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VrrUf*-ArchiT MBS.
Berlin SW, Asl;:ini.siliiT Platz 0
STÄHLERNE u. HÖLZERNE
LOWRIES IN DEN NEUE-
STEN KONSTRUKTIONEN.
LA6ER in BERLIN
u. BOCHUM.
HERSTELLUNG VOLLSTÄN
DIGER BAHNANLAGEN.
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GERN ZUR VERFÜGUNG. D % °/° #
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BOCHUMER VEREIN für BERGBAU und GUSSSTAHL
FABRIKATION in BOCHUM, Westfalen
Gussstahlfabrikate für Eisenbahnen, Maschinen-
bau und Artilleriebedarf.
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Herzstücke, hydraul. Cylinder für Oel- und Schmiedepressen; ferner
..flirfiWÄn,. Gussstahlgloi'ken, o
Kirchenglocken. Stations- u. Fabrikglocken,
.ZS Schaalenglocken
für Uhren- und Signal-Apparate. • "ffr • .
* Abtheilung: *
Feld-, Forst- und Industrie -Bahnen aller Art
VERTH KTKN^ — , JUR(H
: 7 bTb-a A R.E,
Das liegende wie das rollende Material
für verlegbare Bahnen
ist mit besonderer Berücksichtigung für die
Ansfuhr bezw. Verschiffung; nach überseeischen Ländern
angefertigt. Die Materialien werden so zerlegt, dass sie den
geringsten Raum einnehmen. Auch können sie im Ankunfts-
hafen bezw. Verwendungsort selbst durch ungeübte Hände in
kürzester Zeit zusammengesetzt werden.
Koloniales Jahrbueh.
Heransgegeben
von
Gustav Meinecke.
Erster Jahrgang.
Da« Jahr 1888.
Mit einer üebersiehtskarte der deutschen Kolonien.
(I a r I ü e v m onus Ve r 1 a g.
1889.
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i
H55?00
VefUp'ArUiir 141),
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Sr. Durchlaucht
dem Fürsten
Hermann zn Hohenlohe -Langenburg
elirfurehtvnllst
gewidmet
vom Herausgeber.
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Vorwort.
Die immer mehr in die Breite und Tiefe gehende deutsche
koloniale Thätigkeit, welche den Ueherblick über die ganze Materie
erschwert, sowie die von Tag zu Tag zunehmende Wichtigkeit der
Kolonialbestrebungen liesseu den Versuch angezeigt erscheinen, in
kurzer Weise alles das zusammenzufasseu, was auf diesem Gebiete
geschaffen worden ist oder die Jetztzeit bewegt. Der Herausgeber ist
sich wohl bewusst, dass mancherlei fragmentarisch ist, da fast Alles
noch im Entstehen begriffen ist uud die thätigen Kräfte nicht immer
leicht erkannt werden, aber nach fünfjährige in Bestehen der offiziellen
deutschen Kolonialpolitik ist es wohl angebracht, einen Rückblick auf
das, was geschehen, zu werfen und von jetzt ab Jahr für Jahr die
Fortschritte zu verfolgen. Wenn auch Rückschläge nicht haben aus-
bleiben können, so sind die Freunde der deutschen Kolonialpolitik
doch heute mehr als je von der Nothwendigkeit, auf dem einmal
betretenen Pfade weiter fortzugehen, überzeugt und hoffen, dass mit
der Zeit ihr Streben überall von Erfolg gekrönt sein wird. Da sich
das Buch an alle Freunde der deutschen Kolonialpolitik wendet, war
sowohl eine streng wissenschaftliche als auch erschöpfende Behand-
lung des Stoffes ausgeschlossen. Das Resultat der geographischen
Forschungen des Berichtjahres lag bei Abfassung des Buches noch
nicht vollständig vor, so dass für diesen Jahrgang nur eine Ueber-
sichtskarte beigegeben ist, welche den ersten Ansprüchen genügen
dürfte. Im nächsten Bande werden wir aber, da die geographische
Forschung bedeutende Fortschritte macht, Spezialkarten für die
einzelnen Kolonien und Schutzgebiete beilegen.
Möge dieses Buch nun auch seinerseits dazu beitragen, das
Interesse an unseren kolonialen Besitzungen zu vertiefen.
Berlin im Februar 1889.
G. Meinecke
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Inhaltsverzeichnis^
Seit«
Strömlinge n in Afrika 1 — 20
hie Mission in den deutschen Schutzgebieten. Von P. E. Wallroth 27—60
i'eherseeische Waldwiithsrhaft. Von hr Utlo Kersten . ± * , . d — St*
Deutsch-brasilianische Betrachtungen. Von C. Bolle 81 — 10$
her Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung des
Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schuirgebiete .... 104—119
Die Deutsche Kolonialgesellsehaft 120 — 132
hie deutschen Kolonien:
heutach-SndwHlafrifc » . . . *. . . . ; . . 133 — 1.5':»
Das Kamerongebiet . . 160 — 180
Das Togogebiet 180—189
hentacb-Qstafrika . . . . . , , . , . , . , . . . J 6h - 230
has Wituland ■ . . , . . , . , , , , . . . , , , 231—244
Kaiser- Wilbelmslaml und der Ilismarck-Archipel 244 — 265
has Schutzgebiet der Marschall-Inseln 265—271
Literarisches . . , . . . . , . , , . , . . . , , . 272 - i'Tfi
Anhang 277— 3lfi
Register 317 — 320
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Ström linsen in Afrika.
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Mit überraschender Schnelligkeit hatte Deutschland innerhalb
weniger Jahre ein gewaltiges koloniales Reich geschaffen, welches
der Thätigkeit aller für die koloniale Idee begeisterten Männer einen
grossen Spielraum eröffnete, und sich auch mit den Mächten, mit
welchen es in Berührung kam, soweit auseinandergesetzt, dass die
diplomatische grosse Arbeit als gethau angesehen werden konnte. Mit
Frankreich, England, Portugal sind die entsprechenden Abmachungen ge-
troffen, die Grenzen weit in das Innere hineingezogen, ein gemeinsames
Zusammenwirken für gewisse Fälle verabredet, auf der Kongokonferenz
sind neue völkerrechtliche Grundlagen geschaffen und die Vorbedin-
gungen für eine gedeihliche Entw icklung festgesetzt. Wenn aber auch
in der Theorie manches als vortheilhalt und zweckentsprechend erschien,
so brachte die schaffende Praxis doch so vieles Neue und Unerwartete,
dass das ideale Bild des deutschen Kolonialbesitzes bald vor der
rauhen Wirklichkeit verblasste. Es schien, als ob der Groll, welcher
über das Vorgehen Deutschlands bei anderen Nationen sich allmählich
angesammelt hatte, nach Auswegen suchen wollte und, oft nicht im
Stande, ernsthaft etwas zu unternehmen, sich in der Schaffung von
allerlei hier oft empfindlich berührenden Hemmnissen gefiel. Die
böse Absicht trat so oft zu Tage, dass die Suche nach den Schul-
digen nicht schwer war. Aber nicht nur gegen Deutschland standen
die rivalisirenden Mächte bald wieder in den Schranken, der Inter-
essengegensatz zwischen den einzelnen Mächten zeitigte heftige diplo
matische Kämpfe untereinander, welche noch immer, bald schwächer,
bald heftiger fortdauern. Beginnen wir mit Südafrika.
Nach der Ansicht bewährter Keuner Südafrikas scheinen sich
in diesem gewaltigen Theile des Kontinentes, in dem Engländer,
Buren, Deutsche, Portugiesen sowohl untereinander als mit deu ein-
zelnen Stämmen der Eingeborenen in eine Berührung kommen, welche
Jahrbuch für Deutlich? Kolonialpolitik. .
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Strömungen in Afrika.
man oft als eine mindestens unfreundliche bezeichnen muss, Er-
eignisse ernster Natur vorzubereiten, welche unsere Aufmerksamkeit
in hohem Maasse verlangen. Denn seitdem Deutschland die Bahnen
einer energischen Kolonialpolitik beschritten hat, sind wir auch dort
aus den Reihen der mehr oder weniger betheiligten Zuschauer in die
Arena eingetreten und müssen bei dem allgemeinen „scramble“,
welcher jetzt in Afrika begonnen hat, uns nicht nur unserer Haut
wehren, sondern unter Umständen auch vorgehen können. Es wird
dies sogar zu einer Pflicht, deren Unterlassung die Schwierigkeiten
unserer Lage noch vermehrt, wenn böser Wille und neidische Miss-
gunst die Gegner zu immer neuen Angriffen aufstacheln, ln einem
solchen Falle befindet sich augenblicklich Deutschland der englischen
Verwaltung der Kapkolonie gegenüber, welche über das Festsitzen
der Deutschen in Südwestafrika sich noch immer nicht beruhigen
kann und mit dem alten Mittel der südafrikanischen englischen
Politik, oder sogar der grossen englischen Politik — nämlich ge-
legentlich die Eingeborenen gegen die Weissen aufznhetzen — in
ausgiebiger Weise wirthschaftet. Um diese Verhältnisse zu würdigen,
muss ein weuig weiter zurückgegriffen werden.
