringen in ben Äörper, erforbert wirb. 

S)iefe 2tu«legung ber gefe&Uchcn 33eftimmung ftnbct benn auch eine gc- 
mistige Untcrftüfeung in ber ©efd)id;te tt)rer entfte'hung. 3roar hat bie ältere 
prari« aufeer ber sodomia ratione generis unb ratione sexus aud> bie sodomia 
rationc ordinis naturae unb eine fogen. sodomia impropria gefiraft, unb bei 
^nroenbung älterer beutfe^er ©trafgefe^büd)er, roeldje roibernatürliche llnjucht 
ohne Erläuterung be« Segriff«, übrigen« unter befdjränfenben Sorau«fe6ungen f 
mit 6trafe bebrot)t hatten, berrfdjten über ben Umfang be« Sergehen« Zweifel. 
2lber ber §. 143. be« preujjifchen 6t. @. welcher, aufeer in ber ©trafbe- 
ftimmung, mit bem 175. wörtlid) übereinfiimmt, fyattt aufeer ber sodomia 
ratione generis nur bie sodomia ratione sexus inter masculos umfaßt, unb 
babei tmuptfächlich bie qßäberaftie im Huge gehabt. Unb bie 3Rotine ju bem 



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7 



Seutföje* Straftest, (grfenntniffc be$ Steid^eriajtS. 453 

©ntrourf unfereS 6t. ®. $3. erläuterten ben §. 175. baljtn, bafj buräj benfelben 
bie auf ©obomte unb pberaftie bezüglichen Sefttmmungen beS preufjifcfjen 
6t. ©. 23. aufregt erholten werben. 

Seru&t ^ternad) baS Urtljeil, tnforoeit baffelbe ben Ängetl. roegen roiber- 
natürlicher UnjuAt in ©träfe oerurtfjeilt, auf einer unrichtigen ©efefteSanroen* 
bung, fo mar baffelbe inforoett aufgeben unb ber 2lngefl. oon ber MeSbejttg* 
liefen Slnflage freisprechen. 

§§. 20. 21. H. Pt. <B. t>. 7. mai 1874. Der Rebafteur einer perio- 
öifä)en 3)ructfd)rift haftet für 6en gan3en JiAatt mit €lnfd)ln| bes 
3nferatentt»eil8 t falte für lederen nicfyt eine anbete perfon ala »erant* 
roortliä) be3eiä)net rooröen ift. §u ben „befonberen Umftänben" be* 
§. 20. pr. CB M meiere bie ^Innaljme ber £&äierfd)aft be» Kebafteure 
auofcf)lie£en, gehört nicht bie Cbatfadbe, baf berfelbe mit bec Leitung 
bee bie fhafbare fjanblung ent^altenben ^nferatentyeilB nirfjt befaßt 
tft. I>er 3dtige Hacbroeis *bes Derfaffer* ober (Einfenöew eines r»er* 
öffentlichen ftrafbaren Tlrttfcls fdjlieüt bie üerant»ortlid)feit bes He- 
bafteuro nur infofern au«, als bie Derfolgung au« §. 21. Pr. <B. roegen 
^abrläfitgfeit eintritt. 

örf. beS I. 6traffen. 0. 26. 2lpril c/a. 6tein, roobur# bie 9temfion 
jurüefgeroiefen roorben ift. . 

® r ü n b e. 

Slbgefetjen oon 6trafauSfd)liefjungSgrünben, roeldje baS allgemeine 6traf* 
red^t jebem 2lngcfä)ulbigten gegenüber anerfennt, fann $roar bie ftrafreä)tlid)e 
Haftung beS 9lebafteurS einer periobifd&en SDrucffd&rift als Später bur$ „be* 
fönbere Umftänbe" auSgefa^loifen roerben, allein mit 9tedjt ^at baS DberlanbeS«« 
geriet einen folgen auSnafnnSroeifen 6trafbefreiungSgrunb barin nidjt gefunben, 
bafe, wie in ber 9t. 93. roieberbolt betont wirb, Skrflagter nadj ber angeblia) 
bei ber SreSlauer 3ettung befteljenben ©efcbäftSoertljeilung mit Prüfung ber 
für ben ^nferatentljeil beftimmten SXrttfet nia)t befafet fei. 

311S „befonbere Umftänbe" im 6inne beS $re|gefefeeS fonnen nur aufjer* 
geroölmlidje Umftänbe gelten, roeld)e audb einen geroiffenjaften 9tebafteur olme 
eigene« 33erf djulben fjinbern, im (Sinjclfalle bie gefefcliä) gebotene 3$ätigteit 

S)er Rebafteur einer periobtfä)en Drucffc^rift ift aber für ben ganzen 
^nljalt oerantraortud) unb rau| bofür 6orge tragen, baü ifmt bie fettige Äennt* 
mfenafjrae unb Prüfung jebeö einzelnen SlrtifelS mit @infa)lu§ ber ^nferate ge* 
fiebert bleibt. 

3>ic Berufung ber % 33. „auf ben Organismus einer grofeen 3eitung 
unb auf bie fpejieHe 9tebaftion beS äftferatenu)eil$" ift baber jur Söegrünbung 
ber 6trafloftgfeit beÄ Serflagtcn um fo weniger geeignet, cdä gerabe Sßerflagter 
geftänbigerma^en bie betreffenbe Kummer ber 33res8lauer 3"t«n8 olS Stebaftcur 
gejeidmet fiat unb nidjt feftgeftellt ift, bafj etma in ©emat^ett be$ ^re^gefe^eä 
§. 7. Slbf. 2. ehte anberc perfon al« für ben ^nferatentijeil oeranttt)ortlid)cr 
Äebafteur bejeittjnet roorben fei. 

2öenn f4lie|licb bie 9i. für ben föebafteur ben 6a^u^ beS tyt. @. §. 21. 
beöljalb onfprid)t, roetl er oor 3>erfünbtgung beS erften Urt^eilä ben mirfUdjen 
2;t)äter benannt ^abe, fo roirb oerfannt, ba| burc^ seitigen ^ac^meis be5 S^er* 
raffer« ober (SinfenberS eine« bur$ bie periobifc^e Grefte oeröffentlicf;ten, int)altücf) 
ftrafbaren SlrtifelÄ bie «er antra ortlia)feit be« Jtebafteur« nur infofem auSge^ 
fa)loffen ift, als bie Sl^nbung roegen ^rläfftgteit aus ^x. ©. §. 21. erfolgt, 



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454 3>eutfdjeö Straftest Grfenntmffc bcö JRctcfjägcrichte. 

bafe aber berjenigen er antra o r t lid>f eit gegenüber, roelcbe auf ben — oorliea,enb 
angeroenbeten -- §. 20. fia) grünbet, jener Nachweis fetnen ffrafrechtlidjen Sd)u& 
gewagn. 

§. 360. Hr. IL et. 05. B. (Brober Unfug Ift lebiglicb in 6er Der- 
lefcung 6er öffentlichen ^ntereffen refp. öffentlichen (DrSnung, nicht aber 
in 6er ungebührlichen Betätigung in6i»i6uell bezeichneter perfonenfreife 
ju finöen. 

@rf. beS L 6traffen. oom 27. 9lpril 1880 c/a. Äittner, rooburdtj unter 
Aufhebung beS SBorerfenntnijfcS auf 3urücfoerioeifung erfannt worben ift. 

© r ü n b e. 

3)er 3tngefl. ift, unter ftreifprcdjung oon ber Slnflage eines Vergehens 
im Sinne beS §. 183. beS 6t ©. 93., wegen groben Unfugs im Sinne beS 
§. 360. 11. be« St. ®. 8. oerurtheilt worben. 

SDerfelbc bat, wie aus ben Urtt)eilSgrünben ber 1. ^nftanj er^ettt, am 
12. Slooember 1875 in ber 2Bohnung be« StfcblerS §. in Obert)orfe in ©egen* 
wart mehrerer Jttnber beS lefctcrcn an ber Ghcfrau beS unb an ber in jener 
Söofjnung ju SBefud) anwefenben @t)efrau beS Sattlers U. untüchtige ,§anblungen 
oorgenommen. 

$>aS ©cricht, meines auf ©runb beffen feftgeftcllt bat, ber 2lnaett habe 
burdt) jene fianblunacn groben Unfug oerübt, führt in feinen UrtfjeUSgrünben 
auS: ,,$ie IprariS ber ©ertdjtc erforbere jwar jur Strafbarfeit we^en groben 
Unfugs in gewiffem Sinne Deffentlicbfcit. &odj brause feinenfalls bie £anolung, 
in welcher ber Unfug gefunben werben follc, felbft öffcntlict) oorgenommen &u 
fein; eS genüge, bafe bicfelbc bie öffentliche Drbnung im Allgemeinen gejtört 
habe. S)ieS fei aber aud) bann ber gatt, wenn in einer ^rioatwolmung, meiere 
ja unter bem 6d)ufce ber öffentlichen Orbnung ftetje, ein fo grober ©rcefe, rote 
ber bem Sngefl. jur Saft faUcnbe, oerübt werbe." 

$ie Steoifion beS 2utgeft roirb barauf geftübt, baft ber §. 360. 11. beS 
St. ®. 93. auf baS feftgeftettte Sad;oerl)ältni& nic§t habe angeroenbet toerben 
fönnen. 

2>iefe 9lüge ift begrünbet. 
• 3ene ©efefeeSfteUe enthält feineSwe^S eine allgemeine Strafanbroqung 
gegen jeben ftörenben Eingriff in bie unter bem Sd)u£e ber öffentlichen Dronung 
ftebenben ^ntereffen unb 3lea)te ©ritter. ßtncS groben Unfugs macht fidt> oieU 
mehr nur berjenige fdntlbig, welcher bie öffentlichen fjnterefjen, bie öffentliche 
Orb nung baburd) »erlebt, baft er baS ^Jublifum als folcheS, im ©egenfah *u 
einseinen ^erfonen ober inbioibuell begrenzten ^erfonenfreifen gefährbet ober 
ungebührlich beläftigt. 

9tad) ber thatf Schlichen ftcfrfteüung beS erfennenben ©erichtS finb bie bem 
2lngetl. 3ur i'aft gelegten §nnblungen ut einer ^rioatroohnung gegenüber ben 
9J?itglicbcrn ber bort wohnhaften $amiüc unb einer $u SBcfudh anroefenben $rau 
oorgenommen roorben. (Sine über bieten abgefebl offenen ^J3erfonenrreiS hinaus* 
ger)enbc, fiefj auf boS ^Jubltfum, bie M gemeindet! erftreefenbe Störung ber bc 
icidnicten 3lrt ift nicht feftgeftcllt. Css ift oiclmcljr aus ben UrttjeilSgrünbcn 
crfichtlich, bafe baS l'anbgcridn äu ber gleichroobl erfolgten ^cfrflellung eincS 
groben UnfugS jufolge einer rechtSirrthümlichen »uffaffung, nämlich baburch ge 
langt ift r baß cS baoon ausging, jener 9tcat liege, obwohl eine Störung ber 
öffentlichen Orbnung in ber oben hetoorgelwbcncn Dichtung nicht zutreffe, auc 



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SeutfäeS Straftest, (Jrfcnntniffe bcfl 3teicf)«0eri#t«. 455 

bcm ®runbe oor, weil in bcm groben ©rcefe an fid& eine Störung ber öffent* 
liefen Orbnung im SXUgeraeincn $u fmben fei. 

§. ISO. @t. <B. B. Äuppelei, begangen burdj Dermtetyen uon gimmern 
im Berouitfein, ba| legiere von ben Mieterinnen 511 unjüctjtigen 
^werfen benu^t werben. 

(5x1. be$ IL ©traffen. 0. 27. 2lprtl 1880 c/a. 2)tuf>S, woburd) bie 33or^ 
entfd&eibung aufgehoben unb auf 3urüdfoerweifung erfannt worben ift. 

© t fi n b e. 

©8 mag bem erfien 9U<f>ter jugegeben werben, bafc aus ben Umftänben 
allein, bafj ÜDcäbd&en, meldte unter ßontrolc ber «Sittenpolizei ftanben, bei ber 
2lngefl. gewohnt Ijaben, bafj bie leitete oon bcnfclbcn einen üerljältnifemäfetg 
f)o[jcn 2age$fa$ genommen unb gewufjt habe , bafj bie 2Jiäbd)en ba$ Limmer 
benufeten, um Männern gegen Gntgelb ben Seifcijlar su geftatten, niä)t nett) 
wenbtg gefolgert werben müjjte, baf> bie Singe!!, ficrj ber Huppelei fd&ulbig gemalt 
l)abe. $nber<3 aber würbe bie 6adje liegen, wenn bie 2lnge!l. entweber beim 
&etmte$en ber 3iwmer gemußt hätte, bafe itjre SWietljertnnen bie äimnter ju 
bem gebadeten untüchtigen 3mecfe benu^en mürben, ober rcenn btefelbe trofc ber 
tnjwifchen erlangten Äenntnifj ben 3Jciethoertrag ftiüfchweigenb ober auäbrücflich 
erneuert ptte. £)enn unter biefer $Borau$fe|ung mürbe in ber ©ewäbrung 
einer SBofjnung ein SBorfchubleifien ber Un$ud)t burdfj ©ewäbrung oon ©eiegen* 
Reiten im Sinne be$ §. 1Ö0. beä 6t. ©. S. erblicft werben muffen, roeil baburcr) 
günfHgere Sebingungen für bie Ausübung ber Unzucht gefdwffen mürben, als 
ofme oie Einräumung einer Sßofmung an bie ^rojtttuirtcn gegeben roaren. 

<£ine Prüfung in biefer Stiftung, ju melden bie im Urteil mitgeteilten 
SluSfagen ber 3 c "9 cn auSreidjenbe SSeranlaffung geben mufeten, ^at ber erfle 
dichter nicht oorgenommen, unb jmar offenbar oe«^alb nicht, roeil er uon ber 
redjtSirrthümlicben 2lnfd)auung ausgeht, bafj noch weitere pofitioe $anblungen, 
Zuführung uon HWännern, Slüfforberungen an bie s J)(ietberinnen, Männer aufau* 
fuchen ober ju empfangen u. f. ro. f nötfng feien, um ben Jfmtbeftanb ber Äuppelei 
in erfüllen. @8 roirb babei überfein, bafe fchon in bem wiffentltchen Sermieten 
einer SÖohnung an berartige grauenjimmer, oerbunben mit ber 3)ulbung ber 
Unzucht etn SBorfchubleiften ber lederen enthalten ift, unb baburch ber X^atbe* 
ftanb ber Äuppelei unter ber Sorauäfefcung, bafj baS Sorfchubleiften gewor)n< 
beit«mäjjtg ober au« Gigennufc gefd&ehen ift, erfüllt roirb. 

hiernach roar ba$ angef. ©rfenntnife nebfl ber bemfelben nun ©runbe 
liegenben ^eftfiellung aufzuheben unb bie Sache jur anberroeiten löerhanblung 
unb ßntfdfjeibung an bie oorige ^nftanj jurüdjuoermeifen, um ju prüfen, ob 
oon biefem rechtlichen ©efichtSpunfte aus ber Slmtbeftanb be« §. 180. bes 
St ©. 93. feftgeffcüt werben fann. 

§§. 24. 25. K. <B. ». 21. Oft 1878 gegen 6ie gemeinfseiicbcn Bc 
fhebungen ber ^oxialbemofratie. 'Sie öffentliche Derbreitung einer 
Drurffa)rifl fiellt fid) bie ilcbergabe unb Tluehänbigung einer Tlnprei* 
fung oon Heilmitteln im Um^ieen bar. 

Gr!, beö III. Straffen, u. 28. SlprÜ 1880 c/a. §eerig, woburdEj auf bie 
ftaatäanwaltüde ^eoifion ba5 Sorerlenntnife oemichtet unb auf 3 ur ü^ Dcrroc i' 
fung erfannt worben ift. 



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456 2)eutfdjes Straftest. (Sitenntniffe beS Sfcidtfaeridjts. 

© r ü n b e. 

9ta<h ber t^atfäd^lid^en ^eftfiellung beS VorberrtdjterS ifi bcm $ngefl. bie 
Vefugniß jur öffentlichen Verbreitung von 2)rucffchriftcn endogen worben. 9tod> 
ben ben Slftcn beiliegenben Verbanblungen ifi baS Verbot bcr JlreiS- 
hauptmannfehaft ju Snncfau auf ©runb beS Sojialiftengefe&eS erlaffen, eine ba* 
gegen erhobene Vefchwerbe aber oon bcm Äönigl. 9Kinifterium beS ^imcrn jurüct* 
gemiefen worben. 2)cr 2tngefl. b a * nun innerhalb unb außerhalb feine« SBofnv 
ort« einen aus jerflcinerten Kräutern gemifchten Ztyt uerfauft. Veim Verläufe 
beS X^ee'g unb jum Smedfe oon beffen 2lnpreifung f)at er benjenigen ^erfonen, 
mit weisen er als Slbfäufern, beziehentlich als ju gewinnenben Slbfäufern in 
Verübrung gefommen ift, eine $rucff<hrift übergeben und auSgehänbigt, betitelt: 

„S)aS befte §auSmittel gegen Äranfheiten ift unb bleibt ber nach 
Vorfchrift beS £errn $of* unb SWebljtnalrafl&a Dr. 6. in Bresben 
bereitete Äräutcrtbce." 

®ie Straff ammer finbet hierin ben Xtwtbeftanb einer Verbreitung, aber 
nicht ben ^atbeftanb einer öffentlichen Verbreitung, unb bat beShalb ben »ngefl. 
aus §§. 24. unb 25. beS ÜleichSgefefeeS gegen bie gemeingefährlichen Veftrebungen 
ber ©ojialbemorratie fretgefprochen. $ie 9leüifion ber StaatSanwaltfchaft rügt 
Verlegung biefer gefepchen Vefhmmungen. 

2)aS Urteil beS VorbcrrichterS giebt ©rünbe bafür, baß in bem feftge* 
fteßten S^atbeftanbe eine öffentliche Verbreitung nicht gefunben ift, nicht an. 

9tun bilbet bie OeffentUc^feit ben ©egenfafc oon ber ©efchloffenheit; eine 
öffentliche Verbreitung, eine öffentliche ÜKittf)cilung fter)t im ©egenfafc ju einer 
9Jtittbcilung an einen befd^ränften, gcfchloffenen ÄreiS einzelner, befrimmter $er* 
fönen §u einer ocrtraulichen 3Jftttbettung. ^n ber Verbreitung einer 2)rudfa)rtft 
an folebe ^Serfonen, an welche ber Slngefl. innerhalb unb außerhalb feines 
SöoljnortS oerfaufte unb oerfaufen wollte, barf h^rnaa) allerbingS eine 
öffentliche Verbreitung gefunben werben. Vei Slnfünbigungen, welche ba$u be* 
ftimmt finb, Äaufluftige anjuloefen, geht baS Vefrreben beSjentgen, welcher bie 
^nfünbigung in feinem ^ntereffe oeroreitet, baljin, einen möglichft großen tfretS 
uon Käufern ju gewinnen, alfo auf ein allgemeines Vefanntmerben, eine öffent 
liehe Äunbgebung. 

