Jahrbuch für sexuelle
Zwischenstufen unter besonderer ...
Wissenschaftlich-Humanitäres Komitee (Berlin, Germany).
'r
Jahrbuch
für
sexuelle Zwischenstufen
unter besonderer
Berücksichtigung der Homosexualität.
Herausgegeben
unter Mitwirkung namhafter Autoren
vom
wissenschaftlich-humanitären Comitäe
Leipzig und Berlin.
Leipzig
Verlag von Max Spohr.
1809.
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Inhaltsverzeichnis.
1
Die objektive Diagnose der Homosexualität ....
1
A. Die Abstammung ....
27
B. Kindheit
'21
(\ (Gegenwärtiger Zustand ...... 28
III. (Geschlechtstrieb 3:1
Vier Briefe »l
Zur ( 'harakterislik des Kupfertums
71
Die strafrechtlichen Bestimmungen gegen den gleichgeschlecht-
lichen Verkelii'
IH IM 11 III lv' III . . . . ■ . •
l )7
1. Dil« Altertum
97
1 Die asiat isc ] h »n Völker
l! l
•J. Di' 1 (Griechen
99
3. Die Römer
101
II. Das Mittelalter und die Neuzeit bis zum End«« de«
IS. Jahrhunderts ......
114
1. Dir Zeit vor den Karolingern
in
2. Das Recht der Karolinger ....
115
3. Das kanonische Recht ....
Iis
1. Die Carolina und die gemeinrechtliche Theorie
lind Praxis ......
119
f>. (Gesetzbücher des 17. und 18. Jahrhunderts
124
ti. Spanien und Frankreich ....
128
III. Das 19. Jahrhundert
131
1. Nicht mehr in (ieltung befindliche Gesetze
131
2. Die jetzt geltenden (Gesetze
13(>
X) Deutschland
13«
B) Die übrigen Staaten Europas
138
IV. Länder, die -den gleichgeschlechtlichen Verkehr
mehr oder weniger anerkennen ....
147
V. Lex ferenda und St rafgesetzent würfe
löl)
Ans dem Seelenleben des (Grafen Platen ....
ir>o
Bibliographische Literatur
21;")
M39
Vorwort.
Jede körperliche und geistige Eigenschaft, die man
als dem männlichen Geschlecht zukömmlich ansieht, kann
ausnahmsweise bei Frauen und jede gemeinhin für weib-
lich gehaltene Eigentümlichkeit kann vereinzelt bei
Männern auftreten. So entstehen eine ganze Reihe be-
sonders gearteter Individualitäten, die teils körperliche,
teils seelische, zum Teil körperliche und seelische Merk-
male des anderen Geschlechts aufweisen. Der Erforschung
und Erkenntnis dieser Zwischenstufen, dieser Zwitter in
des Wortes weitgehendster Bedeutung ist dieses Jahrbuch
in erster Linie gewidmet.
Wie das Volk in früheren Zeiten, die noch nicht so
gar lange zurückliegen, in gewissen krankhaften Störungen,
beispielsweise im Buckel etwas Verächtliches sah, so
tragen alle die hier in Rede stehenden regelwidrigen Bil-
dungen noch heute vielfach den Stempel einer besonderen
Monstrosität, ein ebenso unberechtigtes, wie unbegrün-
detes Vorurteil, denn die Träger derartiger Abweichungen
sind nicht bessere und nicht schlechtere Menschen wie
andere. Sie dem Verständnis ihrer glücklicheren Mit-
menschen näher zu bringen, wird eine weitere Aufgabe
•dieses Jahrbuchs sein.
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 1
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_ 2 -
Eine bestimmte Gruppe der uns hier beschäftigende»
Persönlichkeiten befindet sich in einer ganz besonders
üblen Lage, indem sie durch eine irrtümliche Voraus-
setzung der Gesetzgeber vor Jahrhunderten zu Verbrechern-
stigmatisiert, noch heute in den meisten Ländern als solche-
gelten, wiewohl die fortschreitende Naturwissenschaft be-
reits den Irrtum als solchen aufgehellt hat. An der Be-
seitigung dieser Strafbestimmungen, welche unbeabsichtigt
ein in seiner Art ganz einzig dastehendes internationales*
Erpresserturo, die Chantage, züchteten, mitzuarbeiten, soll
ein ferner Zweck dieser Annalen sein.
Aus der ihnen eingeborenen Natur entspringen für
die Konträrsexuellen gewisse Menschenrechte, Pflichten
imd Sonderinteressen; sie werden hier sorgfältigste Prüfung:
und thunlichste Berücksichtigung erfahren.
Mit diesen Vornahmen wendet sich unser Werk an-
alle Mediziner und Juristen, an alle ferner, denen das-
Goethesche Wort „Das höchste Studium der Menschheit
ist der Mensch" ein Wahr wort ist, nicht zuletzt aber auch,
an die konträrsexuellen Männer und Frauen selbst*)
Das Jahrbuch erscheint auf Veranlassung des wissen-
schaftlich-humanitären Komitees, das sich im Mai 1897
zu Berlin und Leipzig konstituierte, um Sorge tragen zu,
helfen, dass aus zweifellosen Forschungsergebnissen die
praktischen Konsequenzen gezogen werden und das als-
seine erste Aufgabe ansah, für die Abschaffung des „Ur-
ningsparaphen * thätig zu sein.
Das Komitee hat nach dieser Richtung mit grossem.
Eifer eine sehr umfassende Thätigkeit entfaltet und.
manchen schönen Erfolg zu verzeichnen. Es hat vor-
*) Dieee werden hiermit aufgefordert, sich vertrauensvollst an
an das wissenschaftlich-humanitäre Komitee (Charlottenburg, Berliner-
strasse 104 oder Leipzig, Sidonienslr. 19 B I zu Händen des Komitee-
Sekret nrs Max Spohr) zu wenden, auf dessen strengste Diskretion,
sie rechnen dürfen.
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— 3 —
allem eine Petition in Umlauf gesetzt, die bei einer sehr
grossen Anzahl unserer ausgezeichnetsten Gelehrten und
Künstler vollste Zustimmung, ja zum Teil eine begeisterte
Aufnahrae fand.*) Das Komitee hofft, dass auch dieses
Jahrbuch dazu beitragen wird, dass nicht eine Straf-
bestimmung in das neue Jahrhundert übergeht,» deren
Fortdauer einen Flecken auf dem Schilde der deutschen
Justiz bedeuten würde.
So möge denn dieses Buch hinausziehen in die
deutschen Lande und überall als das angesehen werden,,
was es zu sein anstrebt, als ein Werk der Nächstenliebe
und wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit.
Berlin-Leipzig,
Januar 1899.
Die Herausgeber.
*) Näheres über diese Petition finden die Leser an anderer
Stelle dieses Buches.
I*
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Die objektive Diagnose der
Homosexualität.
Von
Dr. med. M. Hirschfeld-Charlottenburg.
Der homosexuelle Mensch darf nicht allein in seiner
Sexualität, er muss in seiner gesamten Individualität auf-
gefasst und erforscht werden. Seine geschlechtlichen
Neigungen und Abneigungen sind nur Symptome, sekun-
däre Folge-Erscheinungen, das primäre ist seine Psyche
und sein Habitus in ihrer Gesamtheit.
Das wertvollste Ergebnis der Forschungen auf homo-
sexuellem Gebiet ist die Ermittelung, dass zwischen Manu
und Weib in allen geistigen und körperlichen Punkten
nur graduelle, quantitative Unterschiede bestehen, dass
zwischen ihnen nach allen Richtungen Mischformen in
ausserordentlicher Mannigfaltigkeit vorkommen, an deren
Grenzen, so paradox es klingen mag, Männer mit weib-
lichen und Frauen mit männlichen Geschlechtsteilen
existieren. Die Natur ist eben auch hier von ihrem überall
bestätigten Gesetz, dass sie nicht sprungweise, sondern
übergangsweise arbeitet, nicht abgegangen.
Herbert Spencer nannte einmal das Weib einen in
der Entwicklung stehengebliebenen Mann. Das ist schon
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5 —
deshalb unrichtig, weil das Weib zahlreiche Organe und
Funktionen besitzt, die wesentlich weiter vorgeschritten
sind, wie die entsprechenden männlichen. Mit ungleich
grösserem Recht könnte man den Urning einen in der
Entwickelung stehen gebliebenen Mann, die Urninde ein
in der Entwickelung zu weit vorgeschrittenes Weib
nennen.
Es ist bedauerlich, dass man dieses plus oder minus
der Entwickelung am Neugeborenen nicht ebenso ad oculos
demonstrieren kann, wie etwa die Hasenscharte, welche
ja gleichfalls eine Evolutionshemmung darstellt. Wenn
die Augehörigen des „dritten Geschlechts" bei der Ge-
burt ebenso leicht zu erkennen wären, wie die beiden an-
deren Geschlechter, die Frage der Homosexualität wäre
wohl nie eine Frage geworden. Solange dies nicht mög-
lich ist, werden Ignoranten immer noch das Märehen von
der Widernatnrlichkeit, von der Uebersättigung und der
abscheulichen Sünde wiederholen, als würdiges Seitenstück
zu jenem ostpreussischeu Pfarrer, der noch vor nicht
langer Zeit die Erdbewegung leugnete, weil ihm die bib-
lische Ueberlieferung beweiskräftiger erschien, wie natur-
wissenschaftliche Forschungsergebnisse.
Dass man einst dahin kommen kann, den Urning bei
seinem Eintritt in die Welt zu diagnostizieren, halten wir
übrigens nicht für so ausgeschlossen, wie es auf den ersten
Blick erscheinen milchte. So erschien es uns, als ob die
überzähligen cougenitalen Brustwarzenrudimente, welche
nach dem Nabel zu in regelmässigen Abständen con ver-
gierend beobachtet werden, — manchmal als ziemlich
deutlich ausgeprägtes Brustwärzchen, öfter als ein ein-
facher mehr oder weniger grosser Pigmentneck, hie und
da nur als ein brauner Pimkt oder ein langes Haar kennt-
lich — bei Männern fast regelmässig, bei Frauen sehr
selten vorkommen, bei Urningen dagegen fast nie, bei
Urninden fast stets vorhanden sind. Wir sind weit ent-
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— 0 —
fernt, dieser Beobachtung bei dem immerhin nur gering-
fügigen Material einen diagnostischen Wert beizumessen,
aber sie bietet vielleicht einen Fingerzeig zur Nachkon-
trolle und zur Auffindung ähnlicher Kriterien.
Mit grossem Scharfsinn schrieb schon vor Jahrzehnten
ein Darmstädter Arzt an Ulrichs, als derselbe mit seinen
ersten Veröffentlichungen hervortrat: „ Exakte Forschungen
müssen angestellt werden an Urningen und NichtUrningen
über mögliche und wahrscheinlich vorhandene anatomische
Unterscheidungen körperlicher Bestandteile, um hierauf
gegründet, einen unzweifelhaften körperlichen Unterschied
in der Natur beider behaupten zu können."
Von Bedeutung wäre es in dieser Hinsicht beispiels-
weise, Blutproben homosexueller Individuen zu unter-
suchen. Zweifellos ist die Hautfarbe urnischer Männer
in sehr vielen Fällen auffallend weiss, rosig und zart.
Welker fand beim Manne 5, bei der Frau 4^2 Millionen
Blutkörperchen auf 1 Kubikzentimenter Blut, der Hämo-
gobingehalt ist bei der Frau um 8% geringer, als beim
Manne. Das männliche Herz schlägt bei fast allen Tieren
langsamer als das weibliche. Der Puls des Löwen be-
trägt 40 (Dubois) der der Löwin 68 (Colin), der des
Schafbocks 68, des Mutterschafs 80 (Delaunay, Etudes etc.
p. 47). An einer sehr grossen Beobachtungsreihe fanden
M'Kendrick, Guy und andere Forscher die durchschnitt-
liche Pulszahl beim Manne 72, beim Weibe 80.
Objektiv muss ferner bei Urningen und Urninden
die grobe Kraft ermittelt werden. Feststellungen mit
dem Dynamometer zeigten, dass die Kraft der Frauen-
hand durchschnittlich um ein Drittel geringer ist, als die
der Männerhand.
Weiterhin wird es sich empfehlen, bei Homosexuellen
den Zwischenraum zwischen den ersten beiden Zehen zu
prüfen und die Fähigkeit, dieselben von einander zu
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— 7 —
■spreizen. Ottolenghi und Carrara (II piede prensile nei
alienati e nei delinquenti. Arch. di Psich. 1892 fesc.
4—5) haben die Füsse einer grossen Zahl von Personen
beiderlei Geschlechts untersucht, um durch Messung des
Zwischenraums zwischen grosser und zweiter Zehe zu be-
stimmen, inwieweit sich der Fuss dem ursprünglichen
»Greiffuss nähert Sie fanden diesen Zwischenraum und
<las Spreizvermögen bei Frauen sehr viel stärker aus-
gesprochen, obgleich die Neigung der Frauen, den Fuss
zusammenzupressen, eher das Gegenteil erwarten liesse.
Im übrigen ist die Unterscheidung zwischen Mann
und "Weib keineswegs in allen Punkten so leicht, wie es
uns durch die Kleidung gemacht wird. Es giebt so viele
Ausnahmen, dass es schwer ist, Regeln aufzustellen. Je
umfassender die anthropologischen Untersuchungen sind,
um so unbestimmter und verwickelter werden die Resul-
tate. Viele Unterschiede haben bei schärferer Beobach-
tung sich als künstlich, andere als irrig herausgestellt.
Ersteres gilt beispielsweise von der Atmung, letzteres von
der Grösse des Gehirns.
Bei zivilisierten Rassen atmet der Mann vorwiegend
abdominal, d. h. mit Zwerchfell und Bauchmuskeln, die
Frau mehr costal, d. h. mit den Brustmuskeln. Der
kindliche Atmungstypus ist in den ersten Jahren wesent-
lich abdominal. Sehr sorgfältige Untersuchungen ver-
schiedenster Forscher erwiesen, dass diese Geschlechts-
unterschiede der Atembewegungen lediglich das durch
Vererbung befestigte Resultat einer künstlichen Ein-
schnürung durch die gewöhnliche Frauenkleidung ist.
In der verschiedenen Schwere des Gehirns wollte
man lange ein fundamentales Geschlechtsmerkmal sehen,
bis von Bischoff, Vierordt*) u. a. ermittelten, dass
*) W. v. Bischoff, Das Hirngewicht des Menschen, Bonn 1880.
H. Vierordt, Das Massenwachstum der Körperorgane des Menschen
(Arch. f. Anat. und Physiol. 1892.)
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Frauen sogar ein relativ grösseres Gehirn besitzen als
Männer.
Auch der Schädel, die Hand und das Becken können
bei der Differentialdiagnose im Stich lassen. Aeby und
andere Forscher erklärten, dass sich ausser der Grösse
absolut keine Differenzen am Schädel nachweisen lassen,,
selbst der kompetenteste Kraniologe Virchow behauptet,,
dass es „bei den Nicht-Europäern ausserordentlich schwie-
rig sei, aus dem Schädel das Geschlecht zu erkennen."
Mit Bezug auf die Hand gab der Anatom Pfitzner an r
nachdem er hunderte von skelettierten Händen sorgfältig
untersucht, dass er absolut ausser Stande sei, die Hand
eines Mannes von der eines Weibes zu unterscheiden.
Am beständigsten und unanfechtbarsten ist noch das
Becken. Aber auch hier betont Havelock Ellis*), dass
bei zahlreichen niederen Rassen die Beckenmasse so wenig
von einander abweichen, dass, „von hinten betrachtet die
Weiber kaum von den Männern zu unterscheiden sind."
Angesichts dieser Verhältnisse können wir uns in den
Geschlechtsunterschieden nur an Durchschnittstypen halten,
die noch verhältnismässig am konstantesten in folgenden
fünf Gruppen zu Tage treten:
I. In den Bildungsstätten der Keimzellen.
Beim Weibe: Eierstock für Eizellen.
Beim Manne: Hode für Samenzellen.
H. In den Aus- und Einfuhrwegen der Keimzellen.
Beim Weibe: Eileiter; Gebärmutter; Scheide.
Beim Manne: Nebenhode, Samenleiter, Glied.
III. In körperlichen Eigentüml ichk eiten, die mi t
der ersten Keifung und Abstossung der Ei-
und Samenzellen eintreten.
*) Dr. Havelock Ellis : Mann und Weib, anthropologische und
psychologische Untersuchung der sekundären Geschlechtsuntorschiede.
Deutsch von Dr. H. Kurella, Leipzig, Wiegende Verlag.
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Beim Weibe: Wachstum der Brüste. Eintritt der
Periode, Haupthaar auf dem Scheitel.
Beim Manne: Wachstum des Kehlkopfs, (Stimm-
wechsel), Wachsen der Barthaare.
IV. In geistigen Unterschieden. Unter andern:
Das Weib reproduktiver, anhaltender, treuer, prak-
tischer, gemütvoller, reizbarer, kindlicher, äusserlicher,
kleinlicher als der Mann. Der Mann aktiver, produk-
tiver, wechselnder, unternehmungslustiger, ehrgeiziger,
härter, abstrakter als das Weib.
V. Im Geschlechtstrieb.
Das Weib fühlt sich vom Manne,
Der Mann vom Weibe angezogen.
Von hohem Belang ist es, dass sämtliche
dieser Unterschiede aus einer einheitlichen Ur-
anlage hervorgehen.
Die erste Gruppe, Eierstock und Hode, entstehen aus
den in der fünften Fötalwoche bei beiden Geschlechtern
noch ganz gleich beschaffenen Geschlechtsdrüsen, die auf
das neben den Urnieren belegene Keimepithel zurück-
zuführen sind. Die Eierstöcke bleiben in der Leibes-
höhle, die Hoden sinken kurz vor, manchmal auch erst
beträchtliche Zeit nach der Geburt durch den Leisten-
kanal in den Hodensack.
Auch die Keimzellen sind identische Gebilde; der
Kern der Eizelle ist dem Kopf der Samenzelle, der Ei-
dotter dem Geisselfaden des Samens analog.
Die zweite Gruppe, die Organe für die Emission und
Kezeption der Keimstoife entstehen aus den Urnieren,-
den Urnierengangen und den Müllerschen Gängen, welche
erst von der neunten Woche an verschiedene Gestaltung-
erfahren. Beim männlichen Geschlecht wird aus dem
vorderen Teil der Urniere der Kopf des Nebenhodens,,
aus dem Urnierengane: die übrigen Teile des Nebenhodens-
sowie der Samenleiter, aus welchem sich die Samenbläschen
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ausbuchten. Die Müllerschen Gänge verkümmern und
sind später nur noch als Rudiraentärgebilde nachweisbar.
Auf das obere Ende des Müllerschen Ganges ist die un-
gestielte Hydatide des Nebenhodens, auf das untere ver-
schmolzene Ende die männliche Gebärmutter (Uterus
masculinus = vesicula prostatica) zurückzuführen. Auch
von dem hinteren Teil der Urniere erhalten sich nur
Reste, es sind das die vasa aberrantia des Nebenhodens
und das Organ Giraldes, die Paradidymys.
Beim Weibe wird aus dem vorderen Teil der Ur-
niere der Nebeneierstock (Epoophoron), aus dem hinteren
Teil das Paroophoron. Die Urnierengänge bilden sich
zurück und sind später nur noch in ihren Resten als
-Gärtnersche Kanäle in der Uteruswand nachweisbar.
Zu ausserordentlicher Entfaltung gelangen die Müllerschen
•Gänge. Ihre vorderen Teile werden zu den Eileitern,
der hintere unpaare Abschnitt gestaltet sich zur Gebär-
mutter und Scheide.
geschlechtslos
Geschlechtsdrüsen
Mann
Jfebenhodi
J Mrf
Weib
$amtr.strcr.(j
Scmenök/e
[ x Jühutknlttt
Diese massige Entwickelung der weiblichen Organe
erfordert reichlicheren Platz und übt naturgemäss einen
Druck auf die umgebenden Teile aus, der sich auf den
m och nachgiebigen Beckengürtel fortpflanzt und die breite,
platte Form des weiblichen Beckens bewirkt, die dasselbe
zum Fruchtbehälter so wohl geeignet macht.
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Auch die äusseren Geuitalien sind im Anfang bei
beiden Geschlechtern gleich beschaffen. In der sechsten
Fötalwoche erhebt sich über der Kloake, dem gemein-
samen Ausgang von Blase und Mastdarm, welche erst in
der 10. Woche durch die von innen hervorwachsende
Scheidewand, den Damm in zwei Oeffnungen zerfällt, der
kleine Geschlechtshöcker. Unter diesem sehen wir im
Verlauf des zweiten Monats eine Rinne, die Geschlechts-
furche der Kloakenmündung zustreben, neben deren
Rändern zwei Hautwülste, die Geschlechtsfalten sich her-
vorwölben. Beim Weibe ändert sich dieses Bild nur
wenig, der Geschlechtshöcker wird zur Clitoris, die Ge-
schlechtsfurche vertieft sich zur Scheide, aus ihren Rändern
bilden sich die kleinen Schamlippen, während die Ge-
sell lechts wülste später die grossen Schamlippen darstellen.
Beim Manne schreitet die Entwickelung weiter vor.
Der Geschlechtshöcker wird länger und wächst zum Penis.
Die Ränder der Geschlechtsfurche verwachsen über der
Rinne, die zur Harnröhre wird und auch die Geschlechts-
falten vereinigen sich in der Meridianlinie zur Bildung des
Hodensacks.
geschlechtslos I ^geschlechtslos R
Kloake
/Gescfu'echtshScker
6e:chlecktswülsl§
csiAlecfiJsfaltM
GeschleüitsriniiB
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Jftannl
JAann n
Geschlechtswuk:
Geschlechtsfalte
Geschlechtsrinnc
j)amm
xAfter
r- Geschlechtsrinne
tichel
Vorhaut
-ßodensach^
densacknaht
Weibl
YfeibE
Qlitoris
Geschlechts Wu Ist
Geschlechtsfalte
ingangzur Scheide
Damm
-After
J
dK
Dass die dritte Gruppe der Geschlechtsunterschiede
aus einer einheitlichen Anlage hervorgeht, lehrt der blosse
Augenschein. Kehlkopf, Stimme, Brüste und Behaarung
zeigen im Kindesalter so geringe Geschleehtsuuterschiede,
dass die Eltern im wohlwcisen Instinkt möglichst früh-
zeitig bemüht sind, diesen mangelhaften Unterschied durch
verschiedene Tracht deutlicher zu veranschaulichen.
Erst in der Pubertät nimmt beim Weibe die Brust,
beim Manne^ Kehlkopf und Stimme rapide zu, während
der weibliche Kehlkopf und die männliche Brust infantil
bleiben. Bald darauf sehen wir bei beiden Geschlechtern
verschiedene Partien der Haaranlage teils sich stärker
entwickeln, teils im Rudimentärzustand verharren. Im
Tierreich spielt grade der reichlichere Haarwuchs als-
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geschlechtliches Merkmal eine grosse Rolle. Beim Menschen
ist dieser Unterschied im Haarkleid fast ausgeglichen bis
auf den Bartwuchs beim Manne und das stärkere Kopf-
haar des Weibes. Letzteres ist besonders bei den Völkern
bemerkbar, wo beide Geschlechter die Haare lang tragen.
Bei ihnen erreicht das ungeschnittene Haar des Mannes
fast nie die Länge des Frauenhaars.
Selbst die „monatliche Regel," die reichliche Zu- und
Abfuhr von Blut, welche beim AYeibe mit der Ausstossung
des reifen Ei's stattfindet, hat beim Manne ein Analogon.
Prof. Paul Albrecht wies vor einiger Zeit darauf hin, dass
in regelmässigen Zwischenräumen beim Manne im Urin
weisse Blutkörperchen auftreten, drei bis vier Tage deutlich
nachweisbar sind und dann wieder verschwinden. Er
selbst erblickt in diesem Vorgang „eine Art Menstruation.''
Wenden wir uns nun der vierten Gruppe, den geistigen
Geschlechtsunterschieden zu, so zeigt das Kind in seinem
Denken, Fühlen und Wollen wohl individuelle, durch sein
Temperament bedingte, aber keine geschlechtlichen Ab-
weichungen. Das Kind ist, wie der Sprachinstinkt es auch
richtig erfasste, neutrius generis. In seiner Reaction auf
physische und psychische Reize, in seinem Gemüt, seiner
Produktivität und Reproduktivität zeigt es weder den
männlichen noch den weiblichen Charakter. Zwar wirken
auch hier schon frühzeitig Suggestionen; man giebt dem
Mädchen Puppen, dem Knaben Soldaten in die Hand und
lehrt sie, dass sich dieses nicht für ein kleines Mädchen,
jenes nicht für einen kleinen Jungen schickt.
Doch deutlich differenziert sich der junge Mensch
geistig erst in der Reifezeit und zwar bleibt das Durch-
schnittsweib dem Kinde näher, wie der Durchschnitts-
mann. In ihrer Anhänglichkeit, ihrer verhältnismässig
grossen Empfänglichkeit für kleine und der verhältnis-
mässig geringen Empfänglichkeit für grosse Ereignisse, in
der Disposition zum Weinen, Lachen, Schmollen, Erröten,
■
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— H —
Zürnen, ihrem Hassen und Lieben, in ihren abergläubischen
Instinkten hat sich das Weib vom Kinde nicht gar weit
entfernt. Auch in der Widerstandsfähigkeit gegen Gifte,
wie Opium, Alkohol und der Art auf dieselbe zu reagieren,
zeigt der weibliche Organismus die grösste Verwandtschaft
mit dem kindlichen.
Diese Jugendlichkeit der Frauen, die Diderot ver-
anlasste, sie als die „wahren Naturkinder u zu bezeichnen,
bedingt durchaus an sich keine Inferiorität des weiblichen
Geschlechts. Im Gegenteil, sie befinden sich mit dieser
kindlichen Art in bester Gesellschaft, in der Gesellschaft
des Genies. Durchaus zutreffend sagt Havelock Ellis:
„ Betrachten wir die höchsten menschlichen Typen, wofür
ja die genialen Menschen gelten, so finden wir eine über-
raschende Annäherung an den kindlichen Typus. Geniale
Menschen sind gewöhnlich von kleiner Statur und massigem
Gehirn, das sind auch die beiden Hauptmerkmale des
Kindes und ihr allgemeiner Gesichtsausdruck wie ihr
Temperament, erinnern an das Kind. „Ihr Griechen, bleibt
immer Kinder," das war der Eindruck, den dasjenige Volk
auf die Römer machte, welches wir als die höchststehende
Rasse zu betrachten gewohnt sind, welche die Welt bisher
hervorgebracht hat."
Wie die besprochenen Gruppen der geschlechtlichen
Unterschiede, so ist endlich auch die letzte, der Geschlechts-
trieb, von Hause aus neutral, einheitlich. Namentlich ist
es Professor Max Dessoir gewesen, der in seiner Studie:
zur Psychologie der Vita sexualis*) überzeugend aus-
führte, dass ein undifferenziertes Geschlechtsgefühl im
Durchschnitt in den ersten Jahren der Pubertät bei Knaben
sowohl wie bei Mädchen das Normale sei. Es ist zweifellos^
dass kleine Kinder in ihrer Liebe keiuen Unterschied
machen, obwohl man den Hans früh suggeriert, dass
*) Dessoir. Allg. Zeitschrift f. Psychiatrie 1894. Heft V.
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G retchen seine Braut sei und umgekehrt. Ja im späteren»
Kindesalter hat es sogar den Anschein, als ob sich die-
überschwänglichen Schulfreundschaften, welche durchaus
nicht immer nur für die Seele, sondern für Seele und
Körper der geliebten Person „schwärmen," mehr auf das
eigene, als auf das andere Geschlecht erstrecken.*) Es
spricht vieles dafür, dass überhaupt dem Geschlechtstriebe
ursprünglich keine bestimmte Richtung angeboren war,.,
sondern dass lediglich die gegenseitige Ergänzung, die
Congruenz der Genitalien, vor allem der Wunsch Kinder
zu haben, die Erhaltung der Familie, den Menschen ver-
anlasste, die Liebe zum anderen Geschlecht zu bethätigen,
sodass diese durch tausendjährige Vererbung immer mehr
erstarkte, während die gleichgeschlechtliche Anlage bei der
Mehrheit schliesslich bis auf ein kaum noch merkliches
Rudiment verkümmerte.
So sehen wir, dass die Behauptung, sümtlicheGeschlechts-
unterschiede seien nur Gradunterschiede „bis aufs Haar"
stimmt. In einigen Stücken hat das Weib, in anderen
der Mann eine höhere Stufe der Entwicklung erklommen ;
allein, alles, was das Weib besitzt, hat, wenn auch in
noch so kleinen Resten der Mann ebenfalls und ebenso
sind bei jedem Weibe Spuren aller männlicher Eigen-
tümlichkeiten nachzuweisen.
In allen fünf Gruppen kommt es nun aber
vor, dass gewisse Teile zu weit fortschreiten,,
andere zu früh stehen bleiben. Es entstehen da-
durch zahlreiche Uebergänge und Abweichungen,,
die umso häufiger sind, je später die Gruppe zur
Differenzierung gelangte. Je frühzeitiger ein
Geschlechtsmerkmal festgelegt zu werden ptlegt^
umso sicherer arbeitet die Natur.
*) Man vgl. darüber Dr. A. Hoche. Die forensische Beurteilung;
sexueller Vergehen. Neurologischt-s Centralblatt 1896. Nr. 2.
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— 10 —
Am wenigsten missglückte Exemplare finden wir in
den Keimdrüsen, welche sich zuerst und zwar in der
fünften Fötalwoche bilden. Die Wanderung der männlichen
.Keimstöcke, die erst um die Zeit der Geburt vor sich geht,
misrät bei weitem öfter, indem ein Hode oder beide unter-
wegs stecken bleiben (Kryptorchismus) ; der wahre Herma-
phroditismus jedoch, das darin bestehen würde, dass ein
Individuum gleichzeitig einen Hoden und einen Eierstock
besitzt, ist zwar verschiedentlich beschrieben, aber noch
von keinem über jeden Zweifel erhabenen Beobachter ver-
bürgt worden. Dagegen haben Yirchow und andere zu-
verlässige Forscher Fälle berichtet, in denen die anfangs
identischen Geschlechtsdrüsen einen so wenig ausgeprägten
Bau zeigten, dass es unmöglich war zu entscheiden, ob es
sich um einen Hoden oder einen Eierstock handelte.
Ungleich häufiger sind schon die Abweichungen der
zweiten Gruppe, die man unter der Bezeichnung: Herma-
phroditismus falsus zusanimenfasst. Das sind die Fälle
wo der Laie bei der Geburt beim besten Willen nicht
entscheiden kann, ob ein Knabe oder ein Mädchen vorliegt.
Es giebt Frauen, bei denen der Geschlechtshöcker
so weit vorgeschritten ist, dass er durchaus dem männ-
lichen Gliede gleicht, die grossen Schamlippen oder rich-
tiger die Geschlechtswülste können sich so eng aneinander-
legen, dass sie einen Hodensack vortäuschen, besonders,
wenn in solchen Fällen auch die Eierstöcke in die grossen,
Schamlippen wandern.
Bei Männern kommt es vor, dass der Geschlechts-
höcker sich so kümmerlich entwickelt, dass er den Ein-
druck der weiblichen Clitoris macht, die Hoden können
in der Leibeshöhle liegen bleiben und die Geschlechts-
wülste nicht zusammenwachsen, sodass man glauben muss,
den Eingang zur Scheide vor sich zu haben.
Diese Vortäuschungen haben vielfach zu unangenehmen
■"Verwechslungen Anlass gegeben. Im Prager Gebärhause
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- 17 -
wurde ein junges Mädchen entbunden, die immer wieder
beteuerte, nie geschlechtlichen Umgang gehabt zu haben
allerdings habe sie mehrfach mit einer Schlafgenossin das
Bett geteilt. Die polizeiärztliche Untersuchung der letz-
teren ergab ein ganz kurzes Glied und einen klaffenden
Hodensack und die Behörde sorgte dafür, dass die
nichtsahnende Schlafgenossin schleunigst Männerkleidung
anlegte.
Von fünf ähnlichen Fällen, die ich selbst zu be-
obachten Gelegenheit hatte, seien noch zwei kurz erwähnt.
Ein 28jähriges „Mädchen" (Weberin) kam zu Prof.
L. und bat um ein Attest, dass sie ein Mann sei.
Es waren ihr schon früher über ihr Geschlecht Zweifel
aufgestiegen, mit denen sie aber zurückhielt, um nicht
„zum Militär genommen zu werden." Jetzt hatte sie sich
in ein Mädchen verliebt, die sie heiraten wollte. Da die
Untersuchung ähnliche Verhältnisse ergab, wie in dem be-
schriebenen Fall, erhielt sie die Erlaubnis, vom 1. Jan. 1898
ab männlichen Vornamen und männliche Tracht an-
zulegen; „aus der Weberin ist ein Weber geworden."
Ein weiterer Fall betrifft das Mannweib, deren Bild
wir beifugen. Sie wurde von Virchow der Berliner medi-
zinischen Gesellschaft vorgestellt. Mit einem starken
Bart und langem Kopfhaar geschmückt, sieht sie von
vorne betrachtet einem Manne, von hinten einer Frau
vollkommen gleich. Sie trägt Herrenkleidung, ist mit
einem Manne glücklich verheiratet, zieht aber den Ver-
kehr mit Frauen vor, menstruiert regelmässig und hat
zwei Fehlgeburten gehabt.
Eine ganze Keihe von Fällen sind in der Literatur
verzeichnet und zum Teil noch als Spiritus-Präparate der
anatomischen und pathologischen Institute aufbewahrt,
wo die äusseren Genitalien ganz oder grösstenteils mäun-
lich waren, daneben aber Scheide, Gebärmutter und Ei-
leiter bestanden, die Müllcrschen Gänge mithin nicht ver-
.Tahrbuch ttir homosexuell)* Fotnchungon. 2
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20 —
kümmert, sondern zur vollen Entwicklung gelangt waren.
Die Keimdrüsen tragen in solchen Fällen fast stets den
Charakter von Hoden.
Seltener und mehr bei Tieren beobachtet ist der um-
gekehrte Fall, in dem die äusseren Genitalien weiblich
sind, Uterus und Eileiter fehlen, dagegen neben Eier-
stöcken, Samenleiter, Samenbläschen und Prostata
existieren.*)
Betrachten wir nun die Abweichungen in der dritten
Gruppe der Geschlechtsunterschiede, die sich ja erst
wesentlich später differenzieren, so überragen dieselben
wiederum an Häufigkeit bei weitem die bisher genannten.
Was die Behaarung anlangt, so gehören Frauen mit
mehr oder weniger gut entwickeltem Barthaar, vom zarten
Flaum bis zum stattlichen Vollbart, durchaus nicht zu
den Seltenheiten. Auch in der Länge des Kopfhaars
kommen Umkehrungen vor.**)
Männer mit vollkommen weiblichen Brüsten, Gynäko-
masten, sind wiederholt ausführlich beschrieben worden.***)
In Krafft-Ebings Psychopathia sexualis (S. 259) findet
sich die Autobiographie eines Arztes, welcher vom 13.
bis 15. Jahr Milch in den Brüsten hatte, welche ihm ein
Freund aussaugte. Ich selbst sah vor kurzem einen im
übrigen normalsexuellen Patienten von 58 Jahren, der auf
der rechten Seite eine vollkommen weibliche Brustdrüse,
links ein vollkommen männliches Brustwarzenrudiment
*) Man vergleiche) : Beitrog zur Lehre vom Hermaphroditis-
mus spurius masculinus internus von Dr. med. K. Raakc, Würzburg»
Stahelschcr Verlag 189(>.
**) Man vgl. M. Bartels: Ucber abnoime Behaarung beim
Menschen in der Zeitschrift für Ethnologie, Bd. XIII, ferner L.
Harris-Li8ton: Cascs of bearded women. (British, med. Journ. 1894,
2. Juni.)
***) Man vgl.: die Zwitterbildungen, Gynäkomastie, Feminismus,
Hermaphroditismus von Dr. E. Laurent, deutsch von Kurella,
Wiogands Vorlag, Leipzig.
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— 21 —
besass. Wesentlich zahlreicher als die Extreme sind
die Zwischenstufen, in denen die männliche Brustwarze
ungewöhnlich stark hervortritt oder von einem auffallend
grossen Warzenhof umgeben ist.
Analog den genannten Fällen finden wir nun auch
vielfach Frauen mit plattem, d. h. ausgesprochen männ-
lichem oder kindlichem Brusttypus, bei denen von einem
üppigen Busen auch nicht das mindeste wahrzunehmen ist.
Bezüglich des Kehlkopfs sind sowohl Männer mit
weiblicher Kehlkopfbildung und Stimme (Chansonetten-
parodisten, Damenkomiker etc.) als Frauen mit entsprechend
männlichem Habitus kein vereinzelter Befund. Der Laryn-
gologe Flatau untersuchte auf Molls Veranlassung den
Kehlkopf homosexueller Weiber und fand bei einigen
vollkommen männlichen Typus; bei homosexuellen Männern
sind weibliche Halsformen, bei denen auch nicht die Spur
eines Adamsapfels sichtbar ist, etwas ganz gewöhnliches.
Dass die vierte Gruppe, die geistigen Geschlechts-
unterschiede sehr viele Ausnahmen erleiden, lehrt die
Geschichte und die tägliche Erfahrung. Es giebt Männer
mit dem zarten weichen Gemüt einer Marie Baskicrtschew
init weiblicher Treue und Schamhaftigkeit, mit über-
wiegend reproduktiver Veranlagung, mit fast unüberwind-
licher Neigung zu weiblichen Beschäftigungen wie Putz
und Kochen, auch solche die an Eitelkeit, Koquetterie,
Klatschsucht und Feigheit das weibischste Weib hinter
sich lassen und Frauen giebt es, welche wie Christine von
Schweden an Energie und Grosszügigkeit, wie Sonja Kowa-
lewsca an Abstraktheit und Tiefe, wie viele moderne
Frauenrechtlerinnen an Aktivität und Ehrgeiz, welche an
Vorliebe zu männlichen Spielen, wie Turnen und Jagen,
an Härte, Rohheit und Tollkühnheit den Durchschnitts-
manu hoch überragen. Es giebt Frauen, die mehr an die
Oeffentlichkeit und Männer, die mehr in die Häuslichkeit
passen. Es giebt nicht eine spezifische Eigenschaft des
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— 22
Weibes, die sich nicht auch gelegentlich beim Manne,
keinen männlichen Charakterzug, der sich nicht auch bei
Frauen fände.
Und auch
hier kommen
wir nicht sel-
ten in die Lage
dass wir be-
stimmt glau-
ben, die fes-
ten, sicheren
Züge eines
ausgesproche-
nen Mannes
vor uns zu ha-
ben, während
es sieh in
Wirklichkeit
um eine weib-
liche Hand-
schrift handelt
Bild eines urni-ichon M;inncs. und ebenso
können wir an Männern die zierlichen zarten weiblichen
Schriftzügen beobachten.
Was den Gang anlangt, so erkannte schon Luvenal
die Urninge „incessu", am Ein Ii erschreiten. Die Frau
macht kleinere, trippelndcre Schritte und bewegt die
Hüften und den Nacken, wenn auch oft nur in geringem
(irade, der Mann hält den Itumpf ruhiger und hat ein
strammeres festeres Auftreten. Wer aber je hundert Männer
und Frauen daraufhin auf der Strasse betrachtete, wird
unter dieser Menge durchschnittlich bis 10 Frauen mit
männlich gravitätischem und etwa ebenso viele Männer
mit weiblieh tänzelndem Gang beobachten können.
Kineo klassischen Beleg für weibliche Bewegungen
In engstem
Zusammen-
hang mit der
Psyche steht
die Schrift und
der Ganir,
welch* letztrer
keineswegs
allein durch
anatomische
Verhältnisse
bedingt ist.
Beide wurzeln
tief in der In-
dividualität
und führen für
den Kenner
eine beredte
te.
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— 23 —
bei einem Manne finden wir in Dio Cassius römischer
Geschichte verzeichnet (Buch 79, Kap. 16) an der Stelle,
wo dieser Historiker den römischen Kaiser Antoninus
Heliogabalus ( 218 — 222 v. Chr.) schildert, der der Typus
eines femininen Uraniers war. „Als der schöne Athlet
Aurelius Zoticus in den Palast trat*, so erzählte Dio „und
ihn grüsste mit den üblichen Worten: „sei gegrüsst, Herr
und Kaiser", bewegte er den Nacken seltsam wie ein
Mädchen und drehte koquett die Augen und sprach:
„Nenne mich nicht Herr, Deine Herrin bin ich"; er sank
dem Aurelius an die Brust und nahm an seinem Busen
ruhend wie eine Geliebte (wgnsQ ng fywttfvrj) das Mahl*
Auch in der letzten Gruppe fehlt es nicht an ana-
. logen Inversionen, im Gegenteil sie scheinen an Häufigkeit
die bisher genannten noch zu übertreffen. So schlecht es
in die "Weltordnung zu passen scheint, es ist nun einmal
so, dass es Frauen giebt, deren sexuelles Begehren nicht
der Mann, sondern das Weib ist und Männer, die sich
nicht vom Weibe, sondern nur vom Manne angezogen
fühlen. Und auch hier sind neben den extremen Fällen
Zwischenstufen sehr verbreitet, man nennt sie psychische
Hermaphroditen, Bisexuelle, es sind Personen, die in ganz
verschiedenen Stärkegraden zu beiden Geschlechtern in-
klinieren.
So sehen wir, wie sich in allen Gruppen die Grenzen
verwischen und wie der bei oberflächlicher Betrachtung
so gross ersehe inende Unterschied der Geschlechter keine
prinzipielle Trennung sondern lediglich eine graduelle
Verschiedenheit da rstellt.
Von höchster Wichtigkeit ist nun die Frage, in
welcher Abhängigkeit und welchem Zusammenhang die
genannten Abweichungen und Umkehrungen vorkommen.
Wenn wir die Literatur durchforschen, scheint es, als ob
jede einzelne dieser physischen und psychischen Abnormi-
täten völlig isoliert auftreten kann. Man liest von Gynä-
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— 24 —
komasten und Bartdamen, von hartlosen Männern und
brustlosen Frauen, die im übrigen nichts darboten, was
mit ihrem Hoden oder Eierstock im Widerspruch stand,
man hört von Männern, die einen vollkommen femininen
Eindruck machen und doch normalsexuell fühlen und von
durchaus männlich erscheinenden Mänuern, die konträr
empfinden. Allein bei schärfster Kontrolle schrumpfen
diese Fälle doch beträchtlich zusammen, es ist auch die
Wirksamkeit starker suggestiver Momente nicht ausser
Acht zu lassen, ja wir halten es nicht für unwahrschein-
lich, dass die ganz isolierten Inversionen einer strengen
Kritik ebenso wenig Stich halten werden, wie die „er-
worbenen" Inversionen, von denen anfänglich viel, jetzt
aber bei sachverständigen Autoren kaum noch die Rede ist.
Es ist sicher nicht ganz ohne Berechtigung, wenn
Professor Cramer in seinem Referat, dass er über die
Petition für Abschaffung des Urningsparagraphen in der
medizinischen Gesellschaft zu Göttingen hielt, ausführte,
„dass bei den Krankengeschichten von Kratft-Ebing, Moll,
Magnan und anderen Autoren die Resultate objektiver
Beobachtung und Untersuchung nicht immer in wünschens-
werter Vollständigkeit vorliegen." Besonders ist es er-
staunlich, dass manche Beobachter bei Fällen von Herma-
phroditismus spurius garnicht nach dem sexuellen Empfin-
den gefragt haben, vermutlich, weil sie es als selbstver-
ständlich ansahen, dass der Geschlechtstrieb der gesetz-
lichen Vorschrift, d. h. den Geschlechtsdrüsen entsprechen
würde, es ist umso merkwürdiger, als in den wenigen Fällen,
in denen die Untersuchung des Zwitters vollkommen durch-
geführt wurde, nicht nur im übrigen Körperbau, sondern
auch in geistiger und sexueller Hinsicht Abweichungen
nachweisbar waren. So zeigte auch das im Bilde bei-
gefügte Mannweib, welche genau daraufhin von uns inqui-
riert wurde, trotz ihrer Verheiratung eine ausgesprochene
Bisexualität und zwar, wie das bei Bisexuellen die Regel
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— 25 —
zu sein pflegt, mit starkem U eberwiegen der homosexuellen
Richtung.
Offenbar besteht ein besonders inniger Zusammen-
hang innerhalb der Abnormitäten, welche in derselben
Zeitepoche zur Entwickelung gelangen, also innerhalb
derjenigen der beiden ersten und der drei letzten Gruppen.
Beispielsweise findet man bei Frauen mit zu weit vor-
geschrittenem Geschlechtshöcker gewöhnlich, dass die Eier-
stöcke, wie männliche Keimdrüsen, nach unten in die
Gegend der grossen Schamlippen wandern und in analoger
Weise ist der Kryptorchismus (Verbleiben der Hoden in
der Bauchhöhle) Kegel bei Personen mit rudimentärem
Gliede und klaffendem Hodensack.
Gleichzeitige Zwitterbildungen in allen fünf oder
auch nur in vier Gruppen sind äusserst selten, namentlich
sind bei Urningen wesentliche Abnormitäten an den Geni-
talien fast nie beobachtet worden, man ist geneigt, leider
hinzuzufügen, — denn wäre dies der Fall, so würde der
Verkennung und Verfolgung dieser Unglücklichen wohl
eher ein Ziel gesetzt worden sein.
Ein Patient Krafft-Ebings, berichtet, dass er an ca.
500 Urningen, die er kennen lernte, nie abnorme Bildung
der Genitalien gefunden habe, wohl aber „Annäherung an
weibliche Körperformen, schwache Behaarung, zarten
Teint, höhere Stimme, Mammaentwickelung."
Ein isoliertes Auftreten einer Abweichung der drei
letzten Gruppen gehört zu den grössten Seltenheiten, oft
fehlen eine ganze Reihe von Merkmalen des anderen Ge-
schlechts, nicht immer haben Gvnäkomasten schwachen
Bartwuchs und Bartdamen tiefe Stimmen, allein als Regel
kann gelten, dass wenn in der dritten Gruppe Abnormi-
täten vorkommen, auch solche der vierten und fünften
vorhanden sind und umgekehrt, und zwar können wir
das Gesetz aufstellen, dass der Geschlechtstrieb
umso konträrer ist', je mehr kon'träre Züge
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— 26 —
der dritten und namentlich der vierten
Gruppe, also Abnormitäten in Kehlkopf-
Brust-, Haarentwickelung, in Geist, Gemüt,
Gang und Schrift vorliegen.
Je femininer also ein Mann ist (Weiblinge), umso
mehr liebt er ausgesprochen männliche Typen („drauci")
je mehr im Urning die männlichen Züge überwiegen, um-
somehr liebt er Individuen, die im Aeussern und Charakter
etwas weiblich-zartes haben, Jünglinge, wobei ihm jedoch
feminine Urninge zu weibisch zu sein pflegen und das
gleiche gilt für das konträrsexuelle Weib, je mehr weib-
liches in ihr ist, je weniger sie von der Norm abweicht,
umsomehr liebt sie Frauen, die männliches an sich haben,
kräftige geistesstarke Weiber, Künstlerinnen, Schriftsteller-
innen und je viriler sie selber ist, umsomehr fühlt sie sich
von jungen, echt weiblichen Mädchen angezogen.
Der Urning und die Urninde existieren, sie sind keine
Wahngebilde, daher sind sie wert erkannt zu werden
Eine umfangreiche und recht sorgfältige Casuistik wird
vor allem auf die geschilderten Verhältnisse ihr Augen-
merk zu richten haben, damit selbst die grössten Skeptiker
und alle, welche bisher in der Beurteilung der Homo-
sexuellen mehr ihrem subjektiven Gefühl, als der objektiven
Erkenntnis folgten, merken, dass der Uranismus kein Ver-
brechen, sondern ein naturwissenschaftliches Phänomen
darstellt. Im Einzelfall sind vor allem folgende Punkte
zu berücksichtigen:
Fragebogen.
Name, Wohnort, Geschlecht, gegenwärtiges Alter,
Kasse, Beruf, verheiratet oder ledig?*)
*) Die Beantwortung des folgenden Fragebogens, auch wenn
sie sich nicht auf sämtliche Punkte erstreckt, ist dem W.-h. C. äusserst
erwünscht und wird die Einsendung an die in dem Vorwoit an-
gegebenen Adressen unter Zusicherung strengster Diskretion erbeten.
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A. Die Abstammung.
1. Sind Ihres Wissens bei den Eltern, den direkten
Vorfahren oder deren Seiten verwandten Fälle von Homo-
sexualität, von nervösen oder psychischen Störungen,
wie Krämpfe, Hysterie, Geistesschwäche, Melancholie etc.,
von moralischen Defekten, von Exzentrizitäten, Vagabundage,
Alkoholismus, Syphilis, Selbstmord vorgekommen ?
2. Welches war die Todesart der Eltern?
:i Waren die Eltern oder Grosseltern blutsverwandt?
(In der Nachkommenschaft blutsverwandter Ehen findet
sich eine erhöhte Disposition zu sexuellen Abweichungen
aller Art.)
4. Wie war der Altersunterschied zwischen Vater
und Mutter? i Von zahlreichen Forschern wird diesem
Umstand ein Einfluss auf das Geschlecht des Kindes zu-
geschrieben.)
5. Sind sie Mutter- oder Vatergleicher oder
besteht eine unbestimmte Aehnlichk eit? (Urninden
ähneln oft namentlich im Gesicht dem Vater, Urninge der
Mutter.)
fo\ Befi nden sich u nt er d e n G es eh wist e rn oder
in de r Vet tersc haft sex uell abn orm e Persönlich-
keiten?
7. Wünschte sich die Mutter sehr ein Kind entgegen-
gesetzten Geschlechts ?
8. Ist Ihnen etwas über das Leben vor Ihrer Geburt
bekannt, über acute Krankheiten, starke Erregungen der
Mutter während der Schwangerschaft, erfolgte die Geburt
rechtzeitig oder unrechtzeitig?
B. Kindheit.
9. Zeigten die Geschlechtsorgane irgend welche
Abnormitäten, Zwitterbildungen oder zurückgebliebene
Hoden, fehlerhafte Mündung der Harnröhre, Leistenbrüche
oder dgl. ?
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— 28 —
10. Lernten Sie rechtzeitig Laufen und Sprechen? wie
war die erste und zweite Zahnung?
11. Litten Sie an Gehirnentzündungen, Sehädelvcr-
letzungen, Kopfschmerzen, Krämpfen, Veitstanz, Schielen,
Bettnässen oder Zahnabnonnitäten?
12. Bestanden schlechte Instincte zum Ungehorsam,
Stehlen, Lügen, Vagabondage, Kauen an den Fingernägeln,
vielem Weinen, frühzeitiger Onanie?
13. Spielten Sie lieber mit kleinen Knaben oder
Mädchen ? Liebten Sie mehr Knabenspiele, wie Soldaten,
Steckenpferde, Schneeballwerfen, Raufen oder Mädchen-
spiele, wie Puppen, Kochen, Häkeln, Stricken, sagteu die
Leute „sie ist der reine Junge" oder „er ist wie
ein kleines Mädchen?"
14. Wie war die Erziehung, der Unterricht? wurden
Sie mehr intern in Pensionsanstalten, Klöstern, Kadetten-
häusern oder mehr extern erzogen?
15. Wie waren die geistigen Fälligkeiten? zeigten
Sie mehr Veranlagung zu abstracten Fächern, wie
Rechnen, Mathematik oder zu schöngeistigen, wie Sprachen,
Deutsch etc.?
1(3. Bestanden schwärmerische Sch ulfreund-
s c h a f te n oder ungewöhnlich starke Verehrung erwachsener
Personen? Auf wen erstreckten sich dieselben ?
17. Wie und wann traten die ersten geschlechtlichen
Aeusserungen auf?
18. Wann trat die Reifezeit ein, wie und wann ent-
wickelten sich die Stimme, Brüste, Haare ?
C. Gegenwärtiger Zustand.
I. Körperliche Eigenschaften und Funktionen.
19. Wie ist Form und Stärke des Knochengerüsts,
die Figur, die Breite des Beckens, der Hüften, Formation
des Schädels, mehr hoch oder flach, lang oder breit?
20. Sind die Konturen des Körpers eckig, stralf zu-
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- fcl -
samniengefasst, unter deutlichem Hervortreten derKnochen-
vorsprüuge oder sind die Linien, namentlich Schulter und
Rücken mehr rund unter Vordrängen der Kurven von Brust,
Bauch, Hüften und Gesäss?
21. Sind die Oberarme mehr cylindrisch ab-
geflacht oder abgerundet?
22. Sind die Oberschenkel mehr konisch, d. h. von
oben nach unten rasch abnehmend oder schlank?
23. Sind die Hände klein, zart, weich oder schmal,
kräftig und robust ?
24. Sind die Füsse klein, zierlich oder auffallend gross?
25. Sind die Muskeln (das Fleisch) weich, schwellend,
stark in Bindegewebe eingebettet oder fest, hart?
26. Sind die Muskeln schwach oder kräftig? wie gross
ist die Kraft der Hand mittelst Dynamometer gemessen ?
27. Besteht mehr Neigung zu kräftiger Muskel thätig-
keit, starken, schnellen, präzisen oder zu ruhigen, wiegen-
den Bewegungen, wie Tanz und dgl.?
28. Sind die Schritte klein, langsam, trippelnd, tänzelnd,
schlürfend oder fest, gross, schnell, gravitätisch; findet
beim Gehen ein unbewusstes Drehen in den Schultern
oder Hüften statt, oder wird der Rumpf ruhig, grade
oder vornübergeneigt gehalten?
29. Wie sind die Bewegungen der Hände, zumal der
Händedruck, lebhaft, kräftig, affektiert, schlicht?
HO. Besteht eine Fähigkeit, die beiden - ersten Zehen
von einander zu spreizen und in welchem Grade?
31. Wie können Sie pfeifen und wie räuspern Sie sich?
(Ulrichs u. a. wiesen darauf hin, dass Urninge meist nicht
pfeifen können und den Schleim nicht kräftig, sondern
langsam entfernen, Urninden umgekehrt.)
32. Wie ist die Hautfarbe, der Teint, weiss, rosig,
zart, blendend, rein oder kräftig, braun, unrein? Ist die
Haut fettreich?
33. Siud die Brüste voll, rund, fleischig oder platt,
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— 80 —
mager ? Sind die Brustwarzen und der Warzenhof besonders
gross ?
34. Finden sich überzählige Brustwarzen resp. Brust-
warzenrudimente, wie viel und an welchen Stellen?
35. Ist die Haut des Körpers glatt oder rauh?
36. Ist das Haupthaar kräftig? wie ist die Haarfarbe
und die Haartracht, gescheitelt, schlicht, lockig, ungeordnet ?
37. Ist Bartflauni, schwacher oder starker Bartwuchs
vorhanden ?
38. Sind die Gefässnerven der Haut sehr
affizierbarV wechselt die Farbe des Gesichts und der
Ohren oft? Erröteu und orblassen Sie leicht? Wie ist die
Pulszahl?
39. Ist die Schmerzempfindlichkeit gross oder klein?
(bei Männern grösser, wie bei Frauen, nach de Filippi
<>9,23 zu 53,1(5.)
40. Sind die Ohren gross, abstehend, klein, zierlieh?
41. Ist der Blick sanft, schmachtend, innig, koquettirend,
beweglich oder mehr ruhig, fest, naiv?
42. Wie ist der Gesichtstypus? lehnt er sich mehr
an das andere Geschlecht an? (es ist sehr schwer, einen
Typus in Worten zu beschreiben; am augenfälligsten tritt
der frauenhafte Gesichtsausdruck der Urninge und der
männliche der Urninden auf Bildern und im Schlaf hervor.
Einsendung der Photographie wäre sehr erwünscht, sonst
empfiehlt sich Hinweis auf allgemein bekannte Typen
z. B. Typus „Clara Ziegler", Typus „Ludwig II. von
Bayern * etc. )
43. Wie ist der] Bau des Kehlkopfs, tritt der Adams-
apfel am Halse wenig, garnicht oder stark hervor?
44. Ist die Stimme hoch oder tief, schrill oder sonor,
die Sprache laut oder leise, einfach oder geziert?
45. Besteht starke Neigung, in Fistel- oder
Bassstimme zu sprechen oder zu singen?
46. Bestehen krankhafte- Störungen des Nervensystems,
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- M
z. B. Schwindel, Migräne, Schlaflosigkeit, Zuckungen
Hysterieen, Neuralgien, Herzklopfen, starke Mattigkeit
und dgl. ?
II. Geistige Eigenschaften und Fähigkeiten.
47. Ist das Gemüt mehr weich oder hart, mehr weiblich
oder männlich?
48. Besteht eine starke Empfänglichkeit für
Freude und Sch merz, ist Neigung zum Weinen i llühr-
seligkeit), zu krampfhaften Lach- und Weinanfallen vor-
handen, sind Sie begeisterungsfähig oder leicht nieder-
gedrückt?
49. Ist Familiensinn, elterlicher Instinkt, Verlangen
Kinder zu besitzen garnicht, schwach oder stark ausgeprägt?
50. Besitzen Sie Religiösität, Liebebedürftigkeit, Zärt-
lichkeit, Liebenswürdigkeit, Gutmütigkeit, Selbstaufopfer-
ung, Philanthropismus, Neigung zu Sehnsucht, Heimweh,
Erregbarkeit, Heftigkeit, Zorn?
51. Ist starker Egoismus, Ehrgeiz, Uebertreibung der
Personalität, Empfänglichkeit für Bewunderung und Beifall,
Hang aufzufallen, vorhanden?
52. Leiden Sie an Klatschsucht, Redseligkeit, Bos-
haftigkeit, starkem Misstrauen, Neigung zu Aberglauben
und Mystizismus.
58. Besteht Abenteuersucht, Hang zu Exzentrizitäten
zum Vagabundieren, zur Verschwendung, zum Sammeln,
zum ( 1 ynismus, zur Immoralität ? sind Sie mehr ordentlich
oder ' unordentlich?
54. Ist Ihr Wesen mehr gleiehmässig ruhig oder kurz,
wechselnd ?
55. Haben Sie starken oder schwachen Willen, Be-
ständigkeit oder Unbeständigkeit, Furchtsamkeit oder Mut ?
56. Ist der Hang grösser zum Wohlleben oder zur
Anspruchlosigkeit, zu geistiger und körperlicher Arbeit
oder zur Bequemlichkeit?
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— 32 -
57. Ist die geistige Bildung oberflächlich oder tief?
Wie ist Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Einbildungskraft?
58. Ist die geistige Beanlagung mehr produktiv oder
reproduktiv, mehr kritisch oder rezeptiv?
59. Besteht mehr Beanlagung für Mathematik und
abstrakte Probleme oder mehr litterarische, künstlerische
Fähigkeit, Talent für Musik, Malerei, Vorliebe für Plastik
z. B. griechische Statuen.
60. Besitzen Sie Neigung zur Schauspielkunst?
Öl. Welche historischen Persönlichkeiten sind Ihr
Ideal?
62. Haben Sie Zu- oder Abneigung zu weiblichen Be-
schäftigungen, z. B. Kochen, Putzen, Haararbeiten,
Arrangements, oder zu männlichen, wie Sport, Jagen,
Schiessen, Kämpfen. Für welche Gegenstände interessieren
Sie sich besonders? (z. B. Politik, Mode, Theater, Pferde.)
63. Zu welchem Beruf fühlten Sie sich hingezogen?
64. Spielt in Ihren Gedanken die Kleidung eine grosse
Rolle? Lieben Sie mehr einfache oder auffallende, an-
liegende oder flatternde Gewandungen, hohe Kragen oder
freien Hals ? Findet sich eine stark ausgesprochene Vor-
liebe oder Abneigung gegen Schmuck?
65. Haben Sie den Drang in Kleidern des anderen
Geschlechts zu gehen ? besteht eine grosse Vorliebe für
Toilettegegenstände des entgegengesetzten Geschlechts
z. B. Ohrringe, Armbänder, lange Strümpfe, Fächer,
Parfüms, Puder, Schminken oder Mützen, hohe Kragen,
Stiefeln, Beinkleider? Lieben Sie eine bestimmte Farbe?*)
66. Wie ist die Schrift, gross, fest, sicher oder klein,
dünn, zierlich? (Einsendung von Schriftproben sehr
erwünscht.)
*) Im alten Rom sagt« man den Konträrsexuellen Vorliebe für
die grüne Farbe nach.
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— 33 -
III. Geschlechtstrieb.
67. To welchem Alter traten bestimmte sexuelle
Neigungen hervor?
68. War die sexuelle Richtung vor, während und nach
•der Reife dieselbe oder wechselte sie ?
69. Erstreckt sich der Sexualtrieb auf beide Ge-
schlechter in gleichem oder verschiedenem ev. in welchem
Grade?
70. Ist der Verkehr ausschliesslich mit Personen des
eigenen oder auch mit solchen des anderen Geschlechts
möglich? Bedarf es bei letzterem der Vorstellung einer
gleichgeschlechtlichen Person? Besteht Gleichgültigkeit,
Ekel oder Hass gegenüber dem entgegengesetzten Ge-
schlecht sowie Widerwille vor dem normalen Akt. Fanden
Versuche statt, denselben auszuführen, fühlten Sie sich
.nach demselben matt, angegriffen, unbefriedigt?
7 1 . Bezogen sichLiebesträume auf Personen desselben
■oder des anderen Geschlechts?
72. Interessierten Sie auf der Bühne, im Zirkus, in
Museen mehr Damen oder Herren?
73. Ist der geschlechtlose Umgang mit Personen des
andern Geschlechtssehrungenirt; wird Frauen oder Männern
gegenüber mehr Schamhaftigkeit empfunden? (Die bekannte
hoch talentierte Urninde Gräfin Sarolta V., deren Ehe mit
einem Weibe vor einigen Jahren berechtigtes Aufsehen
Tnachte, war so schamhaft, dass sie nur unter Männern
schlafen konnte. Im Gefängnis musste sie, wenn sie ein
Bedürfnis befriedigte oder die Wäsche wechselte, die Zellen-
genossinnen bitten, sich abzuwenden.)
74. Erstreckt sich die Liebe auf ein Individuum
desselben Geschlechts, das sich im Aeussern und im
Charakter mehr dem entgegengesetzten Geschlecht nähert,
also auf jugendliche Männer und Frauen mit männlichen
Eigenschaften, oder aber bezieht sie sich auf gleich-
geschlechtliche Personen, die einen ausgesprochenen Typus
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 3
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— 34 —
dieses Geschlechts darstellen, also auf kräftige, echt männ-
liche und zarte echt weibliche Typen.
75. Fesselten Sie mehr gebildete oder gewöhnliche,,
sanftmütige oder rohe, zierliche oder kraftvolle Naturen?"
Geben Sie bestimmten Berufsarten den Vorzug (z. B^
Kellnern, Schauspielerinnen, Prostituierten), namentlich]
unifbrmirten Ständen, insonderheit Soldaten? (wir hatte»
einen Patienten, der sich in verschiedenen Ländern fast
ausschliesslich von Polizisten angezogen fühlte.)
76. Hatten Sie Freundschaftsverhältnisse, eheartige
Bündnisse von langer Dauer oder mehr flüchtige, wechselnde
Beziehungen? (hier Einfügung der sexuellen Geschichte
erwünscht). Kam es zu starken Eifersuchtsaffekten ? Liebten*
Sie mehr Typen oder Individuen?
77. Wie wurde der intersexuelle Verkehr gepflegt?*
war die Art des Begehrens mehr männlich aktivisch oder
weiblich passivisch? Wünschten Sie als Mann oder Weib*
geboren zu sein?
78. Wie war die Stärke und die Beherrschbarkeit
des Geschlechtstriebes? Inwieweit wurden die Neigungen
unterdrückt, inwieweit ihnen nachgegeben? Empfanden.
Sie durch den homosexuellen Verkehr besondere Kräftigung
und gesundheitliche Förderung?
79. Bestand je Inclination zu unreifen Individuen ?*
80. Litten Sie an anderweitigen sexuellen Anomalieem
z. B. sadistischen Neigungen (Sucht zu peinigen), masochi-
stischen (Sucht, gepeinigt zu werden) fetischistischen (Liebe
zu einem Körperteil, wie Hand, Fuss, Leberflecken, oder
einem Gegenstand, wie Stiefel, Taschentuch) exhibitionist-
ischen (Sucht, die Genitalien zu zeigen) oder dergleichen T '
81. Gingen Sie eine Ehe ein, aas welchen Gründen?
Wie war tJas Eheleben? Hatten Sie Kinder? Lieben Sie
dieselben? Wie sind die Kinder?
82. Wann und wochwch entdeckten Sie Ihre Natur?*
83. Können Sie eine Ursache Ihrer abnormen Em-
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— 35 —
pfindungen angeben? Trat die Homosexualität in nur ein-
geschlechtlicher Gesellschaft auf?
84. Haben Sie stark gegen Ihre Natur angekämpft?
mit welchen Mitteln und welchem Erfolg ? Fühlten Sie
sich sehr unglücklich? Litten Sie an Lebensüberdruss,
machten Sie Selbstmordversuche?
85. Was halten Sie selbst von Ihren sexuellen Zu-
stand ? Glauben Sie schuldlos oder verbrecherisch, natürlich
oder naturwidrig, krank oder gesund zu sein ?
3*
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Vier Briefe
von
Karl Heinrich Ulrichs (Nnma Numantius)
an seine Verwandten.
Die folgenden Briefe wurden uns von Ulrichs einziger
noch lebenden Schwester zur Verfügung gestellt. Sie
stammen aus der Zeit vom 22. September bis 23. Dezember
1862; zwei von ihnen waren bestimmt, unter sämtlichen
näheren Angehörigen zu circulieren, zwei sind an einen
Onkel gerichtet.
Karl Heinrich Ulrichs (Nuuia Numantius.)
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—
Karl Heinrich Ulrichs war am 28. August 1825
zu Westerfeld bei Aurich geboren. Sein Vater war
Baumeister, sein Grossvater evangelischer Superintendent.
Er besuchte die Gymnasien zu Aurich, Detmold und
Celle, die Universitäten von Göttingen und Berlin. Schon
früh legte er einen ungewöhnlichen Fleiss und seltene
Beanlagung an den Tag, welche ihm als Student in
Göttingen den akademischen Preis, in Berlin die goldene
Medaille eintrugen. Er war ein Mann von universeller
Gelehrsamkeit, der nicht nur in seinen Hauptfächern, der
Jurisprudenz und Theologie, sondern auch in den Natur-
wissenschaften und der Philosophie völlig zu Hause war,
auf einigen Gebieten, wie der Mathematik, Astronomie,
Archäologie, Münzen- und Schmetterlingskunde hervor-
ragendes leistete und das klassische Latein in so vollendeter
Weise beherrschte, dass zeitgenössische Kenner in ihm
den ausgezeichnetsten Vertreter dieser Sprache erblickten.
Die lateinisch geschriebene Zeitschrift „Alaudae", welche
er im letzten Lustrum seines Lebens herausgab, erfreute
sich bei ihren gelehrten Lesern in allen Ländern einer
geradezu enthusiastischen Bewunderung. Ulrichs hatte
sich, nachdem er nur kurze Zeit als hannöverscher Amts-
assessor thätig gewesen war, früh ins Privatleben zurück-
gezogen und lebte an verschiedenen Plätzen Deutschlands
zuletzt in Stuttgart schlicht und anspruchslos seinen wissen-
schaftlichen Arbeiten. 1880 siedelte er nach Neapel über^
von dort drei Jahre später nach Aquila in den Abbruzen,
wo er am 14. Juli 1895 im Krankenhause starb. Freunde
der lateinischen Sprache Hessen ihm dort ein Denkmal
errichten.
Im Jahre 1804, also zwei Jahre, nachdem er die unten-
stehenden Briefe an seine Verwandten richtete, erschienen
„Vindex" und „Inclusa* seine ersten Schriften „über das
Rätsel der mannmännlichen Liebe," denen bis 1879 zehn
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— 38 -
weitere folgten. *) Seinen Angehörigen zu Liebe, die von
einer Veröffentlichung seiner Ansichten dringend abgeraten
hatten, nannte er sich Numa Numantius. Erst 1868 bei
der Herausgabe von Memnon, seinem Hauptwerke, Hess
er den Schleier der Pseudonymität fallen.
Seine Werke sind für alle späteren Arbeiten auf
diesem Gebiet grundlegend geworden. In ihrem vollen
"Wert werden sie erst von späteren Geschlechtern gewürdigt
werden, er eilte seiner Zeit zu weit voraus.