Das Haus C. F. Lüderitz in Bremen hatte sich in Angra Pe-
quena, der heutigen Lüderitzbucht, niedergelassen und einen Tausch-
handel mit den Eingeborenen des Hinterlandes zu treiben beab-
sichtigt. Die günstigste Zeit für das Geschäft in diesem Laude war
schon vorbei, als Lüderitz sich dort niederliess. Ein paar Jahre
lang hatte über die nördlich liegende Walfiscbbay ein so bedeu-
tender Export von Produkten des Landes, Elfenbein, Häuten,
Straussenfedem etc. stattgefundeu , dass das an und für sich an
Handelsgegenständen arme Land — , wenn mau die gewaltigen
Rindviehhecrden ausnimmt, deren Export sich aber bald als nicht
mehr lohnend herausstellte, — gewissermassen ausgeplündert war.
Es trat dann eine grosse Depression ein, von welcher sich heute
auch das Land noch nicht erholt hat und unter welcher die
Lüderitz’schen Geschäfte gelitten haben. Die Niederlassung bereitete
wegen der Ausnahmestellung, welche sie genoss, den Kapstädtem
nicht wenig Kummer. Noch grösseren Aerger aber empfanden sie, als
sie erfuhren, dass Lüderitz, ehe er seine Niederlassung unternahm,
sich des Schutzes des Deutschen Reiches vergewissert hatte, und es
sich schliesslich herausstellte, dass sie in Folge ihrer eigenen schon
früher bei der Behandlung der Klagen der im Hinterlande wohnenden
Angehörigen der Rheinischen Missionsgesellschatt bewiesenen Gleich-
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Strömungen in Afrika.
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gültigkeit und durcli das Ungeschick ihrer Diplomatie das Land vom
Oranje- bis Knnenefluss verloren hatten. Nur Walfischbay war ihnen
noch verblieben, welches für sie jedoch nur von einem geringen
Werthe war. Als man in Kapstadt endlich eiugesehen hatte, dass
man mit dem Faktum der deutschen Besitzergreifung zu rechnen
habe, versuchte man auf die oben schon angedeutete Weise den
Deutschen Schwierigkeiten zu bereiten. Seit längeren Jahren wüthen
schon Kämpfe zwischen den Hereros und Namas, unter denen die
deutschen Missionen schon zu der Zeit, als das Gebiet noch „no
man's land“ war. sehr zu leiden gehabt hatten. Als nun mit dem
Beginn der deutschen Schutzherrschaft diese Unruhen nicht gleich
aufhörten, liefen sofort Reklamationen angeblich geschädigter Eng-
länder ein, welche auch- ausserdem die Eingeborenen aufhetzten, so
dass das Verhältnis zwischen Deutschen und Eingeborenen zeitweilig
ein recht unerquickliches wurde. Die Missionare waren in einer
womöglich noch schwierigeren Lage als vorher, und wenn sie auch in
Person respektirt wurden, so wurden sie durch die fortgesetzten
Viehdiebstähle und gereizten Eingeborenen nicht wenig geplagt.
Unter diesen Umständen schien es bei der herrschenden Stimmung
in Kapstadt selbstverständlich, dass die Annahme, Deutschland werde
sich mit diesem schwer zu beruhigenden, ziemlich armen Lande nicht
viel plagen, zu einer fixen Idee wurde, und die vorsichtige Sondirung
des Reichskommissars Dr. Göring. ob die Kapregierung nicht Wal-
fischbay gegen die in der Südostecke des deutschen Gebietes woh-
nenden Bondelzwaarts austauschen wolle, in dieser Ueberzeugung
von vornherein abgelehnt wurde. Es war dieses zu der Zeit, als <
Charles Marvin ausführte, „dass der in Angra Pequena ausgeübte
schattenhafte Schutz mit der Zeit auch verschwinden müsse, damit
in Australafiika südlich vom Kap Frio an der Westküste und der
Mündung des Flusses Sambesi an der Ostküste nur ein Staat, eine
Flagge und ein Volk vorhanden sein möge“. Obwohl nun die Ent-
deckung von Gold in dem deutschen Südwestafrika die Politiker in
Kapstadt hätte davon überzeugen sollen, dass das Laud doch viel-
leicht werthvoller für Deutschland sein würde, als sie aunahmen, so
dauerten die Versuche der Ruhestörung doch fort und fanden einen festen
Stützpunkt, als sich in diesem Frühjahr das Gerücht verbreitete. Einge-
borene aus dem deutschen Gebiete wollten Walfischbay überfallen. Der
Anlass dazu war einfach genug. Ein räuberischer Hottentotten-Häupt-
ling, welcher jedoch nur gegen seine schwarzen Stammesfeinde in Fehde
lag. Hendriek Witbooi, hatte seine Munition verschossen und gedachte
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Strömungen in Afrika.
sich in Waltischbay neu auszurüsten. Aber obwohl er au den bri-
tischen Magistrat ein Schreiben voll tiefster Ehrerbietung richtete,
und die formelle Versicherung gab, dass er gegen Weisse nichts iin
Schilde führe, nnd auf Veranlassung des deutschen Polizeimeisters
unverrichteter Sache wieder abzog. so genügte doch schon sein blosses
Erscheinen, um die bittersten Klagen gegen die deutsche Regierung,
in deren Gebiet Hendrick Witbooi wohnt, ertönen zu lassen. Im
englischen ünterhause richtete sogar ein Mitglied an den Unter-
staatssekretär für die Kolonien die Frage, oh die deutschen Behörden
die nöthigen Schritte gethan hätten, um eine w irksame Ueberw achung
der Eingeborenen des Schutzgebietes durchzuführen, insbesondere
feindliche Angriffe gegen ausserhalb des Schutzgebietes liegende Be-
zirke zu verhindern. Der Unterstaatssecretär ■antwortete ausweichend
und schützte diplomatische Unterhandlungen mit der deutschen Re-
gierung vor. Die Angst der paar Engländer in Waltischbay, welche,
wie die Folge gelehrt hat, einfach lächerlich war, bot jedoch der
Kapregierung die erwünschte Gelegenheit, nnnmehr zu zeigen, dass
ihr das Wohl dieses Landes mehr am Herzen liege, als den Deut-
schen. Es wurde sofort ein Kanonenboot mit 25 berittenen Kap-
schützen nach Waltischbay beordert, welche Schanzen aufwarfen,
ihr Feldgeschütz aussehifften und sich zum Kampfe bereit machten.
Aber Sr. Maj. Kreuzer „Habicht“, welcher ebenfalls auf die ersten
übertriebenen Gerüchte auf seiner Reise nach Norden den Hafen von
Walfisehbay angelaufen hatte, fand nicht die geringste Unruhe und ging
nach siebentägigem Aufenthalte am 1 . Mai wieder in See. Im Sommer
wurde auch die von der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika
in Kapstadt Angeworbene Schutztruppe in Waltischbay ausgeschifft,
so dass dieselbe ihr Gewicht bei den Streitigkeiten zwischen den
Eingeborenen, welche man wohl nicht zu tragisch nehmen darf, in
die Wagschale werfen kann. Der Regierung der Kapkolonie aber
bot sich eine gewünschte Gelegenheit, ihre Verdienste um die Auf-
rechterhaltung der Ruhe in das rechte Licht zu stellen und der
deutschen Regierung fast komisch klingende Vorwürfe zu machen.
Noch in einer Sitzung des Kap-Parlamentes vom 21. Juni hat der
Premierminister Sir Gordon Sprigg eine Gelegenheit wahrgenommen,
seinem Aerger über die deutschen Erwerbungen in Südwestafrika
freien Lauf zu lassen und auf dem Besitz von Waltischbay zu pochen,
als ob dieser Hafen uns unumgänglich nöthig und es nicht möglich
wäre, sollte das Vorkommen von Gold in Damaraland den Abbau
Johnen, nach Sandwichhafen den Verkehr abzulcuken und dann
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Strömungen in Afrika.