Vei folchcr Sachlage hätten befonbere thatfächliche Umflänbe angeführt 
werben müffen, wenn bie Annahme gerechtfertigt werben foüte, baß im oorlie* 
genben ftall bie Oeffcntlichfeit ber Verbreitung nicht oorliegc. 

§. 285. Hr. 3. @t. (F. B. t §. 210. Vit. 3. H. fionf. <!>. I»cc Üorfcbrift 
bce Tlrtifel 29. f> ©. 8. über bie jährliche »tlansjiebung ift nicht 
mit einer erfi na* bem @chlu| bes <Pefd)äftejabre8 begonnenen Siefmng 
bcr Bilan5 genügt. 

Grf. bcS III. Straffen, u. 28. 2Ipril 1880 c/a. 90., woburch bie 9leoifion 
bcr StoatSauwaltfchaft für begrünbet erachtet unb auf 3urü<focrweifung erfannt 
worben ifl. 

§§. 217. 577. l\x. S. et. p. <P. Tas Unterbleiben bcr Dorlaöung bee 
bcm (Bericht red^cittg benannten Dcrtheibigcrs 5ur ^auptvcrhanblung 
berechtigt ben Qlngeflagten ^ur Heoifion. 

(SrF. bcS L Straffen, o. 29. 3lprit 1880 c/a. Heinrich, woburch aur 
Aufhebung bcS VorcrfcnntniffeS erfannt worben ift. 



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SewfäeS GtafHftt ßrfenntniffe bei «Rei^8öcrl^tt. 457 
® r ü n b e. 

$te gfteoiftonSfchrtft behauptet Bertefeung beS §. 217. ber 6t. f. 0., unb 
eS ifl bte ©efdjwerbe begrünbet. 3ftittelft f$rimtd)cr, oon bem Angefl. unb bcra 
Rechtsanwalt 58. unterjeicbnetcr eingäbe 00m lti., präfentirt am 18. üttoo. 0. 3 » 
würbe bcm (Script bie Anjeige gemacht, bafe ber Angefl. bcn genannten Anwalt 
ju feinem SScrt^cibiger gemault habe, unb gebeten, benfelben oon bcm Setmine 
in Äenntnifc 911 fefcen. $er Dermin jur ^auptoer^anblung war bamals äwar 
bereits auf ben 4. ®ej. 0. 3- anberaumt gewefen, ber Angefl. hatte jebod) |iet* 
oon noch feine SRadjricbt erhalten. @rft am 21. 9ioo. 0. 3- würbe üjm bie be* 
treffenbe Sabung jugefieHt. S)er SSert^eibiger hingegen würbe nicht oorgelaben. 
2)af)er fam eS, bafj ber Augefl. wäbrenb bet §auptoerbanbtuna einen 9ted)tS* 
beiftanb nicht jur 6eite hatte. AUerbingS hätte berfelbe auf feine betreff enbe 
fdjriftlicbe Eingabe in ber $auptoerbanoIung Sejug nehmen unb btoburd) bie 
AuSfefcung berfelben otelleiebt herbeiführen lönnen. * Allein m einem beSfaüTtgen 
Antrag mar er roeber gefefelicb oerpfltchtet noch genügen!) oeranlafjt. 3)enn 
naebbem baS ©eri#t ßenntni§ oon bem oon ujm gewählten SBert^eibiger erhalten 
I;atte, tonnte er ber 2Remung fein, bafe berfelbe auch sunt Termine oorgelaben 
roorben fei, ihm mithin nach §. 227. 2(bf. 2. ber 6t. 0. fein 9tecbt suftebe, 
wegen beffen Ausbleibens bie AuSfcfcung ber SSerhanblung $u oerlangen. (Sine 
freiwillige Unterwerfung beS Angefl. unter bcn ihm burch bte unlerlajfene 93or* 
labung beS oon ü)m acroäbltcn BerthetbigerS jugefügten -Jtocbtbeil fann hiernach 
nicht angenommen uno barf um fo roeniger unterfteHt werben, als berfelbe gerabe 
burd) bie Söahl eine« BertbeibigerS ju erfennen gegeben hat, bafj er ftcb ju 
feiner eigenen Vertretung nid^t im 6tanbc fühle, ©elbftocrftänblia) ift es enblicb, 
bafc bie fiattgefunbene Verlegung beS §. 217. ber 6t 0. eine roef entliche 
Befcbränfung ber Vertbeibigung beS Angefl. enthält. 2)aS Urteil muffte mit* 
hin nad) §• 377. 8. ber 6t. 0. aufgehoben werben. 

§. 533. @t. <B. B. Die guwenbung eines <Bel6gefa)enfes an einen 
Beamten, wenngleich fie äußerlich an einen Tlnöercn ab ben 5U Be» 
febenfenoen geflieht, ftellt fitfi ab Befleckung bar, wenn fie 5U bem 
^roetfe erfolgt, nm crjleren 5U einer fein pflichtgetreueo (Ermeffen au»- 
tdblie|enben ^anblung ju bewegen. 

(Srf. beS I. 6traffen. 0. 29. April 1880 c/a. 6ucbanecf. 

Behufs ©rlongung einer ^letfdhbef($auerfielle hatte ber Angefcbulbigte an 
ben AmtSoorfieber SB. ein 6cbretben gerichtet, in welchem er betonte, bafj er 
bie Bemühungen beS 20. nicht umfonft haben wolle, ©letebjettig war oon ihm 
an bie ftrau be3 2B. ein in einen 3 ette l gewicfelteS äroanjigmarfflücf mit ber 
Sitte, für ihn ein gutes 2Bort etmulegen, abgefanbt worben. SCBegen Sefteajung 
anc^eflagt, würbe 6. oon ber 6traffammer bei bem Amtsgericht Oicuftabr a. b. 6. 
fretgefprochen, weil fi<3t) bie Seflellung als glcifchbefchauer nicht als eine pflicht* 
wibrige ^anblung qualifiiire. 2luf bie hiergegen feitenS ber ©taatSanwaltfchaft 
eingelegte SReoifion erfannte baS 91 ®. auf Vernichtung ber angefochtenen @nt- 
feheibung unb 3urücfocrweifung. 

© r ü n b e. 

2)urch bie gretfprechung beS 6. oon ber Anflöge ber Söcftechung ift 
§. 333. beS 6t. ®. 93. ucrlefet. 

2)ie (SntfcheibungSgrünbc beS angefochtenen UrtheilS würben jwar feinen 
"HcchtSirrthum enthalten, To weit üe auSfprcchcn wollten, eS fei jur 2lnwcnbung 
beS §. 333. beS 6t. ©. bie beabfichtigte SBeftimmung beS Beamten ju einem 



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458 5>eutf(f>ea Straftest. Grfetmtmffe beö 9tei(heßeri<ht«. 

pfliäjtroibrigen Verhalten erforberlich; bagegen irren bie (Sntfd&etbungSgrünbe, 
fofern fic bei ber 8lnroenbung beS §. 333. beS 6t. ®. auf bcn oorliegenben 
^att lebiglicb barauf Stücffidjt nehmen, ob bie §anblung beS üBeamten, welche 
als baS ßnbjiel ber öingabc oon ©clb erftrebt wirb, an fiä) in ben ÄretS ber 
2lmtS* ober SMenftpfUd&t beffeiben fällt, unb herbei nicht unterfeheiben, bjro. nicht 
erörtern, ob ber Beamte burd) bie Eingabe oon ©elb beftiramt roerben fott, eine 
in feinem (Srmcffen fiehenbe föanblung felbft unter Unterbrüdung ber ihrer 2tor* 
nannte ober ü)rcr Vornahme gegenüber einer befthnraten Sßerfon entgegenftehenben 
(Srroägungen oorjunehmen, ob alfo ber Beamte ju ber ^flichtoerlefeung, roelchc 
barin läge, bajj er fein (Srmeffen nicht nach feiner geroiffenhaften Ucberjeugung 
ausübt, oeftiramt werben foHte; auch in bera lederen gatte mürbe bie beabfia> 
tigte Sefhmmung eines Beamten ju einer eine Serlefcung einer SlmtS* ober 
SHenftpflicht enthaltenen öanblung im 6inne beS §. 333. beS ©t. @. 8. oor* 
liegen. 2öürbe nun thatfachlich feftgefieflt roerben, ba§ ber Slngefl. baS ©elb* 
gefchenf, roenngleich eS äußerlich an bie (Sfiefrau beS 9fattSoorfieherS SB. gerietet, 
biefem lefcteren jugeroenbet, unb jroar ju bem 3roecfe, um bie' bei einem pflicht* 
haften (Srmcffen jenes Beamten ber Scfiettung beS Sngefl. als gleifd)bcfi auer 
entgegenftehenben (Srroägungen ju befeitigen unb ihn fo ju bie) er Scfieuung, 
unter ^erlcfcung feiner 2lmtS- ober S)ienftpfliajt, ju beftimmen, fo mürbe bie 
9foroenbbarfeit beS §. 333. beS 6t. ©. ». nicht oerneint roerben lönnen. 

@S muftte Inernad) baS angefochtene Urteil, inforoeit eS ben 6. oon ber 
2lnflage ber ©eftechung freifprtcht, fammt ber bem Urteile in biefer SBejic^ung 
üu ©runbe tiegenben tbatfächlichen geftfteßung aufgehoben unb bie «Sache info- 
roeit jur anberroeiten 2krf)anblung unb 6tttfa)eibung jurüctoerrotefen roerben. 

§§. 10. Qlbf. 2. 14. be» !nartenfa)uk-(B. v. 30. Hot). 1874. Dura) bie 
bereits oor (Eintragung eines XDaarcn5eia)cn8 in bas §eid}enregi|ler 
gefa>cbene Nachahmung erlangt biefelbe nidjt ben Cbarafter als ^teU 
5eia^en. Die Benutzung eines I^eiles bee 1Daaren3eld)ene fann nla)t 
als Benutzung bes letzteren felbfl gelten. 

@rf. beS II. ©troffen, o. 30. Slpril 1880 c/a. *ß.aafchfe, roobur<h auf 
Vernichtung ber SBorentfd^eibung erfannt roorben ift. 

© r ü n b e. 

2)te 91. 95. erfdf>eint begrünbet, wenngleich bie in berfelben behauptete 
Verlegung beS §. 10. 2lbfd£m. 2. beS s JWarfenfa)u^gefe^eä o. 30. «Rod. 1874 niajt 
üodiegt. 2)er §. 10. Sbfant. 2. lautet: 

2luf 2Baaren3ei$en, roela^e biöljer in freiem ©ebraudje aller ober 
geroiffer Älaffen oon ©eroerbtreibenben fia) befunben ^ben, ober 
beren ßintragung nidjt juläffig ift, fann bura) Stnmelbung ^iemanb 
ein 9ted)t erroerben. 
2)er gefe^geberifche £roe<f biefer öeftimmung ift offenbar ber, bafe 3eid)en, 
roela)c bisher ©emeingut aller ober geroiffer Älaffen oon ©eroerbtreibenben ge* 
roefen finb unb ftdfj einer geroiffen Beliebtheit bei ben Äonfumenten erfreuen, 
bura) 2lnmclbung niajt in ben Jöefi^ eines (Einzelnen, unb 3roar beSjenigen ge* 
langen folien, roelcher jufäHtg juerft bie Slnmclbung befajaffen roürbe. (5ö hanbett 
ftd) babei um Radien, roeldje, roie bie üRotioe (S)ruc?facben beS 9leia)StageS 
1874/75 5tr. 20) unb ber Wortlaut be« ©efefeeS („bisher" in freiem ©ebraud) 
aller oOcr geroiffer Älaffen oon ©croerbtreibenoen) ergeben, oon 2lltcrS her in 
biefer 23eifc oerroenbet roorben finb. 3)er im oorliegenben ^all oom Sngefl. 
gefteüte SerociSantrag bcjroccftc aber, nachäuroeifen, baß baS 9Baarenjeichen" ber 
^önfoping'fchen 3ünbhöläcr fajon oor bem 2flarfenfehu&gefe|, bejro. oor ber ein» 



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3)aitfäe8 ©trafrecht. Ertenntnljfe be« 3dci(^öflerid»t«. 459 

trammg be« fttitytttö in ba« 3 e i# cnt egtfter, oon oielen beutfd&en ftabrifanten 
nachgemacht worben fei. $>aburcb ift e« aber fein ^tetjeichen geworben; e« mar 
immer ein 3ei<$en eine« einzelnen 3-abrifanten oon oerbältnifemäfeig neuem 
$)atum, welctje« mißbräuchlich nachjuabmen oiele ^abrifanten in ihrem ftntereffe 
gefunben hoben mögen. 2Bäre ba« Reichen böbutfh * m ^reijeichen geworben, 
fo hätte folgerichtig auch bie Sönföping'fche ^abrif ihr eigene« 3 e *<$ Ctt nidfjt 
wirffam anmelben fönnen, wäfjrcnb boeb bie gan^e Xenbenj be« ©efefee^ gerabe 
ba!)in ging, berartigen Nachahmungen ein 3iel ju fefeen. 

Wogegen mufite ba« Erfemttnlfj au« einem anberen ©runbc oerntchtet 
werben. 

®er jweitc dichter erachtet e« für unwcfentlicb, baß bie ^önföpinger 
©efcüfc^aft noch ein weitere« Ettfette, beftebenb in jwei SBeltfugeln, §ur SBejeicr)* 
itung ihrer SBoaren oerwenbet unb auch für btcfesS burch bie Eintragung in ba« 
.ftanbelSregifler au Setpjig ben aefefclichen 6cbu& erworben habe. $>enn ber 
Erwerb jweier neben einonber beftebenber 6d)ufcmarfen für biefelbc SSaare fei 
nad) ben SBeftimmungen be« 9Rarfenfcbu§gcfe&e« oölltg juläffig, unb merbe burdj 
bie Eintragung be« srociten SBaarenaeicben« ba« burch bie Eintragung be« erften 
erworbene föedjt in feiner Sßetfe altertrt. Ein Vergehen gegen ben §. 14. be« 
s l}?arfenfcbufcgefe$e« lieae aber fd&on bann oor, wenn i^emanb nur ein« biefer 
3öaarenjei($en miberreebtlich benufce. $5iefe StuÄfütjrung ift rec$t3irrt&ümUd). 
Nach ber tbatfäcblicben Annahme be« erften Nichter«, unb oon biefer febeint auch 
ber jroette Stifter au«$ugeben, ift ba« weite SÖaarenjeitben nicht in ber 2Beife 
erroorben, bafe ber gabrifant berechtigt fein wollte, für eine unb biefelbe 2öaare 
entroeber ba« frühere ober ba« neue SBaarenjeichen $u oerroenben, fonbern fo, 
bafe auf ber betreffenben SBaare immer beibe 3 c töen, ba« alte unb neue, oer* 
eint *ßlafr fmben Tollten. 2Sar bie« ber $aU, fo bilbet ba« frühere unb ba« fpätere 
3eict)en in ir)rer ^Bereinigung rechtlich nur Ein 2Baarensei<hen. Sarau« folgt, 
baß bie 33enufcung eine« %l)t\l& be« Söaarenjetchen« nicht al« eine 53enujjung 
be« SSaarenjeicben« ber ^Berechtigten aufgefaßt roerben fann; benn bilbet febe« 
3öaarenjei<hen eine Einheit, fo ift auch jebe« 3 c "hen, welche« auch n ^ w einem 
Ztyil oon einem rechtlich gefeilten Sßaarenjeichcn abweicht, ein anbere«. 3)ie« 
wirb im §. 18. be« 9Jtarfenfdf)u£gefetje« ftwar al« grunbfä^ücb richtig anerfannt, 
jugleieb aber ber Gefahr oorgebeugt, weldfoe au« biefem ©runbfafc, beffen Äon= 
fequenjen bie SBirffamfett be« ganzen ©efe|e« in fattg,* fieUen würben, entfpringt, 
tnbem beftimmt wirb, bafe ber bem Inhaber be« 3eichen« na^ Inhalt bieje« 
©efe|e« gemährte 6chu^ baburch nicht au«gcfa;loffen würbe, bafe bie 3 ei $ c,t 
u. f. w. mit Slbänbcrungen miebergegeben finb, welche nur bur<h Slnwenbung 
befonberer Slufmerffamfeit wahrgenommen werben fönneu. 

$er jweite 9?i<htcr hätte baher ben Einwanb, bafe noch ein wettere« Eti- 
fette, beftehenb in jwei 3öcltfugctn, oon ber TOengefeÜfdmft ber ^önföping'fchcn 
^abvif angemelbct fei unb benu&t werbe, berüefftebtigen unb bemnächft prüfen 
müffen, ob bie thcilmeife Nachahmung be« 3öaarcn$ei<hcn« auf ®runb be« §. 18. 
be« ©efefcc« tro^bem flrafbar fei. 



§. 147. 6t. (P. B. Die *2lnroeit6ung bc» §. 147. 6t. (B. B. gegen ben- 
jeni^en, weither fid) naebgeabmtee ober »erfälfdhtc* (Pclb oerfebafft unb 
baffelbe in Perfebr bringt, fe^t nid?t ooraue, ba| er bie JalfifKate al» 
echte« (pelb in Derfebr bringt. 

Erf. be« II. Straffen. 0. '60. 9lpril 1880 c/a. Söitfin u. ©en., woburaj 
auf Seuoerfung ber 9lcoifion erfannt worben ift. 



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460 Sartft* CHMfHi»!. (htenntniffe M ftd^Sfleti^tt. 

\ 

© r ü n b e. 

3)tc ©efdfjroorenen rjaben mit mef)r als fieben ©ttmmen bejaht bic fragen: 

1) 3ft bet Slngefl SB. fdjulbig, im 3a|re 1878 nad&gemad&teS auSlcm* 
bifd&eS SJJapiergclb, tuffifcfje 9tubelf<|eine, ft$ oetfc^afft unb ju Scrlin 
am 25. 9ioo. 1878 bcn ©ntfcrjlufe, biefelben in Scrfebr p bringen, 
burd(j §anblungen betbätigt ju Ijaben, roeldje einen Slnfang ber 3fu£= 
füfjrung biefer beabfidgtigten, aber mc^t jur Menbung gefommenen 
£rjat enthalten? 

2) äft ber 3fogeK. Gl), fdfjulbig, «I Berlin am 25. 9loo. 1878 ben Gnt* 
fajlufc, nad&qema$teS auSlänbifa)eS ^apiergelb, ruffifd&e s Jlubelfcfjeine, 
roeldbe er ftcf) nerfd&afft fjatte, in ben $erfefrt ju bringen, burdfc 
^anblungen betätigt $u Imben, meldte einen 2lnfang ber SttuSfürjrung 
biefer beabfid&tigten, aber nidjt jur Sollenbung gefommenen Xfyat 
enthalten? 

3) 3ft ber >2lngefl. <p. fd&ulbig, ju »erlin im 5Rot>. 1878 bem SB. unb 
bem Gf>. jur Segeljung ber ftrafbaren £anblungen ju 1 unb 2 but$ 
bie Xfyat nnlTentltcf) ^ülfe geleitet ju tjaben? 