Die hier zum ersten Mal an die Oeffentlichkeit ge-
langenden Briefe sind ein wertvolles „document humain,"
nicht allein wegen ihres wissenschaftlichen Gehalts, sondern
auch wegen des hohen, edlen und wahrhaften Geistes,
von dem sie erfüllt sind. Würde nur ein geringer Bruch-
teil der Urninge einen ähnlichen Mut und Eifer bekundet
haben, es würde um die Sache des Uranismus besser be-
stellt sein. Verständlich freilich ist diese Zurückhaltung ;
denn noch heute gilt das Dichterwort, dessen Richtigkeit
auch Ulrichs hat erfahren müssen:
„Nur wer sein eigen Glück ans Kreuz geschlagen,
Kann ein Erlöser für die Menschheit sein."
*) Sämtliche UlricVschon Schriften sind im Sommer 1898 bei
Spohr in Leipzig neu erschienen.
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Frankfurt, den 22. September 1862.
I.
Liebe Schwester!
Endlich ist es wohl Zeit, Deine beiden lieben Briefe
vom 13. und 20. Juni d. J. zu beantworten und Dir recht
herzlich zu danken für Deine freundliche und gewiss sehr
mühsame Besorgung meiner Burgdorfer Angelegenheiten.
Ueber diese Besorgung nächstens mehr, heute nur die
andre Sache.
Dass ich nicht früher schrieb, daran ist Schuld ledig-
lich grosse Ueberhäufung mit Arbeit, da nämlich einen
ganz kleinen kurzen Brief in dieser Sache Dir zu schreiben
nicht möglich war. Ich erhielt den zweiten Brief, nebst
Anschreibekalendern, in denen die sehr vermissten Notizen
leider nicht vorhanden waren, erst während des Schützen-
festes, welches mich von früh bis spät in Anspruch nahm,
•da ich darüber an Zeitungen berichtete. Später erhielt
ich von meinem Chef verschiedene, und zwar augenblick-
lich drängende und sehr wichtige Arbeiten. Und endlich
bin ich fortwährend beschäftigt mit einer Arbeit aus Ge-
• fälligkeit für Tewes jun. in Achim, nämlich das Manus-
kript eines juristischen Buches für ihn vor dem Druck
•durchzukorrigieren, eine sehr langweilige, schwierige und
langwierige Arbeit. Da schon gedruckt wird, so hat er
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— 40 —
mich in letzter Zeit noch dazu sehr gedrängt, ununter-
brochen daran zu bleiben. Das war auch der Grund, dass-
ich nicht einmal zu Deinem Geburtstag schrieb, (meine
herzlichen Wünsche für Dich leben ja ohnedies); einen
kurzen blossen Gratulationsbrief nämlich wollte ich nicht
gerne schreiben.
Nun zur Sache. Liebe Schwester, das ist endlich
einmal ein Ton, in dem Du da schreibst, der, wenn irgend;
etwas auf Erden, wirksam sein müsste, wirksamer als alle
Eure früheren Schroffheiten. Durch solchen liebevollen.
Ton ziehst Du alle Stacheln aus meinem Herzen und er-
reichst alles, was erreichbar ist.
Zuvor Deinem Wunsch gemäss die Versicherung,,
dass ich Deinen Brief nicht circulieren lassen werde.
Sodann erkenne auch ich wenigstens einen Ansatz
von Unbefangenheit darin, dass Du schreibst, stellenweis
habest Du gedacht: „Karl hat Recht."
Alles übrige aber, liebe Schwester, beruht auf
falschen Voraussetzungen*) Mit grosser Liebe er-
mahnst Du mich, jetzt den Entschluss der Umkehr zu
fassen. Du giebst zu, die Umänderung möge sehr schwer
sein. Aber Gott werde helfen.
Das lautet sehr schön — und wäre auch ganz
richtig gesprochen, wenn meine Neigung eine Ange-
wöhnung oder eine Abirrung von meiner angeborenen:
Natur wäre. — Aber, liebe Schwester, selbst das aller-
schönste Frauenzimmer zu lieben, ist mir absolut unmög-
lich, und zwar lediglich deshalb, weil kein Frauenzimmer
mir auch nur eine Spur von Liebesempfindung einflösst^
kein Mensch aber sich selbst durch seine eigene
Willenskraft Liebe gegen bestimmte Personen
oder Geschlechter einflössen kann. Dies ist auch,
*) Die gesperrten Stellen sind in den Briefen einfach, die fett-
gedruckten mehrfach unterstrichen.
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— 41 —
stets bei mir so gewesen. Hättest Du Recht, ich hätte-
jemals auch nur eine leise Spur von Liebe empfunden^
zu Dorette K., Auguste H., Louischen U., oder zu einer
der vielen jungen Mädchen, mit denen ich getanzt, dann
hättest Du auch im übrigen Recht, dann fiele mein
ganzes System zu Boden, und alle meine Sätze
von a bis z wären irrig.
Aber, liebe beste Schwester, wie in aller Welt kannst,
Du dazukommen, mir zu jenen Damen Liebe anzudichten?
Du wirst doch unmöglich Jugendfreundschaft und Ver-
wandtenliebe zu Louischen U. und Dorette K. verwechseln
wollen mit geschlechtlicher Liebe? Dass Du aber Auguste H.
nennest, das wundert mich in noch weit höherem Grade.
Das indirekte Verhältnis, in dem ich zu Auguste H. stand,
solltest Du, meine ich, kennen. Die Zuneigung, die ich
für sie, wie auch für ihre Eltern fühlte, war ja nur der
schwache Abglanz der herrlichen Sonne einer Liebe, gleich-
wie die Bergesgipfel, die in der Abendsonne erglühen,
nicht die Sonne selber sind, sondern nur von ihr bestrahlt
werden. Ich will das Heiligtum dieser Liebe nicht lüften,,
und ich hoffe auch von Dir, dass Du nicht so indiskret
sein wirst, dieses mein Heiligtum zu berühren.
Du sagst selbst, eine tiefe, ernste, wahrhafte
Liebe gegen jene Damen hättest Du bei mir nicht be-
merkt, nurein oberflächliches Tändeln und Scherzen^
Das ist gewiss eine sehrrichtige Bemerkung. Das heisst
mit anderen Worten: es war gar keine Liebe. Damit
lällt schon Dein fernerer Einwand: „Du warst eifrig und
vergnügt dabei; also kann es nicht etwa ein erzwungener
Versuch gewesen sein, eine Neigung zu Mädchen hervor-
zulocken." Das ist ganz richtig. An dergleichen mir
widernatürliche Versuche habe ich damals und überhaupt
niemals gedacht. Ich habe damals über das Absonderliche
meiner Neigung und Nichtneigung, bezw. Abneigung gar
nicht nachgedacht. Ich hatte nicht den mindesten.
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— 42 —
'Grund zu wünschen: „O, dass ich doch zu Mädchen
.Liebe empfände!" Es war lediglich die anerzogene Pflicht
-der Höflichkeit zu tanzen und den Damen die Cour zu
machen. Wie oft mussten mir doch Tante U. und andere
einprägen: „Du musst galant sein gegen die Damen."
Mitunter, ich weiss dies noch recht gut, war ich sehr
unlustig, dem nachzukommen. Nach und nach freilich
.habe ich mir das Courmachen etc. erzwungener Weise
anerziehen lassen wider meine Natur, Die Frucht
eines solchen widernatürlichen Anerziehens hast Du nun
selbst entdeckt: eine ernste Liebe ging nicht daraus
hervor, sondern nur ein oberflächliches Tändeln-
Dass ich übrigens in diesen Scherzen mit jungen Damen
oft recht vergnügt gewesen sei, leugne ich gar nicht.
Sobald ich freilich erzwungener Weise mit ihnen von
etwas sprach, oder sprechen musste, w as Liebe berührte,
war ich gewiss nie wahrhaft froh, nur etwa höchstens
frivol-tändelnd, um dadurch über meinen inneren
horror naturalis hinwegzukommen. Sobald ich aber von
Dingen mit den jungen Damen sprach, welche nicht
die Liebe berührten, da bin ich ganz gewiss völlig heiter
und froh, und auch herzlich gewesen ; zumal diese Damen
in Burgdorf, wie in Achim, mir persönlich sehr genau
bek auut waren und zum Teil ganz liebenswürdig waren,
h1. i. ein gutes Herz hatten, sich angenehm unterhalten
-konnten u. s. w.
Aber Du wendest ein, das ist doch mindesten« keine
Abneigung vom weiblichen Geschlecht. Liebe Schwester,
ich habe auch gar nicht im Allgemeinen eine solche
Abneigung behauptet, sondern nur in Bezug auf ge-
schlechtliche Liebe. Sobald von anderen Dingen
•die Rede ist, war ich, wie gesagt, und bin ich noch jetzt
ganz gern in Gegenwart der Damen, selbst junger und
schöner Damen. Ich fühle keine Abneigung, kann sie auch
ohne alle Abneigung körperlich berühren, sobald dies zu
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— 43 —
anderen Zwecken geschieht, als zu Liebkosungen,
z. B. zum Tanz. Sobald aber von Liebe die Rede ist,
sei es, dass die Dame selbst davon spricht, oder andere
davon sprechen, oder dass Anspielungen von Seiten dritter
fallen, oder dass die Dame Liebesblicke auf mich richte,
sofort ist die Heiterkeit und Unbefangenheit
in mir vorbei, einer Beklommenheit und bangen
Ängstlichkeit macht sie Platz, kurz die geschlecht-
liche Abneigung tritt ein. Weil ich in einer Gesell-
schaft, in welcher sich eine oder mehrere junge Damen
befinden, dergl. stets befürchten muss, so fliehe ich
meist solche Gesellschaft. In der Gesellschaft älterer
Damen bin ich ganz gern, wenigstens ganz ruhig.
Louischen U. gegenüber bin ich nie in solche Lage ver-
setzt. Ebensowenig Auguste H. gegenüber. Wohl aber,
ich kann es nicht leugnen, Dorette K. gegenüber, nament-
lich in der Zeit ihrer Verlobung und auch leider, noch
t>ei Gelegenheit, als ich sie in ihrer Krankheit sah.
Dass ich bei ihrer Verlobung ihrer Mutter scherzweise
kondolierte, wolle doch keiner für eine Liebeskund-
gebung halten. Jene Anspielungen in Bezug auf sie hat
mir gegenüber z. B. unsere Louise mehrfach gemacht.
Die Erinnerung an die mir sonst so liebe Gespielin meiner
Kindheit wird mir dadurch noch jetzt ein wenig verleidet.
Hiernach ist es gewiss richtig, wenn ich sage, Du
gehst von einer irrigen Voraussetzung aus. Du giebst
nur zu, dass eine Sei bstum Wandlung meiner Neigung mir
schwer werden möge, nimmst aber ohne weiteres an,
sie sei doch wenigstens möglich. Wie kommst Du
eigentlich dazu, ohne weiteres dies für möglich
zu halten? Wie soll ich es denn eigentlich an-
fangen, meine Gefüh le umzuwandeln? Gethan habe
ich es ja noch nicht, sonst wüsste ich, wie es gemacht
wird; denn die gegenwärtige Richtung meiner Neigung
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— 44 —
rührt nicht her von einer solchen Umwandlung, sondern
sie ist mit dem Eintritt der Pubertät ganz von selbst
hervorgebrochen. Wie wolltest Du z. B. es beginnen,
Deine Liebe von Männern auf Weiber zu übertragen?
Wie wolltest Du auch nur den Entschluss der
Uebertragung fassen können? Müssten nicht alle
Ermahnungen vergeblich sein, auch die liebevollsten?
Der liebe Gott hat mir die Liebe in derselben Richtung
gegeben, in der er sie den Weibern giebt, d. i. auf
Männer gerichtet. Ihn zu bitten, sie mir jetzt um-
zudrehen, wäre im höchsten Grade unchristlich. Wer
darf von Gott bitten, ein Wunder zu thun? „Du sollst
Gott nicht versuchen. - Wer darf Gott bitten, sein eignes
Werk, das er zu unerforschlichen Zwecken gemacht hat,
wieder zu zerstören? Willst Du armes Geschöpf
von Mensch es besser wissen als der Schöpfer?
Liebe Schwester,wenn Du und Ihr Uebrigen immer fort-
fahrt, nach den schlagendsten Gründen und Ver-
sicherungen gar nicht hinzuhören, so muss ich am
Ende doch wirklich nicht nur Eure Voreingenommen-
heit vermuten, sondern auch Euer Nicht- Wollen, d. i.
der Wahrheit die Ehre zu geben, weil sie in Euer bis-
heriges System vielleicht nicht passt. Die Wahr-
heit soll also weichen Euren ausgeklügelten
Systemen! Sollte das wohl Gott wohlgefällig
sein ?
Du meinst jetzt, in Berlin hätte mich ein unglück-
licher Vers erst auf diese Idee gebracht!!! Zunächst
weiss ich gar nicht, welch einen Vers Du meinst, und
ich möchte dies wirklich gern von Dir erfahren. Sodann
ist diese Annahme, meine Neigung sei dadurch entstanden
dass ich überhaupt auf diese Idee gebracht
worden wäre, gänzlich Irrtum. Ebenso rufst Dusehr
ohne Grund aus: „O, wärst Du nie nach Berlin gekommen!"
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_ .15 —
In Berlin scheint allerdings auch mir ein Hauptsitz der
Uranier zu sein. Allein Du irrst sehr, wenn Du meinst,
in Berlin sei diese Neigung in mir entstanden. Sie ent-
stand, wie gesagt, genau beim Eintritt der Pubertät, als
ich noch Schüler in Detmold war. Etwa ein halb Jahr
z. B., ehe ich nach Berlin ging, war ich einmal in Münden
auf einem Ball, wo ich wie gewöhnlich ziemlich viel tanzte.
Aber unter den Tänzern waren etwa zwölf junge, schön
gewachsene und schön uniformierte Forst sc hü le r.
Während auf früheren Bällen, z. B. in Burgdorf, von den
Tänzern mich niemand gefesselt hatte, fesselten einige
unter diesen mich in so hohem Grade, dass ich ganz kon-
sterniert war und meine Tänzerinnen wenig oder gar nicht
unterhielt, vielmehr unverwandt jene anblicken musste.
Ich hätte ihnen sofort um den Hals fallen mögen.
Als ich nach dem Ball zu Bett ging, erduldete ich auf
meiner Schlafkammer im Willmann'schen Hause, einsam
und von keinem Menschen gesehen, wahre Qualen,
lediglich ergriffen von der Erinnerung an jene schönen
jungen Männer.
Jetzt noch einiges einzelne. Du fragst, ob das dritte
Oeschlecht sich auch untereinander liebe ? Auf diese Frage
war ich nicht gefasst; ich hatte sie mir noch nicht ge-
stellt. Ich habe niemals Liebe empfunden zu einem
Uranier. Ich habe jedoch erst sehr wenige gesehen. Für
unmöglich halte ich ein gegenseitiges Liebe-Empfinden
nicht. Mir ist es jedoch, wie ich meine, ein wenig wider-
strebend. Durch Deine Frage veranlass^ habe ich diesen
Punkt in der Schrift besonders erörtert, die ich nächstens
an Onkel Wilhelm werde gelangen lassen. Ob aber ein
Dionäer*) einem Uranier unter Umständen Befriedigung
gewähren könne, ohne zu sündigen, fragst Du ? Diese
Frage hat zunächst keinen Einfluss auf das, was uns
) So bezeichnete Ulrichs normalsexucllo Personen.
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- 16 —
sÜDcllich ist oder nicht. Dennoch hatte auch ich mir diese
Frage schon gestellt und sie in eben jener Schrift ganz
ausführlich schon beantwortet. Ich glaube nämlich, unter
Umständen j a, und führe auch die Gründe an, weshalb
sich Römer I. hierauf nicht bezieht Römer I. setzt
nämlich ausdrücklich voraus, dass die Befriedigung beiden
Teilen widernatürlich sei, was bei der Befriedigung die
ein Dionäer einem Uranier gewährt, ja nicht der Fall
ist. Es giebt auch uranische Ehen, d. i. Naturehen, ehe-
ähnliche Liebesverhältnisse. Im alten Griechenland waren
sie sehr verbreitet.
Ob es Zwischenstufen giebt zwischen Uraniern
und Dionäern? Ferner ob die Männer in I. Moses 19, 4. 5.
und Richter 19, 22. Uranier waren oder aber Dionäer
mit Ausartung nach uranischer Seite hin? Endlich, ob
allen Männern, wie Du meinst, in mehr oder minderem
Grade, neben der geschlechtlichen Liebe zu Weibern,
noch eine unnatürliche geschlechtliche Liebe zuMännern
angeboren sei ?! Dies alles sind völlig müssige
Fragen, wenn es überhaupt reine, unvermischte Ura-
nier giebt. Dass es aber solche giebt, wirst Du nicht
bezweifeln können, sowie, dass ich einer davon bin. Uns
gehen die etwaigen Zwischenstufen nichts an. Uebrigens
selbst wenn es Zwischenstufen gäbe, so würden doch die
„ prostituierten Männer in Berlin" nicht dazu gehören,
diese sind gewöhnliche Dionäer. Sie empfinden wederj
Abneigung vor Weibern noch Liebe zu Männern.
Du meinst, eine uranische Neigung müsse im Keime
bekämpft werden. Warum denn aber eigentlich?
Ich sehe es nicht ein, halte es vielmehr umgekehrt gerade
für Sünde, an Gottes Werk, durch Bekämpfung des-
selben, sich zu vergreifen. Denn das Empfinden
von Liebe ist gerade so gut ein Werk Gottes, wie
mein Arm oder mein Bein, nur dass es ein geistiges
Stück des Menschen ist, das Bein aber ein körperliches.
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— 47 —
Du antwortest, weil die uranischc Neigung eine-
„verkehrte, unuatürliche oder sündliche" sei.
Allein das Empfinden einer Neigung ist niemals sünd-
lich, nur das sich-ihr-hingeben und das ins-Werk-
setzen. Das ins Werk setzen der uranischen Neigung
aber soll ja erst deshalb sündlich sein, weil die uranische-
Neigung „verkehrt oder widernatürlich" sein soll.
Ich mache die merkwürdige Erfahrung an mir: je
mehr Beweisgründe ich entdecke für mein System, je
sicherer und je klarer ich in demselben werde, um so
mehr schmilzt alle meine frühere Bitterkeit dahin über
die erfahrenen Unbilden.
Ich stelle jetzt umgekehrt die freundliche Bitte an
Dich, doch einmal zu versuchen, auf meinen Ideengang
einzugehen. — Ich sagte: „Wir sind geistig Weib," d. i.
geschlechtlich, nämlich in der Richtung unserer ge-
schlechtlichen Liebe. Wir enthalten übrigens in mehr-
facher Beziehung ein entschieden weibliches Element.
Diese seltsame Merkwürdigkeit ist mir erst hier klar ge-
worden, wo ich mehrere andere Uranier kennm gelernt
habe, und zwar durch Beobachtung an denselben. Wir
sind gar nicht Männer im gewöhnlichen Be-
griff. — Dies habe ich besonders in jener Schrift aus-
geführt — Sind wir aber überall nicht Männer
im gewöhnlichen Begri ff, so habt Ihr auch kein
Recht, den Massstab gewöhnlicher Männer uns-
aufzuzwingen! Dieser Massstab geht uns überall nichts
an: so wenig der Massstab des Mannes giltig ist für das
Weib. Wir bilden ein drittes Geschlecht. Der Mass-
stab des einen Geschlechts hat dem anderen überall,
nichts vorzuschreiben. Ob es noch ein viertes Ge-
schlecht gebe? wie Gr. fragt, geht mich überall nichts an..
Die zwei Bücher, die Du und Karl Ü. nennen, kenne-
ich nicht. Ich möchte gern genau den Titel wissen. Ich»
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— 48 -
meine das des Berliner Arztes und des Dr. Hyrtl in
Wien. An welcher Stelle steht das in „eritis sicut Deus?"
Ich bitte dies zirkulieren zu lassen an: 1) Onkel Wil-
helm, 2) Wilhelm Ü., 3) Karl Ü., 4) Gr. uud Louise, 5) an
mich gefälligst zurück.
Ich bitte um vidit. Einer Beantwortung (ob-
wohl sie willkommen sein würde) bedarf es nicht. Ich
Htte nur um möglichst rasche Weitersendung.
Dein Karl Ulrichs.
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Frankfurt, den 28. November 1862
II.
An
Wilhelm H.
Gr.,
Louise,
Ludewig,
Ulricke,
Onkel Ü.
Tante U.
Wilhelm Ü.
Zur gefälligen Zirkulation und möglichst raschen
Rücksendung an mich mit Bitte um das vidit jedes der
Adressaten. (Reihenfolge nach dortigem Ermessen.)
Meine Lieben I
Ich hoffe jetzt mit Grund: in kurzem wird es Licht
werden zwischen Euch, meinen nächsten und liebsten
Verwandten, und mir.
Nach langem, sorgfältigen Nachdenken über mich
selbst, nach sorgfältiger Beobachtung anderer Uranier,
Jahrbuch für homosexuelle Fonchungcn. 4
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- 50 —
nach dem Studium der alten Nachrichten über Griechen-
lands und Roms Uranier, endlich nachdem mir neuestens
(am 23. und 2n\ d. M.) von Seiten einer wissenschaftlichen
Autorität sehr wichtige Mitteilungen zugegangen sind'
über verschiedene ärztlich konstatierte Fälle von Herma-
phroditismus: glaube ich jetzt einfacher, überzeugender
und unausweichbarer, als bisher, beweisen oder wenigstens
aufs höchste wahrscheinlich machen zu können:
Dass Uranismus allerdings angeboren ist, und
zwar nicht etwa in der Weise angeboren, wie „ sündliche
Neigungen", was Schwester U. bisher verfochten hat, oder
wie „Pyromanie", was AVilhelra verfochten (ich kann es
nicht leugnen auf eine ein wenig lieblose Art): sondern in-
dem Maasse, dass dem Uranier eine bis in die Wurzeln
hinein weibliche Natur vom Mutterleibe an innewohnt,
dass er also überhaupt mit Unrecht Mann genannt wird..
Es hat mich viel inneren Kampf gekostet, mich zu dieser
Ueberzeugung zu erheben. Aber ich kann mich ihr nicht
länger verschliessen. Der Uranier ist eine Spezies von
Mannweib. Uranismus ist eine Anomalie der Natur,
ein Naturspiel, wie es deren in der Schöpfung tausende-
giebt: ich erinnere an die Ansätze zu weiblichen Brust-
warzen, den Brüsten der Männer und aller männlichen
Säugetiere, und an die Doppelnatur von Wallfisch und!
Delphin, welche Säugetiere in einem Fischkörper sinch.
Uranismus ist eine Spezies von Herniaphroditismus,.
oder auch eine koordinierte Nebenform von ihm.
Uranismus und Hermaphroditisruus sind durchaus
nicht etwa Krankheit s erschein un gen. Ebensogut
wie Ihr, blühen Urauier und Hermaphroditen wie die
Rosen und sind gesund wie die Fische im Wasser.
Meinen Satz: Gott habe ausser Mann und Weib auch
noch Naturen neutrius sexus geschaffen, leugnet Ludewig:
weil in der Bibel nur stehe: „Und Gott schuf;
ein Männlein und ein Fräulein.*
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— 51 —
Sollte er hierauf beharren, so wird er auch leugnen
müssen, Gott sei es, der die Hermaphroditen ge-
schaffen habe : und diese müssen wohl dadurch entstanden
sein, dass sie selber ihre Natur verlassen (umgeändert)
haben (vgl. Römer I.): wie Ludewig und Gr. geradezu
behaupten, dass auch die Uranier die Natur, die Gott
ihnen gab, verlassen haben (umgeändert.)
Für das Vorhandensein der weiblichen Natur
in den Uranieren habe ich neuerdings Beweismittel
entdeckt, welche Ihr schwerlich imstande sein werdet, zu
negieren. Bisher habt Ihr alle auf meine sämtlichen
Mitteilungen durchaus g ar n i ch ts gegeben, „weil sie nur
Behauptungen seien 44 , d. i. also wohl „unwissentliche, auf
Selbsttäuschung beruhende, oder gar wissentliche Un-
wahrheiten." (Wilh. Ü. hat sie zum Teil sogar für teuf-
lischen Wahnsinn und schauerlichen Blödsinn erklärt.) Ob
diese Behandlungsweise meiner Mitteilungen, auch meiner
feierlich gegebenen Versicherungen, mir gegenüber, meiner
Persönlichkeit nach, gerechtfertigt war? Ob Ihr nicht
wenigstens etwas auf sie hättet geben sollen? Das will
ich nicht weiter erörtern. Jedenfalls ist es mir eine Ge-
uugthuung, einzelne, und zwar gerade meiner wichtigsten
Mitteilungen jetzt stützen zu können auf das Zeugnis
anderer Personen, lebender und toter, zum Teil wissen-
schaftlicher, ärztlicher Autoritäte n, welche ihre
Wahrnehmungen in medizinischen Schriften nieder-
gelegt haben.
Ein Novum: Die weibliche Natur des Uraniers be-
steht k eines wegs bloss in der Richtung seiner ge-
schlechtlichen Liebe zu Männern und seines geschlecht-
lichen Abscheues vor Weibern. Ihm ist vielmehr
ausserdem auch noch ein sogen, weiblicher Habitus
eigen, von Kindesbeinen an, der sich dokumentiert
in Hang zu mädchenhaften Beschäftigungen, in Scheu
vor den Beschäftigungen, Spielen, Raufereien, Schneeball-
4*
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— 52 —
werfen der Knaben, in Manieren, in Gesten, in einer ge-
wissen Weichheit des Charakters etc.*) Diesen weiblichen
Habitus habe ich an mir schon längst wahrgenom-
men, ihn auch Dezember 1854 in Cassel Gr. mitgeteilt,
als etwas mir auffallendes, was wohl mit meiner Natur
zusammenhängen möge. Weil Gr. mir diesen Ge-
danken ausredete, so liess ich ihn fallen.
Erst kürzlich habe ich ihn wieder aufgegriffen: wei
ich nämlich den weiblichen Habitus merkwürdiger Weise
bei allen Uraniern, die ich beobachtete, sich wiederholen
sehe, und ferner weil, wie ich jetzt sehe, auch die Medi-
ziner beim eigentlichen Hermaphroditismus wesentliches
Gewicht auf ihn legen.
Wie oft klagte meine liebe Mutter: „Du bist nicht
so wie andere Jungen!" Wie oft warnte sie mich: „Sonst
wirst Du ein Sonderling." Alles Animieren, Zwingen etc.
brachte das Knabenmässige, das einmal nicht in mir war,
nicht in mich hinein. Ich war eben schon ein Sonder-
ling, nämlich von Natur. Dieser meiner weiblichen Natur
wegen bin ich schon als Knabe manchen bitteren Qualen
unverschuldet, ausgesetzt gewesen.
So glaube ich meinen Wunsch „des mihi, ubi sto!*
denn endlich erfüllt zu sehen, endlich festen Boden unter
meinen Füssen gewonnen zu haben.
Die Moral Vorschrift in Römer I bezieht sieh, ihren
klaren Worten nach, ausdrücklich nur auf Männer, die
ihre Natur verlassen haben. Selbst Ludewig und Wilhelm
U. werden dies nicht länger leugnen können, wenn sie
Gott durch Wahrheit die Ehre geben wollen. Gr. hat
indirekt es schon zugestanden. Sie bezieht sich also nicht
auf Halbmänner, auf uranische Hermaphroditen,
*) Hier hat einer der Adressaten an den Rand geschrieben:
Einen solchen weiblichen habitus glaube ich an Karl allerdings stets
wahrgenommen zu haben.
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— 5ä —
welche ihrem geschlechtlichen Liebestriebe nach überall
nicht Männer sind, sondern Weiber: Weiher in männlich
gestalteten Körpern.
Hiernach wird es wahrscheinlich ein nie zu sühnen-
des Unrecht sein, wenn die Majorität noch länger ihre
Uebermacht dazu missbrauchen wird, an die Uranier
z wangsweiseden Massstab der Männer anzulegen,
und zu diesem Zweck noch länger einen wahrhaft teuf-
lischen Missbrauch zu treiben einerseits mit den heiligsten
Gegenständen der Religion (z. B. „die Uranier hätten
keinen Teil an Christo" wie Wilhelm V. meinte), anderer-
seits mit dem Arm der weltlichen Gerechtigkeit, welche
ja doch Gottes und nicht des Teufels Dienerin sein soll.
Auf Grund eines anderen, beklagenswerten Irrtums
der Majorität, und ebenfalls bona fide, ward ein ähnlicher
Missbrauch mit der weltlichen Gerechtigkeit einst den
Hexen gegenüber getrieben. Meines Erachtens gehört
es zu den tiefsten und schwierigsten Problemen: wie Gott
die bona-fide- Verfolgungen der Hexen und Uranier so
viele Jahrhunderte hindurch in seiner Gerechtigkeit
habe zulassen können? — Fast sollte ich an einen
persönlichen Teufel glauben, der zu solchem Zweck die
Augen der Majorität durch ein satanisches Blendwerk
absichtlich geblendet habe.
Die uranischen Hermaphroditen sind keine Eu-
nuchen. Ihnen so gut, wie Euch, gab Gott den ge-
schlechtlichen Liebestrieb; ihnen so gut, wie Euch,
gab er damit auch das Recht, ihn zu befriedigen.
Allen Menschen gab er dieses Recht, vorausgesetzt, dass
die Befriedigung auf dem Wege erfolge, den die Natur
dem Individuum vorgezeichnet hat. Keinen Menschen
hat er verdammt zu unbedingter lebenslänglicher Befrie-
digung, d. i. niemanden hat er lebenslang dazu verdammt,
dass die Befriedigung unter allen Umständen ihm Sünde
sei. Das Gegenteil steht mit klaren Worten auch in der
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— 54 —
Bibel: „nubere melius, quam uri 44 ; „si se non contineant,
nubant". — Hier hält mir Gr. das Beispiel Tante U. ent-
gegen und ähnliche Fälle der Nichtverheiratung. Ich er-
widere : Es handelt sich nicht um irgend welche Gelegen-
heit oder faktische Möglichkeit, z. B. einen Freier zu
finden, sondern mn: „erlaubt oder sündlich." Sünd-
lich aber wäre es Tante Ü. niemals gewesen zu hei-
raten.
Unter welchen Umständen dem uranischen Her-
maphroditen die Befriedigung erlaubt sei ? Und wie weit
die Pflicht gehe, seine Triebe zu zügeln? ist eine Frage
für sich, über die ich gern bereit bin, mich auf eine Er-
örterung einzulassen. Ich leugne ja nur: die Befrie-
digung sei ihm unbedingt unerlaubt.
Das übrigens setze ich in dieser Beziehung schon
jetzt hinzu, dass jedenfalls nicht etwa die Ehe die Vor-
bedingung dieses Erlaubtseins sein kann, wenigstens nicht
die Ehe mit einem Frauenzimmer, weil solche Ehe
ihm absolut naturwidrig sein würde. Aber auch nicht
etwa die Ehe mit einem Dionäer, wenigstens nicht die
kirchlich oder staatlich sanktionierte Ehe mit ihm, weil
es keinen Priester giebt, der solche Ehe einsegne, und
keinen Zivilstandsbeamten, der sie in seine Listen ein-
zeichne.
Habe icli 1856 von der Möglichkeit, eine Ehe ein-
zugehen, geredet, habe ich damit nicht eine Liebes-Ehe
gemeint, soudern eine kalte Vernunft -Ehe. Mit dem
Gedanken an eine solche habe ich mich hin und wieder
getragen.
Das Angeboren sein behaupte icli keineswegs erst
seit dem vorigen Jahre. Schon 1854 zur Zeit unserer
Erörterungen zwischen Hildesheim und Hannover, beab-
sichtigte ich gelegentlich auch diesen Punkt zu erwähnen.
Damals handelte es sieh übrigens, von meiner Seite
wenigstens, hauptsächlich nur um kon ventionelles Er-
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55 —
laubtsein, nicht um moralisches. Damals zog ich auch
noch nicht so weittragende Konsequenzen daraus, als
jetzt. Hätten nach meinem Dienstaustritt jene Erörter-
ungen sich erneut, so würde ich damals jedoch jedenfalls
die Erwähnung gemacht haben.
Onkel Wilhelm meint, durch die Uranier werde
•Gottes Ordnung in der menschlichen Gesellschaft gefähr-
det und giebt zu verstehen, darum müsse man sie in Ge-
fängnisse oder Irrenhäuser stecken.
Ich erwidere: Durch sie wird doch nur diejenige
menschliche Gesellschaft alteriert und modifiziert, welche
ausschliesslich dionäisch konstruiert ist. Die
•dionäische Majorität aber hat gar kein Recht, die mensch-
liche Gesellschaft ausschliesslich dionäisch zu konstruiren.
"Solche Konstruktion derselben ist vielmehr nur empören-
der Miss brauch: da wir in der menschlichen Gesell-
schaft ebenso existenzberechtigt sind, als Ihr.
Ob Euch vor Hermaphroditen, die doch Gottes Werk
sind, graut? weiss ich nicht. Ich gebe aber anheim, zu
bedenken, dass Euch dann auch vor Schnecken, Austern
und unzähligen anderen Geschöpfen Gottes ein unheim-
liches Gefühl ankommen muss, da diese sämtlich Herma-
phroditen sind.
Graut Euch vor Hermaphroditen, so kann ich übrigens
nichts dagegen haben, bitte aber, dann doch wenigstens
einsehen zu wollen, dass zwischen solchem Grauen und
dem Grauen vor einer „gräulichen Sünde" (der von
Ludewig beliebte Ausdruck) denn doch ein himmelweiter
Unterschied ist.
Dies zu Eurer vorläufigen Notiz. Die ausführliche
(noch nicht ganz ausgearbeitete) Beweisführung gedachte
ich im Manuscript Onkel Wilhelm und Gr. mitzuteilen.
Zur Zeitersparnis und wegen der Verlustgefahr gebe ich
diesen Gedanken auf, beabsichtige vielmehr, dieselbe als
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— 56 —
Monographie im Druck erscheinen zu lassen, etwa unter
dem Titel: »Das Geschlecht der uranischen Her-
maphroditen, d. i. der mann er liebenden Halb-
männer. •
Euer Rat über die Art und Weise der Veröffent-
lichung, Anonymität dabei etc. oder überhaupt gegen
die völlige oder gegen die selbstständige Veröffentlichung-
wird mir willkommen sein.
Ihr könnt denken, dass ich über den gewonnenen,,
festen Boden sehr erfreut bin, sowie über die Hoffnung,,
endlich werde es Licht zwischen uns.
Euer
Karl Ulrichs.
NB. Nachschriften der Adressaten:
Eine Verhandlung des jedenfalls unerquicklichen
Gegenstandes nun gar vor dem Publikum würde mir
widerwärtig sein, und wie ich meine, auch Karls Interesse
eher gefährden als fördern. U.
Das ist auch meine Ueberzeugung. Der neue Beweiss,,
dessen Führung abzuwarten wäre, würde in der Beurteilung
der Sache nichts ändern. Wenn es so geartete Menschen
giebt, so müssen sie eine Gesellchaft für sich bilden.
Hannover, 15. Dezember 1862. W. Ü.
Ich kann nicht beurteilen, inwiefern Deine Ausführ-
ungen im obigen gegründet sind, aber es betrübt mich,,
dass Du nicht ablassest, lieber Karl, etwas zu entschul-
digen, was nach meiner Ueberzeugung nicht zu entschul-
digen ist. Tante und Karl grüssen. Ich danke auch für
die neulich gesandte Schrift: Grossdeutsches Programm.
In treuer Liebe
Gr. W. den 3. Januar 1863.
Dein
alter Onkel U.
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— 57 —
Auch diese Auseinandersetzung, die ich nocli gelesem
habe, hat nicht vermocht, meine oft wiederholte Ansicht
der Sache zu ändern. Die Sache zu veröffentlichen, dürfte-
auch nach meiner Ansicht nicht geraten sein.
Kl. Gr. den 6. Januar 1863. Ludewig.
Ich muss entschieden von der Veröffentlichung der
letzterwähnten Schrift abraten und bitte, mich mit allen
diese Sache betreffenden Schriften zu verschonen. Ich
gebe den Kampf als hoffnungslos auf und bitte Gott den»
Herrn, zu bewirken, was den Menschen nicht gelingen
zu sollen scheint.
D. den 21. Januar 1863. Gr.
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Frankfurt, den 12. Dezember 1862.
III.
Lieber Onkel!
Dein Urteil willst Du, so sagt Dein freundlicher
Brief vom 6. d. M., bis zu den expromittierten Beweisen
suspendiren.
Ich möchte indess rücksichtlich der Beweislast
folgendes geltend machen: Dieselbe liegt gar nicht uns
ob, sondern Euch. Beweise die Majorität, die uns ver-
folgt, doch erst einmal ihren Satz, den Satz, von dem sie
stets so ohne weiteres ausgeht: „Wessen Geschlechts-
organe männlich gestaltet sind, dem ist ge-
schlechtliche Liebe zum weiblichen Geschl echt
angeboren/
Dass dieser Satz, in sehr vielen Fällen zutreffe,
in Deutschland z. B., wenigstens heut zu Tage, bei
weitem in den meisten, gebe ich sehr gern zu. Allein
darum handelt es sich ja nicht. Es handelt sich darum:
„ob dieser Satz in allen Fällen zutreffe?" Und
hier gilt mein beweisloses Nein! genau soviel,
als Euer beweisloses Ja!
Ihr habt gar kein Recht, die Beweislast uns aufzu-
bürden und nachteilige Präjudice zu knüpfen an die
etwaige Verfehlung des Beweises des Nein. Hiergegen
muss ich im Namen der Gerechtigkeit ausdrücklich pro-
testieren. Nachteiliges Präjudice gegen uns auszusprechen
namentlich das Präjudice der Widernatürlichkeit
mit seinen mörderischen Konsequenzen, dazu würdet Ihr
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— 59 —
erst dann berechtigt sein, wenn Ihr den Beweis des Ja!
erbracht haben würdet.
Wie wollt Ihr dieses Ja! beweisen? Dieser Beweis
ist meiner festen Ueberzeugung nach, ein unmöglicher.
Euch selbst wird er wenigstens in höchstem Grade als
ein schwieriger erscheinen.
In ähnlicher Weise schwierig ist nun auch die Auf-
gabe, der ich mich unterzogen habe, d. i. der Beweis des
Nein. Nach dem Vorstehenden thue ich schon ein üb-
riges, wenn ich für mein Nein nur eine Reihe gewicht-
voller Wahrscheinlichkeitsgründe beibringe. Hier eine
Reihe von Wahrscheinlichkeitsgründen.
I. Stücke der geschlechtlichen Naturanlage des
Mannes sind: 1) männliche Gestaltung der Geschlechts-
organe, 2) Brustlosigkeit, 3) der sogen. Adamsapfel 4) männ-
licher Körperbau im allgemeinen, 5) Bart, 6) tiefe männ-
liche Stimme, 7) männlicher Habitus in Manieren, Geberdeu
und Bewegungen, 8) männlicher Charakter und männliche
Neigungen zu Beschäftigung, Spiel pp., 9) Richtung des
geschlechtlichen Liebestriebes auf Weiber.
Stücke der geschlechtlichen Naturanlage des Weibes
sind: 1. 1) weibliche Gestaltung der Geschlechtsorgane,
2. 2) Brüste, 8. 8) mangelnder Adamsapfel, 4. 4) weib-
licher Körperbau im allgemeinen, 5. 5) Bartlo»igkeit, 6.
u) helle weibliche Stimme u. s. w. (umgekehrt).
Sehen wir aber, dass die Natur neben Stück i. oft
nicht die sämtlichen übrigen Stücke 2 — 9 erteilt, sondern
z. B. o\ i). statt <> ; 7. 7. statt 7 ; 8. 3. statt 8, so ist die
Wahrscheinlichkeit Eures Satzes erschüttert: „dass sie
neben 1. stets 9, niemals aber 9. 9. erteile."
IL Diese Wahrscheinlichkeit wird ferner erschüttert
durch das Beispiel der Hermaphroditen, indem dieses
Beispiel den schlagenden Beweis liefert, dass die Richtung
des geschlechtlichen Liebes t riebes auf Männer oder
aber auf Weiber vollkommen unabhängig ist von der
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— (30 —
(weiblichen oder aber männlichen) Struktur der Ge-
schlechtsorgane, dass die Natur in der Erteilung der
Richtung des Liebestriebes sich nicht bindet an die
Struktur der Geschlechtsorgane.
Wegen ihres Gemisches von Teilen der männlichen
und weiblicheu Geschlechtsorgane müssten die Zwitter ja
sonst auch zweierlei Liebestriebe haben. Sie haben aber
nur einen einzigen, und zwar sehr oft gerade denjenigen,
welcher den nicht vorwaltenden, den zurückstehenden
Stücken der Geschlechtsorgane entspricht. Seltsam! bei
den Zwittern scheint dieser Gegensatz zwischen Organ
und Trieb sogar durchgängig der Fall zu sein, und
zwar sowohl bei den vorwiegend männlich, als bei den
vorwiegend weiblich gestalteten Zwittern.
III. Sodann ist ja doch die Thatsache nicht zu be-
zweifeln, dass in Tausenden und aber Tausenden aller
Völker alter und neuer Zeit neben 1. nicht 9, sondem
9. 9. nun einmal vorhanden ist, und zwar nicht eine
oberflächliche, gemischte oder verzerrte, sondern eine
innige, reine, wahre und tiefe Liebe, welche auch ebenso
zart und sehnsuchtsvoll und ebenso aufopferungsfähig ist,
als die regelmässige, also wesentliche Merkmale ihrer
Natürlichkeit an sich trägt; zumal auch die betr. Indi-
viduen körperlich und geistig vollkommen gesund sind.
Fragt jeden Uranier: und er wird ganz genau ins
Einzelne zu erzählen wissen, welchem Geschlecht gegen-
über sich die Sehnsucht dieser Liebe vom ersten Eintritt
seiner Mannbarkeit an geäussert habe; zu erzählen wissen,
dass er niemals zu Mädchen Liebreiz empfunden habe;-
ferner, dass bei nächtlichen Pollutionen der Traum ihm
stets männliche, niemals weibliche Bilder vorgegaukelt habe.
Jeder Uranier, den ich hiernach gefragt (etwa 6 Ura-
nier) stimmt hierin durchaus überein, und alle übrigen
werden vermutlich ebenfalls hierin übereinstimmen. Bei
den Traumbildern namentlich ist Selbsttäuschung undenk-
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— 1)1 —
bar. Diese Uranier alle aber für Lügner zu erklären,
scheint mir doch einigermassen gewagt.
Dass den einzelnen Uranier schon in frühester Jugend
der Anblick schöner junger Männer angezogen hat, wird
einem aufmerksamen Beobachter übrigens auch gar nicht
entgangen sein ; ebensowenig wie, dass der Anblick blühen-
der Mädchen, der anderen Jünglingen unwiderstehlich
war, ihn vollkommen kalt Hess ; ferner dass schon in der
Periode seiner Impubertät sein Charakter, seine Neigungen
zu Beschäftigung, Spiel pp. und sein Habitus in Manieren,
Geberden und Bewegungen in vielen Stücken nicht männ-
lich, sondern weiblich waren.
IV. Endlich ist es doch im höchsten Grade
unwahrscheinlich, dass diese Tausende ihre Natur, wie
sie dieselbe aus Schöpfers Hand empfangen haben, selber
umgeändert haben sollten, dass sie durch eigene
Willenskraft infolge eigenen Entschlusses imstande ge-
wesen sein sollten, eine nicht vorhandene innige
Liebessehnsucht zu Männern in sich zu erzeugen, ja den
vorhandenen Horror vor geschlechtlichen Berührungen
mit Männern in Liebessehnsucht umzudrehen! Ich wüsste
in der That nicht einmal: wie wir dies Kunststück anfangen
sollten, zumal in einem Alter von 13 — 14 Jahren und
in einer Umgebung, in welcher dem jungen Manne die
Liebe zum weiblichen Geschlecht formlich anerzogen und
eingetrichtert wird und in welcher er von Liebe eines
Mannes zu Männern auch nicht eine Silbe gehört hat.
Wem die Natur nicht die Stücke der geschlecht-
lichen Naturanlage 1 — 9 incl. gab, oder aber 1. 1. — 9. 9.
incl., bei wem sie vielmehr mischungsweise mit der
Austeilung jener Stücke verfuhr, den nenne ich Herma-
phrodit im weiteren Sinne: so nenne ich also auch
denjenigen, dem sie zugleich 1 und 9. 9. gab.
Ich wiederhole, dass ich mich auf vorstehende Gründe
nur Dionäern und Weibern gegenüber stütze, nicht mir
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— t>2 —
selbst gegenüber, oder anderen Uraniern gegenüber. Jeder
Uranier seinerseits bedarf ihrer nicht. Er braucht nur
in sich selbst hineinzuschauen, um klar und zweifellos zu
finden, dass ihm die Liebe zu Männern angeboren sei
und dass er seine Natur, wie er sie aus Schöpfers Hand
empfing, ungeändert gelassen habe.
Zu den Konsequenzen, die ich aus dem Angeboren-
sein der uranischen Liebe ziehe, also dem moralischen
und socialen Erlaubtsein ihrer Befriedigung,
trage ich meinem Zirkular vom 28. November 1862 nach :
Die Vorbedingung dieses Erlaubtseins kann nicht die
formelle Ehe sein, d. i. die kirchlich oder staatlich
.sanktionierte: weder die mit einem Frauenzimmer, weil
solche Ehe dem Uranier absolut naturwidrig sein würde.
Aber auch nicht die formelle Ehe mit dem von ihm ge-
liebten Dionäer, weil für das Liebesbündnis zwischen
Uranier und Dionäer das Institut der formellen Ehe
überall nicht eingesetzt worden ist, sondern nur
für das Liebesbündnis zwischen Mann und Weib. Für
sie gilt also noch unverändert der Naturzustand,
welcher die formelle Ehe nicht kennt: gerade wie auch
für die Liebe zwischen Mann und Weib noch heute der
Naturzustand unverändert fortgelten würde, wenn für sie
jenes positive Institut niemals eingesetzt worden wäre:
oder wie für sie derselbe da sofort wieder eintreten würde,
wo es an Priester und Zivilstandesbeamten absolut fehlt,
z.B. auf einer wüsten Insel, auf die zwei Liebende, Mann
und Mädchen, verschlagen sind.
Auf die Giftigkeit des Naturzustandes für die Uranier
führt meines Erachtens die eiserne Konsequenz.
Naturzustand übrigens ist keineswegs gleichbedeutend
mit Venus vulgivaga. Zwischen formeller Ehe und Venus
vulgivaga liegen mehrere Stücke des Naturzustandes noch
in der Mitte, z. B. die Naturehe, d. i. ein eheähnliches
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— 03 -
dauerndes Liebesbündnis, wie wir es bei den griechischen'
Uraniern vielfach finden; aber auch noch andere Stücke.
Für I. und II. (s. oben) bin ich imstande, eine Reihe
von Belegen beizubringen. Wünschest Du es, so werde
ich es thun. Andere Beweismittel besitze ich zur Zeit
nicht.
Ich bitte diesen Brief mir demnächst gefällig wieder
zurückzusenden. Einen Wunsch, ihn zirkulieren zulassen,
spreche ich nicht aus.
Du widerrätst der Veröffentlichung durch den Druck.
Es ist mir wenigstens lieb, die Gründe Deines Rates
kennen zu lernen. Ich muss sie anerkennen als richtig,
zweifle aber, ob die gegenüberstehenden Gründe nicht
überwiegen. Ich glaube nämlich die Veröffetlnichung
meinen armen, nach meinem Standpunkt schuldlos ver-
folgten Schicksalsgenossen schuldig zu sein. Mehrere
derselben, denen ich meine Idee mitgeteilt, halten die Ver-
öffentlichung für aufs allerdringendste notwendig.
Auch drängt es mich meinerseits, endlich einmal offen
mit einer Rechtfertigung meiner selbst hervorzutreten
gegenüber all' den Demütigungen, die man mir bisher auf-
erlegt hat und denen ich irgend etwas anderes nicht ent-
gegenzusetzen weiss. Uebrigens bin ich zunächst noch,,
etwa für 2 — 3 Monate, mit anderen Arbeiten beschäftigt
und möglicherweise ändre ich noch meine Idee auf irgend:
eine Weise.
Dein gehorsamer Neffe
Karl Ulrichs,
Reuterweg.
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Frankfurt, den 23. Dezember 1802.
IV.
Lieber Onkel
Mich zu rechtfertigen, und zwar vollständig zu recht-
fertigen, ist mir jetzt geradezu Lebensaufgabe. Daher
der Eifer erklärlich, mit dem ich nach solchen Beweis-
mitteln forsche, die für Euren Standpunkt mindestens
•die Wahrscheinlichkeit des Angeborenseins der uranischen
Neigung beweisen. Hier noch einige solcher Wahrschein-
lichkeitsgründe. Das Eingehen in sehr geschlechtliche
Einzelheiten ist dabei unvermeidlich.
I. Geschlechtlicher Dualismus des menschlichen
I ndivid uums.
A. Dem männlichen Geschlecht gibt die Natur
neben dem ausgebildeten männlichen Organen unaus-
gebildete weibliche Organe: nämlich die nicht zurEnt-
wickelung gelangten weiblichen Brustwarzen und
Milchdrüsen.
B. Ebenso gibt sie dem weiblichen Geschlecht
neben den ausgebildeten weiblichen Organen auch ein
unausgebildetes männliches Organ: die Clitoris. Die
Clitoris ist nämlich meines Erachtens in der That nichts
anderes, als ein nicht zur Entwickelung gelangtes mem-
brum virile. Diese Behauptung wird schlagend bewiesen
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— G5 —
durch das Beispiel einer grossen Reihe von Zwittern.
Sämtliche, oder doch fast sämtliche Zwitter sind begabt
mit einer Mittelform zwischen dem ausgebildeten membrum
der Männer und der gewöhnlichen Clitoris der Weiber.
Zwischen diesen beiden Endgestaltungen wechselt diese
Mittelform der Zwitter in allen möglichen Variationen.
Wie ich in medizinischen Büchern lese, hat die ge-
wöhnliche Clitoris des weiblichen Geschlechts Eichel, Hals
und Präputium. In diesen Punkten stimmt sie also
mit dem membrum virile überein.
Sie weicht von ihm ab:
1) Durch die Zurückgebliebenheit der Ausdehnung.
Aehnlicher Abstand wie die männlichen Brüste von den
weiblichen.
2) Dadurch, dass die Clitoris in der Regel nicht
erectionsfähig ist. (Anmerkg. des Herausgebers: Hier ist
von Ulrichs Hand später hinzugefügt: Die Clitoris ist
erectionsfähig.)
3) Dadurch, dass durch das membrum virile die
Harnröhre hindurchläuft, durch die Clitoris nicht.
In diesen drei Punkten aber finden sich bei den
Zwittern gerade die erwähnten Uebergangsformen.
ad- 1) Die Ausdehnung steht etwa in der Mitte.
So z. B. bei dem Münster'schen Zwitter, einem sogen,
männlichen Zwitter, männlich genannt, weil ihm uterus
fehlt und er Testikeln hat. (Ihn schildert in Caspers
Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medizin, Band X. 1856
Dr. Tourtual.) Ebenso bei dem Prager Zwitter, einem
sogen, weiblichen Zwitter, weiblich genannt, weil ihm
Testikeln fehlen, er dagegen einen uterus hat (Ihn schil-
dert Prager Vierteljahresschrift für prakt Heilkunde
Jahrg. XII. 1855. Band I.)
ad. 2) Bei den Zwittern ist das fragliche Glied
meist> vielleicht stete, allerdings erectionsfähig. Mitunter
ist dies auch bei gewöhnlichen Weibern der Fall.
Jahrbuch fflr homosexuell« Forschungen. 5
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66
ad. 3) Bei den Zwittern geht durch das fragliche
Glied bald die Harnröhre hindurch, bald nicht»
Letzteren Falles mündet sie, ganz oder doch fast, ganz
wie bei gewöhnlichen Weibern, in einer Körperöfthung,.
welche sich unterhalb des fraglichen Gliedes befindet.
Solche Körperöffnung finden wir sowohl bei dem er-
wähnten sogen, männlichen Münster'schen Zwitter, als
auch bei einem gewissen Berliner Zwitter, mit dem Bei-
namen „Mathilde", welchen man aus den gleichen Gründen,
wie den Münsterschen, etwa einen männlichen nennen mag.
Bei dem Berliner Zwitter nun geht die Harnröhre
hindurch, ganz wie bei gewöhnlichen Männern und mündet
nicht in die Oeflhung: bei dem Münster'schen geht sie
nicht hindurch, sondern mündet in diese Oeffhung.
Aehnlicher Mittelformen kommen noch andere vor.
An einem Manne, der sonst nichts abweichendes an sich
hatte, mündete die Harnröhre nicht am Ende des raem-
brum virile, sondern schon zu a / 4 der Länge desselben.
Das Ende war einigermassen verbildet.
Die gewöhnliche Clitoris des weiblichen Geschlechts
kann hienach nichts anderes sein, als ein nicht zur Ent-
wicklung gelangtes membrum virile.
C. In gewisser Hinsicht ist also jeder Mensch, Mann
sowohl wie Weib, ein Zwitter.
Schlussziehung. Wenn die Natur aber neben
männlichen Organen sogar weibliche Organe giebt und
neben weiblichen Organen sogar männliche Organe:
warum sollte es dann undenkbar sein, dass sie neben
männlichen Organen mitunter auch weibliche Triebe
gebe?
D. Am männlichen Embryo, namentlich an dem der
ersten Monate, sind die Geschlechtsorgane von denen des
weiblichen Embryo fast gar nicht zu unterscheiden. Mem-
brum virile und Clitoris unterscheiden sich dann noch
gar nicht oder fast gar nicht, von einander. Brustwarzen
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— 1)7 —
und Brustdrüsen unterscheiden sich beim männlichen und
beim weiblichen Embryo geradezu gar nicht von einander.
Uienach nimmt man an, dass:
a) in jedem Embryo ein doppelter geschlecht-
licher Keim vorhanden sei, ein Keim der Viriii tat und
neben ihm ein Keim der Müliebri tat, dass sich aber
ß) nur der eine Keim entwickle, während der
andere nicht zur Entwicklung gelange.
Diese Annahme des Satzes « wird um so wahrschein-
licher, wenn wir uns in der Schöpfung sonst umschauen.
Hier finden wir, dass bei der weitaus überwiegenden
Mehrzahl der Pflanzen-Gattungen in jedem einzelnen
Pflanzenindividuum männliches und weibliches Element
neben einander nicht nur im Keim vorhanden ist, sondern
dass es neben einander auch zur vollständigen Entwick-
lung kommt. Dasselbe finden wir auch im Tierreich,,
z.B. bei den Schnecken. Jede einzelne Schnecke trägt
den geschlechtlichen Dualismus nicht nur im Keim in sich,,
sondern in einer jeden gelangt auch die Virilität und zu-
gleich auch die Muliebrität zur vollständigen Entwicklung,,
so dass zwei Schnecken sich gegenseitig begatten und
gegenseitig befruchten.
E. Dass aber der Satz ß nur die Kegel sei, dass
hievon vielmehr auch Ausnahmen vorkommen, beweisen
eben die Zwitter, bei denen stückweis beide Keime
neben einander körperlich zu einer gewissen Ent-
wicklung gelangen.
F. Warum sollte es nun undenkbar sein, dass in
einzelnen Individuen die Natur in ihrer Mannigfaltigkeit
noch anders zu Werke gehe, dass sie körperlich den
männlichen Keim zur Entwicklung gelangen lasse*
körperlich den weiblichen Keim nicht zur Entwicklung
gelangen lasse, geistig dagegen umgekehrt den männ-
lichen Keim nicht zur Entwicklung gelangen lasse,
geistig vielmehr den weiblichen Keim in allen seinen
5*
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— 68 -
Richtungen zur Entwicklung gelangen lasse? Dass sie
also in Weichheit des Charakters, in Neigungen zu Be-
schäftigungen pp., in Manieren und vor allem in der
Richtung des geschlechtlichen Liebestriebes zu Männern,
den Keim der Muliebrität zur Entwicklung gelangen
lasse? d. i. dass sie Uranier schaffe?
G. Die Thatsache würde also lediglich diese sein —
eine Thatsache, weiche meines Erachtens keineswegs so-
gar absonderlich sein würde:
Der geschlechtliche Dualismus, welcher aus-
nahmslos in jedem menschlichen Individuum im
Keim vorhanden ist, kommt in Zwittern und
Uraniern nur in höherem Grade zum Ausdruck,
als im gewöhnlichen Mann und im gewöhnlichen
Weibe. Im Uranier kommt er ferner nur in einer
anderen Weise zum Ausdruck, als im Zwitter.
II. Weiblicher Charakter der Uranier.
In Konsequenz Kurer Theorie müsst Ihr zu uns auch
sagen: „Euren von Natur männlichen Charakter, Eure
von Natur männlichen Neigungen in Beschäftigungen,
Spiel, Umgang, Eure von Natur männlichen Manieren,
Geberden und Bewegungen habt Ihr selber naturwidrig
umgeändert." Dies aber zu behaupten, wäre doch ge-
wiss gewagt, da sich in Uraniern, schon wenn sie sechs-
bis achtjährige Knaben sind und nicht etwa unter Mädchen
aufwachsen, in jenen Stücken ein scharf ausgeprägtes,
weiches, weibliches Element an den Tag legt, so dass
man sich offenbar gezwungen sieht, in diesen Stücken
das weibliche Element anzuerkennen als ein angeborenes.
Dann aber sehe ich in der That einen vernünftigen
Grund nicht mehr ein, weshalb Ihr Euch noch länger
auflehnen wollt gegen unsere feierliche Versicherung, dass
die Richtung unseres geschlechtlichen Liebestriebes auf
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— «59 —
Männer schon sofort mit den? Erwachen dieses Triebes
selber in vollster Entschiedenheit diesem Triebe angeklebt
habe, dass also diese Richtung des Triebes uns angeboren,
d. i. von der Natur uns gegeben sei.
III. Zwei Autoritäten, beide Dionäer.
1. Heinse „Begebenheiten des Eucolp" 1777 oder
1778 (Uebersetzung des Satyricon des Petronius) erkennt
in der Vorrede an, es müsse wohl die Natur sein, welche
den griechischen und römischen Uraniern die Neigung zu
Männern eingepflanzt habe. Der Mensch sei anmassend,
wolle er seine Mutter (die Natur) meistern, d. i. dieses
Einpflanzen tadeln.
2. Arthur Schopenhauer, der ziemlich berühmte,
kürzlich verstorbene Philosoph, („Die Welt als Wille und
Abstellung" 3. Aufl. Band II. 1859. S. 641 folg.) sagt:
„Alle grausamen Verfolgungen, auch die fürchterlichsten,
hätten nicht vermocht, diese Neigung auszurotten." (Welch
teuflische Gerechtigkeitspflege! Mit der Verfolgung ohne
weiteres beginnen und es dem Zufall anheim stellen,
später aufzudecken, ob die Verfolgung Grund habe oder
nicht! Dasselbe Prinzip herrscht noch heute! Auch
sind die Martern, mit denen man verfolgt, materiell noch
keineswegs sehr gemildert worden. Fast alle Jahre treibt
Ihr durch Eure Verfolgung Uranier zur Selbstent-
leibung!) „Sie müsse wohl tief begründet sein in der
Natur des Menschengeschlechts." Er führt dabei an,
was auch ich (vor einem Jahr) angeführt habe: „Naturam
furca expellas, tarnen usque redibit." Ihn führt zu dieser
Meinung auch wohl die ihm sehr auffallende Thatsache
der enormen Verbreitung dieser Neigung, namentlich
über nicht-europäische Völker und ihres Vorkommens
durch alle Jahrhunderte.
Wie (Euch uuangeahnt) weit sie selbst in Deutsch-
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— 70 —
land verbreitet sei, darüber habe ich früher Mitteilung
gemacht. Nach später mir gewordenen Angaben habe
ich damals wahrscheinlich noch viel zu tief gegriffen.
Annäherungsweise kann ich statistische Gründe beibringen.
Schopenhauer ist ein durchaus redlicher Beobachter,
der sein Urteil durch vorgefasste Meinungen nicht be-
stehen lässt.
Euer
Karl Ulrichs.
Bitte um demnächstige Rückgabe. Lieb wäre es mir,
wenn Du Stellen, die Dir wichtig scheinen, mit roter
Tinte entweder unterstreichen oder am Rande anstreichen
wolltest.
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Zur
Charakteristik des Rnpfertums.
Von
Ludwig Frey.
Als Johann Gottfried Herder sich einen Lebens-
beruf wählte, ergriff er das Studium der Medizin und
wandte sich demselben mit heller Begeisterung und mit
der ihm eigenen Liebe für das Wohl der Menschheit zu.
Er war entschlossen, sich um keinen Preis von dem vor-
gesteckten Ziele abwendig machen zu lassen. Als er aber
das erste Mal vor den Seziertisch trat, und der erste
Kadaver mit seinem grauenerregenden Anblick vor ihm
lag, da bemächtigte sich seiner ein solches Gefühl des
Abscheus und Ekels, dass er nicht nur die Anatomie,
sondern auch das Studium der Medizin verliess und sich
jenen Aufgaben zuwandte, die seinen Namen berühmt
machten.
Aehnlich ergeht es Jenem, der aus Mitleid für eine
unglückliche Menschenklasse und in der Absicht, zu retten,
was zu retten ist, sich an das Studium des Konträr-
sexualismus macht.
Nicht als ob der Konträrsexuale selbst diesen pein-
lichen Eindruck hervorrufen müsste. Im Gegenteil, bei
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— 72 —
einer vorurteilslosen Prüfung entdeckt der Forscher bald
Züge in demselben, die er, dank den über Konträrsexualis-
mus herrschenden Vorurteilen, bei ihm gar nicht gesucht
hätte. Was den Forscher abstösst, ist vielmehr das Elend
der sozialen Verhältnisse, in welchem der Konträrsexuale
schmachtet, trotzdem die Wissenschaft dessen natürliche
und moralische Existenzberechtigung bereits hinreichend
nachgewiesen hat. Insbesondere ist es das Rupf er tum,
aus welchem dem Menschenfreund so widerwärtige, so
namenlos verstimmende, so allen moralischen Untergrunds
entbehrende Erscheinungen entgegentreten, dass der
menschenfreundlichste Forscher sich, sobald er diese
kennen gelernt, entschliesst, das ganze Gebiet zu meiden
und lieber die Konträrsexualen ihrem Schicksale zu tiber-
lassen, als durch die Kenntnis desselben den Glauben an
die fortschreitende Zivilisation und an die als Parole aus-
gegebene Menschlichkeit zu verlieren.
Eine solche Empfindung überkam auch mich, als ich
an das Studium des Konträrsexualismus und seine sozialen
Verhältnisse ging. Ich lernte die Nachtseiten des Rupfer-
tums kennen und wurde von einem derartigen Grauen
erfasst, dass ich die ganze Sache hätte auf sich beruhen
lassen, auch wenn mir nicht durch die beständige Wieder-
kehr von Erpressungsfällen, über welche die Zeitungen
berichteten, das Nutzlose eines Rettungsversuches vor
Augen getreten wäre. Da brachten die Blätter einer
deutschen Grossstadt die Meldung, dass ein hochachtbarer,
intelligenter und moralisch unantastbarer Mann durch
zwei brutale, auf der niedersten Stufe menschlicher Ent-
artung stehende Individuen in einer Weise misshandelt
worden sei, dass nicht nur seine soziale, sondern auch
seine physische Existenz der Vernichtung nahe war. Ich
fragte mich : Wenn jener bisher hochangesehene Konträr-
sexuale, auch wenn er nicht, wie anzunehmen ist, dem
Strafrichter verfiel, von seiner Umgebung, in die ihn seine
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— 73 —
Bildung und gesellschaftliche Bedeutung gestellt hatte,,
ausgeschlossen wird, — hat dann sein Leben noch irgend
einen Wert, und wie soll er sich in einer bürgerlichen Ge-
sellschaft noch behaupten können, die ihm seinen unwider-
stehlichen Naturtrieb als verächtliches Laster auslegt?'
Es trat aber auch noch eine weit wichtigere Frage hinzu
Ist an seinem Unglück und, — wenn er auf Abwege ge-
rät, — an seiner moralischen Verkümmerung etwa seine
abnorme Geschlechtsanlage, oder sind daran nicht viel-
mehr die herrschenden sozialen Verhältnisse schuld, unter
welchen sich jeder Rowdy herausnehmen darf, ein ganzes
Lebensglück zu zerstören und dabei noch im Sinne des
Gesetzes zu handeln glaubt?
Diese Erwägung drängte alle persönlichen Antipathien-
nieder und nötigte mich mit elementarer Gewalt, das eben
verlassene düstere Gebiet wieder zu betreten, und für
weitere Kreise die Greuel aufzudecken, die fortwährend
an hilflosen und bedauernswerten Menschen verübt werden.
Diese Aufgabe ist für einen pflichtbewussten Menschen
um so weniger zu umgehen, als ein grosser Teil der Presse
nicht damit zufrieden ist, von den Erpressungen einfach
als solchen Notiz zu nehmen, sondern sich bemüssigt sieht,
auch noch einen Stein auf die ohnehin schon übermässig
Geschädigten, auf die Konträrsexualen, zu werfen, ein
Verfahren, das zwar recht gut gemeint sein kann, das
aber objektiv vollständig unberechtigt und nur dazu an-
gethan ist, die öffentliche Meinung irrezuleiten. Indem
ich nun einmal den Gegenstand vou der rein objektiven
Seite aus zu beleuchten versuche, geschieht es in der
Zuversicht, dass sich vielleicht doch dem Einen oder An-
dern eine bessere Erkenntnis der Dinge erschliesst, und
dass dem gemeingefährlichen Treiben des Rupfertunis
nach und nach ein Ziel gesetzt wird.
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— 74 —
I.
Man kann gleich im Anfang auf eigene Darstellung
verzichten, wenn man den sozialen Notstand schildern
will, den die Chanteurs, wie der internationale Name der
internationalen Rupferbande lautet, im gesellschaftlichen
Leben herbeigeführt haben. AVir lassen einem vielgelesenen
Blatte der deutschen Reichshauptstadt das Wort,
wrenn wir sagen: „Seit Jahren betreiben gefährliche
Burschen es als eine Verbrecherspezialität, gewisse männ-
liche Neigungen und Verirrungen durch fortgesetzte Er-
pressungen auszubeuten. Sie suchen ihre Opfer abends
und nachts in der Gegend von Bedürfnisanstalten einzelner
Stadtteile und im Tiergarten, namentlich in seinen dem
Brandenburger Thore nahe gelegenen Teilen. Gefährlich
werden sie nur einzelnen Herrn, die ahnungslos eine An-
stalt benützen oder spazieren gehen. An sie macht sich
einer der Burschen mit einer harmlosen Miene heran,
bittet um Feuer, fragt nach der Zeit oder unternimmt
sonst ein Manöver, das den einsamen Wanderer aufhalten
muss. Dann springt plötzlich ein zweiter Mann aus dem
Versteck hervor und beschuldigt den Ahnungslosen straf-
barer, gegen die Sittlichkeit verstossender Handlungen.
Dieser zweite Mann war der Helfershelfer des ersten.
In der Regel haben die Burschen, von denen der Helfer
sich oft als Kriminalbeamten aufspielt, Erfolg. Der Be-
schuldigte fürchtet, wenn er sich auch noch so un-
schuldig fühlt, wegen der Art der Beschuldigung dennoch,
in eine Untersuchung zu geraten, und ist froh, wenn ihm
schliesslich Aussicht geboten wird, sich mit einem Geld-
opfer allen weitern Unannehmlichkeiten entziehen zu
können. Etwas anderes aber wollten auch die Verbrecher
nicht. Nun haben sie ihr Opfer, das sich ja durch eine
Geldspende schuldig bekennt, auch in der Schlinge. Durch
heimliche Beobachtungen wissen sie die Wohnung des
Unglücklichen auszukundschaften und treiben ihn durch
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- 75 —
fortgesetzte Erpressungen zur Verzweiflung. Mehr als
Ein Selbstmord, dessen Veranlassung man sich zunächst
nicht erklären konnte, ist auf Rechnung dieses Treibens
zu setzen."
So zutreffend diese Schilderung der Chantage ist,
und so viele Anerkennung die Blosslegung dieses Treibens
verdient, so ist sie doch nur nach einer Seite hin er-
schöpfend. Es wird nämlich angenommen, dass der von
dem Rupfer Bedrohte und Geschädigte meist ein Normaler
ist, der dem Gesetze vollständig einwandfrei gegenüber
steht. Dieser Fall mag vorkommen, er ist aber nicht die
Regel, sondern die Ausnahme. Der einsame Spazier-
gänger z. B., der nächtlicherweile den Tiergarten aufsucht,
ist in sehr vielen Fällen ein Konträrsexualer, was schon
daraus hervorgeht, dass er im eintretenden Notfalle die
Rupfer lieber mit Geld abfindet und sich fortgesetzte
Erpressungen gefallen lässt, als mit einer einfachen An-
zeige, bei der er nichts Wesentliches für seine Ehre zu
riskieren hat, sich die Sache vom Leibe zu schaffen. Es
entsteht daher die Frage : wie soll sich dieser, den sowohl
bei einer polizeilichen Meldung als bei einem allenfallsigen
Widerstand gegen den Rupfer ein Paragraph des deutschen
Reichsstrafgesetzbuches bedroht, in einem solchen Falle
verhalten? — Die Beantwortung wäre sehr einfach, wenn
auch dem Konträrsexualen völlige Straffreiheit zugesichert
wäre. So nämlich wird es wenigstens in der französischen
Hauptstadt in der Regel gehalten, wie nachstehender
Vorfall zeigt.