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Walfischbay lahmzulegen. Doch vielleicht lassen sich die Kapstädter
durch die offiziöse Andeutung, Deutschland könnte es sich im Falle
des Nachgebens der Engländer überlegen, ob es nicht für seine süd-
westafrikanischen Besitzungen einem geplanten südafrikanischen Zoll-
verein beitreten würde, eines besseren über ihre wirklichen Interessen
belehren. Jedenfalls können sie überzeugt sein und ihre Politik
darnach einrichten, dass der englischen Besitzausdehnung in Süd-
westafrika eine unüberwindliche Schranke sich gegeuüberstellt.
Leider ist auch der deutschen Ausdehnung nach Osten hin für
einen grossen Theil eine Schranke gezogen, nachdem England da«
Betschuanaland annektirt hatte und nach dem beiderseitigen Ueber-
einkommeu als englisches Gebiet die in den Winkel des 20° öst-
licher Länge (Greenwich) und des 22° südlicher Breite fallenden Land-
striche erklärt wurden. Die Grenzfrage für das zwischen dem 20°
südlicher Breite und der portugiesischen Grenzlinie liegende Gebiet
ist nach Osten hin aber noch offen. Die Engländer nehmen gemeiniglich
den 25° östlicher Länge als Grenze an, welcher angeblich das aus Furcht
vor gemuthmaassten deutschen Bestrebungen unter englischen Schutz
gestellte Reich Khamas von dem Gebiete der Rothen Nation
scheidet, mit welcher die Deutschen Verträge geschlossen haben.
Aber auch diese, den englischen Interessen sicher Rechnung tragende
Grenzlinie genügt den Engländern nicht, sie soll weiter nach Westen
geschoben werden bis zum Ngamisee, da englische Wünsche in die-
ser Richtung laut geworden sind. Die ganze Angelegenheit ist aber
nicht brennend, da diese Gebiete wohl noch für lange Zeit nicht der
Kultur erschlossen werden dürften. England sucht sich nunmehr,
nachdem es seinen Zweck, eine Schranke gegen die Deutschen auf-
zubauen, erreicht hat, des Betschuanalandes zu entledigen und das-
selbe der Kapkolonie zuzuwenden.
In gewissem Sinne hat die britische Regierung dieses Land den
Buren entrissen. Als nach der schmachvollen Niederlage der Eng-
länder unter Sir George Collier am Majuba-IIügel die holländischen
Farmer aus dem Transvaal in das Betschuanalaud zu „treken“ antingeu,
sandte das englische Kolonialamt Sir Charles Warren aus, um den
Bürgern der neugegründeten Buren-Republiken Stellaland und Goschen
das Handwerk zu legen. Sie wurden auch zumeist ohne Schwierig-
keit vertrieben, und vor etwa drei Jahren fand eine Theilung de«
Landes statt. Unter dem Namen „britisches Betschuanaland“ wurde
ein Theil, der südliche, als Kronkolonie dem Reiche einverleibt und
direkt vom Kolonialamt aus verwaltet. Der Rest, der nach Norden
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Strömungen in Afrika.
liegt, wurde auter britische Botinässigkeit gestellt. Eine kleine
Polizeimacht genügte, um dieses ausgedehnte Gebiet in Ordnung zu
halten. Nun haben aber die Vorgänge im Basutoland, das 1871
ebenfalls an die Kapkolonie ausgeliefert wurde, 1880 aber im vollen
Aufruhr stand und wieder direkt unter die britische Krone gestellt
zu werden verlangte, das englische Publikum gegen die Kapkolonie
misstrauisch gemacht und es haben sich in England gewichtige
Stimmen dagegen erhoben, da die Kapkolonie sicher ihren Ver-
pflichtungen nicht werde nachkommen können. Doch da die Land-
nnd Goldspekulation des Kaplandes sich einmal dieses Gebiet aus-
gesucht. hat, werden die warnenden Stimmen wohl in den Wind ge-
redet sein.
Die Engländer, wenigstens der grössere Theil der Nation, haben
jetzt auch besonders Aspirationen auf der Ostküste, wo sie eine be-
merkeuswerthe Rührigkeit entwickeln, sowohl politisch als wirth-
schaftlich ihre Grenzen nach Norden zu schieben, bis zum Sambesi.
Es treten augenblicklich Strömungen klar zu Tage, die „Angliede-
rung“ des Zululaudes vollkommen durchzuführen, Transvaal ganz
einzuengen und Portugal als eine quantite negligeable zu behandeln
und einzuschüchtern.
Das Zululand befindet sich noch immer in einem Zustande
heftiger Gfthrung, und es schien eine Zeit, als ob ein allgemeiner
Krieg unter Zulus und Engländern ansbrechen würde, wobei natür-
lich wieder die Engländer Eingeborene gegen Eingeborene ansgespielt
hätten. Nach der Unterwerfung des Königs Ketschwayo war es den
Engländern als das Klügste erschienen, das Land unter dreizehn
Herrscher zu vertheilen, damit keiner über den andern sich über-
hebe. Mit Ausnahme eines gewissen Usibepu, welcher viel Gewalt
au sich riss, blieben die Zaunkönige auch herzlich unbedeutend und
unterwarfen sich dem später in Amt und Würde eingesetzten Ketsch-
wayo. Aber Usibepu war nicht so leicht zu depossediren, er über-
zog Ketschwayo mit Krieg uud setzte nach dessen Tode den Kampf
gegen dessen Sohn Dinizulu fort, welcher die Buren des Transvaal
zu Hülfe rief und sie mit grossen Landschenkungen bedachte, wo
dieselben die „Neue Republik“ mit der Hauptstadt Vryheid grün-
deten. Dinizulu bereute bald seine Freigebigkeit, die Engländer misch-
ten sieh in die Sache, theilten das Zululand, dessen eines Drittel sie
den Buren, ein anderes Dinizulu und ein anderes Usibepu zusprachen,
und amiektirten schliesslich das ganze Land mit Ausnahme des
Burenantheils, welcher sich zu Transvaal schlug. Die Engländer er-
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Strömungen in Afrika. 7
kannten mit sauersüsser Miene die Unabhängigkeit dieses Gebietes
an, um nicht die Transvaaler bei den drohenden Konflikten mit den
Zulus gegen sich zu haben. Aber es war der grosse Fehler began-
gen, das Zululand, anstatt es in energischer Weise zu verwalten,
dem Gouverneur von Natal zu unterstellen, einer Kolonie, welche
höchstens 40 000 Weissen 400 000 Eingeborene, der Mehrzahl nach
den Zulus angehörig, zählt. Seit dieser Zeit war Dinizulu Rebell
und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die schwächliche englische
Politik im Zululande, welche vornehmlich aus der Befürchtung, mit
Transvaal in Konflikt zu kommen, und aus der Erkenntniss der eigenen
geringen Machtmittel zu erklären ist, noch mancherlei bedenkliche
Erscheinungen zeitigen wird.
Denn der grosse Gegensatz zwischen Engländern und Buren,
welcher sich in der Bildung des Oranje-Freistaates und der südafrika-
nischen Republik verkörpert hat, besteht trotz aller Ableugnungen
noch heutzutage ebenso mächtig als früher. Selbst in der Kapkolonie
ist mit wenig Ausnahmen der Zwiespalt noch vorhanden, wenn auch
die „Afrikander“ sich dort gemässigter zeigen. Die unfreundliche
Stellung des Transvaal gegenüber der englischen Regierung ist leicht
erklärlich, wenn man die Geschichte der Buren-Auswanderer über-
blickt, welche, von den Engländern oft auf das Schmählichste be-
trogen, erst durch die Schlacht am Majubaberge sich aus dem Banne
Englands losmachen mussten. Aber wenn auch dadurch für eine
Zeit die englischen Ansprüche vernichtet wurden, so brachte die Ent-
deckung der Goldfelder und das kolossale Zuströmen von weissen
Abenteurern neue Gefahren, da das Uebergewicht der Buren zu ver-
schwinden drohte.
Besonders gefährlich für die Buren ist der Umstand, dass das
grosse Geschäft fast ganz in den Händen der Engländer liegt, da
das fremde Kapital, mit Ausnahme des englischen und holländischen,
bis jetzt vor Kapitalanlagen in Transvaal zurückschreckte. Doch hat
sich in neuerer Zeit hierin ein Umschwung vollzogen, wie auch eine
deutsche bedeutende Bank in Konkurrenz um eine Staatsbank mit
einer holländischen getreten ist und die Entscheidung darüber mög-
licherweise zu Gunsten des deutschen Unternehmens, welches die
Sache viel grossartiger geplant hat als das holländische und die besten
Garantien gähnten hat, ausfallen wird. Auch bei dem Unternehmen
der Delagon-Bay-Eisenbalm, welche nach Pretoria geführt werden
soll, ist deutsches Kapital interessirt, während die Minenkonzessionen
sich in den Händen der Engländer befinden, welche ganz englische
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Strömungen in Afrika
Städte geschaffen haben und vollkommen englische Distrikte her-
steilen, um zu geeigneter Zeit eine Agitation für „Annexion“ der
selben durch eine englische Kolonie einleiten zn köunen. Die Trans-
vaaler fühlen sich anch hente noch ihres Besitzes durchaus nicht
sicher und suchen sich, ans ihrer idyllischen, trägen Beschaulichkeit
wieder einmal aufgerüttelt, gegen etwaige Uebergriffe zu schützen.