®ur$ bie SluSfprüd&e ber ©efd&roorenen ift gegen bie 2tngeH. SB. unb 
% ber Sfwtbeftanb beS Sfcrbredjenä gegen bic §§. 147. 43. beS 6t. ©. & unb 
aegen ben Slngefl. ö. ber Xrmtbeftanb ber 8ettjülfe baju — §. 49 baf. — na# 
ben ©efefceSroorten feftgefteUt. 

yiaty 3tu)alt beS Si^ungöprotofoUsS ift ber oon ben Sertrjeibigern ber 
2lngefl. SB. unb Gl). gefMte Antrag, in bie fragen 1 unb 2 baS SBort: „als 
cd&teS" cor „in 33erfel>r ju bringen" einpfählten, burä) ©eriä)tSbefd)lufj al« 
gefefcliä) unjuläfftg abgelehnt, weil ber Antrag nid)t bie llmfd)reibung refp. 
bioibualifirung eine« bereits im ©efc^c oortjanbenen, fonbem bie roillfürliaje 
§injufügung, eine« barin nid&t oortjanbenen unb beSIjalb ganj neuen Begriffs 
refp. ÄritertumS ber Strafbarfeit inooloire. 

Ob aus ber Slbteljnung biefeS Antrages einen Hnfed&tungSgrunb $u ent* 
nehmen aud& ber Slngefl. projeffualifd^ bereä)tigt ift, fann fjier babingefteHt 
bleiben, ^ebenfalls ift nimt anzunehmen, baß ber §. 147. beS 6t. ©. w. bic 
6trafbarfeit bcSjenigen, melier nadtaemacljteS ober nerfälfdjteS ©elb fiä) uer ; 
fd&afft unb foldjeS in $8erfef)r bringt, baoon abhängig mad)t, bafe berfclbe eS als 
edjteS in ißerfe^r bringt. 3roar roitb auä) hierbei, wie im §. 146. unb in bem 
juerfi beaeid&netcn ftaUe beS §. 147., als $oluS bie 2tbftd)t, bafj baS nad&ge* 
maä)te ooer oerfdUfä)te ©elb als ed^teS in SBerfefyr gelange, norauSgefe^t. 3)a* 
gegen erforbert bie äufjere ^anblung beSjenigen, melier nachgemachtes ober 
nerfälfd^teS ©elb, baS er fid) ücrfajafft, in «erfeljr bringt, nid^t baS aflerfraal, 
bafe er eS als ed)teS in SSerfc^r bringe. (Sine fold^e Seftränfung bejügltd) beS 
objeftioen XbatbeftanbcS ifl in bera §. 147. nid&t ju erfennen. 2luc^ roetm bei 
bem ^noerfe^rbringen beS nad^geraaddten ober uerfälfd^ten ©clbeS bem 2lbnebmcr 
bie ßrflärung abgegeben roorben, bajj baffelbc unecht ober ocrfälfd^t fei, finbet 
beu 147. nadfj feinem Söortlautc roie nac^ feinem gefc|li(^en ©runbe 3ln^ 
tuenbung. ®ie Slufnabmc ber SBortc „als edjtcS", ioelc^e eine ©efe^ränfung 
beS im ©efefce oorgefe^enen X^atbcftanbeS herbeigeführt fjaben mürbe, ifl ba^er 
burd) bcn ©eridjtsbefd&lufj mit :Kcd^t abgelehnt roorben. 

48. 49. 61. 65. 75. 74. @t. (B. ö. Die bei bto^enbet Sroange- 
»olljherfung beroirftc DerÄu|erung uon 0ad)en butd) 6en berufenen 
(Erben roäljrenb einer naa) preu|. Kedjte laufenben i)eUberationefrift 
füllt unter ben §. 288. @t. ®. B. — Der bei ber ^luöfü^rung einer 
ftrafbaren ISanblung tjülfe leiftenbe Qlnfltfler fann nidjt ^ugleid) wegen 
^Infllftung unb lSülfeleijhing beftraft »erben. — Der (FeneralbevolU 



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I 



<Deutf*e8 @trafred)t. (Srfemrtmfie be« 9trid)8aerid)t3. 



461 



mäö)tigte, toelcber jur vermögensrechtlichen Eertretung berufen Ijl, er- 
fd^eint aus eigener (Entfcttltefeung berechtigt jur Stellung »on @traf- 
anträgen toegen ffrafreebtlicbet Derfolgung einer gegen ben betreffenben 
oermögenoteebtliccien ßompler, gerichteten ^anblung, infofetn nicht per» 
ftnliaje Beziehungen oon jfrafced)tlia>r Bebeutung 3«>ifcr)en bein Ibäter 
unb bem Derlekten befreien. — Dura) eine injroifa^en eingetretene 
©eijiesrrantyelt bes Dollmactitegebera erlifd)t bie Befiignij| be« CBeneral- 
beooUmäctttigten 3ur Stellung bes @trafanttag«. 



(£rf. be« III. «Straffen, o. 1. «Kai 1880 c/a. Bochmann u. ©en., reo- 
bur<h auf SBerntchtung be« Sttorerfenntniffe« unb 3urücfoenoeifung etfannt 
toorben tft. 



$5te Sfteotfion ber 2lngefl. rügt ^erlefcung materieller Strafgefefce unb 
JBerlefeung oon firafprojeffualifchen Sorfchriften. %n erfierer öeAiefmng tft e« 
jutreffenb, roenn bie SReoifion abführt, bafe ber §. 288. 6t. ©. 8. oorauSfefce, 
baß e« ftd) um ein auf ©efrtebigung be« ©laubiger« gerichtetes 3 roan S8° c rfahren 
hanbelt, welche« breite, unb bafj ^ierbei SermögewSbeftanbthetle in ber 2tbfid)t 
oeräufeert ober bei «Seite gefchafft finb, um bie Jöcfricbtgung be« ©laubiger« ju 
ocreiteln, allein ba« tft auch oon bem 3Sorberrid)ter nicht erfannt. 

$ach ber ttjatfäc^liajen geflfteUung oertdmlbete ber oerftorbene ©cjemann 
ber äBittwe 9JI. bem ^oftyalter X. in ©ctjilbberg (Selb au« einem 2Bechfel. 
2üäf>renb t»en SDf.'fd&en ©rben bie gefefcliche S)cliberatton«frift lief, beantragte 
ber ©laubiger wegen feiner gforberung bie Sequestration be« SR.'fdjcn Vorwerfe«. 
2)ie Secweftratton rourbe oon Seiten be« ©erichte« oerfügt. 2>te aßittroe Wl. 
hat aber oor 2lu«ftthrung ber 6 e quo [trat ton ba« lebenbe ^noentar bei Seite 
gefchafft. SBenn nun au$ bie Sequeftration al« erefutortfehe, auf Öefriebigung 
be« 2tntragfteller« gerichtete Jlltoferegel währenb laufenber ®eltberatton«frift in 
ben s Jtaa)la| be« oerftorbenen Schulbner« nicht hätte oerfügt unb ooUftrecft 
werben bürfen, fo erwägt bodj ber Sorberrtchter jutreffenb, bap ber öegriff ber 
brotjenben (Srefution ntctjt eingefebränft fei. 6« genügte in ber Sfmt, bafj, roie 
hier, nadjbem bereit« ein reccjt«rräfttge« Urihetl erlaffen mar, ber ftaü einer 
3wang£ooUfh:ecrung brohte, unb in Sbejiehung herauf mar e« gleichgültig, ob 
bamal« ber angesagten 2JI eine 2)eliberation«frifi lief ober nicht." 3Öenn 
mit s Jtucfficht hierauf ber ^orberrtchter feftftellt, bafe bie SBittwe 3Jt. bei einer 
ihr broljenben 3wang«ooÜfrrecrung in ber 2lbfkht, bie SBefriebigung be« ©laubiger« 
§u oeretteln, ©eftanbtljeile ihre« Vermögen« bei Seite gefchafft Iwt, fo läßt fid) 
annehmen, bafe er bte ^eftftellung in bem Sinne getroffen hat, bajj bie SSer- 
äufierung nicht blo« mit Mcfficht auf bie bamal« oerfügte Sequeftration, fonbem 
baj? fte mit '9tücfficht barauf erfolgte, baö bei ber bamaligen Sacblage überhaupt 
bie ©rehttion toegen ber gorberung be« 51ntragfteUer« brohte, fei e« auch, bafj 
biefelbe erft nach Ablauf ber S)eliberation«frift jum Sollauge gefommen märe, 
©in 9iecht«irrthum liegt alfo ber thatfädbjichen JeflfteÜung nicht ju ©runbe. 
6« tft auch au« bem Fortgänge ber thatfächlichen ^eftfiellung erfennbar, bar, 
ber dichter angenommen h^ bie SBittioe 3R. fei bte @rbin ihre« ©h^ntann« ge* 
roefen, unb, ba nach oreuB- ^echt bte 2>eliberatton«frift ben Sinn hat, bafj ber 
berufene @rbe innerhalb berfelben ber ©rbfehaft, melche er ohne auSbrücflichc 
Slntretung mit bem SlnfaH enoarb, entfagen barf, fo ift e« nicht recht«irrthümlich, 
menn ber 35orberrid)ter feftftellt, bafe bie Wl. Seftanbtheile ihre« Vermögen« bei 
Seite gefchafft tyat, roährenb ü)r bte 3toang«oollftTecfung brohte. 

dagegen ifi ba« ©trafgefefc oon bem Sorberrichter in einer anberen in 



© r ü n b e. 




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462 3)eutfd)eg ©trafre^t. ^tfcnithrific beS atei$öaerid)t3. 

auf biefelbe sBcifcitcfd^affung beftraft, roeil er bic Sittroe ÜK. §u ber oon bcr< 
fclbett begangenen ftrafbaren &anblung burdj lleberrebung oor)ä$lia) beftimntt 
jjat, unb weil et iljr jur Segeljung beS SergebenS burd) bie %^at wtfjentlicb 
£ülfe geleiftet l>abe. ftür jebe biefer öanblungen ift eine (sinjelftrafc oon oier 
Monaten, für beibe sufammen ehte ©efammtftrafe oon fedjS 2Jtonaten für ange* 
meffen erachtet unb auSgeforodjen. v Jlun fann aber eine ©efammtftrafe naa) 
§. 74. nur auSgeiprodjcn werben gegen ben jenigen, weld&er burd) mehrere 
felbftftänbige "panblungen mehrere Sergef)en begebt. S)er Hnfttfter toirb aber 
wie ber Xtyättx beftraft, unb fo wenig ber 9JUttyäter augleid) als Später unb 
als ©eljülfe beS anbern Xtyatexä beftraft werben fann, fo roenig fommt bei bem 
2lnfttftcr eine Seiljülfe, welche er bei ber 2tu$fiu)rung gewährt tyat, noaj als 
befonberS ftrafbare ,§anblung neben ber 2tnftiftung in Setracbt; oielmef)r fann 
nur bei ber ©trafjumeffung barauf Mücffidjt genommen werben, bafj fid) ber 
2tnftifter jugleia) bei ber »usfütjrung beteiligt bat. 2luS biefem ©runbe ifi 
baS Unheil, foroeit eS gegen erlaffcn ift, aufgeben, unb bie ©ad)e jur 
anberroeiten Serbanblung unb ©ntfd^eibung an ben Sorbemd)ter jurücf juoerweifen. 

3)enfelben (Srfolg ^at bie auf Serlefeung ftrafpr Ojcfjualif (|>cr Seftimmungen 
gerichtete SReoifion bejügud) aller 2tngeflagten. 

(Sine Serfolgung auS §. 288. tritt nur auf Eintrag beS ©läubigerS ein. 
©laubiger mar ber ^oftbalter 21. $. X. $er ©trafantrag ijt geftellt oon S. X., 
weldjcr benfelben mit bem tarnen feine« SaterS unterf ^rieben l)at. S)er Sorber* 
rid)ter ftettt feft, bap S. X. (Scneralbcoollmäd&tigter feines SaterS fei. 2lud> 
ift ermähnt, ber Sater fyabi oon bem Slrreftbrua) unb ber eingeleiteten 
©eaueftration Äenntnifj erhalten unb genommen, ^n Schiebung auf bie $erfön- 
lidjfeit beS ©läubigerS 21. <p. X. mürbe in ber $auptoerbanblung nom 6. ^ebr. 
oon ©etten ber Sertbeibigung geltcnb gemad)t, bafj berfelbe geifteSfranf unb 
beSljalb bie oon ilmt'auSgefteUte ©eneralooUmadjt erlogen fei; ber Serttjeibiger 
beantragte nunmehr unter Scjugnal)me auf baS 3 e ugni§ öe§ Dr. ijj. Sertagung 
ber ©acbe. hierauf rourbe baS Urteil eröffnet; in bem Unheil ift biefer Se^ 
meiSantrag gänjlid) übergangen, naä) Stngabe ber s JteoiuonSfcbrift foU berfelbe 
abgelehnt fein, lieber ben ©egenftanb felbft fpridjt fid) baS Urtbeil babin auS, 
eS ftünbe md)t nur mcfjt feft, fonbern fei fogar burd) bie cibltcbe 2luS|age beS 
S. X. roiberlegt, bafj beffen Sater für blöbftnnig ober walmfinnig erflärt unb 
unter bie Sormunbfcbaft geftellt fei. 

3)ie Sleoifion ber älngcflagten erbeifa)t bie (Erörterung ber sroei fragen, 
ob S. X. auf ©runb ber oon bem Sorberri^ter feftgefteflten 3:§atfad?e r bafe 
itmt oon feinem Sater ©eneraloollmaa)t erteilt roorben, ben ©trafantrag Hamerns 
feines SaterS ftcllen burfte, unb fobann, ob bie weiter feftgeftellten ^atfad^en 
auSreicben, um bie 2lnnal)me ju begrünben, bafe S. X. $u ber fait, als er ben 
©trafantrag ftellte, nod) ©eneralbeooHmät^tigter feines SatcrS roar. 

^n erfierer Scjie^uug erfc^eint eS bebenflic^, ba| baS ©t. ©. S. jroar 
ben ©trafantrag gefe|jlid)er Sertreter erwähnt, fonft aber nur oon bem ©traf * 
antrage beS Serlcfcten rebet, oljne biefem auSbrücflic^ ju geftatten, ba$ er fieb 
bei ber ©teUung beS ©trafantragS nertreten laffen fann. gfnbeffen läfet ftdj 
barauS ptiäc^ft nidit ableiten, ba^ ber Seriefete in jebem einzelnen $aH ben 
©trafantrag aua) perfönliä) ftetlen müfete, bafe er fia) ni$t in ber ©rflärung 
feines auf bic ftrafrecbtlia)e Serfolgung gerichteten SBillcnS oertreten laffen 
fönnte. ^anbclt ber ScooUmäcbtigte nia)t traft eigener @ntfd)liejjung, fonbern 
in 2luSfübrung einer auf bie jrrafred&tlidje Serfolgung beS ©dnilbigen geriebteten 
5BiUcnSbeftimmung beS Sollmac^tgeberS, fo roirb bureb i^n nur bie für ben 
einzelnen %aU oon bem Sollmacbtgebcr gefaxte, auf ftrafredjtlicbe Serfolgung 
ber in ^rage fiebenben ©traftbat gerichtete föntfcblicfeung beS SolImad)tqebcri 
ooUsogen unb ber ©taatSanroaltfa^aft ober bem ©cridjt übermittelt. 2)afe eine 
berartige, auf bie 2lbgabe ber ©iUenSerflärung befd/ränfte Sertretung beS 2in^ 



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3)eutfd>3 Straftest, erfermtniffe bcg 3lrid>3gerid)t8. 46$ 

tragSberechtigten juläffig fei, fann nicht in 3 ro ^f c t Ö^ogcn werben. Vebenthcher 
ifl eS, eine SteHoertretung im 28iHen, b. h- in bet @ntj$Ucjmng über ber 
Stellung beS StrafautragS &u geftatten. 2)eun auch in benjenigen pllen, in 
benen bie Einleitung beS StrafoerfahrenS oon einem 2lntrag bes Verlebten ab* 
hängt, fommt bie 9tücfjicht auf beffen ^ntereffe niti^t allein in $rage, baS öffent* 
iic^e tfntereffe, bie 9ittdficht auf bie ^erfon beS ZfyättxS, meldte bei ber gefamraten 
Strafrechtspflege mafjgebenb finb, treten auch hier nicht gänjlich jurücf. 

$nbeffen läfet fia) auS §. 65. beS 6t. ®. V. nicht ableiten, eS ^abe jebe 
SteUoertretung im SöiHen bezüglich beS Strafantrags auSgefchloffen bleiben 
f ollen. ES ift bort nur oon ber Vertretung minberjähriger, beoormunbetcr, 
geifteSfranfer unb taubftummer ^erfonen bie $ebe. ES wollte aber offenbar in 
bem ©cfefcbud) bie Vertretung in Vejug auf bie Stellung beS Strafantrags bei 
2lntragSbelttten nicht erfchöpfenb georbnet toerben. 3ft °aS Vermögen beS 
Staats, ber Äirche, einer ©ernembe, einer Korporation, einer Slftiengefettfchaft, 
einer Stiftung bur* eine ftanblung befääbigt, welche nach ber Veftimmung beS 
6t. @. V. nur auf Antrag oerfolgt wirb, fo läjjt fid) nicht annehmen, ba| bie 
begangene firafbare ^anblung in biefem galle ot)ne Antrag ocrfolgt werben ober 
bafe fie ftrafloS bleiben foüe, oielmebr ifl %\ix nom Sttafgefefc oorauSgefefct, baft 
bie allgemeinen ©runbfäfce über bie 3uläf jxgfeit ber Vertretung auch bei Stellung 
beS Strafantrags jur Sfowenbung fommen. Sie jur VermögenSoermaltung be* 
rufene Staats*, Stachen* ober ©emeinbebehörbe, ber Vorftanb ber 2lfttengefell* 
fdEwft, ber ^brnhuftrator ber Stiftung ift auch jur Stellung beS Strafantrags 
für bie oon ihm oertretenen ^ntercjfen befugt, ©ine ähnliche Stellung wie biefe 
Slbmimftratoren hat aber berjenige ©eneralbeooUmächtigte eine« SßrioatmanneS, 
meinem Durch beffen Sßillen bie Verwaltung oon beffen Vermögen ober eine« 
VermögentheilS unb bamit bie Vertretung beS Vollmachtgebers innerhalb beS 
in ber Vollmacht bezeichneten ÄreifeS oon Vermögensrechten übertragen ijt. Sötc 
jene ift er baju berufen, bie feiner Sorge anoertrauten VermöaenSintereffen 
Durch Ergreifung ber geeigneten 9te<htSmittet ju fdfjü&en; er barf beShalb auch 
im Zweifel tarnen« beS Auftraggeber« ben Slntrag auf ©ewährung beSjenigen 
Schubs, welchen baS Strafrecht im gaUe ber Verlegung jener oermögenSrecht« 
liehen ^ntereffen burdf) bie Verfolgung beS Sd)ulbigen gemährt, er barf in jenen 
fällen ben Strafantrag fteHen, unb jtoar auch wenn in bem allgemein gehaltenen 
Auftrag bie Erhebung oon Anträgen auf Veftrafung nicht befonberS ermähnt ift. 