Vor drei Jahren bemächtigte sich die Pariser Polizei
eines Individuums, welches sich in den vornehmen Vierteln
um die Oper und den Boulevard des Capucines herum-
trieb und seine Opfer fast ausschliesslich unter den reichen
Fremden, die in Menge dorthin kommen, suchte und fand.
Es war dies ein ehemaliger Badediener, namens Sourdville,
welcher nach einer wegen eines Sittlichkeitsattentats er-
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... 76 —
folgten Freiheitsstrafe sich alsbald auf den Ervverb durch
Erpressung verlegte. Er wusste reich scheinende Leute
in ein obskures Hötel zu locken. Sobald er mit seinem
Opfer im Zimmer allein war, tauchte plötzlich ein Komplize
auf, der sich als Polizist gerierte. Das Opfer hatte dann
grosse Summen zu erlegen, um fortzukommen. Dieses
Verfahren erschien jedoch Sourdville bald zu gefährlich,
weil einzelne Opfer zu Thätlichkeiten übergingen, und er
„beschränkte* sich darauf, die ins Hotelzimmer gelockten
Personen zu narkotisieren und sodann ihrer Wertsachen
zu berauben. Die Beraubten unterliessen die Anzeige,
um sich nicht zu kompromittieren. Trotzdem erhielt die
Polizei Wind von der Sache und stellte Detektives auf,
denen endlich der Fang Sourdvilles gelungen ist. Sie
bemerkten ihn, wie er sich in den Champs Elysees zu
einem respektabel aussehenden Greise auf die Bank setzte
und diesem lächelnd zuredete, um schliesslich mit ihm
in ein Hötel auf den Boulevards zu fahren. Die Detek-
tives folgten ihnen und warteten. Als nach einer Weile
der alte Herr aus dem Hotel kam, hielten sie ihn an.
Er wollte anfangs von nichts wissen, gestand jedoch end-
lich, — als man ihm versprochen hatte, ihm nichts
anzuhaben und seinen Namen zu verschweigen, — dass
er gänzlich ausgeraubt sei. Die Detektives machten sich
sofort auf die Suche nach dem durch eine Hinterthür
entwischten Sourdville und verhafteten ihn. Man fand
in seinen Taschen 1100 Franks, welche er seinem Opfer,
einem vornehmen, zu kurzem Aufenthalt nach Paris ge-
kommenen Fremden abgenommen hatte, und eine Flasche
mit Chloroform.
Dieser Vorgang, welcher zeigen soll, dass man durch
Zusicherung von Straflosigkeit in den Beraubten eine
Hilfe zur Entdeckung von Verbrechern gewinnt, ist auch
dadurch bedeutsam, dass er lehrt, wie sich nach den ver-
schiedenen Örtlichkeiten nur die Formen des Verbrechens
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77 —
ändern, wie dasselbe im Grunde überall auf den gleichen
Trik hinausläuft. In Paris sind es die Elyseischen Felder,
in Berlin die Partien um das Brandenburger Thor, welche
den Schauplatz der Campagne bilden. Dort wie hier ist
es der schon früher einmal — nicht selten wegen Sitt-
lichkeitsdelikten! — bestrafte Chanteur, welcher sich den
einzelnen Herren nähert, ihn, verbindlich lächelnd, um
Etwas fragt oder bittet, und in beiden Fällen wird dieser
das willenlose Opfer des Verbrechers. Nur der eine
Unterschied besteht, dass sich die Pariser Polizei nicht
den blossen Anschein gibt, als ob das Opfer kein Kon-
trärsexualer wäre, sondern es als solchen thatsächlich be-
trachtet, ohne eine strafrechtliche Verfolgung eintreten zu
lassen. Anerkennungswert ist übrigens auch der Berliner
Modus, insofern er den ersten Schritt bildet zu einem
schonenden und vernunftgemässen Vorgehen.
Freilich sind nicht alle Massregeln, welche von polizei-
wegen in Sachen der Konträrsexualen getroffen werden,
mit schonender Kücksicht begleitet; wenigstens werden von
untergeordneten Organen der öffentlichen Sicherheit zu-
weilen Fehlgriffe begangen, welche sich im Effekt nicht
viel von dem Vorgehen der Rupfer unterscheiden. Be-
kannt wurden vor einigen Jahren die sogenannten Helden-
thaten eines Schutzmannes, der förmlich darauf wartete,
bis ihm in einer Bedürfnisanstalt irgend ein Mann in den
Weg kam, den er eines unsittlichen Angriffs beschuldigen
konnte. Ein Berliner Blatt schrieb damals: „Die Bevölke-
rung darf wohl auf ein an den Senat gerichtetes Auskunfts-
ersuchen eine baldige genügende Antwort erwarten; denn
es kann nicht länger geduldet werden, dass in einem
Kulturstaat ein Vigilanzsystem grossgezogen wird, unter
welchem trunkene, schwache, alte, vielleicht auch zu Ge-
schlechtsexzessen von der Natur etwas geneigte, aber
sonst ganz schuldlose Bürger förmlich von dazu aufge-
stellten Beamten verleitet und versucht werden, Unsitt-
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— 78 —
lichkeitsattentate zu begehen, beziehungsweise dass ihnen
fälschlicherweise imputiert wird, solche begangen zu haben.
Wie manches Opfer eines solchen missverstandenen Sy-
stems sitzt vielleicht schon hinter Gefängnismauern ?*
Wahrlich, es ist mehr als überflüssig, dass auch noch
agents provocateur in Thätigkeit treten, nachdem die
professionsmässigen Erpresser im Lande an allen Ecken
und Enden lauern. Natürlich sind es meist die Gross-
städte, welche zürn Operationsfeld erkoren werden, und
von diesen in erster Linie Berlin. Ein symptomatischer
Fall spielte sich vor nicht langer Zeit dort ab, der wegen
eben dieser Eigenschaft hier mitgeteilt werden soll. Ein
Hamburger „Kaufmann" machte sein Geschäft damit, dass
er sich an bessere Männer herandrängte, sich in ihr Ver-
trauen einschlich, sich einladen liess und sie dann auf
ihrem Zimmer bestahl. Seine vornehme Erscheinung,
verbunden mit einem gewinnenden Wesen, unterstützte
ihn ganz besonders in seinen Unternehmungen. Ein Dieb-
stahl den er in der Wohnung eines unverheirateten Herrn
beging und der zur Kenntnis der Polizei gebracht wurde,
setzte seinem Treiben in Berlin ein vorläufiges Ende.
Vor Gericht verteidigte er sich damit, dass die Pretiosen
ihm von einem Herrn geschenkt worden seien, den er
vor Jahren in einem Hamburger Austernkeller kennen
gelernt habe. Dieser, ein angesehener Mann aus der
Provinz, wurde zur Zeugenschaft gezogen. Er entsann
sich nur „ dunkel" des Angeklagten, wusste aber mit aller
Bestimmtheit, dass er einmal W r ertgegenstände wie die
in Frage stehenden besessen habe, und fand für das
Peinliche seiner Zeugenschaftsleistung keinen andern Ersatz,
als den Angeschuldigten wegen Diebstahls verurteilt zu
sehen.
Wenn dieser Fall symptomatisch genannt wurde, so
sei damit nicht gesagt, dass die meisten Fälle bis zu ihrem
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Abschluss — fast möchte man sagen,. — so harmlos ver-
laufen wie dieser. Häufig wird die Plünderung des
Opfers erst nach vorausgegangenem Skandal vorge-
nommen, weil der Rupfer nicht selten auf einen mehr
oder weniger energischen Widerstand stösst. Ja, sogar
ohne einen solchen belieben die von „ sittlicher Ent-
rüstung" geleiteten Herren der Zunft ziemlich geräusch-
voll aufzutreten. Im Frühlinge des vorigen Jahres be-
gaben sich zwei Unteroffiziere des Garde-Kürassierregi-
ments in Berlin in die Privatwohnung eines Grafen, be-
schuldigten denselben eines Vergehens gegen § 175 des
Strafgesetzbuches und verlangten — als Schweigegeld —
mehrere Hundert Mark. Der geängstigte Herr sah sich
veranlasst, die Unteroffiziere zu ersuchen, so lange in
seiner Wohnung zu bleiben, bis er die verlangte Summe
geholt, da er augenblicklich nicht so viel Bargeld bei sich
habe. Als er zurückkehrte, bot sich ihm ein widerliches
Bild: Die Unteroffiziere hatten seine Cognakflasohen ge-
leert und unter der Wirkung des Alkohols wie Vandalen
in seiner Wohnung gehaust^ Möbel und Spiegel zer-
trümmert, Glas und Porzellan zerschlagen. Nachdem er
den Burschen das Geld eingehändigt hatte, entfernten sie
sich. — Einige Wochen später erhielt der Herr von den
Unteroffizieren einen Brief, worin diese ihm mitteilten,
dass das am 14. April empfangene Geld nur eine Lappalie
sei, und sie einen weit höheren Betrag als Schweigegeld
in Anspruch nehmen. Sollte sich Adressat weigern, die
verlangte Summe zu bewilligen, so „würden sie wieder-
kommen und keinen Stuhl in der Wohnung ganz lassen."
— Natürlich, der Konträrsexuale ist ja vogelfrei, und
unter dem Schutze des Gesetzes, das ihn mit Strafe be-
droht, kann jeder Schurke mit ihm beginnen, was ihm
beliebt. — Anders aber dachte jetzt der Angegriffene.
Mit dem Brief in der Hand rief er die Hilfe der Kriminal-
polizei an. Die Unteroffiziere wurden verhaftet und später
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zu der gesetzlichen Strafe verurteilt.*) Fast beneidens-
wert im Verhältnis zu dem Schicksal des gedachten
Kavaliers erscheint das jenes Konträrsexualen in Potsdam,
<lessen Ehre nicht geschändet wurde, weil er sie gleich-
zeitig mit dem Leben verloren hat: Ende August 1895
wurde der Rentner Albert Schmid, Kiessstrasse 17, dessen
abnorme Geschlechtsrichtung notorisch war, von einem
Menschen, den er nach Hause genommen, in grauen-
erregender Weise ermordet.
II.
Blut und Verwüstung begleiten in ihren Spuren all-
überall den Weg, den die Forschung in der dunkeln
Sache nimmt.**) Eine Menge unsagbar trauriger Fälle
*) Der Fernerateher de fr> sich vielleicht: Ja, wie will sich
der Konträrsexuale denn beklagen? "Warum schliesst er sich denn
an solche fragwürdige Existenzen an; wie kommt ein Kavalier dazu,
sich mit Unteroffizieren in einen Verkehr einzulassen?
Die Antwort ist durch die einfache Gegenfrage erteilt: Warum
i öhern sich die normal veranlagten Kavaliere bei Befriedigung ihrer
ausserehelichen Geschlechtsinteressen nicht solchen Damen, die der
Jashionablen Gesellschaft angehören? — Der Kontiärsexuale noch
mehr als der Normale ist ausser Stande mit gesellschaftlich ihm
Ebenbürtigen in Beziehung zu treten, und wie der Normale auf die
Prostitution, so ist der Erstere oft auf den Rowdy angewiesen. Der
glücklicher Veranlagte vergesse übrigens nie, dass er selbst eine Wahl
troffen kann, zwischen einem passenden und einem unpassenden Um-
gang, dem erlaubten und verbotenen Genuss, und das» er, wenn er
6ich hiebei für den letztern entscheidet, in der Regel nach dem Satze
handelt: car tel est mon plaisir — ein Satz, der für Alle, nur
nicht für den Kontr&raexualen seine Geltung hat.
**) Nachstehender Fall sei nicht wegen seiner Nebenumatände,
■die indessen traurig genug sind, sondern deshalb mitgeteilt, weil er
•einer der letzten ist, die sich zugetragen haben. Eine Wiener
Korrespondenz meldet aus München unterm 2ö. August 1898 : Im
Hötel ,Max Bmanuel* in München erschoss sich vorgestern der k. k.
Ratsaekretär Baron Merkl-Reineee von hier. Der Verlobte, der in
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— 81 —
hat bereits Ulrichs in seinen zahlreichen Schritten mit-
geteilt. Insbesondere sind es die infolge erlebter Er-
pressung verübten Selbstmorde, welche Jeden, der nicht
ganz gefühllos ist, auf das tiefste erschüttern müssen.
Zu den 8 Selbstmorden, von denen Ulrichs in § 119 seines
„Memnon* meldet, fügt er in „Argonauticus" den Bericht
eines weitern hinzu, der wegen seiner eigenartigen Neben-
umstände an dieser Stelle nicht umgangen werden daif.
In Seckbach bei Frankfurt a. M. wurde am 1. November
des Jahres 1 868 ein Urning von drei Rupfern bis in seine
Wohnung verfolgt. Dieselben gaben sich für Polizei-
beamte aus, erklärten ihn für verhaftet und forderten
ihn auf, einen Wagen, den sie mitgebracht, zu besteigen,
um in Frankfurt der Behörde vorgeführt zu werden.
Auf einen Augenblick begab er sich, „um sich umzukleiden",
in den oberen Stock, wo er aber in der Verzweiflung
sich entleibte, indem er mit einem Rasiermesser sich Luft-
röhre und Halsadern abschnitt. Auf entstandenes Weh-
geschrei ergriffen die Drei jetzt schleunigst die Flucht,
wobei sie in der Eile einen Regenschirm stehen liesen,
mittelst dessen die Nemesis sie selbst, und zwar der
wirklichen Polizei in die Hände lieferte. Einer von den
Feldkirch in Voralberg geboron, unvermählt und 49 Jahre alt war,
hatte seit einiger Zeit melancholische Anwandlungen gezeigt. Er trat
eine Reise an, von der er in zwei Tagon zurückzukommen erklärte;
indessen erhielten seine Verwandten Briefe, in denen Baron Merkl die
Absicht ausspricht, aus dem Leben zu scheiden. Man eilte auf die
Polizei und erstattete Anzeige. Die Polizei teilte die genaue Persons-
beschreibung des KatsBekretärs allen Behörden des Inlands mit Man
hoffte den Baron, bevor er noch seinen verzweifelten Entschluss aus-
geführt habe, eruieren und retten zu können. Die eifrigen Recherchen
blieben erfolglos. Baron Merkl-Reinsee erschoss sich, ehe man in
Wien seinen Aufenthalt feststellen konnte. Das Motiv, das dem bis
vor kurzem lebensfreudigen Manne den Revolver in die Hand drückte,
blieb nicht unbekannt. Baron Merkl-Rcinsee war in eine kom-
prom mit tierende Afiaire verwickelt und das Opfer wiederholter
Erpressungsvorsuche.
.Tain buch für homosexuelle Forschungen. <;
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- 82 -
seltsamen Tugendhelden hatte, wie die Untersuchung dar-
that, abends des gleichen Tages zu seiner Geliebten ge-
sagt: „Heute hätten wir viel Geld verdienen können, aber
der Kerl hat zieh den Hals abgeschnitten." — Treffend
fügt Ulrichs dem Berichte bei: Solchem Gesinde 1 ist
der Urning, durch das Gesetz an Händen und Füssen
gebunden, thatsächlich überliefert. Welch kümmerliche
Sühne war es den Manen des Geopferten, dass die
Strafkammer zu Frankfurt die drei Verbrecher mit drei,
zweieinhalb und zwei Jahren Gefängnis bestrafte? Und
was nützen vereinzelte Bestrafungen des Erpresserwesens,
so lange die Bestrafung der Urningsliebc besteht und
durch ihrBe stehen stets aufs neue zu Erpressungen an-
spornt?" An anderem Orte bemerkt der gleiche Verfasser:
„Jede neue Kriminaluntersuchung stampft 99 Schurken
aus dem Boden." Und schon Hössli ruft unmutig aus:
„Man glaubt, durch gesetzliche Verfolgung ein Uebel zu
" zerstören und zieht eine wahre Pest über die Welt!" —
Süddeutschland hat andere Verbrechertypen als der
Norden. Der Rupfer in München, Stuttgart (und Zürich)
trägt die Gutmütigkeit, Naivetät und Gemütlichkeit
zur Schau, welche an seinen Landsleuten so sehr und
nicht selten mit Recht gerühmt wird. Deshalb sind es
häufig norddeutsche Vergnügungsreisendc, Künstler etc.,
welche, durch den Schein irregeführt, sich zu Vertraulich-
keiten mit dem Abschaum der süddeutschen Bevölkerung
hinreissen lassen. Dieser rekrutiert sich, wie auch in
Xorddeutschland, regelmässig aus den Zuhältern der
Strassendirnen, und es sind meistens arbeitslose Kellner,
Metzger, Schlosser und Bäcker — immer aber Leute von
einem den Konträrsexualen durch gewisse Reize ein-
nehmenden Aeussern, welche hier die Spezies der Rupfer-
zunft bilden. So wurde der „Bäcker" Georg P. in jüngster
Zeit einem Kunstmaler in München gefährlich, bei dem
er Modell gestanden hatte; fortgesetzte Erpressungen
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— 83 —
waren die Folge davon. Die Kupfer operieren selten ohne
Helfershelfer, weil mit einem solchen der Zweck schneller
und sicherer erreicht wird. Deshalb erschien der Genannte
eines Tages mit seinen „Kollegen", den Bäckern Ludwig A.
und Albert M. und dem Metzger Franz L. vor dem Hause
des Künstlers und randalierten solange, bis er ihnen erst
zwanzig und dann fünfzig Mark Schweigegeld verabreichte.
Damit nicht genug; die Burschen schrieben — wie einem
Reglement gemäss — einen Brief an ihn des Inhalts,
uur die sofortige Erlegung von 100 Mark könne sie abhalten,
die schuldige Anzeige zu erstatten. Merkwürdig ist, dass
die 3 Gesellen den Maler nicht einmal beschuldigen konnten,
mit einem von ihnen selbst sich vergangen zu haben,
sondern dass es ein vierter Bursche war, der infolge der
unsittlichen Handlungen, welche an ihm verübt worden, „im
Krankenhause" liege, — ein bei Chanteuren vielbeliebtcs
Scheinmanöver. Natürlich trat bald eine „Genesung" ein,
und die Folge war, dass noch weitere 100 Mark gefordert
wurden. Endlich entschloss sich der Maler, seinen Quälern
noch hundert Mark zu überlassen, um ihnen den ..Weg-
gang - von München zu ermöglichen. Aber auch damit
nahmen die Erpressungen selbstverständlich kein Ende
und — zu spät — erfolgte vom Maler die Anzeige.
Ausser P. wurde auch A. zu zwei Jahren Gefängnis, der
dritte — M. — auf ein Jahr 4 Monate verurteilt; der
letzte dieser Wohlfahrtsbeschirmer, welcher l'/ 2 Jahre
Gefängnis erhielt, hatte sich zugleich auch wegen eines
andern Staates, wegen Kuppelei, zu verantworten.
Solche Fälle wiederholen sich in München mit er-
schreckender Regelmässigkeit, ohne dass sie in Presse
und Publikum jenen Widerhall fänden, den man nach Lage
der Dinge erwarten sollte. Ja, der Unmut kehrt sich
häufig nicht gegen die Presser, sondern gegen die Be-
schuldigten. Mancher Zeitungsleser, der sich selbst in
seinen Xeigungen keinerlei Zwang auferlegt, erfährt mit
G*
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Genugthuung, dass da wieder „ein Solcher* entlarvt wurde,
und glaubt, dass durch den grossen Abstand zwischen
„Diesem" und ihm, bloss seine eigene Sittlichkeit (oder
Unsittlichkeit) im Werte gestiegen sei. Er ahnt nicht, dass
auch durch diese Privatgesinnung, der man, nach der Lek-
türe der Zeitung, im Freundeskreise mit Ostentation Aus-
druck verleiht, dem Verbrechen ein wesentlicher Vorschub
geleistet wird. Er ahnt nicht, wie er sich hiedurch zum
Bundesgenossen eines der gefährlichsten Verbrecher macht,
und dass sich dieser solidarisch mit ihm fühlt, indem
er nicht selten die Rolle eines Polizeiorgans übernimmt und
im Interesse der öffentlichen Sicherheit zu arbeiten
wähnt! Deshalb blüht die Chantage, trotz Wissenschaft
und Polizei, fröhlich weiter. Ein ganz unerhörter Fall
wird im Jahre 1898 aus der freien Schweiz gemeldet.
Der Bäcker Friedrich R. aus Cannstatt hatte mit
vier andern Kumpanen, darunter der 21jährige Schreiner
Rupert G. in Zürich, ein Konsortium gegründet, dessen
Spezialität systematische Erpressung und Ausplünderung
war. Sämtliche Teilhaber der Gesellschaft hatten schon
Vorstrafen erlitten und besassen die Fähigkeit, vor nichts
zurückzuschrecken. So wurde im Oktober 1895 in den
Anlagen an der Limmat ein Kaufmann aus Stuttgart über-
fallen, ausgeraubt und kurzen Wegs in die Limmat ge-
worfen. Um dieselbe Zeit wurden zwei Reisende ermordet
und beraubt Die eigentliche Spezialität des Konsortium
aber war die räuberische Erpressung, „im Namen des Ge-
setzes," dadurch verübt, dass ein paar einsam spazierende
Herren plötzlich von 3 — 4 handfesten Mannspersonen,
die sich für Geheimpolizisten ausgeben, angepackt und
unter dem Vorwand, man hätte gesehen, wie sie Beide
sich eben eines Sittlichkeitsdeliktes schuldig gemacht haben,
mit der Verhaftung bedroht werden. In den meisten
Fällen wurde die Absicht der Raubgesellen, nämlich ein
grosses Lösegeld herauszuschlagen, sowie sich die Uhren,
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Kelten und sonstigen Wertgegenstäude ihrer Opfer an-
zueignen, vollständig erreicht. Einem dürftigen Buchhalter,
aus der Schweiz selbst, nahmen sie erstlich 150, dann 170
Franks, die ganzen Ersparnisse des Mannes, ab, der sich
aus Alteration darüber selbst den Tod gab. Aber die
Bande scheute sich auch nicht, gelegentlich ehrbare Frauen
in der gröblichsten Art zu insultieren, und die Gegend
um die Limmatspitzc in Zürich kam derart in Verruf, dass
sich selbst prostituierte Frauenzimmer nicht mehr dorthin
wagten! — Merkwürdig wie die Art der Verbrechen ist
die Geschichte der Sühne, welche dieselben gefunden
haben. Als den gefährlichen Burschen der Boden in
Zürich zu heiss wurde, flüchteten zwei davon nach Deutsch-
land zurück, welches der eine einst wegen ihm drohender
Strafverfolgung verlassen hatte. Derselbe wurde in Mühl-
hausen im Elsass, der Andere in Cannstatt aufgegriffen;
beide weigerten sich als Reichsangehörige der Schweizer
Behörden ausgeliefert zu werden und verlangten, in der
Hoffnung, glimpflicher wegzukommen, vor ein deutsches
Gericht gestellt zu werden. Aber während die drei an-
deren in der Schweiz aufgegriffenen und abgeurteilten Kom-
plizen vom Züricher Bezirksgericht zu 4 und ,\ Jahren
Arbeitshaus verurteilt wurden, einer sogar mit 4 Monaten
Gefängnis davonkam, verhängte das bayrische Schwur-
gericht, vor welchem die beiden lieichsangehörigen ihrem
Antrage gemäss abgeurteilt wurden, in gerechter Er-
wägung der Dinge über den Einen 10, über den Andern
14 Jahre Zuchthaus. Die Entschuldigung hatte wenig
Eindruck gemacht, dass durch ihre Thaten den damals
in Zürich herrschenden „sittenlosen (!) Zuständen
ein Ende bereitet" und so der dortigen Polizei gc-
wissermasseu ein Dienst geleistet werden sollte!
Der ernsteste Kichter wird sich so wenig wie der
leidenschaftlichste Feind der Urninge angesichts dieser
Verteidigungsmethode eines gewissen Lächelns erwehren
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können. Und doch hat diese Methode, näher zugesehen,
einen starken Schein von Berechtigung an sich. Man
versetze sich auf das Bildungsniveau eines der in Frage
stehenden Menschen, messe mit dem Massstab von dessen
Subjektivität und urteile mit den schiefen Rechtsbegritf'en,
wie sie sich der gesellschaftliche Banquerotteur bildet,
dann wird man sich in dessen Ideengang zurechtfinden.
Im Vollbesitze solcher RechtsbegriflPe machen sich auch
die übrigen Rupfer ihr Geschäft nicht so schwer wie die
Sittlichkeitsfanatiker in Zürich, sondern schlagen in der
Regel einen bequemeren Weg ein, auf dem sie zu Mitteln
gelangen, wie dieselben durch Fleiss und Ehrlichkeit
kaum erworben werden können.
Typisch ist ein Fall, der im Sommer 1898 vor dem
Schwurgericht in München seinen Abschluss fand.
Unter den zahlreichen Reisenden, welche die im Rufe
der Gemütlichkeit stehende bayrische Hauptstadt zu be-
suchen pflegen, befand sich anfangs September 1895 ein
fremder Kaufmann, der nach eingetretener Dunkelheit
eines Abends einen Spaziergang in den Englischen Garten
machte, möglicherweise in der Absicht, dort ein ihm zu-
sagendes Abenteuer zu erleben. Er setzte sich auf eine
Bank und Hess die ebenfalls einsamen Spaziergänger vor
sich Revue passieren. Bald hatte er Gesellschaft; ein
21jährigtr Bursche, der Kellner Karl H. aus Wiesbaden,
setzte sich zu ihm und fing, wie der Bericht von Zeitungen
sagt, ein laseives Gespräch mit ihm au. Kurz darauf
gab er ein Zeichen, und es sprangen zwei Burschen herzu,
die den Fremden unter der Drohung, ihn wegen eines
Geschlechtsdelikts zu denunzieren, vollständig ausraubten.
Sie nahmen dem Fremden die Uhr im Werte von 200
Mark, die Börse mit 65 Mark und einen Ring von Aftek-
tionswert ab. Einer von den Schurken hatte den Mut,
mit dem Beraubten ins Hotel zu gehen und sich gegen
Herausgabe des Ringes noch 130 Franks geben zu lassen.
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Der Kaufmann hörte nichts mehr von den Gesellen, hatte
aber das Abenteuer gewiss nicht vergessen, als er nach
drei Jahren als Zeuge zu einer (Gerichtssitzung gerufen
wurde. Einer von den Dreien hatte in Hamburg seine
Praktiken fortgesetzt, wurde aber dort von dem Verhäng-
nis ereilt und wegen Erpressung zu acht Jahren Gef äng-
üis verurteilt. Vielleicht in einer Anwandlung von Reue,
vielleicht aber bloss aus dem Wunsche, Abwechselung
in die Monotonie des Gefängnislebens zu bringen, legte
er dort einem Kriminalbeamten ein Geständnis ab, unter
welchem sich auch das über den Münchner Vorgang be-
fand. Vor den bayrischen Gerichtshof gestellt, wurde er
zu einer Gesamtzuchthausstrafe von 7 Jahren verurteilt.
Es erregte grosses Aufsehen, als man von ihm erfuhr,
dass er sich in vier Jahren mit seinem entsetzlichen Ge-
schäft etwa 30000 Mark verdient hatte. Er verteidigte
sich — im Anschluss an die Worte seines Verteidigers,
wie es heisst — in sehr gewandter Weise damit, dass
nicht die feinen Herren sein Opfer, sondern e r das der
feinen Herren geworden sei. An der Wiege sei es ihm
nicht gesungen worden, dass er der gemeine Hallunke
werde, als den er sich bekennen müsse.
Wahrhaft entsetzlich! Zu solcher Begriffsverwirrung,
zu solcher Verfälschung des Gewissens gelaugt man, wenn
man von der menschlichen Gerechtigkeit einen Trieb be-
straft sieht, der nach den unumstösslichen Urteilen der
Wissenschaft von Natur aus ebenso unwiderstehlich und
deshalb ebenso berechtigt ist wie der Geschlechtstrieb
überhaupt. Man kann es einem schlecht Erzogenen und
mangelhaft Gebildeten allerdings kaum verübeln, wenn
er zu einer solch monströsen Schlussfolgerung gelangt-
Er sagt sich: Das Strafgesetz, das die Sanktion des gan-
zen Volkes geniesst, bestraft den Umgang von Männern
mit dem männlichen Geschlecht. Dieser oder Jener hat
das Strafgesetz in dem fragliehen Punkte verletzt. Also
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darf er sich nicht der Freiheit und der bürgerlichen Ehre
erfreuen. — Erfreut er sich ihrer dennoch, so soll er
dafür ein Aequivalent bieten, und zwar mir, der ich von
der durch das Gesetz bedrohten Handlung weiss, mir, in
dessen Hände es also gelegt ist, ihn zu schonen oder der
Strafe zuzuführen. — Ist der Kupfer, was die Regel bil-
det, ein ohnehin schon schlecht beleumdeter Mensch, der
gesellschaftlich Schiffbruch erlitten, so folgert er weiter:
Ich bin wegen einer geringfügigen unerlaubten Handlung,
vielleicht wegen Diebstahl und Bettelei, bestraft worden
und habe meine gesellschaftliche Ehre verloren; warum
soll jener „feine Herr," der eine vom Gesetze nicht min-
der bedrohte, von der ganzen bürgerlichen Gesellschaft
am meisten verpönte Straf handlung beging, die Freiheit
gemessen und sich der Achtung seiner Mitbürger erfreuen?
Die Antwort, die er sich vernünftigerweise geben
sollte, würde freilich lauten : Deshalb, weil du, angenommen,
deine erste Voraussetzung sei richtig, nicht besser bist
als er; weil du die gleiche Handlung begangen und jeden-
falls ihn dazu provociert hast. Aber irregeleitet durch die
öffentliche Meinung, verblendet gegen die Sprache der
Vernunft und angestachelt durch die falschen Schluss-
folgerungen seiner falschen Voraussetzung gibt er sich
diese Antwort nicht und unternimmt einen Schritt, der
den unglücklichen Konträrsexualen ins Verderben stürzt
und im Sturze ihn, den Kupfer, selbst in einen noch
tieferen Abgrund mit hinabreisst. — Dies Alles, weil die
berufenen Vertreter des Rechtes taub sind gegen den
Notschrei der Wahrheit!
Man sage ja nicht, dem geschädigten Konträrsexu-
alen stehe es frei, jederzeit die Hilfe des Gerichtes an-
zurufen; das Gericht bestrafe, wie man sieht, die Er-
pressung, und strenge Strafen seien es, die den Erpresser
treffen. Man sage dies deshalb nicht, weil in diesem
Falle für den Konträrsexualen die letzten Dinge noch
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ärger werden, als die ersten waren. Wir haben zwar
gesehen, dass in all den mitgeteilten Fällen nirgends von
der Einleitung eines Verfahrens gegen den Geschädigten
die Rede war. Allein, wer weiss, ob nicht in der Folge
doch eine Untersuchung stattgefunden hat. Angenommen,
dies sei nicht der Fall, wer bürgt dafür, dass überall
im deutschen Reiche dieselbe Rechtspraxis wie in München
und Berlin geübt wird, dass an Plätzen, wo man die
Unverantwortlichkeit des mit konträrer Geschlechts-
empfindung Behafteten, nicht genugsam kennt, zwar der
Rupfer bestraft, das Opfer aber auch nicht frei gelassen
wird? Jedenfalls gilt der Skandal, der schon mit einer
blossen Zeugschaftsleistung für die betreffende Person
verknüpft ist, gesellschaftlich als ein unauslöschlicher
Makel, der, wenigstens an einem kleineren Platze, einer
Vernichtung der sozialen Existenz gleichkommt. —
Indem mit Genugthuung wahrgenommen wird, dass
sich in den Gerichtshöfen deutscher Grossstädte eine
mildere Auffassung Bahn bricht, darf hier vermerkt sein,
dass in der Hauptstadt des benachbarten Kaiserstaates
Oesterreich noch immer die alte fragwürdige Rechts-
praxis beliebt wird. — Nur weil es der jüngsten einer
unter den zahlreichen aus Wien gemeldeten Fällen ist,
sei nachfolgender Vorgang mitgeteilt: Es erscheint der
ehemalige erzherzogliche Kammerdiener Joseph P., gegen-
wärtig ein wohlhabender Mann, mit zwei Burschen namens
Karl E. und Anton K. bei dem Polizeikommissariate
Landstrasse, um die Anzeige zu erstatten, dass diese
Beiden eine Erpressung an ihm versucht hätten; seine
Antwort sei gewesen, dass sie ihm zur Polizei folgen
mögen, was sie auch thaten. Der Kommissär schöpfte
aus der Vernehmung der Burschen die Ueberzeugung,
dass die Anzeige begründet sei; er gewann aber auch die
Anschauung, dass nicht minder die Beschuldigung, welche
die Burschen gegen Joseph P. erhoben, und auf welche
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die Erpressung sich gestützt hatte, wahrheitsgemäss sei.
Es wurden nun alle Drei verhaftet und dem Landes-
gericht eingeliefert, Joseph P. wegen Verbrechens nach
dem § 129 b (des österreichischen Strafgesetzbuches) die
Bursche wegen desselben Deliktes und wegen Erpressung.
III.
Am gewagtesten ist es zur Zeit noch in England
für einen Konträrsexualen, die Hilfe des Gerichtes an-
zurufen. Es war nicht einmal eine Klage wegen Er-
pressung, sondern eine solche wegen Beleidigung, um die
es sich in einem vor drei Jahren vielbesprochenen Prozess
handelte, als das Gericht zu Ungunsten des Konträr-
sexualen entschied. Jedermann erinnert sich an die
A {faire Oskar Wilde, welche die ganze gebildete Welt
teils in Unmut, teils in Mitleid, jedenfalls aber in grosse
Aufregung versetzte. Eine glänzende Laufbahn fand
durch die Brutalität der Verbrecherlogik ihren vorzeitigen
Abschluss. Der Marquis Queensburrv hatte um jeden
Preis das Freundschaftsbündnis, welches zwischen seinem
Sohne, dem Lord Douglas und dem Dichter Oskar Wilde
bestand, zu sprengen versucht und den Letzteren vor
dem Klub, in welchem er verkehrte, durch eine offene,
seine geschlechtliche Neigung verratende Notiz bloss-
gestellt. Oskar Wilde musste, wollte er sich nicht selbst
unmöglich machen, reagieren und den Marquis wegen
Ehrenbeleidigung verklagen. Er verlor, nachdem der
Gegner den Wahrheitsbeweis angetreten, aber nicht nur
den Prozess, sondern die Klage richtete sich nun gegen
ihn selbst, und zwar wegen Deliktes gegen die Crimival
Lac Amauhneht Act, d. i. gegen* die Sittlichkeit. Oskar
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— <»i —
Wilde wurde in Haft genommen. Von diesem Moment
an wird das Drama eine Tragödie, in welcher die Haupt-
rollen gewöhnlichen Kupfern zugeteilt sind. Das Milieu
der Handlung erscheint, abgesehen davon, dass es ein
fremdländisches ist, als ein ganz anderes wie bei uns; die
Personen und Oertlichkeiten tragen ein, fast möchte man
sagen, vornehmes Kolorit, nur die Niederträchtigkeit und
Brutalität der Rupfer ist die gleiche wie allerwärts.
Auch der englische Rupfer schleicht sich in das Ver-
trauen Dessen ein, den er sich zum Opfer ausersehen;
auch er nimmt Geschenke und Wohlthaten von ihm an;
auch er hat seinen Helfershelfer, droht, prahlt, heuchelt
und übt zuletzt Verrat — ganz wie bei uns.
Ein gewisser Wood erscheint eines Tages bei Oskar
Wilde, dessen Namen damals in ganz England mit Aus-
zeichnung genannt wurde, und präsentiert ihm einige
Briefe. Er habe sie in einem Anzüge gefunden, den ihm
W r ildes Freund, der Lord Douglas geschenkt hatte.
Diese Briefe seien ihm von einem gewissen Allen ge-
stohlen worden ; er habe von diesem gehört, dass derselbe
sie zu Erpressungszwecken bei Wilde benützen wolle;
deshalb habe er einen Detektiv genommen, sie auch wieder
bekommen, fürchte aber die Rache der Leute. Er bitte
deshalb Wilde, ihm Geld zur Auswanderung nach Amerika
zu geben. Wilde gab ihm 21 Pfund und erhielt die
Briefe mit einer einzigen Ausnahme zurück. Kurze Zeit
darauf tauchte in Wildes Wohnung der vorerwähnte Allen
auf mit einer Kopie des verfänglichsten der Briefe, welche
sämtlich heisse Liebesergüsse Wildes an den jungen Lord
Alfred Douglas enthielten. Allen erklärte, es seien ihm 60
Pfund für die Kopie geboten worden, gab aber klein bei,
als ihm kurzweg erklärt wurde, er möge sie getrost ver-
kaufen, von W T ilde bekomme er keinen Pfennig dafür.
Darauf ging er weg. Schon 5 Minuten später kam ein
dritter, ein gewisser Clyburu, er sei von Allen geschickt
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— H2 —
und brachte das Original. Kr erhielt wie Allen, der
.„wenigstens um das Drosehkeugeld" gebeten hatte, einen
halben Souvereign.
Soweit verlief die Sache, ohne dass von einer besonderen
Gemeinheit die Rede sein könnte. Das ungewöhnlich
Niederträchtige aber liegt darin, dass unter der Hand
weitere Kopien gefertigt waren und dem Lord Queensburry
zum Zwecke seiner Verteidigung in die Hände gespielt
wurden. Diese Briefe waren es, durch die der Lord den
Injurienprozess gewann; sie waren es zugleich, infolge deren
dasKriminialverfahren gegen Artur Wilde wegen Verletz-
ung der Sittlichkeit eingeleitet wurde. Der Verlauf des
Prozesses ist bekannt; bekannt sind die Mittel, durch
welche der öffentliche Ankläger in England den Schuld-
beweis erbringt, nämlich durch Kronzeugen, welche in
diesem Falle selbst nicht von jenem Verdacht frei waren,
wegen dessen der Unglückliche vor den Schranken des
Gerichts stund; bekannt endlich sind die Worte, welche
der Oberrichter bei Verkündigung des Urteils — zwei
Jahre Zuchthaus mit Zwangsarbeit und fakultativen
Peitschenhieben — an die Versammelten sprach: „Ich
kann unter diesen Umständen nicht anders als das strengste
Urteil fällen, welches das Gesetz gestattet, und meines
Erachtens ist dasselbe vollständig unzureichend |!| für
solch einen Fall." — Die Behandlung, welche der fein-
fühlige Dichter im Gefängnis zu ertragen hatte, war aber
in der That grausam genug, und bald kam er körperlich
ganz herunter, was um so leichter zu begreifen ist, als
der Arme in ein Tretrad gestellt wurde; seine Finger
schwärten und bluteten ; der Leib magerte zum Skelett
ab, seine Kinnlade hing lose herunter. In den tief-
liegenden eingesunkenen Augen sah man die Keime des
nahenden Wahnsinnes.
So endete eine Existenz, ausgezeichnet durch schöpfer-
ische Kraft des Geistes, verwöhnt von der Mitwelt durch
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- m —
den Glanz des Ruhmes. Lnd dies Alles wegen eines
seine Mitmenschen beherrschenden Wahnes, zu-
dem die Vertreter des Gesetzes schweigen, während der
Wahnwitz in der Hand der Verbrecher zur bequemen
Watte wird
Der klassische Blutzeuge, den das Erpres.su ngssy. stein
auf dem Gewissen hat, ist Johann Joachim Win ekel-
mann, der berühmte Archäologe. Wenn der damit ver-
knüpfte Vorgang der Zeit nach ausserhalb des Rahmens
liegt, den unsere Studie sich von vornherein gezogen hat,
so darf er wegen der Bedeutung der Person und der Um-
stände, unter denen er sich abspielt, hier nicht umgangen
werden.
Im Jahre 1707 entschloss sich Winckelmann sein
geliebtes Rom, wohin ihn die Liebe zur artiken Kunst und
wohl auch seine konträrsexuellen Neigungen gezogen, auf
eine Zeit lang zu verlassen und seine Freunde in Deutsch-
land zu besuchen. Im Frühjahr des nächsten Jahres trat
er die Reise an. Allein auf deutscher »de angekommen,
überfiel ihn die Sehnsucht nach seiner zweiten Heimat
Italien, das Heimweh nach Rom. In Regensburg kehrte
er um, d. h. er wandte sich, der Donau entlang ziehend,
nach Wien, wo er von der Kaiserin Maria Theresia em-
pfangen und mit einer Anzahl seltener und wertvoller
Goldmünzen beschenkt wurde. Der Weg nach Italien
führte ihn sodann nach Triest, und hier war es, wo ihn
das düstere Schicksal erwartete. Ahnungslos freute er
sich, wieder des Südens Laute zu hören und dessen leicht-
lebige Söhne wieder um sich zu sehen. So machte er Be-
kanntschaft mit dem ersten Besten, der ihm zusagte, mit
einem vagierenden Kellner, und liess sich in einen ver-
traulichen Verkehr mit ihm ein. Der glatte Welsche er-
wies ihm allerlei Gefälligkeiten und machte Kommissionen
für ihn. Täglich, eine ganze Woche lang, gingen Beide früh-
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— 04 —
morgens spazieren, dann ins Cafe, sassen zusammen bei
Tafel, trafen sich zum zweitenmale beim Caf£, machten
ihre Abendpromenade und jedesmal verblieb Winckelmann?
dann eine Zeit lang auf des Andern Zimmer. Am 8. Juni
sollte die Abreise Winekelmanns nach Venedig statt-
finden und damit die Trennung von dem Begleiter. Wollte
dieser einen Gewinn aus der Bekanntschaft herausschlagen,
so musste es an diesem Tage geschehen. Arcangeli, so
hiess der Verruchte, kam, Messer und Schlinge bei sich
versteckt, auf Winekelmanns Stube und fragte denselben,
ob er ihm die Goldmünzen (der Kaiserin Maria Theresia,
von denen er unvorsichtigei weise ihm gesprochen hatte)
heute einmal zeigen wolle. Winckelmann verneinte. —
„Warum er denn nicht sagen wolle, wer er eigent-
lich sei?" — »«Ich will mich nicht zu erkennen geben.*"
Mit diesen Worten setzte sich Winckelmann an den
Schreibtisch, dem Besucher den Rücken kehrend. Jetzt
war der Augenblick gekommen: der Mörder warf die
Schlinge um den Hals und zog mit allen Kräften zu-
sammen Man sieht, es war kein Raubmord, dem
der Gelehrte zum Opfer fiel, es war eine Erpressern! ut-
that, wie sie sich seitdem unzähligemale wiederholt hat.
Die unberechtigte, freche Frage, wer man denn eigentlich
sei, bildet noch heute die Einleitung zu einer formidablen
Erpressung, und wenn auch nicht alle Heldenthaten dieser
Art mit einem Morde abschliessen, so zerstören sie doch
jedesmal die Ehre und damit die bürgerliche Exi-
stenz des konträr Empfindenden. —
Der moderne Zeitungsleser von heute erfährt so viel
von Gewalttätigkeit, Entehrung, von Raub und Mord,
dass er ohne einen tiefern Eindruck zu verspüren, in
seiner Lektüre sofort auf ein anderes, erfreulicheres Thema
übergeht. Diese Teilnahmslosigkeit ist mit der Macht der
Gewohnheit zu entschuldigen, welche nach und nach die
Einsicht oder Vermutung zeitig werden lässt, dass ein
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- 95 -
gut Teil der Vorkommnisse auf Rechnung des unabwend-
baren Schicksals, ein anderer auf eigene Schuld der Be-
troffenen zu setzen ist. Allein, wo diese Vermutung nicht
zutrifft, da, wo man weiss, dass lediglich menschliche
Bosheit im Bunde mit Hass, Denkfaulheit und Brutalität
das Unglück hei beigeführt, da wo man einen ohnehin
schon Unglücklichen das Opfer der Niederträchtigkeit
werden sieht, mit anderen Worten, angesichts der ent-
setzlichen Kapitel aus der Geschichte des Urnings-
elends, die wir kennen gelernt: daist keine Entschuldigung
mehr angebracht. Nirgend so, wie in Sachen des Kon-
trärsexualismus, insbesondere wiederum da, wo es sich um
das Kupfertum handelt, da sollte endlich einmal Wandel
geschaffen werden, und jeder Gewissenhafte, jeder mensch-
lich Fühlende sollte sich für verpflichtet erachten, daran
mitzuwirken. Es ist, nachdem die Wissenschalt gesprochen,
nun nicht mehr an der Zeit, sich vom Vorurteil leiten
zu lassen. Ja, auch die individuelle Abneigung, der persön-
liche Horror, der wohl seine subjektive Berechtigung haben
mag, darf keine Entschuldigung mehr bilden. Man muss
sich mit Darniederhaltung seiner parteiischen Instinkte
auch einmal auf den Standpunkt jener Geschöpfe stellen,
welche man bisher verfolgte, bloss weil man sie nicht
begriffen hat. Gesetzt nun den Fall, es gibt eine kon-
träre Geschlechtsempfindung, und der mit ihr Behaftete
müsse, gleichwie der Normale, dieser Empfindung mit
der elementaren Gewalt des normalen Geschlechtstriebes
folgen: welch himmelschreiendes Unrecht stellt sich in
der Brutalität des Rupfertums, aber auch in der Teil-
nahmslosigkeit dar, mit welcher die glücklichere Majori-
tät dem davon betroffenen Mitmenschen gegenübersteht!
Diese Annahme darf aber nicht als eine bloss imagi-
näre aufgefasst werden ; sie ist das unumstössliche Ergeb-
nis der Wissenschaft, ist eine Thatsache, und die Frage
dreht sich nur noch darum, ob man fürder noch die
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— 9*i —
Wirkungen der konträren Sexualemptindung strafrechtlich
verfolgen soll oder — ob man das Rupfertum noch langer
gewähren lasse, d. h. ob man jene soziale Pestbeule, deren
Nährboden die Existenz des § 175 im deutschen Reichs-
strafgesetzbuch ist, gleichsam weiterzüchten wolle.
Die Antwort mag sich jeder selbst geben.
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Die
strafrechtlichen Bestimmungen
gegen den
gleichgeschlechtlichen Verkehr
historisch und kritisch dargestellt
Ton
Dr. jur. Numa Praetorium
I.
Das Altertum.
1. Die asiatischen Völker.
In Asien scheinen nur die Juden eine strafrechtliche
Bestimmung gegen den gleichgeschlechtlichen Verkehr ge-
habt zu haben ') und zwar bestraften sie ihn mit den Tode.
Im dritten Buch Moses sagt Gott zu Moses: „Du
sollst nicht bei Knaben liegen, denn es ist ein Gräuel.*)
und „Denn welche diese Gräuel thun, deren Seelen sollen
ausgerottet werden aus ihrem Volke" 2 ); ferner im fol-
genden Kapitel heisst es: „Wenn Jemand beim Knaben
schläft, wie beim Weibe, die haben einen Gräuel gethan
und sollen beide des Todes sterben, ihr Blut sei auf
ihnen." 8 )
') Thoniasen: Etndes 6ur l'histoire du droit criminel des
peuples anciens Bd. II.
«) Levit 18 V. 22 and 18 V. 29.
•) Levit 19 V. 23.
Jahrbach für homosexuelle Forschungen. 7
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— 1»8 —
Von dem gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen
Erwachsenen ist zwar in diesen Stellen nicht die Rede,
da aber nicht nur die Bestialität mit dem Tode bestraft
wurde, sondern schon die blosse Onanie verpönt war
(Gott tödtet deshalb Onan) *), so ist auch mit Sicherheit
anzunehmen, wie übrigens die Erzählung von Sodoms
Untergang ersehen lässt, dass auch die Päderastie zwischen
erwachsenen Männern verabscheut und mit Strafe belegt war.
Bei andern Völkern Asiens scheint gegen den gleich-
geschlechtlichen Verkehr nicht nur keine Straf bestimniung
existiert zu haben, sondern bei einigen scheint er geradezu
gestattet, ja anerkannt gewesen zu sein. Die Tyrrhener
sollen der Päderastie gehuldigt haben. 5 )
lieber die Parther wird von ihrer Erfahrung in der
Unzucht mit Knaben berichtet (puerilium stuprorum
expertes). 6 )
Bei den Scythen gab es nach Herodot und Hippo-
crates eine Klasse von Männern, die etfeminiert waren,
sich als Weiber kleideten, allen möglichen weiblichen
Beschäftigungsarten sich zuwendeten und zweifellos der
passiven Päderastie ergeben waren. 7 )
Auch von den Persern wird die Sitte, gleichgeschlecht-
lichen Verkehr gepflogen zu haben, mitgeteilt. 8 ) Am
meisten soll die Päderastie in Babylon in Ehren ge-
standen haben.*)
*) Exod. 22 V. 19 und Deuter. 27 V. 21 (Uestialität) Genesis 38
V. 9 und 10 (Onanie 1 .
Ä ) Atheuäus XII, öl? c, z. vgl. bezüglich der folgenden An-
gaben Schrenk-Notzing: Die Suggestions-Therapie bei krank-
haften Erscheinungen des Geschlechtssinnes mit besonderer Berück-
sichtigung der konträren Sexualempfindung. Stuttgart 1892 S. 134
und Ersen und Gruber; Realencyclopädie : Artikel: Päderastie.
*) Ammian: Marcellus 28 ult. p. 362.
"') Moll: Conträre Sexualempfindung, Ausg. I S. 27.
*) Sextus Empiricus P. H. I. 152.
v j Schrenk-Notzing cit. in Anm. 6 S. 134.
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— 99 —
Bei einigen Völkern wurde sie wohl sogar mit dem
Gottesdienst in Verbindung gebracht, wie aus der Be-
zeichnung puer sanctus (heiliger, gottgeweihter Knabe)
für puer mollis, cinaeda (Buhlknabe), die sich in den
Berichten von römischen Schriftstellern findet, hervor-
zugehen scheint. 10 )
2. Die Griechen.
In den meisten Staaten des alten Griechenland;* war
zu allen Zeiten geschlechtlicher Verkehr zwischen Personen
des gleichen Geschlechts an sich nicht verpönt und mit
keinerlei Makel verbunden.
Der Abscheu, den das Mittelalter und die Jetztzeit
derartigen Gefühlen und Handlungen entgegenbrachte
und -bringt, die Brandmarkung der Päderastie als Sünde
und Verbrechen war den Griechen unbekannt.
Nicht nur gewöhnliche Bürger, sondern die grössten
Dichter, Philosophen und Staatsmänner waren der Liebe
zu jungen Männern ergeben.
Trotz der Duldung oder vielmehr Anerkennung dieser
Liebe waren doch ihrer Bethätigung gewisse Schranken
gezogen, für deren Ueberschreitung sogar strafrechtliche
Bestimmungen bestanden. Zum besseren Verständnis des
letzteren ist ein kurzes Eingehen auf die Natur der bei
den Griechen zur sozialen Institution gewordenen mann-
männlichen Liebe geboten.
Die Griechen, wenigstens Spartaner und Athener, die
Träger der griechischen Kultur, unterschieden reine und
unreine Männerliebe.
Die erstere setzt eine geistige Anziehung, ein seel-
isches Band, eine innige Verbrüderung und Freundschaft
voraus. Gegenseitige Vervollkommnung und Erziehung,
geraeinsamer Wetteifer in allem Schönen und Guten ist
Hauptzweck des Bundes.
iu ) Erscli and Gräber: Artikel Päderastie Anm. 17.
7*
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— 100 —
Während in Athen intellektuelle, schöngeistige und
künstlerische Eigenschaften bei diesen Verhältnissen eine
Hauptrolle spielen, wird in Sparta der körperlichen
Tüchtigkeit und den kriegerischen Tugenden die aus-
schlaggebende Bedeutung beigemessen; die Liebesbünd-
nisse sind in erster Linie Waffenbrüderschaften. (Ein
treffendes Beispiel, dass Männerliebe mit Entartung nicht
zusammenfallt und kein Zeichen des Verfalles eines
Volkes darstellt.) Das Verhältnis ist aber nicht nur
ideale Freundschaft, sondern eben ein Liebesverhältnis:
die Sehnsucht des heutigen normalen Mannes nach dem
Weib, die geschlechtliche Anziehung, der Einfluss körper-
licher Schönheit und Jugendblüte vereinigt die Freunde
so mächtig, wie die seelischen Eigenschaften. Ohne sinn-
liches Moment ist das griechische Liebesverhältnis zwischen
Männern undenkbar.
Diese sinnliche Grundlage hatte auch die Vornahme
geschlechtlicher Handlungen zur Folge. Abgesehen da-
von, dass die griechischen Schriftsteller und Philosophen
hierüber keinen Zweifel aufkommen lassen, wäre es ge-
radezu unbegreiflich, dass bei der grundsätzlichen Aner-
kennung der Männerliebe an sich und der Freiheit und
Ungebundenheit des gesellschaftlichen Verkehrs der
Männer untereinander die innige, körperliche und seelische
Zuneigung nicht zu geschlechtlichen Handlungen geführt
hätte.
Sie bilden nicht Ziel und Zweck dieser Liebe, werden
aber als natürlicher Ausfluss derselben gestattet. 1 ')
"): Ueber die griechische Männer liebe zu vgl.
Ellis und Symonds: Das konträre Geschlechtsgcfühl. Bi-
bliothek der Sozialwissenschaften (deutsch von Kurella) 1696'Kap. III.
Schrenk-Notzing: Die Suggestionstherapie bei krankhaften Er«
scheinungen des Geschlechtssinnee 1892 S. 134 flgd, ferner die bei
Ellis und Schrenk-Notzing zitierten Schriftsteller, namentlich die
griechischen, unter letzteren besonders Plato (Gastmahl, Phadrus und
Lysis) sowie Xenophons Gastmahl.
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— 101 —
Jin Gegensatz zur reinen Mänuerliebe verfolgt die
unreine nur den Zweck der Wollust und sinnlicher Ge-
nüsse ohne sittliche Basis.
Auf diesem Boden waren alle Formen geschlechtlicher
Akte möglich und alle, auch die extremsten (immissio
penis in anum), sind zweifellos vorgekommen.
Diese unreine Knabenliebe galt den Griechen als
etwas Unschönes, als etwas zu Missbilligendes.
Desshalb ist aber auch sie nicht strafbar.
An Straf bestimmungen existirten folgende. 1 " 2 )
1) Sparta: In Sparta scheint eine Straf bestimmung
zwecks Begünstigung der reinen Männerliebe bestanden
zu haben: Nach Aelian (De republica Lacedaem. II. 13)
hätten die Ephoren sowohl einen Edlen, der keinen Ge-
liebten gehabt, als einen Schönen zu einer Geldstrafe
verurteilt, der einen reichen Liebhaber einem armen, aber
braven Manne vorgezogen hatte.
Es sollte also lediglich Zuneigung, nicht ein anderes
Motiv das Verhältnis begründen.
Umgekehrt gab es eine direkt gegen die unreine
Knabenliebe gerichtete Bestimmung: Bestraft wurde näm-
lich das stuprum d. h. die Schändung eines Jünglings und
zwar an beiden Teilen mit Entehrung, Tod oder Ver-
weisung. Ob eine bestimmte Altersgrenze unter der
Minderjährigkeit oder darüber hinaus festgesetzt war oder
ob sie bis zur Minderjährigkeit reichte, wissen wir nicht.
Jedenfalls aber war unter dem stuprum des 7tmC, des
Knaben, nur immissio penis in anum verstanden; denn das
wisseD wir, dass sonstige Handlungen gestattet wurden und
auch bei der sogenannten reinen Knabenliebe üblich waren.
Alle Arten von Liebkosungen und Umarmungen
waren erlaubt, nur das stuprum, d. h. die immissio penis
12 ) Die sämtlichen Angaben betreffend diese Strafbestimmungen
sind der Encyclopädie von Ersch und Gruber unter „Päderastie" ent-
nommen.
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— 102 —
in nimm nicht, 13 ) jedoch scheint das Zusammenschlafen
bei völlig entblösstem Körper verboten gewesen zu sein,
dies bedeuten wohl die Worte paliis interjectis in den
Stellen complexus enim coneubitusque permittunt palliis
interjectis und Lacedaemonii osculorum licentiam dedere
et coneubitus verum paliis interjectis permittunt, 14 ) d. h.
wenn die Mäntel die Liebenden bedecken sind
Küsse, Umarmung und Zusammenliegen gestattet; es sollte
eben grösseren Excessen, also der völligen Schändung vor-
gebeugt werden. Wenn auch die Liebkosungen bei naktem
Körper verboten waren, so folgt doch noch nicht daraus,
dass die Entfernung des Mantels sie strafbar machte auch
dann, wenn kein wirkliches stuprum vorgekommen war.
2) Athen: Auch in Athen ist Männerliebe, sei es die
sogenannte reine oder unreine, an sich selbstverständlich
straflos. Dagegen trifft denjenigen Attischen Bürger, der
seinen Körper gegen Entgelt hingab, lebenslängliche
Atimie; d. h. die mä n nl i c h e Prost i tu ti o n wird für schimpf-
lich gehalten.
Die Folgen der Atimie, der Ehrlosigkeit, waren der
Verlust einer Reihe von Rechten, z. B. Unfähigkeit zum
Bekleiden der Priester- und Gesandtenstellen, die Un-
fähigkeit als Redner aufzutreten, Mitglied des Senats, der
Gerichtshöfe, der Volksvertretung zu sein. Jeder Athener
im Besitze der Bürgerrechte konnte eine Klage gegen den
der Prostitution Beschuldigten auf Ausspruch der Atimie
anstellen.
Sodann war die Verführung minderjähriger
Knaben untersagt.
Gegen den Gewalthaber eines Knaben, welcher
diesen zur Schändung verdungen hatte, sowie gegen den
,9 J Cicero de Re. publica IV. 4: Laedacmonii ipsi, cum omnia
concedunt in amore juvenum praeter stuprum, tenui sane maro
dissaepiunt, id quod excipiunt, complexu s enim coneubitusque permittunt.
'«) Januar. Nepotian IV, 20.
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— 103 —
Schänder selbst konnte jeder Athener eine Kluge er-
heben. 15 ) Die Strafe ist uns nicht bekannt. Wir wissen
lediglich soviel, dass Strafe nur eintrat, wenn der Minder-
jährige Attischer Bürger war, ferner dass er später als
Erwachsener seinem Vater, der ihn verkuppelt hatte
keine Alimentation zu gewähren brauchte.
Hatte Jemand einen minderjährigen Knaben ohne
vorangegangener Einwilligung seines Gewalthabers ge-
schändet, so konnte er auf die Klage des letzteren hin
zur Zahlung von 100 Drachmen an ihn verurteilt werden.
Hatte der Knabe Schaden gelitten, so wurde der
Schaden in Geld abgeschätzt und der Schänder musste
noch ausserdem das Doppelte des Sehadens an den Ge-
walthaber entrichten. Neben der Klage des Gewalthabers
gab es sodann noch eine öffentliche Klage, deren Er-
hebung jedem Attischen Bürger offen stand. In diesem
Falle war die Strafe entweder Geld- oder Todesstrafe.
Bis zur Zahlung der Geldstrafe musste der Schänder im
Gefängnis bleiben.
Endlich gab es Bestimmungen mehr polizeilicher
Natur zur Verhütung der Gelegenheit zur Verführung
von Knaben und Umsichgreifens der unreinen Knaben-
liebe. So musste die grammatische Schule und die Ring-
seh nie zwischen Sonnenaufgang- und Untergang geschlossen
bleiben, so war das Betreten der Gymnasien Erwachsenen
ausser den Verwandten der Knaben sogar bei Todes-
strafe verboten.
Diese Verbote, jedenfalls das letztere kamen jedoch
bald ausser Gebrauch und wurden offenbar wieder ab-
geändert; denn Sokrates und andere Philosophen haben
fortwährend die Gymnasien besucht und sogar gerade
dort ihre Liebesbündnisse angeknüpft. 16 )
K ') Eine Klage auf Ausspruch der Atimie strengte Aescbinet
gegen Timarch an, der sich für Geld prostituiert haben sollte.
,ö ) Z. vgl. Plato: Obarmides; und Ellis und Symonds, oben
cit. Anm. 11, S. 83.
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— 104
Die Unterscheidung zwischen edler und unedler
Knabenliebe finden wir vornehmlich nur in Athen und
Sparta.
In Jonien und andern Orten galt jede Knabenliebe
für schimpflich. 17 ) Dass sie aber in diesen Staaten be-
straft wurde, ist nicht anzunehmen.
In Elis und Böoticn l7 ) scheint lediglich die sinnliche
Knabenliebe geherrscht zu haben und zwar ohne dass
man sie für schimpflich hielt. Von Strafen konnte dort
selbstverständlich keine Bede sein.
In Kreta soll die Päderastie ausdrücklich gesetzlich
gestattet worden sein. 18 ) Die kretische Gütergemein-
schaft stützte sich namentlich auf obrigkeitlich befohlene
Päderastie. 10 ) Es fand bei den Kretern ein förmlicher
Knabenraub statt (a^n-ay/toc), ja man ging hier soweit,
dass es für Knaben aus besserer Familie entehrend war,
wenn sie keinen Liebhaber hatten. 20 )
3. Die Römer.
Bei den Römern bestand die Unterscheidung zwischen
reiner und unreiner Männerliebe nicht. Diese Liebe hatte
sich in Rom niemals zu der idealen Gestaltung ausgebildet,
wie in Griechenland.
Wenn auch die Römer die Männerliebe als etwas
Unehrenhaftes angesehen haben mögen und namentlich
in den ersten Zeiten der Republik wohl strengere An-
schauungen geherrscht haben, so hat doch sicherlich nie-
mals die mittelalterliche Auffassung dieser Liebe als ver-
abscheuungswürdige Sünde und fluchwürdiges Verbrechen
bei ihnen gegolten; dies geht unzweideutig aus der ganzen
l ~) Plato: Gastmahl Kap. 9 g. Ende.
,s ) Plato: De leg. I 636; Aristoteles Po). II. 8.
u ') Roscher: Grundlinien dor National- Oekonomio S. 209.
2ü ) Moll: Konträre Sexualempfindung S. 1».
4
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— 105 —
Art und Weise der offenen Besprechung des gleich-
geschlechtlichen Verkehrs bei den verschiedensten Schrift-
stellern, aus den Berichten über die römischen Zustände
in dieser Hinsicht, aus den unverhohlenen Liebesgesängen
der Dichter an Jünglinge hervor, aus der Thatsache, dass
später sogar formliche Mäunerbordelle geduldet wurden,
von denen man eine in die Staatskasse fliessende Steuer
erhob. 21 )
Ein Gesetz zur Bestrafung des gleichgeschlechtlichen
Verkehrs als solchen ist deshalb wohl auch niemals bei
den Römern erlassen worden. 32 )
Allerdings scheint es, dass in der früheren Zeit schon
der Verkehr zwischen dem gleichen Geschlecht unter
Umständen bestraft worden ist.
Sodann hat zweifellos die lex Scatinia (unbekannten
Datums) von der Männerliebe gehandelt. Ueber den
näheren Inhalt dieses Gesetzes wissen wir nichts.
Soviel scheint uns aber gewisss, dass nur die Schän-
dung unbescholtener römischer Jünglinge und zwar wahr-
scheinlich nur minderjähriger von jeher bestraft wurde.
Dies ergiebt sich auch, wie uns scheint, zweifellos
S1 ) Z. vgl. die bei Ersch und Graber cit. römischen Schriften,
zu vgl. auch Catull's Carmen LXI, Ellis und Symonds, oben cit. S. 281,
Zusatz zu Kapitel III, wonach dem jungen Körner gestattet war, vor
der Ehe sich einen gleichaltcrigcn Sklaven als Bettgenossen zuhalten.
Ein charakteristisches Bild der spätrömischen Zustände gewährt be-
sonders Petron's Satyricon.
22 ) Einige Schriftsteller sprechen von einer angeblichen Be-
strafung der widernatürlichen Unzucht an sich, während sie anderer-
seits doch wieder darunter nur die Verführung von Jünglingen zu
verstehen scheinen. So z. B. Rein: Kriminalrecht der Römer,
S. 864, Leipzig 1844 Wächter: Abhandlungen aus dem Straf-
recht, Bd. I. Leipzig 1835, S. 173. Schräder: Corpus juris civilis
T. I p. 758, Berlin 1832. Der Grund dieser Verwechselung liegt in
dem Irrtum dieser Schriftsteller, als ob die Männerliebo identisch
sei mit Liebe zu unerwachsenen Jünglingen und in ihrer Unkenntnis
über das Wesen der mannmännlichen Liebe.
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— 100 —
aus der später unter Augustus im Jahre 18 v. Ch. er-
lasseueu lex Julia de adulterio.
Dieses Gesetz linderte wahrscheinlich lediglich die
Strafe der lex Scatinia. Aus ihm ersehen wir aber, wann
Unzucht zwischen Personen männlichen Geschlechts be-
straft wurde.
Die Stellen, welche uns über den näheren Inhalt des
Gesetzes Aufschluss geben, sprechen nur von der Straf-
barkeit des stuprum pueri, d. h. der Schändung des
Knaben, des unerwachseuen Jünglings, und zwar erwähnt
Paulus an einer Stelle seiner Sententien, dass nur der
puer praetextatus, d. h. der Jüngling bis zum 16*. oder
17. Lebensalter geschützt sein sollte.' 28 )
Es genügte aber offenbar nicht, dass der Geschändete
minderjährig bezw. noch praetextatus war, sondern er
musste auch unbescholten sein, damit den Schänder die
Strafe traf.
Dies geht aus Folgenden hervor: Das stuprum
einer Frau wurde nur bestraft, wenn die Frau zu den
honeste viventes gehörte, d. h. ehrbar und unbescholten
"-*) D. XLVII 11 (De ext. criro.) 1 1,2 (Paolos): Qoi poero
6toprom abdocto ab eo vcl corropto comitc persuascrit aot mulierem
pnellamve ioterpellavcrit quidvo impudicitiae gratia fecerit, dooom
praeboerit pretiomve, qoo is persuadeaV dederit, perfecto flagitio
ponitor capitc, imperfecto in insolam deportator corrupti comites
summa sopplicio afficiuntar. Und in dem Sententien des Paulus, aus
welcher diese Stelle entnommen ist, heist es noch deutlicher: (Paulus
Sent. V 4 §. 14) : Qui pucro praetextato stuprum aliudve fla^itium
abdueto ab co vel corrupto comite persuaverit Ferner
D. XLVII1 5 (Ad. leg Jul. de adult. coerc ) 1 35,1 (Modestinus libro
primo regularum); Stuprum in vidua vel virgine vel puero committitur.
Aus einer Stelle Tribonians in den Institutionen. (Inst. IV, 18, de
public, judic. 54,) könnte man vielleicht entnehmen wollen, dass die
lex Julio die Unzucht zwischen Männern an sich bestraft habe.
Diese Stelle beabsichtigt jedoch nur die zu Justini ans Zeiten er-
lassene Strafe anzugeben.
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— 107 —
war. 24 ) Das stuprum des puer wird nun aber mit dem
stuprum der virgo auf eine Stufe gestellt und die lex
Julia hat beide gleich behandelt; dies zwingt zum Schluss,
dass das Gesetz auch nur die Schändung des ehrbaren
Jünglings im Auge hatte, nicht etwa den Verkehr mit
einem cxoletus, einem männlichen Prostituirten. 2S ) Der
Schändung d. h. der immissio penis in anum wurden viel-
leicht auch andere besonders anstössige geschlechtliche
Akte gleichgeachtet; denn Paulus sagt, 20 ) dass derjenige,
welcher stuprum oder sonstiges flagitium impurum an einem
puer praetextatus vornimmt, d. h. eine sonstige unzüchtige
Schandthat, bestraft wurde. Mit Recht erklärt Christ, 27 )
dass wahrscheinlich das ore morigerari d. h. Onanie per
os zu diesen strafbaren Handlungen gezählt wurde.
Die Strafe der lex Julia war für den Verführer, Mit-
thäter und Verkuppler bei vollendeter Schändung Todes-
strafe, bei blossem Versuch Deportation, 2S ) ferner jeden-
falls auch für den verführten Jüngling, Konfiscation der
Hälfte seines Vermögens und Unfähigkeit über die Hälfte
seiner Güter zu testiren. 2W )
Die wider Willen des Geschändeten vollzogene
Stuprirung wurde ebenfalls mit dem Tode bestraft, wahr-
scheinlich wurde kein Unterschied gemacht, ob der Ge-
schändete minderjährig oder erwachsen war. ft0 )
Für das Militär scheint das Gesetz unter bestimmten
Umständen strenger gewesen zu sein. Nach Quint ilian
- 1 ) D. XLV1II 5 1 G pr u 1. 35 § 1.