Einmal geschieht dies u. A. neuerdings durch die Pflege der Aus-
breitung der holländischen Sprache und gegen eine etwa wieder anzu-
wendende Taktik der Engländer, mit den Eingeborenen gegen sie ge-
meinsame Sache zu machen, durch geplante Verschärfung des Ge-
setzes, nach welchen die Eingeborenen dort wohnen sollen, wo ihre
Häuptlinge wohnen. Ueber diese sogenannten Lokationen würde dann
ein Regiernngsbeamter die Aufsicht führen, wodurch eine Wieder-
holung der schmachvollen früheren Vorgänge, dass nämlich die Eng-
länder die Kaffem gegen die Buren bewaffneten, sehr erschwert
werden dürfte.
Diese politischen Schachzüge der Buren sind zwar nicht zn ver-
achten. aber gegen die der Engländer, welche jetzt endgültig die Buren
von der See abgeschnitten nnd ihrem Vordringen nach Norden ein
Ziel gesetzt haben, können sie nicht aufkommen. Die jüngsten
Ereignisse beweisen dies zur Genüge. Ein Artikel der am 27. Fe-
bruar 1884 zu London Unterzeichneten Konvention lautet: „Die
südafrikanische Republik darf keinerlei Vertrag eingehen mit irgend
einem Staate oder einem Volke, ausser mit dem Oranje-Freistaat,
auch nicht mit irgend einem Stamme der Eingeborenen im
Osten oder Westen der Republik, bevor solcher nicht durch die
Königin von England gutgeheissen ist.“ Der südafrikanischen
Republik stand also nur noch der Weg nach Norden offen, wo
die Engländer beim Abschluss der Konvention keine Interessen
hatten. Die Situation änderte sich aber bald. Es ist von einer hollän-
dischen Seite, welche uns nicht freundlich gesinnnt ist. behauptet
worden, der englischen Regierung seien die Beweise in die Hände
gefallen, dass die südafrikanische Republik, durch deutsche Intriguen
verleitet, ihr Auge auf ein zukünftiges deutsches Protektorat geworfen
hatte, und dass die Deutschen beabsichtigten, ihre Erwerbungen quer
über den Kontinent bis zum Sambesi auszudebneu. Abgesehen da-
von, dass nicht der geringste Beweis für das Vorhandensein einer
solchen Absicht erbracht war, so standen ja schon die bestehenden
Abgrenzungsverträge wie ein fester Damm einem solchen Beginnen ent-
gegen. Jedenfalls wäre es nach der englischen Protektoratserklärung über
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Strömungen in Afrika.
9
Betschuaualand nud Khamas Reich, welch' letzteres im Nordwesten
von Transvaal liegt, für die Deutschen äusserst schwierig gewesen,
die Verbindung herzustellen. Doch soll die Möglichkeit, dass auch
diese Annahme mitbestimmend für ein englisches Vorgehen nördlich
des KrokodilHusses, der Grenze des Transvaal und Amandebele- oder
Matebelereiches. gewesen sei, nicht ganz von der Hand gewiesen
w erden. Bedeutender wirkte jedenfalls die Nachricht von Goldfunden
in diesen Ländern, welche sofort die Abenteurer aller Nationen in
helle Aufregung versetzte und die frühereu Mittheilungen unseres
Landsmannes Manch und des englischen Reisenden Thomas Baines
vollkommen bestätigte. Die alte viel bestrittene Behauptung, dass
östlich von Sofala das Ophir Salomos zu suchen sei. gewann plötz-
lich an Glaubwürdigkeit. Die Gefahr, dass abenteuernde Buren mit
Lobengula, dem Herrscher des Amandebelereiches, in Verbindung
treten und den Engländern znvorkommen könnten, lag nun um so näher,
als die Buren schon einige Beziehungen mit Lobengula, dem Herrscher
dieses Reiches, unterhielten. Um die Bewegungen der Engländer zu
verschleiern, wurde eine schaurige Geschichte ersonnen, nach welcher
Lobengula eine Anzahl von Eingeborenen, welche er einem englischen
Jäger Selons znrBegleitung gegeben hatte. abermitdemVerbot nach Gold
zu suchen, hatte niedermachen lassen, als sie dasselbe übertraten.
Man hoffte durch solche Geschichten, welche sich bald als unwahr
herausstellten, noch die Einwanderer so lange zurückzuhalten, bis das
Gebiet den Engländern gesichert war, was dem englischen Kommissar im
nördlichen Betschuanaland, J. S. Moffat. dem Sohne eines bekannten
südafrikanischen Missionärs, nach mancherlei Mühen gelungen ist.
Er hatte den Einfluss der Buren zu bekämpfen, welcher im Wachsen
begriffen war. Entweder hatte nuu Lobengula den Abgesandten der
Transvaaler. einen gewissen Commandeur Grobelaar, schon vorher ab-
schlägig beschieden, oder nachdem er sich unter englisches Proteetorat
gestellt hatte, jedenfalls wandte) sich Grobelaar nach Khamas Reich,
vielleicht in der Absicht, dort Raum für neue Ansiedler zu gewinnen.
Kaum aber war dies in Kapstadt bekannt geworden, als sofort die
Klage wegen Grenzverletzung erhoben und die Transvaal-Regierung
genöthigt wurde, zusammen mit einem englischen Commissar darüber
eine Untersuchung einzuleiten, über deren Resultat noch nichts be-
kannt ist. Die Sache wurde dadurch noch komplizirter. weil
Grobelaar auf seiner Rückreise nach dem Transvaal mit einigen
Khamas Streit bekam, in dessen Verlauf er so schwer verwundet
wurde, dass er seinen Wunden erlag. Von englischer Seite ist diese
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Strömungen in Afrika.
Angelegenheit als eine möglichst harmlose hingostellt worden, aber
die Transvaaler sind anderer Meinung und wollen diesen Ueberfall
mit den Plänen der Engländer in Verbindung bringen. Ob mit. Recht,
oder Unrecht kann jetzt noch nicht benrtheilt werden.
Jedenfalls steht Lobengula jetzt unter englischem Schutze. Wie
lange er sich wohl dabei befinden wird, ist eine andere Frage, da
er ein mächtiger, kriegerischer Herrscher, ist und bald die Schwäche
der englischen Regierung durchschauen dürfte. Die Buren in Trans-
vaal sind aber vollkommen isolirt. Der Wunsch, die englische
Herrschaft bis zum Sambesi auszudehuen , wäre nun soweit er-
füllt, wenn nicht auch in dieser Gegend die Portugiesen gewisse
Rechte hätten, die nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sind,
denn dieses ganze grosse Gebiet bildet das Hinterland der portu-
giesischen Besitzungen an der Küste.
Während des englisch-deutschen Streites über die Besitzungen
in Südwestafrika hatte Lord Derby, der Gouverneur des Kaplandes,
erklärt, es sei nicht dem internationalen Gebrauche entsprechend,
Territorien zu annektiren, welche unmittelbar an das bestehende
deutsche Gebiet grenzten. Aber dieser Akt internationaler Höflich-
keit war eine Ausnahme. Schwachen Nationen gegenüber ist die
englische Politik stets eine äusserst rücksichtslose gewesen und hat
die im Verkehr zwischen befreundeten Nationen übliche Ueber-
lieferung nach Belieben über den Haufen geworfen, während andere Na-
tionen dieselbe respektirten. Als im Tongogebiete Erwerbungen gemacht
wurden, welche geographisch vielleicht zu dem Hinterlande der eng-
lischen Küste gehörten, erhob sich sofort, in England ein grosses
Geschrei darüber und das Deutsche Reich hat. soweit uns bekannt,
diese Erwerbungen bis jetzt noch nicht allgemein anerkannt. Aber
bei den Portugiesen liegt die Sache, nach englischer Anschauung,
insofern anders, als die Portugiesen ja gar nicht im Stande sein
sollen, diese Gebiete jemals der Kultur zu ersehliessen.