ES läfjt fid^ annehmen, bafe auch tner ber ©cfejjgeber oon ber Voraus* 
fefcung ausgegangen ift, ber jur oermögenSrechtltchen Vertretung Verufene unb 
bafür Verantwortliche fei innerhalb beS iljm aufgetragenen ®efa)äftSfreifeS rote 
jur Ergreifung ber geeigneten Eioilred^tSmittel fo auc§ jur Stellung beS Straf* 
antragS für ben Verlebten bergeftalt berufen unb befugt, bafj feine (rntfdjltefjung 
unb Erflärung wegen frrafrec^tlia;er Verfolgung einer gegen ben betreffenben 
Äompley oon Vermögensrechten gerichteten «ganblung biefelbe SBirffamfeit l>at f 
als wenn fie oon bem Sprütjipal fetbft ausgegangen wäre. Stuf biefe SBeifc 
wirb einem entfd&iebenen praftifchen Vebürfnip genügt. ES ijt jebod) eine Ein* 
fchränfung beijufügen. 2Öenn nämlict) jwifchen bem ^h^ter unb bem Verlebten 
perfönlic^e Vejiehungen beftet)cn, welche ftrafredt)tlich oon Vebeutung finb, fo 
tarnt bie Ermächtigung $ur Entfcheibung über bie Stellung beS StrafantragS 
nidejt als in bem allgemein gehaltenen Auftrag inbegriffen angenommen werben. 
• ülud) aus anberen ©rünben tonnen fich im einzelnen %a\L jola)e 3 ro ^ 1 UDe ^ 
ben Umfang beS generellen Auftrags ergeben. 

äm oorliegenben $all ijt nunmehr nia)ts feftgeftcllt, als bajj ber ^ojitjalter 
& %. feinem Sohne V. X. ©eneraloollmacht ertheilt fyat. 3n welchem Um^ 
fang, unb ob Darnach aus ber VeooQmädhtigung bie Vefugni^ $ur Stellung beS 
Straf antragS abzuleiten fei, ijt nicht erörtert, wie benn auch bie Vollmacht in 
ber ^auptoerhanblung gar nicht sur Vorlage gefommen ift. 2Senn fobann auch 



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464 2>eutfcfcS Strafrecht, etfcmrtntffc bei JHeid)&aerid)t8. 

in bcn Urtbeilägrünben ermähnt ifi, bafe ber $atcr X. von bem 2lrrcfibrud) 
Äenntmfe erhalten unb genommen habe, fo ifl bod> nicht feftgeftellt, bafe btejenigen 
sßorauäfefcungen iwrltegcn, nach melden im oorliegenben §atte nur eine ©teflU 
»ertretung in ber ©rflärung be« auf ©efirafung gerichteten 2öiflenS besä ^oft- 
Rätter« 91. £. X. oorliegen mürbe. @3 ift alfo ein gültiger ©trafantrag nicht 
erroiefen. 

ferner ift aber auch in Betracht ju pichen, bafj ber eine roie ber anbere 
^aU bie im entfeheibenben 3«tpi«tft fortbauernbe $anblunggfüf)igfeit beS $ofi- 
halter« 21. £. X. oorauSfe|t. Siegt bie in ber £auptoerhanblung behauptete 
unb unter »eroetö geftellte öanblungSunfähigfcit be8 ^ofujalterS 31. SC. oor, 
fo tönnte fein 2BiIIe, bie *8e?trafung ber Slngeflagten herbeizuführen, überhaupt 
nicht in ^rage fommen. ^anbelte e£ fiä) um feinen 3BilIen, fo hätte er mrm 
beftenS ju ber 3«t, mo er bem ©ohne ben Auftrag jur ©tettung beS ©traf^ 
antragS erteilte ober fich mit bem oon biefem gestellten 2lntrag einoerftanben 
erflärte, f)anblung£fäfüg fein müffen. ^anbelte es fich aber bei bem ©trafantrag 
um eine eigene @ntfa)lief3ung be£ ©olme&, fo mar biefer ©trafantrag nur gültig, 
roenn bie berafelben erteilte Vollmacht nicht burdfj eine injmifdjen eingetretene 
§anblung8unfähigfeit beS Vater8 erlofdtjen mar, in meinem galle bie Vollmacht 
felbfroerftänblich nicht roieber gültig gemorben märe, roenn ber Vater bis jur 
©teUunabcS ©trafantragS feine §anbtung£f(ü)igteit roieber erlangt hätte. 

S5ie Ungültigfeit ber Vollmacht roürbe aber nicht, roie baS 2anbgeri<f)t 
annimmt, erft Damit eingetreten fein, bafe ber ^ofthalter 21. §. X. für roafm- 
finnig ober blöbfinnijj erflärt ober unter Vormunbfchaft gefteUt roorben roäre; 
ifl berfelbe einer ©eittejofranfheit ©erfüllen, roelche feine §anblung3fäf)tgfett aus 
fctjlietjt, fo ift bie Vollmacht mit bem eintritt ber ©eifteSfranfheit erlogen (W. 
fianbr. Sa. I. Xit. 13. §. 196.). Xtit in 3rocifel gesogene £anblung3fähig£ett 
ift nun nicht feftgeftellt, noch roürbe bie fteftjteHung aufregt erhalten werben 
fönnen, nad)bem ba3 £anbgericht einen bieten $unlt betreffenben Vemeiäantrag, 
ber Slngeflagten au« einem unrichtigen restlichen ©runb unberücffid)tigt ge- 
laffen l)at. 

2htS biefen, burch bie thatfächlichen Anführungen ber ^Heoifionöfdfcjrift 
gebeerten ©rünben ift ba$ erftinftanjliche Urü)eil mit ber bemfelben ju ©runbe 
liegenben thatfächlichen ^eftftcllung aufzuheben, unb bie ©adtje, ba tS noch auf 
thatfächliche Ermittelungen anfommt, jur anberroeiten Verhanblung unb ©nt< 
fdjeibung an baS Sanbgericht äurücfjur-erroeifen. 

§. 26S. 6t. <B. B. Die tterfälfdmnfl einer bem Bcjlfcer gehörigen 
Urfunoe jum 2>wecf 6er Befcitigang cince Me Jejrjrellung feiner ^cbulb 
ermögtiebenben Bcroeismittets ^r oie 6trafoerfolgung gegen ibn, er» 
febeint ntd)t flrafbar. 

©rt. be« III. ©traffen. n. 1. 9Kai 1880 c/a. SBegencr, rooburch auf 
Verwerfung ber Steoifion erfannt roorben ift. 

© r ü n b e. 

3)ie 2lnflage roegen Urfunbenfälfchung hatte folgenbe $hatfac$en behauptet : 
2)em SB. roaren auf fein lnfud)en oom Unterfudhungörichtcr feine in gericht- 
Ud)cm ©eroahrfam fich befinbenben ©efchäftdbücher unb unter biefen auch ba£ 
Äaffcnbuch, roelche« bie (Eintragungen über 3Jcahllohn oom 1. $lov. 1873 btö 
ult. 3lpril 1878 enthält, jurüefgegeben roorben. 2)iefc ihm gemährte Söergünfh 
gung habe ber Slngefl. baburd) mißbraucht, ba| er aus bem crroähntcn Äaffen* 
buch eine 2ln$ahl ©eiten, auf welche Ibra oergütete« a)?ahllohn oerjeichnet war, 
herauSrifj unb auf anberen ©eiten, auf welchen urfprünglich nur bie 9RahUohn< 



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».-I 



$eutfd)eö ©traftedjt. CEifanttitijfe l>eö JRchfcSgmcf^. 435 

einnahmen eine« 9JionatS aufgeführt roaren, bie üftonatsbeseichnungen berart 
veränberte, ba§ bic (Sinnabmen cittcö 3JtonatS als für mehrere SJtonate oalctürcnb 
erfdnenen. $ic 2lbftd^t SÖ.'S bei biefen SBerfälf jungen ging ba^in, feine lieber- 
fül;rung bejüglid) ber ihm jur Saft gelegten Steuerbcfraube ju vereiteln unb ftdf> 
ber Scjablung ber ihm brotjenben fdnvcrcn ©clbftrafc 3U entjiebcn. Son bem 
verfälfdjten Äaffcnbucb ^abe er jum Qrocd c i ner Säufdmng baburd) ©ebraueb 
gemalt, baß er baffelbe im Sluguft bejm. September ben Sucbbaltern M. unb 6. 
vorlegte, um baffelbe jur Aufarbeitung eines ©utadjtcnS barüber, ob unb iuroic* 
roett fid) auf feinen ©efdmftSbücbcrn unb papieren eine von 20. begangene 
Steuerbefraubc feftftellen laffe, ju benufeen. 

$aS £auptverfahrcn ift eröffnet, ivctl ber Slngcfl. bringenb verbädjtig 
erfdjien, in recbtStvibriger 2lbfid)t eine ^rinaturfunbe, roeldjc jum Scioeife oon 
Stechten unb föcchtSvcrbältntffen oon (Srljeblichfeit ift, nämlich fein Äaffenbudj, 
verfällt unb oon bcmfclben junt gtveefe ber Xäufc^ung ©ebraueb gemadjt ju 
haben, in ber 2lbftcbt, fi«b einen recbtSroibrigcn Skrmögcnsoortbcil $u ocrfd;affcn 
(Serbreeben gegen bie §§. 267. 2(58. sub 1. beS 6t. ©. ».)• 

$)a£ Urtheil beS SanbgerichtS {teilt feft, bajj ber Slngcfl. bie in bem Sud; 
erfi$tlid)en Seränberungen in ber Slbfidjt oorgenommen tjabe, bic ©cfammt* 
fummc ber 2)tapot)neinnal)me burd) Scrtbcilung einer ÜRonatScinnabme über 
mehrere Monate ju verringern unb bamit bic oon bem Sadjvcrftänbigen SR. bc * 
regneten Seioeife abjufdnoädjcn refp. ju vernieten. 5DaS Urteil erroagt in* 
befjen, bafe baS Such, foroic cS als einfaches 9tati&budj ooilicgt unb im ^inblicf 
auf bie oon bem Slngefl. ielbft bamit urfprünglicb ocrfolgtcn ^mdi nid)t als 
Urfunbe im Sinne beS §. 207. beS 6t. ©. S. aufgefaßt roerben fönne, auch 
^abe eS meber burd) ben oon bem UnterfudMngSrichter baoon gemachten ©ebraud) 
noch burch ben oon bem Slngefl. fpätcr bamit bcabfichtigten ©ebraud) ben ©baratter 
einer ^rioaturfunbe im geglichen Sinne befommen; ber Angefl. ift beSfwlb 001t 
biefer Anflöge freigefproeben. 

®ie 9teoifton ber Staatsanwaltschaft rügt Serlefcung einer 9icdjtSnorm 
bei Amoenbung beS StrafgcfcfeeS auf bie bem Urthcil ju ©runbc liegenben Jcft* 
jtclluna.cn. Serlcfct fei ber Segriff ber Urfunbe, unb fomit feien bie §§. 267. 
unb 208. beS 6t ©• S. ocrlcfct. 

Nun ift ber Segriff ber Urfunbe fein rein tbat fachlicher. 2ßirb berfelbc 
auS recht^irrthümlichen ©rünben falfa) angeioeubct, fo unterliegt baS betreff enbc 
Urtheil Oer Anfechtung mittelft ber Jteoifion. 

deshalb muB baS lanbgcrichtlichc Urtheil erfennen laffcu, onS ©rünben 
welcher 2lrt, ob auf thatiächltchen ober aus s Jicd)tSgrünben b;m oorgclegtcu 
Such bic Urfunbemiualität abgefpcochen roirb, anbernfaUS mürbe eine Nachprü- 
fung in ber v .Heoifion3inftan$, ob ein 9tecbtßirrtl)um ber^eftftellung be3 5Jorbcv- 
richtcr» ju ©runbe liegt, unmöglich fein. (Sä fann inbeffen bnhingcftcüt bleiben, 
ob bie (Srroägung bcö iöorberrichtcrä biefem GrforbcrniB genügt. 2)enn baö 
oorberrid)tcrlichc Urtheil ift av& einem anberen ©runbe aufrecht ju b^ten. 

SDürfle man nämlich annehmen, bafj ba& von bem 2tngefl. in feinen 
(Einträgen oeränberte Sud; bic Scbcutung einer Urfunbe babe, fo mürbe bennod) 
bic angcflagtc unb feftgeftettte ^anblung bcffelben ben Glwrafter ber Urfunbcn^ 
fälfehung nicht barftcllcn. 3 unflc hft * am ülc 2lbfid)t bc3 2lngcfl., fich ber Ser 
urtheilung ju einer ©clbftrafc 511 entziehen, nicht als bic 9lbu<ht aufgefaßt werben, 
Üch einen ißermögenSoorthcil 311 oerfchaffen ober bem ^iSfuS einen 6chaben ju* 
äufügen. 2)ie Strafe ioirb um ihrer fclbft roillen verhängt, nicht in ber Slbficht, 
ben SermögcnSocrfehr 3U vermitteln, oiclmeljr ift baS Strafübel nur baä Littel 
für ben Strafjioecf. deshalb läßt jich bie Gntjiehung einer frimincUcn ©elb^ 
ftrafe nicht unter ben ©eficbtSpunft eines bem giSfuS zugefügten ^crmÖgcnS^ 
nachtheilS bringen, unb ebenfoiocnig bic 93cmahrung oor ber Scrurtheiluug ju 
einer ©elbftrafe unter ben ©cfichtSpunft ber Erlangung eines ScrmögcnSoor^ 
«rd,io tm «. w. 31 



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46G ©eutfäe« ©trafst, ©rfeimtniffc bes «Rei^öfteri^tg. 

tljeilS. 3)arnadj würbe jebenfattaS §. 268. auSaefd&loffen bleiben, Sobann Ijanbelt 
aber audj ein Sfaaefl., welcher eine ibm fclbft jugebörtge Urfunbe, wäbrenb (tc 
fid) in feinem 93efifee befinbet, oernid)tet ober oerfälfcbt, um für bie Strafoer* 
folgung baS ^Beweismittel ju beseitigen, auf ©runb beffen feine Sdntlb feftgeftellt 
werben fann, nid)t in ber rea)t£wiDrigcn 2lbfid)t, welche §. 267. 511m £tjatbe* 
ftnnbe ber Urfunbenfälfcbung forbert; er madjt fid) buref) eine $anblung, reelle 
nur biefen ©borafter Iwt, überhaupt nidjt ftrafbar. 

60 memo, fid) ein Slngefl. ftrafbar mad)t, melier in ber wiber iljn ein* 
geleiteten Untcriudjung, auf bie gegen iljn erhobenen Sefcbulbigungcn fdjwetgt 
ober in Söejiefning auf biefelben lügt, fo wenig oon ifjm in biefer Söejiefmng 
ein 9tcd)t auf 3ßaf)rbeit in ftrafbarcr Söeife oerlefct wirb, fo wenig liegt if)m 
eine juribifdjc tyfiifyt, bie ibm gehörigen, in feinem $efi§c befinblicben SeroeiS* 
mittel für feine Scbulb 311m ßweef feiner S)eftrafung uorjulegen, ober in t&rer 
Integrität ju erbalten, in bem (Sinuc ob, bafe feine 3uwtberf)anblungen gegen 
biefelbe mit Strafe ju atynben wären. 

3(u8 biefem ©runbe ift bie SMemfton ber StnatSanmaltfdmft surücfjuweifen. 

§§. 268. 267. 264. St. <B. 8, (Eine B)ea)felfälfd)ung liegt aud> bann 
»or, wenn auf einem noeb ber llntcrfcbrift eine« Ausftcllers erman- 
gelnben IDecbfelformularc 6er Harne bes Äcccptantcn fälfeblicb angefertigt 
werben tjt — Die Abjicbt eines recbtswlbrigen Permögensoortbeils 
fann aua) in bem (Erftrcben eines Marlebens, auf welche» ber Betreffenbe 
feinen Anfprud) ^attc, erfüllt werben. — Der Ibatbejtanb ber febwereu 
Urfunbenfälfcbung bes §. 26S. 6t. B. ftyliefjt bie ibeelle fionfurren^ 
eines Betrugsocrfucbes nicfyt prlnjlpicll aus. —*t>cr §. 264. St. (F. 8. 
ijt nidjt baburd) bebingt, bafj ein neuer oollenbetcr Betrug begangen 
werben. 

(Srf. be« L Straffen, 0. 3. 2Rai 1880 c/a. Sin ber, woburdj auf 8er* 
werfung ber föeoifion erfannt worben ift. 

222. 230. 6t. <B. B. 3 n ocm Qluflagerbalten unb gewerbsmäßigen 
Derlciben oon Ijängegerüjten ifl ber befonbere gewerbliche Pflichten be- 
grünbenbe Betrieb eines Gewerbes ju pnben, aleid)r»iel ob ber Betref- 
fenbe für bies (Bewerbe nidjt jugetoiTcn ifl uno feine Steuern 5ablt. 

ßrf. be« II. Straffen, o. 4. 5Dtoi 1880 c/a. $üter, woburd) bie 31. 53. 
bc3 Slngefl., welcher in ftolgc ber Söbtung eine« 3)cenfcben burd) herabfallen 
uon einem jerriffenen #ängegcrüft *u Strafe oerurt^eilt worben war, juruefge* 
wiefen worben ift. 

§. *. 61. pro5. <T. 6obalb einem 2lngetlagten eröffnet worben 
ijt, ba£ bie Cabung eines oon ihm bezeichneten ^eugen sur Iiaupt- 
»erbanblung oerfügt fei, ijt itym feine üertbeibigung befd)ränft, wenn 
ungeachtet feines bas Ausbleiben bes §eugen rügenben Eintrages auf 
Dertagung unb Cabung bes geugen, obne ba§ ein biefen Antrag 
wiberlegcnbcr <Bcria)tsbcfcbluCj gcfafjt worben ift, in bie Derbanblung 
eingetreten wirb. 

6rf. bc« III. Straffen, u. 5. Mai 1880 c/a. Süfdjing, wobureb bie 
Steoifion be« 3lngefl. für begrünbet eradjtct unb unter Sluftjebung ber ^orent* 
fc^eibung auf 3urücft)erweifung erfannt worben ift. 

§. 2S3. 6t. <B. B. §. 210. ßonf. (D. v£s ift nia)t Dorausfefeung für 



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1 

fSeutföeS <Strafre$t. ©rfennrniffe beö 9triö)«aertd)t8. 467 

bie 2lnroen6ung bes §. 283. St. (B. B. t bafj ein Kaufmann, roelcber 
feine faufmännifdjen Pflichten ocrlcfct t/at t auä) noch, $ur 5eit Ott 
5at)lungecinfrellung flaufmann geroefen fei. Cicgt 6er (Bruno oer 
gablungöeinjlellung in htm Ausfalle 5er früheren fjanoclefpcfulationcn 
uno ifl jene roegen foleber Scbulben mit erfolgt, roeldjc roäbreno 6eö 
faufmänniferjen Betriebe« cntfianoen jln&, fo fiiioet oae (Pefefe Qlnroen- 
bung, mag bic Sablnng&elnftellung roäfyreno ober naa) Aufgabe bee 
(BefAäfts eingetreten fein. 

(srf. beS HI. erraffen. t>. 5. 3Wai 1880 c/a. föoljlcrt, moburdd bic 9ie> 
oifton her ©taatSanroaltföaft für begrünbet eradjtet unb unter 2lufb>bung be3 
angefodjtenen ^orerfenntniffeS auf 3urücfuern)ctfung erfannt roorben ift. 