M ) D. XLV11 11 1. 1,2 i. XLVITI 5 1. 35,1 cit. in Anm 23.
-*) Panlns Scnt. II 26 §. 13: Qui voluntato sua stuprum
flagitiumve impurum patitur, dimidia parte bonorum suorum mnltatur,
nec testaraentum ei cx majore parle facero licet.
;; ) Christ, Job. Frid.: Hisloria legis Scatiniae, Halle 1737 c. 20.
•*) ob cit. D. XLV1I. III 1, 2 in Anm. 23; ob. cit. Paulus
Sent. V. 4 § 14 in Anm. 23.
-») Paulus Sent, II 26 §. 13: ob. cit. in Anm. 26.
::o ) Qui masculum liberum invitum stupraverit, capite punitur.
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— 108 —
soll über diejenigen, welche im Kriegslager widernatür-
liche Unzucht verübten, die Todesstrafe verhängt worden
sein. 31 ) Ob die Strafe thatsächlich angewandt wurde,
dürfte wohl bezweifelt werden.
Zur römischen Kaiserzeit griff der mannmännliche
Geschlechtsverkehr immer mehr um sich, am ärgsten
wurde es unter Nero (54 — 68) und dann unter Heliogobal
(217—222).
Wie schrankenlos zur römischen Kaiserzeit der mann-
männliche Geschlechtsverkehr geduldet wurde, zeigt eine
Anordnung Domitians (81—90) zum Schutze der Jugend;
er verbot nämlich, dass Knaben unter 7! Jahren prosti-
tuiert werden dürften, 512 ) (also nur unter diesem Alter!).
Es scheint, als habe später Alexander Sever (222 — 235)
einen Augenblick eine Strafbestimmung namentlich gegen
die männliche Prostitution erlassen wollen, er begnügt
sich jedoch damit zu verordnen, dass die für das Halten
der Bordelle erhobene Steuer nicht mehr in die Staats-
kasse fliessen, sondern zu öffentlichen Baulichkeiten ver-
wandt werden sollte. 8 *)
Kaiser Philipp (244—249) scheint dann ein weiteres
Gesetz gegen widernatürliche Unzucht gegeben zu haben, 14 )
sein Inhalt ist uns unbekannt. Jedenfalls fruchtete das
Verbot nichts, denn wie Aurelius Victor in seinen Caesares
sagt, förderte das Verbot nur schlimmere Schandthaten. 55 )
Erst die christlichen Kaiser schritten energisch gegen
den mannmännlicheu Geschlechtsverkehr ein. 30 )
31 ) Schräder ob. cit. in Anm. 22.
S2 ) S u o t o n : Edicto prohibuit, pueros intra septimum annum
prostitui.
3: ') Er6ch und Gruber Artikel Päderastie.
34 ) Schräder: ob. cit. Anm. 22.
35 ) Ulrich: (bei Spohr, Leipzig, 1898 in neuer Auflage er-
schienen) Inclusa § 59 S. 39.
Die nun folgenden Ausführungen dieses Capitels I gehören
eigentlich in das folgende über das Mittelalter, dor Uebersicht halber
war es jedoch angemessener, die Bestimmungen der spätrömischen
Kaiser hier folgen zu lassen.
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- HUI —
Mit dem Christentum trat nämlich überhaupt eine
völlige Aenderung in der bisherigen Auffassung der ge-
schlechtlichen Handlungen ein.
Jede Fleischeslust erscheint dem Christentum als
Sünde, der aussereheliche Beischlaf zwischen Mann und
Weib ist sündhaft und nur die Geschlechtsverbindung in
der Ehe gestattet, aber auch diese wird nur als Not-
befehl, als das geringere Uebel gegenüber dem Ideal der
völligen Keuschheit betrachtet. Desshalb ist gar die
gleichgeschlechtliche Liebe dem Christentum ein Gräuel,
eine Versündigung gegen die Natur und gegen Gott,
nicht nur schwere Sünde, sondern Verbrechen.
Bei diesen Anschauungen ist es nicht zu verwundern,
dass die christlichen Kaiser mit den härtesten Strafen
gegen widernatürliche Unzucht einschritten, wobei das in
der Bibel niedergelegte mosaische Recht wohl von Ein-
fluss gewesen ist.
Im Jahre 326 erliess Constantin der Grosse eine
Konstitution gegen die gleichgeschlechtliche Liebe. 87 )
Er befiehlt, dass: „da wo das Geschlecht seine Natur ver-
liert, wo Venus sich in eine andere Gestalt verwandelt,
wo ein widernatürlicher Liebesgenuss gesucht wird, der
Betreifende von dem mit dem Racheschwert bewaffneten
Gesetz mit den ausgesuchtesten Strafen belegt werde.
Ob unter ausgesuchtesten Strafen (poenae exquisitae)
wie Gothofredus meint, Feuertod verstanden war, steht
nicht fest und ist wohl zu bezweifeln.
") Codex Theodosianns L. IX. tit. VII, 3 : Cum vir nubit in
feminam viris porrecturam, quid capiat, nbi sexus perdidit locnm?
nbi eceloe est id qnod non proficit, scire? Ubi Venns mntatnr in
allerem fonnam? nbi amor qnaeritnr, nec videtnr? Inbemni insurgere
lege», armari jnra gladio nltore, nt exquiritis poenis snbdantnr in-
fames, qni sunt vel qni fntnri front rei.
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— 110 —
Denn erst Valentinian bestimmte noch in demselben
Jahrhundert als Strafe den Feuertod. :JH )
Valentinian führt aus: „Er wolle nicht länger dulden,
dass Koni durch die Ansteckung dieser Unzucht befleckt
und die alte Kraft des Volkes dadurch gebrochen werde.
Alle die, welche die Gewohnheit hätten, ihren Leib nach
Weiber Art preisszugeben und sich vom Weib nicht mehr
unterschieden, sollten aus den Männerbordellen heraus-
geschleppt und Angesichts des Volkes den rächenden
Flammen übergeben werden, damit Alle es einsähen, dass
die Seele des Mannes ein Heiligtum sei und dass der,
welcher sein eigenes Geschlecht auf schimpfliche Weise
verloren hätte, der Todesstrafe verfalle, wenn er ein
fremdes Geschlecht erstrebe."
Justinian nahm das Gesetz von Valentinian nicht in
seine Gesetzessammlung, sondern wiederholte dasjenige des
Constantin, nur bestimmte er sy ) die Strafe ganz genau
und zwar verordnete er die Todesstrafe mittels Schwertes.
n *) Fragment. i Vaticana Mosaicarum et Romanarum legum
collatio. (Ed. Krueger) tit. V 3. Impp. Valentianus, Theodosius
et Arcadius Augg. ad Orientium vicarium urbis Romae. Non patimur
urbem Romam virtutum omnium matrem diutius effeminati in viro
pudoris contaminatione foedari et agreste illud a priscis conditori-
bus robur fracta molliter plebe tennatum conviciam saeculis vel
conditorum inrogare vel principum, Orienti carissime ac jucundissime
nobis. Laodanda igitor experientia tua omncs, quibus flagitii usus est
virile corpus muliebriter constitutum alieni sexus damnare patientia
nibilque discretum habere cum feminis, occupatos, ut flagitii poscit
immanitas, atque omnibus eductos, pudet dicere, virorum lupanaribus
spectante populo flammae vindicibus expiabit, ut universi intellogaut
sacrosanctum cunctis esse debere hospitium virilis animae nec sine
summo supplicio alienum expetisse sexum qui suum turpiter per-
didisset.
Im Codex IX. 9 1. 30 u. Just. IV. 18 § 4: Item lex Julia
de adulteriis coercendis, quae non solum temeratores alienarum uup-
tiarum gladio puuit, sed etiam eos, qui cum masculis infandam libi-
dinem exercere audent
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— 111 —
Im Jahre ö'-\S erliess er nochmals eine Ermahnung
an das Volk und warnt sie vor diesem Verbrechen. 4o )
Als Grund der Bestrafung betont Justinian den reli-
giösen Gesichtspunkt; „dieses Laster sei eine Eingebung
des Teufels, Jeder solle davon ablassen, damit nicht Gott
das ganze Volk desswegen strafe; denn wegen solcher
Laster käme Hungersnot und Seuche über die Menschen.
lw ) Novelle 77: . . . Quoniam quidam diabolica instigationo
comprehensi .... natnrae contraria agunt: istis injungimus, in sensi
bns aeeipere Dei timorem et futurum Judicium et abstinero ab huis
modi diabolicis luxuriis, ne propter huiusmodi impios actus ab ira
Dei justa inveniantur et civitates cum habitatoribus earum pereunt.
Docemur enim a divinis scriptis, propter huismodi impioa actus
civitates hominibus periisse . . . Propter talia delicta et fames et
terrae motus et pestilentiae fiunt. . . . Sin autem et post hanc nos-
tram admonitionem inveniantur aliqui in talibus permanentes delictis :
primum quidem indignos se faciunt Dei misericordia ; post haccautcni
et legibus constitutis snbjiciuntur tormentis. Praecipimus t u im
gloriosissimo praefecto regiae civitatis permanentes istos . . . com-
prehendere et ultimis subdere supplieiis, ne . . . et civitas et repub-
lica . . laedatur.
40 ) Novella 141: Edictum Justiniani ad Constantinopolitanos de
Impudicis: Praefatio: Semper quidem humanitato et dementia dei omnes
indigemns, maxime vero nunc cum multitudine peccatorum noslrorum
multis cum modis ad iracundiam provoeavimus. Et minatus est
quidem, et ostendit, quid peccata nostra mereantur, clemens tarnen
fuit iramque rejecit poenitentiam nostram expectans, et qui nolit mortem
nostram, peccantium, eed conversionem et vitam. Quare justum non
est, ut omnes divitias bonitatis, et tolerantiae et patientiae dementia
dei contemnamus, ne duro et poenitentiam non agente corde nostro
accummulemus nobis iram in diem irae, sed ut omnes quidem pravis
cupiditatibus etactionibus abstineamus, maxime vero illi, qui in abomi-
nabili et deo merito exosa atque impia actione contabuerunt.
Loquimur autem de stupro masculorum, quod multi impie commit-
tunt masculi cum masculis turpitudinem perpetrantes.
Cap. I. Seimus enim sacris scripturis edocti, quam just ;< in p 0 e-
nam deus illis, qui Sodomae olim habitarunt, propter insanam hanc
commixtionem ioflexerit, adeo ut huiusque regio Ula iixxuncto
jgno ardeat, atque per hoc nos docet, ut impiam illam a. ti, uem
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— 112 —
Wer in dieser lasterhaften Gewohnheit verharre, solle
getötet werden, damit nicht der Staat (durch die gött-
liche Rache) Schaden leide."
Auch diese Ermahnung scheint wenig genützt zu
haben, denn im Jahre 559 giebt Justinian eine Prokla-
mation gegen dasselbe Verbrechen heraus: Wiederum und
noch mehr wie früher stellt er als Strafgrund die Ver-
letzung des göttlichen Willens in den Vordergrund, nur
deshalb scheint er strafen zu wollen, weil er Gott gegen-
über dazu verpflichtet sei.
Er versucht mit Güte und Milde die Sünder zu ver-
anlassen, ihr Laster aufzugeben und verspricht denjenigen
aversemur. Kursus vero Feimus, quid de his sanctus apostolus dicat,
quidque reipublicao nostrae legcs sanciant, atque ut omnes, qui timori
dei intcnti sunt, impia et profana actione abstioere debcant. quae
nec a brutis perpetra invenitur, atque Uli quidem, qui eius rei sibi
conscü non sunt, in futurum etiam tempus sibi caveant, qui vero
hoc affectu jam contabuerunt, non solnm in posterum desistant, sed
etiam verum poenitentiam agant et deo supplicentur, et beatissimo
patriarchae vitium indicent, et sanationis modum accipiant, et se-
cundum id, quod scriptum est, fructum poenitentiae ferant, ut clemens
deus pro divitiis misericordiae suao nos quoque dementia sua dig-
netur, et omnes pro illorum, qui poenitentiam agunt, saluti gratiaa
ipsi agamus, in quos etiam nunc magistratiis inquirere jusrimus,
deum placentes, qui juste nobis iratus est. Et nunc quidem ad sac-
rorum dierum honorem respicientes benignum deum rogamus, ut Uli
qui in impiae huius actionis coeno volvuntur, ita resipiscant, ut alia
eam puniendi occasio nobis non detur; denunciamns autem omnibus,
qui einsmodi peccati sibi conscü sunt, nisi peccare desinant, atque se
ipsos beatissimo patriarchae deferentes salutis suae cnram agant, propter
impias eiusmodi actiones deum intra sanctum festnm placantes,
acerbiores sibi poenas arcessituros esse, tamquam nulla in posterum
venia dignos. Neque enim remittetur aut negligetur huius rei in«
quisitio et emendatio illorum, qui intra Ranctum festnm se non de*
tulerunt, vel in impia illa actione perseveraverunt, ne per negligen-
iam hac in re commissam denm contra nos irritemus, si tarn impiae
et prohibitae actioni, quaeque maxime idonea sit ad bonum deum
ad omni um pornioiem irritandum, conniveamus.
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— 113 —
Gnade, welche bis zum bevorstehenden Osterfest ihre
Sünde bereuen und beichten, und so Gott besänftigen würden.
Diejenigen aber, welche ihr Laster nicht bereuten und
eingeständen, sowie die, welche fortführen, ihm nachzu-
hängen, sollten keine Verzeihung finden und mit den
härtesten Strafen belegt werden, damit Gottes Zorn nicht
das ganze Volk träfe. 41 ) Der gleichgeschlechtliche Ver-
kehr muss zu Justinians Zeit äusserst verbreitet gewesen
sein; sonst hätte nicht Justinian in so eingehender und
nachdrücklicher Weise sich dagegen gewandt.
Uebrigens hat Justinian in seinen Erlassen
nicht so sehr die einzelne Handlung, als viel-
mehr die zur Gewohnheit gewordene, ein-
gefleischte Sünde im Auge. Schon Justinian
scheint die Ahnung gehabt zu haben, dass es
sich meist um einen ti efeingewurzelten Trieb
handelt.
Ueber die Strafe selbst drückt sich Justinian in den
Novellen 77 und 141 nicht sehr genau aus; es war dies
aber auch nicht nötig, da er schon früher die Todesstrafe
durch dsis Schwert festgesetzt hatte. Nach Properz,
Zonaras und Cedrenus soll übrigens Justinian oft an statt
mit dem Tode, mit Abschneiden der Geschlechtsteile ge-
straft haben.
u ) Z. vgl. Ulrich: Inclusa § 60—64.
lahrhucli ftlr homosexuelle Forschungen.
8
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II.
Das Mittelalter und die Neuzeit bis zum Ende
des 18. Jahrhunderts.
1. Die Zeit vor den Karolingern.
Ausser den schon besprochenen Bestimmungen der
römischen Kaiser lässt sich wenig über unsere Materie
in der Zeit vor den Karolingern berichten.
Bei den Kelten war die Päderastie bekannt, sie übten
sie, trotz der Schönheit ihrer Weiber. 42 ) Auch bei den
alten Germanen ist sie vorgekommen. Sie wurde bestraft
und zwar mit „Lebendig begraben werden". 4 ") Die be-
kannte Stelle in der Germania des Tacitus, wo gesagt
ist, dass die corpore infames in dem Sumpf begraben
wurden, spricht nämlich zweifellos von denjenigen, die
Päderastie verübt hatten. Dies geht auch aus folgenden
Stellen hervor. 44 ) Cassium quendam, mimum corpore in-
famem (Tacitus Annalen I 73) Quinctianus mollitia cor-
4i ) Aristoteles: Pol. II, 66, Diodor V, 81; Schrenk-Notzing;
Die Suggestionstherapie bei krankhaften Erscheinungen des Ge-
schlechtseinnes mit besonderer Berücksichtigung der konträren Sexul-
empfindung. Stuttgart 1892, S. 134.
41 ) Watts: Deutsche Verfassungsgeschiche I S. 425 u. Anin. 1.
Baumstark: Urdeutsche Staatsalterthümer. Berlin 1873, S. 449.
4i ) Wie Baumstark, cit. in Anm. 43, mit Recht hervorhebt.
Derselbe bemerkt sehr richtig, es dürfe verlorene Muhe sein, gegen
die Worte des Tacitus anzukämpfen und es gehöre su den Albern-
heiten des Afterpatriotismus, durch Schrift- und Sinnverdrehung der
Stelle einen andern Sinn su geben.
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— 115 —
poris infamis (Aimi. XV. 49) Rebius ob libidines inulie-
briter infamis. (Anm. XIII 30)
Dass der gleichgeschlechtliche Verkehr bei den Ger-
manen nicht gerade selten war, beweist auch der Um-
stand, dass unter den ehrenrührigen Schimpfworten die
Beschimpfung aufgezählt wird, dass ein Mann sich als
Weib habe gebrauchen lassend a )
In den alten Volksrechten findet sich keine Straf-
bestimmung gegen Päderastie.
Nur in norwegischen Kirchengesetzen wird die
Bestialität mit Castrierung und ewiger Landesverweisung,
in norwegischen Verordnungen der geschlechtliche Ver-
kehr zwischen Männern mit Friedloserklärung bestraft. 4 R )
*
2. Das Recht der Karolinger.
Die Karolinger schritten gegen die widernatürliche
Unzucht ein.
Im Capitulare ecclesiasticum vom Jahre 289, wo
unter Bezugnahme auf das Concil von Ancyra von der
Auferlegung der kirchlichen Busse die Rede ist, wird ge-
sagt, 40 ) dass fleischliche Vermischung zwischen nahen
Verwandten, zwischen Mann und Mann, sowie zwischen
Mensch und Tier mit dem Tode zu strafen ist, dass aber
der Thäter, wenn ihm das Leben geschenkt wird, auf-
4ft ) Wilda: Geschichte des deutschen Strafrechts. Bd. I, S. 858.
**) Walter: Corpus juris Gcrmanici antiqui Bd II S. 150.
Capitul rium Liber VII. c. 366: De bis qui inrationabiliter versati sunt
sive versantur. In qua sententia sen6us triplex est: id est de bis qui
cum pecoribus coitas mixti sunt, aut more pecorum cum consanguineis
usque adfinitatis lineam incestum commiserunt, aut cum masculis coneu*
buerunt. Qnisquis autem ex bis unum egerit, aut capito puniatur,
aut si ei vita concessa fuerit, jnxta Ancyrani Goncilii sententiam, quae
in capitulo XVI continetur, poenitentiam veraciter agat.
8»
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— llo —
richtig Busse thun soll. 47 ) Ein späteres Kapitular bespricht
den Gegenstand eingehender. 41 *) Auch hier tritt uns der-
selbe religiös-sittliche Gesichtspunkt, den schon Justinian
besonders betont hat. entgegen.
„Wegen solcher Laster sende Gott Hungersnot und
Pestilenz über das Volk. Wegen diesen Sünden .seien
schon Städte verbrannt und durch den höllischen Schlund
verschlungen worden. Desshalb bestrafe das römische
Recht das Verbrechen mit dem Feuertod." Das Kapi-
tular gebietet dann ausdrücklich Allen nebst Untergebenen
und Hörigen von solchen Sünden abzAilassen.
Auch damals scheint gleichgeschlechtlicher Verkehr
,T ) Z. vgl. Wilda: Geschichte des deutschen Strafn-chts.
Bd. I S. 858.
1S ) Walter 8. 858 und 859: Cap ad. IV c 160: De patra-
toribus diver8orum malorum: Sunt sane diversorum malorum patratores,
quos et lex divina improbat et condemnat; pro quorum ctiam diversis
sceleribus et flagitiia populus fame et pcstilentia flagellatur, et Ecclesiao
Status infirmatur et regnum periclitatur. Et quemquam haec in sacri^
eloquiis aatia sint execrata, noa necessarium praevidimus itcrum nostra
admonitione et exhortationo atque prohibitone praeeaveri omnino opor-
s i cut sunt diversarum pollutionum patratores, quas cum masculis
et pecoribus nonnulli diversissimis modis admittunt; quae incompara-
bilera dulcedinem piissimi creatoris ad amaritudinem provocantea, tanto
gravius delinquunt, quanto contra naturam peccant. Pro quo ctiam
scelere igne coelesti conflagrntae. infemique hiatu quinque absorptae
sunt civitatis, neenon et quadraginta et eo amplius millia atirpia
Beniamineae mucrone fraterno confossa sunt. Haec porro indicia et
evidentes vindictae declarant quam detestabile et exaecrabile apud
divinam majestatem hoc vitium extet. Seimus enim quoniam talium
criminum patratores Lex Romana, quae est omnium humanarum mater
legum, igne cremari jubet. Vobis ergo omnibus terribieterdenuntiamua,
vestriaque cunetis, ac vobis famulantibus atque aubditis, vobiacum
Dei diatricto jndicio atque fidelitate nostra praeeipimus ab his caveri,
et haec faciontibua nec verbis nec factia ullo modo conaentire ; quoniam
qui talia agunt, Apostollo pollicente, regnum Dei non consequentur.
Tempna namque est, ut multitudini pereuntis populi parcatis, quae
sequendo cxempla peccantia Principia cadebat in putoum mortis; quia,
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— 117 —
ziemlich verbreitet gewesen zu sein; denn das Kapitular
fährt fort: „Es sei Zeit, dass die Menge Einhalt thue,
und sicli nicht in den ewigen Tod stürze.
Er der König (der Verfasser des Kapitulars) werde
Strafe oder Belohnung von Gott erhalten, je nachdem er
das Volk zum Guten oder Schlechten leite." Also auch
hier als Hauptgrund des Einschreitens die Verpflichtung
des Herrschers gegenüber Gott.
Der zweite Teil des Kapitulars wendet sich dann
spezieller gegen den buhlerischen Verkehr mit Frauen-
zimmern und führt aus, „dass in Folge der Fleisches-
sünden das Volk untüchtig werde und zu Grunde gehe,
qaantoscunquo vel per bona cxempla ad vitam coelestis patriae contra-
bimus, vel per mala exempla ad perditionem, sequentes praeimus, de
tantis proeul dubio ab aeterno judice vel poenas vel praemia aeeepturi
sumus. Si enim gen» nostra, sicut per istas provincias divulgatom est,
et nobis in Francia et in Italia improperatur, et ab ipsis Paganis
improperium est, spretis legalibus connubiis, adulterando et luxuriando
ad instar Sodomitac gentis foedam vitam duxerit, do tali coramix-
tione meretricum aestimandum est degeneres populos et ignobiles,
et furentes libidine, foro proercandos, et ad extremum universal»
plebem ad deteriora et ignorabiliora vergentera, et novissimo nec in
bello seculari fortem, nec in fidc stabilem, et nec honorabilem homini-
bns nec Deo amabilem esse venturam : sicut aliis gentibus Hipaniae et
Provinciae et Burgundionum populis contigit, quae sie a Deo recedentes
fornicatae sunt, donec Judex omnipotens talium criminum ultrices
poenas per ignorantiam legis Dei, et per Sarracenos venire et serviro
permisit. Et notandum qood in illo scelere aliud immane flagitium
subterlatet, id est. homicidium. Quia dum illae meretrices, sive
monastcriales, sive seculares, male coneeptas sobolesin peccatis genuerunt
saepe maxima ex parte occidnnt; non implentes Christi Ecclesias filiis
adoptivis, sed tumulos corporibus, et inferos miseris animalibus
satiant. Absit enim ut pro talibus pereatis; quoniam ex praecedentibus
agnovimus quae secuturis, nisi praevisa fueriet, possunt eveniro.
Satius est quoque nobis talibus carcre, quam cum his rucre, in perniciem
regnumque ab ethnicis atque eius popularibus futore tempore adnullari
vel possideri. Scire enim vos cupimus quia quicunque super bis aut
faciens aut libenter consentiens inventus fucrit, nos cum juxta
praedictam Romanam legem velle punire.
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— 118 —
dass die Spanier und Burgunder als Beispiel dafür dienen
könnten und dass Gott zur Strafe für solche Sünden den
Einfall der Sarazenen gestattet habe/
Zum Schluss wird dann bestimmt, dass Jeder, welcher
die geschilderten Sünden begehe oder an sich vornehmen
Hesse, mit der erwähnten Strafe des römischen Rechts
belegt werde.
3. Das kanonische Recht. 40 )
Das kanonische Recht behält selbstverständlich bei"
Beurteilung des gleichgeschlechtlichen Verkehrs den streng
religiösen Standpunkt bei und fasst ihn als ein durch
göttlichen Willen verpöntes Verbrechen auf, „denn durch
das Laster werde auch die Gemeinschaft, die wir mit
Gott haben sollen, zerstört, da dieselbe Natur, die Gott
geschaffen, in lasterhafter Weise befleckt werde." 5 ")
Das kanonische Recht fusst auf dem mosaischen und
justinianischen Recht und wendet dessen strenge Be-
stimmungen auch an. Es giebt aber einige neuere: So
spricht das dritte Lateranische Konzil für Kleriker als
Strafe nur Degradation oder Verweisung in ein Kloster
aus, für Laien Excommuniation, ausserdem Infamie. 51 )
>u ) Die Angaben über das Kanonische Strafrecht sind entnommen
aus: München: Das kanonische Gerichtsverfahren und Strafrecht
II. Bd. Das Kanonische Strafrecht. S. 455 Köln 1874.
h0 ) G. Flagitia 13. G. 32 Q. 7. S. August: Flagitia, quae sunt
contra naturam, ubique et Semper detestanda atqun punienda sunt:
qualia Sodomilorum fuerunt. Quae si omnes gentes facerent, eodem
criminis reatu divitia lege tenorentur. . . Violatur quippe ipsa societasi
quae cum Deo nobis esse Hebet, eum eadem naturam, cuius ipse autor
est, libidinis pcrversiiatc polluitur.
G. Usus 14. G. 32. D. 7. S. Aug.: Usus naturalis et licitus est
in conjugio sicut illicitus in ndulterio. Contra naturam vero semper
ilücitus, et proeul dubio Hugitiosior atque turpior.
ai ) C. Clerici 4 X do execss. prael. (5, al) . . Quicunquo depre-
hensi fuerint labornre . . . dejiciantur a clero, vel . . in monasterium
dotruduntur, si laici, exeommanicatione subdantur.
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— 110 —
Eine Konstitution von Pius V. verordnet ferner, 55 )
dass das weltliche Gericht über das Verbrechen urteilen
und der Kleriker degradiert werden soll. In einer späteren
Konstitution bestimmte dann Pius V., B8 ) dass diejenigen,
welche dem betreffenden Laster huldigten, ohne Weiteres
des geistlichen Standes, jeglichen Amtes, jeder Würde
und jedes Benifiz verlustig sein sollten, so dass sie ohne
Weiteres dem weltlichen Gericht tibergeben werden
könnten. Er fügte aber hinzu, dass nur diejenigen die
Strafe verwirkt hätten, welche die That häufig oder wieder-
holt, d. h. wie er ausdrücklich betont, nicht einmal oder
ein zweites Mal, sondern gleichsam gewohnheitsmässig
verübt hätten.
Pius will also nicht die einzelne Handlung an sich,
sondern den Hang, die Gewohnheit bestrafen; auch er
fühlt es schon, noch deutlicher als Iustinian,
dass derartige Sünder aus einer tief einge-
wurzelten Anlage heraus handeln (dass es sich
meist um Urninge, mit konträrer Sexual-
empfindung behaftete handelt). Vgl. weiter unten
Kapitel V.
4. Die Carolina
und die gemeinrechtliche Theorie und Praxis.
Die Anschauungen über den Grund der Bestrafung
und die Beurteilung des gleichgeschlechtlichen Verkehrs
%2 ) Pii V. coust. V. Com primum § II (aus d««m Jahre 1566): Si
quis crimen nefandum contra naturam, propter quod ira Dci vonit in
filios dissidentiae, perpetraverit, enriae saeculari puniendus tradatur, et
si clericus fuerit, omnibusordinibusdegradatos, simili poenae subjiciatur.
M ) Pii V. const. LXXII Horrendum § 3: Itaquo quod nos
jaiu in ipso pontificatus nostri prineipio hac de re decrevimus, plenius
nunc fortiusquo perseqai intendentes, omnes et quoscunque prosby-
teros et alios clericos saeculares et reguläres, cuiuscunque gradus et
dignitatis, tarn dirum nefas exercentes, omni privilegio clericali,
omnique officio, dignitntc ot beneficis ecclesiastico praesentis canonis
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— 120 —
als einer des Todes würdigen Versündigung dauern das
ganze Mittelalter fort, die ßainberger und die Branden-
burger Halsgerichtsordnung bestrafen ihn mit dem Tode : ' 4 )
und die Carolina 55 ) bestimmt in Art. 110: „So Mann
mit Mann, Weib mit Weib, Mensch mit Vieh Un-
keuschheit treibet, die haben auch das Leben verwirket
und man soll sie der gemeinen Gewohnheit nach mit dem
Feuer vom Leben zum Tode richten." Die Carolina
macht nicht mehr die Unterscheidung zwischen gewohn-
heitsmässiger und vereinzelter Begehung, wie Pius V., sie
bestraft jedes „Unkeuschheit Treiben" zwischen Personen
gleichen Geschlechts. Nach dem Wortlaut könnte man
annehmen, dass sie alle und jede unzüchtigen Handlungen
zwischen Personen gleichen Geschlechts auch z. B. gegen-
seitige Onanie unter „Unkeuschheittreiben" verstehe und
mit dem Feuer-Tode bestraft wissen wollte.
Soweit ging die Praxis jedoch nie.
Schon zu Carpzows Zeiten (Anfang des 17. Jahr-
hunderts) wird häufig statt auf Feuertod, bloss auf Tod
durch Schwert erkannt
Ferner bildet sich schon früh die Praxis aus, dass
überhaupt die Todesstrafe nur bei Vollendung des De-
likts stattzufinden habe. Zur Vollendung des Verbrechens
wird aber verlangt einmal immissio penis in an um und
zweitens emissio seminis. Als nicht vollendete Schändung
auctoritate privamna. Ita, quod per jadicem ecclesiasticam degradati,
potestati statim sacculari tradantur, qui de eis illud idem capiat
supplicium, quod in laicos hoc in exitio devolutos, legitimis reperitur
sanctio ibus constitutum. — Pirrh. h. t. n. 72: Praeterea ad hane
poenam degradationis incurrendam requiritur primo, ut sodomia sit
frequentata, sive iterata pluribus actibus ut colligitur ex v.
exercentis in cit. bulla Pii Y quo nomine intelliguntur, qui aliud fnciant
non 6emel aut iterum, sed freqncnter et quasi ex consuetudine.
%4 ) Herausgegeben von Dr, H. Zoepfl. 2. Ausg. Leipzig und
Heidelberg 1876.
M ) Kaiser Karls V. Halsgerichtsordnung von 1532.
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— 121 —
wird daher insbesondere auch die Vornahme unzüchtiger
Handlungen, abgesehen von der eigentlichen Päderastie
so z. B. die blosse beischlaf "ähnliche Handlung des
coitus inter femora oder die gegenseitige Onanie be-
trachtet. 5 ") Solche Handlungen werden mit mehr oder
minder langen Freiheitsstrafen geahndet. 57 )
Im 18. Jahrhundert, namentlich unter dem EinHuss
der sog. Aufklärungszeit wird die Auffassung über die
Strafbarkeit des gleichgeschlechtlichen Verkehrs eine
mildere. Die rein religiös-sittlichen Gesichtspunkte als
Rechtfertigungsgründe der Bestrafung verschwinden nach
und nach.
Zwar ist die Anschauung über die Ursachen des
gleichgeschlechtlichen Verkehrs immer noch die mittel-
alterliche. r,s ) Seine Quelle sei „unbegrenzte Geilheit, eine
durch übermässige Sättigung entstandener Ekel an dem
Genuss natürlicher Wollust" (Cella) by ) oder die Ursache
sei stets in dem aufgezwungenen Zusammenwohnen junger
Leute und der Unmöglichkeit des. natürlichen Geschlechts-
verkehrs, 0 ") also in dem Weibermangel zu erblicken,
(Beccaria).
M ) Z. vgl. Carpzow: Practicao novao imperialis Saxonicac
Rcrum Criminaüum Pars III Quacst. 76, welcher ausdrücklich sagt
dass unter „Unkeuschheit treiben" nur der coitus contra naturae
ordinem gemeint sei, nicht andere Unzuchtsakte, quao etsi naturao
refragetur, diflert, qualis est fricatio vel manustupratio, ahnlich
Böhmer: Meditation es in Constitutionen! Criminalem ad. art. 116.
,7 ) Vgl. die weiter unten Anm. 66 u. 67 cit. Schriftsteller.
5 \) Dieselbe wird leider auch noch von Manchen geteilt,
denen das Urningtum völlig fremd ist.
&!> ) Cella: Ueber Verbrechen und Strafe in Unzuchtfällen
S. 66.
"°) Diese Auffassang bringt auch Diderot in seinem bekannten
lesbischen Roman „La Religieuse" zum Ausdruck.
,u ) Beccaria: (deutsch. Uebers.) Verbrechen u. Strafe, Bres-
lau 1788. S. 157.
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— 122 —
Der Grund der Bestrafung wird aber nicht mehr,
wenigstens nicht mehr ausschliesslich in der Immoralität
der Haudlung als solchen gesehen, ja man fängt sogar
an die Berechtigung der Strafe zu leugnen.
Als Grund der Strafe wird von Einigen die durch
den gleichgeschlechtlichen Verkehr dem Staate drohende
Schädigung angeführt: Die betreffenden Handlungen be-
kundeten Verachtung der Ehe, welche Entvölkerung)
Schwächung nnd zuletzt Auflösung des Staates zur Folge
haben musste, sowie körperliche und geistige Entner-
vung, welche den Thäter für die Zwecke des Staates un-
fähig mache". (Feuerbach) °-)
Nach Andern „Hesse sich Niemand einreden, dass
Entvölkerung oder Schwächung oder gar Auflösung des
Staates als Folge der w. U. zu befürchten sei, vielmehr
begründe die durch die Sodomia bewiesene Verworfen-
heit des Charakters die Besorgnis, dass der Thäter die
Fähigkeit zum tüchtigen Staatsbürger verliere," deshalb
werde gestraft. (Cella.j 04 )
Andere gehen weiter und erkennen au, nicht nur, dass
der religiös-sittliche Gesichtspunkt des Mittelalters nicht
mehr massgebend sein könne, sondern dass überhaupt ein
Grund zu bestrafen, nicht existiere. Sie verlangen des-
halb Straflosigkeit der widernatürlichen U. Durch die
Sodomie werde Niemandes Recht verletzt. „Die Hand-
lung sei Unflath, Schmutz, Unanständigkeit, aber kein
Verbrechen, weil sie Niemanden das Seinige entziehe
und nicht aus betrügerischem, bösen Herzen entspringe,
noch die Gesellschaft zerrütte." (Voltaire). 64 ).
*'-) Fenecbach : Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland gütigen
peinlichen Hechts, herausg. von Mittermaier. Gicssen 1847 § 468.
• 3 ) Ob. cit. Anm. 69.
•*) In seinen Anmerkungen zu Beccarias oben Anmerk. 61
citierten Buche.
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— i-js —
Nicht Strafe sei am Platz, sondern Beseitigung der
Ursachen, Besserung und Erziehung" (Beccaria). "'"')
,Es sei besser von solclien Handlungen gar keine
Kenntnis zu nehmen, als durch die gerichtliche Unter-
suchung erst Skandal und Aergernis zu erregen, am besten
beuge man dem Laster vor durch Erziehung und Be-
günstigung der Ehe. (Tittmann.) 65 )
Ein Schriftsteller des 18. Jahrhunderts (Eschenbach) 67 )
scheint sogar zu fühlen, dass überhaupt die Auffassung der
widernatürlichen Unzucht als einer aus Verworfenheit und
Lasterfestigkeit begangenen Handlung unrichtig ist, denn
aus der Unanwendbarkeit des auf ganz irrtümlichen An-
schauungen beruhenden Gesetzes gegen die Zauberei
leitet er ein Argument für die Straflosigkeit oder
wenigstens für die mildere Bestrafung der widernatürlichen
Unzucht trotz bestehenden strengeren Gesetzes her.
Unter dem Einfluss dieser Theorie wird auch die
Praxis immer milder.
Im 18. Jahrhundert wird auf Todesstrafe überhaupt
nur noch bei Unzucht zwischen Mensch und Tier erkannt,
dagegen nur höchst selten oder überhaupt nicht mehr
bei Unzucht zwischen Menschen. Anfangs des V.K Jahr-
hunderts kommt auch im Geltungsgebiete des gemeinen
Rechts die Todesstrafe bei widernatürlicher Unzucht gänz-
lich in Wegfall.
Wegen gleichgeschlechtlichem Verkehr wird schon
im 18. Jahrhundert nur zu öffentlichen Arbeiten von
0 — 10 Jahren, — je nach der Schwere — verurteilt,
später — jedenfalls in gewissen Gegenden — auch in
schweren Fällen nur bis höchstens 1 Jahr Zuchthaus. ,lrt )
•*) S. Anm. 61.
"*') Tittinann: Handbuch der Strafrechtswissenschaft und der
deutschen Strafgesetzkunde II. Balle 1823 § 590.
* 7 ) Vgl. Quistorp: Grundsätze dos deutschen peinlichen Recht«
mit Anmerkungen von Klein 1812 Bd. II. § 496 flgd.
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— 12 r —
Zugleich werden weitgehende Milderungsgründe be-
rücksichtigt, wie z. B. Jugend, ernstliche Reue, heftiger
Grad der Leidenschaft, Einfalt, Unwissenheit.
In besonders leichten Fällen begnügte man sich nur
einige wenige "Wochen Gefängnis und massige Geldbussen
zu verhängen. (Demnach teilweise eine mildere Praxis
wie die heutige in Deutschland, s. w. u.)
Ferner wird aber überhaupt am Ende des 18. und
Anfangs des 19. Jahrhunderts nur eingeschritten, wenn
öffentliches Aergernis erregt worden ist, d. h. aber, es muss
nicht durch die öffentliche Vornahme der Handlung
Aergernis gegeben worden sein, sondern es wird jedesmal
verfolgt, wenn durch das Bekanntwerden der That bei einem
grösseren Personen kreis öffentliches Aufsehen entsteht. 6 s )
5. Gesetzbücher des 17. und 18. Jahrhunderts.
Die Gesetzbücher, welche nach der Carolina im 17-
und 18. Jahrhundert erlassen worden, stehen auf dem
gleichen Standpunkt wie die Carolina.
a Das L a n d r e c h t des Herzogtums P r e u s s en
von 1620 und das verbesserte Landrecht Friedrich
Wilhelms, Königs von Preussen von 1721 bestrafen mit
Feuertod, „Unkeuschheit wider die Natuv ; , wie sich
ersteres ausdrückt, 69 )
* , ' , ) Grolmann: Grundriss des Kriminalruchts. 397,398,
400. Quistorp: Grundsätze des deutschen peinlichen Rechts II.
§ 496 tfgd. mit Anmerkungen von Klein. 1812. Kapp ler: Hand-
buch der Litteratur des Kriminalrechts. Stuttgart 1838. Tittmann:
Ob. cit. in Anm. 66.
B ") P. VI. art. V: Joweil göttlichon und weltlichen Rechtens
nach die unnatürliche sodomistischo Unkeuschheit dio grössto und
abscheulichste unter Allen ist: Also setzen, ordnen und wollen wir
hiermit ernstlich gebietend, dnss alle Unkeuschheit so wider die Natur
und sonst in was Weise es immer geschehen kann und für züchtige
Ohren nicht zu erzählen gebühret, begangen wird, unnachlässlich mit
dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet werdon soll.
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— 125 —
,,sodomistische Unkeuschheit", wie letzteres den strafbaren
Thatbestand definiert. T ")
b Die peinliche Landgerichtsordnung von
Ferdinand III. für Niederösterreich von lüT)(>
(sog. Ferdinandea) und die bezüglich der Bestrafung der
Sodoniia fast gleich lautende Constitutio criminalis
Theresiana für die Österreich^ sehen Erblande vom
31. Dezember 1768, sog. Theresiana, drohen „dem
Knabenschänder oder da sonst ein Mensch mit dem
anderen sodomistische Sünde getrieben hätte" Enthaupt-
ung und sodann Verbrennen des Leibes samt Kopf.
Nur die Bestialität wird wenigstens nach der Ferdinandea
mit dem Feuertod bestraft.
Die Ferdinandea und Theresiana sehen aber aus-
drücklich mildere Strafe beim Vorhandensein von Milde-
rungsgründen vor und haben offenbar nur für vollendete
wirkliche Schändung (immissio penis u. emmissio seminis)
die Todesstrafe im Auge gehabt. Als Milderungsgründe
werden angeführt: Jugend, Unverstand, ernstliche Heue,
blosser Versuch, die Theresiana erwähnt auch ausdrücklich
den Mangel der emissio seminis.
In diesen Fällen soll bezüglich der Strafe nach der
Ferdinandea der Rat der Sachverständigen eingeholt
werden; die Theresiana drückt sich dahin aus, dass die
Feuerstrafe in Schwertstrafe oder letztere in eine ange-
messene Leibesstrafe verringert werde.
"«) P. III. Bach VI. Titel VII. Art. VII: Eb wäre zu wünschen
dass man von solcher unnatürlichen sodomistischen Unkeuschheit
gar nichts wusste. Nachdem aber leider die Erfahrung mehr als
zuviel bezeugt, dass sothanc sodomistisches Wesen auch heute zu
Tage bei den Christen, davon doch die unvernünftigen Heiden den
grössten Abscheu getragen haben, sehr eingerissen, so setzen und
wollen wir hiermit ernstlich gebietend, dass die Unkeuschheit wider
die Natur, welche für züchtige Ohren nicht zu erzählen gebühret,
durch Verbrennung des Verbrechers durch das Feuer, auch in ge-
wissen Fällen sonst an Leib und Leben bestraft werden soll.
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— 120 -
c I n Sachse n hatten die K o u s t i t u t i o n en d c s C h u r-
fürsten August vom Jahre 1572 und zwar die 5. der
sog. sonderlichen Konstitutionen nur den Fall der Unzucht
mit einem Leichnam einer Frau erwähnt und mit dem Tod
durch das Schwert bedroht. Die übrigen Fälle wurden daher
nach der Carolina geahndet. Die geheime Bescheidung
vom 27. Mai 1783 zählt dann ausdrücklich das Delikt
der wahren Sodomie (also immissio in anum) zu den
Verbrechen, welche die Todesstrafe nach sich ziehen.
Die Praxis in Sachsen scheint aber schon damals auch
völlig vollendete Akte von Päderastie ungern mit dem
Tode be traft zu haben und scheint die in der erwähnten
Bescheidung euthalteue Bestimmung, dass Ehebruch und
andere geringere fleischliche Vergehen nur mit Zucht-
hausstrafe bis zu 4 Jahren zu belegen seien, auch auf
die Päderastie angewandt zu haben.
Der von der Regierung eingeforderte Bericht der
Fakultäten vom Jahre 1783 sagt dann allerdings wieder,
dass auch die Sodomie, wenn sie in genügsame Gewiss-
heit gesetzt werden könnte, mit dem Tode zu bestrafen
sei; ebenso betont der Befehl von 1798, dass die In-
struktion von 1783 nicht beabsichtigt habe, die Todes-
strafe bei denjenigen Verbrechen, wo die Gesetze sie
aussprächen (also auch bei der Päderastie) abzuschaffen.
Trotz alledem scheint auch in Sachsen die Praxis
nicht mehr auf die Todesstrafe erkannt zu haben. 71 )
d Auch der Codex juris criminalis Bavarici
vom 7. Oktober 1751 hat noch die alte Strenge in der
Bestrafung der widernatürlichen Unzucht beibehalten.
Im Kapitel VI ist bestimmt in (§ 10: Fleischliche
Vermischung mit dem Vieh, toten Körpern oder Leuten
einerlei Geschlechts, als Mann mit Mann, Weib mit Weib
*') W&ckter: Abhandlungen aus dem Strafrocht, Bi I
Leipzig 1835, S. 159, 160, 176.
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— 127 —
werden nach vorgäugiger Enthauptung, durch das Feuer
gestraft und soll das Vieh, 72 ) womit die abscheuliche
That geschehen ist, nicht so viel zur Straf, als Ausrottung
des schändlichen Gedächtnisses und Aergernisses auf dem
Scheiterhaufen mitverbrannt, sofort die Asche in das
Wasser geworfen werden."
In § 11. „ Andere widernatürliche Unkeuschheiten
werden richterlicher Willkür nach höchstens mit der
Delegation und dem Staubbesen gestraft."
Dieses Gesetzbuch unterscheidet demnach ebenfalls
zwischen fleischlicher Vermischung also wohl eigentlicher
Päderastie und sonstigen unzüchtigen z. B. beischlaf-
ähnlichen Handlungen.
e Das Gesetzbuch des Königs Christian von
Dänemark von 1083 straft in seinem 6. Buch 13. Kap.
Art. 15 diewidernatürliche Unzucht ebenfalls noch mit dem
Feuertod. 7:l )
Die mildere Auffassung über die Bestrafung der wider-
natürlichen Unzucht geht am Ende des 18. Jahrhunderts
nunmehr auch in die neuen Gesetzbücher über.
f Das Gesetzbuch von Joseph TL von Oester-
reich von 1787 sieht den Grund der Bestrafung nicht mehr
in der Verworfenheit des Thäters; wenn es auch noch von
einer Herabwürdigung des Menschen durch solche Hand-
lungen redet, so ist doch der mittelalterliche Gesichtspunkt
einer wegen Immoralität strafwürdigen Handlung verlassen.
Die widernatürliche Unzucht wird vielmehr nur als
politisches Verbrechen bestraft, also offenbar nur wegen der
dem Staate angeblich drohen denSchädigung, sowie der durch
Bekanntwerden der That entstehenden öffentlichen Aerger-
nisserregung.
~~) Anm. Dieselbe Bestimmung bezüglich des Viehes hatten
schon die Ferdinandca und Thvresiana getroffen.
~'* i Wie uns privatim von Professor Getz mitgeteilt wird.
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— 128 —
Von Todesstrafe ist keine Rede mehr. Wurde öffent-
liches Aergerniss erregt, so ist die Strafe: Züchtigung mit
Streichen und zeitliche öffentliche Arbeit, Ist das Ver-
brechen nur wenig bekannt geworden, so tritt die Strafe
des zeitlichen, strengen Gefängnisses ein, welche durch
Fasten und Züchtigen mit Streichen zu verschärfen ist.
Ferner soll der Thäter von dem Ort, wo das öffentliche
Aergernis gegeben wurde, entfernt werden. ($ 72.)
Das Josefinische Gesetzbuch ist das erste und wohl
auch das Einzige — welches ohne Rücksicht auf das
Geschlecht die gewerbsmässige Unzucht bestraft. 74 )
g Auch das preussische allgemeine Landrecht
von 1794 hat gegen widernatürliche Unzucht keine Todes-
strafe mehr festgesetzt.
Art. 1096 bedroht vielmehr: „Sodomiterei und andere
dergleichen unnatürliche Sünden, welche wegen ihrer Ab-
seheulichkeit hier gar nicht genannt werden können" mit
ein oder mehrjährigem Zuchthaus, Abschied und Ver-
bannung des Bestraften aus dem Ort, wo die Handlung
bekannt geworden.
6. Spanien und Frankreich.
Nicht nur in den germanischen Ländern, sondern
auch bei den romanischen Völkern wurde der mann-
männliche Geschlechtsverkehr während des Mittelalters
streng bestraft.
In Spanien ahndete ihn das von der lex Wisigothorum
'*) Anm. § 76. Jedermann, er sei Mann oder Weib, der mit
seinem Körper Gewerbe treibt und mit Unzucht sieb Verdienst schafft
ist ein politischer Verbrecher.
§ 76. Der Schuldige ist das erste Mal mit zeitlichem strengen
Gefängnis zu belegen- Bei öfterer Wiederholung ist die Strafe zu
verdoppeln und mit Fasten und Streichen zu verschärfen, wenn
Minderjährige verfuhrt sind.
Ist der Schuldige ein Fremder, so ist er aus den Erblanden ab-
zuschaffen.
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— 12D
bceinflusste sog. Fuero Juzgo für Cordoba von Ferdi-
nand III. von Kastilien aus dem Jahre 1229 mit Kastration.
Entmannung neben Hängen ordnete ferner für dieses
Delikt das sog. Fuero Real von Alphons X. aus dem
Jahre 1255 an.
In Frankreich 76 ) wurden in der ältesten Zeit die Pa-
derasten kastriert gemäss der lex Wisigothorum (1. 8 de
incestis lib. 3).
Die gleiche Strafe für das selbe Delikt kennt die
Sorarae rurale de Jean Bouteiller aus dem Jahre 1479.
Nach Bouteiller soll derjenige, welcher dieses Ver-
brechens zum ersten Mal überführt ist, die Testikel ein-
büsscn, das zweite Mal die natürlichen Teile und das
dritte Mal soll er lebendig verbrannt werden. (Somme
Rurale de Bouteiller liv 2 tat. 4 ) p. 870.)
Zur Zeit der Karolinger galt dann auch in Frank-
reich das oben in Anm. 48 mitgeteilte Kapitular.
Die sog. Etablissements de St. Louis aus dem Jahre
1270 (part. I ch. 85) sprechen ebenfalls den Feuertod
gegen die Päderastie aus.
Die gleiche Strafe verordnet dann auch die Coutume
de Bretagne in ihrem Art. t>3. 4 t.
Die Schriftsteller des 18. Jahrhunderts: Jousse, Rat
am Präsidial d'Orleans, '*) und Muyart de Vouglaus 7T )
stellen fest, dass die Todesstrafe noch zu ihrer Zeit gegen
Päderasten angewandt wurde.
Nach Jousse sei die Strafe thatsächlich noch das
„lebendig Verbrannt werden* sowohl des aktiven als des
passiven Teiles; manchmal habe man jedoch zuerst zum
7Ä ) Die Mitteilungen über Frankreich für die Zeit des Mittel-
alters verdanken wir Herrn Dr. Norel, charg£ de Conferences an der
Universität zu Paris.
7Ö ) Jousse: Traite* de la justice criminelle en France tom. IV
p. 119. Paris 1771.
") Muyart de Vouglans : TraUe* des lois criminelles de la
France p. 243. Paris 1780.
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 9
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— 130 —
Tode und erst dann zum Feuer verurteilt (d. h. wohl, das«
erst der Leichnam des auf andere Weise als durch das
Feuer Hingerichteten verbrannt wurde). Oftmals habe
man sogar die Prozessakten verbrannt, damit keine Spur
des Verbrechens übrig bleibe. Jousse führt eine Reihe
von Urteilen an, welche auf den Feuertod erkannt haben,
nämlich aus den Jahren 1519, 1557, 1584, 1598, 1671,
1*577, 1726, 1759.
Aus dem „curiosite"s judiciaires" von Varöe (citirt
in Krafft-Ebings Denkschrift „Der Konträrsexuale vor
dem Strafrichter *, S. 121) ergiebt sich, dass noch wenige
Jahre vor der französischen Revolution ein Kapuziner,
Namens Pascal in Paris, wegen Päderastie hingerichtet wurde.
Auch Voltaire berichtet in seinem dictionnaire
philosophique unter „Amour soeratique" Anm. 6, dass zu
seiner Zeit ein gewisser Deschaufours wegen mannmänn-
lichen Geschlechtsverkehrcs verbrannt wurde. Voltaire
missbilligt selbstverständlich eine derartige Strafe und
bemerkt, es sei sehr schön, die Strafe auf Grund der
„Etablissements" von St. Louis rechtfertigen zu wollen,
aber es gäbe in Allem ein Maas, man müsse doch die
Strafe nach dem Delikt bemessen, er fügt dann ironisch
hinzu, „was würden zu einer derartigten Strafe die be-
rühmten Päderasten, ein Caesar, ein Alcibiades, ein Hein-
rich III. und so viele Andere gesagt haben."
Bestraft wurde übrigens nicht nur der Geschlechts-
verkehr zwischen Männern, sondern auch zwischen Frauen, ja
sogar die unatürliche Verbindung zwischen Mann und Weib.
Auch in Frankreich neigte man dazu, die Todes-
strafe nur beim vollendeten Delikt, nicht schon beim
blossen Versuch auszusprechen.
Minderjährige über 18 Jahre und Geistliche trat die
gleiche Strafe wie jeden andern Thäter, wenn sie der
Päderastie überführt wurden.
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III.
Das 19. Jahrhundert.
1. Nicht mehr in Geltung- befindliche Gesetze.
Der Standpunkt der Aufklärungszeit, dass die blosse
Unsittlichkeit einer Handlung eine Strafe nicht recht-
fertige und Feuerbachs Auffassung von dem Erfordernis
einer Rechtsverletzung als Strafvoraussetzung führen da-
hin, dass das bayrische Strafgesetzbuch von 1813 die
widernatürliche Unzucht straflos lässt. In den Motiven
ist gesagt:
„So lange der Mensch durch unzüchtige Handlungen
nur die Gebote der Moral überschreitet, ohne eines An-
deren Recht zu verletzen, ist im gegenwärtigen Gesetze
über dieselben nicht bestimmt worden."
Fast demselben Beispiel folgt das St.-G.-ß. für Braun-
schweig von 1840. § 195 bestraft Unzucht wider die
Natur nur auf Antrag eines Beteiligten. Thatsächlich
waren damit nur die mit einein Minderjährigen oder die
gewaltsam vorgenommenen Handlungen getroffen; denn
nur in diesen Fällen konnte es in Wirklichkeit zu einem
Strafantrag kommen, sei es seitens des Gewalthabers des
Minderjährigen, sei es seitens des Vergewaltigten. Bei
einer nicht öffentlich, in gegenseitiger Einwilligung, unter
Grossjährigen begangenen That ist der Antrag eines Be-
teiligten nicht denkbar.
Auch die Gesetzbücher von "Württemberg von 1839
und Hannover von 1840 wollen die widernatürliche Un-
9*
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— li-2 — -
zucht an und für sich nicht bestrafen, sondern Hauuover
nur „wenn sie unter Umständen begangen ist, welche
öffentliches Aergernis erre gen oder mit Grund besorgen
lassen" Württemberg nur „im Falle eines dadurch erreg-
ten öffentlichen Aergernisses oder auf Klage des Be-
teiligten hin.*
Die Praxis in Hannover legte das Gesetz dahin aus,
dass nicht etwa nur dann Strafe einzutreten habe, wenn
durch eine öffentlich vorgenommene oder direkt wahr-
genommene Handlung bei einem dritten Aergernis erregt
worden, vielmehr schon dann, wenn durch Ruchbarwerden
der That Aergernis entstanden sei.
Hierbei scheinen die Behörden soweit gegangen zu
sein, dass sie eine noch gar nicht bei mehreren Personen
ruchbar gewordene, vielleicht nur dem Denunzianten be-
kannte Handlung verfolgten, erst durch die Annahme
der Anzeige und eingeleitete Untersuchung die Erregung
des Aenrernisses erzeugten und auf Grund der durch die
angestellten Ermittelungen geschaffenen Verbreitung der
Kenntnis von der That das Moment der Aergerniserregung
für gegeben erachteten. 7S J
In Wirklichkeit war somit das Resultat ungefähr das
Gleiche, als wenn die widernatürliche Unzucht an und für
sich für strafbar erklärt worden wäre, und thatsächlich
war der Rechtszustand der gleiche wie im 18. Jahr-
hundert in der gemeinrechtlichen Praxis, wo auch nur
verfolgt worden war bei Ruchbarwerden der That,
In Württemberg dagegen nahm man an, dass öffent-
liches Aergernis nur vorliege, wenn dasselbe während
oder durch die Handlung entstand, nicht etwa schon
wenn die Kunde weiter verbreitet wurde. 7 ") Jedoch
Ulrich: Ära spei. S. XI— XIII.
'") Mittermaier in seinen Anmerkungen zu Feuerbach, Lehr-
bach Anna. 4 zn £ 467, ob. cit. in Anm. 62.
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— 133 —
seh wankten manche Gerichte und neigten zur strengeren
Auslegung.
Was die andere Möglichkeit einer Verfolgung nach
dem St.-G.-B. von Württemberg anbelangt, nämlich bei
vorhandener Klage des Beleidigten, so wird regelmässig
doch nur eine wider Willen missbrauchte Person be-
leidigt sein und Klage erheben, diese Klage demnach in
Wirklichkeit nur Voraussetzung für die Bestrafung der
gewaltsam verübten Handlung gewesen sein.
Das St.-G.-B. für das Grossherzogtum Baden von 1845
hat zwar eine Strafbestinimung gegen die widernatüliche
Unzucht als solche aufgenommen; in den Motiven ist
aber ausdrücklich gesagt, dass „nach dem Geiste des Ge-
setzes das gerichtliche Einschreiten durch die Voraus-
setzung bedingt sei, dass durch die Begehung der That
oder ihre Folgen ein Aergernis entstanden, also die Kunde
davon bereits in das Publikum gedrungen sei, weil sonst
das Uebel, dem man entgegenwirken wolle — die Ent-
stehung öffentlichen Aergernisses — wohl durch die ge-
richtliche Handlung selbst hervorgerufen würde." KO )
Die übrigen im 19. Jahrhundert erlassenen Straf-
gesetzbücher der einzelnen deutschen Staaten bestrafen
die widernatürliche Unzucht an und für sich, nämlich
die Strafgesetzbücher von:
Oldenburg . . . aus dem Jahre 1814 in Art. 424
Herzogtum Sachsen „ „ „ 1838 „ „ 308
Hessen .... „ 1841 „ „ 338
Nassau ....„„ „ 1849 „ „ 331
Thüringische Staaten .. „ . 1850—52 „ „ 303
Königreich Sachsen „ „ „ 1838 B „ 308
Sachsen , „ „ 1855 „ „ 357
Preussen „ „ „ 1851 „ £ 143
Hamburg . . . „ „ „ 1869 in Art. Iö3
fc °) Z. vgl. Häbcrlin: (Jrundsalzc des Kriminalreolils nach
<lon neuen deutschen Strafgesetzbüchern. Leipzig 1845 Bd. U. § 135.
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I) Die meisten dieser Strafgesetzbücher 81 ) sprechen
ganz allgemein von „Naturwidriger Befriedigung des Ge-
schlechtstriebes". (Oldenburg.)
„Widernatürlicher Befriedigung des Geschlechts-
triebes". (Herzogt. Sachsen und Königr. Sachsen von 1838.)
„Sich schuldig machen der widernatürlichen Unzucht u
(Württemberg, Hessen, Nassau), „oder wegen widernatür-
licher Unzucht soll bestraft werden". (Baden.)
„Sich schuldig machen der widernatürlichen Woll-
lust". (Hannover.)
„Unzucht wider die Natur". (Braunschweig, Ham-
burg.)
H) Eine genauere Spezialisierung enthalten die Straf-
gesetzbücher:
1. der Thüringischen Staaten: Art. 303 unterscheidet
widernatürliche Befriedigung mit einer andern Person,
einer Leiche oder einem Tier;
2. das Königreich Sachsen aus dem Jahre 1855:
nach Art. 357 wird bestraft, wer sich der widernatür-
lichen Unzucht mit einem Menschen oder Tier schuldig
macht oder sich zu derselben von einem Andern ge-
brauchen lässt;
3. des Königreichs Preussen: wonach die wider-
natürliche Unzucht zwischen Personen männlichen Ge-
schlechts und zwischen Menschen und Tieren mit Strafe
bedroht ist.
Die Strafen sind folgende:
In dem Herzogtum Sachsen und den beiden Gesetz-
büchern des Königreichs Sachsen Gefängnis bis 1 Jahr.
Desgleichen in den Thüringischen Staaten, wo jedoch
Schärfung nach Ermessen des Kichters möglich war,
nämlich mittels Dunkelarrestes und harten Lagers.
H| ) Stengloin: Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher 1857.
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In Oldenburg: Gefängnis von 1 Monat bis 1 Jahr,
alternativ mit körperlicher Züchtigung, auch soll der
Schuldige nach Verbüssung der Strafe von dem Ort, wo
er das böse Beispiel gegeben, entfernt werden. Bei Rück-
fall Arbeitshaus von 1 — 4 Jahren.
In Braunschweig: Zwangsarbeit bis 1 Jahr.
Ein höheres Strafmaximum (auch abgesehen vom
Rückfall) enthalten:
Hamburg: Freiheitsstrafe bis 2 Jahre.
Baden und Württemberg: Arbeitshaus von 6 Monaten
bis 2 Jahr.
Hannover: Geschärftes Arbeitshaus nicht unter 6 Monate
oder Zuchthaus.
Hessen und Nassau: Korrektionshaus bis 3 oder Zucht-
haus bis 5 Jahre.
Preussen: Gefängnis von 6 Monaten bis 4 Jahren und
Möglichkeit der Aberkennung der bürgerlichen Ehren-
rechte.
Keines von allen diesen Strafgesetzbüchern hat näher
den Begriff der zu bestrafenden Unzucht definiert.
Jedenfalls wird emissio seminis zur Vollendung des
Thatbestandes nicht mehr für erforderlich erachtet. 82 )
Die Motive des Strafgesetzbuches für Württemberg
erklären die That durch die körperliche Vereinigung
oder die skandalöse Manupulationen für vollendet. 83 )
Aus den letzten Worten geht wohl hervor, dass sie zur
strafbaren widernatürlichen Unzucht nicht bloss immissio
penis in anum, sondern auch sonstige unzüchtige Hand-
ungen z. B. gegenseitige Manustupration rechnen.
Eine ähnliche Auffassung scheint im Königreich
Sachsen geherrscht zu haben. 84 ) Die Praxis in Preussen
* 2 ) Vgl. Häberlin ob cit. in Anm. 80.
83 ) Hufnagel: Com. II S. 280, 963, III S. 365.
* 4 ) Krug: Commentar zum St.-G.-B. von 1855 zu Art. 357
An. 3
130 —
nahm dagegen mit Recht an — gestützt auf den Gegen-
satz von widernatürlicher Unzucht und unzüchtigen Hand-
lungen im Gesetz selber sowie auf die zwischen beiden
Begriffen unterscheidende gemeinrechtliche Praxis — , dass
unter widernatürlicher Unzucht nicht alle unzüchtigen
widernatürlichen Handlungen zu verstehen seien.
Diese Auffassung ist zweifellos richtig und diese
Gründe zwingen zur Annahme, dass der Gesetzgeber nur
die eigentliche Päderastie, immissio penis in auum, habe
bestrafen wollen.
Trotzdem war die preussische Praxis inconsequent
und wandte das Gesetz auf immissio penis in os an; die
gegenseitige Onanie liess sie allerdings straflos. 85 )
2. Die jetzt geltenden Gesetze.
A) D eutschland.
Das deutsche Strafgesetzbuch nahm den Wortlaut
des § 143 des preussischen Strafgesetzbuches in seinem
§ 175 auf und strafte die widernatürliche Unzucht mit
Gefängnis d. h. mit 1 Tag bis 5 Jahren, sowie facultativ
mit Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte.
Die Strömung zu Gunsten der Straflosigkeit der
widernatürlichen Unzucht hatte im Laufe des Ii). Jahr-
hundert immer mehr zugenommen und auch bei Beratung
des deutschen St.-G.-B. mit Entschiedenheit sich geltend
gemacht. Das von der Kommission eingeholte medi-
cinische Gutachten sprach sich ebenfalls gegen eine Be-
strafung aus, da die fraglichen Handlungen sich in nichts
von andern unzüchtigen, nirgends mit Strafe bedrohten
Akten unterschieden und weder für die Gesamtheit noch
den Einzelnen gefährlicher und schädlicher wie diese seien
**) Entsch. des Preussischen Obcrtribunals Bd. III S. 388 und
Bd. VIII S. 366.
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— 137 —
Trotz alledem stellte sich der Gesetzgeber auf den
Standpunkt des Mittelalters in der Beurteilung der wider-
natürlichen Unzucht. Mangels eines eigentlichen Straf-
grundes nimmt er aber seine Zuflucht zu dem unter Um-
ständen die Strafbarkeit einer jeglichen Handlung recht-
fertigenden Rechtsbewusstsein des Volkes, welches, „derlei
Handlungen nicht bloss als Laster, sondern als Ver-
brechen beurteile" und erklärt deshalb die widernatürliche
Unzucht für strafbar.
Die Praxis 86 ) geht in der Auslegung des Begritfes
widernatürlicher Unzucht noch weiter wie früher die
preussische.
Sie versteht unter widernatürlicher Unzucht nicht
bloss wie früher die preussische immissio penis in corpus
(also in anum vel in os) sondern alle sogenannten
beischlafähnlichen Handlungen, also namentlich auch
coitus inter femora; nur die gegenseitige Onanie schliesst
hie von dem Begriff der widernatürlichen Unzucht aus. 87 )
Eine eingehende Begründung seiner Ansicht hat das Reichs-
gericht bis jetzt nicht gegeben. Die Unnahbarkeit dieser
Theorie scheint uns auf der Hand zu liegen.
Denn unterscheidet man widernatürliche Unzucht
von sonstigen unzüchtigen widernatürlichen Handlungen
— wie dies das Reichsgericht thut und aus den schon
früher in Preussen anerkannten Gründen nicht anders
thun kann — so muss das Gesetz mit widernatürlicher
Unzucht nur die eigentliche Päderastie, immissio penis in
*») Entscb. d. R.-G. in Strafe. Bd. I S 196, Bd. II S 24*
Bd. IV. S. 212, Bd. XX S. 225, Bd. XXIII S. 289.
* 7 ) In der neuesten bekannt gewordenen Entscheidung über
den Gegenstand, welche der I Strafsenat am 8. Januar 1898 erlassen
hat, (mitgeteilt in Goldhammers Archiv, 46. Jahrgang, Heft 2)
legt das Reichsgericht den Begriff der beischlafahnlichen Handlung
soweit ans, dass es sogar „Bewegungen des entblössten Gliedes gegen
den Unterleib eines völlig Bekleidoten" als eine beischlaf-
ähnliche und domnach strafbare Handlung auffasst.
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— 138 —
finurn, gemeint haben. Dagegen ist es willkürlich nud
ohne jede Berechtigung von den unzüchtigen Handlungen
wieder eine Anzahl, die sogenannten beischlafähnlichen,
auszuscheiden und der immissio penis in anum gleich-
zustellen. Uebrigens empfindet auch das Rechtsbewusst-
sein des Volkes — auf das ja gerade die Strafe sich
stützt, — wohl in erster Linie, ja vielleicht sogar aus-
schliesslich nur die eigentliche Päderastie als straf-
würdiges Laster.
B. Die übrigen Staaten Europas.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war der gleich-
geschlechtliche Verkehr in sämtlichen Kulturländern
Europas strafbar, auch in denjenigen, in welchen er heute
straflos bleibt.
Dies gilt namentlich auch für Frankreich 00 ) und
Italien. 88 ) Heute dagegen wird nur in einer Anzahl der
europäischen Staaten die widernatürliche Unzucht noch
bestraft, in einer Reihe von Staaten dagegen nicht mehr.
Staaten, die strafen.
1. Schweiz: Die meisten Kantone haben Straf-
bestimmungen gegen widernatürliche Unzucht.
Widernatürliche Unzucht, Wollust, Unzucht wider
die Natur, widernatürliche Befriedigung des Geschlechts-
triebes (wie sich die einzelnen Gesetzbücher der Kantone
ausdrücken) bestrafen a) ohne nähere Beschränkung auf
Menschen oder Tiere: Aargau, Bern, Graubundcn, Zug;
b) wenn sie begangen wird zwischen Menschen oder
zwischen Menschen und Tieren : Obwalden, Luzern, Neuen-
burg, Schwyz, Appenzell. Das Gesetzbuch des letzteren
Kantons, welches besagt: »Wer seinen Geschlechtstrieb
durch unnatürliche körperliche Vereinigung befriedigt.
* ö ) Krafft-Ebiog : Der Konträrsexuale vor dem Strafrichter.
S. 12 Ende und S. 27. und bezüglich Frankreich oben Kap. II. N. 6.
— 139 —
macht sich der widernatürlichen Wollust schuldig", will
also offenbar nur immissio penis in corpus strafen;
c) wenn sie begangen wird zwischen Personen des
gleichen Geschlechts oder zwischen Menschen und Tieren:
Basel, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau;
d) wenn sie begangen wird zwischen Männern oder
zwischen Menschen und Tieren: Glarus.
Die Strafen sind in
Basel: Gefängnis,
Bern: Gefängnis bis zu 60 Tagen oder Korrektionshaus
bis zu 1 Jahr oder Geldbusse bis zu 500 Frcs.,
Neuenburg: Gefängnis bis zu 2 Jahr,
Solothurn: Einsperrung bis zu 2 Jahr,
Thurgau : Gefängnis oder Arbeitshaus bis zu 3 Jahren,
Aargau: nur Zuchtpolizeistrafen.