Ein Körnchen Wahrheit ist in dieser Angabe, welche auch in
Deutschland ihre Anhänger findet, sofern sie sich auf eine vergangene
Zeit bezieht. Aber in der Neuzeit hat sich ein bemerkenswerther
Umschwung vollzogen und die Portugiesen haben sich mit einer
geradezu staunenswertheu Energie ans ihrem Schlummer erapor-
gerafft. lu Afrika und Indien sind Eisenbahnen in einer Länge von
163 km im Betriebe, 65 km im Baue begriffen und 524 km pro-
jektirt, darunter die Mehrzahl in Angola und Mozambique. Die
Einnahmen aus den Kolonien haben sich von 3 Millionen Mark in
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Strömungen in Afrika.
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1856 auf 12 Millionen Mark in 1887 erhoben und die Lorbeeren
eines Gania und Albuquerque lassen portugiesische Forscher
nicht mehr ruhen. Diese Thätigkeit ist nicht zum Mindesten dem
Vorgehen der Kougokonferenz in Berlin zuzuschreiben, welche über-
aus befruchtend auf die koloniale Thätigkeit aller Länder gewirkt
hat. Mit grosser Hartnäckigkeit, welche aus dem Bewusstsein seines
guten Rechtes entspringt, hält Portugal an seinen Besitzungen fest;
in diesem Gefühle hat es, ziemlich ohne Rücksicht auf das Gut
englischer Unterthanen in der Tungiaffaire gehandelt und setzt es
den Wünschen des englischen Kabinets, den Sambesi zu einer voll-
kommen freien Wasserstrasse nach Analogie des Kongo und Niger
zu machen, jetzt ein taubes Ohr entgegen. Wenn nämlich die
Engländer jetzt dabei sind, ihre „Interessensphäre“ — ein völker-
rechtlich noch etwas dunkles Wort — südlich des Sambesi zu be-
gründen, so hatten sie nördlich davon schon früher eine solche
geschaffen, durch Anlegung von Missions- und Handelsstatiouen am
Nyassasee. Der Weg dorthin geht den Sambesi hinauf, über den
Schire. Die Portugiesen, welche seit langen Zeiten im Besitze der
Mündung des Sambesi sind, an dem sie mehrere Niederlassungen
haben, haben nnu einen ad valorem Zoll tür Transitgüter erhoben,
unter dem natürlich die englischen Missionen zu leiden hatten. Das
Geschrei in England wuchs besonders nach der Beschlagnahme des
englischen Dampfers „James Stevenson“ durch die Portugiesen, so
dass Lord Salisbury im Parlamente den Wunsch, der früher einmal
schon sogar seiner Erfüllung nahe gewesen war, aussprach, den Sam-
besi zu einer freien Wasserstrasse zu machen. Es versteht sich
von selbst, dass die eigentlichen Gründe für diese Anregung, die
Macht der Portugisen zu unterbinden, nicht genannt wurden: es
sollte durch den freien Verkehr nur der Sache der Zivilisation ein
grosser Dienst geleistet werden, und da bei den Engländern in einer
eigeuthümlichen, um nicht zu sagen glücklichen Weise die Inter-
essen des Christenthums, der Zivilisation und des Handels verknüpft
sind, so liess sich auch leicht diesem Vorgehen durch das Betonen
der humanitären Beziehungen eine gewisse Rechtfertigung geben.
Am Nyassasee nämlich hatten arabische Sklavenhändler die Missions-
station Karonga angegriffen, später war ein englischer Konsularbe-
amter von aufgereizten Eingeborenen gefangen genommen worden,
und die Behauptung, dass aus portugiesischen Häfen noch immer viele
Sklavenschiffe ausliefen, wurde deshalb mit stets wachsender Er-
bitterung wiederholt. Obwohl aus kleinen portugiesischen Häfen an
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Strömungen in Afrika.
der Ostküste noch heimlich arabische Dhans mit Sklaven anslaufen
mögen, da au Schlupfwinkeln an der östlichen Küste kein Mangel
ist, so war die Bedeutung dieses Handels in diesem Gebiete sicher
sehr übertrieben.
Die ungünstigen, nicht selten übelwollenden Berichte, die über
den wirthschaftlichen Zustand und die staatliche Verwaltung der
portugiesischen Colonien namentlich seitens der englischen Presse
verbreitet werden, haben nun mehrfach den Glauben erweckt, dass jene
Besitzungen dem Mutterlande keinen nennenswerthen Vortheil bringen
und eher als ein Hinderniss für das Fortkommen desselben zu er-
achten sind. Die kläglichen Budgetverhältnisse dieser Kolonien
scheinen jene Ansicht zu bekräftigen, und es ist daher nicht zu ver-
wundern. wenn schon wiederholt den Portugiesen nahegelegt worden
ist. sich ihrer kostspieligen Kolonien gegen Entgelt zu entledigen.
Dass diese Ansicht aber der Begründung entbehrt, beweisen die Ta-
bellen über den Umfang des Kolonialwaarenhandels, sowie den
Nutzen, den Portugal, speciell Lissabon, aus demselben zieht.
Lissabon liefert den schlagendsten Beweis für den Vortheil, den der
Besitz von Kolonien mit sich bringt, denn trotz der unleugbaren
Misswirtschaft in den aussereuropäischen Besitzungen Portugals,
und obwohl der Handel zwischen diesem und dem Mutterlande nur
wenig staatlich begünstigt wird — zahlen doch alle aus den portu-
giesischen überseeischen Provinzen ausgeführten Waaren ohne Rück-
sicht auf das Bestimmungsland einen 3 — öprozentigen Ausfuhrzoll
— hat sich Lissabon als ein Platz ersten Ranges für Kolonialwaaren
behauptet.
In Portugal denkt man also gar nicht daran, seine Rechte auf
die Kolonien aufzugeben, wie dies auch aus einer Antwort hervor-
geht, welche der portugiesische Minister des Auswärtigen, Herr de
Barros Gomes, der geographischen Gesellschaft in Lissabon ertheilt hat,
welche eine strenge Untersuchung über einige in Lourcnco Marques
ausgebrochene Unruheu verlangte und dabei einige Anregungen für
die Entwicklung von Portugiesisch-Südostafrika gab.
Mit Bezug auf die in der englischen Presse hervorgetretene
Neigung, die Delagoabay und das Hinterland von Portugiesisch-Ost-
afrika für britischen Einfluss zu gewinnen, fiusserte sich der Minister
wie folgt:
Lassen wir uns nicht ?.u leicht dadurch erregen, dass irgend ein Publizist sich
veranlasst siebt, über Lourenco Marques zu schreiben. Der schönste Hafen der
ganzen afrikanischen Küste wird portugiesisch bleiben, weil zur Aufrechterhaltung
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•Strömungen in Afrika.
13
unseres dortigen Besitzstandes gleichzeitig der sehr bestimmte Wille der Nation,
die klaren Bestimmungen des internationalen Rechts, sowie die Treue und Loyalität
der befreundeten und benachbarten Mächte mitwirken; ja, selbst die in mancher
Hinsicht entgegengesetzten eigenen Interessen dieser Mächte werden letztere be-
stimmen. die vorliegende Lösung der geschichtlichen Entwicklung gern jeder anderen
Gestaltung der Dinge vorzuziehen, bei welcher die Entfaltung und Selbständigkeit
des Handels leicht gefährdet sein könnte. Ebenso wie Lourenfo Marques den ge-
räumigsten Zugangshafen Südafrikas bildet, so besitzt unser Gebiet von Mozambique
neben seinem ausserordentlichen Mineral- und ßodeureichthum, sowie seiner zahl-
reichen und erwiesenermaassen zur freien Arbeit bereitwilligen Bevölkerung, na-
mentlich in dem Sambesi, dem Schire und andereu Nebenflüssen jenes Stromes,
wie in dem grossen Nyassa-See die beste Strasse zum Eindringen in das Innere
des Kontinents und in die äquatorialen Länder. Diese Lage bürdet uns Pflichten
gegen alle Nationen auf, welche an der Entwicklung der christlichen und euro-
päischen Zivilisation intereasirt sind. Die Last dieser Pflichten müssen wir bereit-
willig hinnehmen. Wir müssen, ohne Zeit zu verlieren, die Eisenbahn von Lourengo
Marques bis zur portugiesischen Grenze verlängern und mit der Regierung des
Transvaal -taat es, dessen Interessen mit den unseren gemeinsam siud, ein offenes
und ehrliches Einvernehmen hersteilen, welches zu einem unerlässlichen und billigen
Uebereinkomraeu in der Tariffrage zwischen den beiden Unternehmungen führt
und die Fortsetzung der Linie bis Pretoria ermöglicht.