§. 286. 6t. (P. B. t>erloofuna von Jrücbten in öffentlichen Cofalen 
ab Slusfpiclungen im Sinne See §. 286. St. <B. B. 

(Srf. be« L 6traffen. v. 7. 3Jtat 1880 c/a. Stberbaudj, rooburd) auf 
Stufbebung be« freifprecfjenben SBorerfenntniffeS unb 3urücfoerroeifung erfannt 
roorben ift. 

© r ü n b e. 

2>ie 9teoifton ber ©taatSanroaltfd&aft ift begrünbet £>cr Segriff ber Sotterte 
unb ber HuSfpielung im §. 286. beö 6t. ®. 8. enthält nidbt ba3 ©rforbernifc 
ber ^eilna^me 3Jtef>rcrer an ber ©eroinnjieljung, btefeä (Srforbemifj für bie 
©trafbarfett einer Lotterie* unb bejro. SluSfpielungSoeranftaltung ifl oielmebr 
gegeben bur$ ba« SBcgriffSmerfmal „öffentliay oeranftalteter fiotterien unb 2lu3* 
fpiclungen. £a$ $ßorf)anbenfcin biefeö XfjatbeftanbSmerfmalS ift aber bamtt 
feftgeflellt, bafc bie 2lngeflagten ib,re SBaaren, foroeit fie ©pieler bei bereu 2ln< 
gebot in öffentlichen Sofalen fanben, jur 2lu8fpielung brauten, $abei ifl e3 
gjeiajgültig für ben begriff, ob — roaS für ben cioilrcdjtlidjen Gfjarafter eines 
topieloertraQ« oon SBebeutung werben famt — bie 3* e &ung ber für bie einjelnen 
«Spieler entfdjeibenben 9iummer in einem ©efammtaft erfolgt, ober ob für jeben 
beteiligten eine äufeerlicr) getrennte, ibm bie ootte (Sfjance beS ©erotnneS ober 
^erlujleä geroä^rletftenbe StuSmittelung beS für Um cntfd&eibenbcn 3"faH£ «folgt; 
unb ebenfo ob ber @infauf£prei3 für ote Srjeilnatyme an bem proponirten 6piele 
nur für ben ftatt be« $erlufle$ befltmmt ift, im Salle beS ©eroinnen« aber ein 
(Sinfafc gar niebj bejaht roirb. 

Sie grage, ob im einjelnen $aUe bie Stütffidjt, roeldje ben (SJefefcgeber 
ju feiner 6trafanbrob,ung beftimmt Imt, autrifft, muf? für bic Slnroenbung beS 
befteljenben StrafoerboteS aufeer betraft bleiben, unb tonnte nur etroa einen 
StrafauÄmeffungSgrunb abgeben. 



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Eingegangene SBerfe. 



ffitc liquibirt man bic SßrojcBfofUn gegen ben ©egner. 
$arftcllungbe3 ÄoftenfeftfcfcungSoerfabreitS nebfi erläuternber Aus- 
gabe ber ©ebüfjrenorbnung für Sted&täantoälte mit Tabellen 
unb alpfjabctifdjem ftegiftcr. — 3um praftifd&en ©ebraud&c beraub 
gegeben oon $ermann Liener, 2anbgerid)t$ratf) in ÜJrünftcr i. 3ß. 
$rei3 2 2JII 101 6. («erlin 1881, «erlag oon $ran$ «aljlen.) 

Slufgabe ber oorliegenben Sdjrtft ift e£, bie oielfad&en bei bem Soften* 
fefti'e^ungSoerfaljren eintretenben Streitigfeiten $u ebnen unb bie nidf)t nur im 
Üaicnpublifum fonbem aud) bei Stiftern unb Slnro ölten oftmals ^lafc greifenben 
^roeifcl nadfj 9Röglidf)feit ju jerftreuen. 2)afj biefclbe bem £erm «erfaffer toobl 
gelungen ift, wirb bic $urd}ficf)t beS mit jafjlreid&en «eifpielen unb Tabellen 
oerfeljenen empfe&lenSioertben «udje« ergeben. 

«eiträge jur Erläuterung be$ beutfe^en 5Rcct)t3 in befonberer 
«e^chung auf ba$ preujjifdje 9ted)t mit (Stnfd&lufe beS $anbel$* unb 
2öedjfelrecfet£, bearünbet oon Dr. 3- 31- ©ruäjot, berauSgegeben 
oon Stafforo, MeicfyggertdjtSratf), unb jtünfcel, ^aubgericj)t3ratl). 
dritte golgc, 4. Jahrgang. G. fieft. («erlin, 1880. Verlag oon 
Sranj «al)lcn.» 6. 806-944. 

2)ie rülnnliajft berannte 3eitfdjrift enthält in bem oorliegenben 6. £cft 
nadjftefjenbc 2lbfjanblungcn : lieber SluiSUgung ber ®efefcc, rritifc&c «emer 
fungen »on <perrn 2lmt$ricbtcr Dr. 2)euttd)iuanu in Stuljm. — $ur ^^ a 9 c 
aus ber nüfclidjen «erioenbung nacb §. 262. £1). I. 13. 21. 2. 9t. «on 
einem preujjifd)ett fünften. — ftinbet §. 332. 2lbf. 1. ber 6. D. au$ 
Slniocnbung, wenn bie «etoetSaufnabmc oor bem Sßrojcfjgerid&t ftattftnbcn foll? 
«on .perrn ^anbria)ter #ifdjer in (Sonifc. — S)ie «efugnifj be3 ©eridjts 
3ur Trennung ber «crfjanblung unb Gntfdjeibung nad) ber beutfdjcn ßioilprojefe- 
orbnung. (6cf)lufj oon 8fof. 20 bic f. ^abrgangeä). «on .§errn £anbrid)tcr 
Scheper« in 2>ortmunb. ätitdfotige (rntföcibungcn öc* tHeid^sgtjcrid^tiS unb 
ittteraturbcfprcdningcn. beigegeben ift ein oiityaltiSocrjcidjnife beä 24. 3af>r* 
gangeS (dritte #olgc IV.) unb ein Sad&rcgtfter. 

3al)rbud) für bie @ntfd)eibungen beä ammcrgcrid)t$ in 
caajen ber nid&tftrcitigen ©cridjü&barfcit unb in Straf fachen, beramS- 
gegeben oon 9tetntyolb ©e|). Öb. ^uftijrat^, unb öSfar 

Äünfcel, ßanbaeria^tSratf I. «anb, 1. $eft. $rei£ 2,40 9)iarf. 
(«erlin 1881, «erlag oon #ranj «af)len.) 8. 6. 164. 

2>a3 bisherige ,,3at)rbud) für cnbgitltige Gntfdjetbungeu ber preufjifcfyen 
2(ppellatton$gcrid)tc" Imt mit bem 3d>lufj bc# 8. «anbeS bem gegenwärtigen 
literarifa)en Unternehmen H>lafe gemad;t, unb ift le&tcreS belauf olge geroiffer 



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Stteratur 469 

ntafjen als beffen gortfefcung ju betrauten, nur ift fein innerer üffiertb als 
ein bebeutenb erster ju be$ei<|nen. (Seit Emanation ber neuen ©erie$t$orga* 
nifation b«t bie Äompetcnj beä Äammergericbti8 eine erbcbUcbe Erweiterung 
erfahren, unb ift e£ anjuerfennen, bafe bie beiben Herren Herausgeber be£ 
^abrbucgS fieb ber Aufgabe unterzogen I;aben, alle widrigeren Entfcbeibungcn 
btcfeS ®eridjt3j)ofe3 in Soeben ber nicbtftrcitigen ©ertebts bar feit b. f). in ben 
burd) ba« StuSfübrungSgefefe 311m beutfeben ©ericbtSoerfaffungSgefefe ben 2lmtg; 
gericj)ten jugeroiefenen unb ba3 SRccbtSmittcl ber weiteren SBefdbiucibe ju* 
laffenben SIngelegenbeiten fomie in folgen Straf fadjen, weld;e ber ^uriSbiftton 
be£ föeicbägertcbtS in ber föeoifuntöinfianj niebt unterliegen, foubern in lefcterer 
auäfa^liefelid) bem Äammcrgeridjt überwiefen finb, jur allgemeinen Henntnifj 
ju bringen. 

Somit ift ein Organ gefcfwffen, welches für ben ^raftiler einen nidjt ju 
unterfcbÄfeenben 2Sertb inooloirt, benn er ift mit feiner Hülfe in bie Sage oer* 
fefct, fid) in leichter Söeiie über bie oon bem bödmen Sanbe^ericbtS^ofe aufge j 
[teilten unb bei ber SRccbtfprecbung befolgten s 4irinjipien ju mformiren. 2liid) 
follcn gewiffe Entfcbeibungcn in Äoftenfacben in ben Sercia) ber Erörterungen 
gesogen werben, unb in einem 2hu)ange Slbtmnblungen Uber fragen au£ bem 
Gebiete ber mdjtfrreüigen ©eriebtsbarfeit, Entlaubungen anberer OberlanbesS* 
geriete refp. £anbgeri$te, unb jwar legerer, infofem fic mittelft weiterer 53e 
1d)iocrbe einem 2lng,riff nidjt unterworfen toorben finb unb prinzipiell roiebtig 
erfebeinen, foroic hterarifaje Hnjeigen 2lufnabme finben. 2)em oorliegenben 
1. -fteftc, weldjeö 93 Entfärbungen (allgemeine ©runbiäfce über bie SRecbtömittel 
ber 33efd)u>erbc unb rocitcren Sefcbwcrbe, £anöel$* unb aJiuftcrregifter, Staubet 
regifter unb Ebefcblie&ung, 9tocblafc, 2ßormunbfcbaftS> f ©runbbuebfacben, Enteig* 
nungöoerfabren unb Äoftcnfacben) umfafet, roirb in Jfurjem baS ben Scblufo be<5 
I. 3ianbe3 auSmacbcnbe 2. §cft folgen. $ic Anlage be£ ^abrbudjS entfpriebt 
ben Entfärbungen be£ HeidjSgericbteS, aueb ift bie äufeere 2luäftattung eine mobl* 
gefällige, ^ebenfalls roerben mir noeb öfter ©elcgcnbeit nebmen, inforoeit e3 na) 
um ben ftrafred)tlid)en X^cil bcS Unternebmenä ^anbclt , auf baffelbe aurücf* 
jufommen. 

S)aS Hinterlegung ömefen bei ben SlmtSgeridjten nacb ber hinter» 
legungäorbnung oom' 14. s JJiärj 1870 unb ber Verfügung oom 9. i^uli 
1879 mit 9lnmerfungen unb Sacbregtfter oon 0. iHuborf f f %mt&* 
riebter. (SMiffelborf 1880, «erlag ber Sdnoann'fcben $crlag$banblung.) 
EL 8. S. 131. $reiS 1 SWarf. 

2>a£ oorliegenbe ^anbttd)e Söerfcbcn, weldjeS neben einer ttberficbtlicben 
3ufammcnfteUung ber über baS öinterlegungSwcfen geltenbcn ©runbfä&c bie 
(Mefebeäterte mit ben erforberlicben «erweifüngen enthalt unb bie Üöfung mandjer 
3roetfel feitenS beS $ublifum$ in roirffamftcr 3öeifc förbert, fann als ein juoer- 
läffiger 9tatbgeber auf bem betreffenben ©ebiete empfohlen werben. 

Sag iHccbtSmittel ber 9teoifion im Strafprojeffc oon Earl 
3)iori^ Samm, Ä. 6äcbf. DberappeHationeratb. (Seipjig, S)rucf unb 
Verlag ber »lojsberg'fcbcn ^ud)l;anblung, 1881.) 6. 49. $rei3 80 *|Sf. 

Scr ^err «erfaffer bat in feiner bie toifion im Strafprojeffc beban 
belnben foftematifd^en 3)arftellung bie ©runbfäfce jencsS wiajtigcn s Jte(bt«mittcl^ 
noeb ben ocrfcbiebcnftcn 9ticbtungen Inn unter ftetem HrnnmS auf bie ent» 
fpreebenben ^arograpbeu ber 6trafproze^orbnung beleuebtet unb 'mebrfacb aud) 
(Uiftaucbenbe Äontrooerfen an ber .s>nnb Oer üJtaterialien fowobl aiä ber ^itcratui' 
oum ©egenftanb cingebenber 5Üefprcd;ung gcwäblt, fowic fclbftftänbige Erörterungen 



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470 Siteratur. 

berfelbcn nic^t unterlagen, ^nbem er bie bisherige ^ubifatur beS 9lcid^3gett^t« 
unb bie ©prud&praris beS SDreSbener DberlanbeSgeri<$tS in ausgiebiger SCBcifc 
bei feiner flüffigen unb geroanbten Slrbeit benufcte, bürfte er fidj für feine Heine 
©dfjrift, reelle baS ©efammtraaterial in erfcjjöpfenber Söeife bef)anbelt, oiele 
ftreunbe erworben §aben. 



$ie Äarten unb Warfen beS tägltdjen SerfeljrS oon 

Dr. SBil&elm ^rioatbojent ber SHecbte an ber 2Btener Uni* 

oerfüat. (SBien 1881, üWanj'fd&e Ä. St. &ofoerlag> unb UmoerfitätS* 

bucf)f)anblung.) 8. ©. 48. 

• 

3n ber oorliegenben, einen ©eparatabbruc? ber „DefUrreicbifd&en ©erid)tS* 
Rettung/' bilbenben fleinen ©ö^rift finben mir eine in amiefjenber Söeife abge* 
fafjtc 2lbf)anblung über bic fid& im tägltd&en £eben als SBejcbeintgungSmittel oon 
gorbcrungSrcd)ten barftetlcnben Urfunben, furjroeg „Rapiere" genannt, auf welche 
man trofc tfjrer juriftifeben SBtcbtigteit im geroöf)nltd)en Seben nur feiten baS 
gebü^renbe @eroid)t ju legen geneigt ijl S)er $err Skrfaffcr tyat fid^ be* 
nuu)t, baS innere 2öefen jener in oier Äategorieen geseilten Rapiere (Rapiere 
auf tarnen [9tamenpapiere, SRectapapiere], $apiere auf ben ^nljabcr [Billets 
au porteur], fiegittmattonSpapiere unb VeroeiSurfunben im engeren Sinne, 
meldte ben 3roecf ©erfolgen, ju beroeifen, bafe eine beflimmte ^Serfon in einem 
geroiffen 93erf)ältntf? junt Verpflichteten fte^t, roie 3. 53. Sßfcrbebafjnfarten) unter 
Vemtfcung ber oorfjanbenen Literatur in erfdfwpfenber Söeife foroofjl naep ü)rer 
Uebertragbarfeit, als naä) bem tlmen ju Xfjeil roerbenben 5. V. in bem Serluft 
ü)rer ©ültigfcit für ben %aU unbefugter Uebertragung beftebenben cioil* rote 
friminalrecbtlidfjen ©<imfe ju beleuchten. SIS übertragbar gelten auSfa)liefeltd) 
bie Inhaber* unb SegittmationSpapiere (richtiger 8egittmationSjeidf)en), rote 5. 39. 
©parfaffenbüäjer, ^oftamueifungen, ©e^äcffdjeine, ©arberobenmarfen, gjfanbfdjeiue, 
als ntd&t übertragbar: bie 9iamcnpaptere unb VeroeiSurfunben im engeren ©tnne. 
2lntnüpfenb an bie ben einzelnen papieren geroibmeten Vetraäjtungen roerben 
fobann iljre gemeinfamen (Sigenfdjaften, inforoeit biefelben ben 3ioec? ber (Srteidf)* 
terung ber VerfebrSoerbältniffe oerfolgen, einer Vefpredfmng unterzogen, unb 
roirb befonberS betont, baß biefelben ftd) barm tonjentriren, bafe bie Rapiere mit 
wenigen SluSna^men feinen VerpfltcbtungSarunb ja rote 3. V. bei ©piel, 
Vier, ©peife, 3cttung5pofrmarfcn ntd&t einmal einen £ert enthalten, unb bafe fte 
im Allgemeinen nidjt amortiftrbar ftnb, ba bie Stauer ibrer ©ültigteit geroöbnlidj 
nid^t ber gefefcltcben 2lmorttfationSfrifl gleicbfommt. 3Jtögen bin unb roteber audj) 
gegen bie Ausführungen beS £errn VerfafferS, roie otelIeid)t in bem fünfte, 
baß ber Vefuj einer $fcrbebaf)nmarfe als baS au$fd)lieBlidje VeroetSmittel beS 
bejaljlten ftaljrpreifeS ju gelten bobe, unb ü)r etroaiger Verluft bie rea^tltdjc 
9totbroenbigfeit nochmaliger 3 a ^ un 9 inooloire (©. 33), foroic bafe bic Ueberlra* 
gung einer bereits t^eilroeife benufcten ßorrefponbenä^abrfartc auf eine anbere 
^jkrion bctjufS 3luSnu^ung ber nod) nicfyt jurüdtgelegten ©treefe als roiberrcd)tlia), 
ja boloS $u gelten ^abe (©. 35), SBcbcnfen auftauten, fo fann boa) nta^t oer^ 
fannt roerben, ba§ fidt) in ber fleinen ©cfyrift eine grofee 2lnjal)l anregenber 
©ebanfen oorftnbet, roelc^c i^rcr möglia)ft roeiten Verbreitung baS SBort reben. 

©aS beutfebe ^eid^Sfttafredjt auf ©runb beS 9leia)Sfrrafgefc^ 
buajeS unb ber übrigen ftrafrecf)tlia)en SteicbSgefeUc unter SterücfHaV 
tigung ber 9iea;tfpreajung beS 9ftei$SgericbtS ft^ftematifd) bargeftcllt 
oon Dr. ftranj ©buarb oon £iSjt 0. ö. ^rofeffor ber Ülecpte in 
©iefecn. (Berlin u. Seip^tg, Verlag oon 3. ©uttentag [5). 6oaiuj 
1881.) 8. ©. 473. Sro. #b. 