Strenger sind die Strafen in:
Appenzell: in schweren Fällen Zuchthaus bis zu 2 Jahren,
sonst Geldbusse und Gefängnis,
Freiburg: Korrektionshaus von 2 — u* Jahren,
Graubünden : Gefängnis oder Zuchthaus bis zu 2 Jahren,
Glarus: Arbeits- oder Zuchthaus bis zu 2 Jahren,
Obwalden: Zuchthaus bis zu 4 Jahren, bei schweren
Fällen Kettenstrafe bis zu 4 Jahren. Bei Rückfall
Erhöhung der Strafe um die Hälfte und Stellung
unter Polizeiaufsicht,
Luzern: Zuchthaus bis zu 5 Jahren, bei erschwerenden
Umständen bis zu 10 Jahren,
Schaffhausen : in leichten Fällen Gefängnis ersten Grades
nicht unter 3 Monaten, in schweren Fällen Zucht-
haus bis zu 0 Jahren,
Schwvz: Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren,
Zug: Zuchthaus oder Arbeitshaus.
In Graubünden, Freiburg und Neuenbürg tritt Ver-
folgung nur ein, wenn durch das Bekanntwerden der That
öffentliches Aergernis erregt wird, also unter denselben
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— 140 -
Voraussetzungen ungefähr wie früher in Hannover und
Württemberg bezw. auch in Baden.
(Art. 135 des Strafgesetzbuches für Graubünden
lautet: „Es soll nur verfolgt werden, wenn darüber ge-
klagt und öffentliches Aergernis dadurch gegeben wird.
Ist aber eine solche Handlung noch nicht ruchbar ge-
worden, so mag sich der Richter darauf beschränken,
bestmögliche Fürsorge zu treffen, um öffentliches Aerger-
nis und die Wiederholung einer solchen Handlung zu
verhüten." Die Behörden dürfen demnach nicht wie
früher in Hannover das Aergernis erst durch die Unter-
suchung erzeugen.)
'Art. 401 St.-G.-B. für Freiburg: „il nV aura lieu a
poursuivre d' offiice qu'en cas de scandale public* —
Art. 282 St.-G.-B. für Neuenburg: „La poursuite n'a lieu
que s'il y a scandale public ou sur plainte.")
Zürich hat keine spezielle Strafbestimmung gegen
widernatürliche Unzucht. Sie wird jedoch von den
Züricher Gerichten geahndet auf Grund des Art. 123,
welcher lautet: »Wer durch eine unzüchtige Handlung
öffentliches Aergernis erregt, wird mit Gefängnis verbunden
mit Busse, in schweren Fällen auch mit Arbeitshaus be-
straft." Trotzdem die namhaftesten Schriftsteller, gestützt
auf die geschichtliche Entwicklung des Gesetzes, diesen
Artikel nur auf öffentlich begangene Handlungen
bezogen wissen wollen, legen die Gerichte diesen Artikel
dahin aus, dass auch die nicht öffentlich verübte Hand-
lung strafbar sei, wenn durch ihr späteres Bekanntwerden
bei einer Anzahl von Personen Aergernis erregt wird.
Uebrigens wird nicht nur die widernatürliche Unzucht,
sondern die verschiedensten Unzuchtsakte auch zwischen
Mann und Weib auf Grund dieses Artikels verfolgt, 8 ")
Ml ) Z. vgl. der in der Zeitschrift für Schweizer Strafrcoht (von
Prof Stoos herausgegeben) Jahrgang 1897 mehrfach besprochene
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Hl
Keinerlei Strafandrohung enthalten ferner die Kantone :
Genf, Waadt, Wallis und Tessin.»")
II. 5 ") 1) Oesterreich: Das heute noch geltende
St.-G.-B. vom 27. Mai 1852 bestraft in § 129 mit schwerem
Kerker von 1 — 5 Jahren „Unzucht wider die Natur, das ist
a) mit Tieren, b) zwischen Personen desselben Geschlechts."
2) Un garn Straftin seinem St.-G.-B. vom 21. Juni l*8l>
nur widernatürliche Unzucht zwischen Männern und
zwischen Menschen und Tieren und zwar nur mit Ge-
fängnis bis zu 1 Jahr. Das ungarische St.-G.-B. hat auch
einen speziellen Paragraphen gegen die zwischen Brüdern
verübte widernatürliche Unzucht. Dieselbe ist jedoch
nur strafbar auf Antrag der Kltern." 2 )
III. In Norwegen (St.-G.-B. von 1812) ist wider-
natürliche Sünde zwischen Personen des nämlichen Ge-
schlechts und von Menschen mit Tieren,
IV. In Schweden (St,-G.-B. von 1864) widernatür-
iche Unzucht schlechtweg strafbar.
V. Dänemark: £ 177 des dänischen St.-G.-Bs. be-
straft widernatürliche Unzucht mit Verbesserungshaus-
arbeit von (5 Monate bis zu 6 Jahre. Nach dem Kom-
mentar von Goos zum dänischen St.-G.-B. ist unter wider-
Prozess gegen einen Arzt, der unzüchtige Handlungen mit einer
Klientin vorgenommen haben sollte und von allen Instanzen auf
Grund des Art. 123 verurteilt worden ist. Z. vgl. namentlich daa
gegen eine derartige Interpretation gerichtete Gutachten von Prof.
Lilienthal in demselben Jahrgang.
Die Schweizerischen Strafgesetzbücher zur Vergleichung zu-
sammengestellt und im Auftrage des Bundesrates herausgegeben von
Prof. Stoos. Basel und Genf 1890.
"') Uebcr die Gesetzesbestimmungen der europäischen Staaten
z. vgl. Liszt: Strafgesetzgebung der Gegenwart, Strafrecht der
Staaten Europas. Berlin 1894.
Gernerth: Verbrechen und Vergehen gegen Religion und
Sittlichkeit in Oesterreich-Ungarn in der Zeitschrift für gesamte
Strafrechtswissenschaft von Liszt, Bd. XI. S. 323.
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— 142 —
natürlicher Unzucht zu verstehen : Unzucht mit Tieren,
zwischen Männern, zwischen Mann und Frau, nicht aber
zwischen Frauen. 65 )
VI. Russland (Gesetz von 1885) droht für Sodomie
und widernatürliche Sünde Deportation nach Sibirien und
Entziehung aller Standesrechte an, bei gewaitthätiger Be-
gehung Katorga, d. h. Deportation mit Zwangsarbeit von
10—12 Jahren.
VII. England straft wohl am strengsten.
Es wird unterschieden 1) Buggery (widernatürliche
Unzucht) und zwar a) Sodomie (jedoch nur immissio
penis in anum damit gemeint, aber ohne Rücksicht, ob
zwischen Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts
begangen), b) Bestialität. Die Strafe ist gemäss einem
Gesetz von 1861 (dem sog. Offences against the Person Act)
lebenslängliches Zuchthaus bei vollendeter, Zuchthaus
bis zu 10 Jahren bei versuchter That;
2) blosse unzüchtige Handlungen zwischen Personen
männlichen Geschlechts (also z. B. beischlafähnliche
Handlungen oder gegenseitige Onanie). Strafen: Ge-
fängnis und Zwangsarbeit bis zu 2 Jahren. Beihilfe, An-
stiftung und Versuch sind mit gleicher Strafe bedroht." 4 )
In Irland gelten dieselben Straf bestimmungen wie
in England.
VIII. In Schottland war bis 1889 auf Grund noch
fortbestandenen mitteralterlichen Bestimmungen für wider-
natürliche Unzucht sogar noch die Todesstrafe in Gel-
tung. Ein Gesetz von 1887 hat dies geändert. Die wider-
natürliche Unzucht wird nur noch mit Zuchthaus oder Ge-
fängnis bestraft, aber im Gegensatz zum englischen Ge-
setz nur diejenige zwischen Männern sowie die Bestialität.
° 3 ) Die Angaben über Dänemark verdanken wir privaten Mit,
teilungen des Professors Getz.
°*) Auf Grund dieser Bestimmung wurde Oscar Wilde im
Sommer 1895 zom Maximum der Strafe verurteilt.
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— 143
Auch in Schottland wird Sodomie im eigentlichen
Sinne, d. h. also immissio penis in anum und sonstige un-
züchtige Handlungen zwischen Männern unterschieden;
letztere werden demnach offenbar mit gelinderen Straf ?n
geahndet.
IX. Bulgarien: Nach dem bulgarischen St.-G.-B.
von 1896 wird die widernatürliche Unzucht zwischen
Personen über 16 Jahren, sowie die Bestialität mit
6 Monate bis 3 Jahre Gefängnis betraft.« 5 )
X. Von den aussereuropäischen zivilisierten Staaten
sei noch New-York erwähnt. § 303 des Strafgesetzbuches
von 1881 besagt: „Wer das scheussliche und verabscheu-
ungswerte Verbrechen wider die Natur sei es mit Menschen
oder mit Tieren begeht oder fleischliche Vereinigung
mit einem toten Körper versucht, ist mit Einsperrung
von 5 — 10 Jahren zu bestrafen." § 304 erklärt dann des
Näheren: „Jedes, wenn auch noch so geringes Eindringen
in die Geschlechtsteile genügt, um das in dem vorher-
gehenden Paragraphen genannte Verbrechen zu begründen."
Bei Unzucht zwischen Männern kann somit sinngemäss
nur Eindringen in anum gemeint sein. 96 )
Staaten, die nicht strafen.
In einer Reihe von Staaten sind die schon im 18. Jahr-
hundert gegen die Bestrafung der widernatürlichen Un-
zucht geltend gemachten Gründe durchgedrungen, insbe-
sondere wurde der Code penal Frankreichs vorbildlich,
welcher keine Strafbestimmung gegen widernatürliche
Unzucht aufnahm.
Diese Staaten sind ausser den schon erwähnten Schweizer
Cantonen von Genf, Waad, Wallis und Tessin die Länder:
9b ) Die Angaben über Balgarien verdanken wir den privaten
Mitteilungen des Herrn Dr. Katsaroff, Rat am Apellhof zu Sofia.
• Ä ) Das St.-G.-B. ist in deutscher Uebersetzung publiziert in
der Zeitschrift für gesamte Strafrechtswissenschaft von Liszt, Bd. IV.
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— H4 —
Belgien, Frankreich, Holland, 07 ) Italien,"*) Luxemburg,
Monaco, Portucal, Spanien. Selbstverständlich auch die
Türkei, von aussereuropäischen sei genannt Mexico. 07 )
Im Wesentlichen nur unter folgenden Umständen
kann in diesen Ländern der gleichgeschlechtliche Ver-
kehr, ebenso wie der normale, vor den Kichter gezogen
werden.
Wenn er vorgenommen wird:
1) öffentlich. Alle die erwähnten Staate bestraten
die öffentliche Vornahme, keiner jedoch die Erregung
öffentlichen Aergernisses infolge Ruchbarwerdens einer
nicht öffentlich begangeneu unzüchtigen Handlung.
In Holland wird neben der öffentlichen Begehung
auch die unzüchtige Handlung bestraft, bei welcher ein
Dritter wider seinen Willen zugegen war.
Obgleich eine derartige Bestimmung in Frankreich
nicht besteht, so fasst doch der Kassationshof jede in
Gegenwart eines nicht einwilligenden Dritten vorgenommene
unzüchtige Handlung als outrage public a la pudeur
?.uf. M )
2) gewaltsam. (Nur Portugal spricht bei der ge-
waltsamen Vornahme unzüchtiger Handlungen lediglich
von Frauen.)
*') Die Strafgesetzbücher von Holland aus dem Jabre 1881
und von Italien aas dem Jahre 1889 sind publicirt in der Lisztschen
Zeitschrift Bd. I und X. Das von Mexico von 1871 in Bd. XIV.
ps ) In Laienkreisen ist vielfach der Irrthum verbreitet, als ob
nach dem italienischen Strafgesetzbuch für das Heer und die Marino
die widernatürliche Unzucht strafbar wäre, wenn von Militärpersonen
begangen. Dies ist unrichtig, wie ich aus privaten Mitteilungen
eines Juristen aus Italien erfahre. Sie ist nur während des Kriegs-
zustandes gegenüber Militärpersonen strafbar. In Friedenszeiten
kann höchstens eine diseiplinarische Ahndung in Betracht kommen,
und zwar höchstens eine Arreststrafe bis 45 Tage.
"*) Dalloz; Räp. Bd. V attentat aux moeurs und RepSnppl.
Bd. I N. 8 u. flgd.
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— 145 —
3) a) mit Kindern. Die Altersgrenze ist 11 Jahre
in der Türkei; 12 Jahre in: Holland, Italien, Portugal,
Spanien, Waadt, 13 Jahre in Frankreich, 14 Jahre in Genf.
Belgien hat zwei Altersgrenzen: strengere Bestrafung
bis 15 Jahren, weniger strenge von 12 — 14 Jahren.
b) mit Jugendlichen über das Kindesalter hinaus.
Holland straft unzüchtige Handlungen mit Jugend-
lichen von 12 — 16 Jahren, Italien wirkliche Schändung
Personen dieses Alters ; beide Länder jedoch nur auf Antrag.
Frankreich schützt die Jugendlichen auf Grund art.
334, Code p£nal, wonach bestraft wird „quiconque aura
attente" aux moeurs, en excitant, favorisant ou facilitant
habituellemeut la diSbauche ou la corruption de Tun on
de Pautre sexe au dessous de 21 ans." Eine ähnliche Be-
stimmung hat Genf, ebenso Wallis, letzterer Kanton jedoch
ohne Altersgrenze überhaupt. Während Belgien, Holland
Italien, Portugal, Spanien nur die Begünstigung der Un-
zucht mit Minderjährigen an dem wirklichen Kuppler
strafen, und die Fassung des Gesetzes ausdrücklich nur
letzteren treffen will, hat der Kassationshof zu Paris den
allerdings ganz allgemein lautenden Artikel 334 dahin
ausgelegt, dass nicht bloss der Kuppler, sondern auch
derjenige, welcher ge wohn hei tsmässig Minderjährige zur
Unzucht verleitet, strafbar sei. ,w0 )
Eine gewohnheitsmässige Verleitung wird in Frank-
reich unter Umständen schon bei Vornahme mehrerer
Unzuchtsakte mit einem Minderjährigen angenommen,
namentlich wenn es sich um gleichgeschlechtlichen Ver-
kehr handelt.' 01 )
4) Gegen die männliche Prostitution wird nirgends
ausser in Paris eingeschritten. Auf Grund eines Gesetzes vom
lü0 ) Dallo«: Rep. Bd. V und Sappl, d. Rep. Bd. I attentat aux
moeurs N. 62 — 66.
Dalloz: Rep. Bd. V u. Suppl. d. Rep. Bd. I attentat aux
moeurs N. 64.
.Tain buch für homosexuell«- Forschungen. 10
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— Iii) —
1. Juli 1852, wonach obdachlose Individuen und solche,
die keine Existenzmittel haben, auf die Dauer von zwei
Jahren aus dem Seinedepartement ausgewiesen werden
können, weist die Pariser Polizei die gewerbsmässigen
Päderasten, welche keinen festen ehrlichen Erwerb nach-
weisen können, von Paris aus. 102 ) ,ws )
,ü '-) Carlier: Les dcux prost ltutions. Paris 1889. S. 472.
tü3 > In diesem Zusammenhang mag auch das Vorgehen des
Gouverneurs von Cadix erwähnt werden, welcher im Jahre 1898 alle
Manner von Cadix, die dem gleichgeschlechtlichen Verkehr ergebon
waren, sowie dio diesem Verkehr dienenden Unterschlupf häuser mit
einer besonderen Steuer belegte, wogegen dann die Betreffenden
keinerlei Belästigung seitens der Polizei zu befürchten hatten. Die
Enthüllungen des Publizisten Figneroa, durch welchen die Sache
ruchbar wurde, hatten die Abberufung des Gouverneurs und den
Sturz des Ministeriums Gamazo zur Folge. (Z. vgl. dio Zeitungen
\om November 1898.)
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IV.
Länder, die den gleichgeschlechtlichen Verkehr
mehr oder weniger anerkennen.
Während die bisher erwähnten Staaten, sei es nun,
dass sie die Päderastie bestrafen oder nicht, in der moralischen
Beurteilung derselben ziemlich übereinstimmen, 108 *)
finden wir sowohl im Laufe des Mittelalters als auch
noch in der Jetztzeit Völker, welche den gleichgeschlecht-
lichen Verkehr mehr oder weniger öffentlich dulden und
anerkennen.
Die weite Verbreitung der Päderastie in der Türkei
während des Mittelalters ist bekannt. Namentlich mit
Bajezid I. (1389 — 1403) soll die Knabenliebe in der
Türkei ziemlich offen an den Tag getreten sein. Die
Liebesgedichte türkischer Dichter an Jünglinge lassen
keinen Zweifel darüber, dass die Liebe zu Jünglingen
derjenigen zu Weibern gleichgestellt wurde. 104 )
Aehnliche Schlüsse für Persien gestatten die Ge-
dichte persischer Dichter, von welchen als der hervor-
ragendste Hafiz (1394) genannt sei. 104 )
Am meisten verbreitet soll die. Päderastie heutzutage
in China sein, wo die Liebhaber mit ihren Geliebten sich
ganz ungeniert öffentlich zeigen.' oft ) Trotzdem soll in
10S ») In den Ländern des Südens, insbesondere auch in Italien
gilt passive Päderastie bei weitem für schimpflieber als active.
lo4 ) Moll: Konträre Sexualempfindung, S. 80 und 81.
10r> ) Moll: Konträre Sexualempfindung, S. 89 und Ellis und
Symonds: Das konträre Goschlechtsgefühl, übersetzt von Kurella:
Bibliothek der Sorialwissenschaften, Leipzig 1896, Einleitung 8. 6
10*
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— 148 —
China gegen Päderastie vierwöchentliche Einsperrung und
100 Hiebe mit dem Bambusrohre als Strafe angedroht
sein. 106 )
In Madagaskar sollen sich Tänzer linden, die als
Weiber verkleidet sind und in jeder Hinsicht die Rolle
des Weibes übernehmen. 107 )
Von Japan berichtet Helvdtius, dass die Bonzen die
Männer, nicht aber die Frauen lieben dürften. 108 )
Derselbe teilt mit, dass in gewissen Gegenden von
Peru die Päderastie als eine zu Ehren der Götter vor-
genommene Handlung ausgeübt worden sei. 109 )
Unter deu Indianern giebt es Stämme, welche den
gleichgeschlechtlichen Verkehr zwischen Männern geradezu
anerkennen: Eine gewisse Kategorie von Männern legt
Weiberkleider an und sucht in Allem dem Weibe zu
ähneln ; sie leben mit Männern zusammen und geben sich
ihnen geschlechtlich hin. 109 )
Im alten Mexiko sollen sogar Ehen zwischen Männern
vorgekommen sein. 110 )
In Tahiti werden Liebesbündnisse zwischen Männern
die sogar verschiedenen und feindlichen Stämmen ange-
hören, geschlossen und von beiden Stämmen derart an-
erkannt, dass jeder vom Bunde das Gebiet des feindlichen
Stammes ohne Gefahr betreten darf. 111 )
Bei gewissen afrikanikanischen Stämmen, z. B. den
Balonda, finden förmliche Verlöbnisfeierlichkeiten unter
Kameraden statt, „indem die wechselseitige Einträufelung
von einigen Tropfen Blut in die Trinkgefässe, der
10 «) Ellis und Symonds, cit. in Anra. 105, S, 7.
lo7 ) Moll: Konträre Sexualempfindung, S. 40.
10H ) Oeuvres (V Heivötius II. 150.
lol> ) Ellis und Symonds, cit in Anm. 105, S. 7—9.
lt0 ) Moll, cit. in Anm. 101, S. 40.
in ) Carpontor: Die homogene Liebe, deutsch bei M. Spohr,
Leipzig erschienen, S. (i.
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— 149 —
Namensaustausch und die beiderseitige Bescheukung mit
den kostbarsten Besitztümern erfolgt." in )
Endlich giebt es in Europa einen Stamm, nämlich
die Albanesen, bei welchen Liebesbündnisse zwischen
Mann und Jüngling, ähnlich wie im alten Griechenland,
eine ideale Ausbildung erfahren und die Quelle erhabener
Gefühle und die Anspornung zu Tugend und Tüchtig-
keit werden. 11 ' 2 )
n ' 2 ) Hahn: Albancsische Studien. Jona 1854; und Ellia und
Symonds, cit. in Anm. 105, S. 5.
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V.
Lex ferenda und Strafgesetzentwürfe,
Zu den Gründen, welche schon am Ende des 18.
Jahrhunderts für die Streichung einer Strafandrohung
gegen widernatürliche Unzucht angeführt wurden und
welche auch einen grossen Teil der europäischen Staaten
von Aufstellung einer Straf bestimmung absehen Uesen,
sind im Laufe der letzten 30 Jahren neue, früher ganz
unbekannte, hinzugekommen. Seit Ende der 60er Jahre
hat nämlich die Wissenschaft, insbesondere die Psychiatrie
durch ihre Forschungen auf dem Gebiet des Geschlechts-
lebens festgestellt, dass die bisherige Auffassung über den
gleichgeschlechtlichen Verkehr auf einer Reihe von Irr-
tümern beruhte und dass die sog. widernatürliche Unzucht
meist nicht aus einem Laster, sondern einem angeborenen
Trieb fliesst und lediglich Folge ist einer dem normalen
Geschlechtsgefühl ähnlichen, jedoch anstatt auf Personen
des entgegengesetzten Geschlechts auf solche des gleichen
Geschlechts gerichteten Liebe. 118 )
Die Thatsache an sich, dass es Leute mit konträrer
Sexualempfindung giebt wird von keinem Arzt, ja über-
m ) Krafft-Ebing (Psychopathia scxualis) bat insbesondere zur
Klärung der ganzen Frage wesentlich beigetragen, aber schon vor
ihm und erst recht 6eit Erscheinen der Psychopathia haben zahlreiche
Forscher der verschiedensten Länder dasselbe Gebiet studiert und
sind zu ähnlichen Feststellungen gelangt.
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— 151 -
haupt wohl kaum noch von wissenschaftlich gebildeten
Männern mehr bestritten. Uneinigkeit herrscht nur noch
über die Häufigkeit des Vorkommens, über die Ursachen
der Entstehung und den etwaigen Zusammenhang der
Erscheinung mit der Fötalanlage des Menschen, über die
Krankhaftigkeit der konträren Sexualempfindung etc. U4 )
m ) Z. vgl. anter Andern ausser Krafft-Ebing: Psycho-
pathia sexualis: Moll: Conträre Sexualempfindung, sowie insbesondere
seine Libido sexualis, Berlin 1897 und 1898, Bd. I und II;
Chevalier: L'inversion de l'instinct genital, Paris 1885;
Schrenk -Notzing: Die Suggestionstherapie bei krankhaften Er-
scheinungen des Geschlechtssinnes mit besonderer Berücksichtig-
ung der konträren Sexualempfindung, Stuttgart 1892;
Tarnowsky: Die krankhaften Erscheinungen des Geschlechts-
sinnes, Berlin 1886;
Eulenburg: Sexuale Neuropathie, Leipzig 1895;
Lanpts: Perversion et perversitös sexuelles, Paris 1896;
Raffalovich: Uranisme et Unisexualitö, Paris-Lyon 1896;
Ellis und Symonds: Das konträre Geschlechtsgefühl, deutsch
von Kurella, Bibliothek der Sozialwissenschaften, Leipzig 1896;
Carpontor: Die homogene Liebe in der freien Gesellschaft,
Leipzig bei Spohr;
Rutgers: Ueber die Actiologie des perversen Geschlechtstriebes
(in Psychiatrische Blätter 1894 Lieferung 3, Amsterdam van Rossen).
Sogar solche Schriftsteller, welche behaupten, neue medizinische
Gründe für eine Aufhebung des § 176 des St.-G.-Bs. seien nicht
vorhanden, können doch das Vorkommen einer konträren Sexual-
empfindung nicht in Abrede stellen, so z. B.:
Hüpodcn: Gerichtssaal von Stenglein, 1895, Heft 5 und 6;
H o c h c : In Mendels : Neurologischem Centralblatt vom 15. Januar
1896 z. vgl die Widerlegung des Ersteren von Anonymus im
Gerichtsaal, Bd. LH Heft 5, und des Letzteren ebenfalls von
Anonymus in Friedrichs Blätter für gerichtliche Medizin,
42 Jahrg. Heft VI;
Cramcr: Berliner klinische Wochenschrift 1897 Nr. 43 und 44.
Hüpeden, Hoche und Cramer bestreiten die Häufigkeit der
Erscheinung; diese Behauptung erklärt sich wohl nur aus einem
Mangel an persönlicher Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet,
einem Mangel, den Hoche und Cramer selbst zugeben müssen.
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— 152 -
Soviel steht aber fest, dass eiue Anzahl von Menschen
vorhanden ist, welche mit einem auf Personen ihres eigenen
Geschlechts gerichteten Geschlechtstrieb behaftet sind.
Die wissenschaftliche Forschung hat ausserdem noch zwei
weitere Vorurteile beseitigt. Einmal hat sie erwiesen,
dass die Konträrsexualen nicht, wie man bisher von den
Päderasten glaubte, unmündigen Knaben nachstellen,
sondern ebenso wie der Normale meist nur erwachsene
Frauenspersonen liebt, gleichfalls nur erwachsene Jüng-
linge bevorzugen, sodann hat sich herausgestellt, dass die
extremste Form gleichgeschlechtlicher Akte, die man
gewöhnlich den Päderasten zuschrieb, gerade bei den
Konträren seltener vorkommt als andere Berühungen.
Diese Feststellungen der Wissenschaft darf nun auch
der Gesetzgeber nicht mehr unberücksichtigt lassen.
Die Entwürfe von Strafgesetzen der meisten Länder
aus den letzten Jahren scheinen jedoch die conträre Sex-
ualempfindung nicht zu beachten.
Der Entwurf des neuen österreichischen Strafgesetz-
buches will wiederum den gleichgeschlechtlichen Verkehr
mit Gefängnis bestrafen, trotzdem der oberste Sanitäts-
rat sich für Straflosigkeit ausgesprochen hat und neben
den früher schon gegen die Bestrafung erhobenen Be-
denken namentlich noch als Grund die durch die Straf-
androhung geschaffene Zwangslage der Konträren an-
führt. 11 »)
Auch der Entwurf für Norwegen ,le ) besagt in § 123:
„Findet ein unzüchtiger Verkehr zwischen Per-
sonen männlichen Geschlechts statt, so werden die Thäter
m ) Kxafft-Ebing hat eine spezielle gegen Aufnahme eino Straf-
bestimmung gerichtete, vortreffliche, die ganze Frage de lege lata
und ferenda erschöpfende Denkschrift geschrieben „Der Kontrar-
sexualo vor dem Strafrichter".
Publiziert in den Mitteilungen der internationalen krimina-
listischen Vereinigung Bd. VII H. I, 1898.
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— m —
und die dazu Mitwirkenden mit Gefängniss bis zu einem
Jahr bestraft".
Der Paragraph trifft zweifellos auch die gegenseitige
Onanie. Da Absatz 2 dieses Paragraphen lautet: „Die
Verfolgung findet nur statt, wenn allgemeine Rücksichten
es erfordern", so ist die Verfolgung einfach in das Er-
messen der Behörde gestellt.
In Zürich soll das Strafgesetzbuch bezüglich der
Sittlichkeitsdelikte noch vor der Einführung des Bundes-
strafgesetzbuches geändert werden. Der Züricher Ent-
wurf dieses Gesetz bestraft ebenfalls den gleichgeschlecht-
lichen Verkehr; bei der Strenge, mit welcher er überhaupt
gegen geschlechtliche Handlungen einschreitet, ist das
allerdings nicht zu verwundern.
Der Entwurf zu dem Schweizerischen Strafgesetz-
buch " ') dagegen trägt den neueren Forschungen Rechnung.
Bei der Beratung desselben ist auch die Natur der
Konträrsexualen und ihre Zwangslage zur Sprache ge-
kommen. 1 1 8 )
Ursprünglich war eine Straf bestimmuug gegen wider-
natürliche Unzucht beabsichtigt, nach der definitiven,
von Professor Stoos nach den Beschlüssen der Exparten-
kommission vorgenommenen Fassung des Vorentwurfes
wird jedoch in Art. 124 nur „der Mehrjährige, der mit
einem Minderjährigen widernatürliche Unzucht begeht,
mit Gefängnis nicht unter (> Monaten bestraft"." 9 )
nT ) Publiziert in den Mitt den I. K. V. als spezieller Band 189G.
Verbandlangen der Expertenkommission über den Vorent-
wurf Bern 1896 Bd. II
110 ) "Wenn auch dio Altersgrenze bis zu beendeter Minderjährig-
keit etwas zu hoch gegriffen scheint, so wird doch die I<age der
Konträrsexualen kaum schlimmer wie diejenige des Normalen sein, denn
der Entwurf zieht auch dem normalen Geschlechtsverkehr engere
Grenzen als andere Strafgesetze und bestraft denjenigen, welcher dio
Not oder Abhängigkeit (?) einer Frauensperson benutzt, um sie zum
Beischlaf zu verleiten, mit Gefängnis, ohne Rücksicht auf das Alter
der Frauensperson.
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— Iii —
Mag es auch angemessener sein, die Altersgrenze
zum Schutz der Jugendlichen auf das IG. oder 18. Lebens-
jahr festzusetzen, so ist jedenfalls das Prinzip des Vor-
entwurfes das richtige.
Der Verführung unerwachsener Jünglinge, die allein
ein weiteres Umsichgreifen des gleichgeschlechtlichen
Verkehrs befürchten lassen könnte, soll vorgebeugt werden,
wobei man übrigens alle unzüchtigen Handlungen, auch
die gerade für die Jugend im gleichen Maasse wie bei-
schlafähnliche Handlungen gefährliche, gegenseitige Onanie
strafen mag; andererseits aber darf der Staat sich nicht
in den Geschlechtsverkehr Erwachsener mischen, so
lange sie sich innerhalb der auch dem normalen Ge-
schlechtsverkehr gezogenen "Schranken halten, und muss
endlich aufhören Leute wegen Bethätigung ihres für
sie natürlichen Geschlechtstriebes mit Verbrechern auf
eine Stufe zu stellen.
Die Notwendigkeit der Beseitigung der Strafbe-
stimmung gegen widernatürliche Unzucht als solche drängt
sich auf, welcher Straftheorie man auch huldigt. Folgt
man der Auflassung der sogenannten alten Schule, wo-
nach die Strafe eine Sühne für begangenes Unrecht bilde,
so kann bei einer aus dem natürlichen Gefühl, der kon-
trären Sexualempfindung entspringenden, keinerlei Rechte
dritter oder des Staates verletzenden, lediglich den jedem
Menschen eingepflanzten Geschlechtstrieb befriedigenden
Handlung von begangenem strafrechtlichen Unrecht,
das zu sühnen wäre, keine Rede sein.
Mit der Feststellung, dass gleichgeschlechtlicher Ver-
kehr nicht aus Lasterhaftigkeit, sondern aus eingewurzel-
tem Geschlechtstrieb entspringt, muss er auch vom rein
christlichen Standpunkt aus in einem anderen Lichte wie
bisher erscheinen, d. h. nicht mehr als besonders laster-
hafte Unzucht, sondern lediglich als eine ebenso wie die
Unzucht zwischen Mann und Weib zu beurteilende Sünde
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- 155 —
und deshalb jedenfalls nicht als ein durch das weltliche
Gericht zu bestrafendes Verbrechen. 120 )
Mit dieser Feststellung entfällt sodann auch der
Strafgrund, dass das Rechtsbewusstsein des Volkes die
Handlung als Laster und Verbrechen empfinde: Ein irr-
tümliches mit den Ergebnissen der modernen Wissenschaft
unbekanntes Rechtsbewusstsein kann eine ungerechtfertigte
Strafe nicht rechtfertigen.
Aber auch nach der sog. neuen Schule wird eine
Bestrafung nicht am Platze sein. Diese betont in erster
Linie, dass die Schädlichkeit einer Handlung für die
Strafe bestimmend sei. Nun hat schon Cella im 18. .Jahr-
hundert mit Recht gesagt (s. oben bei Anm. 03 j, dass
Niemand sich einreden Hesse, dass Entvölkerung oder
Schwächung oder gar Auflösung des Staates als Folge
der widernatürlichen Unzucht zu befürchten seien.
Thatsächlich wurde von jeher bis zum Ende des
18. Jahrhunderts wegen Lasterhaftigkeit der Handlung
gestraft; als man dann die Unzulässigkeit einer Bestrafung
lediglich wegen Immoralität des Thäters einsah, versuchte
man (so z. B. das Josefinische Strafgesetzbuch s. ob.b. Anm. 74)
in einem Angriff auf den Staat den Strafgrund der wider-
natürlichen Unzucht zu erblicken. Das deutsche St.-G.-B.
— offenbar von der Unrichtigkeit dieses letzteren Straf-
grundes überzeugt — kehrte dann wieder mehr zu dem
früheren Standpunkt zurück; um aber dessen Schwäche
1Su ) Ein den 6treng orthodoxen Standpunkt vertretender Schrift-
steller, Raffalowich (Uranisme et Unisexualitö, Paris-Lyon 18%)
zieht ganz nnd gar diese Folgerang: Der gleichgeschlechtliche Ver-
kehr sei Sande, aber nicht mehr und nicht weniger als der normale
aussereheliche Geschlechtsverkehr, deshalb sei es ungerechtfertigt,
den ersteren strafrechtlich zu verfolgen, und den letzteren als etwas
Erlaubtes hinzustellen. •- Aehnlich drückte sich der Bischof von
Mains gelegentlich dor Petition wegen Abschaffung des § 176 aas,
z. vgl. Dr. Hirschfolds Buch: „Dio homosoxnelle Frago im Urteile
der Zeitgenossen" (Leipzig 1897) S. 30-31.
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— 150 —
zu verbergen, kleidete man diesen Strafgrund in die neue
Formulierung, dass das Rechtsbewusstsein des Volkes
die Handlung als Laster und Verbrechen empfinde.
Heute, nachdem durch die Forschungen über kon-
träre Sexualempfindung auch diesem Standpunkt des
deutschen St.-G.-B. Völlens aller Boden entzogen worden
ist, will man die bisher niemals ernstlich und dauernd
betonte angebliche Schädigung des Staates als Strafgrund
aufstellen und Zerrüttung der Ehe, ja wie der öster-
reichische Entwurf es thut, Untergang ganzer Völker auf
die Freigabe des gleichgeschlechtlichen Verkehrs zurück-
führen. 12 «)
Diese Befürchtungen sind wohl kaum ernstlich ge-
meint. Viele empfinden nämlich den gleichgeschlecht-
lichen Verkehr aus instinktivem Abscheu gegen solche
ihnen unbegreiflich dünkendea Handlungen trotz aller
wissenschaftlichen Feststellungen immer noch als scheuss-
liches Laster und wollen dann instinktiv, dass dies an-
gebliche Laster bestraft werde. Da sie aber den allgemein
als unhaltbar abgelehnten Strafgrund lediglich der Un-
sittliehkeit der Handlung nicht hervorkehren können,
suchen sie andere, wenn auch unrichtige Strafgründe
Eine Gefährdung der Allgemeinheit durch den
gleichgeschlechtlichen Verkehr wäre überhaupt nur denk-
bar, falls er in weitem Umfang um sich griffe. Eine
solche allgemeine Verbreitung ist aber nicht möglich.
Die Zahl der Konträren ist eine verhältnismässig geringe ;
die normalen Männer werden sich sicherlich nicht durch
Aufhebung der Strafandrohung nunmehr zum eigenen
Geschlecht hingezogen fühlen; eine Verführung ist nur
bei Jugendlichen zu befürchten, diese sollen aber ge-
12 ') Vgl. Lammasch in Zeitsch. f ges. Strafrechtaw. Bd. XV
Heft 4 und 5, S. «38. — Vgl. Hüpedcn: Im Gerichtseaal, 1895.
Heft 5 und 6.
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— 157 —
schützt werden; die Aufhebung der Strafbestimmung in
anderen Ländern hat auch keine Zunahme des gleich-
geschlechtlichen Verkehrs zur Folge gehabt.
Durch die Strafandrohung wird nicht der Staat vor
Schädigung bewahrt, sondern durch sie werden umgekehrt
grössere Störungen hervorgerufen : Erpressung, Förderung
gewerbsmässiger Erpresserbanden, Selbstmord, Entehrung,
soziale Vernichtung der Existenz von unbescholtenen
Staatsbürgern sind die Frucht der Straf bestimm ung.
Desshalb wird auch die sog. neue kriminalistische Schule
das Fortbestehen derselben nicht befürworten können
und thatsächlich hält auch der Führer dieser Schule in
Deutschland, Prof. Dr. Liszt, ,22 ) ihre Aufhebung für an-
gezeigt.
Solange aber das Gesetz besteht und man verfolgen
und strafen zu müssen glaubt, sollten wenigstens die
neueren Forschungen über die Konträrsexualen einen
Einfluss auf die praktische Handhabung der Straf bestimm-
ung im Sinne milderer Bestrafung ausüben. Dem ist
aber leider nicht so. Meist aus völliger Unkenntnis über
das Wesen der konträrsexualen Liebe, vielfach um nicht
von dem bei manchen Gerichten seit Jahren üblichen
Strafmass abzuweichen, verhängen die Gerichte monate-
lange, ja jahrelange Gefängnisstrafen gegen Urninge,
sprechen ihnen manchmal sogar die bürgerlichen Ehren-
rechte ab.
Letzteres mindestens sollte doch völlig ausgeschlossen
sein; dann mag man auch über die Repression des gleich-
geschlechtlichen Verkehrs denken, wie man will, so ist
jedenfalls dies unrichtig, dass die Urninge? durch Be-
tätigung ihrer Liebe eine tiefstehende Moralität und
eine ehrlose Gesinnung bekunden.
Die baldige Beseitigung der Strafbestimmung ist da-
,22 ) Lehrbuch des Strafrechts. Bd. II. § 109.
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— 158 —
her dringendes Bedürfnis und kann nicht bis zur all-
gemeinen Revision des St.-G.-Bs. verschoben werden.
Daruni haben auch Hunderte von Gelehrten,
Aerzten, Juristen, Schriftstellern und Künstlern eine
die Aufhebung des § 175 bezweckende Petition im
Jahre 1897/98 dem Reichstag eingereicht. Die Petition
jst auch an den neugewählten Reichstag gerichtet worden
und die Bestrebungen im Sinne einer Beseitigung der
Strafandrohung werden nicht aufhören, bis sie gefallen ist.
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Aus dem Seelenleben des Grafen
Platen. ')
Von Ludwig Frey.
,,r>u at>er siehst mich in vertrautem) Lichte."
Platen an G. J. (GusUv Jakobs.)
Als Tibullus, der römische Lyriker, seine vielberufe-
nen Elegien, wie jene „An den untreuen Geliebten" sang,
hat er wohl nicht daran gedacht, dass diese Gedichte nach
fast zwei Jahrtausenden noch manchem Bewohner Ger-
maniens, das damals noch von den Nebeln der Barbarei
umdunkelt war, ein stilles Trostbuch werden könnten.
Ja, in der kleinen Gemeinde von Kennern und — Dul-
dern, die heutzutage im gebildeten Deutschland leben, wird
die 4. Elegie Tibulls einfach für eine urnische ars amawdi
gehalten. Ein y stilles' Trostbuch haben wir die Gedicht-
sammlung genannt. Laut darf man sie als solches noch
immer nicht bezeichnen, wenn man nicht eine Flut von
Schmähungen über sich heraufbeschwören will. Noch immer,
trotz Humanität, Aufklärung und Gewissensfreiheit, lastet
ein sozialer und gesetzlicher Druck auf jenen Unglücklichen,
die man jetzt wohl dem Namen nach kennt, deren Cha-
rakterbild aber von der Parteien Hass noch immer ver-
*) Vergl. „Die Tagebücher des Grafen August von Platen"
Aus der Handschrift des Dichters herausgegeben von 6. v. Laub-
mann und L. von Schettler. I. Bd. Stuttgart bei Cotta 1896. 87ö 8.
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- 100 —
zerrt erscheint. Da ma«r es nun in Stunden schmerzhafter
Entsagung oder in solchen, wo, durch den Wahn der
Welt bethört, der in Deutschland lebende Homosexuale
an sich selbst irre wird, für Diesen eine Erquickung und
Beruhigung des Herzens werden, wenn er wahrnimmt
wie die Gefühle der eigenen Brust in den Tönen des
römischen Lyrikers einen Widerhall finden.
Aber auch ein deutscher Dichter vermag diese be-
freiende Wirkung hervorzubringen, und um so höher ist
deren Wert anzuschlagen, als in seinen Werken Zeit, Oertlich-
keiten und Personen dem gleichfühlenden Leser näher liegen.
Adelig wie durch Geburt so durch Gesinnung hat der
Graf von Platen stets die Wahrheit als sein Panier
emporgehalten, und seine Gedichte sind der poetische
Reflex eines Lebens geworden, das sonst von Andern
ängstlich und lügnerisch verhüllt, von denen, die es ent-
decken, aber mit der Lauge des Spottes und der Ver-
achtung bespritzt wird.
Noch gewissenhafter, man darf sagen, mit selbst-
quälerischer Strenge, verfuhr der Dichter in seinen un-
mittelbaren Bekenntnissen. August von Platen führte
fast von seinen Knabenjahren an ein Tagebuch, in
welchem er nicht nur seinen Bildungsgang, sondern auch
seine innerste seelische Entwicklung Schritt für Schritt
verfolgte und die gewonnenen Wahrnehmungen mit rück-
sichtsloser Treue niederlegte. Dieses Tagebuch war
offenbar zunächst nur für ihn selbst bestimmt; später
aber, als er sah, dass es das volle Spiegelbild eines
seltenen Menschenlebens wurde, betrachtete er es als ein
Werk, das er den Xachgeborenen nicht vorenthalten
dürfe. Oft gedenkt er in demselben des künftigen Lesers,
rechtfertigt sich in dessen Augen, und — gleichsam in
ahnungsvoller Voraussicht des Kommenden — gibt er
der Ueberzeugung Ausdruck, dass es einmal in die Oeffent-
lichkeit gelangen und dann von Segen werden könne.
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— 101 -
Zu seinen Lebzeiten verstattete Fluten Niemand einen
Einblick in die Aufzeichnungen, einen einzigen, für ihn
höchst betrübenden Fall ausgenommen.
Als er in Würzburg den Studien oblag, hatte einer
seiner Freunde, den er von München her noch kannte
und der von seiner anormalen Veranlagung erfuhr, ihm
dieselbe zum Vorwurf gemacht und ihn im Kreise seiner
Mitstudierenden auf das schimpflichste biossgestellt. Platen
wusste kein besseres Mittel zu seiner Rechtfertigung, als
dass er dem indiskreten Gegner das Tagebuch mit seinen
rückhaltlosen Einträgen vorlegte, ein Mittel, welches denn
auch den gewünschten Erfolg nicht versagte. — Das
Tagebuch war und blieb sein intimster Vertrauter und
wurde es mit jedem Jahre mehr, insofern sein Haupt-
thema war, „die Schwäche des menschlichen Herzens zu
entfalten und eine fortlaufende Geschichte seiner Empfin-
dungen zu sein". Platen setzte diese Aufzeichnungen
noch in Italien fort, so dass nach und nach 17 — zum
Teil starke — Bände daraus wurden. Als er im Jahre 1833
in Deutschland zum letzten Male weilte, übergab er die-
selben, wie im Vorgefühl baldigen Scheidens seinem
Freunde Dr. med. Pfeufer [dem spätem Chef des bayrischen
Medizinalwesensj. Als dieser in Gemeinschaft mit dem
Philosophen Schelling, der dem Dichter im Leben gleich-
falls nahe gestanden, die Chatouille mit den Manuskripten
öffnete und den Inhalt derselben kennen lernte, stand er
angesichts der darin dokumentierten Männerliebe vor
einem Rätsel und scheute sich vor einer Veröffentlichung.
So entschied denn die überlebende Mutter des Dichters,
dass die Tagebücher in die Hände des Grafen Friedrich
Fugger gelangen sollten, der dem Verständnis ihres
Sohnes, wie sie wusste, am nächsten gekommen war, und
der die Aufzeichnungen nun zu einer Platen-Biographie
benutzen möchte. Fugger aber starb kurze Zeit nach dem
Dichter, und die Tagebücher kehrten in die Hände
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 11
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— 162 —
Pfeufers zurück. Dieser beschloss eine Herausgabe der-
selben, legte dabei aber eine völlig unzureichende Be-
arbeitung des Erlanger Theologen Engelhard zu Grunde,
welche bloss Das aufgenommen wissen wollte, was „Platens
Bildung zum Dichter erkläre." Die Enttäuschung über
die im Jahre 18(50 erfolgte Veröffentlichung war deshalb
eine allgemeine, da gerade Das fehlte, was man am liebsten
von des Dichters geheimnisvollem Lebensgange wissen
wollte. Das Original der Tagebücher aber fand damals durch
Pfeufer in den Räumen der k. Staatsbibliothek in München
neben dem andern handschriftlichen Nachlasse des Dich-
ters seine bleibende Stätte, ungekannt von der grossen
Welt und bloss für die Augen solcher Menschen sicht-
bar, die entweder durch Beruf oder Neigung sich hiezu
ein Recht erworben hatten. Diese nun erblickten in den
Bekenntnissen des Dichters nicht bloss ,Gestalten des
Wahnes 4 , der, wie Platen selbst sagte, ,nun einmal der
Trost solcher Leute ist, wie ich es bin*, sondern Schöp-
fungen der Poesie, in deren rein individuellem
und deshalb oft geradezu erschütterndem Aus-
druck der wahre Schlüssel zum Verständnis
des Dichters gefunden wird. Schon äusserlich
tragen die Blätter des Originals Spuren eines schmerzlich
bewegten Menschendaseins an sich und versetzen den Be-
schauer in eine wehmutsvolle Stimmung, wenn er die
ausgestrichenen Namen geliebter Personen, die Lücken
von herausgeschnittenen Stellen, welche selbst dem ver-
trautesten Freunde nicht bekannt werden sollten, wenn
er endlich die Flecken sieht, die durch bittere, auf das
Buch hinabrollende Thränen entstanden sind! Als der
Tag, welcher vor hundert Jahren den Dichter in eine
unverstandene Welt gesetzt, im Jahre 1896 wiederkehrte,
da wurde die verhältnismässig kleine Gemeinde von
Platenverehrern mit dem ersten stattlichen Bande der im
Druck erscheinenden Tagebücher überrascht. Und in keine
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— 103 —
bessern Hantle konnte die Ausführung dieser Ehren-
aufgabe gelegt sein, als in die des Oberbibliothekars G.
von Laubmann in München und des Dr. phil. L. von
Schettler in Weimar, welch Letzterer als feiner Kenner
des dem Dichter congenialen Künstlers Michel Angelo
gilt. Indem wir mit den Gefühlen der Dankbarkeit das
lang verschlossene, von diesen beiden Gelehrten nicht
ohne heroischen Mut eröffnete Gebiet in Platens Leben
betreten, machen wir es uns zur Pflicht, ein Ziel zu ver-
folgen, das gewiss nicht ganz ausserhalb der Absichten
der Herausgeber lag, und das den Dichter auch den ihm
bisher nicht Wohlgesinnten menschlich näher bringen
dürfte. Wir wollen jenen Spuren folgen und gerade jene
Seiten herauskehren, welche Platen in seinem Liebesleben
zeigen, und damit den Beweis erbringen, dass man vom
Pfeile des Eros getroffen sein und gleichwohl den Ruhm
eines edlen Dichters und eines ebenso edlen Menschen
beanspruchen kann.
I.
Selbst wenn die Tagebücher, die vollständigen wie
die verkürzten, nicht vorhanden wären, so müsste man
bei Platen auf homosexuelle Geschlechtsnatur schliessen.
Seine „Gesammelten Werke", insbesondere die darin ent-
haltenen Ghaselen und Sonette, sind Zeugen, welche hie-
für laut genug sprechen. Diese Gedichte erregten schon
zu seinen Lebzeiten mannigfaches Bedenken und zwar
bereits damals, als sie bloss unter den vertrauten Freunden
und Bekannten zirkulierten. Insbesondere fühlten sieh
die Damen befremdet, wenn sie „gegen alles Herkommen"
einmal auch die männliche Schönheit, die ja doch auch
existiert, gefeiert sahen. Platens vertrautester Freund,
Graf Friedrieh Fugger, schrieb ihm einmal (10. Aug. 1821)
nach Erlangen: „Wenn Du auf ein paar Stunden aus
11*
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— hu —
dem Orient — wo Du im Geiste weilst — zurückkehrst,
vergiss nicht einige Ghaselen zu dem Buche Hafis mit-
zunehmen; Du brauchst sie ja nicht wieder der Julie
Löb vor Augen zu bringen, sondern nur jenen Leuten,
denen der Sänger und der Schenke lieb ist." — Deshalb
wohl hielt Platen es für angezeigt, in einigen Liebes-
gedichten statt des verblüffenden „Er" die konventionelle
Form des „Sie* zu setzen, ein Verfahren das bei den
eingeweihten Naturgenossen noch grösseres Erstaunen
hervorrufen muss, als bei den fernerstehenden Normalen
das befremdende männliche Fürwort. Im grossen Pub-
likum aber machte das Ganze keine unerwünschte Wirkung,
um so weniger als man durch Goethes Westöstlichen
Divan gewöhnt war, auch den Schenken in der Dichtung
gefeiert zu sehen. Tiefersehende Hessen sich indes nicht
irre machen; der Menschenkenner Heine ersah bekannt-
lich, trotz Goethes Divan und trotz des veränderten Für-
worts die wahre Triebfeder der Ghaselen und Sonette,
und seine Ausfälle in den „Bädern von Lucca* sind bloss
deshalb unberechtigt, weil es eben Ausfälle sind und
zwar solche, die von grossem Misswollen und noch grösserer
Unkenntnis in Dingen der Geschlechts psyc he zeugen.
Platen besingt in der That nirgend und niemals die weib-
liche Schönheit, feiert immer die schöne Männlichkeit.
Freilich treten in den Gedichten die Erscheinungen der
letztern bloss wie Schemen vor das geistige Auge des
Lesers; freilich erblicken wir nirgends den Tiefgang
seiner Gefühle, die heisse Leidenschaft, die sein Herz
durchwühlt, den tötlichen Widerspruch, in welchem er
sich mit Welt und Menschen findet. In all diese Ver-
hältnisse und Zustände lässt erst das unverkürzte Tage-
buch, das wir nun vor uns liegen haben, einen Einblick
zu. Und selbst dieses wiederum brauchte nicht mit seiner
rücksichtslosen Offenheit zu sprechen, es könnte sich über
die rätselhafte Neigung des Mannes zum Manne, die der
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- 165 —
Dichter selbst nicht begriff, die aber das Hauptheina der
Bekenntnisse bildet, in ein begreifliches Schweigen hüllen,
so müsste man immerhin aus andern Umständen, die
darin besprochen sind, auf homosexuelle Geschlechts-
natur folgern. Platen fühlt sich Männern gegenüber
vollständig als Weib, und gibt damit jener Theorie der
Forschungen recht, welche im Homosexualen eine von
der Natur verursachte Verkehr ung der Geschlechts-
psyche annimmt. Ohne es zu wissen und zu wollen,
manifestiert er diese absonderliche Seelenverfassung. Schon
die Schilderungen seiner Kindheitsjahre verraten den
weiblichen Zug. Platen erscheint als stiller, sanfter
Knabe, der sich am liebsten an die Mutter anschliesst,
mit Mädchen spielt und sich mit Beschäftigungen unter-
hält, welche alle vom normalen Knaben weit hinter seine
lärmenden Spiele gestellt werden. Den Seelenzustand
seiner spätem, seiner ersten Jünglingsjahre, schildert der
Verfasser des Tagebuchs zuweilen in einer Weise, welche
die Tragik seines Loses auf Augenblicke vergessen lässt
und selbst auf dem Gesichte des einsichtsvollen Natur-
4
genossen ein Lächeln hervorrufen kann. So wenn Platen
aus der Zeit, da er noch Offizier und auf einem Feldzug
gegen Frankreich begriffen war, treuherzig berichtet, dass
er in einer elegischen Abendstunde sich mit dem Flechten
eines — Blumenkranzes beschäftigt habe, wenn er später,
in der Zeit des Zivilstandes meldet, dass er aus Trauer
über den verlorenen Geliebten alle hellen Farben ablegen,
oder wenn er sich gar, in einem Gedichte an einen er-
sehnten Freund, mit Abälards „Heloise* Eines fühlt! Er
glaubt an Träume, an Glückstage, besucht als Jüngling,
also in einem Alter, wo Andere den Spuren der Geliebten
folgen oder sich mit ihr im lustigen Reigen drehen,
einsame Friedhöfe, Ruinen, Kirchen, und Kapellen und
geht sogar einig 1 Zeit mit dem Gedanken um, in ein
Kloster einzutreten. Bezeichnend auch ist seine Ab-
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— 1(56 —
ueigung gegen das Spiel, gegen lärmende Vergnügungen
und Gesellschaften, insbesondere gegen Trinkgelage, an
denen er sich bloss solange beteiligte, als es seine beruf-
liche Stellung unbedingt erheischte.
Wesentlich charakteristisch ist Platens geschlecht-
liche Abneigung gegen die Frauenwelt, Lange wollte er
sich diese nicht eingestehen, so sehr oder gerade weil er
die innersten Fasern seines Herzens der Selbstkritik
unterzog. Es war die einzige, allerdings sehr verzeih-
liche Unehrlichkeit gegen sich Selbst, dass er sich glauben
machte, er liebe das Weib wie der andere junge Mann,
und er brauche bloss wollen zu dürfen, um hier auch
können zu sollen. So machte er denn einmal eine ge-
waltige Anstrengung, es den Andern gleichzuthuu. Im
Anfang des Jahres 1814 — Platen war kaum 18 Jahre
alt — sah er als Page bei Hofe öfters die 20jährige
Tochter der Marquise von Boisseson und zog Erkun-
digungen über sie ein, mit denen er, wie er sich aus-
drückte, zufrieden war. Er schreibt in seinen Aufzeich-
nungen: „In diesem Zeitraum schien sich auch die Weiber-
liebe in mein Herz einzuschleichen. Die Tochter der
Marquise von B., einer emigrierten Französin, machte auf
mich einen starken Eindruck." Aber er setzt schon
diesen unsichern W orten gleich bei: „Doch vielleicht war
dies bloss Bedürfnis zu lieben. Was die äussern Um-
stände betrifft, war ich gerade nicht unglücklich, wie das
Folgende [die späteren Aufzeichnungen im Tagebuch]
lehrt; aber das Verhältnis war schon zu ungleich; die
liebenswürdige Französin war mir an Jahren voran.
Diese Neigung erlosch mit der Zeit ; denn wo keine
rechte Hoffnung ist, da ist auch keine Liebe. Würde
ich ihre Bekanntschaft nicht gemacht haben, so wäre ich
vielleicht noch heute in sie verliebt." Jene äussern Um-
stände, die ihn „nicht unglücklich" machten, bestanden aber
darin, dass er eine Visite im Hause der Marquise ab-
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— 167 —
stattete und bei der Mutter sein eben erlerntes Fran-
zösisch anbrachte! Die Scblussbemerkungen seiner Auf-
zeichnungen sind ganz eines Achtzehnjährigen würdig;
eher kämen sie der Wahrheit nahe, wenn sie umgekehrt
lauteten. In der That heisst es bald darauf im Tage-
buch: „ Meine vermeinte Liebe zu Euphrasie — so hiess
die junge Französin — zeigte sich als etwas schnell Ver-
flogenes." Was ihn angezogen hatte, war nur die fremd-
ländische Geburt, der vornehme Adel und die eigene
Eitelkeit, einem Nebenbuhler den Vorrang abzulaufen.
Nichts hätte ihn, so wenig wie die andern früher im In-
ternate Lebenden, jetzt, da er mit Damen verkehren
durfte, hindern können, sich die Liebe zu diesen „an-
zugewöhnen"; allein fortan blieb seine Liebe zum weib-
lichen Geschlecht bloss Pietät; ausser der beispiellosen
Liebe zu seiner Mutter wandte er eine solche in jener
Zeit, dem Honigmonde des Lebens, bloss seiner Hausfrau
und deren — Mutter zu. „Mit meinem Quartier,"
schreibt er, „war ich sehr zufrieden. Ich wohnte bei der
Witwe eines Hofmusikus, Madame Schwarz. Es war die
Schwester unseres Schreiblehrers bei den Pagen, Sekretär
Mailer, durch den ich auch in dies Haus gekommen war.
Madame Schwarz hatte noch ihre alte Mutter, Madame
Mailer, bei sich. Ich lebte sehr gut mit beiden Frauen,
war oft in ihrer Gesellschaft, ass auch später mit ihnen,
und sie waren für mich besorgt wie für einen Sohn."
Diese Worte sind nicht nur für Platens Verhältnis zu
den Frauen sondern für die all seiner Naturgenossen be-
zeichnend. So peinlich für den Homosexualen der Um-
gang mit solchen Personen weiblichen Geschlechts ist,
welche Ansprüche an sein Herz erheben und zu diesem
Zwecke ihre Reize zur Schau tragen, so wohlthuend ist
ihm der Verkehr mit bloss freundschaftlich oder mütter-
lich gesinnten Frauen, und hieran könnte man bemessen,
wie es sich mit dem „ Weiberfeinde " verhält, als welcher
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— 11)3
der Homosexuale so gern vom Unverstand bezeichnet
wird.
Eine ähnliche Bewandtnis hat es mit dem noch be-
liebteren Vorwurf der „Lasterhaftigkeit." Fast ergreifend
wirkt, was wir über diesen für die Beurteilung eines
Homosexualen so wichtigen Umstand vernehmen. An der
Reinheit der Gesinnung, man darf sagen, geradezu an der
Keuschheit, hielt Platen mit einer Standhaftigkeit fest,
wie sich einer solchen wohl nur wenige, Normale wie
Anormale, rühmen dürfen. Hieran könnte die Welt einmal
sehen, wie es mit der Lasterhaftigkeit oder, wie der mil-
dere Ausdruck lautet, mit der „Unsittlichkeit" der Homo-
sexualen in der Regel bestellt ist. Gerade das Gegenteil
dieser Anschauimg ist zutreffend. Die Welt hat gar
keine Ahnung von den Entsagungen und Ent-
behrungen, die dem Homosexualen überhaupt auf-
erlegt sind. Bei Platen, dem sich Gelegenheit zu Aus-
schweifungen geboten hätte, sind bewunderungswert die
fast übermenschliche Kraft erheischenden Kämpfe, durch
die er sich siegreich behauptete und unter denen er an seiner
subtilen Auffassung von Sittlichkeit festhielt. Man hat
schon oft darauf hingewiesen, dass das Zusammenleben junger
Leute in einem Insitute schwere Gefahren für ihre Sitt-
lichkeit mit sich bringe. Wenn auch die darauf bezüg-
lichen Befürchtungen meistens übertrieben sind, und die
normal Veranlagten, welche in Internaten leben, nur
schwer und dann nur vorübergehend oder gar nicht einer
Verführung unterliegen — wie andrerseits Jünglinge, auch
ausserhalb der Institute vor Bethätigung ihres Liebes-
triebes nicht überhaupt bewahrt bleiben, — so hat doch der
Aufenthalt junger Homosexualer in einem Institute in der
That seine bedenkliche Seiten. Solche junge Leute in einem
Internate kommen zu früh mit dem „andern Geschlecht"
zusammen und leben zu anhaltend mit diesem unter Einem
Dache. Diese Gefahren bestanden auch zu Platens
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— Hii» —
Zeiten; die Vorgesetzten kannten sie und trafen insbe-
sondere gegen die Selbstbefleekung ihre Massnahmen.
Platen erzählt, dass im Kadettenkorps kein Zögling zu
einer Arreststrale verurteilt wurde, dem nicht eine
dieses Laster unmöglich machende Vorrichtung an den
Händen angebracht worden wäre ! Er selbst spricht von
der hier in Rede stehenden Jugendsünde in einer
Weise, die, nach allen Gesetzen der Logik und Er-
fahrung, in dieser Hinsicht eine eigene Schuld aus-
geschlossen sein lässt. Von einem Freunde, der
eben den Eintritt in die Pubertät hinter sich hatte, und
durch sein schlechtes Aussehen auffiel, bemerkt das Tage-
buch, dass er sich dieses sowie die Schwächung seiner
geistigen Kräfte durch „ geheime Ausschweifung" zuge-
zogen habe. Platen durfte so sprechen, da sein Verstand
in jener Zeit ebenso stark sich entwickelt wie seine
Arbeitslust eine unbeschränkte war. Seine sittliche Strenge
verdient um so mehr Anerkennung und Bewunderung, da
sie auch später, im jungen Offiziere, fortdauerte, und da das
Beispiel, das dieser sah, kein un verlockendes war. Am
7. Mai 1814 klagt er seinem Tagebuche: ,.Wa.s die Zu-
friedenheit, die ich in mir fühle, vergällt, ist die zügel-
lose Unsittlichkeit, die ich hier um mich sehe. Ich war,
um mit dem Dichter zu reden, in strenger Pflicht aufge-
wachsen, und glaube nun ein zweites Gomorrha zu finden.
Alle Laster der Unzucht wurden bei unserm Stande
rühmend zur Schau getragen*. Und im November des
gleichen Jahres heisst es: „Nur ein Mensch von Bildung
kann mich festhalten, und festgehalten bin ich gern.
Wenn ich aber darüber nachdenke, so dünkt es mich fast
unmöglich, so viel sich auch junge Offiziere meinesgleichen
in diesen Mauern (der Stadt München) herumtummeln,
unter ihnen auch nur Einen zu finden, der mein Freund
sein könnte. Die Motive, welche alle jene bewegen,
diesen Stand zu ergreifen, sind weit verschieden von den
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— 170 —
meinigen. Wir können nicht übereinstimmen. Genuss ist
die Triebfeder ihrer Handlungen; Zoten sind meist die
Würze ihrer Reden; die Zukunft ist's, worüber sie niemals
naehdeuken. Bordellschöne gelten ihnen mehr als die
sinnigen Musen, die Würfel mehr als das Saitenspiel, das
Bierglas mehr als Hypokrene. Ich will ihre Grundsätze
nicht tadeln, aber ich fühle, dass sie nicht die meinen
sind. Selbst Manche, die ich vormals von besserer Seite
kannte, hat der Strudel mit fortgerissen". Solche Wahr-
nehmungen machte Platen auch ausserhalb seines Standes,
und um so grösser wurde seine Widerwille gegen das
Genussleben, für welches die Welt so reich ist an Ent-
schuldigungen. „Meine ganze Laune ist mir verdorben;
ich liebe niemand von Allen, die mich umgeben. JJie
Menschen behagen mir immer weniger. Ich hasse ihre
gemeinen Leidenschaften, ihre tierische Begierde, ihre zu-
nehmende Verderbtheit. *
Freilich ist jenes Missbehagen wie dieser Abscheu
ein ausserordentliches und wird nicht von allen Homo-
sexualen in gleichem Umfang empfunden. Aber Platen
war eben eine äusserst sensitive Natur und für den
Schmerz der Entsagung ebenso empfänglich wie für die
karg zugemessenen Wonnen der Liebe. Kein Wunder,
wenn der allgemeine Lebenswiderspruch, in den der
homosexuale Dichter versetzt wurde, ihm tiefer in die Seele
schnitt als irgend einem andern seiner Naturgenosseu.
Die erste Aeusserung hierüber findet sich unterm
13. Februar 1815, die eben deshalb, als einzige Probe für
viele, hier mitgeteilt werden soll: Des Abends waren
Liebeskind und Perglas (zwei Offiziere) bei mir; aber
das Gespräch, das sie führten, und das Liebeskind ver-
anlasste, war äusserst peinlich. Dieser letztere war
bald sentimental, bald wieder auf eine plumpe Art scherz-
haft, bald wieder enthusiastisch, so dass ich zum ersten-
mal fühlte, welche Qualen uns ein verkehrtes Gespräch
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— 171 —
verursacht. . . . Sie redeten auch von der Freundschaft,
uud Liebeskind bezog Perglas' AVorte darüber auf mich,
wodurch er mich in Verlegenheit setzte."
Hiemit sind wir auf jenen Umstand gekommen,
welcher den Angelpunkt im Leben Platens bildet, und
auf den wir raten müssteu, wenn er nicht mit einer oft
erschreckenden Offenheit im Tagebuch blossgelegt wäre.
Die Freundschaft, die Platen zu Männern fühlte, war
Liebe, glühende, heisse Liebe, die ihre Wurzeln in den
unergründlichen Tiefen des Geschlechtslebens hat und
die nichts anderes ist als der natürliche Drang der Er-
gänzung :
„0 gleichfühlendo Seele,
Komm hervor und zeige Dich mir!
Keinen bedächtigen,
Kalten, vernünftelnden
Freund will ich finden:
Ach, dns kann Jeder mir werden !
Was ich will, ist ein glühendes Herz,
Das schlägt wie das meine,
Das die Blicke versteht,
Und die halbvollendeton Worte
Durch die mächtige Sympathie w
(14. Januar 1816.)
II.
So unterscheidet Platen selbst und zwar gleich im
Anfang seines Gefühlslebens zwischen Freundschaft und
Liebe. Und in der That findet sich dieser Unterschied
bei all seinen Verhältnissen zu Personen des männlichen
Geschlechtes ausgedrückt, ja es können sogar drei Kate-
gorien: die der Kameradschaft, der Freundschaft und
Liebe, aufgestellt werden.
Infolge seines Aufenthalts unter den Kadetten und
Pagen, ein Aufenthalt, der durch die besondere Erziehung
bedingt war, blieb es — schon aus Gründen des Corps-
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— 172 —
geistes — unvermeidlich, dass sich rein kameradschaft-
liche Verhältnisse bildeten, und zwar in grösserer An-
zahl, als ihm selbst lieb war. Wir können von einer
näheren Betrachtung derselben um so eher absehen, als
sich diese Verhältnisse in nichts von jenen anderer jungen
Leute unterscheiden. Wählerischer war Platen im Punkte
der Freundschaft. Sein Wesen, von Natur aus zurück-
haltend, verschlossen und stolz, trug — bei aller Warm-
herzigkeit der Empfindung — äusserlich eine Kälte zur
Schau, welche auf die meisten Menschen abstossend
wirkte. Deshalb galten ihm, und gelten uns bei dieser Be-
trachtung, als Freunde Platens nur solche, gegenüber wel-
chen diese Charaktereigenschaften in ihm zurücktraten, und
mit welchen eine Verbindung fortbestand, auch nachdem er
die Erziehungshäuser verlassen. Nichtsdestoweniger und
obwohl sie tiefer gingen als bei normalen Jünglingen,
hatten diese Freundschaftsverhältnisse kein Ferment von
Liebe an sich. Es handelte sich hiebei, unter den be-
sonderen häuslieheu Umständen, die als Druck empfunden
wurden, bloss um das Bedürfnis des Vertrauens, das eben
so gern gegeben wie empfangen wurde. Natürlich kamen
deshalb die Landsleute, welche ebenfalls in den Instituten
erzogen wurden, zunächst in Betracht, in erster Linie
der bereits erwähnte (Adalbert) Liebeskind, der in Ans-
bach bereits ein Gespiele Platens gewesen war. Dem
zarten Klang seines Namens wenig Ehre machend, liebte
er den im Kadettenkorps herrschenden Drill, hatte des-
halb wenig Verständnis für die beschauliche Natur
Platens, und die Unterhaltungen bezogen sich lediglieh
auf die gemeinsame Heimat und die beiderseits aus der-
selben bekannten Personen. Anders verhielt es sich mit
dem Landsmann Friedrich Schnizlein. „Mein erstes Ver-
trauen," schreibt Platen, „(wie auch mein spätestes) hatte
Friedrich Schnizlein, der dieselbe Vaterstadt mit
mir teilte und auch 1808 mit mir die Reise [von München
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— 17;3 —
zu den FerienJ ins Ansbachisehe machte. Er ist von
denen, welchen man gern vertraut, verschwiegen, treu,
zuverlässig. Er war so ziemlich mit Allen bekannt,
während ich meinen Umgang mehr auf eine geringe Zahl
[der Kadetten] einschränkte. Meine früheren Arbeiten
las er alle, und ich war gewöhnt, ihm sogar Manche* in
die Feder zu diktieren. Wir sind immer im gleichen
Verhältnis zusammen gestanden, hatten uns immer gleich
lieb und waren nie ernsthaft entzweit. Für das Senti-
mentale in der Freundschaft war er nicht, und er erinnert
an die Goethe'schen Worte:
„Wem dio Grazien fohlen
Der kann wohl viel besitzen, vieles geben;
Doch lässt sich nie an seinem Bosen rnh'n. a
Die gegenseitigen Mitteilungen, besonders über literarische
Dinge, dauerten fort, auch nachdem Schnizlein | bayrischer |
A i tillerieoffizier geworden.