Diese Aeusserungen des Herrn de Barros Gomes wurden in der
portugiesischen Presse ohne Unterschied der Parteistellung mit leb-
hafter Genugthung hegrüsst, wie überhaupt die öffentliche Meinung
in Portugal sich gegenwärtig mit keinem Gegenstaude eifriger be-
schäftigt, als mit den Maassregeln zum Schutz und zur Entwicklung
der überseeischen Besitzungen. In unserem Interesse muss es liegen,
Portugal, welches int Allgemeinen seit einigen Jahren den deutschen
kolonialen Interessen nicht feindlich gegenübersteht, gegen die Ueher-
griffc Anderer, soweit es nur augeht, zu unterstützen.
Es ist vorhin der Schwierigkeiten erwähnt worden welche
arabische Sklavenhändler den kolonisatorischen Bestrebungen der
Engländer am Nyassa entgegensetzen und damit schon die Frage
gestreift, welche eine der brennendsten in Zentral- und Ostafrika ist,
die arabische.
Seit alten Zeiten schon linden wir Araber in Ostafrika, denn
nur die schmale Mandebstrasse trennte Ostafrika von Arabien, und
der Reichthum des Elfenbein und Gold produzirenden Landes, vor
allem aber der Sklavenhandel veranlasste bald einen lebhaften
Schiffsverkehr mit der asiatischen Halbinsel. Ueber die Wüste
drangen mit dem Islam die Araber 1086 — 1097 in Boruu ein
und nach Wadai, Darfnr und Kordofan gelangten sie im 13. Jahr-
hundert, während es in Nubien noch im 14. Jahrhundert Christen
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Strömungen in Afrika.
gegeben haben soll. Ein starker Strom hatte sich aber auch nach der
Ostküste Afrikas gewendet, die rothen und schwarzen Völker be-
kehrend und beherrschend und später Sultanate gründend, welche
Macht genug hatten, die Europäer von den Küsten zu vertreiben.
Nach einer Schätzung des Kardinals Lavigerie giebt es heute
allein vom Sudan bis zum Nil mehr als seehszig Millionen Mohame-
daner. Zwischen Sierra-Leone und Egypten ist sicher der Islam
die einzige moralische und geistige Macht, welche die besten Ge-
biete in Besitz genommen und ihren Stempel dein öffentlichen
und religiösen Leben der Eingeborenen aufgedrückt hat, und zwar
hier und dort in einer solchen Weise, dass der europäische Einfluss
dagegen kaum anfkommen kann. Die fanatischen Sekten, welche
in Nordafrika ihren Sitz haben, bieten ein zu gewaltiges Gegen-
gewicht dar, und die mohamedanischen Missionare, die Hadschis,
werden immer mehr zu gefährlichen Fanatikern. Die 90 bis 100
Tausend Mekka-Pilger, welche sich alljährlich auf dem Berge Arafat
zusammenfinden, vertreten ungefähr 170 Millionen Mohamedaner,
unter welchen die Araber die fanatischsten sind. Diese Pilgerreise
nach Mekka hat durchaus nicht nur einen religiösen Charakter, sie
verfolgt einen ausgeprägten politischen und socialen Zweck, so dass
inan sagen kann, an den heiligen mohamedanischen Stätten ver-
sammelt sich alljährlich ein grosses Parlament, dessen Theilnehmer
sich über die die muselmännische Welt beschäftigenden Tagesfrageu
aussprechen und sich eine Vorstellung davon machen können, in wie
weit der Islam in der zukünftigen Politik interessirt ist. Das
Araberthum, welches sich noch zu grossen Dingen in Arabien wie
Asien berufen glaubt, giebt hier den Ton an und fauatisirt die
Pilger, welche den zu Hause gebliebenen Glaubensgenossen rait-
theileu, was in Mekka verhandelt worden ist. Arabisch ist ferner
die Literatursprache von Zentralafrika. Betrachtet mau dazu noch
den Einfluss, welchen die Araber durch die Sklavenjagden und den
Handel ausübeu, ihren scharfen sich bei jeder Gelegenheit üussernden
Gegensatz zu dem Europäerthum, so sucht vielleicht Mancher, wel-
cher die arabische Afterzivilisation durch eine höhere ersetzen
möchte, vergebens nach den Mitteln und Wegen, welche eine Hand-
habe bieten könnten, den Strom der biblischen gelben Rasse ein-
zudämmen. Man muss bei Betrachtung dieser Fragen jedoch nicht
aus den Augen verlieren, dass der arabische Einfluss nicht unange-
fochten in Zentralafrika herrscht. Selbst nördlich von der Linie,
welche sich vom Golf von Guinea nach den oberen Nil erstreckt.
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Strömungen in Afrika.
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giebt es Stämme, welche nur theilweise zum Islam bekehrt sind, wie
die Mandingos und Futa-Djallon, während einige Wnloff- und Bam-
bara-Stämme mehr Heiden als Mohamedaner sind. Auch giebt es
in der Nachbarschaft von Baghirmi eine ganze Reihe von heidnischen
Stämmen. Dagegen ist in der Gegend der Quellen des Nils in den
Staaten Uganda, Unjoro bis znm Tanganjika und selbst bis zu den
Stanleyfällen, wo Tippu Tip ein höchst gefährlicher Nachbar für den
Kongostaat geworden ist, weiter nach dem Süden bis zu den Terri-
torien westlich vom Nyassa derjenige arabische Händler und Jäger
thätig, welcher von Sansibar seinen Ausgang nimmt. Seine Agita-
tion gegen die Europäer macht sich hier sehr fühlbar. Aber es
giebt auch hier eine ganze Anzahl von Stämmen, welche die Araber
weder unterjochen, noch zur Annahme des Islams haben zwingen
können. So sind die Diuka, die Bari, die Niam-Niam u. s. w.
noch Heiden, und selbst an der Ostküste Afrikas, wo die Araber
hunderte von Jahren herrschen, finden sich viele heidnische Neger-
stämme.
Im egyptischen Sudan wurde der Gegensatz zwischen der
europäischen Zivilisation und dem Araberthum, welches die Sudanesen
zur Empörung drängte, zuerst brennend. Der Erfolg der Empörung
war bekanntlich ein grosser. Die wegen ihrer Bestrebungen zur
Unterdrückung des Sklavenhandels im Sudan sehr gehassten
Engländer haben bald das Gebiet verloren und die greulichste
Wirthschaft konnte ihm schauerliche Orgien feiern. Der Sklaven-
handel, die Herzkrankheit Afrikas, blühte wieder auf, denn der egyp-
tische Sudan kann noch Millionen schwarzer Sklaven gebrauchen. Nur
Emin Pascha hat sich im südlichsten Gebiet der Aequatorialprovinz
noch halten können, abgeschlossen von allem Verkehr mit der Aussen-
welt und fast, von der Gnade der ihn umgebenden Negerfürsten ab-
hängig. Ein seltsames Bild fürwahr! Ein deutscher namhafter Forscher
im Herzen Afrikas für die ihm anvertraute Provinz sorgend, ihre Be-
wohner auf eine höhere Stufe der Zivilisation unter den grössten
Mühen und Entbehrungen hebend und den Gedanken weit von sich
weisend, sich selbst zu retten und die ihm vertrauenden Menschen
zu verlassen. Ein Beispiel fast antiker, einfacher Grösse, welches
in unserer au solche Charakteren armen Zeit Jeden mit Bewunde-
rung erfüllen muss. Die Bewegung, welche zu seiner Rettung in
der zivilisirten Welt entstanden war, hatte auch Deutschland er-
griffen, sodass bei diesem Gegenstände noch etwas länger verweilt
werden muss.
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Strömungen in Afrika.
Emin Pascha ist ein Deutscher, Namens Eduard Schnitzer,
geboren am 28. März 1840 in Oppeln, von wo seine Familie be-
reits 1842 nach Neisse verzog, wo seine hochbetagte Mutter und
eine Schwester noch jetzt leben. Nachdem er das Gymnasium seiner
Vaterstadt absolvirt, in Breslau und Berlin Medicin studirt und
1864 promovirt hatte, trieb ihn die Sucht nach dem Unbekannten
und seine Vorliebe für die Naturwissenschaften in die Fremde. Er
ging nach der Türkei, wo er bei dem damaligen Vali Muschir Di-
vitschi Ismael Hakki Pascha Aufnahme fand und mit diesem die
verschiedenen Provinzen des weiten türkischen Reiches, Armenien,
Syrien und Arabien bereiste. Im Jahre 1875 machte er eiuen Be-
such in seine Heimath, jedoch trieb ihn seine Wanderlust bald
wieder in die Fremde, und so befand er sich schon im Jahre 1876
unter dem Namen Emin in Diensten der egyptischen Regierung,
welche ihn dem Generalgouverneur des Sudans. Gordon Pascha, zur
Verfügung stellte.