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Stterotut 471 

$)em jüngft erfci)ienenen beutfehen 9teict)S*$rcßrechte auS bcc $eber be« 
bewährten $errn Serfaffer« ift fchnefl ein anbere« nicht minber widrige« 2öerf, 
ba« beutfdtje 9ieicf)«ftrafTecbt, gefolgt, welche«, rote bic Sorrebe in befcheibener 
Söeife hetoortjebt, einen SBcgwcifer in ba« Strafrecht barfiellcn fotl, wäljrenb c« 
tbatuntltd) fi<| }u rühmen oermag, baß eS weit mehr al« ein folq)er ui letften 
berufen ift. Sei oer()ättnißmäßiger ßürje roeift ba« Such eine große «ollftän* 
bigfett auf unb bietet in theoretifcher roie praftifd^er ©ejiehung SBorjüglic^eS. 
%n flarer SSeife gejeidmet treten un« in ber Umleitung bie ©runbbegriffe be« 
Strafrec&t« unb oemnächft bie Beleuchtung be« Strafgcfefce« al« Quelle be« 
Strafrechtes entgegen; bie (SntftehungSgefchichte be« 9tochSftrafgefcfebucheS wicfclt 
fid) in ollen ihren $hafen oor unS ab, unb angereiht hieran ftnben roir bie 
2lufaählung ber feit bem 3af)re 1867 ergangenen 9teichSfirafgefe$e foroie ber 
ftrafrect}tlichen Literatur. §n einem weiteren Äapitel wirb fobann baS ©eltungS* 
gebiet ber beutfehen Strafgefefce behanbelt, rooran fid^ bemnächjt ber «erbrechen 
unb Strafe umfaffenbe allgemeine unb ber auf oöüig felbftftänbigen ©runblagen 
rufjcnbc bic einzelnen Mitte behanbelnbe befonbere Xtytil fnüpft. 2lbmeichenb 
oon bem Softem beS StrafgefefcbucheS unb fonftiger üebrbüeher tbeilt ber §crr 
«erfaffer bie Selifte in oier große &auptabfd(mitte: ftrarbare £anblungen gegen 
bie 9ted)t£güter beS einzelnen Staatsbürgers (ßeib unb Seben, perfönliche Freiheit, 
Vermögen, «erlefeung ber ^nbtoibualrechtc unb gegen immaterielle 9iechtSgüter), 
gegen rechtlich gefd&ü&te .^ntereffen beS $ubltfumS (gemeingefährliche 3>elirte be« 
StrafgefefcbudjeS, Uebertretung beS 9cahrung«mittelgefefeeS com 14. 3M 1879, 
ftrafbare &anblungen gegen ben öffentlichen ^rieben, anoere gegen ba« fjntereffe 
beS SjJublifumS gerichtete S)eltfte), gegen uneigentliche 9iecf)tSgüter (Rrafbare 
.öanblungen an ©elb, Urfunben, gegen bie Religion, an $erfonenjtanb unb 
dhe, gegen bie Sittlichfeit, ^mtSbelifte;, gegen ba« ©emeinwefen (gegen Seftanb 
unb Sicherheit be« Staates, Staatsgewalt unb ihre Organe, ©ang Der Staats* 
oerroaltung). Saß ber £err «erfaffer feiner £)arftelluna beS Strafrechte« auch 
bie firafrechtlichen 9lebengefefce eingereiht bat, roirb in oemfclben ©rabe anju* 
erfennen fein, als ber ftete §inwei« auf Die ^ubifatur beS 9teidjSgerichtS, be* 
aüglid; roclchcr übrigen« mehrfach ©elegenheit jur Äritif bcnujjt roorben ift. 
$aß femer bie einfehlägige Siteratur überall ibre «eiwenbung gefunben h<"\ 
unb auch bie Äontrooerfen nicht übergangen roorben fmb, bebarf roobl feiner 
weiteren @rwäfmung. S)er mit roiffenfchaftlicher Strenge gepaarte frifche Styl 
heimelt befonberS in bem SBerfe an unb roirb nicht unroefentlict) jur Verbreitung 
bcffelbcn beitragen. 2lud) hat bie SicrlagSbuchhanblung lefeterem eine »orjüg^ 
lici)e 2lu«itattung gegeben. 

ßehrbuch be« gemeinen beutfehen StrafprojeferechteS oon 
Dr. 2lugufl ©ener, ^Jrofeffor ber fechte m München. (Seipjig, 
1880, ^ueS'S «erlag, 91. s JteiSlanb). 8. 6.911. 

2Bir begrüßen in bem oorlicgenben fchä^baren 9Berfc be$ rühmltchfl be^ 
fannten <perrn «erfaffersS eine 2lrbctt, welche un« in grünblicher unb einfict)tigcr 
2Beife bie (Sntwicfelung bc« beutfehen Strafprojcferecht« oor 2lugen führt unb in 
lichtooll flarer S)arfteHung bie ^rinjipien bejfelben in feiner heutigen ©efialt 
beljanbelt. ^aft fönnte man fagen, baß ein ähnliche« 9öerf, welche« neben beu 
fvftematifchen Sarfteüung be« h^öen Straroerfahren« audb in fo fritifcher 
2öeife bie hiftorifchen unb rationellen ©runblagen beffelben beleuchtet, noch nic^t 
oorhanben ift. ^n ber Einleitung begegnen wir ber ©ntroicfelung be« beutfehen 
Strafprojeffc« oon feinen Uranfängen unb begleiten ihn in feiner Fortbewegung 
burd) ba« 2Jiittelalter bis in bie neuefie 3^it. Glicht unbeachtet ift ferner ber 
englifche unb fran3öfifchc Strafprozeß geblieben, auch feiner ©ef Richte unb feinen 
©runbfäfcen ift in crfd)öpfcnbcr SBeife Rechnung getragen. 2ln eine eingehenbe 



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472 Sitctdtut. 

Erörterung ber beutfehen paitifularrerätlichen unb öfterretd^iidjen Strafprozeß 
orbmingen feit 1848 refp. 1850 reiht fu$ bemnäd)fi bic ©cfduchte ber ,uir Seit 
gültigen beutfehen Strafprojeftorbnung, SSefprcdjung bor leitcnbcn ©runbfäfcc 
le&tcrcr, bic lanbeSrcd)tlid)cn äuSfüliruugSbeftimmungcn unb bemnädjft eine 2be* 
trachtung ber ©cfetjgcbungcn Italiens, Spaniens, ber Schmeiß, $äncmarfs, 
S<$webenS, RorwegeuS, ber Rieberlaubc unb Belgien«? an. $ic ©runblagcu 
unb ber ßtinraftcr ber einzelnen ©efcOgcbungcn werben hier cingehenb gefdulbert, 
unb bcmcrrcuSaic.it bc 5lbmeid)ungcn heruorgehoben. 

Sobann finbet man neben ber yinfübruug ber befonberS wichtigen Schriften 
ber italicnifd)en ^raftifer unb Ricöcrlänber bie Literatur bcS beutfehen Straf- 
Prozeßrechtes in iljrer oollftänbigftcn ©efialt. 2Mc Softcmotif bcS SücrFcs 
fclbft erfd&eint in allen fünften übcrfichtlid) , unb bie Sdnlberung ber 
^rinjipien unb .öauptgrunbfäfce bcS StrafoerfabrenS an ber £>anb ber Sitcratur 
unb reidjSgeridjuicbcn ^ubüatur als eine ausgezeichnete Üeiftung. 3 uuac hft 
werben im erften XffdX bie jur 2luSübung ber Straf rcdjtSpflegc beftclltcn ^cr* 
fonen, bie Straf gcridjtc, StaatSanwaltfdMft unb ^ertheibigung bcbanbclt. 2luS 
fnbrlid) erörtert fdjliefU fid) tjicran im jrociten Zfycil baS Strafocrfabren an. 
$as Verfahren im 2lllgcmeincn, bic einzelnen richterlichen $|kozeßbanblungen, 
ber «erlauf bcS Verfahrens in erfter Mtanz, bie Rechtsmittel, bic RechtSfraft 
beS Unheils unb bie SLMeberaufnalmte eines burd) redjtSfräftigeS llrtbeil ge* 
fchloffcnen Verfahrens, befonbere Slrtcn bcS Verfahrens unb StrafooUftrccfung 
unb Soften bilben bic ein3elnen 2lbfebnitte biefcS £(jeils, in welchem neben bem 
gcltenbcn Recht aud) bcfonbcreS ©ewidjt auf bie aefdncbtlichc Entwicfelung ber 
cin3elncn Veflimmungcu gelegt wirb, tfurz, bie ftüue beS Gebotenen ift fo groft, 
baft baS ©eucr'fche Lehrbuch, tocld^cS aud) bic Süden ber ©efefegebung nicht 
unbeachtet lägt, einer weiteren Empfehlung nicht bebarf. 

RcichSgcfefe, betreff cnb ben 2Bud)cr, oom 24. 2Wai 1880, 
erläutert oon Dr. ftriebrid) DSfar oon Schwarze, Ä. S. ©eneral; 
ftaatSanmalt, SJiitgüeb unb Veridjterfiatter ber Reichstags ilommiffion 
über bic Süucherfrage im $ahre 1879 (Separatabbrucf aus ber 
„®efe^gcbung beS beutfehen Reiches mit Erläuterungen". Erlangen 
1881, Oering oon ^alm unb Enfe (2lbolph Enfe). gr. 8. 109. 

$>er gelehrte $err Verfaffer, oon ber Rei<$StagS*Äommiffion zur Bbfaffung 
eines Berichtes über bic brennenbe 2Sud)erfrage berufen, §at in bem oorlie 
genben Kommentar Gelegenheit genommen, feine Slnfidjtcn über baS 2Bud)crgeie£ 
5um SluSbrucf zu bringen unb gleichseitig ben oom ©efefcgeber eingenommenen 
Stanbpunft flar zu ftellen, um fo bem mit ber ( §anbt)abung beS ©cfefccS bc* 
trauten ^uriften bic oft fchmierigen 3Uegc ju ebnen. $jn bem erften ober allge- 
meinen Sbcil finbet fid) bie Otefchidjtc bcS bereits in ber preufnfehen ^anbtagS* 
fi^ung 1878 79 befünoorteten ©efetjeS unb eine ^ülle allgemeiner SBemer- 
fungen über ben SBuchcr, roobei mit Recht betont wirb, bafe cS 5U feiner 
^cit ber ©efeßgebung gelungen fei, fo fchr fic fich auch burd) ftrenge 3 inS * 
uerbote bemühte, eine genngenbe Rcmcbur gegen mucherlichc ©cfd)äfte auSfinbig 
$a macficn. dennoch mupte firfi fieb berufen fühlen, nachbem bie Sud)crfreit)cit 
längere ^eit Innburd) ju s Jkd)t beftanben, bicfelbe ctnjubämmen. ^mmer mehr 
unb mel;r Stimmen erhoben ftd) gegen fic, benn bic ucrbcrblidjc übätigfeit bcü 
SudjcrerS bcfdjränftc fid) nicht auf bic $crfon ber Ucbcroorthcilten, fonbern 
.^og auch wettere Greife in s J)iitlcibcnfchaft. 3)ic folgen bcS ftraflofcn 2öucherS 
waren ju intenfio, als bafe man fic weiter unbeachtet ju laffen oemtochte. 3" 
einem weiteren, bem 4. JTapitcl, werben fobaun in ciugchenbcr Seife bic ftrnf^ 
rechtlichen ^eftimmungen beS ©udjcrgefcöeS erörtert unb bie gegen baffclbc 
geltcnb gemachten, fwuptfächlich in bem Langel einer auSgicbigcn Definition 



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Oiterahir. 473 

be£ Begriffs „2öudf)er" fonjentrirten (Sinroenbungen nadj oerföiebenen 3K<$tungen 
I)in ocntilirt. SMe fid) f)ieran fnüpfenbcn Beforgniffe werben baburdi gu 3er ' 
ftreuen oerfudjt, bafe behauptet rairb, t& ftnbe fi$ in bem ©efeti eine berartige 
Häufung ber ben begriff „ftrafbarcr 2Bud)cr" cjualtfijtrcnben Momente, bafe man 
fid) fdnoerlidj über ba£ Borl)anbenfein beS $>eltft£ in einem fonfreten gollc 
täufd)cu fönnc. 

©leiduoof)l wirb eine s JJial)nung an ben >lttd^tcr nid)t unterlagen, jebe 
Sur Äonteftation gcftclltc Sinnige mit beionberer Borfidjt ju prüfen, ba oft au$ 
bie Unmoralität be3 6d>ulbncrS in ftrage fommc. S)ie cioilrcd)tltdf)en Befund 
mungen bcö ®efe$eä foroie bie 9ttitfanroeubung bcffclben roerben in befon* 
bereu flapitcln belmnbelt, unb bejüglid) legerer au ber $anb ber Biotine bie 
UWomcnte für unb gegen foldjc erörtert. SDer öerr Bcrfaficr fpridfjt fid) in 
flarcr unb übcrjcugcnber 2öeife gegen bie 2lnroenoung beä ©efe^ces auf früber 
entftanbene s Jlcd)tsoerf)ältmffe au«. Skr fpejielle Xljeit bcS Buddes giebt ein- 
geljenbc Interpretationen ber im ©efefceStcrtc gebrausten Begriffe unb oerroeift 
in feinen Bcfpredwngen ftctS auf ben 3nbalt bcS JilommiffionSücrid)t3. $aft 
mit Mntffidjt auf bie erfdjöpfcnbe friti)d)c Bearbeitung be<S Stoffes Dem flehten 
s Jikrfc eine Ijercorragenbe ©tefle in ber cinfdu*ägtgcn Literatur gefiebert ift, bebori 
loolil faum ber (Srroäfjnung. 

2>ie ©efctjgebung bcS beutfd&en fRetcficö mit Erläuterungen 
u. f. ro., ljerau*gcgebcn oon Dr. (Srnft Bejolb. Erlangen 188<> 
unb 1881. Bcvlag oon $alm u. (£ufe (9lbolpb (*nFc). 

1) $>eutfd>eS ^atentgefefe oom 25. 9)toi 1.S77, erläutert oon Dr. 
3f. föofentfjal, Beigeorbneter ber ötabt ßöln, ©crid)t£affeffor 
a. Bogen 12—29. Sd>lufe mit <5ad)regifter. 

2) McirtSgefefc, betreff enb ben SSudjer, oom 24. 2flai 1880, erläutert 
oon Dr. ftriebrid) Dsfar oon Sdnoarje, S. ©eneral» 
ftaatSanroält u. f. n>. (Oben befprodjen.) 

3) $eutfd)c Mnaocrfaffung, 4. Slbtljeil., VII. (flefefcc, Ber* 
fügungen unb Befanntmaa^ungcn in Betreff ber s ilu«fül)rung 
ber 9Jiunsgefcfegebung. Born Oftober 1875 bis Df tober 1880. 

4) ©cutfdje Bant oerfaffung. 9lad)trag. Berorbnungen, Ber» 
fügungen unb Befanntmad/ungen in Betreff ber Banfocrfaffung 

1875-1880. 

2>er ©cridjtSfaal. 3eitfd)rift für Straftest, Strafprojefs, gerichtliche 
5Kcbi ( Un, ©cfängnifcfunbc unb auSlänbtfdje Literatur, herausgegeben oon 
^r. 0. oon 8d)roar$e, ©encralftaateanroalt 511 Bresben. (Stuttgart, Bcrlag 
oon 3-crbinanb Gnfe 1880.) Bb. XXXII. $eft 1. 3ur Scfjre oon ben 2ln* 
iragSöcliften oon $rof. Dr. 21. Samueln in Bern. — 3u §. 34. ©. B. ©. 
erioibcrung oon Dr. 2;cuffcrt, s ^rof. ju Breslau. — 2lu$länb. 9lc^t — 
beitrage $ur Erläuterung bc^ 3trafge|*eBbud)cä oon 2Imt$rid)ter Dr. Äronecfer 
a. f. tu. £>eft 2. 3Roa^ ein 5öort über falfdjc 2lnfa^ulbigung unb cf)rcnrüf>* 
vige s J{ad;rcbe im 8innc be>- t?s>. 1 64. il 18»> s Jt. <5t. ©. B. Born ®ü). 3ufte- 
ratt) Dr. fcerjog in ^enn. - 2lit6fül)rung ber (^cie^eMbertretung (§. 43. 
6t. @. B.) unb .üanblung, burd) meldjc ba§ Wefe^ oerle^t roirb (^. 73. 6t. ©. B.) f 
tinb ibcntifdje Wegriffe. Bom V'anbgcricbtöratl) ©aag su Gonflanj. — lieber 
Vlnftiitung 511111 3}icinciöc bei Un'.uucdjnung^fäljigen. Born ^ofgeria^töbireftor 
J>r. Zimmermann 511 ©annfiabt. — Üitcrariia^e Slnjcigeu — auSlänbifd;ciS 
))kti)i. — Jeft 3. lieber baS fogenaunte erploration^ocrfaljrcn bei ®eifte<c* 



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474 fcttewtutt 

Rötungen. Som öofgerid&tsbireftor Dr. 3iraraermann. — 3ur ße§re oon 
bcr temcn Unterlajfung oom £anbgerid)tSratb Stubolf Ortmann in Bresben. 

— Heber 9flittl)äterfa>ft unb «eibülfe. »om Dbergerid&tSpräftbenten @. s Jtub* 
[trat in Olbenburg. — Ucbcr ben gegenwärtigen 6tanb ber Se^re oon ber 
.«onfurrenj für Mifte. »on $rof. Dr. gart filier in <£jernoiot&. — $eft 4. 
Heber ben franaöfifd&en (Snttourf, betreffenb bie 9teform beS Code d'instruction 
criminelle. »on @. UUmann. — (Streitfragen aus ber ©t. ^ro*. 0. »om 
£>ofgcrid)ts8bireftor Dr. 3intmermann. — S)ie reid^ögerid^tttc^e Sluffaffung beS 
§. 199. ber 6t. ^roj. 0. »om 2lmtSriä)ter Dr. 2Banjed in Stofenberg, £>. 6. 

— 9Jtittf)cilungcn au3 bem 52. 3abre£berid)t ber 9tyein. SBeftp^äl. ©efängnifj* 
gcfcüfcbaft über bas »eteinSjabr 1878/79. SSom Sanbgertd&tSrath §elltotg ju 
Duisburg. — 9Hi«ceHen. Siterar. Sinnigen. — §eft 5. »erfua) unb Äaufa* 
lität oon o. »uri. — Reellen . fiiterar. 2Injeigen. 

Slllgcmcine ©cri<f)t3jeitung für bog Äönigr. ©adjfen. §erau& 
gegeben oon Dr. griebr. 08far o. Scbtoarje in SresSben, St. 6. 
©cncralftaatöamoalt u. f. io. XXIV. Saljrgang. 1880. £cft 4. 
unb 5. i'eipjig, ftueS'ä «erlag (9t. 9kiölanb). 

9toä) einige äöorte über bie römifa^e 9iea}t£rcgel nemo pro parte testatus 
pro parte intestatus decedere potest. »on Dr. Siebe nbaar, D. 21. @. SS." 
^räfibent a. 2). in Bresben. — 2Jiittf)eilungen au$ ber $rari8 be£ materiellen 
Gioilrecbtö. — 3 u f amm cntretcn polijcilidber unb ftrafredutlidjer ©eficbtöpunftc 
in berfelben &an btung. 3)enunjiattonSrec|t eines SeljrerS wegen einer iljm im 
©dmlbaufe jugefügten Seleibigung gegenüber ber Strafbefugnis ber 6d)ulbct>örbc 
raegen eingriffe in bie Sdjubrbnung gegen ben Später. — ,§aft in geridjtS' 
polijeilicben »orcrörterungen unb «§aft in gcrtdjtlieljer Unterfucfjung; ba3 »er- 
Ijältnifj beiber ju einanber. — Säjtourgcriebt, 2lntrag auf §aftcntlaffung. Jtom* 
petenj $ur ©ntfebeibung über bicfelbe. -- ßntfebetbungen be« St. ObertanbeS' 
geriebts $u Bresben. — 6trafrcd)t. lieber Unterbredjung ber »erjäbrung 
bura) £anb hingen eines unjuftänbigen 9Uä)ter3. — »cleibiguna, 2lngnffe auf 
eine politifd&e $artci. ftmoierocit enthalten fic jugleia) einen Singriff auf bie 
s JNitglieber berfelben? 

$a$ gelb- unb Jorftpoliseigcfcfe oom 1. 2lpril 1880 mit @r* 
läutcrungen oon Dr. SDaubc, StaatSanroalt bei bem fianb* 
geriet £ jiu «erlin. Äart. 8. S. 170. $reiS 2 2Karf. «erlin 
1881, »erlag oon §. 20. 2MIer. 