Ihm das Geheimnis seiner Geschlechtsnatur anzu-
vertrauen, wie er oft vorhatte, dazu konnte sich Platen
lange nicht entschliessen. „Ich möchte mich gar zu gern
Jemand anvertrauen," schreibt er unterm Iii. Januar 181 1>,
„ Schnizlein, der mich des Abends öfter besucht, wäre
derjenige, dem ich es noch am ehesten anvertrauen könnte,
obgleich er für dergleichen Dinge kein Gefühl hat. Ich
würde um die Hälfte leichter sein, wenn ich mein Herz
aufschliessend in Worte giessen könnte." Endlich aber
übermannte ihn die Wucht seiner Empfindungen für einen
geliebten Offizier, und er vertraute sich Schnizlein an.
„Mein Herz ist nun tausendfach leichter und lebensmutiger
geworden: ich habe mich anvertraut. Ich that, was seit
langer Zeit niemals geschehen, was nie geschah während
meines ganzen Verhältnisses zu Federigo. Schnizlein
weiss Alles in Hinsicht Wilhelms (Hauptmann Hornstein).
Schon früher Hess ich ihn absichtlich manche Vermutungen
fassen, heut machte ich ihn Alles erraten, und des Abends
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als er bei mir war, verständigten wir uns vollends. Er
rät mir zu einem festen Entschlüsse." (13. März 1816.)
Der Entschluss [zu einer Annäherung: | wurde nie gefasst;
der Vertraute aber bewahrte treu das Geheimnis.
Alle „Kameraden" überragend, aber dem eben-
genannten Vertrauten nicht gleichstehend, genoss Plateus
„freundschaftliche" Achtung schon frühe der Kadett
Max von Grub er. Ursache hievon war dessen wissen-
schaftliches Streben und seltene Offenherzigkeit. »Er
würde Voltaire seinen Atheismus verzeihen, wenn der-
selbe ihn nicht so oft widerrufen hätte, und tadelt keine
von Bonapartes schlimmsten Thaten, wenn sie nur nicht
kleinlich waren, d. h. er liebt alles Grosse und Edle."
Als Beide in das berufliche Leben eingetreten, dauerte
auch hier der freundschaftliche Verkehr fort, und Max
von Gruber ist durch eine Epistel in Platens Werken
(„Einzug in Golpolis".) verewigt. Leider musste der
Dichter die Offenherzigkeit dieses Freundes später von
einer recht unfreundlichen Seite kennen lernen, indem er
durch denselben wegen seiner Naturanlage, die ihm selbst
Seelenpein genug einbrachte, auf bedenkliche Weise ins
Gerede kam. Max von Gruber war es, der wie ein-
gangs erwähnt, den Freund einmal blossstellte und durch
das Tagebuch eines Bessern belehrt werden musste.
Gleiches Streben, insbesondere gleiche Vorliebe für
die stillen Freuden, welche die Beschäftigung mit den
Wissenschatten gewährt, brachte den jungen Schriftsteller
auch dem Sohn des aus Norddeutschland stammenden, in
München klassische Literatur lehrenden Professors Jakobs
näher. Ueber Gustav Jakobs, der übrigens nicht bloss
ein Freund von Büchern, sondern auch von fröhlicher
Laune war, heisst es im Tagebuch: „Er erweckte in mir
die [vorübergehend] erloschene Liebe zu den Musen und
machte viel Wesens aus meinen poetischen Produktionen,
da ich noch sehr jung war. .... Nunmehr ist er Offizier
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- 175 —
in sächsiseh-gothaischcn Diensten, hat, wie seine Briefe
zeigen, die heitere Laune noch nicht abgelegt und liebt
die Damen." Als Platen aus dem Feldzug nach Frank-
reich, den er im Jahre 1815 mitmachte, zurückgekommen,
in Müuchen weilte, hatte eben der Karneval seinen An-
fang genommen, und Platens Abgeneigtheit gegen lärmende
Lustbarkeiten in hohem Grade aufgewühlt. An Gustav
Jakobs nun wendet er sich brieflich, um seinen welt-
fremden Gefühlen Luft zu raachen, und er schreibt jene
Epistel mit den melodischen Terzinen, die in die ge-
sammelten Werke aufgenommen wurde und mit dem
warmgefühlten Verse schliesst, der als Motto unserm
eigenen Aufsatze vorgesetzt ist. Wehmütig und stolz
zugleich erklingen die Worte der Resignation:
„Die Zeit erscheint, wo mit dem Inst'gen Kranze
Die Schläfe selbstvergessen Jeder zieret
Und flattert in gedankenlosem Tanzo
Mich hat der Gott zu anderm Tanz geführet,
Zu schweben auf dem edlen Hippogryphe,
Der in den leichten Wolken sich verlieret;
Und wenn ich näher jenes Leben prüfe,
Das Vielen wie ein Wonnetaumel schwindet,
Erscheint mir's seelenlos und ohne Tiefe.
Und ungekränkt von Allen kränk' ichKeinen!
Doch Manchem, der mich kennt nur von Gesichto,
Mag ich ein trüber, kalter Mensch erscheinen;
Du aber siehst mich in vertrauterm Lichte!
Xathanael Schlichtegroll heisst der Freund, dem
mit meistern Recht dieser Ehrentitel gebührt. Keiner
wie er teilte mit Platen den hohen Flug der Ideen, die
Begeisterung für die Wissenschaft und die Liebe für die
schönen Künste; auch er vertauschte in der Folge das
rauhe Kriegshandwerk mit dem Studium und zwar mit
der Rechtswissenschaft. Schlichtegroll war der Sohn des
Generalsekretärs bei der Akademie der Wissenschaften
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— Uli —
Adolf Heinrich Friedrich Schlichtegroll, der selbst sich
wissenschaftlich bethätigte, und der Sohn hatte seine
Neigung zu friedlicher Beschäftigung vom Vater ererbt.
Als Platen ihn im Mai des Jahres 1814 — durch einen
von ihm geliebten jungen Mann kennen lernte — stand
er noch bei der Artillerie als Leutnant und machte als
solcher ebenfalls den Ausmarsch nach Frankreich mit,
der ihn jedoch, so wenig wie Platen, die Schrecken einer
Schlacht kennen lernen Hess. Lange Zeit lag er damals
mit seiner Truppe im malerischen Heidelberg, wohin ihm
Platen von Jonchery bei Chaumont aus im Oktober 1815
jene bekannte Epistel ,An Nathanael Schlichtegroll' sandte,
die, allerdings mit Veränderungen, ebenfalls in die Ge-
sammelten Werke aufgenommen wurde. Nach einer
poetischen Abschweifung, die ihn im Gedickte bis in das
Reich des Hades führte, ruft der Dichter dem Freunde zu:
„Jetzt bin ich wieder ganz bei Dir zurücke,
An Deiner Brust vom Phantasus befreit,
Und frage Dich nach Deinem Lebensglücke
Und wünsche Dir Zufriedenheit.
Und bist Du wirklich an dem Neckar drüben
Und hält mich ab kein andrer Machtbcfehl,
So eil' ich zu Dir, wenn Du mir geschrieben:
Ich komme dann, Nathanael!
Doch 6011t 1 es sich auch also Dicht bogeben,
Dass ich Dich sehe noch vor diesem grossen Streit,
So möge Dich ein Genius umschweben
In dieser blut'gen Kriegeszeit.
Doch selbst im rauhen Kriege schwöre
Noch zu den Musen, Freund, mit sittig heiterm Sinn,
Und immer denk 1 ich Deines Plato Lehre:
0t'« Talg x (l V iai >''
Noch vor Ablauf des Jahres ging der kampflose
Feldzug zu Ende, Scblichtegroll sass bereits, hinter den
Pandekten, in Erlangen, als Platen in München ein-
marschiert war. „Nathan ist leider, leider nicht hier; er
hielt sich nur ein paar Tage hier auf und ging sodann
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— 177 —
nach Erlangen, um dort seine Studien zu vollenden.
Jedoch verlangt er seine Entlassung vom Militärstande
nicht, um sich zweierlei Aussichten offen zu erhalten.
Ich bin recht sehr böse, dass ich ihn nicht sprechen,
nicht umarmen kann. Jetzt entbehre ich ihn mehr als
jemals. Erst spät hat er mein Schreiben, das ich nach
Heidelberg adressierte, erhalten, jene Epistel nämlich/
Am 10. Januar 181(5 erst — man lebte im Zeitalter der
Postpferde — traf die Antwort Schlichtegrolls, welche
ebenfalls in gebundener Sprache erschien, bei Platen ein.
Sie wurde eröffnet mit den Distichen:
„Was ich begann, das will ich vollenden, so ziemt es dem Manne,
Und in der Thomis Asyl, das ich schon lange gekannt,
Trat ich mit frohem Mute zurück und erhöhetem Eifer,
Um mich der Göttin Dienst, die ich verehre, zu weih'n.
So innig und herzlich die Beziehungen zu Schlichte-
groll waren und so weit sie diejenigen zu anderen Freun-
den hinter sich Hessen, so wenig haben sie indes mit
jenen Seelenverbindungen gemeinsam, bei denen die Liebe
mitsprach und bei denen die äussere Erscheinung des
Objektes einwirkte. „Auch mit Schlichtegroll", bemerkt
Platen später, „ verbindet mich nur eine natürliche
Aehnlichkeit der Gemütsstimmung, aber fast nichts, wo-
durch wir wirkend selber beigetragen hätten."
Ebenso verhielt es sich in dieser Hinsicht mit dem
Grafen Friedrich Fugger, dem aber August von
Platen sein weitaus aufrichtigstes Vertrauen schenkte und
dem er es bewahrte — bis an den Tod. Beide kannten
sich schon von der Pagerie her, und Fugger war es, der
später, nachdem sie in die Armee eingetreten, eine nähere
Freundschaft anzuknüpfen suchte, indem er die Bekanut-
schaft erneuerte. Platen hatte in dieser Zeitperiode wenig
Interesse an ihm. „Ich weiss nicht", schreibt er ins
Tagebuch, „ warum Fugger meine Gesellschaft eigentlich
sucht. Er gehört zwar zu dem Kreise meiner näheren
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 22
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— 178 —
Bekannten, ja derjenigen, die man gewöhnlich mit dem
Namen Freunde zu umfassen pflegt, aber so viel wir
auch zusammen sprechen, nie ist ein herzliches Wort
zwischen uns gewechselt worden." Bald aber konnte er
von ihm sagen: „Sein Umgang wird mir täglich lieber.
Schade, dass er nicht lange mehr hier [in München]
bleibt.* Was die Freunde anfangs zusammenführte, war
die gemeinsame Liebe zur Dichtkunst. Auch Fugger
machte Verse; — freilich keine Platen'schen ; — er liebte
die Dichter, — und zwar, s einer religiösen Ueberzeugung
gemäss, die Romantiker — ; er war auch ausübender
Künstler auf dem Gebiete der Musik, und manches Lied
Platens wurde in der Folge von ihm in Töne übertragen.
Zu jener Freundschaft aber, die Platcn unter diesem
Worte verstand, kam es auch später nie: „Fritz Fugger
würde vielleicht derjenige sein, mit dem ich noch am
meisten übereinstimme; doch war unsre Bekanntschaft so,
dass das Herz fast niemals berührt wurde." Es war jene
.stille Macht der Freundschaft, welche lindernd auf das
Gemüt wirkt und, wie Platen selbst sagt, die schwärmer-
ische Glut, die der Liebe innewohnt, mehr und mehr
vergessen macht. Fugger näherte sich mit seinen Ge-
fühlen den Neigungen Platens unter den Freunden am
meisten; er teilte dessen Gleichgiltigkeit gegen die Fraueu,
obwohl er nicht das war, was man homosexuell nennt.
„Ich finde mich nach und nach immer mehr in Fugger,"
verzeichnet Platen unterm 24. Januar 1817; „doch ist es
immer misslieh, dass wir so wenig in einem herzlichen
Verhältnis stehen. [Ks war der Grund hievon wohl der
Mangel des ausgesprochen psychosexuellen Gegensatzes.]
Kr erklärte sich mir heute als Weiberfeind, indem er
sagte, dass die Weiber keinen Geist hätten, und nur als
Werkzeuge, nicht als Menschen zu betrachten seien. Ob-
gleich ich selbst die Männer mehr als die Weiber schätze*,
fügt Platen mit selbstlosem Wohlwollen bei, „so bin ich
doch weit entfernt davon, seiner Meinung zu sein.*
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-• 170 —
Jedenfalls war Fugger der Mann, welcher Sinn und
Verständnis für Hiltens eigenartige Seelenverfassung be-
sass. So ist es zu erklären, dass er dessen unbegrenztes
Vertrauen erwarb und in alle Herzensgeheimnisse der
folgenden Zeit eingeweiht wurde. Auch in literarischen
Dingen ward er ihm unentbehrlich; Haten erholte sich
meinen Rat und sein Urteil, und stets wurden diese gern
und nach bestem Wissen gegeben. Fugger besorgte bei
Herausgabe der Werke Druck und Korrektur, vermittelte
zwischen Dichter und Verleger, sogar mit Cottas Faktor
welcher bei der bekannten Akkuratesse des Dichters,
keine leichte Aufgabe hatte. Erschwert wurde das Ge-
schäft durch die räumliche Entfernung — Platen w r eilte
damals im südlichen Italien — und durch seine reizbare
Launenhaftigkeit, die aber Fugger mit Gelassenheit trug,
da er wusste, dass sie mit der Gemütsart des Freundes
naturgemäss zusammenhing. Selbst in spätem Jahren
sahen sich die Beiden noch einigemale. Platen kam öfter
nach Deutschland, Fugger einmal nach dem fernen Süden.
Ein reger Austausch von Erfahrungen, Gedanken und
Gefühlen entspann sich in einem Briefwechsel, der als ein
ehrenvolles Denkmal seltener freundschaftlicher Treue
und Opferwilligkeit gesammelt und | im Jahre 1852 von
Minckwitzl herausgegeben wurde. Platen selbst aber
setzte dem Freunde im Jahre 1835 ein Denkmal in dem
herrlichen Festgesange „An den Grafen Friedrich Fugger",
in jener Ode, welche beginnt:
Wie der Herbst zwar spät in das fluchtige Jahr tritt,
Das bereits tagmüde zum Ende sich neigt,
Aber nicht kommt ohne Geschenk;
Nein, im schöngeflochtenen Korb aufhäuft die erquicklichen Früchte:
Also tritt mein Festgesang
Freund, vor Dich, mitführend hochgeschichteten reichen Ertrag.
Bald darauf, nachdem dieser Gesang verrauscht war, fand
der ruhelose Dichter im Garten des Grafen Landolina in
Syrakus sein frühes Grab. Fugger stellte für die erste
12*
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— 180 —
Gesamtausgabe der Werke Platens, die bei Cotta 1839
ersehienen, den Text her und begann, wie eingangs erwähut,
einen Wunsch der überlebenden Mutter erfüllend, die
Biographie des Dichters zu schreiben, aU auch ihn die
Schatten des Todes umfingen [1(3. Sept. 18;J8|.
War die Freudschaft mit Fugger eine tiefgehende,
dauernde und ungetrübte, so erscheinen vor Entstehung
derselben — und freilich nur auf kürzere Zeit — zwei
Freundschaftsverhältnisse, die unter sich verschieden, im
Zusammenhalt mit der zu Fugger, doch etwas Gleichartiges
haben, und welche Beide ausserordentlich genannt werden
müssen. Die Träger derselben waren der Kadett Joseph
Xylander und der junge Freiherr von Perglas,
Mitzögling der Pagerie; in beide Verhältnisse spielt be-
reits ein Strahl von Liebe hinein. Auf Xvlander lenkte
sich die erste entkeimende Neigung Platens. Sein eigener
Bericht im Tagebuch lautet: „Wir waren mehr als drei
Jahre in einem Hause (dem des Kadettenkorps) zusammen,
che wir uns näher kennen lernten. Erst im März 1810
(im darauffolgenden Herbst vcrliess ich das Institut be-
reits) brachte uns ein gegenseitig sympathischer Zug
plötzlich näher. Ich muss gesteheu, dass eine kleine In-
trigue [seinerseits?] dabei im Spiele war; doch darf ich
kühn sagen, dass mich mein Freund so sehr liebte wie
ich ihn. Wir waren einander Alles. Wir genossen
Monate lang das reinste, höchste Glück, das die Freund-
schaft zu gewähren im stände ist. Nur war unser Bund
zu schwärmerisch und kam zu sehr der Liebe gleich.
Wir vergassen so ziemlich alles Andere über uns selbst,
sehnten uns beständig nacheinander und brachten sogar
die wenigen Minuten des Stundenwechsels pünktlich bei
einander zu. Auch B. [ein andrer Kadett] fühlte sich
sehr zu Xylander hingezogen, konnte aber nie in ein
innigeres Verhältnis mit ihm kommen. Er grollte jedoch
nicht mir, sondern, wie mir einer seiner noch übrigen
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— 181 —
Briefe sagt, Schnizleiu, der gleichfalls Ansprüche auf
Xylanders Freundschaft zu machen schien, und dem er
allerlei Intriguen schuld gab; denn wir bildeten in dieser
Hinsicht eine kleine Welt. Aus jener Korrespondenz
habe ich noch die sonderbare und für Psychologen viel-
leicht merkwürdige Bemerkung gezogen, dass nämlich
Xylander dem Kadetten [Bäumler] sein leidenschaftliches,
schwärmerisches Wesen auf die vernünftigste Weise
lächerlich vorstellte, während er doch zu gleicher Zeit
gegen mich in denselben Enthusiasmus verfiel. ... So
viel wir beisammen waren, so wenig redeten wir zu-
sammen, riefen immer noch einen Dritten zur Unter-
haltung herbei, der die Flamme des Gespräches schüren
musste. ,Ich war zu voll/ schreibt auch Xylander in
einem spätem Briefe, ,um mit Dir von gleichgiltigen
Dingen zu sprechen, und zu schüchtern, um von Dem
zu sprechen, was ich in so hohem Grade empfand/ —
Platen fähit weiter: „Der Zwang, den wir uns, wenn er
mich besuchte, vor meinen neuen Kameraden [den Pagen]
anthun reussten, artete auf meiner Seite in Kälte aus. . .
Als ich späterhin die Pagerie verliess, um den Degen zu
tragen, knüpfte Xylander wieder eine Korrespondenz an,
mir Glück wünschend, nachdem mich mein übereilter
Schritt längst gereut hatte. Wir lernten uns wechselseitig
kennen und schätzen und werden immer Freunde bleiben."
Und bei dieser Art Freundschaft blieb es auch. Das
„sonderbare Verhältnis zu Xylander," wie es von Platen
selbst bezeichnet wurde und das den Kameraden, z. B.
Schnizlein nicht unauffallend gewesen, erlosch bald, um
noch sonderbareren Platz zu machen.
Leidenschaftliche Schülerfreundschaften wie die ge-
schilderten erinnern an die der einstigen Karlsschule in
Stuttgart, welcher der junge Schiller angehörte und von
welcher Kuno Fischer in dieser Hinsicht so merkwürdige
Mitteilungen machte. Sie sind nicht nur an sich merk-
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— 1*2 —
würdig, .sondern zugleich ein Beweis gegen den land-
läufigen Wahn, das* die Internate Brutstätten des ,. Lasters"
seien, und dass Jünglinge, welche einer glühenden Freund-
schaft fähig sind, für das Leben verdorben werden.
Schiller wurde eben Schiller, und Xylander ein aus-
gezeichneter Offizier. Hervorragender Militärschriftsteller
und Sprachforscher, bekleidete er im spätem Alter das
Amt eines Militärbevollmächtigten und Bundesgesandten
Bayerns in Frankfurt a. M., wo er im Jahre 1854 starb.
Von Perglas*) bemerkt Platen im Tagebuch, da wo
er ihn zum erstenmale nennt, er wolle an dieser Stelle
nichts Ausführliches über ihn sagen, da er noch oft in
seinen Aufzeichnungen erwähnt werde. Und in der That
zieht sich dieser Name durch das ganze Tagebuch hin
und zwar wie eine Leidensgeschichte. Fast dämonisch
wirkte die Persönlichkeit des jungen Perglas, in welcher
eine starke Sinnlichkeit schlummerte, auf den Liebe-
bedürftigen ein. Perglas selbst, der übrigens normal war,
fühlt sich bereits in der Pagerie von dem sanften,
träumerischen Wesen Platens augezogen und noch mehr
zu einer Zeit, wo der Verkehr freier war. Platen aber,
der immer, wenn er das heissersehnte Ziel der Gegenliebe
zu erreichen schien, seine stolze Kälte hervorkehrte, stiess
auch Perglas in einem solchen Falle von sich ab. So
heisst es z. B. : Ich komme in innner grössere Annäherung
mit Perglas; er hat auch den Tisch bei meiner Hausfrau,
und wir sind den grössten Teil des Tages beisammen.
Ks scheint, dass er ein enges Freundschaftsbündnis zwischen
uns wünscht ; ja — dass er darauf hofft und es darauf
anlegt. Ich liebe ihn zwar mit aufrichtiger Achtung;
aber ich glaube, dass ich bei diesem Grade [sic| werde
* Weder das Tagebuch noch die Herausgeber desselben be-
zeichnen den Vornamen. Vermutlich war es Ludwig v. Perglas,
um jene Zeit k. b. Grcnadierleutnant in München, geb. 1798 als
Sohn df s hessischen Obersthofmarschalls Sigmund Freih. von Perglas.
— 183 —
stehen bleiben, und dass der letzte Schritt, der uns noch
mangelt, nie wird gethan werden".
Während Beide so nicht selten wie Feinde im Leben
nebeneinander hergingen, blieben sie sich bewusst, dass
sie doch einander angehörten. Bald liebend, bald hassend,
immer aber mit einem Zug nach Versöhnung, berührten
sich stets wieder die Peripherien ihres Daseins.
Auch Perglas, der, nachdem er den Degen erhalten,
sich wie Platen in den Schranken der Enthaltsamkeit be-
wegte, fühlte eine Leere in seinem nach Ergänzung
strebenden Herzen: »Wir sprachen von Freundschaft",
schreibt der 19jährige Platen, „und er gestand mir, dass
es äusserst schwierig sei, eine gleichgestimmte Seele zu
finden. Zwischen ihm und Liebeskind hat ehmals ein
enges Bündnis stattgefunden, von dem ich nichts wusste,
das aber bald aus Mangel an Uebereinstimmung wieder
gelöst wurde. Er sagte mir auch, dass ihm das Leben
äusserst schal und Ueberdruss erregend vorkomme. Dies
nahm er aus meiner Seele. Es fühlt also auch, dass ihm
etwas fehlt; aber er weiss vielleicht nicht, was es ist."
Einmal erhielt Platen aus Perglas' Munde das Geständnis,
dass er sich keineswegs rühmen könne, Platens Freund
zu sein, dass aber sein ganzes Streben darauf gehe, es
zu werden. „Was sollte ich darauf antworten ?" fügt der
Angefreundete — anscheinend teilnahmslos — bei. Ein
höchst geringfügiger Umstand war es, der Platen veran-
lasste, bald nach Empfang dieser Freundschaftsversiche-
rung das Verhältnis abzubrechen. Aber ebenso rasch zog
die Reue in ihm ein: „Was mich zuweilen sorgenvoll
macht, ist mein Verhältnis zu Perglas ; denn ich fürchte,
dass ich nicht ganz recht habe . . . Wir waren Freunde
vorher, und nun haben wir seit einem Vierteljahr kein
Wort mehr zusammen geredet. Die Schuld daran ist je-
doch nur halb an mir ; denn er machte gleichfalls keinen
Versuch, mir Etwas zu sagen. Wer hätte vor 4 Monaten
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— 184 —
geglaubt, dass wir also getrennt würden? Ich erinnere
mich sogar, dass Perglas einmal sagte : Nun sind wir auf
einem Punkte der Freundschaft, dass keine Misshelligkeit
uns mehr scheiden kann. — Die englischen Briefe, die
wir einander schrieben, waren voll von Versicherungen
der Freundschaft. Es ist wahr, ich liebte ihn nie wie
Nathan, Gustav [Jakobs] oder [Brandenstein,] aber des-
wegen war er um so mehr betrogen, da er es vielleicht
glaubte, und es ist gewiss, dass ich eine Stelle in seinem
Herzen hatte. Er meint nun vielleicht, dass das nieine
verdorben sei. Ich war in dieser Sache zu widersetzlich,
zu vertrauenermangelnd. "
Gegenliebe vom gleichen Geschlechte war es
übrigens nicht, was von Perglas als Mangel empfunden
wurde. Im Gegenteil, er stürzte sich, bald nach jener
Unterredung, in den Strudel der gewöhnlichen Vergnüg-
ungen, und in seinem Umgang mit dem schönen Ge-
schlechte beschränkte er sich keineswegs auf schmachtende
Sehnsucht oder zwecklose Galanterien. Auf dem Feld-
zug nach Frankreich im Oktober 1815 erfuhr Platen
durch einen Offizier, einen ehemaligen Mitzögling, Folgen-
des über Perglas: „Wenn Du wieder in ein Verhältnis
mit ihm trätest, würdest Du ihn nicht mehr erkennen.
Denn er ist ein ganz anderer geworden. Zwei Nächte in
Paris [wo er mit den siegreichen Verbündeten eingerückt
war,] haben ihn umgestaltet; er hat seine Grundsätze
völlig verändert, er, der mich ehemals vor Ausschweif-
ungen warnte, thut es mir und Andern nun darin zuvor.
Er erklärt, dass er vormals ein Narr gewesen; alles treiben,
mir nicht im Uebermass, ist nun seine Maxime."
Nunmehr wurde Platen, — der, trotzdem er homo-
sexuell fühlte, ein Feind jeden Lasters und vom zar-
testen Sittlichkeitsgefühl beseelt war, — mit Abscheu
gegen Perglas erfüllt. Er ging ihm aus dem Wege, wo
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er ihn traf. Und das Schicksal führte Beide gegen ihren
Willen immer wieder in den Weg. Gleich nach dem
Einmarsch in München wurden sie in einunddemselben Hause
einquartiert; als Perglas bei der einst gemeinsamen Haus-
frau den ersten Besuch machte, traf er Platen an. Dieser
räumte zwar immer gleich das Feld. Aber noch vor
Jahresfrist war er es, der den ersten Schritt zur Wiedor-
anknüpfung der Beziehungen machte. „Er schrieb mir",
heisst es Ende August 1816 im Tagebuch, „dass es ihm
unerträglich sei, länger von mir getrennt zu sein; dass er
sich seiner vormaligen Fehler schäme und anderen Sinnes
geworden sei. Er klagt sich scharf an und spricht dann
von seiner Besserung u. s. w. Seine Aenderung beschreibt
er folgendermassen : er sei durch Verhältnisse jetzt zu
einem geräuschlosen Leben gekommen, habe meine Briefe
wieder gelesen und die Seligkeit gefühlt, die nur gute
Sitten gewähren. Er habe sich immer fester vorge-
nommen, das Laster zu meiden. ,Ich betete wieder mit
Andacht,' heisst es im Briefe, unterhielt mich mit Wissen-
schaften: ich fand endlich gar keine Lust mehr, nach
sinnlichen Vergnügungen zu streben, da ich keine Lange-
weile hatte. Ich konnte mir Hoffnung machen, wieder
besser zu werden, mied die Gelegenheit zum Bösen und
gelangte täglich zur reiferen Ueberzeugung, dass ich
höchst unrecht gehandelt habe/ Am meisten sucht er
sich gegen meinen erprobten Glauben an seine Veränder-
lichkeit zu bewahren, worin [d. h. in Bezug auf seine
Veränderlichkeit! er freilich recht hat. Er gelobte mir
dass ihn meine freundschaftliche Warnung über alle Ver-
führung der Welt erheben soll. Wie hätte ich daher die
Erneuerung unseres Verhältnisses abschlagen können?"
Platen nahm also die gebotene Hand an. Auch wir
können nicht ohne Anteil bleiben angesichts jenes Be-
kenntnisses, das doch auf ein im Grunde gutgeartetes
Herz schliessen lässt. Die Seelenverfassung des jungen
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— 186
Mannes muss eine ausserordentliche, man darf sagen, ver-
hängnisvolle gewesen sein. Platens wiedergewonnene
Freundschaft bewahrte denselben nicht vor neuem Leid.
Eine fünf Monate nach der Versöhnung in München ein-
tretende Katastrophe lässt ihn uns noch rätselhafter und
sogar unsres Mitleids würdig erscheinen. Eines Tages war
Perglas plötzlich verschwunden ; niemand, auch seine Vor-
gesetzten wussten nicht, wohin. Er hatte, wie man später
erfuhr, seine Wohnung in Zivilkleidern verlassen, nach-
dem er den Tag vorher schweigsam und ohne etwas zu
geniessen, umhergegangen. Auf dem Tisch seiner Stube
fand man, , Werthers Leiden* aufgeschlagen. Die Ver-
wandten und Kameraden vermuteten ein Duell; nur
Platen glaubte nicht an ein solches, sondern an den
Zwang einer andauernden Melancholie, eines Zustande*,
der, wie er [im Tagebuch] sagte, ihn selbst oftmals be-
fiel. Die Thatsachen gaben ihm Recht. Perglas kehrte
plötzlich zurück, vor Hunger und Ermattung erschöpft,
verdüstert und lebenssatt. Vor dem Selbstmord hatte
ihn sein besseres Herz bewahrt. Platen aber stand ihn»
freundschaftlich treu zur Seite, suchte die gesellschaft-
lichen Folgen des Fehltritts abzuwenden und lieh ihm
seine moralische Unterstützung bei dem Plane, den Militär-
dienst zu quittieren und sich den Studien auf eiuer
Universität zu widmen. In der Folge verliess Perglas
auch wirklich die Armee und ging nach Göttingen, nicht
ohne von Platen tiefbewegt Abschied genommen und
die Versicherung fortdauernden Anteils empfangen zu
haben. — Ludwig von Perglas starb frühzeitig |1S20] in
Würzburg.
III.
Pulsiert in all den Freundschaftsverhältnissen, wie
sie hier skizziert wurden, ein regeres Leben als in sonstigen
Verbindungen dieser Art, und zwar deshalb, weil der eine
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- 187 —
oder andere Teil von einer anormalen, wenn auch latenten
Veranlagung erscheint, so vertieft sich dieser Unterschied
bei jenen Verhältnissen Platens, in denen das Herz zu
seinem vollen Recht kommt, und die elementare Gewalt
der Liebe unaufhaltsam durchbricht. Alan ist in Ver-
legenheit, diese Verhältnisse mit einem zutreffenden
Namen zu bezeichnen. Sie erscheinen auf der Stufen-
leiter der Neigungen nicht mehr als Freundschaften, weil
der eine Teil bereits von Liebe entflammt ist; sie sind
noch keine sog. Liebschaften, weil die andere Person
kaum mehr Freundschaft empfindet. Leidenschaft würde
das richtige Wort sein, wenn sich damit nicht der ge-
wöhnliche Begriff* eines freiwilligen, auf das Unerlaubte
gerichteten Hanges verbände; soll aber damit gesagt sein,
dass ein Mensch der Tragik eines unentrinnbaren Leides
verfallen sei, und wird das Wort so in seinem ureigenen
Sinne genommen, so ist diese Bezeichnung nicht nur er-
schöpfend, sondern kann auf kein Verhältnis besser an-
gewendet werden als auf das der unglücklichen homo-
sexuellen Liebe im allgemeinen und insbesondere auf das
des Grafen Platen. Verhältnismässig früh wurde dieser
auf seine Eigennatur aufmerksam. Es ist dies ein Zeichen
feiner Beobachtung, aufrichtiger Beurteilung und treuer
Wiedergabe seiner selbst. Ungebildete oder mangelhaft
begabte Homosexuale täuschen sich lange, die meisten
ihr ganzes Leben hindurch über diese Naturanlage. Das
gehässige Urteil der Welt, die durch Unkenntnis der
Sachlage irregeführte öffentliche Meinung suggerieren oft
auch dem anormalen Menschen die Meinung, dass seine
Eigenart eine selbstverschuldete, und dass sein Wandel
auch wenn er von den bittersten Entbehrungen begleitet
ist, ein lasterhafter sei. Anders bei Platen, der in seinem
21. Jahre — freilich nicht ohne einige für damals ent-
schuldbare und begreifliche Irrtümer — von sich sagte:
„Ich stehe in einem Alter, das Liebe fordert und sich
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— 188 —
nicht mehr mit Freundschaft begnügen kann. Warm
und innig möchte ich mich an ein anderes Wesen an-
schliessen. Nur dies allein, glaube ich, kann mich von dem
Ueberdruss retten, den das gesellschaftliche Leben untrüg-
lich aufs neue in mir hervorrufen wird. Ich kann meine
Gefühle zwar durch ernste Beschäftigungen betäuben,
aber nicht beschwichtigen. Aber, was mich am meisten
zittern machen sollte, ist, dass meine Neigungen bei
weitem mehr nach meinem eigenen Geschlechte
gerichtet sind, als nach dem weiblichen. Kann ich
ändern, was nicht mein Werk ist? Ich fühlte
zuerst den Drang der Liebe zu einer Zeit, als ich mich
einzig unter Knaben befand und nie ein Mädchen zu
Gesicht bekam. [Was auch bei Andern der Fall gewesen
war, über deren Sucht nach Weibern er sich in der
Folge nicht genug zu beklagen wusste.] Wie konnte es
anders sein, als dass mich die Neigung an einen Freund
fesselte? Xylander war der erste Gegenstand dieser
jugendlichen Empfindung. Wir waren glücklich, innig
und unschuldig. Derselbe Trieb erwachte aufs neue im
Pagenhause fin welches er wegen seines Adels im Jahre
1810 Aufnahme fand|, nicht gegen einen Kameraden,
sondern für den Grafen **. Vielleicht würden meine
Neigungen, als ich in die Welt |der Gesellschaft] trat,
eine andere Richtung bekommen haben, wäre mir nicht
Federigos Bild [seiner ersten grossen Leidenschaft] ent-
gegengetreten und hätte ich mich nicht Jahre lang der alten
Thorheit wiedergegeben. [Platen ahnt nicht den Wieder-
spruch, in den er zur Erklärung seiner abnormen Neigung
gerät, und verbessert sich nur unfreiwillig selbst.] Ich
brauche nicht mehr zu erzählen, was mein Tagebuch aus-
führlich genug enthält. Xylander hat durch die Gunst
des Schicksals [sie] seine Liebe einem weiblichen Wesen
geschenkt; er ist gerettet, für mich sehe ich keinen Aus-
weg. Ich schätze die Weiber; ich würde mich je eher, je
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— 180 —
lieber verheiraten, wenn es mir vergönnt wäre.
Achtung und Freundschaft würden mich an ein Weib
[sie ! j ziehen und diese vielleicht die Liebe gebären." —
In diesem , Vielleicht' ist die ganze Tragik seines Loses
enthalten. »Achtung* und »Freundschaft' hat noch nie
die Liebe erzeugt; dafür ttösste diese dem Liebenden
für Personen oft eine Achtung ein, die sie nicht ver-
dienten.
Unbefangener urteilt bereits der 17- Jährige im
Oktober des Jahres 1813. „Ich gewöhnte mich," sagt
er, „meine Hofthungen und Träume der Liebe an Per-
sonen des eigenen Geschlechtes zu verschwenden und
suchte in ihrer Freundschaft dasjenige Ziel zu erringen,
das die Liebe in der Ehe sucht. Ich gewöhnte mich,
die Frauen mehr zu verehren als zu lieben, die Männer
mehr zu lieben als zu verehren. Ich bin schüchtern von
Natur, aber am wenigsten bin ich's in ungemischter Ge-
sellschaft von Weibern [ ! J, am meisten in ungemischter
Männergesellschaft. Am meisten gefiel mir die Zartheit
der Weiber, aber ich sah sie nicht als etwas Auswärtiges,
sondern als etwas auch meinem Wesen Inne-
wohnendes an. Ich glaubte, dass der beschränkte Geist
einer Frau nicht fähig wäre, mich lange zu fesseln, und
dass bei weitem der grösste Teil des schönen Geschlechts
durch Aftektation |sic!J verderbt sei. Ich glaubte, dass
sich bei einem Gegenstande der Neigung meines eigenen
Geschlechts treue Freundschaft und reine Liebe eng ver-
einigen Hessen, während bei Weibern die Liebe immer
mit Begierde gemischt sei." Wenn Platen im letzten Satze
auch vergass, was er im ersten ausgesprochen, so bleibt
doch die Entdeckung an sich bewunderungswürdig, dass
das weibliche Element ein seinem Wesen Innewohnendes
ist, eine Wahrnehmung, die wissenschaftlich einen hohen
Wert besitzt. So überwiegt das bessere Bewusstsein
schon frühe das falsche, von der Welt aufgedrängte Urteil,
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— 100 —
und Platen, welcher seine n Trieb im Tagebuch als
Thorheit bezeichnet, Uisst ihn anders erscheinen im eigenen
Denken und Thun.
Verfolgen wir seine Spur bis zu seinen ersten An-
langen. Der junge Mann hatte eben das 1(5. Lebensjahr
überschritten und war somit in das Alter der Pubertät
eingetreten, als er schon mit Besorgnis die ungewöhnliche
Liebesrichtung gewahr wurde. „Das Jahr 1813", sagt er,
nachdem er seine frühere Jugend und die politischen Zeit-
ereignisse geschildert, mit der ihm eigenen Offenherzig-
keit in den Memorabilien, „das Jahr 1813 erregte auch
mancherlei Stürme und Veränderungen in meinem H erzen.
Da ich von meiner äussern Umgebung so detailliert ge-
sprochen, wie dürfte ich verschweigen, was in meinem
Innern vorging? Es wird mir schwer, einer seltenen
Thorheit zu gedenken, die mir so viel fruchtlosen Gram
verursachte; aber die Aufrichtigkeit verbietet, sie zu
umgehn."
„Auf einem Hof ball am 10. Februar sah ich zuerst
den jungen Grafen M. D. [Graf Mercy d'Argenteau, der
bereits erwähnte Graf * *], Bruder des * * [französischen]
Gesandten an unserm Hofe. Noch begreife ich kaum,
welche plötzlichen Eindrücke sein Bild in mir zurück-
liess." Das war etwas ganz Anderes als Das, was er da-
mals gleichzeitig für die Französin empfand. Er sagte
jetzt selbst: „Ich weiss nicht, ob ich es Liebe nennen soll,
was ich für diese Französin empfinde. Zum wenigsten
ist es das nicht mehr, was Mercy aus den Tiefen meiner
Seele unwillkürlich hervorlockte." Und später: „Mein
ganzes Sein und Leben und Denken gehörte dem Grafen.
Nur in ihm war ich meiner selbst bewusst. Die ganze
Schöpfung lächelte mich blumenvoll an.* Sein Bild be-
schreibt er also: „Er war nicht schön, auch nicht sehr
gross, blond und schmächtig. In ihm hatte ich plötzlieh
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— 1<U —
ein Ideal gefunden, auf das ich die edelsten Eigenschaften
der menschlichen Seele übertrug. Ich habe ihn nie ge-
sprochen und nie etwas von seinem Charakter erfahren.
— Eine ähnliche, doch schwächere Anziehungskraft übte
einige Monate später [nachdem der französische Graf die
Residenz verlassen hatte] der Prinz von [Prinz
Karl Anselm von Ottingen-Wallerstein, gleichaltrig mit
Platen] aus, obgleich M(ercy) nichts weniger als ver-
gessen war. Ich sah ihn in allem nur dreimal. Er er-
reichte sein zwanzigstes Jahr nicht mehr." [Prinz Ottingen
fiel im Treffen bei Hanau. | Hier schon vereinigte sich
die Liebe mit dem Leid. Platen konnte den Schmerz
um den für immer Verlorenen nicht überwinden, und die.
Schatten seiner ihn nie mehr verlassenden Melancholie
beginnen in sein Dasein zu fallen. Nicht ohne die der
Jugend eigene Sentimentalität und im Stile der Zeit
klagt er: „Es ist nichts Bleibendes unter der Sonne;
Blüten fallen, ohne Frucht zu hinterlassen ; in jeder Freude
verborgen liegt der Keim des Schmerzes. Der fackel-
senkende Genius rast, einer Furie gleich, unter den Erd-
geborenen, dass wieder Staub werde, was vom Staub
genommen. W. | Wallerstein] ist nicht mehr unter den
Lebenden. Gebrochen sind die sanften Augen, der
schwarzen finstern Erde gehört der blühende Jüngling.
Dahin sind meine Hoffnungen alle; die wilde Fackel des
Krieges verzehrte das prangende Gebäude meiner Wünsche
und Pläne. Ich war voll schöner Träume; eine glück-
liche Zukunft lag, zum mindesten als Möglichkeit, vor
mir, da [ruft er mit „Thekla" in Wallenstein aus]:
Da kommt das Schicksal. — Rauh and kalt
Fasst es des Freundes zärtliche Gestalt
Und wirft ihn unter den Hafschlag seiner Pferde —
Das ist das Los dcB Schönen auf der Erde.
Der Liebende sucht sich dadurch zu befreien, dass er an
die Mutter des Gefallenen einen Brief richtet und um
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— 1112 —
ein Andenken an den Toten bittet. Der Brief „war
gerade in keinem schlechten Stil und gefühlvoll ge-
schrieben, wie es in meiner damaligen Lage nicht anders
sein konnte. Ich liebte meinen Toten, den ich nur drei-
mal gesehen hatte. Was aus meinem Briefe geworden,
weiss ich nicht; Antwort erhielt ich keine/ Im Ueber-
mass der Empfindung drängt es ihn, seinem Schmerz
durch Mitteilung Luft zu machen, und ohne irgend etwas
Tadelnswertes in seiner Neigung zu finden, weiht er einen
Mitzögling [Massenbach] in das Geheimnis seines Schmerzes
ein. Ueberhaupt ist es ihm nicht möglich, in seiner Liebe
etwas Schlimmes zu entdecken. Platen betrachtete sie
sogar als die Quelle alles Guten. „Sie ist die Liebe",
schrieb er damals, „zu allem Schönen und Wahren und
Vollkommenen; zu allem, was uns heisse Thränen der
Rührung und Ausrufungen der Bewunderung ablockt.
Sie ist eine ewige Mahnung zur Tugend, eine ewige
Warnung vor Allem, was das Gute verdammt. 1 ' Ver-
trauensvoll legte der Jüngling in Augenblicken des Trostes
das Schicksal seines Herzens in Gottes Hand. Dass die
mannmännliche Neigung eine „Thorheit* oder „An-
gewöhnung" sei, von dieser Anschauung kam Platen ohne-
hin ab, als er, kaum 17 Jahre alt, das Pagenhaus verliess,
und in die Welt und Gesellschaft trat. Hier war er
nicht mehr ausschliesslich auf Personen seines eigenen
Geschlechts angewiesen, im Gegenteil gehörte es für
einen jungen Offizier, der er nun geworden, zum guten
Ton, dem schönen Geschlecht in ausgiebigstem Masse die
Cour zu machen. Allein weit entfernt, sich nun mit
Muse den Damen zu widmen und sich seine Vorliebe
für das männliche Geschlecht „abzugewöhnen," wurde diese
nur immer tiefer und glühender. An Stelle der beiden
Verlorenen traten in seinem Herzen neue Bilder, die er
mit inniger Liebe anbetete. Insbesondere nahm ihn nun
ein junger Mann, männlicher und etwas älter als er selbst
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— 193 —
ein, ein Bürgerlicher, der, uin Kunststudien zu betreiben,
sich in München aufhielt. [Es war derselbe der ihn auf
Nathanael Schlichtegroll, den ihm später so nahestehenden
Vertrauten, aufmerksam gemacht.] „Am 28. Mai 1814",
schreibt Platen, lernte ich durch Liebeskind einen jungen
Maler, namens Issel, kennen, den der Grossherzog von
Darmstadt reisen lässt. Im Anfang glaubte ich nichts
Besonderes an diesem Jüngling zu finden, aber bald sah
ich mit enthusiastischer Ueberschwenglichkeit eine grosse
Vielseitigkeit, einen reinen Geschmack, ausserordentlichen
Kunstsinn und bündige Sprache, dazu die grösste Liebens-
würdigkeit im geselligen Umgange, ein friedlich zuvor-
kommendes, ungezwungenes Wesen." Sofort entstand ein
reger Freundschaftsverkehr, und Issel schloss sich eben-
so gern an Platen wie dieser sich an ihn an. „Ich be-
greife nicht," heisst es im Tagebuch, wie sich ein so
geistreicher Mensch für mich interessieren kann. 14 Als
Platen •rfuhr, dass Issel einige Haare von einer Locke
Schillers besass, erhielt er dieselben zum Geschenke; er
selbst gab ihm dagegen Gedichte, z. B. „Des Mädchens
Nachruf" und „Abschied an den Geliebten" als Unter-
pfand seiner Gefühle. Auf einer Dienstreise, die Platen
an die Südgrenze des Königreichs unternehmen musste,
begleitete ihn der Künstler; aber diese Reise fiel für beide
Teile anders aus, als sie erwartet hatten. Es tritt hier
zum erstenmale im Charakter des Liebenden ein Zug hervor,
den wir schon in seinen Freundschaftsverhältnissen un-
gern wahrgenommen haben, der aber zu seiner in intim-
eren Beziehungen zu tage tretenden Liebessehnsucht noch
weniger passen will. Kaum hatte nämlich Platen wahr-
genommen, dass eine tiefere Neigung, wie in ihm so auch
im Gegenstande seiner Freundschaft und Liebe Wurzel
gefasst, so kehrte er seine Kälte hervor. Issel war fein-
fühlend genug, dies zu bemerken und schon am zweiten
Tage der Reise wurde er still und in sich gekehrt. Ein
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 13
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— 194 —
kleines Miss Verständnis, das hinzukam, führt mehrere
Stunden später zur vollständigen Verstimmung. „Nun
sprachen wir nicht mehr miteinander. Ich ging auf ein
nahes Bergschloss, Falkenstein; im Hinaufgehen begegnete
mir Issel; ich wich ihm aus, und er rief mir nach, dass
er droben meinen Namen auf einen alten Stein graviert
habe.* Es kam zur Trennung, und der Begleiter kehrte
nach München zurück. Ehrlich gegen sich selbst fügt
Platen dem Berichte bei: „Mir that es leid, Issel durch
meine Launen dazu veranlasst zu haben. AVenn ich nicht
auf diesen Eigensinn verzichte, so werde ich mich un-
glücklich machen und mir viele Menschen entfremden.' 1
Dieser Eigensinn bildet ein Moment in Platens Persönlich-
keit, das einer pathologischen Untersuchung würdig wäre.
Zu einer Feindschaft oder völligen Entzweiung artete in-
des der Zwischenfall mit Issel nicht aus. Dieser schrieb
noch aus Italien, sandte Epheublätter vom Grabe Virgils
und erbat sich die Silhouette des aufstrebenden J Richters.
Bald nach der misslungenen Reise verdrängte ein
Zustand jede peinliche wie erfreuliche Erinnerung, ein
Zustand, der die ganze Seele Platens erfüllte und sie für
lange Zeit in die heftigsten Aufwallungen versetzte. Es
war die erste grosse Leidenschaft, die sich seiner be-
inächtigte, die Leidenschaft für „Federigo." Am 12. No-
vember 1814, in einer „heiss nach Liebe verlangenden
Zeit" zog bei einem Konzerte, das ein vornehmer Klub,
die Gesellschaft Harmonie, gab, ein junger Kavallerie-
Offizier, Friedrich von Brandenstein, aus Nord-
deutschland gebürtig, aber in einem bayrischen Regiment
dienend, Platens Augenmerk auf sich. „Er ist nicht
gross, aber hübsch gewachsen; seine Gesichtszüge sind
regelmässig, sehr angenehm und enthalten etwas Stolzes,
was mich besonders anzieht. Er ist blond wie der Graf *
|Mercy|. Seine Sprache gefällt mir; doch scheint er
sehr monoton, und ich konnte nur ein paar Worte aus
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— 105 —
ihm herausbringen. Ich hatte schon früherhin ein paar
Worte mit ihm gewechselt; auf einem Konzert zu Nvmphen-
burg nämlich, als die russische Kaiserin | Elisabeth
Alexiewna, geb. Prinzess. von Baden | hier war, wo er
beim Souper an meiner Seite sass". — Platen findet es
angezeigt, da wo er im Tagebuch das erstemal die Leiden-
schaft zu Brandenstein erwähnt, sich über die moralische
Seite seiner abnormen Neigung auszusprechen. „Ich hatte
damals noch keine Idee, dass ein strafbares Verhältnis
zwischen zwei Männern existieren könne; sonst würde
mich dieser Gedanke vielleicht zurückgeschreckt haben.
Einige Zeit später fand ich zwar in mehreren Schriften
die Männerliebe erwähnt, und schenkte diesem Gegen-
stande zuerst meine Aufmerksamkeit, da er mir in früheren
Jahren bei Lesung Plutarchs entgangen war. [Also auch
aus den Klassikern hatte Platen seine klassische Neigung
nicht geholt.] Aber auch jetzt ignorierte ich noch, dass
sinnliche Wollust dabei im Spiele sein könnte; das un-
selige Geheimnis wurde mir erst durch einige unzüchtige
Bücher von Piron \Poe.sies badwcs\ klar, die mir in
Frankreich in die Hände fielen. Nie hat Begierde meine
Neigung zu Federigo entweiht."
Platen hat nach jenen beiden Gelegenheiten nie mehr
ein Wort mit Brandenstein gesprochen. Dieser selbst
hatte und erhielt nie eine Ahnung von dessen Gefühlen,
und dem dennoch Liebenden verschloss eine übermächtige
Leidenschaft den Mund.
Wohin er ging, da „hoffte und fürchtete er ihn zu
finden". Einigemale führte ihn der Zufall in dessen nächste
Nähe. Es war im Klublokal der nämlichen „Harmonie''
wo er ihn einmal gesprochen hatte. Platen erzählt: „Ich
war in eine Lektüre vertieft, als plötzlich die edle Ge-
stalt vor mich hintrat. Er nahm eine Zeitung, die mir
zur Seite lag. Wie war ich froh, ihn wieder zu sehen !
Er sass ungefähr vier Stühle von mir entfe.nt. Ich ver-
13*
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— 19(5 —
lies« meinen Sitz auf ein paar Augenblicke, um ein Journal
zu holen ; inzwischen gingen die Personen, die zwischen
uns ihren Platz hatten, und B. setzte sich auf einen
Sessel neben mich. Ich war berauscht durch diese
Nachbarschaft. Ich nahm mich zusammen, um ein ge-
heimes Zittern zu verbergen, das mich ergriff, und ob-
schon ich ganze Seiten in dem Journal gelesen hatte, so
habe ich doch nicht einen Buchstaben behalten. Demunge-
achtet war von Gegenständen der Poesie die Rede, von
Dingen, die mir sonst die interessantesten würden ge-
schienen haben. Aber nun kam ich mir selbst vor, wie
Don Carlos in der Kapelle, als die Kleider gewisser
Damen hinter ihm rauschten; ich verlor mein Fassungs-
vermögen. Ich hatte mich gegen 8 Uhr bereits zum
Gehen fertig gemacht, als er gleichfalls aufstand. Ich
ging rasch zur Thür hinaus, er folgte mir in ein paar
Minuten. Wir kamen fast zugleich an die Thüre des Vor-
saals; er öffnete sie und Hess sie mir offen. Er sprang
die Treppe hinunter; ich ungefähr 10 Schritte hinter
ihm. Wir gingen im Gange nebeneinander; am Thore
machte er eine kleine Zögerung, so dass ich gezwungen
war vorauszugehen. Er ging rechts gegen die Haupt-
wache, ich links." — Dies war die einzige und wichtigste |!|
Begegnung, die Platen noch mit Brandenstein hatte, und
doch fügte er den Eintrag in rührender Selbsttäuschung
bei: „Es scheint mir ein stummes Verhältnis zwischen
uns zu walten."
Je weniger sich eine Annäherung ermöglichte, desto
glühender wurde das Verlangen, desto schmerzlicher die
Enttäuschung. Platen zieht sich ganz auf sein Inneres
zurück, hält Selbstgespräche, dichtet Dialoge mit dem
Geliebten, die aber dieser nie zu Gesicht bekam. Eine
düstere Stimmung bemächtigt sich seines Gemütes, und
in französischer und deutscher Sprache klagt er das Leid
dem damals einzigen Vertrauten, dem stummen Tagebuch:
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— lt>7 —
„TVo ist das Lied, das mir verhallt
In Freuden sonst und Schmerz:
Der Winter ist so rauh und kalt,
Doch kalter ist mein Herz
Es hat noch nicht vier Lustren rein
Mein Lebenslauf umfasst,
Und, ach, mir ist mein junges Sein
Schon eine alte Last!
Dann aber gibt er sich dem süssen Wahne hin, dass
jede Liebe reciprok wirke, und dass er eben wegen seiner
Liebe Gegenliebe finden müsse. In einem poetischen
Dialoge mit Federigo heisst es:
Es ging ein Märchen seit uralten Tagen
Das noch bis jetzt in Mancher Mund besteht :
Dass oft zwei Herzen für einander schlagen
Durch einen wunderthätigen Magnet,
Und Liebe wird von Sinn zu Sinn getragen.
Ans treuen Zügen thut er sich uns kund,
Durch heisso Sehnsucht weiss er uns zu quälen ;
Er drängt die edlen, die verwandten Seelen
Unwiderstehlich zu dem Brüderbund.
Schade, dass dieser Wahn, der nicht allen Untergrundes
entbehrt, nur zuweilen in der allgemeinen Liebe sich mit
den Thatsachen deckt. Hier wirken die Gegensätze der
Geschlechter ergänzend auf einander und ziehen sich an;
in der homosexualen Liebe aber wird diese wohlthätige
Wirkung durch das scheinbar gleiche, das äusserliche,
Geschlecht der Liebenden aufgehoben, und es tritt sogar
die umgekehrte Wirkung ein, d. h. es wird der geliebte
Gegenstand um so mehr abgestosseu, je heisser der Trieb
des homosexualen Teils diesen auf jenen hindrängt. Und
dieses Missverhältnis scheint gerade zwischen Platen und
Brandenstein ein besonders ausgeprägtes gewesen zu sein.
Platen muss dies zuweilen selbst geahnt haben. Kr lässt
im Dialog den Angebeteten antworten, nachdem dieser
lange stillschweigend zugehört:
Vollends Hess ich Dich gewähren,
Vollends bab' ich Dich gefasst;
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IjS —
Nimm auch meine volle Meinung:
Deine Worte, Deine Zähren
Sind mir, wie Du selbst, verhasst;
Hofl'e nio und nie Vcrcinung.
Eine allgemeine Mutlosigkeit bemächtigte sich seiner-
Wehmutsvoll ruft er aus: „Ich habe kein Selbstvertrauen,
kein Vertrauen — auf niemand — mehr. Nachdenken
möchte ich über mich selbst, und ich bin's nicht im Stande ;
weinen möchte ich, und ich kann's nicht; fort möchte
. ich, und noch ist's nicht Zeit; sterben möchte ich, und
ich darf nicht."
Auf den Ostersonntag, wo ein von Offizieren be-
suchtes Konzert bei Hofe stattfand, hatte er die letzte
Hoffnung gesetzt, sich Brandenstein nähern zu können.
Aber er schreibt: „Tout est passe. Je vievs du concert
qui eut Heu u la cour. J'ai vu Fcderigo\ peut-Hre la
demiere fois. Oh queje niapptr^us trop bien, qu'ilnuprise!
.11 faul purtir sans lui avoir dit adieu!" |Der Ausmarsch
nach Frankreich stand bevor.] „OÄ que eeite passion est
devenue puissantel Mon coeur est fendu. J'etait pret a
partir, fen Hais si gai, mais il me sernble dans cc moment
que je suis retenu par des chaines de diamant." Und in
der Nacht vor dem Abzug vertraut er den Blättern des
Tagebuchs: „ Que dirai-je cncoreY Peut-Hre je ne retour-
nerai plus. Queje serais heurcux! Ahrs je ne scrais plus
meconnu des hommes. je trouverais un bonheur que fai
chcreht' envain. Ces ames rüdes ne me toucheront plus." —
Er fühlte sich verkannt, verachtet und verlassen von den
Menschen. Jetzt erinnerte er sich, wie er, der um Liebe
bettelt, oft mit Liebe gekargt hat: „So ein teilnehmender,
glühender Freund wie Issel thäte mir jetzt sehr not.*
Die Trennung, welche durch den Ausmarsch statt-
fand und welche sonst einen heilsamen Einfluss auf
liebende Gemüter ausübt, brachte bei Platen die gegen-
teilige Wirkung hervor. Die Leidenschaft loderte immer
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heftiger auf; vergebens suchte er den Geliebten zu ver-
gessen. „Ich gab mir selbst das Gesetz," schreibt er an
der Grenze des deutschen Reichs, „ seinen teuren Namen
nicht mehr in mein Tagebuch zu schreiben ; aber dennoch
geschah es wieder nach einiger Zeit des Stillschweigens.
O mein teurer Br , soll ich Dich niemals meinen
süssen, lieben Freund nennen? Soll ich Dich nie an
mein Herz drücken?" Damals war es, wo er Blumen-
kränze flocht. Damals verglich er sich mit Heloise, da-
mals pflückte er, der Offizier, auf einem abendlichen
Spaziergang am Ufer des Rheins, drei Massliebchen, um
— nach Gretchenart — daran sein Glück zu versuchen!
„Ich raufte die Blätter nach einander aus, mit den ab-
wechselnden Worten „liebt mich, liebt mich nicht", und
bei allen drei Blumen traf das „liebt mich" auf das
letzte Blatt."
Er überlegte, ob er sich an Brandenstein nicht brief-
lich wenden sollte. Da er aber dessen Gesinnungen nicht
kannte, bedachte er, dass er dadurch, wie er sagte, das
Stadtgespräch werden, und „dass der Brief von einem
Offizier zum andern wandern könnte und Stoff zum Lachen
gäbe." Man sieht, Platen fürchtete jetzt für seine
Person, falls seine Neigung offenkundig würde, und wir
könnten nun geneigt sein, diese Furcht als die Stimme des
bösen Gewissens gelten zu lassen. Allein solche Besorg-
nisse sind die unausbleiblichen Folgen jener Beurteilungen,
•die der Homosexuale immer und überall im Gespräche
erfährt. Schon in der Schule wird — was allerdings bei
Platen nicht der Fall gewesen zu sein scheint — die
Neigung mit den schärfsten Worten gebrandmarkt und
zwar oft von demselben Lehrer, der Plato und Sokrates,
Tibull und Virgil vorzutragen hat, so dass der Schüler,
auch der normale, mit seinem eigenen Verstand in Wider-
spruch gerät. Weit mehr noch wird die abnorme Seelen-
veranlagung im Offiziersstande verkannt und verachtet,.
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— 200 —
dem Platen nunmehr angehörte. Das strafende Gewissen
also ist es nicht, was die Furcht entdeckt zu werden im
Homosexualen zeitigt, aber Platen vernahm nun mit
Entsetzen aus dem Munde seiner Kameraden, dass es
ein schimpfliches Laster sei, was er bisher als das heiligste
Gefühl in seiner Brust verehrt hatte.
Er wusste zwar, dass er anders geartet war als die
Uebrigen, dass sein Los ein unglückseliges, seine Gefühls-
weise eine allzu weiche sei, aber an dem Zuge seines
Herzens, der sein Schicksal war, änderte diese Wahr-
nehmung nichts. „Jeder, dem vielleicht der Zufall diese
Blätter," sagt um jene Zeit das Tagebuch, „in die Hände
führen sollte, wird nicht umhin können, meine weiche,
unfeste und unglückliche Gemütsart, die so schnell von
Allem hingerissen wird, zu verachten. Dennoch scheue
ich mich auch jetzt noch nicht zu sagen, dass mir Branden-
stein unendlich wert ist, und dass mich seine nähere Be-
kanntschaft beglücken würde. Ich lege nun einmal meine
süssesten Hoffnungen auf das blonde Haupt dieses Jüng-
lings nieder, und jener Mensch ist noch immer beneidens-
würdig, der noch immer etwas mit Heftigkeit wünschen
kann, und dem die allgemeine Schalheit und Gehaltlosig-
keit das Leben nicht bereits vergällt hat." — LTnd doch
war es niemand mehr vergällt als ihm, dem die Natur
in dem einzigen das Leben erträglich, jedenfalls die
Jugend glücklich machenden Mittel, in der Liebe, einen
Possen gespielt hatte.
Monatelang hatte Platen geseufzt und den Augen-
blick herbeigewünscht, da er den geliebten Mann wieder
sehen sollte. Als er ihn, nach München zurückgekehrt,
wirklich sah, wurde der Schmerz noch grösser als je.
Beim Truppeneinzug erblickte er unter der Kavallerie
Brandenstein wieder. „Er ritt vorüber und grüsste einige
von meinem Regimente, mich aber grüsste er nicht. Ach,
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warum kennen ihn so Viele, und nur mir konnte es nicht
gelingen? Meine Sehnsucht nimmt von Stunde zu Stunde
zu, meine Hoffnung wird immer geringer.' 4
0 dürft 1 ich in gefühlten Worten ihm
Mein tiefstes Leben offenbaren, dass
Er mich verstünde und erleichterte !
Verschlossen aber in mich selbst muss ich
Ertragen, was mir zugeteilt, ich kann
Der heissen Sebnsuchtsglut mich nicht entwinden,
Die an der Wurzel meines Daseins nngt.
Von seinem damaligen Seelenzustandc zeugt kein Wort
besser als die beiden Umstände, dass im Tagebuch aus
dieser Zeit die meisten Blätter herausgeschnitten sind
und dass er damals mit dem Gedanken umging, nach —
Amerika auszuwandern !
Wohl eine Ablenkung von dem Gegenstand der
Sehnsucht, aber keine Befreiung von der Leidenschaft
brachte eine Episode, die in diese Tage — Frühling 1810
— fällt. — Der Traum während des nächtlichen Schlafes
bildet im Liebesleben bekanntlieb keinen unwichtigen
Faktor, und wie Platens Träume ihm von jeher männ-
liche Personen vorgeführt hatten, so zeigte ihm jetzt in
den Tagen der Aussichtslosigkeit und des schmerzlichsten
Unbefriedigtseins ein Traum das Bild eines Mannes, den
er infolge seines Berufes wohl kannte, der ihm aber bis-
her vollkommen gleichgiltig gewesen war. Mächtig schlug
die Flamme einer sinnlichen Leidenschaft auf. Haupt-
mann Wilhelm von H. fornstein|, an Jahren voraus,
an physischer Kraft ihm überlegen, tritt plötzlich in den
Mittelpunkt des Platen'schen Ideenkreises und Hess ihm
die elementare Gewalt des geschlechtlichen Gegensatzes
fühlbar werden. Ohne dass der eine vergessen wurde,
fesselte der andere Mann das liebedürftige, weiche Herz
des Neunzehnjährigen, und dieser hatte nun den Kampf
mit zwei Leidenschaften aufzunehmen. „Meine Lage ist
trauriger als je. Ich kann in diesem Zustaude nicht
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— 202 —
bleiben; alles ekelt mich an, es ist nur Eine Sache, an
die ich denke. Man nenne mich den schwächsten, ver-
ächtlichsten aller Menschen, ich bin es; aber ich kann
nicht anders. So lange mir nicht jede Hoffnung be-
nommen ist, kann ich mein Vorhaben nicht aufgeben.
O wenn ich nur ein einziges kleines Zeichen seiner Gunst
oder Aufmerksamkeit für mich bemerkt hätte! Aber
auch nicht ein einziges. Er bleibt stolz und kalt." Seiner
Empfindung nicht mehr Herr, eröffnet er sich dem treuen
teilnehmenden Schnizlein; als er einmal auf der Wache,
nachdem Hornstein weggegangen war, das Kopfkissen sieht,
auf dem dessen Haupt geruht, bedeckt er es mit Küssen.
Die Leidenschaft unterschied sich in nichts von der für
den andern Geliebten, nur in den äusseren Umständen
verlief sie verschieden, und gerade das Ziel, das Platen
so sehr ersehnte und das er bei Hornstein erreichte, war
der Grund, dass sie schneller erlosch. Platen schmückte
in der Phantasie die geliebten Männer mit allen jenen
Vorzügen aus, die er an den Menschen wünschte, und
wenn er sah, dass diese Voraussetzungen nicht zutrafen,
stellte sich sofort die Ernüchterung ein. Sein heissester
Wunsch war gewesen, mit Hornstein einmal gemein-
schaftlich die Wache zu beziehen. Als der Zufall dies
endlich ermöglichte, da fand der Liebende nicht nur keinen
ideal veranlagten, für das Hohe und Edle schwärmenden
Marquis Posa, wie er glaubte, sondern eine realistisch
fühlende und auf den materiellen Genuss bedachte Sol-
datennatur. Mit Liebe und Leidenschaft war es vorbei.
Brandenstein trat nun wieder — ohne es zu wissen
und zu wollen — in den ungeschmälerten Besitz des
liebenden Herzens. „Die Wiederbelebung von Br/s Bild
ist das sicherste Mittel mich schnell zu heilen. |!J Er
war mir ja einst so teuer, und ist es noch; ihn schätz'
ich bereits so lange, ihn vergass ich in einer andauernden
Entfernung nicht; ihn konnte selbst Wilhelm nie ganz
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— 203 —
in meinem Herzen auslöschen. Von ihm habe ich noch
nichts Tadelhaftes gehört; freilich seitdem mich Horn-
stein so sehr bestrog, habe ich an meinen blonden Freund
(er fordert seinen alten Namen) keinen rechten Glauben
mehr. . . . Mein Herz aber und meine Phantasie werden
wieder bevölkert werden; freilich nur von Gestalten des
Wahns," und mit rührender Selbsterkenntnis fügt er das
uns bereits bekannte Wort bei: „aber der Wahn ist nun
einmal der einzige Trost für solche Leute, wie ich es bin.' :
Bei diesem Wahne blieb es. Brandenstein trat nie in die
Sphäre seines Lebens, Platen machte Anstrengungen, in
diejenige Braudensteins zu gelangen; aber stets, wenn der
entscheidende Moment kam, verliess ihn der Mut. Wäre
es durch einen freundlichen Zufall gefügt worden, dass
Platen den Angebeteten kennen gelernt und eingesehen
hätte, wie dieser auch nichts weiter als ein ehrenhafter
Mensch und tüchtiger Soldat war, so würde er sicher
„geheilt" worden sein. So aber erwachte die Leidenschaft
nicht nur wieder mit ihrer ganzen Macht, sondern wurde
nur noch glühender. „O Fritz, o Federigo, kenntest Du
meine Liebe und Treue," ruft er trotz aller Enttäuschungen
noch hoffnungsvoll aus, „Du würdest sie vergelten. Trotz-
dem dass ich Dich nirgend treffe, trotz dieser ewig
langen Trennung, trotz dass ich den mir teuern
(der Teil ist aus dem Manuskripte herausgeschnitten | so
gerne sehe, trotzdem dass meine Hoffnung immer geringer
wird, dennoch kann ich nicht von Dir lassen, dennoch
steigt Dein Bild lebhaft und lebhafter in meiner Seele
empor. Kann ich sie denn durch nichts erlangen, Deine
Freundschaft ? (.) wie würde ich Dich lieben, wie glühend,
wie würde ich Dir ergeben sein!" Wenn diese hoffnungs-
lose Leidenschaft eine Steigerung erfuhr, so musste sie
— ähnlich wie zur Zeit der Hornstein'schen Affäre —
zum Paroxismus werden: „Oft ergreift mich eine kindische
Raserei, ich umarme dann meine an der Wand hängenden
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— 204 —
Kleider, um nur Etwas an mein Herz zu drücken/ Der
natürliche, elementare Drang nach Ergänzung wurde
immer mächtiger, und unsre Achtung vor der physischen
Enthaltsamkeit, vor dem moralischen Kampfe Platens
wird Bewunderung, wenn man erwägt, dass der unbe-
friedigte homosexuelle Geschlechtstrieb weit mehr als der
normale zur Befriedigung drängt. Der Zwanzigjährige
blieb standhaft, während sein armes Herz verblutete.
Nur die örtliche Entfernung, welche bald eintrat, ver-
hinderte ein tragisches Ende; aber immer blieb von dieser
ersten grossen Leidenschaft eine Wunde zurück, und noch
lieben Jahre später, als Platen von Venedig aus einmal
München besuchte und Brandenstein flüchtig erblickt
hatte, entstand das Sonett:
So seh' ich wieder Dich nach sieben Jahren,
Dich, durch die Zeit um keinen Reiz betrogen:
Zu meiner ersten Liebe hingezogen
Erkannt' ich Dich an Beinen blonden Haaren.
Doch welche Schmerzen mnssto ich erfahren,
Die jeden frühen Kummer überwogen !
Ich konnte, wie Du mir vorbeigeflogen,
Nur kaum Dein göttliches Profil gewahren.