In den Jahren 1863 bis 1876 hatte der englische Reisende Sir
Samuel Baker zahlreiche Forschungs- und Jagdzüge am oberen Nil
unternommen und daselbst die schrecklichen Sklavenjagden und die
mit dem Sklavenhandel verbundenen Blutthaten kennen gelernt. Er
unterbreitete infolgedessen dem Khedive von Egypten den Plan,
jenen Theil des Sudans zu erobern. Diesem kamen Bakers Vor-
schläge sehr gelegen; einmal rechnete er auf bedeutende Einnahmen,
die ihm bei seiner verschwenderischen Lebensweise sehr willkommen
sein mussten, dann aber hoffte er. sich durch die Vergrösserung
seiner Macht demnächst von der türkischen Oberhoheit unab-
hängig machen zu können. Im Herbst 1870 drang Baker bis Gon-
dokoro am oberen Nil vor. Es gelaug ihm auf mehreren Zügen ins
Innere den Sklavenhandel zu unterdrücken, drei Stationen im
Sudan auzulegen, den kleinen despotischen Fürsten Furcht und
Schrecken einzujagen und die Grundlagen staatlicher Einrichtungen
herzustollen. Da indess die erhofften Einnahmen ansblieben, Bakers
Unternehmungen vielmehr bereits 26 Millionen Francs verschlungen
hatten, so fiel er bei dem Khedive in Ungnade: er wurde abbe-
rufen und Gordon zu seinem Nachfolger bestimmt. Letzterer ver-
waltete sein Amt mit Gerechtigkeit und Milde, fügte den drei be-
reits bestehenden sieben weitere Stationen hinzu und dehnte seine
Herrschaft 1500 Kilometer weit nach Süden aus, so dass ihm ein
Gebiet 5*/a Mal so K ross als Deutschland unterstellt war. Bis zum
Jahre 1876 hatten nur die arabischen Provinzen mit der Hauptstadt
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Strömungen in Afrika.
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Khartum eine eigene Organisation, die Gordon nun aueh auf die
Negerprovinzen ausdehnte, zu deren Hauptstadt Lado bestimmt
wurde. Emin Bey fungirte anfangs bei Gordon als Chefarzt und
Verwalter der Vorrathsmagazine. Bald hatte dieser Emins ausser-
gewöhnliche Fähigkeiten und vielseitige Begabung erkannt und be-
traute ihn mit wichtigen Missionen nach Unjoro und Uganda. Als
er dann im Jahre 1878 die ihm unterstellten Negerprovinzen in
vier Bezirke theilte, ernannte er Emin zum Gouverneur von Hat-el-
Estiva, der Südprovinz, während er die Verwaltung der drei anderen
Bezirke Gessi Pascha, Lupton Bey und Slatin Bey übertrug. Nun-
mehr wurde die Unterdrückung des Sklavenhandels mit grosser
Energie in Angriff genommen, gegen 4000 arabische Händler wurden
von Gordon aus dem Lande gejagt. Dieses thatkräftige Vorgehen
rief aber bald gewaltige Gährung unter den Arabern hervor und es
kam im Jahre 1879 zu einem Aufstand in der Provinz Bahr-el-
Ghasal. Nach hartem Kampfe schlug Lupton Bey, der Gouverneur
dieser Provinz, in Verbindung mit Gessi Pascha denselben nieder:
als aber letzterer bald darauf nach Khartum marschiren wollte,
wurde er durch ein merkwürdiges Naturereiguiss für längere Zeit
abgeschnitten. Der Nil, welcher schon im oberen Laufe ein sehr
geringes Gefälle und daher einen trägen Lauf hat, wird zeitweise
durch angeschwemmte Ptlanzenmassen so vollständig verstopft, dass
jeder Verkehr auf ihm unmöglich wird, ln eine solche Pflanzenbarre
gelangte auch Gessi Pascha. Erst nach dreimonatlicher Reise war
es ihm möglich, Khartum zu erreichen; 400 von seinen 500 Be-
gleitern hatte er verloren, und er selbst starb kurze Zeit darauf in
Folge der erduldeten übermenschlichen Strapazen. Gordon legte im
Jahre 1879 sein Amt nieder und kehrte nach England zurück, um
erst 5 Jahre später wieder auf demselben Schauplatz zu erscheinen.
Im Jahre 1881 brachen neue Unruhen aus. Muhamed Achmed,
welcher schon lange im Gerüche grosser Heiligkeit stand, forderte
die Gouverneure des Sultans auf, ihn als Mahdi anzuerkenneu und
sich ihm zu unterwerfen. Die egyptische Regierung nahm diese
Bewegung anfangs zu leicht und stellte ihr völlig unzureichende
Streitkräfte entgegen. Die Engländer, welche Egypten inzwischen
besetzt hatten, schickten dem Mahdi 1883 eine grössere Truppen-
abtheilung unter Hicks Pascha entgegen, die jedoch bei Obeid völlig
geschlagen nnd niedergemetzelt wurde, so dass dem Mahdi der ganze
Norden offen stand und Khartum selbst aufs äusserste bedroht war.
In dieser Bedrängniss erschien Gordon wieder als der geeignete
Jahrbuch für Deutsche Kolonial politik. 2
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Strömungen in Afrika.
Retter, mit wenig Begleitern ging er nach Khartum und Buchte die
Bevölkerung durch einen allgemeinen Steuererlass und Freigabe des
Sklavenhandels zu gewinnen, den Mahdi aber durch dessen Ernennung
zum Emir von Kordofan zu besänftigen. Dieser jedoch war zu
stolz, eine Würde als Geschenk anzunehmen, die er sich mit dem
Schwerte erobern konnte, und rückte immer näher an Khartum
heran. Da Gordon ohne Truppen nach Khartum gekommen war, so
kam es nun vor allen Dingen darauf an, ihn mit Heeresmacht zu
unterstützen; der zu diesem Zwecke mit 6000 Mann englischer
Truppen abgesandte Wilson kam aber erst zwei Tage nach dem
Falle Khartums und der Ermordung Gordons (27. Januar 1885)
vor der Stadt an und kehrte unverrichteter Sache wieder um. Der
egyptische Einfluss im Sudan war damit vernichtet. Lupton und
Slatin Bey geriethen in die Gefangenschaft des Mahdi und sollen
kürzlich der grausamen Behandlung erlegen sein. Der einzige,
welcher sich noch behauptete, war Emin.
Emin Pascha hatte von den geschilderten Vorgängen bisher
nichts erfahren. Seit zwei Jahren hatte er keinen Dampfer nach
Khartum absenden und keine Nachricht von dort erhalten können,
da die Schaaren des Mahdi eine Scheidewand zwischen ihm und dem
Norden bildeten. W T ie die übrigen Gouverneure , so hatte der
Mahdistenführer Karamallah auch ihn aufgefordert, seine Provinz
dem Mahdi zu übergeben ; er aber sah sich dadurch nur veranlasst,
die entferntesten Stationen aufzugeben und diejenigen Plätze, welche
er zu halten beabsichtigte, nach besten Kräften zu befestigen und
zu vertheidigen. 1885 erhoben sich auch die Araber in seiner
Provinz, jedoch gelang es ihm vorerst den Aufstand niederzuschlagen.
Erst Ende 1885 erfuhr Emin, dass Khartum gefallen und Gordon
getödtet sei, und da zugleich die Verproviantirung schwierig wurde,
verlegte er seine Residenz vou Lado 2 Grad südlicher nach Wade-
lai und gab alle Stationen, welche nicht in unmittelbarer Nähe des
Nils lagen, auf. Alle Nachrichten konnten seitdem nur über Sansi-
bar zu ihm gelangen. Seit dem Jahre 1885 weilten ■ noch zwei
andere Europäer, der Italiener Casati und der kürzlich über Sansi-
bar nach Europa zurückgekehrte Dr. Junker zeitweise bei Emin.
In Europa war man um das Schicksal des letzteren bereits seit
Jahren in banger Sorge. Ehe wir aber auf die zu seinen Gunsten
unternommenen Befreiungsversuche eingehen, mögen einige Angaben
über seine Thätigkeit und Verwaltung hier eine Stelle finden. Als
er seine Provinz übernahm, befand sich dieselbe in Folge des Sklaven-
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Strömungen in Afrika.