$)ie Bearbeitung ber neuen Auflage be§ oorftef)cnben ÄommentarS, roclcber 
fpcäieü jur »criuenbung in ben Greifen ber Ortöpoltsei^cbörben, Slmt^anroältc, 
6d)öffcn unb Stifter benimmt ift, erfüllt ein praftifd&e3 «ebürfnife, unb bürfte 
ftd) ber gcbütjrcnbcn 2lncrfennung inobl ju erfreuen ^aben. ^eroorjubeben ifl 
befonbera bie «erüdtfiebtigung ber bi^ber erfd)icncnen Siteratur, meldte ^in unb 
roieber 3)iobififationen ber in ber früheren Auflage oertretenen 2lnftd|ten bebingt 
bat, foroic bcr bereits ergangenen 9ted)tfpred)ung bcS 9teia^Sgerid)tö. S)ic bem 
©cfe(jej§terte untcrftcllten Erläuterungen jeugen oon großer Älar^eit bcö Urtljcils 
unb Sßräjifion ber SDarftcttung. 

Äontrooerfen, betreffenb bie ©trafprojefeorbnung unb baä 
@erid}tSoerfaffungögefe^ oon (L 21. »oituS, Ä. $reufj. Cbcr^ 
tribunalÄratb a. 2). 3. §cft. 6d)lu§ be« erften Sanbc*. («crlin 
1881, »erlag oon ^uttfammer u. 9JtÜl)lbrca)t.) — »cfprca}ung erfolgt 
im näa}ften .^efte. 

5R. SBatfoffner. 



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<&ueUen=$f0iflcr. 



Sitaf 9 ffrtburfj. 

©eite 

262 
212 :m 

62 

61 258 261 46Ü 
264 460 
286 

441 

29 52 fiaii (2) 442 460. 

43Q 

139 142 460 

id im 

4Q 262 460 
21 132 150 28ü I ii 



4. 

43. 
47. 
48. 
49. 
49 a. 

59. 
61. 
64. 
65. 
73. 
74. 
95. 
113. 
123. 
137. 
141. 
147. 
161. 
164. 
166. 
172. 
173. 
173. 
175. 
180. 
183. 
184. 
185. 
193. 
195. 
203. 
218. 

218. «bf. £ 
219. 
221. 
222. 
223. 
223 a. 
224. 
§. 227. 
§. 230. 
§. 232. 
§ 242. 

§§. 243.-215. 
§. 243. 2lbf. 2, 



22 36 (2) 222 
34 441 
285 
40 452 

22 
52 219 

43 
126 
29* 

55 

450 451 
55 455 
Iii 251 
41 
439 
271 
40 
21 
2M 
300 
50L> 
441. 
4M 
436 432 
21 143 261 
143 
(»9 

150 4M 
L5Q 439 
223 

,jO 

m 



©eite 

-245. 256 
241L 32 56 290 293 451 (2) 
_218. 113 
253. 222 279 

& 252. 269 
§. 263. 35 37 61 74 141 2*7 
262 272 292 
§ 264- 466 
§.266, 15 
4. 267. 143 250 46Ü 

§. 268. 155 461 4M 

t 274. »bf. L II 
§.283. 32 40 4 Iii 466 

§. 283. 9lr. L 282 
§. 283. 5Rr. 2. 8QQ 
. 283. 9tr. 3, 156 
.284. 42 45Ü 

. 286. 266 322 467 

. 286. 8lbf. 2. _60 
. 288. 209 460 

. 316. Öbf. 2. 42 
. 328. 27 
, 348. 58 
JJ48. «bf. 2. 135 
^50. 132 
. 360. 464. 
. 370. Str. 5. 246 
. 377. SRr. 8. 466 



Sirafprottfi 

S. 34. 
2. 35- 

§. BL ^r. 2. 
§^56, 
§. 5& Sftr. 
§ . 57. 

60, 
'§. 65, 
§ . (»6 . 
§. 137. 



2, iL 



§. 14!L 
§. 199. 
& 21L 
§. 222, 
S- 223. 

§. 227. 8bf. 2. 
1 242. 

t 243, Hbf. 2. 



Wrbunug. 

148 441 
295 
153 
446 
12 
153 446 
]. r >7 451 
151 451 
451 
252 
449 
295 

252 m 

143 158 451 
158 451 
252 
22 
441 



5 244, 

5!_244, Hbf. L 
\. 248. 
2ÜL 
250. 
2Ö4. 
,. 255. 
j 255. WbJ. L 



310. 



§. 31L 
$. 344. 

§. 316, 

§ ■ 377. 3lr. 1. 
§. 3TL 9tt. 6. 
§. 312. 9h. 8, 
§. 328. 
% 38L 
i 886. 
■ 416. 
431. 
497. 



152 451 
412 
143 
446 

12 151 
451 
442 446 
143 
446 
439 
134 
112 
Iii 
158 
65 
65 
131 
153 
65 
65 
151 
449 
256 
449 
138 

42 144 148 
252 
138 
252 456 
155 

66 (2) 144 262 
449 

432 
452 
252 



jflUiiir'dtrifirfrfcM. 

§. 64. 285 

(Orrüijlo-öfrfDffiinisQtftb. 

§§. 65. 121. 133. 253 
S. 75. 147 
§. 78. 2S2 

Cioilproirfi^rbnnns. 

§. 5L 443 



476 



üucaen.JRcgiftet. 



eeite 

Kfidjo ftonkiirodrbiiiiiig. 

§. 2iii 'dm ua 4M 

21Ü 5Rr. L 289 
$. 91r. ». Iii 

Bfi^fl fic'tlt. 

<R. ®. D. 8. 3ult 1868 

§. L 258 
91. @. o. HL 3uni 1869 

§§. iL 13. 37 
JR. @cro. C. o 3uni 
1869§*.12i'.147.9tr.3. 59 
§§. 134. 146. 442 
93erctn3.3on«@. v. t.Suli 

1N69 §. 153. 282 
JR. ©. ü. 11. Juni 1870 

§5}. 18. 54. 55. 279 
91. Serfaffuitfl». Mi. ttpril 

1871 Slrt 2 :i98 
JR. $rcfr0. ». 7. 2Kai 

1874 §. 20. 244 
§g. 20. 2L 453 

§. 222: m 

3Rarfenfd)u&'ö. p. 30 .Wdp. 
1874 §. 10. SIbf. 2. im m 

§.11 458 
R. D. 2L C«. 1H78 

§. lfi 38 



Seite 

225 
455 
431 



8t ©. t>. 2L Oft. 1*78 
§. HL 

24, 25. 
§. 2& Hbf. 1 

} : rruf:. ffufttir S. f. U. 

3nftr. r>. 23. Oft. 

1817 «.'80 
@teucr*Ö. ». 8. gebr. 

1*19 $. 6L 258 
öerocrbefteuer ©• 

D. 30. SRai 1820 

§.i im 

Stempel'®. 
V. 7. 3Rärj 1822 
§. 12. IM 
§§. 2L 22. Iii 
Ä. O. o. 1& 3an. 

1824 «Rr . 5, 258 
93. ü. 5. 3uU 1847 245 
®. ü. Ii. 2Rärj 

1850 §§. IL IL 398 
@. D. 21. ©ept. 

1860 §. 2. »bf. 2, 258 
ö. ü. 19. 3uli 1861 

§. If. 130 
33. u. 25. 3uni 1867 

Hrt. 1 «Rt. L nüü 



Seite 

<3ubbaftatiotiß'C 
o. 15. «Kar^ 1869 
$.9. 42 441 

@. 0. L «prü 1869 

§§. L 2. L 56 
o ü. 3Rat 1869 
S- & 5U 
©. über ben Giaentbum*« 
er», o. 5* SRai lt>72 
§.30. 441 
93raufteuer ©. 
p. 31 SRai 1872 
§§. 29. 30. 28 
®. ö. 25. 3uni 

1875 §.24. 22 
©. ü. 3. 3uli 1876 

§§. 1 8 . 21. 23. 56 
Stuöfiibj. ©. d. 21 Hpril 

1878 §. L 50 
©. P. 3. SRai 1879 §.9. 50 

llrrnfi %jjmtntt Canirriit. 

23). L lit. 2. 

§§. 23. UM. Iii 
I. Iii 



V). I. Sit. 9, 



2b.. f. Sit. iL 

<S§. 258. 251L 266. 



32 
451 



Google 



* * N • 



Abortiumittel. Unentgeltliche Beschaffung 

für cir.c ©cbwaugere 2&L 
Abtreibung bcr ÖeibeSf nicht 300. 
Üf tcnflftdPe aus früheren Unterfucbungen, 

Borlefung ungerügt gelaffener Z2. 
Anflagefcbrift. jjujtettuna 205. 
Anmclbung von Rechtsmitteln (><>. 
Annahme eines nid^t eruftlid) gemeinten aber 

für ernftlicb gehaltenen ©rbietenS ju einem 

Verbrechen 2ä6. 
Anfcbulbigung, roiffentltcb falfche, buTd) 

Sinnige 6ei Dem AmtSuorfteber QiL einer 

bereits außerhalb ber BerjährungSfrift lic- 

genben ftrafbaren .panblung 24!). ' 
Anfti'tung. Sticht gleichzeitige Beftrafung 

wegen -pulfeleiftung 4M. 
Arbeitslöhne, Tilgung folcher burth BonS, 

welche als 3at)lung für iffiaaren gelten. 442. 
Acrgernife, öffentliches 144. 
Arreftanlegung, wann fie Dorhanben 3L 
Anettbrud) burch ben berufenen (hben i W . 
Attcftc, ärmliche, 3ulafpgfett ber Berlcfung 

foldter in ber ^auptverhanblung Iii 
A u f f ü h r u n g , unbefugte, bramatifdjer SBertc 

279. 

Auftion. Abgabe unb Annahme üon -schein« 

geboten bei folcher 35. 
AuSbilbung ber preufj. JReferenbarien bei 

ber ©taatSamoiiltfcbaft Uli. 
Ausfuhrt) erböte, ttiffcntlicbe Berlefcuna2L 
AuSIanb. Hehlerei im A. burch einen Aue • 
länber begangen, unb SNitroirtung beS lep« 
teren jur SBeiterueräufjerung ber geftoblcnen 
Sachen im Snlanbe. 263. 



Auslegung beS §. 48. St $toj. £). 169, — 
§. 9JL unb UKL ©t. Broj. £>. 4TTT7 — 



ber 

beS §.'124. St. »ro$. 0. 3H5, — beS~044. 
©t. Broj. O. 42Ü beS §. 498. SbTIL 
©t. Broj. O. L 
Auslagen ber in ber ^auptuerb/inblung Der- 
nommenen Saugen. Wditfinrung folcher 
im ©ifcungSprotofoll 114. Berleiung ber 
protofoüirten A. eines ©acbwrftänbigen in 
ber .üviupruerhanblung 44ü 
Ausfpielung, öffentliche 60, 4üL 



Babninftruftlonen 49. 

Banferutt, einfacher 32» tfA^ 4liL ©traf* 

barfeit etnee bereits uorTer 3nblungöein 

ftellung aus ber ©ojietat auSgefcbicbcneu 

(McUfAaftew 446. 
B e a m t e. Uuterfcblagung in amtlicher eigen- 

fchaft empfangener ©elber 132, Befteduma 

452. 

Becibigung oon 3eugen. Auefe&ung ber» 
felbcn lüL 

Bcbörbe. juftänbige, jur Anorbnung von 
©cbu&maforegeln gegen Biebfeucbe 2L 

B e i f ch l a f , jroiicben ©tiofuater unb ©tieftod)ter 
5t>. naifchen Berfcbroägertcn nach Auflöf ung 
bcr bie Affinität begrünbenben Ctbe 2ÜÖ. 

B e l e i b i g u n g. Berechtigung beS (Sbemannes 
jur Verfolgung ber feiner Grbefrau augc> 
fügten Beleibigung nach beren $obe 40. 
i'iicbtberccbtigung einer .£anbelSgcfcllfcbaft 
unter ihrer Jirma ©trafanträge wegen B. 
ju ftellen IL fteftfteüung ber Abficht ber 3'. 
271. 

Beftecbung eine« Beamten 45L 

Betrug burch Abgabe unb Annahme uon 
©djeingeboten bei einer Auftion 3 r >. Um* 
fang beS Bennögen^oortbeilS HL B burch 
iSaarenbefteüung unter ber fälfdtlicben Bor> 
fpiegeluug foiortigcr Bezahlung feitens eines 
iufoloenten Kaufmanns 7L 2H2. SGÖaaren« 
uerfauf unter unrid)tiger Bezeichnung ber 
Urfpruncisftcitte 262» B. burd) unwahres 
ÄlagtDorbringen 222, 

Befcblagnabme eines @runbftücfS. Umfang 
berfelben in %ol%t ber ©ubbaftation«5einlei> 
hing 441. 

SBilanj, faufmänntfd)c. ©rforbernife ber 

Aufteilung iü, 45G. 
Borbell, polizeilich tonjeffionirteS 55. 
Braumaljfdjrotc 28. 
Braufteuer«2)efraubation 2h. 

Briefliche Offerten auSlänbifcher Lotterie« 
loofe. Äompetenj bes Berichtes beß iffiohn- 
orte:- be» Aorcfiaten an Aburtheilung ber 
©trafthat 266. 



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478 



©ad)« 9t egifter. 



2>äntfd>e Suftijgefefce. entwürfe 81. 
3)ampffd)iffe, au«länbtfd)e. «3rterr»ortali. 
t&töfragc 447. 

2) ar lehne. Annahme wiifentlid) burd) ftraf» 
baren Betrug erlangter ©.31. 

3) iebftahl, neuer. Begriff 256, wiberred)t< 
lidje ilnetanung uon 2Saarenrtorrätben 
feiten« be« Berfauf«perfonal« 293. 

25if f crcn^tjanbel, frrafbarer 289. 
2>ramatifd)e 2öerfe, unbefugte Wuffübrung 
271». 

X rucffd)riften. Verbreitung foUher beleibt» 
genben Snbaltö 243. ÄoUettiuabonnement 
auf uerbotene ©rurffdmften 275. haftbar« 
teit be« Stebattcur« "für ben gamen Snbalt 
einer periobifeben 5). 4:">3. Begriff ber 
öffentlichen Verbreitung einer 2). 455. 



Cr bebrud). ©teüungbrt ©traf antrage« 52, 126. 

(S he fr au eine red)tölräftia. Verurteilte. 
3eugnijjt>erweigerung berfelben tn einer 
fpäter gegen einen al« Sbeilnebmer an ber< 
leiben Sbat angenagten 153. 

G bemann. f>auöfricben8brud) beim (Sin« 
bringen in bie 2Bob,nung8rdume, in roeldjeu 
ber äöobnungSbefifcer ber (Jbefrau ein «Dtit 
wobnerecht eingeräumt bat 36. Beredjtigung 
;ur Verfolgung ber ber ©befrau jugefugtett 
Beleibigung nad) bereu £obe 40. ©ubfibiärc 
Vertretung*pflid)t für bie (Söefrau wegen 
ber uon biefer begangeneu 3olirontrauenttonen 
282. 

Gib, falfdjer. Verleitung ju bemfelben 222. 
Altern, fubfibiäre Vertretungspfltcbt für ibje 

Äinber wegen ber uon ihnen begangenen 

3ollfontrauentionen 282. 
Gtitj^djeibungen im ©trafuerfabren. Begriff 

Entwürfe ber banifdjen Suftingefefce 82. 
Crpreffung 152. 2)urd) mittelft JDrobung 

errungene ©emäbrung eine« ©elbgefcbcnre* 

an bteOrt«armenrdfjc jum 3mede ber ©übne 

einer ftraf baren .panblung 279. 
Grterritorialitatßf rage bei ben in beutfaV 

$&fcn einlaufenben au31änbifd)cn $ampf= 

fd)iffen 447. 

&♦ 

ftälfdjung telegrapbifdjer 2)epefd)en 194. 
@. Urfunbenfälfdjung. 
at)nenflud)t 285. 

et)ler. Verzweigen foldjer beim Bferbe« 
uerfauf 37. 

geftnabme, uorläufigc. Unuerj,üglid)e Vor- 
führung uor ben SHmt«rid)ter beijoldjer 313. 

granjöfifttjer ©trafprojefc. 9teform bem- 
felben 101. 

* 144 9^C1)^ P onöanmeli)unfl, ! ^ e 0 tnn f old > er 



öeijte«frantbeU. Stücfwirtung 112. 



©eifte«fiörung, partielle, fteftfienung ber 
VerbanblunaSfäbigfeit bei foldjer 69. 

©elb, uerfdlfcbteä. 3n Verfebrbringen 
beiielben 459. 

©elb ftraf c, im ©tabium ber VoUftretfung 9. 

©eneralbeuollmädjtigter. Stellung eine« 
©trafantrage« burd) foldjen 442, 461. Gr- 
lofdjen ber Befugnifc bierju bureb injwifcbeii 
eingetretene ©eifteSfranfbeit be« Vollmad)t 
gebert 4<>1. 

©cri<bt«befd)lüffe. Unterjeid)raing berfelben 
158. 

©ericbtfifdjreibergefdjdfte. 3«lnffnng ber 

töeferenbarien ju tbnen 50. 
öcridjtsftanb jufammenbängenber ©traf« 

fad)en 206. 

©efdjworene. Betretung ihre« Beratbunge- 
»Immert feiten« be« Vorftfccnben bebufö 
Belehrung 153. Beurteilung ber graue 
nad) milbernben Umftänben burd) fic -109. 

©cfellfdjafter. ©traf barfeit eine« bereite 
cor ber 3ablung8etnftellung au8 ber ©otfetat 
gefebiebenen ®. wegen Banferutt« 446". 

©ewerbefteucr «Äon trauen tion 56. 

©lüdfpiel 42. 

©otte«läftcrung 43. 

.Öanbel«gefellfd)aft, offene. 9Ud)tbered)ti« 
gung berfelben, unter ibrer girma ©traf« 
antrage wegen Beleibigung ju ftellen 71. 

^auptuerbanblung. Antrag auf SKu8f efcung 
ber ju einer föäteren alö urfprünglid) anbe» 
räumten ©tunbc beginnenben 252. 

.?)ajarbfpiel. Begriff ber ©ewerbamäfngfeit 
450. 

gebier ei 31, 269. 

jpeilbiencr. eraminirter. Beilegung beö 
Sltel« al« foldjer 59. 



Snterpretation , f. StuSlegung. 
3rrtbum bei Berufung beo Sluefubruerboteß 
27. 

ft 

Kinbcefaugfe^uug 446. 

Älagc vorbringen, unwahre«, inwiefern eä 

Jid) al« Betrug qualipsirt 272. 
Äorperuerlefeungen. Äompenfation bei 

ibnen 27. 

ÄolleTtiren für au«wärtige Sorterien 245. 
ÄommifiioniSgut. Unterfd)lagung beffelben 

;i6. 

Äompenfation bei Äörperuerlefeungen 27. 

Äonfurrenj mehrerer felbftftänbiger ^>anb- 
lungen ift in bem auf einmal ftattfinbenben 
©ieboerfebaffen falfd)en®elbe« nid)t ju pnben 

4<1. 