Nun muss ich wieder flieh'n Dich und entsagen,-
Gcniessend eine flüchtige Sekunde,
Was ich erharrt in mehr als tausend Tngen.
Micb grüsst kein Blick, kein Wort aus Deinem Mundo,
Und ohne Mass ertönen meine Klagen
In dies-r nächtlichen betrübten Stunde.
IV.
Mit der örtlichen Entfernung trat zugleich ein Um-
stand ein, der für den Lebensgang Platens von einschnei-
dender Wirkung war. Der junge Offizier hatte die Ueber-
zeugung gewonnen, dass er mit seiner ganzen Gemütsart
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— 205 —
nicht am rechten Platze stehe, und dass ihn die Vor-
liebe für die Wissenschaften auf das Studium hinweise.
Wie er schon früher, einige Monate nach dem Feldzug,
um längeren Urlaub eingekoinmen war, den er zu Reisen
in die ansbachische Heimat, in das oberbayrische Gebirge
und in die Schweiz benützte, so bewarb er sich jetzt im
Jahre 1817 um einen solchen zum Besuche einer Univer-
sität. Er siedelte nach Würzburg über, wo er philo-
sophischen und philologischen Studien oblag und wenigstens
insofern eine Besserung seiner Verhältnisse herbeiführte,
als er sich den lästigen Garnisonsdienst vom Leibe ge-
schafft hatte. In seinen Herzensangelegenheiten trat keine
wesentliche Aenderung ein. Er selbst hatte schon daran
gezweifelt, als er München verliess. „Ich zweifle," sagt
er, ^ob Federigo der letzte sein wird, in dem ich das
Ideal eines Freundes suche." Und an einer anderen
Stelle spricht er es geradezu aus, dass ihn diese Neigung
| zu einem männlichen Wesen] sein ganzes Leben hindurch
nicht verlassen werde. Freilich eine so heftige Liebes-
glut, wie die in München zuletzt ertragene ergriff* ihn
vorerst nicht; es waren nur solche Herzensgeschichten,
die er während seiner früheren Leidenschaften so neben-
her erlebt hatte, wie diejenige mit dem „jungen Unbe-
kannten", den er im Jahre 1815 mehrmals auf der Strasse
sah, oder die Episode mit „D. A.* [dessen Namen er
nicht einmal im Tagebuch ausschrieb], einem jungen Offi-
zier, der ihm während seines Urlaubsaufenthalts in
Ansbach nicht wenig zu schaffen machte. Auch seine
Aversion gegen das weibliche Geschlecht minderte sich
nicht. Wir hören von einem Besuche, den er mit Ignaz
Döllinger, dem spätem Theologen, von Würzburg aus
nach einem benachbarten Städtchen | Kitzingen] machte.
„Wir assen bei Rektor S. zu nacht, und nachher wurde
eine Punschpartie veranstaltet; es war auch der Ober-
pfarrer von K. mit seinen Töchtern gegenwärtig
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- 200 —
Ein lustiges Pfänderspiel folgte. Minder annehmlich für
mich war die Pfänderauslosung, wo denn des Küssen-,
wie gewöhnlich, kein Ende war." — Wie mancher Andere
hätte dies gerade als die AVürze der Veranstaltung be-
trachtet!
Im Jahre 1821 treffen wir Platen in der Universitäts-
stadt Erlangen, wo Sendling lehrte, mit dem er in nahe
Beziehung tritt. Hier war es, wo ihn sein Schicksal
wieder erreichte. Zunächst empfand er eine tiefere
Neigung zu einem jungen Manne, dem Schweden Kernel 1,
der aber von einem frühen Tode hingerafft wurde. Platen
hat ihm in seinem Gedichte „Am Grabe Peter Ulrich
Kernells* ein dauerndes Denkmal gesetzt. Noch inniger
und auch glücklicher war die Liebe, die ihn während
dieser Zeit zu einem Jüngling hinzog, dessen Namen
später hohe Berühmtheit erlangte, zu Justus Liebig.
Hinsichtlich dieser Liebe hat sich in Darmstadt, wo da-
mals Liebigs Eltern lebten, noch lange eine Tradition
erhalten. „Einmal brachte Justus Liebig, der als Student
aus den Ferien heimkam, seinen Universitätsfreund, den
Grafen Platen, mit nach Hause. Die Erscheinung des-
selben, namentlich die langen Haare fielen auf, wie auch
die ungewöhnliche Zärtlichkeit, mit welcher der blasse
Jüngling an dem bräunlichen, männlich schönen Justus
hing. Eines Morgens kam das Dienstmädchen ganz er-
sehrocken in das Familienzimmer gesprungen: „Wisst Ihr
schon,** rief es, „der Platen ist ein Mädchen." Die wenig
diskrete Zimmerjungfer, [welche von der Homosexualität
den gleichen Begriff hatte wie die Gelehrten ihrer Zeit
— und in einem gewissen Grade auch unserer Tage — j
hatte das Freundespaar beim Oeffnen der Schlafzimmer-
thür in einer feurigen Umarmung überrascht, die sie sich
nur durch die Annahme erklären konnte, der junge Justus
Liebig habe ein Mädchen in das elterliche Haus ein-
geschmuggelt." —
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— 207 —
In Krlangcn erlebte Platen aber auch eine Herzens-
geschichte, die an Leidenschaftlichkeit keineswegs hinter
die Brandenstein'sche zurücktritt, die alle Symptome wie
diese aufweist und da, wo sie sich von dieser unter-
scheidet, nur noch eine unglückseligere Vertiefung be-
kundet Wir werden daher alle sich wiederholenden
Liebesklagen umgehen und von den sonstigen Aeusse-
rungen bloss diejenigen mitteilen, die eine Veränderung
der Situation bedeuten, oder mit dem äussern Verlauf
der Geschichte zusammenhängen.
Am 23. Juli 1821 lernte Platen einen Studenten
kennen, der seiner eigentlichen Stellung nach hannoverischer
Dragoneroflizier war, und der einmal zu seinem Ver-
gnügen ein Jahr au einer Universität zubringen wollte.
Er wählte hiezu »langen, weil er dort als Knabe einige
Zeit gelebt hatte. ., Dieser Jüngling, ein lustiger Bruder,"
heisst es in einem Briefe an Fugger, „eine leichte Natur,
ohne alle Affektation und Anmassung, ohne im geringsten
ein Geck zu sein, harmlos, immer freundlich, wird bald
mein liebster Freund." Dem Kenner der Mensehenseele
wird nicht entgehen, dass hier gerade das Gegenteil von dem,
was Platen selbst war, in die Erscheinung trat. Wie
Brandenstein der berittenen Truppe angehörig, war der
junge von Bülow — so hiess dei Freund — eine voll-
kommene Manuesnatur, dunklen Haares, mit schwarzen
Augen, einem flotten Auftreten, kurz mit all jenen Eigen-
schaften ausgestattet, die Platen an sich schmerzlich ver-
misste. Sein eigenes A eusserc wird von einem Augenzeugen
jener Zeit geschildert wie folgt : Platens Erscheinung war
eigentümlich, von bleicher Gesichtsfarbe, feinen blonden
Haaren, lichtblauen Augen, schwächlicher Gestalt — in
Tracht und Sitte absonderlich." Ueber seine seelischen
Eigentümlichkeiten sind wir genügend durch ihn selbst
unterrichtet.
Fugger, damals Chevauxlegersottizier in einer kleinen
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Garnisonstadt Bayerns, war zu jener Zeit Platens ver-
trautester Freund, mit dem er in regstem Briefwechsel
stund. Wir wissen aber bereits, dass Fugger, trotz-
dem er sich einmal einen Weiberfeind nannte, nicht gleich-
fühlend mit Platen war. Dieser bemerkt jetzt sogar:
„Fugger tadelte an mir, dass ich zu wenig weltlich und
sinnlich wäre, und dass ich die Weiber noch auf keine
vertrautere Weise kennen gelernt habe." Deshalb konnte
auch ihm sich Platen nicht vollständig enthüllen und es
sind bloss äussere Vorzüge Bülows mit denen Platen dem
Vertrauten gegenüber jetzt in Briefen seine leidenschaft-
liche Zuneigung motiviert. Soweit kannte Fugger seinen
Freund gleichwohl, dass er nicht zunächst diese Eigen-
schaften, sondern „die Schönheit" Bülows als die Quelle
der Liebe entdeckte, und damit war für Platen Alles
gegeben, was er als Voraussetzung zu seinen Mitteilungen
benötigte. Und diese kamen in reicher Fülle; vor Allem,
was sein Herz in dieser bewegten Zeit erfüllte, wurde
Fugger benachrichtigt. Fugger las zuerst die Ghaselen,
die schönsten der Platen'schen Liebesgedichte, welche
Alle an Bülow gerichtet, wenigstens aus der Liebe zu
ihm hervorgegangen sind. „Die neuen Ghaselen", schreibt
Platen am 3. Oktober 1821, „wenn sie auf hundert an-
wachsen, werden unter dem Titel „Der Spiegel des Hans*
herausgegeben. Sie werden den künftig Gebornen sein
[Bülows] Bild aufbewahren." Der Dichter vergleicht sich
mit Shakespeare, in dessen* Sonetten an den Grafen Sout-
hampton sein Verhältnis zu Bülow so wie nirgends aus-
gesprochen sei.
Brachten es in Erlangen die studentischen Gewohn-
heiten mit sich, dass man sich dort leicht näherte, so
wäre dies einst auch in München leicht möglich gewesen,
zumal Platen ebenso wie Brandenstein dem Offizierstande
angehörte und überdies von höherem Adel war. Aber
wie es hier zu keiner Annäherung kam, so hätte Dies
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— 209 -
auch in Erlangen der Fall sein können, wenn Platen in
den drei letztverflossenen Jahren sich in dieser Hinsicht
nicht geändert, d. h. wenn er am Selbstvertrauen nicht
zugenommen hätte. Es entstand nun ein gesellschaftlicher
Verkehr zwischen ihm und Bülow, ja es entwickelte sich
sogar ein Freundschaftsverhältnis, das freilich aufseite
des Letzteren nicht über das gewöhnliche Mass hinaus-
ging. Platen aber, der Entsagung gelernt hatte, war
schon damit zufrieden und glaubte, mit Wenigem Alles
erreicht zu haben. Auch sein sinnliches Teil, das damals
.«ich zu regen begann oder wenigstens nicht mehr ver-
nünftelnd niedergehalten wurde, scheint nicht ganz un-
befriedigt geblieben zu sein, selbst wenn das vielberufene,
um jene Zeit entstandene Ghasel nicht buchstäblich zu
nehmen ist :
.Ich bin wio Leib dem Geist, wie Geist dem Leibe dir!
leb bin wie Weib dem Mann, wie Mann dem Weibe dir!
Wen darfst du lieben sonst, da von der Lippe weg
Mit ew'gen Küssen ich den Tod vortreibe dir?
Ich bin wie Rosenduft, dir Nachtigallgesang,
leb bin der Sonne Pfeil, des Mondes Scheibe dir:
Was willst du noch? Was blickt die Sehnsucht noch umher?
Wirf Alles, Alles hin: du weisst, ich bleibo dir.
Auch sonstige Liebesgedichte jener Zeit haben einen
starken Zug ins sinnlich Erotische, das nicht bloss aus dem
„ Spiegel* des Hafis widergestrahlt sein mag. Der Kuss
erscheint im Bunde mit der Liebe Piatos, und der Dichter
scheut sich nicht den Wunsch auszusprechen fGhaseln 109]:
Es windet sich der Liebe Geist um deiner Glieder Ebenmass
Wie nm die Worte des Gesangs die weiche Melodie herum.
Wann liegt mein Haupt auf deinem Schooss, indem sich mein
verwegner Arm
Um deine schlanke Hüfte schlingt and um dein schönes Knie herum ?
Platen begann schon weitgehende Pläne an das Erreichte
zu knüpfen und gedachte mit dem Geliebten eine Reise
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 14
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— 210 -
in das südliche Tirol zu macheu. Aber Dieser verlies»
nun aufeinmal Erlangen, weil, wie er sagte, die Anwesen-
heit des Königs von England sein Erscheinen in der
hannoverschen Heimat erheischte. Platen entschloss sich
rasch, ihn bis Gotha zu begleiten; dort fällt ihm indes
der Abschied so schwer, dass er sich nicht trennen kann,
und folgt dem Freunde weiter bis Göttingeu, wo dieser ihn
endlich verliess. Die Leidenschaft wurde mächtiger denn
je; kaum nach Erlangen zurückgekehrt, sinnt er bereits auf
Pläne, wie er mit dem Geliebten wieder zusammen kommen
kann. Die Aussichtslosigkeit seiner Hoffnungen fällt wie
eine schmerzliche Lähmung auf sein Gemüt. Damals
war es, dass er an Fugger schrieb: „Ich mache keine
Verse mehr, bis ich den Freund wiedersehe; dies ist
mein festes Gelübde, das ich gethan habe. Auch trinke
ich keinen Weiu mehr und lege alle hellen Farben ab."
Fugger, der eine hohe Achtung wie vor den Geistesgaben
so vor dem Charakter Platens hegte, antwortete mit
wahrhaft freundschaftlicher Teilnahme und suchte ihn zu
trösten. Aber hier, wo es galt, einen Missgriff der Natur
gut zu machen, gab es keinen Trost. Wer einen Blick
in Platens damalige Seelenverfassung zu thun vermag,
wird von dem Schmerze mitergriffen, der aus den Worten
spricht :
O süsser Tod, der alle Menschen schrecket,
Von mir empfingst da lauter Huldigungen;
Wie hab* ich brünstig oft nach dir gerungen,
Nach deinem Schlummer, welchen nichts erwecket!
Ihr Schläfer, ihr, von Erde zugedecket,
Von ew'gen Wiegenliedern eingesungen,
Habt ihr den Kelch des Lebens froh geschwungen,
Der mir allein vielleicht von Gallo schmecket?
Früher war er schon einmal — während seiner un-
glücklichen Leidenschaft für Wilhelm von Hornstein —
mit Selbstmordgedanken umgegangen. „Nur Ein Mittel 4 ',
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schrieb er damals, ist noch übrig, mich aus diesem Drang
zu führen, ein sicheres Mittel — der Tod. Der Tod
sage ich, es sollte heissen der Selbstmord. Noch schaudert
mich vor diesem Gedanken, der sich heute zuerst in mir
gebildet hat. Aber ich will mich so vertraut mit ihm
machen, dass er mich nicht mehr schaudern soll. . . .
Ich gebe meinen guten Ruf verloren unter den Menschen;
was liegt mir daran, wenn ich nicht mehr bin? Ich '
wollte leben, wenn ich leben könnte; aber dies elende
Dahiuschleppen ist nicht ,leben f zu nennen; es ist ein
tätliches Leben." Zwar suchte er sich einzureden, dass
es die Wahl seines unpassenden Berufs war, was ihn zum
Lebensüberdruss führte; aber dieser Beruf würde kein
unpassender gewesen sein, wenn sein unglückseliger
Liebestrieb nicht gewesen wäre, für welchen die Welt kein
Verständnis hatte, und der ihm nirgend hinderlicher als
in seinem militärischen Stande sein konnte. Er selbst sagte
einst: „Mit Wilhelms Freundschaft wollte ich Alles tragen,
Alles dulden, Alles thun. Nichts sollte mir schwer sein;
kein Geschäft sollte mir zu drückend, zu kleinlich sein,
wenn mir nur die Erholung zu teil würde, zuweilen
freundschaftliche Worte mit ihm reden zu dürfen. Aber
es sollte nicht sein. Er hätte Alles aus mir machen
können.
Ich will erst noch alles versuchen, was in meiner
Macht steht. Gelingt es mir, seine Neigung zu erhalten,
so kehre ich mit tausend Freuden ins Leben zurück!
Gelingt es mir aber nicht, und reisst mich kein plötzliches
Ereignis aus meiner Lage, so wird Gott mir ver-
zeihen, wenn ich das Grab suche." — Indes gab
er bald diesen Gedanken auf und wünschte nur, dass
von oben, vom Himmel her, eine Aeuderung seines Schick-
sals getroffen werde. „Lehre mich, Vater im Himmel,
wo das Glück zu finden sei, lehre mich die wahre
Weisheit des Lebens oder lass — mich enden!"
14*
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— 212 —
Als kein Wunder geschah, da wurde Platen an Gott
und der Welt irre, und in den Tagen nach der Trennung
von Bülow insbesondere war es, wo er glaubte, die Fittige
des Wahnsinns über sich rauschen zu hören. Damals
gab es noch keine Literatur über Homosexualität, und
die Wissenschaft hatte noch nicht gesprochen. Hätte
Platen gewusst, dass nicht ihm „allein der Kelch des
Lebens vergällt" war; wäre ihm zum klaren Bewusstsein
gekommen, dass der Träger der Homosexualität für seine
Natur nicht verantwortlich sei: gewiss würde auch er,
der sie so lange nicht mit dem Begriffe der Sittlichkeit
vereinbaren konnte, mit sich ins klare gekommen sein und
Beruhigung gefunden haben. So aber hörte er, wenn die
Rede einmal auf die mit seiner Seelenverfassung ver-
bundene mannmännliche Neigung kam, nur Verdammungs-
urteile, er durfte es nicht wagen seine Neigung einem
andern Gegenstande zuzuwenden, einem Manne vielleicht,
dessen Lebensanschauungen und Berufsverhältnisse eine
Erwiderung seiner Liebe nicht verwehrte; er verfiel der
Anwandlung zu glauben, dass diese Liebe verächtlich,
vom Träger verschuldet und deshalb nach Kräften zu
bekämpfen sei :
„Mein Leben," [das er im Tagebuch vor sich sah] ist
eine beständige Warnung vor Selbstbetrug und Betrug
an andern. [!] Es zeigt, wie lange oft eine auf gar nichts
Reelles sich gründende Neigung der Vernunft zu trotzen
vermag und in welche Abgründe sie führt. Es zeigt
aber auch |\vie er mit der grössten Sei bsttäuschung be-
merkt, die er später Lügen straft], dass nach und nach
Alles überwunden werden kann." — Im ungleichen Kampfe
des Einen gegen Alle unterlag er aber nicht für die
Dauer; bald kommt er der Wahrheit wieder näher mit
dem Geständnis: „Mein Leben ist ein Kampf der hell-
sehenden Vernunft wider die täuschende Empfindung."
Dieser Kampf ist auch dem Normalen in der Periode
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— 2i:i —
des Liebestriebes nicht erspart; Plateus Kampf als der
eines Seelenhermaphroditen aber war ein äusserte wohn-
licher und erforderte aussergewöhnliche Kräfte, da in
einem solchen Kampfe der volle Siegespreis unerreichbar
ist. Nur sein besseres Bewusstsein, das schon früher die
ausserordentliche Neigung als ein Werk der Natur und
sogar als „eine ewige Mahnung zur Tugend" bezeichnet
hatte, nur diese blieb Sieger, als er aussprach: „Zwitter-
hafte Gef Uli le nährt die Liebe in meinem Husen,
vor denen Mancher schaudern würde; aber
Gott weiss es, meine Neigung ist rein und gut.*
Wir verlassen hiemit die Spuren eines Lebens, wie
es freudloser nicht gedacht werden kann. Die Liebe, die
sonst das Dasein des Menschen, trotz all des Herzeleids,
das in ihrem Gefolge ist, wie eine aus den Wolken tretende
Sonne verschont und erleuchtet, die Liebe zog sich über
Platen wie eine Gewitterwolke zusammen, aus der ihm
die Schatten „der Trauer, der Sorge, der Sehnsucht, der
Begierde und Scham" in den Weg traten. Was aber
uns veranlasste, mit dem unglücklichen Dichter an der
Hand seines bisher veröffentlichten Tagebuches diese freud-
lose Bahn zu gehen, war, neben dem schon eingangs er-
wähnten Motiv, die Erkenntnis, dass Platens Selbst-
geständnisse geeignet sind, in die Tiefen des homosexuellen
Seelenlebens einen Blick zu gewähren, wie ihn weder die
Autobiographie eines andern Homosexualen, noch die
psychologischen Untersuchungen eines Fachgelehrten er-
möglichen. Grillparzer z. B. hat mit der Grausamkeit
eines Vivisektors sein Herz zerwühlt, um die Wirkungen
blosszulegen, die sein abnormales Fühlen verursacht
hatte ; über dieses Fühlen selbst aber hat er sich gründ-
lich ausgeschwiegen. Die Untersuchungen von Psychiatern
über Homosexualität betrachten dieselbe in der Regel
als pathologische Erscheinung, was sie ja objektiv sein
mag, während sie vom Subjekte als solche nicht empfunden
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— 214 —
wird Platens rückhaltlose und unmittelbare Selbst-
bekenntnisse aber sind ein authentisches Zeugnis und eine
feierliche Manifestation für die Natürlichkeit und Sitt-
lichkeit eines Seelenzuges, den die Oberflächlichkeit ge-
meiniglich als einen unnatürlichen und lasterhaften be-
zeichnet. Kine Neigung, die angeboren, kann nicht un-
natürlich, und ein Trieb, der aus ihr stammt, nicht unsitt-
lich sein. In diesem Sinne ist das Tagebuch für alle Natur-
genossen des Dichters ein Trostbuch in des Wortes
weitester Bedeutung, wie es eine unwiderlegliche Be-
stätigung des nunmehr auch von den massgebenden Kreisen
der Wissenschaft für jene Thatsache abgelegten Zeug-
nisses bildet und eine Bürgschaft dafür ist, dass sich
die homosexuelle Liebe recht wohl mit einem
geradezu edlen und wahrhaft vornehmen Cha-
rakter vereinigen lasse.
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Bibliographie der Homosexualität;)
A.
Adam, Paul: La Mesaventure (Revue independante 1888.)
Alkaios: Ganymedes, Drama.
Alkiphron: Briefe: (Megara an Bacchis).
Anonym: Alcibiade fauciullo. 1652. Alcibiade, enfant k
lV'Cole. Traduit de Pitalien de Ferrante Pallavicini
Amsterdam, ehez P. Marteau 1866.
* — Lieschen der Doppelgänger. Novelle in „Blätter für
Unterhaltung und Belehrung."
*— Le portier des chartreux, ou memoires de Saturnin,
ecrits par lui-meme.
*— Eleonore ou l'heureuse personne.
— »Aus dem dunkelsten Berlin. " Die männliche Pro-
*) Die rein belletristischen "W^rko sind durch Sternchen ge-
konnzeichnet, während die wissenschaftlichen ohne ein solches ver-
zeichnet sind. Es konnten in dieses Verzeichnis nur solche Werke
aufgenommen werden, die sich entweder speziell mit der Frage der
Homosexualität befassen oder dieselbe wenigstens eingehender oder
in besonders interessanter Weise behandeln. Die namentlich in alten
griechischen und römischen Schriftstellern zerstreuten Bemerkungen
über Homosexualität zusammenzustellen, würde den Umfang dieser
Arbeit mehr als verdoppelt und dieselbe unübersichtlich gemacht
hnben; wer derartige Stellen aus den antiken Schriftstellern sucht,
rindet eine grosse Zahl derselben ii: dem Aufsatz E. G. Meiers bei
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— 21(5 —
stitution. Berlin 1897 von K. v. K. Im „Reporter".
III. Welt-Blatt, Verlag von Kresse, Lenz & Co. Jahr-
gang III. Nr. 14.
Anjel: Ueber eigentümliche Fälle perverser Sexual-
empfindung. Archiv für Psychiatrie. Bd. 15. 1884.
Anonym: Die Sinnenlust und ihre Opfer. (Berlin 1809).
— Das Paradoxon der Venus Urania. (Berlin 18G9).
— Entgegnung auf: Hoche: Zur Frage der forensischen
Beurteilung sexueller Vergehen. Mendels Neurolog.
Zentralblatt 15. Januar 1896 in Friedrichs Blättern
für gerichtliche Medizin. Heft II. Nov. u. Dez. 1896.
— Entgegnung auf: Hüpeden: Bemerkungen zu Krafft-
Ebings „Der Konträrsexuale vor dem Strafrichter %
in Stengleins Gerichtssaal Bd. LI. Heft 5 und 6:
Noch ein Wort zu Krafft-Ebings „Der Konträrsexuale
vor dem Strafrichter • in Gerichtssaal Bd. LH. Heft 5.
— Entgegnung auf: Högel: die Verkehrtheit des Ge-
schlechtstriebes im Strafrecht, Gerichtssaal Bd. LIII.
Heft 1 und 2 in Geriehtssaal Bd. LIII. Heft 0.
— § 175 und die Urningsliebe. Zeitschrift für die ge-
samte Strafrechtswissenschaft v. List. Bd. XII, Hft.
— Der Kontriirsexualismus in Bezug auf Ehe und Frauen-
frage. Leipzig, Verlag von Max Spohr.
— Ist „freie Liebe 4 ' Sittenlosigkeit. Leipzig, Verlag von
Max Spohr.
dem Artikel „Päderastie" in Ersch und Grabers Encyklopädic. Eine
Einteilung nach Gebieten, etwa juristische, medizinische, soziale etc.,
war nicht gut thunlicb, da viele der angeführten Werke diese sämt-
lichen Gebiete streifen; auch cino chronologische Anordnung, so in-
teressant sie gewesen wäre, war nicht durchführbar, da s*ch von vielen
der Werke das Jahr der Herausgabo nicht ermitteln Hess. Es blieb
also als Prinzip für die Bibliographie nur die alphabetische Anordnung
übrig; doch wird diese gewiss auch manchem willkommen sein, da
sie das Auffinden eines gesuchten Werkes, dessen Vorfasser man
kennt, erleichtert, auch über die verschiedenen Werke von Autoren,
welche mehrercs über Homosexualität geschrieben, Aufschluss giebt.
217 —
Anonym: Entwurf eines Strafgesetzbuches für das König-
reich Hannover. Art. 273. p. 156.
— Die Berliner Prostitution. (Von einem Polizeibeamten.)
Berlin 1847.
— Ein Weib? Psychologisch-biographische Studie über
eine Konträrsexuelle. Leipzig. Max Spohr.
— Enthüllungen über Leben und Lehren der katholischen
Geistlichkeit. Sondershausen bei G. Neus. 1862.
*Antiphanes: Ganymedes, Drama.
* — Päderastes, Drama.
*d'ArffiS, Henri: Sodomc (Paris, l ioget 1888).
* — Gomorrhe.
Arreat, L.: Sexualitc et nltruisme. (Revue philosophique,
Paris, Dezember 1886.)
Arrufat, J.: Essai sur un mode d'evolution de l'instinct
sexuel. (Lyon-Paris 18911)
Athenäus: Gastmahl der Philosophen.
*Aurelius: Rubi. Novelle. (Berlin 1879.)
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Liebe. Leipzig 1865. Neu. Lpzg. 1898 b. M. Spohr.
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Neu. Leipzig bei Max Spohr.
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Leipzig 1869. Neu. Leipzig 1898 bei Max Spohr.
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rätsels des Uranismus. Leipzig 1870. Neu. Leipzig
bei Max Spohr.
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Strafgesetz. Schleiz 1870. Neu. Leipzig 1898 bei
Max Spohr.
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Urningsliebe. Leipzig 1880. Neu. Leipzig 1898 bei
Max Spohr
— § 143 des preussischen Strafgesetzbuches. Lpz. 1869.
— Das Gemeinschädliche des § 143 des preuss. Straf-
gesetzbuches vom 14. April 1851 und seine notwen-
dige Tilgung als $ 152 im Entwürfe eines Straf-
237 —
gesetzbuchs für den norddeutschen Bund. Infolge
öffentlicher Aufforderung durch die Kommission des
Strafgesetzbuches für den norddeutschen Bund.
"Ulrichs, Karl Heinr. Auf Bienches Flügeln. Ein Flug
um den Erdball in Epigrammen und poetischen
Bildern. Leipzig 1875. (2, 87, 9(5, 110, 111, 118,
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Liebe. 1821.
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sessuale in due donne. .Neapel 1888.
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Petition
an die gesetzgebenden Körperschaften des deutschen Reiches
behufs Abänderung des $ 175 des R.-Str.-G.-B.
und die sieh daran anschliessenden Reichstags-
Yerhandlungen.
Die von Dr. med. Hirschfeld-Charlottenburg ver-
fasste und vom wissenschaftlich-humanitären Komitee in
Umlauf gesetzte Eingabe hatte folgenden Wortlaut:
An die
gesetzgebenden Körperschaften des Deutschen Reiches.
In Anbetracht, dass bereits im Jahre 1869 sowohl die
österreichische, wie die deutsche oberste Sanitäts-
behörde, welcher Männer wie Langenbeck und
V i r c h o w angehörten, ihr eingefordertes Gutachten
dahin abgaben, dass die Strafandrohungen
des gleichgeschlechtlichen Verkehrs aufzuheben
seien, mit der Begründung, die in Rede stehenden
Handlungen unterschieden sich nicht von anderen
bisher nirgends mit Strafe bedrohten Handlungen,
die am eigenen Körper oder von Frauen unterein-
ander oder zwischen Männern und Frauen vorge-
nommen würden;
In Erwägung, dass die Aufhebung ähnlicher Straf-
bestimmungen in Frankreich, Italien, Holland und
zahlreichen anderen Ländern durchaus keine entsitt-
lichenden oder sonst ungünstigen Folgen gezeitigt hat:
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— 240 —
In Hinblick darauf, dass die wissenschaftliche Forschung,
die sich namentlich auf deutschem, englischem und
französischem Sprachgebiet innerhalb der letzten
zwanzig Jahre sehr eingehend mit der Frage der
Homosexualität (sinnlichen Liebe zu Personen des-
selben Geschlechts) beschäftigte, ausnahmslos das
bestätigt hat, was bereits die ersten Gelehrten, welche
dem Gegenstande ihre Aufmerksamkeit zuwandten,
aussprachen, dass es sich bei dieser örtlich und
zeitlich so allgemein ausgebreiteten Erscheinung
ihrem Wesen nach um den Ansfluss einer tief inner-
lichen constitutionellen Anlage handeln müsse;
Unter Betonung, dass es gegenwärtig als nahezu er-
wiesen anzusehen ist, dass die Ursachen dieser
auf den ersten Blick so rätselhaften Erscheinung in
En twickelungs Verhältnissen belegen sind, welche
mit der bisexuellen (zwittrigen) Uran läge des
Menschen zusammenhängen, woraus folgt, dass Nie-
mandem eine sittliche Schuld an einer solchen Ge-
fühlsanlage beizumessen ist;
Mit Rücksicht darauf, dass diese gleichgeschlechtliche An-
lage meist in ebenso hohem oft in noch höherem
Masse, zur Bethätigung drängt, als die normale;
In Anbetracht, dass nach den Angaben sämtlicher Sach-
verständigen der coitus analis undoralis im conträr-
sexuellen Verkehr verhältnismässig selten, jedenfalls
nicht verbreiteter ist, als im normalge-
schlechtlichen;
In Erwägung, dass unter denjenigen, die von derartigen
Gefühlen erfüllt waren, erwiesenermassen nicht
nur im klassischen Altertum, sondern bis in
unsere Zeiten Männer und Frauen von höchster
geistiger Bedeutung gewesen sind;
In Hinblick darauf, dass das bestehende Gesetz noch
keinen Konträrscxuellen von seinem Triebe befreit,
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— 241 —
wohl abersehr viele brave, n ütz liehe Menschen,
die von der Natur mehr als genug benachteiligt
sind, ungerecht in Schande Verzweiflung, ja
Irrsinn und Tod gejagt hat, selbst wenn nur ein
Tag Gefängnis — im Deutschen Reich das niedrigste
Strafmass für diese Handlung — festgesetzt oder
selbst wenn nur eine Voruntersuchung eingeleitet
wurde;
Unter Berücksichtigung, dass diese Bestimmungen einem
ausgedehnten Erpressertuin (der Chantage) und
einer höchst verwerflichen männlichen Prostitution
grössten Vorschub geleistet haben,
erklären untenstehende Männer, deren Name für
den Krnst und die Lauterkeit ihrer Absichten bürgen,
beseelt von dem Streben für Wahrheit,
Gerechtigkeit und Menschlichkeit die
jetzige Fassung des § 175 d. R. Str. G. B. für
unvereinbar mit der fortgeschrittenen wissenschaft-
lichen Erkenntnis, und fordern daher die Gesetz-
gebung auf, diesen Paragraphen möglichst bald
dahin abzuändern, dass, wie in den oben-
genannten Ländern, sexuelle Akte zwischen
Personen desselben Geschlechts, ebenso
wie solche zwischen Personen ver-
schiedenen Geschlechts (homosexuelle wie
heterosexuelle) nur dann zu bestrafen sind,
wenn sie unter Anwendung von Gewalt,
wenn sie an Personen unter 16 Jahren,
oder wenn sie in einer „öffentliches Aergernis"
erregenden Weise (d. h. verstossend gegen den
§ 183 d. R. Str. G. B.)
vollzogen werden.
Jahrbuch für homosexuelle Forschungen. 16
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— 242 —
£n denen, die diese Eingabe unterzeichneten, gehören:
Archivrat Dr. Aander-Heyden, Birstein.
Geh. Justizrat Dr. Franz von Liszt, o. Professor der Strafrechts-
wissenschaft, Halle a. S.
Professor f. Strafrechtswissenschaft, Dr. jur. Fei. Fr. Bruck, Breslau.
Prof. d. Strafrechtswissenschaft Dr. jur Günther, Giessen.
Prof. für Strafrechtswissenschaft, Dr. jur. G. Kleinfeiler in Kiel.
Prof. f. Strafrechtswissenschaft Dr. jur. Allfeld, Erlangen.
Professor der Rechtswissenschaft, Landgerichtsrat Dr. H. Ortloff,
Weimar.
Erster Staatsanwalt a. D. Geh. Justizrat Black-Swinton, Breslau.
Landgerichtspräsident Strössenreuther in Fürth i. B.
Landgerichtsdirektor Geh. Justizrat F. Jonsch, Bromberg.
Geh. Justiz rat H. Giffenig, Landgerichtsrat a. D., Rostock.
Landgerichtsrat Dr. Tuchatsch, Zwickau.
Landgerichtsrat Peters, Mühlhausen im Elsass.
Justizrat Hacke, Rechtsanwalt beim Reichsgericht, Leipzig
Prof. d. Staats Wissenschaften, Dr. jur. etphil. Jul. Pierstorf f, Jena.
Kgl. geistl. Rat und Professor M. Vinc. Sattler, München.
Dr. phil. Franz Görres, Kircheuhistoriker in Bonn.
Dr. theol. M. Schwalb, Pastor emerit, geistl. Schriftsteller,
Heidelberg.
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Max Rubner, Direktor des hygiein.
Instituts der kgl. Universität Berlin.
Geh. Medizinalrat Professor der Nervenkrankheiten Dr. Albert
Eulenburg, Berlin.
Geh. Medizinalrat Dr. N eis 8 er, Prof. für Haut- und Geschlechts-
krankheiten, Breslau.
Geh. Medizinalrat, Prof. Dr. J. Doutrelepont, Direktor der
Hautklinik, Bonn.
Geh. Sanitätsrat Dr. A. Baer, Oberarzt am Gefängnis Plötzensee-Berlin.
Geh. Med -Rat Dr. med. W. Sander, Dir. d. Berliner Irren-
anstalt Dalldorf.
Sanitätsrat Dr. Leppmann, Kgl. Physikus, ärztl. Leiter der Be-
obachtungsanstalt für geisteskranke Gefangene, Moabit-Berlin.
Medizinalrat Dr. P. May s er, Dir. der herzogl. Heil- und Pflege-
anstalt, Hildburghausen.
Obcrmedizinalrat Dr. Schuchardt, Professor lür Nerven- und
Geisteskrankheiten, Rostock.
Geh. Medizinalrat Dr. Fr. Riegel, Prof. d. inneren Medizin, Giessen-
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— 243 —
Geh. Obermedizinal rat, Prof. der inneren Medizin, Dr. Th. Thier-
felder, Rostock.
Geh. Medizinalrat Dr. Ernst Küster,. Prof. der Chirurgie, Marburg.
Professor Dr. Mikulicz, Direktor der chirurg. Klinik, Breslau.
Prof. Dr. v. Bramann, Dir. der chirurgischen Klinik, Halle a. S.
Prof. der Chirurgie, Dr. W. Heinecke, Erlangen.
Prof. Dr. Wilhelm Alex. Freund, Direktor der Frauenklinik an
der Universität Strassbnrg i. E.
Geh. Medizinalrat Dr. F. Ritter v. Winkel, Prof. der Geburtshülfe,
München.
Geh. Medizinalrat Dr. Schatz, Professor der Frauenheilkunde,
Rostock.
Hofrat Dr. Friedrich Meyer, Professor der Heidelberger
Universität, kaiserlich russischer Kollegienrat Heidelberg.
Geh. Medizinalrat Prof Dr. A. Graefe, früher Halle, jetzt Weimar.
Dr. med. Mendel, Prof. für Nerven- u. Geisteskrankheiten, Berlin.
Dr. med. L. Hirt, Professor f. Nervenkrankheiten an der Universität
Breslau.
Med.-Rat Prof. Dr. med. H. Unverricht, Dir. d. städt. Krankenh.
Sudenburg -Magdeburg.
Geh. Regierungsrat, Obermedizinalrat Bernhard Schuchhardt,
Gotha.
Geh. Medizinalrat Dr. H. Sattlor, Professor der Augenheilkunde,
Leipzig.
Obermedizinalrat Dr. med. E. Gussmann, Stuttgart.
Obermedizinalrat Dr. von Burckhardt, Stuttgart
Professor Dr. E. Harnack, Direktor des pharmakologischen In-
stituts, Halle a. S.
Prof. Dr. Wilh. Roux, Dir. des anatomischen Instituts der kgl.
Universität, Halle a. S.
Prof. d. gerichtl. Medizin Dr. Leubnscher, Jena.
Hoirat Prof. Dr. G. Freiherr v. Lieb ig, München.
K. K. Hofrat Dr. Freiherr R. v. Krafft-Ebing, o. Professor der
Heilkunde in Wien.
Geh. Hofrat Prof. Joseph Kürschner, Hohenhainstein ob Eisenach.
Geh. Hofrat Dr. Rudolf von Gottschall, Leipzig.
Geh. Legationsrat Dr. jur. Ernst v. Wildenbruch, Berlin.
Hofrat Hans Wachenhusen in Wiesbaden.
Gerhardt Hauptmann, Schriftst., Schreiberhau.
Geh. Regierungsrat, Dr. J. Bergmann, Professor der Philosophie,
Marburg.
16*
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— 244 —
Professor für Nationalökonomie und Statistik, Dr. jur. Max Haas-
hof er, München.
Universitate-Professor Dr. phil. Otto Seeck, Grcifswald.
Oberbürgermeister Hegel maier, Heilbronn.
Geh. Regiem n gerat Dr. F. Lipp mann, Direktor der Kgl. Museen,
Berlin.
A. Prasch, Hoftheater-Intendant a. D., Dir. des Berliner Theaters,
Berlin.
Dr. Otto Brahm, Direktor des Deutschen Theaters, Berlin.
Hofrat Dr. Max Burckhard, weiland Direktor d. k. k. Hofburg-
theaters, Wien.
Dr. Paul Schienther, Direkt, d. k. k. Hofburgtheaters, Wien.
Dr. Max Pohl, Kgl. Schauspieler, Vizepräsident d Genossenschaft
deutscher Bühnenangehöriger, Berlin.
Hofrat Ludwig Baruay, Wiesbaden.
A. v. Sonnenthal, Hofschauspieler und Oberregisseur, Wien.
Geheimrat Dr. Woldomar Frhr. von Biodermann in Dresden.
H. von Kupfer, Chefredakteur d. Berliner Lokalanzeigers, Berlin.
Prof. E Hund rieser, Bildhauer, Gharlottcnburg.
Prof. Hermann Volz, Bildhauer, Karlsruhe.
Prof. Dr. R. Siemering, Bildhauer, Berlin.
H. Gladenbeck, Hofbildgiesser, Friedrichshagen b. Berlin.
Professor Hermann Kaulbach, Maler, München.
Max Liebermann, Maler, Berlin.
Professor H. Knack fuss, Maler, Kassel.
Generalmusikdirektor Levi in München.
Fei. Weingartner, Hofkapellmeister, München.
Prof. K. Hoffacker, Architekt, Charlottenburg.
Baurat Griebel, Direktor d. allgemeinen deutschen Kleinbahngesell-
schaft, Berlin.
Gothein, Bergrat, Syndicus d. Handelskammer und Landtags-
abgeordneter, Breslau-Kleinburg.
N. Frhr. v. Thuemen, Dir. d. Magdeburger Ha^elversioherangs-
gesellsch., Magdeburg
Alb. Freiherr von Oppenheim, königl. sächs. Generalkonsul, Köln.
K. v. Tepper-Laski, Rittmeister a. D., Mönchsheim b. Hoppegarten.
Dr. med. (h. c.) J. F. Holtz, kgl. Kommerzienrat, Berlin-Eisenach.
Dr. med. et phil. Georg Buschan, Anthropologe, Herausgeber
des Zentralblattes für Anthropologie. Ethnologie und Urgeschichte
in Stettin.
Dr. Graf Schulenburg, Doc. ost asiatischer Sprachen, München.
Prof. Dr. G. Schwein furth, Forschungsreisender, Berlin.
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245 -
Geh. Medizinalrat Dr. Ab egg, Danzig.
Sanitätsrat Dr. med. Adickes , Kreisphysikus, Hannover.
Rechtsanwalt H. Achnelt, Berlin.
Oberstlieatenant a. D Alberti, Berlin.
H. Albrccht, Pfarrer und Schriftsteller in Lahr.
Conrad Alberti, Schriftsteller, Berlin.
Dr. jor. Friedrich Adler, Schriftsteller, Prag.
Sanitatsrat Dr. Max Altmann, Berlin.
Kammerrath M. Amster, Herausgeber von „der Zirkel - .
N. J. Anders, Schriftstcl'er, Berlin.
Richard Anger, Theaterdirektor, Berlin.
Dr. jur. Antoine Fei 11, Rechtsanwalt, Hamburg.
Dr. phil. Robert Fr. Arnold, Beamter d. k. k. Hofbibliothok
in Wien.
Dr. phil. Paul Arndt, Archäologe, München.
Dr. phil. Leo Arons, Privatdozent, Berlin.
Dr. med. S. Ascanasy, Privatdozent, Königsberg i. P.
Dr. med. Alexander Auerbach, Arzt, Berlin.
Eugen Berthold Auerbach, Rechtsanwalt .und Notar, Berlin.
K. Ausfeld, Schriftsteller, Mahlhausen.
Ferd. Avenarius, Schriftsteller und Redakteur, Dresden-Blasewitz
(Endforderung.)
Dr. med. Baginsky. Privatdozent, Berlin
Hermann Bahr, Herausgeber der „Zoit", Wien.
Premierlieutenant a. D. Eginhard v. Barfus, Schriftsteller,
Manchen.
Geh. San. -Rat Dr. med. M. Bar schall, Berlin.
Medizinalrat Prof. Dr med. Barth, M. d. Prov.-K., Danzig.
Professor Dr. med. Barth, Leipzig.
Baron Bathor, Würzburg.
Hans von Basedow, Dessau.
Rittergutsbesitzer Dr. jur. Max Bauer, Herausgeber des „Rothen
Kreuz," Berlin.
Univers itätsprof Dr. phil. G. Baumert, Hallo a. S.
Dr. phil. E. A. Bayer, Steglitz.
Dr. Bechhold, Herausgeber der „Umschau 1 *, Frankfurt a. M.
Dr. med Ben da, Spezialarzt für Nervenleidende, Berlin.
Oscar Benda, Herzogl. Sächs. Hoftheater- Direktor, Coburg.
Hermann Bender, Schriftsteller, München.
Dr. August Benesch, Advokat, Kremsier.
Leo Berg, Schriftstoller, Berlin.
Dr. phil. Paul Bergemann, Anthropologe, Jena.
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— 246 -
Geheimer Sanitätsrat Dr. Beyer, Kreisphysikus, Lübben i. L.
Dr. Ch. ßorghoeffer, Bibliothekar der Frh. 0. v. Rothschildschen
öffentlichen Bibliothek, Frankfurt a. M.
Dr. med. Berger, Kreisphysikus, Neustadt Prov. Hannover.
Philipp Berges, Rodakteur am Hamb. Fremdenblatt, Hamburg.
Eduard Berta, Schriftsteller, Potsdam.
Prof. für Ohrenheilkunde, Dr. E. Berthold, Königsberg i. P.
Dr. Bertheau-Voelkel, Schriftsteller, Halle a S.
Geheimer Sanitätsrat Dr. Bertram, Berlin.
Dr. jur. Anton Bottelheim, Schrittst., Wien.
Prof. der gerichtlichen Medizin Dr. med. Beumcr, Greifswald.
Prof. der Physiologie Dr.. W. Biedermann, Jena.
Otto Julius Bierbaum, Schriftsteller, Schloss Englar i. Eppan.
Professor Dr. 0. Bi ermann, Brünn.
Sanitäterat Dr. med. Blankenstein, Dortmund.
Dr. med. Blokusewski, Kreisphysikus, Daun, Reg.-Bez. Trier.
Geh. San.-Rat. Dr. med. Blumenthal, Berlin.
Alfred Bock, Schriftsteller, Glessen.
Dr. phil. Wilhelm Bode, Schriftst., Hildesheim.
San.-Rat Dr. med. Borr mann, Berlin.
Martin Böhm, Redakt. d. „ Neuen Welt", Berlin.
Sanitätsrat Dr. Böhr, Lübben.
Dr. phil. Felix Boh, Schriftsteller, Dresden.
Hofrat und Bibliothekar Alfr. Börckel, Mainz.
Dr. L. v. Bortkewitsch, Privatdozent f. Nationalökonomie, Strass-
burg i. E.
Adolf Brand, Schriftsteller und Redakteur, Berlin-Neurahnsdorf.
Dr. jur. H. v. Brocken, Rechtsanwalt, Lübeck.
Dr. Heinrich Braun, Herausgeber des Archivs für soziale Gesetz-
gebung und Statistik, Berlin.
Geh. Sanitätsrat Dr. Brauneck, Wiesbaden.
Hofrat Dr. Brauser, Regensburg.
Dr. Emil Bremer, Kreisphysikus und Stabsarzt d. L. I., Berent.
Brunswig, Rechtsanwalt und Notar, Neustrelitz.
Burr ucker, Oberstlieutenant a- D., Zoppot.
Karl Buttenstedt, Schriftsteller, Rüdersdorf.
Dr. med. Loop. Gas per, Privatdozent, Berlin.
Dr. M. G. Conrad, Schriftsteller, München.
Geh. San.-Rat Dr. med. Uonra dv, Leibarzt I. K. H. d. Frau
Prinzess Luise v. Preussen, Wiesbaden.
Professor der Hygieine Dr. C ramer, Heidelberg.
Prof. dor Augenheilkunde Dr. med. Hermann Cohn, Breslau.
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— 247 —
K. Krcisphysikus Dr. mod. Cohn, Heydekrug.
Dr. med. I. E. C o 1 1 a , Leit. d. Nervenheilanst., Buchheide b. Finkei;-
walde i. Pommern.
Dr. phil. Otto Dammer, Chemiker, Fachredakt. t. Meyers Kon y.-
Lex. Friedenau.
Dr. Udo Dammor, Kustos des kgl Botan. Gartens au Bcrlin-
Lichterfeldc.
Professor der Pathologie Dr med. D e h i o , Staatsrat, Dorpat.
Dr. Richard Dchmcl, Schriftst, Berlin-Pankow.
Kgl. Bayr. Archivrat Ernst von Dostouches, Chronist d. Stadt
München, Vorstand des histor. Stadtmuseums, der Maillinger
Sammlung etc., München.
Chefredakteur Richard Dietrich, Chemnitz.
Hofrat Dinckelbcrg, Lieutenant n D., Militärschriftstoller.
Dr. jur. Thood. Distel, kgl. s. Stm.lsarcbivar, Dresden.
Sanitatsrat Dr. Dittmar, Direktor der Loth. Bcz.-Irrenanstalt bei
Saargemünd.
Max Dittrich, Herausgeb von „Gottes Wort im Hauso" etc.,
Dresden.
Professor Carl Emil Doepler d. alt., Maler, Berlin.
Prof. Emil Doepler d. j, Historienmaler, Berlin.
Dr. med. Otto Dornblüth, Nervenarzt Rostock.
Kaiscrl. Geh. Rechn -Rat A. Droger, Potsdam.
Anton Dresslor, Lehrer an der kgl. Akademie der Tonkunst,
München.
Dr. med. 0. Droyor, Besitzer d. Kuranstalt f. Nervenkranke, Bad
Harzburg.
Charlos Ed. Duboc, Romanschriftst., Dresden.
Prof. Dr theol. Adalb. Düning, Quedlinburg.
San -Rat Dr. med. Dürr, Mitglied d. württomb. arztlichen Landes-
ausschusses, Schwäb.-Hall.
Dr. jur. Friedrich Dusche nos, Redakteur d österr. Rcchts-
lexikons, Prag.
Dr. phil. ot med Eberlein, Dozent an d. Thierärztl. Hochschule,
Berlin.
Prof. Dr. med. Edinger, Spezialarzt f. Nervenleiden, Frankfurt a. M.
Dr. jur. K Eggers, Senator a. D., Rostock.
Professor Heinrich Ehrlich, Berlin
Justizrat Eiländer, Rechtsanwalt, Köln.
Dr. med. K. Eikonbusch, leit. Arzt d. stadt. Krankenhauses zu
Hamm i. W.
Professor Dr. Eimer, Diroktor des zoologischen Instituts, Tübingen.
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Dr. med. H. Engelken, dirig. Arzt d. Heil- und Pflegeanstalt für
JVerven- and Geisteskranke in Rockwinkel b. Bremen
Dr. med. Erb kam, Kreisphysikus in Grünberg i. Schles
Dr Paul Ernst, Schriftsteller, Charlottenburg
^ Beiin J ° 80f EttHngCr ' Red dos Frankfurter Generalanzeigers,
Dr. med^S. E sohle leit. Arzt d. Krcispflegeanstalt Hub in Baden,
üranz Evers, Schriftsteller, Berlin
Dr med. L. Ewer, Leiter des Instituts für Heilgymnastik, Berlin.
Prof. Dr. med. Falkenheim, Königsberg i. P.
Dr. Falk Schupp, Zahnarzt, Soden.
Professor der Staatsgewerbeschulo Ferdinand Ritter von
Feldogg, Wien
San.-Rat Dr. med. Fielitz, Kreisphysikus, Halle, a S.
Alexander von Fielitz, Tonkünstler, Rom.
Med. Rat Dr. med. Fei lerer, legi. Kezirksarzt, Weilsheim (Bayern).
n V h ' Fi8chor - Doktor d. hygiein. Institute, Kiel.
Dr. L Flatow, Geh Sanitätsrat, Berlin.
Professor Dr. phil. Floercke, Kunsthistoriker, Rostock.
Geh. San.-Rat v. Fol ler, Kreisphysikus, Berlin.
Superintendent om. Pfarrer C. August Forstner, Wien.
Rechtsanwälte B. und 0. E. Freytag, Leipzig.
August Fresenius, Schriftsteller, München.
Alfred H. Fried, Redakteur der „Friedenskorrespondenz,- Berlin.
«an.-Kat Dr. med. H. Friedländer, Kreisphysikus, Lublinitz.
£ugon Friese, Hauptmann a. D, Schriftsteller, Dresden.
Professor Richard Friese, Berlin.
Oberstlieutenant a. D. Hermann Frobenius, Schriftsteller,
Onarlottenburg.
Dr. med A. Fromme, dirig. Arzt d. Heilanstalt f. Nervenleidende,
Stellingen b. Hamburg.
Geh San.-Rat Dr. med. B. Fromm, Badearzt in Heringsdorf.
Prof. der Nervenkrankheiten Dr. med. Fuchs, Bonn.
Rechtsanwalt Dr. Ludwig Fuld, Mainz.
Carl Funk, Verf. ehem. Werke, Charlottenburg.
Dr. jur Theodor Gaedertz, erster Oberbeamter des Stadt- und
Landamts Lübeck.
Professor der Chirurgie Dr. med Garre, Rostock.
Henri Gartelmann, Lehrer und Schriftsteller, Bremen.
Prof. Dr. med. A. Gärtner, Direktor des hygieinischen Instituts
der Universität Jena.
Justizrut Gaul, Rechtsanwalt, Köln.
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Johannes Gaulke, Bildhauer, Berlin.
Professor a. d. Universität Dr. phil. E. Goinitz, Rostock.
Hugo Gerlach, Redakteur d. Saaleztg., Halle a. S.
Reinh. Gerling, Schriftsteller und Redakteur, Berlin.
Ernst Gersdorf, Rechtsanwalt und Notar, Guben.
Sanitätsrat Dr. med. et phil. Gers t er, fürstlich Solms'scher Leib-
arzt, Herausgeber der Hygieia.
Kurt E. Goucke, Schriftsteller, Berlin.
Franz Giesebrecht, Schriftsteller, Berlin.
Albert Gillwald, Lehrer und Schriftst., Osterode.
Professor d. Frauenheilk. Dr. med. Glaevecke, Kiel.
Dr. Adolf Glaser, Redakteur von „Westermanns Monatsheften",
Berlin.
Medir.inalrat Dr. Glaser, Oberarzt I. Kl., Bad Kissingen.
Geh. San. -Rat Dr. med. G latz o 1, Kreisphysikus a.D , Charlottenburg.
Nicolai v. Glehn, Burg-Hohenbaupt.
Dr. phil. Ernst Glinzer, ord. Lehror d. Gewerbeschulen, Hamburg.
Dr phil. Theodor G Oering, München.
Bolko Graf G Oetzen, Berlin.
Albert Goldberg, Oberregisseur ana Stadttheater zu Leipzig.
Arthur Goldschmidt, Schriftsteller, Berlin.
Wilhelm Goldstein, Dir. d. Aktienbauvereins „Passage** Berlin.
Spiridion Gopcevic, Schriftsteller, Triest.
Dr. med. Gottschalk, Frauenarzt, Berlin.
San -Rat Dr. med. Granier, Bezirksphysikus, Berlin.
Dr Rudolf Grätzer, Schriftsteller, Berlin.
Eugen Grosser, Schriftsteller, München.
Sanitätsrat Dr. Grevoler, dirig. Arzt d. Kuranstalt f. Nervenkr. in
Bad Wihemshöhe b. Cassel.
J aequo 8 Groll, Schriftsteller und Redakteur, Berlin.
San.-Rat Dr. med. Grone, Vlotho i. Westfalen.
Dr. med. A. Grotjahn, Arzt, Berlin.
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. med. A. Gruenhagen, Königsberg.
H. Grunwald, Journalist, Königsberg i. P.
Stadtbaurat G rüder, Posen.
Dr. med. Ernst Grünberg, Arzt, Magdeburg.
Karl Gründorf, Hauptredakteur, Wien XV.
Dr. Karl Grunsky, Redakteur, Stuttgart-
Paul Theophil Grzybowski, Redakteur des „Beriner Lokal-
anzeiger". Steglitz.
Dr. med D. Guggonhoim, prakt. Arzt, Konstanz.
Dr. med. Karl Gumpertz, Arzt für Nervenkrankheiten, Berlin.
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Dr. med. Gumprecht, Privatdozont an der Universität Jena.
Rechtsanwalt Gattmann, Wiesbaden
Johannes Gnttzeit, Lieutenant a. D., Schriftsteller, Berlin.
San.-Rat Dr. med. Gutsmuths, Krcisphysikus in Genthin.
Dr. med. 0. Günther, Privatdoz. f. Hygieine, Berlin.
Justizrat Haas, Rechtsanwalt u. Notar, München.
Prof. Dr. med. A. Haberda, Landgerichtsarzt, Wien.
Josef Hafner, Schriftsteller, Wien.
Königl. Kapellmeister Adol f Hagen, Dresden.
Franciskus H&hnel (Georg v. Börry), Vors. der „Allg. dtsch. litt.
Ges." in Bremen.
Dr. phil. Frz. G. Hann, Director d. Geschichtsvereins f. Kämton,
Klagenfart.
Dr. Max Halbe, Schriftstoller, München.
Dr. jur. Halpert, Rechtsanwalt, Borlin.
Professor Dr. J. Hansen, Archivar der Stadt Köln a. Rh.
Dr. jur. Walter Harlan, Vorsitzender der litt. Gesellschaft, Leipzig.
Heinrich Hart, Herausg. der „Deutschen Bühne", Charlottenburg.
Otto Erich Hartleben, Schriftsteller, Berlin.
K. Kreisphys. Dr. W. Hassenstein, Greifenberg.
Dr. med. J. Haupt, Leiter d. Heilanstalt f Nervonkranko, Tharandt.
Hermann Heiberg, Schriftsteller, Schleswig.
Wolfgang Hoine, Rechtsanwalt, Berlin.
. Dr. jur. Eduard Hertz, Hamburg.
Karl Henkoll, Schriftsteller, Zürich.
Dr. Hans F. Helmolt, Rodaktour im bibliogr. Institut, Leipzig.
Sanitätsrat Dr. Hennomeyer, Orteisburg.
Dr. med. Carl Honnicko, Red. d. Ornithol. Monatsschrift,
Gera, Reuss.
Hans Hermann, Mitglied der kgl. Akademie der Künste in Berlin.
Dr. med. Herya Krcisphysikus, Otterndorf.
Carl Heussenstamm genannt Häueser, kgl. bayr. Hofschau-
spieler, München.
R. H. Hertz s ch, Direktor, Halle a. S.
Dr. mod. S. Herzberg, Frauenarzt, Berlin.
San.-Rat Dr. med. Ph. Herzberg, Berlin.
Leo He rzb er g -Fränkel, Schriftsteller, Töplitz.
Anton Hilgert, Schriftsteller und Redakteur.
Geh. Regierungsrat a. D. Hie 1 scher, Heidelberg.
J. Herzog, Herausgober der Montagsrevue, Wien.
Heinrich Hink, Chefredakt. des „Berl. Fremdenblatt", Berlin.
Oberstabsarzt Dr. A. Hill er, Privatdoz. an der Universität Breslau.
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Paul Hill er, Kunstkritiker u. Redakt., Cöln a. Rh
Robert Hiller, Ebersbach in Sachsen.
Dr. Hintzpeter, Arzt, Altona.
Friedrich v. Hindersin, Amtsrichter, Pfirt i. E.
Franz Himmelbaucr, Schriftsteller, Wien.
Georg Hirschfeld, Schriftsteller, Berlin.
Dr. med. M. Hirschfeld, Arzt, Charlottenburg.
Paul Hirsch feld, Schriftsteller, Berlin.
Dr. phil. Max Hirschfeld, Schrifsteller, Berlin.
Dr. med. Jacob Hirschfold, Arzt und Schriftsteller, Danzig.
Herrn. Hirschfold, Schriftst., Frankfurt a. M.
Hugo H. Hitschmann, Herausg. d. land wirtschafte Zeitung, Wion.
Prof. der Physiologie, Dr. Franz Hofmeister, Strassburg i. E.
Heinrich Hoffmann, Direktor der Heidelberger Strassen- und
Bergbahngoseilschaft, Heidelberg
Professor I. C. V. Hoffmann, Heraupg d. Zeitschrift f. mathemat.
und naturwissenschaftlichen Unterricht, Wien.
Dr. phil. Otto Hoffmann, Lycealoberlehrer Archäologe, Longc-
ville bei Metz.
•Tustizrat Dr. PaulHoldheim, Rechtsanwalt o. Notar, Frankfurt a M.
Dr. Felix Holländer, Schriftsteller u. Redakteur, Berlin.
Dr. med. Arthur Hollmann, Polizeiarzt u. Privatdoz , Leipzig.
Dr. ph. Ferd. Holz hausen, Professor an der Universität zu
Gotenburg.
Dr. phil. Ludwig Holzapfel, Privatgelehrter, Giessen.
Theodor Hoppe, Schriftsteller, Charlottenburg.
Wilhelm Freiherr v. Hoxar, Hofschauspieler und Regisseur,
Stuttgart.
Dr. jur. Hübbe-Schleiden, Herausgeber der Sphinx, München.
Geh Sanitätsrath Dr. Hüll mann, Halle a. S.
Prof. Dr. K. Hürthle, Breslau.
Jul. Isenbeck, Chefredakt. d allg. Reichskorrespondenz, Steglitz.
Prof. Dr. med. James Israel, Berlin.
Eugen Isolani, Schriftsteller, Dresden.
Prof. Dr. S. Jadassohn, Musikdirektor, Leipzig.
Wilhelm Jacob y, Schriftst. u. Verlagsbuchhändler, Wiesbaden.
Dr. Ludwig Jacobowski, Herausg. von „die Gesellschaft",
Berlin.
H. Jaeck, Buchhändler, Stuttgart.
De. med. Gustav Jäger, Professor der Zoologie, Physiologie und
Anthropologie, Stuttgart.
Hermann Eduard Jahn, Schriftsteller, Berlin.
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Direktor Alex. Jadassohn, Verlagsbuchh. Redakt. Berlin W.
Hans von Janusckiewicz-Reinfcls, Vorsitzender der Ge-
sellschaft Deutscher Dramatiker, Berlin.
Amtsgerichtsrat Hermann Jastrow, Berlin.
Dr J. Jastrow, Privatdozent für Staatswissenschaften an der
Universität Berlin.
Professor Dr. phil. W. Ihne, Heidelberg.
Paul Jonas, Rechtsanwalt and Notar, Berlin.
Albert Johannscn, Schriftsteller, Husum.
Christoph Morris de Jonge, Schriftsteller, Scbönebcrg.
Professor der Chirurgio Dr. Jordan, Heidelberg.
Dr. Theodor Jourdan, Rechtsanwalt, Mainz.
Dr. med. 0. Juliusburgor, Arzt der Heilanstalt Fichtenhof.
Schlachtensee.
Professor der Laryngologie Dr. med A. Juracz, Heidelberg.
Dr. Konrad W. Jurisch, Dozent an der kgl. technischen Hoch-
schule zu Berlin.
Prof. Dr. v. Jürgensen, Direktor der Univer sit&tspoliklinik in
Tübingen.
Heinrich Jürs, Zahnarzt und Schriftsteller, Hamburg.
San.-Rat Dr. med. Kahl bäum, Dir. ein. Nervenheilanstalt, Görlitz
Paul Eampfmeyer, Schriftsteller, Berlin.
Otto von Kap ff, Kunstkritiker, Wien.
Dr. phil. F. Karsch, Gustos bei dem Museum für Naturkunde in
Berlin, Privatdozent f. Zoologio u. R. pr. Tit. Professor.
A. Keferstein, Kunstmaler, Berlin.
Dr. phil. Martin Keibel, EiBenach.
Max Klompnor- Hochstädt, Gr.-Lichterfelde-Berlin.
Rudolf K n e i s e 1 , Schriftatelier, Pankow-Berlin.
Conrad Kaufmann, Direktor und Eigentümer des Stadttheaters
in Stralsund.
Dr Josef Kaufman n, Rom.
KarlKautsky, Redakt. d. Neuen Zeit, Stuttgart.
Max Kegel, Redakteur, München.
Professor Dr. H. C. Kellner, Gymnasialoberlehrer, Zwickau
J o 8 e f Kellerer, Schriftsteller, München.
Karl Kempo, Fabrikbesitzer und Werkdirektor, Nürnberg.
Gymnasiallehrer J. H. 0. Korn, Rostock.
Prof. an der Landwirtschaftsschule Dr. Kienitz -G e r 1 o f f , Weilburg.
Otto Kircher, herzogl. Hofbuchdrucker und Verleger, Blanken-
burg a. H.
Medizinalrat Universitatsprof. Dr. E. Heinrich Kisch, Marienbad.
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Wilhelm Kittlor, Vorsitzender des Stadtverordneten-Kollegiums,
Liegnitz.
Prof. der Anatomie Dr. Hermann Klaatsch, Heidelberg.
A. Oscar Elansmann, Schrittst., Charlottenburg (Endforderung).
Faul A. Kirstein, Dramaturg, Berlin.
Dr. phil. Clemens Klein, Dozent a. d. Humbold- Akademie, Berlin
Dr. Adolf Klein, Chefredakteur des deutschen Frauenblattes,
Gross-Lich t erfeld e.
Georg Kleinecko, Schriftsteller, Hannover.
Dr. Hugo Kleist, Oberstabsarzt I. Kl. a. D, Berlin.
Paul Kirsten, Schriftstoller, Dresden-Blase witz.
Dr. phil. Gustav Klitschor, Schriftst., Berlin.
Dr. med, R. Klüpfel, Nervenarzt, Urach, Württemberg.
Dr. med. V. Knips-Hasse, Spezialarzt f. Physiatrie, Berlin.
Dr. E. Kny, Nervenarzt, dirig. Arzt d. Heilanstalt Godesberg.
Dr. Koch von Berneck, München.
Professor Dr. phil. Albert Köster, Marburg.
Dr. med. Koeppen, Prof. für Nervenkrankh., Berlin.
Professor Dr. Arthur König, Herausgeber der Zeitschrift für
Psychologie und Physiologio der Sinnesorgane, Berlin.
Dr. L. Königstein, Privatdozent, Wien
E. Köhler-Haussen. Chefrodakteur der Leipziger Hochschul-
zeitung, Leipzig.
Heinr. Kornfold, Verlagsbachhändler (Fischers mediz. Buchhand
lung) Berlin.
Geh. San.-Rat Dr. med F. Körte Berlin.
Dr. phil. Adolf Kohut, Schriftsteller, Berlin.
Robert Kohl rausch, Schriftstoller, München.
Amandus Korn, Schrittsteiler, Ludwigshafen a. Rh.
Freiherr von Koslo wski-Kosel.
Dr. phil. Otto Krack, Schriftsteller, Berlin.
H a n s K r ä mer , Herausg. der „Reden des Fürsten Bismarck", Berlin.
Ernst Kraus, Schriftsteller, Heilbronn a. N.
Dr. ph. Rudolf Krause, kgl. Archivassessor, Stuttgart.
Dr. Friedrich S. Krauss, Ethnologe, Wien.
Maximilian Krauss, Redakteur der Münchener Neuesten Nach-
richten, München.
Gustav Johannes Krauss Schriftsteller, Gross- Lichtorfeide.
Emil Krause, Redakteur der Hartungschen Zeitung, Königs-
berg i. Pr.
E. Krause, Konservat. a. Mus. f. Völkerkunde, Berlin.
H Krause-Görner, Red. d. „Kleinen Journal", Dt. Wilmersdorf.
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Prof. Dr. med. H. Krause, Laryngologe, Berlin.
Dr. H. Krön, Nervenarzt, Berlin.
Justizrat Timm Kröger, Rechtsanwalt und Notar, Kiel.
Dr. med et. phil. Kretschmar, Schriftst , Kolberg.
Dr. med. Krön er, Privatdozent, Breslau.
Prof. d. Geburt8hülfe Dr. H. Krukenborg, Bonn.
Prof. Dr. Kühn, Wiesbaden.
Professor der Geschichte Dr. Kugler, Tübingen.
August Kunert, Schriftsteller, Berlin.
Dr. phil. 0. Kuntzemüller, Redakteur des Hannoverschen
Conriers, Hannover.
Dr. Hans Kurella, Nervenarzt, Redakteur des Gentraiblattes für
Nervenheilk. u. Psychiatrie, Breslau.
Franz Xaver Kurz, Redakteur, Wiesbaden
Sanitatsrat Dr. Konr. Küster, Berlin.
Karl Laacke, Lehrer, Redakt. der Preoss Lehrerzeitung, Spandau.
Dr. phil. P. Lad ewig, Bibliothekar, Essen a. R.
Dr. med H. Lahmann, Leiter und Besitzer des Sanatoriums
Weisser Hirsch b. Dresden.
San.-Rat Dr. Laubert, Kreisphysikus, Melsungen.
Prof. der Frauenheilkunde Dr. med. L. Landau, Berlin.
Dr. phil. Alfons Langer, Chemiker und Schriftsteller, Berlin.
Professor Dr. phil. K. Land mann, Darmstadt
Dr. med. Karl Lange, Arzt, Berlin.
Dr. phil. Adolf Langguth, Archivar der Kgl. Preuss. Akademie
der Wissenschaften, Charlottenburg.
Dr. jur. Martin Langen, Schriftsteller, Beilin.
Dr. phil. Paul Langenscheidt, Gr.-Lichterfelde.
Friedrich Leber, Schriftsteller, Nürnberg.
Wendelin Lederer, Redakteur d. Boten ausd. Egerthal, Falkenau.
ProfessorLehmann-Hohen berg, Herausgeb. d. Volksanwalt, Kiel.
Heinrich Lee-Land sberger, Schriftsteller, Berlin.
Paul K. Lehnhardt, Schriftsteller, Berlin.
Dr. J. Lehmann, Verleger der Breslauer Zeitung, Berlin.
Karl Lehmann, Rektor der St. Marienschule, Breslau.
Walter Leistikow, Maler, Berlin.
Rechtsanwalt Georg Lenz berg, Hannover.
Dr. med. Lembke, Kreisphysikus, Hankensbüttel.