Ä o ft en. ^iquibation nid)t entftanbener Äoften 
in einem <£refution«antrage 247. 

Äuppelei. fonfumirt burd) ben Betrieb eine« 
polijeilid) fonjeffionirten BorbeU« 56. 2)urd) 
Bermietben uon 3immern jum 3»erf bei 
Broftitution 455. 



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GaäyJRegifter. 



479 



Öefjret. Ueberfdjreitung brö 3üd)tigung3» 

red)te3 436. 
8ooö, f. Sotterte. 

lotterte, auswärtige. Berbot beS (Spieleiiö 
in iljnen 245, 266. Beranftalten einer öffeut- 
Hdjen tiotterie burd) Anbieten von «oofen 302. 

9Dtaifcbfteuer.2>efraubation 258. 
>Diarttbube, gilt als umfd)lofiener 9laum 188. 
SDteineib. 3eugni§unf&i)tgfeit burd) Berur» 

tbeilung wegen Beibülfe jum ÜK. 72. 
SR t et b er. Berpfänbung gemietbeter ©egen- 

ftänbc 451. 

Üttilbernbe Umftänbe. Beantwortung ber 
Jtage nad) ibnen burd) bic ©efdjworencn 409. 



9tad)tieit. Beredtfigung ber 38ad)hnann< 
fdjaften bcbufS Bertjaftung einer Berfon 
jur 51. in baö non jener bewobnte 6au6 ju 
Dringen 139. Ginbrtngen ber Bolijei'bebörbe 
jur 9t. in eine 2Bol)tmng 141. 

>JUl)rungßmÜteI. Siebftabl 246. 

9totbftanb 183. 

9totijbüd)cr gelten nid)t a\i £anbel$büd)er 
300. 

C. 

Crtäfommiffar. <£rlafj burd) Hnorbnungen 
Durd) it)n 56. 



^ierbe. Berfdjweigen non $eblern beim 
Berfauf 37. 

Bolijeibeamte. ©inbringen berfelben jur 
9tad)tjeit in SBobnunaen 141 . Beredjtigung 
uim betreten ber ffiobnungen berienigeu 
Bcrfonen, beren 3TOung$geftellung fte im 
Auftrage ber fompetenten Beböroe Dorju. 
nehmen boben 28o. 

Boftfcnbungen. ÄenntniBnabme ibreö 3n* 
iyjltö nad) ibrer Befdilagnabme burd) bie 
<btaatöanwaltfd)aft 401. 

BrarU. Aue ber 321. 

Brefeerjeugniffe. Berrretbung foldjer 243. 

9ted)tö mittel. 8(nmelbung unb 9ted)tferti> 
gung 66. Unwiberruflicbreit bei SBerjictjtö 
auf fold)e 449. 

9iebatteur einer pertobifüxn 3cttf d)rift. 
Stuöfd)lieBung [einer Berantwortlid)feit bei 
einer aufter feinem fßillen liegenben 9tid)t- 
fenntnif? eine« aufgenommenen ftrafbaren 
Ülrtifels 294. £aftbarfeit für ben ganjen 
3nbalt mtt<$infd)luft beS3nferatentbeu8453. 

JKeferenbarien. Befähigung berfelben ju 
@erid)töf*reibergefd)aften 50. MuSbilbung 
bei ber etaatSanwaltfdjaft 177. 

Reform bei fra^öftfdjen ©trafproAeffeö 101. 

9tegifter unb Budjer eines Beamten gelten 
nidjt al» öffentli^e im Sinne be« §. 348. 



St. ©. B-, infofem fie lebiglidi jum 3roerfe 
alö Beweismittel gegen ibu felbft ju bienen 
geführt werben 58. 

9teid)8gefe6e. 9tid)tbefngni& ber Segle« 
rangen jur Änwenbung foldjer auf gälte, 
für weld)c fie nid)t gegeben woroen 398. 

9tinberpeft. Unjuläfftgreit ber @lcid)fteüuug 
einer jur (finfitbrung ber 9tinbi)iebronrrolc 
getroffenen s 3)taBregel mit bem Bcrbote ber 
Bietjeinfubr jur «bwebr ber 91. 398. 

9tei?ifion. Unjuläffigrelt ibrer (ytnlegung 
refp. Begrünbung mittelft Selegramm 6ü, 
157. 3t. wegen einer angeblid) uom ©<towur« 
gerid)ts«Borfi&enben burd) ben 3nbalt feine« 
2d)lu&oortrageö begangenen ©efeBeSuer« 
Ie&ung J36. Beginn ber $rift jur 9teoi- 
nonSanmelbung 144. Begrnnbuug ber St. 
Durch Slblebnung ber Bernebmung oon .Un- 
sen 148. 9tid>tbegrünDuna ber 9t. burd) 
ücrfpätete Slbfaffung beS ©ifcungSprotoroUS 
149. Begrünbung ber 9t. burd) ^übrung 
beS BorfifeeS feilend eines gefefchd» nid)t 
baju berufenen 9tid)terö 253. Unwirffamreit 
ber in einem Brotofoll beS ©efängnifj'Sn« 
ipeftorö abgegebenen Berjid)tS bei Ängefl. 
auf (Anlegung ber 9t. 255. Begrünbung 
ber 9t. bei bloßer Berweifnng ber tommiffa» 
riid) uernommenen 3eugeu auf ben im Bor« 
eerfabren gelciftcten <5tb 451. Bei SRiditbe' 
nadiridjtfgung ber Parteien non bem jur Ber» 
nebmung eines 3eugen anberaumten Dermin 
451. Bei Unterbleiben ber Borlabung bei 
bem @erid)t red)tjeitig benannten 3eugcu 
jur .^auprt)erf)anblung 466. 

9tuclwirfung ber ©eifteSfranrtjeit unb «Straf» 
unmünbigfeit 112. 

2ad)üer|tänbigcr. Beriefung feiner pro- 
totoUirten Stuöfage in ber .»pauproerbanb- 
lung +16. 

<Sd)u&genoffenf<baften. (Strafreaitlidie 
Beurtbeiluna berjelben 416. 

©ojialbemorrattc. 9iid)terlid)e B^üfung 
ber polijeilidjerfeitä erlaffenen Berbote gegen 
bie gemeingefabrliä)en Bestrebungen ber 
@. 38. ©trafbarfeit ber gegen bie auf 
@runb Don Sinorbnungen erlaffenen Ber« 
fügungen nad) erfolgter Bublitation ^>an« 
betnben 434. 

©oAialiftiftbe Srucffdjriften. Äoneftiu- 
Abonnement auf foid)e 275. 

@taatöanwaltfd)aft. Slugbilbung ber Br. 
9teferenbarien bei berfelben 177. tfenntniB- 
nabme ber mit Befdjlag belegten Befrfen« 
bungen nad) ibrer Eröffnung 401. Slbbän« 
gigfeit nad) Grbebung ber önentlitben Älage 
r>on bem Berbalten be« urfprünglid) 2ln« 
trageberedjtigten 439. 

©trafantrag wegen (Sbebrntfie. 3eit feiner 
©tetlung 52, 126. Unjuläjfiafeit ber »Stel- 
lung bei @t. im ©ebiete bei ». Ö. 9t. 
feitenS ber unebelid)en 9Jtutter wegen einer 
ibrem Stnbe jugefügten 9Jti<äbanblung 439. 
Stellung bei bt. burd) einen öeneralbe« 
üoUmädjtiateu 442. 



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480 



©ad) ' Wegifter. 



©träfe, lefete. Begriff 256. 
6trafproaef$, fTanjöfifcbcr. Reform m 
felbeit 101. 

Straffadjen, »ufammcnbdngenbe. @ericht*< 

ftanb foldjcr 206. 
©trafunmünbigfeit. iTtücfcoirfung ber= 
elben 112. 

rafuerfolgungöantrdge. 33efdm>erbc 
gegen ihre 3urücftoeifung 31. 
Subbaftation. (gtnleitung berf elben gilt 
für folche Stealgldubiger roeld)e fie nicht 
beantragt haben, nicht als broljenbe 3roartg<^ 
ooUftrecfung 47. 



le legramm. Utnuldffigfeit bcr ßinfegung 
Der Stcotfion mittelft eine» folgen m. £ie 
$?egrünbuug bcr JHeuijion burd) SC. 157. 
ftdlfcbung uon St 194. 

Sobtung, fabrläffige 466 



Ucb erfahren, falnldfftges 150. 

UebertoeifungebefdiluB an baä Sdiöffcti' 
gciidit. äx>ieberanfbebung befielben fettene 
tcr Straftammer Deö jui'tdnbigcn £anbgc< 
victjtö 147. 

Um ftanb c, crfdjwcrcnbc. Stattbaftigfcit ba 
Aufnahme fold>cr in bic Hauptfrage 85. 
£)b e$ jroecfmdfjig fei, Die 33caiihoortuiici 
ber ftragc nad) milbernben Umftdnberi ocu 
Oöefdfrcorenen *u überlafien? 400. 

U nebe Ii die SDttttter. Unjuläfftgreit bcr 
Stellung eine* Strafantragee im (Gebiet 
Deö 2t. tf. ?H. megen einer ihrem fcinbc *u 
getilgten IH'ifibauDlung 4.19. 

Unfug, grober 454. 

Unterlauf ungöbelifte, eigcntliax 210. 

U u t er feb lagung eine* Schaftes* 32. £eß 
.Homntiffionßgutee 56. 3« amtlirfier (Sifle;t< 
icbaft empfangener Selber feiten* eine* SBe- 
Hinten 13-2. Sttaffc&Udje JVftfteuung bcr 
Slbfidit unb gdbigfeit jur äöiebereinlöfiun; 
einer uerpfdnbcten Safte 451. 

Untreue 75. 

Unjucbt, luiberoatürlidie, ^tr-ifeben $crjonen 
matinlidien (SJefchleebfec •*.'><>. begriff bcr 
luioernatürlicben U. tin (9egenfa$ ju unweb 
Hflen jpanDluugcu 451. 

Untüchtige «Oanblungen. begriff 251. 

Ur tun ben, ftempclpfiirhtige. Vernichtung 
foldier jum 3wecf bcr Steinpelbinteryebung 
77. 

Urfunöcnfdlfcbnng 135, 155. Uebergabe 
einer gcfdljchten Urtunbc an einen uon ihrem 
(ibardfter unterridjtcten Voten 3wecfß Üluö- 
banbigung berfelbcn an einen nt tdufdienben 
dritten 2.T0. Straflofigfeit bcr gdlfdmng 
einer eigenen Urfunbe Snietfö Vefeitiguug 
uon Veroeiömittcln für bic Strafuerfolgung 
bc« (f igentbümers 461. obcelle Alonfurrcuj 
mit Vctrugeoeriud) 466. 

Urtbeil. -Jliditigfeit eines nicht in öffentlicher 
Sifeung uerfünbetett U. 138. 91. einee U. 
obne entfernte Angabe ber ber Straftbat 
ju Örunbe liegenben Sbatfaajen 439. 



Sater eine« großjährigen nod) in fetner ©e= 

»alt befinblKbeu Hngeflagten gilt uid)t als 

beffen gefefclid)er Vertreter 449. 
Veräußerung, ftrafbare, bei brobeuber 

3uMiig6ooUftreefung 80. 
»er ei bt gütig uon 3eugen. Vefcbränruna 

fold)er 44«;. 
Verleitung jum falfctjen (Bbe 222. 
Verloofung uon fruchten in öffentlichen So 

ralen 4(»7. 

Vermietben, genjerbßmä&igcS, mbblirter 
3immer 130. 

VermögenSuortbeil. Umfang beficlben 
beim betrüge 61. 

Verpfänbung gemietbeter C^egenftdnbe 451. 

Verfdiroäaertc. VcifaMaf jroifd)en ibneti 
nad) Muflöfurtg ber bic Slfnnität beariin 
bettben Ghc 298. 

Vcrfud). Strafbarfeit bee V. tro*! Vcnufcutig 
abfolnt untaugliaier SDcittet jur ^erbeifülv 
rung bee beabfiditigten aber nidjt eingeti\ 
tenen ©ifolgeo 301. .uritif ber Den untaua 
lieben s i>. betreffenben ^lenarentfdjcibung beö 
Sieichifgcriditö 861. 

l*crtt)ctbiguiig ^efdirdntung berfelbcn 
50, 158, 466. Unterbleiben bcr Sorlabitng 
beö reebtjeitig benannten Sertbeibigere 450. 

Scheid) nife uon öegenftdiiben, roeldje nicht 
einen Inbegriff uon ©acben au^madieu, gilt 
nid)t al« Snuentar im Sinne De* Stempel, 
tarifcf 444. 

9?crjid)t auf Sinleguiig ber iUeuifion. U:i» 
»mfantfrtt bee in einem IBrotofotl bed 0c 
fdugtti§.3nfpertor3 abgegebenen $S. 2/>5. 
llnmiDerruflidifcit beo einem öerid)töfd)reiber 
511 ^rotofoll erfldrtcn 35. 449. 
ebicueben. Vergeben gegen ©perrmaf^ 
regeln bei ibnen 27. 
«Bollftrecfungjfbeamtc. Uli folaie gelten 
nid)t bie uon einer ©emeinbe jum Sd)ut> 
iljreö au&erbalb beo öemeinbebejirfg belegc- 
ren ^tiuateigentbumö beftcllten ^erfonen "i 1. 
33ormunb. Untreue 75. 
iBorfijjenber. ©er bei Sicrbiubcrung bee 
orbentl. 33. ben «Jorfifc ju fubren bat 2"^. 

SB. 

fflaarenbeftellungen, betrügerif dje 74, 993. 

2ßaarcnoerfauf mit unrichtiger üiejcidv 
uung Oer ItvfprunqMtätte 202. 

©aarenoorrdthe, rotbcrrechtlicbe Slneig. 
nung folcher feiten^ beß 33errauf6perfonalS 
gualifiiirt fid) alt I^iebflahl sftö. 

jBaarcnjeidjeii, eingetragene. ©ibeired)t 
liebe SPenu^iung 458. 

SB a di t m a n n I di a f t e n. 33t rechtigung Derlei ben. 
bebufä Verhaftung uon Vcrfonen, utr üindit 
jeit mit ©emalt in baß uon lederen be- 
wohnte Jöauö ju bringen 13J>. 

3Bed)fel. SBeiterbcgebiing beffelben tro^ Der 
bei 3ahlung Der Secbfelfumme juaefagten 
.£>eraußgabe 

Sßed)felfälfd)un g 4m. 

2i}cd)felftempclfteuerfontrauentiou 37. 

ffierf jeug, gefdbrlid)ee 261. 



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§adp?Hegifter. 



481 



ieitfdjrtft, periobifdje, f. SRebafteur. 
jeitungöblatt. ÜBeitergabe cineö einen be» 
leibigenben 3nbalt aufraeifenben 215. 

3euge. 8lblet)nung beß erft in ber Jf>aupt' 
»erl)anblung benannten 50. Slblebnuug ber 
SSemebmung eine* ßcugen in bec ^>aupt« 
oerbanbUing, »eil bie in feine ©iffenfdjaft 
geftellte Sbatfa^e für bie (Sntfdjcibung un- 
erbeblia) fet 148. Kudfcfcuna ber »eeibi- 
gung 157. Äblelmung be$ 8nrrage8 auf 
3cugenüernebmung burd) @erid)tßbcfd)luf>, 
weil baß ®erid)t bie ©adje für genügenb 
aufgeflärt erad)te 441. $3ejügiid) roeldjer 
iperfonen bie SBereibigung ber 3cugen »er= 
boten 446. UnftattbaftigfeU ber blofeen 
äJerweifung be8 rommtffartfd) vernommenen 
3eugen auf ben im SJornerfabren geleifteten 
Gib 451. «erbädjtigfeit be8 3 72. 



3eugnif}unfaf)igfett bei 3ierurtl)eilung 
wegen 2?eibülfe sunt ÜKeincibe 72. 

3eugni§uern)eigerung ber Ehefrau eüteß 
redjtefraftig Sterurtljeilten gegen einen fpdter 
als Sijeilnebmer oerfelben Sljat 2lngeriagtcn 
153. 

3 immer, möblirte. ©teuerpftidjtigfeit biß 
gemerbßmäfjigen ütfermietbene foldjcr 130. 

3üd)tigungsred)t. SEBirlungeloftgreit ber 
lanöeögefcßlictjen 2?eftimmungen, roonad) bie 
rdmineUe iBcftrafung ber UeberfAreitung 
ber burd) ben öetjrer ausgeübten 3. außge« 
fcfil offen bleiben foU 436. 

Swangögefteltung, polijeilidje, gilt nid)t 
als »crbaftung 280. 

3n>angSoollftrecfung. Süeraufjerung üou 
$}ermögenöbeftanbtbetten bei brobenber 3- 
:W. Wtd>rerforberni& ber 8bft<fjt, bie »e- 
friebigung be« ©rerutionßfua)erS überbauet 
ju vereiteln 2t>9. 



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PruAfetilcr-Jertiljtiöung. 



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» WO „ 7 „ 

n IM n 1 . 

„ 182 „ liÜ „ 

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,,nod) ibreri" ftatt „nad) ibrem 
, , „Solle" ftat „Stelle". 



177 Reile 1 1 


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11 


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11 


391 


ii 


8 


392 


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20 



unten w T>iertäl)rifleu* ftatt „ einjährigen". 

oben „3uftijuern>altung3gefd)afte" ftatt „$un> 

uerioaltungägefelje" . 
unten „ber" ftatt „bie". 
oben „5Huorbnung" ftatt „Sleuberung". 
unten „vereinige ia)" ftatt „oereinigen fiaV'. 
oben „ber erftere" ftatt „Saturn uno ©ienft". 

„ „ber" ftatt „bie". 
unten „«ff er Daten" ftatt „«fferoatj»". 
oben „bei ber" ftatt „leiber" 
„ „ben" ftatt „bem* 



II II ** H 

„ 373 „ 20 „ 

n 373 „ 26 „ 

„ 375 „ 10 „ 



„jurütfwei 
„leine" ftat 



en" ftatt „juriitfrufen". 

„bie". 

abjuwebren" ftatt „abjuredmen". 
unten „mir" ftatt „nur". 

„ „Sor" ftatt „Son". 
oben „lefcten" ftatt „lederen". 
„ „ber" ftatt „bie". 
unten „©träfe" ftatt „©pradje". 
bei ber" ftatt „leiber". 
„fortuite" ftatt „fatuite". 
obetl „noxious" ftatt „nosious". 
„ 384 „ 39 „ „ „condannü* ftatt „eindannö*. 

„ „loera" ftatt „locra". 

feblt binter „bilben": „wollte", 
unten „einer* ftatt „eine", 
oben „reeipirt" ftatt „ereipirt". 
unten „getrennt" ftatt „gerannt". 
„ 391 „ 8 „ „ feblen binter „ber Sollenbung" bie fflorte: 

„unb wieberum al« fem ^eftanb* 
tbeil ber Sollenbung". 
oben „iöer" ftatt „öle*. 



I» " .7. " 

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n 380 „ 10 „ 
« 383 „ 3 „ 

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387 I 30 I 
h 31K) „ 18 „ 
„ 391 „ 11 „ 
„ 391 „ 11 „ 



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