Fritz Lemmermeyer, Schriftsteller, Wien.
Prof. der Chirurgie Dr. med. Leser, Halle a. S.
Amtsrichter Dr. jur. Aug. Leverkühn, Lübeck.
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Dr. med. Lewald, dirig. Arzt d. Heil- n. Pflegeanstalt f. Kerven-
u. Gomütekr, Obernigk b. Breslau.
Dr. Max Lewin ski, Besitzer ein. bakteriologisch-chemischen In-
stituts, Berlin
Jos. Lewin sky, Hofschanspielcr und Regisseur, Wien.
Edmund Lichtenstein, Redakteur, Berlin.
Dr med Lieb, Oberamtsarzt u. Mitgl. d württemb arztl. Landes-
ausschusses, Freudensladt.
Moritz Lilie, Schriftsteller und Redakteur der Dorfzeitung in
Hildburghausen.
Wilhelm Lilienthal, Schriftsteller, Berlin.
Carl Limprecht, Redakteur, Elberfeld.
Dr. phil. Hormann Arthur Lier, Bibliothekar, Dresden.
Paul Linsomann, Schriftsteller, Berlin.
Dr. phil. Horm. Lietz, Licentiat d. Theologie, Schriftsteller, Berlin.
Universitätsprof. Dr. Berth. Litzmann, Bonn.
Rudolf Liobisch, Red. d. Anhalt. Staatsanzeiger, Dessau.
Paul Lietzow, Schriftsteller und Redakteur, Charlotten bürg.
Detlev Freiherr von Liliencron, Schriftsteller, Altona.
A. v. d. Linden, Schriftsteller, Leipzig.
Dr. med. Oskar Lindner, Stabsarzt a. D., Frankfurt a. M.
Karl Lindau, Schriftsteller, Wien.
Carl Limprecht, Red. d. Rheinland, Elberfeld.
Dr. Oscar Linke, Schriftsteller, Berlin.
Archivrat Dr. phil. Woldemar Lippert, Staatsarchivar am kgl.
sächs. Hauptstaatsarchiv, Dresden.
Dr. jur. Franz Lipp, Redaktour, Heilbronn.
San. -Rat Dr. med. Lissard, Frankenberg, (Hessen-Nassau.)
Ludwig Lo off ler, Verlagsbuchhändler, Berlin.
Dr jur. Loop er, Bankier, Berlin
Hans Löwe, Chefredakteur, Berlin.
Eugen Löwen, Schriftsteller, Charlottenburg.
Ernst Lohwag, Schriftsteller, Wien.
Professor Dr. jur. Ph. Lotmar, Bern.
Dr. R. Löwenfeld, Dir. des Schillertheaters, Berlin.
Dr. Eduard Löwenthal, Schriftsteller, Berlin .
Dr. med. L. Löwenfeld, Nervenarzt, München.
Stabsarzt a. D. Dr. Löwenthal, Schriftsteller, Berlin.
Gymnasialprofessor Dr. Heinrich Löwner in Arnao.
Regierungsrat Dr. Adolf Lorenz, Professor der Chirurgie, Wien.
Prof. der path. Anatomie Dr. Lubarsch, Rostock.
Dr. Jean Lulves, Rom.
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Dr. F. Lutze, Apolhckcnbcs., kgl Hoflieferant, Berlin.
Dr. H. Lux, Ingenieur, Herausgeber von „Mutter Erde - , Berlin-
Wilmersdorf.
Dr. med. Ferdinand Maack, Herausgeber d Zeitschrift ffür
wissenschaftlichen Occultismus, Hamburg.
Martin Maack, Schriftsteller, Lübeck.
Dr. med. W. Maass, Nervenarzt, Privatdoz a d. Universität Freiburg.
Dr. Karl Maas, Oberstabsarzt a. D , Berlin.
Dr. jur. W. Madjora, Schiiftstellcr, Wien.
Max Maier, Pfarrer in Schenking b. Deggendorf.
Dr. med. R. Mayer, grossherz. Dir. d. Landcshospilals, Hofheim.
Prof Dr. med. H. Magnus, Augenarzt, Breslau.
Dr. jur. Ernst Mamroth, Rechtsanwalt, Breslau.
San -Rat Dr. med. Marc, Kreisphysikus, Bad Wildungen.
Max May, Schriftsteller, Heidelberg.
Kurt Martens, Schriftsteller, München.
San. -Rat Dr. med Marquardt, Oberstabsarzt a. D. Berlin
Prof. d. Frauenheilkunde Dr. med. Martius in Rostock.
Wilhelm Mannstadt, Schrittst , Berlin-Steglitz.
Richard Manz, Schauspieler und Schriftsteller, München.
Max Mandus, Rodakteur u. Verlagsbuchhändler, Hamburg.
John Henry Makay, Schriftsteller, Zürich.
Geh. Sanitätsrat Dr. M. Marcuse, Berlin.
Rechtsanwalt 0 Marcuse, Breslau.
Franc Matth es, 2. Vorsitzender des deutschon Lehrer-Schrift-
stellerbundes.
P. M. Martens, Lehrer d. Handels Wissenschaften, Hamburg.
Rolf Wolfgang Martens, Schrittst., Berlin.
Sigmar Mehring, Schriftsteller, Berlin
Dr. med. Mendelsohn, Privatdozent, Redakteur d. „Zeitschrift f.
Krankenpflege", Berlin.
Dr. Max Mendheim, Schriftsteller, Leipzig.
Dr. med. Merzbach, Arzt, Berlin.
Geh. Regierungsrat von Metternich. Landrat a. D., Hoexter.
Professor Dr. Karl Meurer, Gymnasialoberlehrer in Köln.
0. Meurer, Rom.
Sanitätsrat v. Meurers, kgl. Kreisphysikus, Wilhelmshaven.
Oskar Meyer, akad. Maler und Schriftsteller, Elbing.
Professor Dr. Oscar Meyer, Bibliothekar a. d. kais. Landesbiblio-
thek, Strassburg i. E.
Sanitätsrat Dr. med. Ernst Albr. Meyner, Chemnitz.
Dr. med. Mensinga, Arzt und Schriftsteller, Flensburg,
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Gustav Michels, Maler and Schriftst, München.
Franz Hermann Meissner, Kunstschriftsteller u. Direkt., Berlin.
Karl Mi chlor, Schriftsteller, Frankfurt a. M.
Dr. jur. Wolfgang Mittormaier, Privatdozent, Heidelberg.
Geh. Medizinalrat Dr. Mich eisen, Regierungsrat a. D., Berlin.
Prof. Dr. jur. G. Michelsen, Konsul d. Republik Golombien,
Hamburg.
Otto Milrad, Redakteur, Berlin.
Prof. Dr. phil. M. Möbius, Dozent a. Senckenberg'schen Institut,
Frankfurt a. M.
Eduard Moos, Verleger, Erfurt
Dr. med. K. Mook, Arzt u Schriftsteller, Laufach in Bayern.
Dr. Alb ort Moll, Spezialarzt für Nervenkrankheiten, Berlin.
Prof. d inn. Medizin Dr. med. Moritz, München.
Henri Mossdorf, Rechtsanwalt u. Notar, Erfurt.
K. Strafanstalts-Oberarzt Dr. med. Möbius, Waldheim.
Garl Mönckeborg, Schriftsteller, Strasburg i. E.
Max Möller, Schriftsteller, Leipzig.
Dr. med. Möser, Redakteur df»r Zeitschrift „Gesunde Kinder",
Karlsruhe.
Dr. Leo Münk, Hofadvokat, Wien.
Emil Muschik, Schriftstoller, Frankfurt a. M.
Dr. med. Müller, Nervenarzt, München, Leibarzt weil. König Lud-
wig II von Bayern.
Dr. Carl Müllor-Rastatt, Schriftst, Halle a. S.
Adolf Müller, königl. Oberförster und Schriftsteller, Darmstadt.
Wilhelm Müller, Redakteur, Dresden.
Dr. med. Müller, Kreisphysikus, Herzberg (Elster).
M. Frhr. v. Münchhausen, Rittergutsbes., z. Z. Berlin.
Dr. phil. Oskar Münsterberg, Reiseschriftsteller, Berlin.
Dr. Bernhard Münz, Schriftsteller, Berlin.
AdolfMylius, Mitgl. d. Stadttheaters, Hamburg.
Dr. med. P. Näcko, kgl. Oberarzt an d. Irrennstalt zu Hubertus-
burg b. Leipzig.
Dr. scient. mat. et. med. Willibald Nagel, Privatdozent der
Physiologie, Freiburg.
Dr. med. W. Nagel, Professor a d. Univors. Betlin.
Dr. med. G. Nagel, Arzt, Breslau.
Prof. d. Philosophie Dr. Paul Natorp, Marburg
Jos. Nassen, Oberlehrer und Schriftsteller, Jülich, Rheinland.
Dr. phil. Julius Naue, Herausgeber der prähistorischen Blätter,
München.
.Inlirhncti flir homrisoxiiollo Forschungen. J7
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Dr. med. Nauck, Kreisphysikus, Hattingen-Ruhr.
Victor Naumann, Schriftsteller, Mönchen.
Dr. M. Neefe, Dir. d. statist. Amte d. Stadt Breslau.
Dr. A. Neisser, Nervenarzt, Berlin.
Hans Neuort, Hofschauspieler u. Oberregisseur, München.
An gel o Neumann, Dir. des kgl. deutschen Lande^theaters, Prag.
Dr. phil. Carl E. 0. Neumann, Schriftsteller, Dresden.
Paul Nitz, Schriftsteller, Stettin.
C. Nohascheck, Schriftsteller, Mainz.
Dr. C. Norrenberg, Bibliothekar der königl. Universitätsbiblio-
thek, Kiel.
Dr. med. Max Nord au, Schriftsteller, Paris.
Dr. A. von Oecholhaus er, Prof. a. d. techn. Hochschule u.
Kunstakademie Karlsruhe.
Dr. med. C. Oestreicher, Irrenarzt, Niederschönhausen b. Berlin.
Or. A. Oehlke, Chefredakt. d. Breslauer Zeitung, Breslau.
Dr. med. et chir. Heinrich Oberst einer, ord. Universitäts-
professor, Wien.
Dr. phil. Max Oberbrcyor, Schriftsteller, Leipzig.
Dr. med. Oberdö rffer, dirig. Arzt u. Bes. des Sanatoriums Godes-
berg a. Rh.
Professor Franz Olck, Oberlehrer, Königsberg.
Dr. phil. Arthur Obst, Redakteur am Hamburger Fremdenblatt,
Hamburg.
Dr. A. Oliven, Nervenarzt, Dirig. Arzt der Heilanstalt Berolinnm,
Berlin-Steglitz.
Dr. phil. Karl Oppel, Schrittst., Frankfurt a M.
Dr. med. H. Oppenheim, Professor für Nervenkrankheiten, Berlin.
Reinhold Ortmann, Romanschriftsteller, Berlin.
Sanitätsrat Dr. med. Oetrowicz, Bad Landeck.
Professor Dr. Robort Otto, Geh. Hofrat u. Geh. Medizinalrat,
Braunschweig.
Lehrer Otto, Redakteu dor Posener Lebrerzeitung, Posen.
Victor Ottmann, Schiftstell er, München.
Otto Osmarr, herzogl. Regisseur, Meiningen.
Dr. phil. Walter Paetow,Red. der Deutschen Rundschau, Berlin.
Dr. med. J. Pagel, Arzt u. Schriftsteller, Berlin.
Friedrich Pajcken, Schriftsteller, Hamburg.
Professor J. Pape, Maler, Dresden.
Dr. med. Parow, Arzt, Berlin.
Dr. phil. Julius Pasig, Redakteur, Berlin.
Karl Pauli, Schriftsteller u. Schauspieler, Berlin
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Dr. med. Franz Paulus, Arzt, Canslatt.
Kais. Sanitätsrat Dr. med. Pawollock, Kreisarzt, Bolchen i. Lothr.
K. Penka, Prof. f. arische Sprachen u. Altertumskunde, Wien.
San -Rat Dr. med. Pelizaeus, Suderode a, H.
Dr. Potermann, Besitzer d. Heilanstalt f. Lungenkranke, Schloss
Rötoln, Baden.
Dr. Rudolf Pen zig, Dozent an der Humboldt-Akademie, Berlin.
Arnold Perls, Redact, Mitglied d. Stadtverordneton-Kollegiums,
Berlin.
Dr. med. Georg Wilholm Peters, Arzt, z. Z. Her'ngsdorf.
Dr. jur. Franz Pesserl, Graz.
Ludwig Petzendorf er, Bibliothekar, Stuttgart.
.Justizrat Pfannen stiel , Rechtsanwalt, Kolmar im Elsass.
Dr. M. Piza, Mitglied d. ModizinalkoUegiums, Hamburg.
Philo vom Waldo, Schriftsteller, Neisse.
Hermann v. Pfistor-S chwoighusen, Schriftsteller, Darmstadt.
Professor Dr. med. E. Pflug, Giesscn
Dr. med. vet. Pflug, ord. Professor an der Universität Giesscn,
Direktor d. Vcterinäranstalt.
Dr. med Placzok, Nervenarzt, Berlin.
Professor d. IL Dr. phil. M. Planck, Berlin.
Karl von Platcn, Forscbungsrcisendcr, z. Z. Borlin.
Dr. med. F. Plcssncr, Nervenarzt, Wiesbaden.
Dr. med. Pletzcr. Privatdozent in Bonn.
Dr. med. Alfred Ploctz, Arzt und Schriftsteller, Berlin.
Dr. med W. Pich ler, Badearzt in Karlsbad.
San.-Rat Dr. med. Picht, Kreisphysikus, Nienburg a. d. W.
Professor Friedrich Pietzkor, Nordhauson.
Dr. Otto Pniowcr, Schriftsteller, Berlin.
weiland Hofrat B. Pollini, Direktor des Stadttheaters, Hamburg.
.Tustizrat Dr. jur. Ponfick, Rechtsanwalt, Ehrenvorsitzender des
GefängnisvereinB in Frankfurt a. M. (Endforderung.)
Dr. med B. Ponorz, Arzt, z. Z. Trautenau.
Prof. Dr. med. A. Poppert. Giessen.
Dr. phil. Felix Popponberg, Schriftsteller, Charlottenburg.
Dr. S. E Poritzky, Romanschriftsteller, Berlin.
Professor Dr. Emil Pott, Münchon.
Dr. med. W. Prausnitz, Prof. d. Hygiene Graz.
Berthold Prochownik, Dr. d. Staatswiss. Berlin.
San.-Rat Dr. med. Practorius, Inhaber e. Heilanstalt für Nerven-
kranke, Katzenelnbogen in Nassau
Botho v. Pressentin, Schriftsteller, Steglitz.
17*
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— 260 —
Rudolph Freiherr Prochäzka, Prag.
Professor Lucian v. Pasch, Breslau.
Dr. Paul Rache\ Redakteur d. Hamb. Fremdcnblattes, Hamburg.
Generalkonsul Gerhard Ramberg, Wien.
Prof. Dr. phil. Fr. Raimund Kai n dl, Czcrnowitz.
Dr. jur. J. Redlich, Schriftsteller, Wien.
Dr. Paul Rehme, Privatdozent der Rechte, Kiel.
Eugen Reichel, Schriftsteller, Berlin.
Ferdinand Reichenheim, Rentier, Berlin
W. v. Reichenau, Lieutenant a. D., Konservator d. naturhistortschen
Museums Mainz.
Victor Freiherr von Reisner-Cepi nsky , Schriftsteller,
Charlottenburg.
Marzellin Adalbert Reitler, Eisenbahndirektor, Baden- Wien.
Prof. Dr. med. E. Remack, Nervenarzt, Berlin.
Dr. phil. Paul Romer, Novellist, Berlin.
LeonResemann, Dir. u. Eigentümer des Bcllcvuethcaters, Stettin.
Emil Reubke, Hofschauspieler, Dessau.
Rechtsanwalt Reuscher, Gottbus.
Theodor Reuss, Schriftsteller, Berlin.
Dr. phil. Eugene Roy, Redaktour, Leipzig.
Medizinalrath Dr. med. Richter, Dessau.
Medizinalrat Prof. D. med. E. Richter, Breslau.
Hugo Alphonse Revol, Chefredakteur dos „High lifo", Berlin.
Dr. med. Riegol, kgl. Landgerichtsarzt, Kempten
Professor der Chirurgie Dr. M. Rietsehl, Freibarg i. B.
Hormann Riotte, Rezitator und Schriftsteller, z. Z. Bamberg.
Dr. Ernst Rhet wisch, Schriftsteller, Berlin.
Dr. jur. Anton Riehl, Advokat, Wiener-Nenstadt.
Professor Hermann Ritter, Würzburg.
Rainer Marie Rilke, Schriftsteller, Schwarzendorf bei Berlin.
Geh. Hofrat Professor Dr. Ludwig Ritter von Rockinger,
München.
Dr. Wilhelm Rohmedor, Stadtschulrat, München.
Alwin Römer, Schriftsteller, Magdeburg.
Gymnasialprofossor Ferd. Roese, Wismar
Dr. jur. Roeseier, Berlin.
Dr. phil. Hermann Rösemeier, Berlin.
Walter Rose, Schriftsteller u. Redakteur, Berlin.
Prof. Dr. med. Ottomar Rosenbach, Berlin.
Dr. med. Albert Rosenberg, Arzt, Berlin.
Dr. med. Georg Rosenbaum, Nervenarzt, Berlin.
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— 261 —
Dr. pLil. Rieb. Kosen bäum, k. k. Hofburgtheatorsekretär, Wien,
Dr. jur. Rosenfold, Gerichtsassessor und Privatdozent, Hallo.
(Endforderung.)
Hans Rosenhagen, Herausg. d. „Atelier", Berlin.
Karl Rosner, Schriftsteller, München.
Prof. Dr. med. Th. Rosenhoim, Berlin.
Dr. Philipp Rochenann, Oberlehrer, Wiesbaden.
Generalarzt a. D Dr. med. Rothe, Frankfurt a. O.
Überstabsarzt 1. Kl. a. D. Dr. med. Rothe, Rostock.
Professor Dr. K. v. Rümker, Breslau.
Dr. med. Fr. Rubinstein, Dozent a. d. Humboldtakademie, Berlin.
Dr. Karl Russ, Herausgober der „Gefiederten Wolf, Berlin.
Dr. med. Ruth, kgl. Landgerichtsarzt, Passau.
Dr. phil. Benno Rüttenaucr, Schriftsteller, Mannheim.
Walther Freiherr von Rummol, München.
Stadtrat Leopold Sachs in Glogau.
Dr. med. Martin Saalfeld, Arat, Berlin.
Carl Sänger, Pfarrer in Frankfurt a. M.
Dr. med. Salingrä, Arzt, Berlin.
Dr. med. et phil. Karl Heinrich Schaible, Emerit. Professor
d. Royal Military Akadcmio Woolwich und Examinator der
Universität London, Heidelberg.
Gebh. Schätzel-Perasini, Schriftsteller u. Dramaturg, Dresden.
Cavaliere Uli Schanz, Universitätsprof., Leipzig.
Gg. Schaum borg, Schriftsteller, München.
Jul. Schaumberger, Schriftsteller, München.
Lic. thcol. Dr phil Schaumkell, Oberlehrer, Ludwigslust i. M.
Dr. Ludwig von Schefflor, Herausgeber der Tagebücher des
Grafen Aug. v. Platen, Weimar.
Prof. Dr. J. Schoinor, kgl. Astronom, Potsdam.
Dr. med. Franz Schon k, Privatdozent für Physiologie, Würzburg.
Professor Carl Schorros, Charlottenburg.
Paul Schettler, Redakteur des „Magazins für Litteratur", Berlin.
Dr. phil. John Schikovski, Charlottenburg.
Dr. med. Schiller, Kreisphysikus, Wehlau.
Prof. der Augenheilkunde Dr. med. Schirm er in Greifswald.
Prof. d. Geschichte Dr. phil. Friedr. Schirr macher, Rostock.
Professor der Anatomie Dr. med. Schiefferdecker, Bonn-
Johannes Schlaf, Schriftsteller, Magdeburg.
C. F. von Schlichtegroll, Schriftsteller, Berlin.
Dr. Hans Schmidkunz, Privatdozent, München.
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— 262 —
Dr. phil. Lothar Schmidt, Herausgeber der „Meisterwerke der
zeitgenössischen Novellistik", Breslau.
Dr. Conr. Schmidt, Dramaturg, Charlottcnburg.
Dr. med. Schmidt-Pcterscn, Kroispbysikus, Bredstedt (Schleswig).
Dr. phil Gustav Schmilinsky, Gymnasialoberlehrer, Halle a. S.
Dr. phil. P. Schmitz, Schriftst., Charlottenburg
Dr. phil Joseph Schmöler, Privatdozent für Nationalökonomie,
Greifswald.
Dr. Arthur Schnitzler, Schriftsteller, Wien.
Dr. phil. Alfred Schnerich, Kunstschriftstoller, Wien.
Karl Scholl, Prediger, Herausg. von „Es werde Licht", Nürnberg.
Professor Dr. Rein h. Schoener, Berichterstatter der Vossischen
Zeitung, Rom.
Dr. phil. Gustav Schönermark, Schriftsteller, Cassel.
Dr. Wilholm von Scholz, Schrittet., München.
Dr. med. Fr. Scholz, fr. Direktor der Kranken und Irrenanstalt
Bremen.
Dr. med. L. Scholz, dirig. Arztd. evang. Krankenh. f. Geisteskranke,
Waldbröl.
Max Schreiber, Rechtsanwalt, Breslau.
Hermann Schreiber, Direkt, d. WarenEinkaufvereins zu Görlitz.
Dr. Hugo Schramm-Macdonald, Schriftsteller, Dresden.
Dr. phil. T. S hr oeder, Jena.
Dr. med. Schröder, Kreisphysikus, Birnbaum.
Geh. San.-Rat. Dr. med. Steinbrück, Berlin.
Karl Schoenfeld, Oberregisseur und Dramaturg, Berlin.
Dr. med. Freiherr von Schrenck-Notzing, Nervenarzt, München
(Endforderung).
Prof. Dr. Karl Schuchardt, Direkt, d. chirurg. Abt. des städt.
Krankenhauses zu Stettin.
Karl Theodor Schulz, Schriftsteller, Königsberg i. Pr.
Professor d. Biologie Dr. 0. Sc hu Uze, Würzburg\.
Professor Dr. F. R Schulze, Dir. der mediz Klinik, Bonn.
Dr. Alwin S c h u 1 z , Professor d. Kunstgeschichte an der deutschen
Universität, Prag.
Dr. Ernst Schulze, Schriftsteller, Bonn.
Conrad Schulze, Rechtsanwalt u. Notar, Elbin g.
P. Schulte 8, Schriftsteller, Hannover.
Walther Schulte vomBrühl, Hauptredakteur des Wiesbadener
Tageblatt.
Dr. Paul Schumann, Schriftsteller, Dresden-Blasewitz.
Richard Schuster, Verlagsbuchhändler, Berlin.
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— 203 -
W. Schwane r, Herausgeber d. Vulkserziehcrs in Berlin.
R. Schwoichel, Schriftstoller, Schöneborg- Berlin.
Justizrat K. Sertürner, Rcchtsanw., Hameln.
Medizinalrat Professor Dr. C. Seydel, Gerichtsphysikus, Königs-
berg i. Pr.
Dr med. R. Seydcler, Oberstabsarzt I. Gl. a. 1). in Berlin.
Prof. der Geschichte Dr. C. F. Seybold, Tübingen.
San.-Rat Dr. med. Simon, Berlin.
W. Sichelkow, Genremaler, Berlin.
Dr. med. Solbrig, Kreisphysikus, Tomplin.
Sanitäterat Dr. Sorge, Bezirksarzt, Ilmenau.
Dr. med. A. Smith, ding. Arzt d. Trinkerheilanstalt, Schloss
Marbach a. Bodensee.
Dr. med. Sommer, Direktor der Pro viuzial- Irren- Heil- und Pflege-
Anstalt, Altenberg.
Prof. Dr. med G. Sommer, Vorst, d. path. anat. Instituts, Innsbruck.
Otto Sommerstorf, Schauspieler, Berlin.
Dr. med. Sonnenberg, Polizeiarzt, Bremen.
San.-Rat Dr. med. Speck, Kreisphysikus, Dillenburg.
Dr. med Arthur Sperling, Nervenarzt, Berlin.
Advokat Dr. Gustav Spitz, Iglau.
Max Spohr, Verlagsbuchhändler, Leipzig,
Ludwig Stahl, Oberregisseur, Berlin.
Ludw. Stark, Leiter der Rothenburger Festspiele, München.
Stauf v. d. March, Schriftsteller, Wien.
Geh< San.-Rat Dr. med. Steinbrück, Berlin.
Hofrat Dr. K. Stellwag von Garion, Professor, Wien.
Otto von Stetten, Maler, München.
Professor d. Chirurgie Dr. Stetter, Königsberg.
Sanitätsr. Dr. Stielau, Kreisphysikus, Pr. Holland.
Dr. jur. Fr. Stier-Somlo, Gerichteassessor und Schriftst., Berlin.
Prof. der Augenheilkundo Dr. med. J. St iiiin g, Strassburg i. E.
Dr. med. Stockmayer, Oberamtsarzt u. Mitglied des ärztl. Landes-
ausschusses, Heidenheim in Württemberg.
Dr. phil. A. Stimming, Professor an der Universität Göttingen.
Dr. med. Stolteuhoff, Director der Provinz- Irrenanstalt Kortau
bei Alienstein.
Dr. med. P. Strassmann, Privatdozent für Geburtshilfe und
Gynäkologie, Berlin.
Geh. Med. -Rat Dr. med. Strahler, Berlin.
Professor Franz Stuck, Maler, München.
Dr. jur. Th Suse, Rechtsanwalt, Hamburg.
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— 264 —
San -Rat Dr. med. Surminski, Kreisphysikus, Lyck.
San.-Rat Dr. med. Süssbach, dirig. Arzt d. Taubstummenanstalt,
Liegnitz.
Professor Dr. Adalbert Svoboda, Stuttgart.
Paul y. Szczpaeriski, Schriftsteller, Stuttgart..
Justizrat A. Täschner, Rechtsanwalt, Freiberg i. S.
Hauptmann Karl Tan er a, Schriftsteller, Berlin.
Hermann Freiherr v. Taschenberg, Gross- Lichterfelde.
Dr. med. Tenholt, Reg.- und Med -Rat a. D., Knappscbafts-
Oberarzt, Bochum.
Prof. d. Strafrechtswissenschaft Dr.jur. A. Teich mann, Basel.
Dr. med. Tergast, Kreisphysikus, Emden.
Dr. F. Tetz n er, Oberlehrer, Leipzig.
Heinrich Teweles, Dramaturg d. deutsch, Landestheaters, Prag.
Dr. jur. Thomsen, Privatdozent d. Rechte, Kiel.
Dr. med. T herig, Arzt, Magdeburg.
Oberbürgermeister The sing, Tilsit.
Dr. phil/E. Tiessen, Schriftsteller, Friedenau bei Berlin.
Geh. Sanitätsrat Prof. Dr. med. Tobold, Berlin.
Dr. phiL H. Th. Traut, Oberlehrer a. D, Leipzig.
Geh. Hofrat Prof. Dr. Georg Treu, Direktor der kgl. Sculpturen-
sammlung, Dresden.
Dr. med. Otto Tross, prakt. Arzt, Karlsruhe.
Julius Türk, Schriftsteller und Theaterdirektor, Berlin.
Prof. Dr. phil. Ule, Giebichenstein bei Halle a. S.
Dr. med. Urban, Arzt, Dresden.
Dr. jur. K. Uschner, Amtsgerichtsrat a. D. in Oppeln.
Professor der Strafrechtswissenschaft Dr. jur. J. Vargha, Graz.
Prof. der Physiologie Dr. Max Verworn , Jena (Endforderung).
Dr. med. Fr. Viereck, Kreisphysikus, Ludwigslust i. M.
Dr. phil. A. Vierkandt, Privatdozent an der techn, Hochschule,
Braunschweig.
Dr. med. Alex. Viller s, Dresden.
Justizrat Dr. Vohsen, Rechtsanwalt, Saargemünd.
Rechtsanwalt Lothar Volkmar, Berlin.
Richard Voss, Schriftsteller, Berchtesgaden-Frascati.
Bernh. Voss, Rechtsanw. u. Notar, Schwerin i. M.
Franz Wallner, Schauspieldirektor, Dresden.
Dr. med. Waldschmidt, dirig. Arzt d. Anstalt f. Gemütskranke,
Westend b. Berlin.
Dr. phil. Joh. Walther, Prof. d. Geologie, Jena.
Med.-Rat Dr. med. Walther, kgl. Landgerichtsarzt, Hof i. B.
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— 2155 —
Dr. med. R. Walter, dirig. Anst der Nervenheilanstalt Deutsch- Lissa.
Dr. med. Watton berg, dirig. Arzt der Staatsirrenanstält in Lübeck.
Hans Richard Weinköppel, Kapellmeister, München.
Karl Weiser, Grossherz, sächs. Hofschauspieler, Regisseur und
Schriftsteller, Weimar.
Dr. med. Poter Wellenberg, gerichtl. Psychiater in Amsterdam.
Prof. Dr. B. Wikernie wie z, San.-Rat, Direktor der Universitäts-
Augenklinik, Krakau
Sanitätsrat Dr. Wiedn er, Kreisphysikus u. Strafanstaltsarzt, Cottbus.
Sanitätsrat Dr. Wicdcmann, Kreisphysikus, NeuRuppin.
Dr. med. W,itte, Oberstabsarzt d. L., Frauenarzt, Berlin.
Dr. med Tb. Weyl, Privatdozent, Herausg. d. Handb. d Hygieno,
Berlin.
Dr. med. H. Weyl, Arzt, Berlin.
Geh. San.-R. Dr. med. Winckler, Luckau.
Dr. AdolfWilbrandt, Schriftateller, Rostock.
San.-Rat. Dr. med. Wilhelmi, Kreisphysikus, Schwerin i. M.
Dr. L. Will, Prof. d. Zoologie, Rostock.
Dr. Bruno Wille, Schriftsteller, Friedrichshagen bei Berlin.
San.-Rat Dr. med. Jul. Wohl, Berlin.
Geh. Medizinalrat Dr. von Wolltersdorff, Sondershausen.
Ernst Freiherr von Wolzogen, Schriftsteller in München.
Rechtsanwalt und Notar Ludw. Wreschner, Berlin.
Dr. med. A. Würzburger, Arzt für Nerven- und Geisteskrank-
heiten, Bayreuth.
Prof. der Anatomie Dr. med. R. Zander, Königsberg.
Dr. med. Ziegclroth, dirig. Arzt des Sanatoriums Birken werder
bei Berlin.
Dr. med. Ziegenspeck, Privatdozent d. Gynäkologie, München
Dr. Theophil Zolling, Herausgeber der Gegenwart, Berlin.
San.-Rat Dr. med. Zuolchaur, Stabsarzt a. D, Berlin.
U. 8. W. U. 8. W.
Es sei bemerkt, dass eine Reihe von Männern, die
den höhereu Justiz- und Medizinalbehörden angehören,
ihr vollstes Einverständnis mit dem in der Eingabe zum
Ausdruck gebrachten Standpunkt erklärt haben und
lediglich aus amtlichen Rücksichten von einer Unter-
zeichnung ihres Namens Abstand zu nehmen sich ver-
anlasst salien.
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— 2<>0
Ferner heben wir hervor, das« die Berliner Kriminal-
polizei auf dein in Rede stehenden Gebiet, namentlich
über das weitverbreitete Erpresseruuwesen (die Chantage),
zweifelsohne ein umfangreiches Material anzusammeln Ge-
legenheit gehabt hat, das seitens der gesetzgebenden
Körperschaften eingefordert werden müsste.
Nachtrag.
Weitere Gründe, die namentlich von juristischer Seite
für die Abschaffung des § 175 geltend gemacht wurden
und auch für Bayern, Frankreich etc. bei der Auf-
hebung mit ausschlaggebend waren, sind:
I. Der Paragraph steht in Widerspruch mit den
Grundsätzen des Rechtsstaates, der nur da strafen
soll, wo Rechte verletzt werden. Wenn zwei
Erwachsene, in gegenseitiger Uebereinstimmung
im geheimen geschlechtliche Akte begehen,
werden keines Dritten Rechte verletzt.
Werden Rechte verletzt, so bestehen schon ander-
weitige Bestimmungen.
II. Die Nachforschungen veranlassen meist erst das
Aergernis, dem man steuern will. Chauveau
und Faustin H£lie, Theorie du code p£nal, Tome
VI, S. 110 führen als ein Motiv der Beseitigung
des Urningsparagraphen an : „Die Vermeidung
der schmutzigen und skandalösen Unter-
suchungen, welche so häufig das Familien-
leben durchwühlen und erst recht Aergernis
geben."
III. Ferner sind die grossen Schwierigkeiten
zu berücksichtigen, die sich der Vollstreck-
ung des Paragraphen entgegenstellen. Es ist
von vielen Kapacitäten mit Recht hervorgehoben,
dass ein Gesetz keinen Wert mehr hat, bei dem
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— 267 —
nur ein so verschwindend geringer Bruchteil der
vorkommenden Fälle vor den Strafrichter ge-
langen.
IV. Des weiteren ist in Betracht zu ziehen, dass der
§ 175 so unklar gefasst ist, dass selbst unter
den Juristen völlige Meinungsverschiedenheit
besteht, was unter ihn fällt. Nach reichsgericht-
licher Entscheidung fallen in Deutschland unter
ihn nicht etwa nur immissio in corpus, sondern
auch blosse Umschlingungen und Friktionen
der Körper; gegenseitige Onanie ist dagegen
nicht Unzucht im Sinne des Gesetzes. „Diese
unglückliche Rechtsübung", sagt v. Krafft-Ebing
(Der Konträrsexuelle vor dem Strafrichter, Leip-
zig und Wien S. 16), «nötigt den Richter zu den
peinlichsten Feststellungen eines objektiven
Thatbestandes, der sich darauf zuspitzt, ob Frik-
tionen stattgefunden haben oder nicht, wobei
der einzige Zeuge der passive Teil zu sein pflegt,
dazu oft ein Chanteur, eine männliche Hetäre,
ein Lump, dem es auf einen falschen Eid um-
soweniger ankommt, als er sonst wegen Ver-
leumdung belangt werden könnte."
V. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass hier
ein „error legislatoris" vorliegt. Der Ge-
setzgeber war, als er die betreffenden Hand-
lungen mit Strafe bedrohte, in einem natur-
wissenschaftlichem Irrtum befangen, welcher für
ihn die wesentlichste Veranlassung zur Straf-
androhung war. Es ist mit grösster Wahrschein-
liclikeit anzunehmen, dass er diese Strafandroh-
ung nicht ausgesprochen haben würde, wenn er
die erst später erwiesenen Thatsachen der
angeborenen konträren Sexualem pfindung ge-
kannt hätte. Ebenso beruhte auch das Reehts-
— 208
bewusstsein im Volke", welches bei der letzten
Revision des Str. G. B. als einziges Motiv für
die Beibehaltung des Paragraphen angegeben
wurde, auf drei falschen Voraussetzungen. Ein-
mal war dem Volke die Thatsache, das es
Menschen giebt, die trotz aller gegenteiligen
Bemühungen nur für dasselbe Geschlecht
empfinden können unbekannt, ferner glaubte es,
dass es sich um immissio in anum und Ver-
führung unreifer Personen handelte, während in
Wirklichkeit die Pädication und die Neigung zu
unerwachsenen Individuen bei Conträrsexuellen
ebenso selten vorkommt, wie bei Normalsexuellen.
VI. Man hat auch nicht mit Unrecht, darauf hin-
gewiesen, dass der Verkehr unter Männern und
unter Frauen, weil er in der Hauptsache ohne
Folgen bleibt, für die übrige Menschheit weit
gleichgültiger sein kann, als der sittlich schliess-
lich ebenso verwerfliche, vor dem Gesetz nicht
strafbare aussereheliche Verkehr zwischen Mann
und Weib (man denke z. B. an die Syphilis-
gefahr, die unehelichen Geburten, das Dirnen-
wesen etc.). Verführern gegenüber kann der
junge Mann sich ebensogut allein seiner Haut
wehren, wie das junge Mädchen. Volenti non
fit iniuria.
VII. Der Paragraph 175 treibt Hunderte in Länder,
wo der Urningsparagraph nicht mehr besteht,
raubt diesen das Vaterland und dem Vaterlande
viele geistige und materielle Mittel Der Ge-
danke, von der Natur selbst, ohne die geringste
Eigenschuld zum Verbrecher gestempelt zu sein,
macht die meisten Homosexuellen bodenlos elend
und jagt viele von ihnen, die nie etwas die
Menschheit Schädigendes gethan, nicht einmal
— 269
im Sinne des Paragraphen 175 gefehlt haben,
in den freiwilligen Tod. (Selbstmorde aus un-
bekannten Gründen.)
VIII. Endlich rauss betont werden, dass der Paragraph
ausserordentlich die Bekämpfung der Homo-
sexualität und die Behandlung der mit ihr
Behafteten erschwert, da dieselben eine nur
zu begreifliche Scheu hegen selbst dem Arzte
gegenüber ein Leiden einzugestehen, das sie mit
dem Strafgesetzbuch in Konflikt bringt.
Anhang.
Christentum und Homosexualität.
In der Reichstagsverhandlung vom 19. Januar 1898
wurde von dem Reichstagsabgeordneten Herrn Pastor
Schall gegen obige Eingabe als einziger Einwand geltend
gemacht, sie stände mit den Anschauungen des Christen-
tums im Widerspruch. Mehrere hervorragende Unter-
fertiger hatten dagegen vorher dieselbe „als echt mensch-
lich und christlich" bezeichnet. Ein Geistlicher schrieb
sogar: „Wer die heilige Schrift zur Befürwortung solcher
Gesetze anzieht, der kennt sie nicht." Wer hat da Recht?
Die richtigste Lösung der Frage, wie sich die Aufhebung
des § 175 mit dem christlichen Standpunkt vereinigen
lässt, scheint uns in folgenden Ausführungen eines hervor-
ragenden Unterfertigers der Petition zu liegen: „Die
Forderungen des Christentums sind Ideale, die, so wert-
voll und unentbehrlich sie für unser privates und öffent-
liches sittliches Leben sind, doch zugestandenermassen
nicht alle ohne weiteres wörtlich zu staatlichen Gesetzen
gemacht werden können. Ich erinnere z. B. daran, wie
das Alte Testament die Vorkehr gegen die Befruchtung
brandmarkt (1. Mos. 38,4) sowie an das, was Christus
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— 270 -
über Beleidigung (Matth., 5, 22. „ . . . . wer zu seinem
Bruder sagt: du Narr, der ist des höllischen Feuers
schuldig"), über den Ehebruch (Matth. 5, 32), über den
Eid (Matth. 5, i$7) sagt. Demgemäss sind auch eine
Menge von geschlechtlichen Handlungen, die das Christen-
tuni als verwerflich bezeichnet und die allgemein als
sittlich verwerflich anerkannt sind, vor dem Gesetz nicht
strafbar. Es ist inkonsequent und unhaltbar, die strengen
Forderungen des Christentums nur auf eine einzelne Art
von geschlechtlichen Handlungen zu beziehen, während
die gleichen Verhältnisse unter Weibern, die thatsächlich
ebenso oft vorkommen und andere zum Teil viel schlimmere
Dinge, welche nicht der Ausfluss konstitutioneller
oder krankhafter Anlage sind z. B. die Weiber-
pädikation u. a. straffrei bleiben. 44
Zudem geht aus dem Wortlaut der biblischen Stelle«
(tufävvtg tYp (pvffixifV %Q^ lv T *i$ ttijteiag) verlassen den
natürlichen Gebrauch des Weibes) unwiderleglich hervor,
dass die naturwissenschaftliche Erkenntnis der damaligen
Zeit das Phenomen der urnischen Individualität noch
nicht in seiner Wesenheit erfasst hatte.
Wir fügen noch das Gutachten hinzu, welches ein
ord. Professor der katholischen Theologie giebt.
Er sagt: „Das Christentum als solches fordert
die Bestrafung homosexueller Handlungen
nicht; die gesetzlichen Strafbestimmungen des
Mittelalters waren der Ausfluss damaliger
kultureller Verhältnisse. Wohl aber fordert das
Christentum die Bekämpfung der betreffenden Gefühls-
anlage seitens des Einzelnen, der damit behaftet ist, im
Namen der Sittlichkeit, d.ren Normen absoluten Wert
beanspruchen. Die Petition kann ich nur dann als echt
menschlich und christlich anerkennen, wenn sie die Existenz
einer objektiv absolut gültigen Sittlichkeit ausspricht und
ihren Zweck nicht bloss in der Beseitigung von Verfolgungen
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- 271 -
erblickt, sondern noch mehr darin, dass die beklagens-
werte Erscheinung mit den richtigen Mitteln, d. h. mit
physiologischen und psychologischen, individuellen und
sozialen, religiösen und sittlichen Mitteln bekämpft werde."
Mit diesen Anschauungen sind wir durchaus einverstanden.
Der Rechtsgrund, welchen die Kirche des Mittel-
alters für die Bestrafung homosexueller Handlungen an-
gab, dürfte schwerlich heute noch aufrecht zu erhalten
sein. Ludwig der Fromme befahl in einem Kapitulare,
die Urninge lebendig zu verbrennen, nachdem das sechste
Pariser Konzil festgestellt habe, dass durch sie Hungers-
not und Pestilenz entstanden seien (cfr. Acta concilii Paris
sexti Hb. 3 cap. 2;) und der hervorragende Jurist Carpzovius
nennt noch 1709 als Motive der Urningbestrafung folgende
sechs Plagen, die sie verursacht hätten: „Erdbeben,
Hungersnot, Pest, Sarazenen, Ueberschwemmungen sowie
sehr dicke und gefrässige Feldmäuse (Carpzovii practica
novi rerum crim. 1700. II. g. 76. § 5.) Gelehrte der
katholischen Kirche haben sich daher schon früher wieder-
holt gegen die Bestrafung angeborener Homosexualität
ausgesprochen. (Vgl. Numa Numantius: Ära spei S. 15
und ff.)
Mögen doch die gesetzgebenden Körperschaften er-
kennen, dass es sich in der obigen Petition nicht etwa
um Propaganda für den Uranismus handelt, sondern
einzig und allein um die Beendigungen von
Verfolgungen, welche die Nachwelt zweifellos
einst in jenes traurige Kapitel der Kultur-
geschichte einreihen wird, in welchem die
übrigen Verfolgungen andersgläubiger und
andersgearteter Menschen verzeichnet stehen.
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— 272 -
Diese Eingabe wurde in ihrem ersten Teil im
Dezember 1897 den Mitgliedern des Reichstags und
Bundesrats überreicht. Am 13. Januar 1898 gelangte der
Gegenstand gelegentlich der ersten Beratung der soge-
nannten lex Heinze zum ersten Mal im Plenum des
Hauses zur Sprache. Es war der Abgeordnete Bebel,
der nach dem stenographischen Reichstagsbericht fol-
gendes sprach:
Vizepräsident Dr. Spahn: Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Bebel.
Bebel, Abgeordneter: Es begreift sich der Stand-
punkt, dass diejenigen, die an gewissen unangenehmen Er-
scheinungen unseres öffentlichen und sozialen Lebens mit
Grund Anstoss nehmen, bestrebt sind, möglichst das
Strafgesetzbuch zu Hilfe zu nehmen, um diesen Uebeln
abzuhelfen und sie möglichst aus der Welt zu schaffen.
Ich und meine Freunde sind auch bereit, einem ganzen
Teil der Bestimmungen, welche die Herren Spahn und
Genossen in dem uns vorliegenden Gesetzentwurf bean-
tragt haben, unsere Zustimmung zu geben, aber bei weitem
nicht allen. Auf der einen Seite geht mir dieser Gesetz-
entwurf zu weit, auf der anderen nicht weit genug. Ins-
besondere mtisste, wenn einmal auf diesem Gebiet refor-
miert werden sollte, auch geprüft werden, ob es nicht
noch andere ähnliche Bestimmungen in unserem Straf-
gesetz gäbe, die mindestens mit demselben Recht und
derselben Notwendigkeit einer Revision unterzogen werden
müssten wie die hier beantragten Paragraphen.
Meine Herren, das Strafgesetzbuch ist dazu da, dass
es gehalten wird, d. h., dass die Behörden, die in erster
Linie über die Innehaltung und Respektierung dieser
Gesetze zu wachen haben, auch ihre pflichtgemässe Auf-
merksamkeit darauf richten und dementsprechend handeln.
Es giebt aber Bestimmungen in unserem Strafgesetzbuch,
und sie sind zum Teil mit in den Anträgen enthalten,
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- 273 —
die uns liier vorliegen, bei denen die Behörden, obgleich
ihnen aufs genaueste bekannt ist, dass diese Bestimmungen
von einer erheblichen Zahl von Menschen, sowohl Männern
als Frauen, systematisch verletzt werden, nur in den
seltensten Fällen den Versuch machen, den Strafrichter
zu Hilfe zu rufen. Ich habe hier insbesondere den Ein-
gang der Bestimmungen des § 175 — er handelt von der
widernatürlichen Unzucht — im Auge. Es wird not-
wendig sein, wenn die Kommission gewählt wird — und
ich stimme bei, dass eine solche gewählt wird, weil meines
Erachtens dieser Gesetzentwurf ohne Kommissionsberatung
nicht Gesetzeskraft erlangen kann — , dass alsdann ins-
besondere die preussische Staatsregierung ersucht wird,
ein gewisses Material, was der hiesigen Berliner Sitten-
polizei zur Verfügung steht, uns vorzulegen, um auf
Grund der Prüfung desselben uns zu fragen, ob wir die
Bestimmung im § 175 Eingangs desselben aufrecht er-
halten können und dürfen, und wenn sie aufrecht erhalten
werden soll, ob wir sie dann nicht erweitern müssen.
Mir ist aus bester Quelle bekannt, dass die hiesige
Polizei die Namen von Männern, die das im § 175 mit
Zuchthaus bedrohte Verbrechen begehen, nicht etwa, so-
bald sie dieses in Erfahrung bringt, dem Staatsanwalt
nennt, sondern die Namen der betreffenden Personen zu
den übrigen Namen hinzuschreibt, die aus dem gleichen
Grunde bereits in ihren Registern enthalten sind.
(Hört! hört! links.)
Die Zahl dieser Personen ist aber so gross und greift so
in alle Gesellschaftskreise, von den untersten bis zu den
höchsten, ein, dass, wenn hier die Polizei pflichtmässig
ihre Schuldigkeit thäte, der preussische Staat sofort ge-
zwungen würde, allein, um das Verbrechen gegen § 175,
soweit es in Berlin begangen wird, zu sühnen, zwei neue
Gefängnisanstalten zu bauen.
(Bewegung. Hört! hört!)
Jahrbuch fllr homosexuelle Forschungen. 18
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— 274 -
— Da* ist keine Uebertreibung; es handelt sich, Herr
von Levetzow, um Tausende von Personen aus allen Ge-
sellschaftskreisen. Es entsteht aber auch weiter die Frage,
ob denn nicht auch die Bestimmung im Eingang des
§175 nicht bloss auf die Männer, sondern auch auf die
Frauen auszudehnen sei, von deren Seite dasselbe Ver-
brechen begangen wird. Was in dem einen Falle dem
einen Geschlecht recht ist, ist dem andern billig. Aber,
meine Herren, eins sage ich Ihnen: würde auf diesem
Gebiete die Berliner Polizei — ich will zunächst einmal
von dieser reden — ihre volle Pflicht und Schuldigkeit
thun, dann gäbe es einen Skandal, wie noch niemals ein
Skandal in der Welt gewesen ist, einen Skandal, gegen
den der Panamaskandal, der Dreyfussskandal, der Lützow-
Leckert- und der Tausch-Normann-Schumann-Skandal
das reine Kinderspiel sind. Vielleicht ist das einer der
Gründe, weshalb mit so ausserordentlicher Laxheit seitens
der Polizei gerade das Verbrecheu, das dieser Paragraph
bestraft, behandelt wird. Meine Herren, der § 175 steht
im Strafgesetz, und weil er darin steht, muss er gehand-
habt werden. Kann das Strafgesetz aber aus irgend wel-
chen Gründen in diesem Punkte nicht gehandhabt werden,
wird es nur ausnahmsweise gehandhabt, dann entsteht die
Frage, ob die Strafbestimmung aufrecht erhalten werden
kann. Ich will hinzufügen, dass uns gerade in dieser
Session — manche der Herren haben das vielleicht noch
nicht berücksichtigt — eine gedruckte Petition vorliegt,
unterzeichnet u. A. auch von meiner Person und von
einer Anzahl Kollegen aus anderen Parteien, ferner aus
Schriftsteller- und Gelehrtenkreisen, von Juristen mit
Namen besten Klanges, Psycho- und Pathologen, von
Sachverständigen ersten Ranges auf diesem Gebiete, die
aus Gründen, die ich begreiflicherweise des nähern hier
nicht auseinandersetzen will, die Meinung vertreten, dass
eine Aenderung der Strafgesetzgebung auf diesem Ge-
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- 275 —
biete in dem Sinne einzutreten habe, dass die Beseitigung
der betreffenden Bestimmung im § 175 herbeigeführt
werden müsse.
Die Presse gab Bebels Aeusserungen irrtümlicher-
weise vielfach dergestalt wieder, als habe der Redner für
schärfere Handhabung des § 175 plädiert, während er in
Wirklichkeit für die Aufhebung der in Rede stehenden
Straf bestimm ungen eingetreten war, was schon aus der
von ihm selbst erwähnten Thatsache hervorging, dass er
zu den Unterzeichnern der Petition gehöre.
Bei der Fortsetzung der Beratung am 19. Jan. 1898
äusserte zu demselben Gegenstand der Abgeordnete Pastor
Schall laut Stenogramm:
Der Abgeordnete Bebel ist neulich zuerst auf den
§ 175 des Strafgesetzbuchs gekommen, der von der wider-
natürlichen Unzucht handelt; er hat gesagt: „die Polizei
verfolgte die Praxis, die Namen der Männer, die dieses
mit Zuchthaus bedrohte Verbrechen begehen, einfach zu
registrieren, es gehörten dazu Tausende von Personen aus
allen Gesellschaftskreisen". Ich gestehe, dass ich durch
diese Mitteilung des Herrn Bebel geradezu erschreckt,
in gewissem Sinne, kann ich sagen, konsterniert und aufs
tiefste deprimiert worden bin. Ich habe auch die von
Herrn Bebel mit angezogene Petition, die ja von Männern
von berühmten Namen aus allen Berufsschichten unter-
schrieben ist, und von der Herr Bebel sagt, er habe sie
selbst mit unterschrieben, auch bekommen, die eine Auf-
hebung dieses Paragraphen verlangt, und ich habe wie
vor einem Rätsel gestanden, wie es überhaupt möglich
ist, dass Männer von öffentlicher Stellung und sittlichem
Urteil eine solche Petition einreichen können; denn, meine
Herren, es handelt sich doch hier um ein Verbrechen,
welches bereits der Apostel Paulus als eine der schlimmsten
Versündigungen und Laster des alten Heidentums im
Briefe an die Römer im ersten Kapitel hingestellt hat,
\8*
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— 276 —
dessentwegen das alte Heidentum dem verdienten Unter-
gange verfallen sei. Es ist ja hier nicht der Ort und die
Aufgabe, auf diese Sache einzugehen. Ich glaube, es
wird hier Sache der Kommission sein, die Herren Ver-
treter der Regierung zu bitten, uns in dieses, mir wenigstens
bisher vollständig verschlossene Gebiet einen Einblick zu
verschaffen, damit, wenn wirklich solche Zustände dort vor-
handen sind, wie sie von dem Herrn Abgeordneten Bebel
ausgesagt wurden, wir alles thun, um auf dem Wege des
Gesetzes diesen unnatürlichen Lastern, Vergehen und
Verbrechen entgegenzutreten durch solche Strafen, welche
der Natur dieser Verbrechen nach christlich sittlichen
Grundsätzen entsprechen und zugleich ihre volle rück-
sichtslose Durchführung in der Praxis der Polizei- und
Rechtspflege ermöglichen und garantieren.
Bebel entgegnete:
Der Herr Abgeordnete Schall hat weiter die Richtig-
keit der Angaben bezweifelt, die ich in Bezug auf die
Verletzung des § 175 machte. Wenn meine Angaben
unrichtig wären, könnten Sie versichert sein, dass von der
Regierung eine Richtigstellung erfolgt wäre. Sie ist nicht
erfolgt. Ich habe die Nachricht aus viel zu guter Quelle,
um sie hier nicht mit der vollen Ueberzeugung von ihrer
Richtigkeit vortragen zu können. Ich habe deshalb bei
jener Gelegenheit bereits darauf hingewiesen, wie not-
wendig es ist, die Vorlage in einer Kommission zu be-
raten, damit bei diesem Paragraphen erörtert wird, was
aus naheliegenden Gründen hier in der Oeffentlichkeit
nicht erörtert werden kann. Es geht einfach nicht, dass
wir die Gründe, die speziell bei diesem Paragraphen in
Frage kommen, hier zum Gegenstand öffentlicher Er-
örterung machen.
Die Eingabe wurde darauf von der Petitions-Kom-
mission der lex Heinze-Kommission überwiesen, wo sie
zu lebhaften eingehenden Erörterungen Anlass gab.
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— 277 —
Ausser den offiziellen Regierungsvertretern war auch der
damalige Chef der Berliner Kriminalpolizei, Graf Pückler,
zu den Verhandlungen hinzugezogen. Ausser Bebel war
es vor allem der nationalliberale Reichstagsabgeordnete
Sanitätsrat Dr. med. Kruse-Norderney, der als Sach-
verständiger die Petitionsforderung aufs lebhafteste be-
fürwortete. Es war beschlossen worden, über den Inhalt
der Beratungen, die ein negatives Resultat ergaben,
nichts an die Oeffentlichkeit gelangen zu lassen.
Infolge der Petition und der Reichstagsverhandlungen
wurde die homosexuelle Frage, die der Presse bis dahin
als ein noli nie tangere galt, in zahlreichen politischen,
medizinischen und juristischen Zeitschriften behandelt und
zwar überwiegend in wohlwollendem Sinn.
Nach den Parlaments wählen 1898 wurde die Petition
dann noch einmal unter hervorragenden Zeitgenossen,
(nicht etwa in breiten Kreisen der Bevölkerung) verbreitet
und zwar mit dem Erfolge, dass die Zahl der Unter-
schriften sich vervierfachte. Die Zuschriften der Unter-
fertiger waren zum Teil sehr interessant und wertvoll.*)
In obiger Fassung ist dann die Petition dem neuen
Reichstage übergeben worden. Wenn auch kaum anzu-
nehmen ist, dass dieser die immerhin noch neue und
wenig einladende Materie im Sinne der Petenten ohne
Kampf und Widerspruch erledigen wird, so können wir
angesichts der bisherigen Erfolge der Petition schon
heute mit Zola ausrufen:
la verite* est en marche
und hoffentlich wird es nicht gar zu lange währen, bis
wir sagen dürfen:
Die Wahrheit hat den Sieg errungen.
W=H=C.
*) Ein grosser Teil der Zuschriften findet sich zusammengestellt
in Dr. med. Hirschfeld: „§176 R.-Str.-G.-B." oder Die homosexuelle
Frage im Urteil der Zeitgenossen bei M. Spohr, Leipzig.
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— 278 —
Auch in der neuen Legislaturperiode wurde die Frage
des § 175 sogleich in der ersten Lesung der lex Heinze
wiederum berührt und zwar von konservativer, national-
liberaler und sozialdemokratischer Seite.
Der Abgeordnete Himburg sagte nach steno-
graphischem Bericht:
Meine Herren, ich möchte nun noch eine Angelegen-
heit zur Sprache bringen, die mit dem, was uns beschäf-
tigt, in gewisser Beziehung steht. Seit einigen Jahren
schon sind uns in nicht zu kurzen Zwischenräumen
Petitionen zugegangen, welche bezwecken, den § 175 auf-
zuheben, der die widernatürliche Unzucht zwischen Per-
sonen männlichen Geschlechts bestraft. Diese Petitionen
sind vielfach von angesehenen Personen unterschrieben,
und die Gründe sind in der Hauptsache die, dass man
sagt: wenn derartige Vergehungen vorkommen, sind sie
in der Regel auf krankhafte Veranlagung zurückzuführen.
Es ist wohl ein Zug der Zeit, dass mit der krankhaften
Veranlagung in der Justiz zu viel gearbeitet wird
(sehr richtig! rechts),
dass überhaupt bedenklich viele Freisprechungen auf
Grund der Annahme erfolgen, dass da Geistesstörung
vorgelegen hat,
(Sehr wahr! rechts.)
Es ist für mich nicht angezeigt, ein kompetentes Urteil
abgeben zu wollen; aber ich spreche die eigene Meinung
aus: es ist vielfach aufgefallen, dass, sobald irgend eine
strafbare, namentlich eine schwer strafbare Handlung, ein
Verbrechen, passiert ist, der Thäter für geisteskrank er-
klärt wird. Dass es vorkommen kann, dass aus krank-
hafter geistiger Störung Verbrechen — auch gegen § 175
— begangen werden, ist ja zweifellos. Aber dann rauss
es genügen, dass dies im einzelnen Falle festgestellt wird,
und wenn es unbestritten erwiesen ist, Freisprechung er-
folgt. Ich halte es aber für unangängig, daraufhin
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— 279 -
generell diesen Paragraj>hen aufzuheben. Es wird viel-
fach gesagt: es findet sich kein rechter Grund für eine
derartige Beschränkung über den eigenen Körper. Das
mag möglich sein; aber ob Grund oder nicht — ich
glaube, wollten wir diesen Paragraphen aufheben, so
würde das Volk uns nicht verstehen.
(Sehr richtig! recht«.)
Dr. Endemann führte aus:
Meine Herren, ich wende mich zuerst gegen den
letzten Herrn Vorredner und seine Bemerkung über den
Paragraphen, der die Homosexualität — um diesen Aus-
druck zu gebrauchen — nicht ausser Strafe gesetzt
wissen will. Darüber lässt sich ja streiten: ich
gestehe offen: ich stehe da auch auf seinem Standpunkt.
Endlich kam auch Bebel auf den Gegenstand und
führte aus:
Meine Herren, die hiesige Polizei, die in Tingel-
tangeln und Theatern die grössten Schandstücke unge-
hindert aufführen lässt
(sehr richtig! links),
diese Polizei, und das ist das Punctum saliens der ganzen
Frage, hat ein Mass der Duldung gewissen Vorgängen
gegenüber und dem, was auf Strassen und in gewissen
Häusern sich abspielt, das weit über das Erlaubte
hinausgeht.
(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)
Wenn hier das Gesetz gehandhabt würde, wie es gehand-
habt werden sollte, dann würden in Berlin allein zehn
neue Zuchthäuser und Gefängnisse gebaut werden müssen.
(Sehr richtig! links.)
Da duldet und schweigt die Polizei, da hört und sieht sie
nichts, wenn es sich um hohe Damen oder Herren und ihre
Thaten handelt. Und um so mehr schweigt und duldet sie
und drückt die Augen zu, je höher die Betreffenden stehen.
(Sehr wahr! sehr richtig! links.)
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- 280 —
Wir haben in der Kommission hierüber interessante Mit.
teilungen gehabt. Weil ich die Beseitigung des
§175 beantragt hatte, über den ich im Augenblicke
nicht sprechen will, wurde auf ausdrückliches Verlangen
der Kommission das Berliner Polizeipräsidium seitens der
Regierung ersucht, seinen Dezernenten auf dem Gebiete
der Sittenpolizei in die Kommission zu schicken. Dieser
Herr hat sich in der Kommission allerdings für die Auf-
rechterhaltung des § 175 ausgesprochen; aber die That-
sachen, die ich angeführt, Thatsachen, Vorgänge, bei
denen eine Reihe höchstgestellter Personen, darunter
Prinzen und Fürsten beteiligt waren, konnte der Herr
nicht widerlegen und hat sie nicht widerlegt.
(Hört! hört! links.)
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II. Abrechnung.*)
Für den Fonds zur Befreiung der Homosexuellen
gingen bei dem wissenschaftlich-humanitären Comite* ein:
1898
Mk.
Febr. 25.
Cassa-Bestand
407.—
März 2.
Spende von S. M. 100 aus Essen a. R.
5.—
• 21.
„ J. R. Forster, Zürich.
5 Frcs. =
4.-
„ 30.
„ Dorian Gray aus Monte
Carlo 100 Frcs. =
80.—
April 2.
))
„ P. S. in München . .
10.—
„ 13.
<1
„ X. Z. 2285 aus Berlin .
25.—
„ 17.
77
J»
„ E. \V. H. in L. . . .
5.—
Mai 10.
f)
„ E. (). in H
1.70
, 19.
n
„ „Viribus unitis« 20 fl. -
34.—
■•
m Dorian Gray in Wien
30 fl. =
51.—
» 29.
t»
50.—
» 21.
>j
von Anonymus durch Dr. H.
50. -
Juni 3.
„ A. A. in Genf ....
5.—
, F. B. in M
300.—
»
„ O. L. in M
200.—
, 20.
„ O. L. in M
100.—
* 24.
••
. C. in S
300.-
• 27.
V
„ v. O. in M
20.—
Juli 1.
, Ungenannt aus Danzig
3. -
. 26.
••
„ L. O. in M.-M. . . .
50.—
August 3.
Jt
„ E. W. H. in Li. .
5.—
j» 22.
»
, L. A. in N. P. ...
50.—
Sej)t. 3.
, P. S. in München . .
10.—
r
„ K. S. in München . .
5.—
Transport
1770.70
*) I. Abrechnung befindet sich in Dr. Hirscbfeld'e Buche „Die
homosexuelle Finge im Urthoile der Zeitgenossen".
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Transport 1770.70
Okt. 24 Spende von B. in M. durch Dr. G. 300.—
, 2Ü. , „CA. in E LL22
,30. , R. S. m durcli Dr. H; 100.—
Nov. Iß. „ , D. in S I OC—
, E.W.EinL. . . . 5,=
„ 2iL u » einem Nicht-Urning aus
Meran Ü) 11. - HvrtO
1899.
Jan. L » n Dorian Gray in Triest
:i0 fl. •- 51-
Kebr. 3. „ „ ein. platonisch. Uraniden
in Hannover . . 3* —
„ 13. „ „ E. W. IL in L. . . . Zl=
„24^ hu Pheronder in M. . . . 12.25
März 2. , , K. IL in E 2iL=
April „ „ P. S. in M 1£L=
„ 1£L » * Dorian Gray in Wien
30 fl. = 51.—
Sa. Mk. 2455.98
25 2 98—12/4 Ausgaben d. Geschäftsstellle
in Leipzig für Druchsaehen,
Porti, Litteratur, Buchbin-
derkosten, Papier :c. Mk. 1103.82
25/2 98—12/4 ÜH Ausgaben d. Geschäftsstelle
in Berlin I f. Portospesen,
Schreibgebühr., Papier und
Propagandazwecke Mk. 1050. —
25/2 98—12/4 99, Ausgaben d. Geschäftsstelle
Berlin II für Propaganda Mk. 150. —
25/2 98—12/4 9& Ausgaben d. Geschäftsstelle
Hannover für Propaganda-
Zwecke Mk. 87.70
1899 April 12- < 'assa-Uebertrag Mk. AM
Mk. 2455.98
1899 April 12, Cassa-ßestand- Vortrag Mk. 4J&
Das wissenschaflllich-humanitäre ComitG.
LA.: Max Spohr, Vorlagsbucbh. Leipzig.
Ks erschien."» im
Verlag von Max Spohr in Leipzig
folgende Schriften über perverse Gesclilechtsriehtung:
Aurelios, Rubi. Novelle M. 3.—
Carpenter, Eduard. Die homogene Liebe und deren
Bedeutung in der freien Gesellschaft. M. 1.20
Ein Weib? Psychologisch-biographische Studie über eine
Konträrsexuelle. M. 4. —
Frey, Ludwig. Der Eros und die Kunst. Ethische
Studien. M. ö. —
— Die Männer des Rätsels und der Paragraph 175 des
deutschen Reichsstrafgesetzbuches. Ein Beitrag zur
Lösung einer brennenden Frage. AI. 4. —
Urafoowsky, Dr. med. Norbert. Die verkehrte Geschlechts-
empfindurg* oder die manmnännlichc und weibweib-
Hche Liebe. Zweite verbesserte und vermehrte Aufl.
AI. 1.20
— Die mannweibliche Natur des Menschen mit Be-
rücksichtigung des j'svchosexuellen Hermaphroditis-
mus. Ar. i. —
Grone, Dr. Melchior. Der Urning vor Gericht. Ein
forensischer Dialog. M. — .50
Halm, M. Die Liebe des Uebermenschen. Ein neues
Lebensgesetz. AI. 1. —
Hartmann, < ). O. Das Problem der Homosexualität im
Lichte der Schopenhauer'schen Philosophie. M. 1. •
Digitized by Google
Hermann, Hans. Die Schuld der Väter oder Ist die
gleichgeschlechtliche Liebe eine Sünde? Roman.
M. 2.—
Hirschfeld, Dr. med. M. Die homosexuelle Frage im
Urteile der Zeitgenossen und der Paragraph 175 des
Reichsstrafgesetzbuchs. M. 1.50
Ist „freie Liebe" SittenlosigkeiU Vom Verfasser des
Buches „Der Konträrsexualismtis inbezug auf Ehe
und Frauenfrage". M. 2. —
de Joux, Otto. Die Enterbten des Liebesglückes oder
Das dritte Geschlecht. TT. Aufl. M. 4.—
— Die hellenische Liebe in der Gegenwart. Psycho-
logische Studien. Mit dem Portrait des Verfassers.
M. 4.—
Konträrsexualismus, Der, inbezug auf Ehe und Frauen-
frage. M. —.80
Laurent, Dr. Emil, früher Arzt im Hauptkrankenhause
der Pariser Gefängnisse. Die krankhafte Liebe.
Eine psycho-pathologische Studie. M. 4. —
Ramien, Dr. med. Th. Sappho und Sokrates oder Wie
erklärt sich die Liebe der Männer und Frauen zu
Personen des eigenen Geschlechts? M. 1. —
Sero, Os. Der Fall Wilde und das Problem der Homo-
sexualität. Ein Prozess und ein Interview. M. 1.50
Thal, Wilhelm, Der Roman eines Konträrsexuellen.
M. 1.80
Lirichs, Karl Heinrich, (Nimm Numantiusi. Vindex.
Sozial-juristische Studien über mannmännliche Ge-
schlechtsliebe. M. 1. —
— Inclusa. Anthropologische Studien über mannmänn-
liche Geschlechtsliebe. M. 1.50
— Vindicta. Kampf für Freiheit von Verfolgung.
M. 1.—
— Formatrix. Antropologische Studien über urnische
Liebe. M. 1.50
— Ära spei. Moralphilosophischc und sozialphilosophische
Studien über urnische Liebe. M. 2. —
Digitized by Google
— Gladius furens. Das Naturrätsel der Urningsliebe
und der Irrtum als Gesetzgeber. M. 1.— >
Ulrichs, Karl Heinrich, (Nuraa Numantius). Memnon.
Die Geschlechtsnatur des mannliebenden Urnings.
Körperlich-seelischer Hermaphroditismus. M. 4. —
— Incubus. Urningsliebe und Blutgier. M. 1.50
— Argonautieus. Zastrow und die Urninge des pietist-
ischen, ultramontanen und freidenkenden Lagers.
M. 2.—
— Prometheus. Beiträge zur Erforschung des Natur-
rätsels des Uranismus und zur Erörterung der sitt-
lichen und gesellschaftlichen Interessen des Urning-
tums. M. 1.50
— Araxes. Huf nach Befreiung der Urningsnatur vom
Strafgesetz. M. 1. —
— Kritische Pfeile. Denkschrift über die Bestrafung
der Urningsliebe. M. 2. —
von Wilpert, Das Recht d. dritten Geschlechts. M. 1.—
Durch die Verlagsbuchhandlung Max Spohr in
Leipzig sind ferner zu beziehen:
von Erkelenz, Strafgesetz und widernatürliche Unzucht
M. 1.—
Raffalovich, Die Entwickelung der Homosexualität
M. 1.20
Moll, Die conträre Sexualempfindung: III. Aufl. M. 10. —
— Libido sexualis II Bände. I. Band 6 M.),, 1Q
II. . 12 „ / 18 -
Laurent, Zwitterbildungen M. 5. —
El Iis & Symonds, Das conträre Geschlechtsgefühl
M. 0.—
Guttzeit, Naturrecht oder Verbrechen? M. 1.20
Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis. 10. Aufl. M. 9.—
— Neue Forschungen auf dem Gebiete der Psycho-
pathia sexualis, II. Auflage. M. 3.60
— Der Konträrsexuale vor dem Strafrichter. M. 3 —
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