IS*
handeis in der allertraui igsten Verfassung; es gelang ihm aber durch
fortwährende Zöge durch das ihm unterstellte Gebiet das Vertrauen
der Neger zu gewinnen und sie an Gehorsam und Thätigkeit zu
gewöhnen. Er vermochte es durch sein vorzügliches Organisations-
talent unter den allergrössten Schwierigkeiten Ruhe und Ordnung
herzustellen und erzielte dadurch auf wirthschaftliehem Gebiete
solche Erfolge, dass er bald einen erheblichen Reingewinn abliefem
konnte, während die Verwaltung bisher grossartige Summen gekostet
hatte. Unausgesetzt ist er für die Förderung des Handwerks und
der Industrie thätig und unterstützt die Kultivirung des Landes
durch Einführung und Akklimatisirung von Tabak, Baumwolle und
anderen Pflanzen. Diesen Erfolgen auf praktischem Gebiete stehen
seine wissenschaftlichen Leistungen ebenbürtig zur Seite. Unauf-
hörlich beschäftigt er sich mit der Zusammenstellung von Vokabu-
larien , mit kartographischen und anthropologischen Messungen,
meteorologischen Beobachtungen und mit der Anlage botanischer
und zoologischer Sammlungen.
Wie schon vorher bemerkt, ist Emin Pascha nicht gesonnen,
das ihm anvertraute Gebiet zu verlassen und nach Europa zurück-
zukehren. Vielmehr hat er es in seinen Briefen wiederholt als
Ehrenpflicht bezeichnet, seine Leute, welche ihm Jahre lang treu
zur Seite gestandeu haben, nicht im Stiche zu lassen, sondern seine
gefahrvolle Stellung nach wie vor zu behaupten. Auf Befreiung
wartete also Emin nicht, wohl aber auf Unterstützung, die er am
liebsten von seinen deutschen Landsleuten annähme, was er gleich-
falls mehrfach in seinen Briefen ausgesprochen hat. Besonders er-
wünscht müssten ihm Munition, Waffen und Kleider für seine zum
Theil halbnackt einhergehenden Leute sein. Jahre sind vergangen,
seit der Nothrnf, diese Ersatzstücke Emin zuzuführen, in Europa
laut wurde und zur Ehre der Menschheit ist er nicht ungehört
verhallt. Verschiedene Expeditionen sind ausgerüstet worden, um
Emin Pascha Hülfe zu bringen.
Die erste Expedition war diejenige des Dr. Fischer, welcher
von Pangani aus im August 1885 vordrang, aber nur bis an den
Baringosee gelangte. Wie wir aus neueren Mittheilungen wissen,
war seine Hauptabsicht auf wissenschaftliche Forschungen gerichtet,
und er selbst hat kaum gehofft, Emin noch am Leben zu finden.
Seine Expedition war auch so bescheiden ausgerüstet, dass sie Emin
Pascha wirksame Hülfe gar nicht hätte bringen können. In Kagei
erhielt er die Nachricht von dem Tode des Königs von Uganda,
2 *
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Strömungen in Afrika.
and der Thronbesteigung von dessen Sohn Mnanga, welcher seine Regie-
rung damit einleitete, dass er sämmtliche Europäer tödten liess, ver-
weigerte Dr. Fischer den Durchzug durch sein Gebiet, wie er auch
später dem Dr. Junker bei seiner Rückkehr nach Europa die grössten
Schwierigkeiten bereitete. Dr. Fischer versuchte nun durch das
Land der Massai, östlich vom Viktoriasee, vorzudringen. Da es ihm
aber an passenden Tauschobjekten für die Bewohner des Landes
fehlte, nachdem die Massais ihn geplündert hatten, musste er auch
diesen Plan aufgeben und an die Küste zurückgehen. Halbtodt
langte er daselbst an und starb bald darauf in Berlin.
Die zweite Expedition wurde auf Veranlassung der geographischen
Gesellschaft in Wien von dem Professor Lenz im Februar 188fi
unternommen. Er versuchte von Leopoldsville aus vorzudriugeu
und wollte durch das Monbnttuland ziehen. Da aber der Sklaven-
händler Tippu Tip seine Zusage der Gestellung von Trägern nicht hielt,
ging Lenz kougoaufwärts über den Tanganjikasee quer durch das
Seengebiet nach dem Nvassasee, über den Schirefluss, den Sambesi
und Quilemane zurück. Seine Reise war äusserst ergiebig für die
wissenschaftliche Erforschung Afrikas, Emin Pascha aber hat sie
keine Hülfe gebracht.
Inzwischen hatte Emin versucht, sich selbst zu helfen. Dem
Dr. Junker war es mit Hülfe Tippu Tips, der für seine Unterstützung
1500 Thaler erhielt, gelungen, durch Unjoro und Uganda nach
Sansibar zu gelangen, und dieser überbrachte Briefe von Emin an
Prof. Schweinfurth in Kairo, in welchen ersterer dringend um Unter-
stützung bat. Während sich die egyptische Regierung erst nach
langen Verhandlungen dazu bequemte, zur Unterstützung Emins
400 000 Mark herzugeben, hatten unterdessen englische und sehot
tische Kapitalisten 4 Millionen Mark zusammengebracht und den be-
kannten und bewährten Afrikaforscher Stanley für eine Unternehmung
zu Gunsten Emin Paschas gewonnen. Dieser begab sich im Februar
1887 nach Sansibar und schloss einen Vertrag mit Tippu Tip, wo-
nach ihn derselbe mit 600 Trägern versorgen und dafür zum Gou-
verneur an den Stanley-Fällen ernannt werden sollte. Stanley nahm
seinen Weg nicht durch Ostafrika, sondern umschiffte Afrika und
drang vom Kongo aus vor. Dafür hatte er folgende Gründe: Der
Weg von der Kougomündung stromaufwärts bietet keinerlei Hinder-
nisse. Der Landweg, die Entfernung von der Mündung des Aru-
wimi bis Wadelai, ist kürzer, als der Weg von der Ostküste.
Der Weg führte angeblich durch Länder friedlicher und durchaus unge-
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Strömungen in Afrika.
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fährlicher Völker, während im Osten kriegerische Stämme, z. B. die
Massai, leicht Schwierigkeiten verursachen können. Anfang Juni
1887 erreichte Stanley die Mündung des Aruwimi, wo er den Mayor
Barttelot mit dem grössten Tlieile des Gepäcks zurückliess. Tippu
Tip begab sich auf seinen Posten, während Stanley sofort den
Weitermarsch nach Wadelai antrat. Seitdem fehlen jede Nachrichten
über den unerschrockenen Forscher. Höchst wahrscheinlich werden
dieselben von den Arabern abgefangen und zurückgehalten. Sollte
Stanley wirklich zu Emin Pascha gelangt sein, so muss man doch
auch seine Expedition als gescheitert betrachten, denn Stanley allein
kann Emin nicht wirksam unterstützen. Er brachte nur neue Kost-
gänger. die mitgebrachten Vorräthe sind aber bei Barttelot zurück-
geblieben und nach den neuesten Nachrichten in die Hände der
Manvemas gefallen, welche auch den Major Barttelot, vermuthlich
auf Anstiften Tippu Tips, ermordet haben. Stanley selbst scheint
durch die Ernennung Tippu Tips zum Gouverneur der Station an
den Stanley-Fällen einen schweren Fehler begangen und diesem für
seine Sklavenjagden ein neues Wildrevier gegen Nordosten eröffnet
zu haben. Wie die öffentliche Stimmung in Deutschland zur Hülfe-
leistung für den bedrohten Forscher aufgeregt ist, wird später noch
erwähnt werden.
Die Gründung des Kougostaates war der erste Schlag, welcher
gegpn das sklavenraubende Araberthum geführt wurde und die Araber
wurden sich bald der Bedeutung dieses vorläufig nur geographischen
staatlichen Begriffes, welcher aber auch ein hohes sittliches Prinzip
\ erkörperte, für die Zukunft klar. Es lässt sich daraus die Stellung-
nahme jenes Tippu Tip gegen die Stanley’sche Expedition zum
Entsätze Emin Paschas am leichtesten erklären. Mit überlegener
Schlauheit hat der Araber die nur zu vertrauensvollen Europäer in
sein Garn gezogen und wird nun, im Besitze von Munition und
Waffen, vorläufig allen Anstrengungen spotten, welche gemacht
werden können, um seinem fluchbeladenen Treiben Einhalt zu
thun.
Der andere Gegenstoss gegen die Fortschritte der europäischen
Gesittung fand fast zu gleicher Zeit am Nyassa, wie schon bemerkt,
statt. Dort arbeiten seit dreizehn Jahren schottische Missiouare auf
verschiedenen Missionsstationen, mit diesen im besten Einvernehmen
stehend sind Beamte und Arbeiter der African Lake Company bemüht
die um den See gelegenen Gebiete dem europäischen Handel zu er-
schliessen. Mit praktischem Blick hat man von hier aus eine Han-
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Strömungen in Afrika.
delsstrasse nach dem Tanganjika-See eröffnet, deren Bedeutung fin-
den Verkehr Inner-Afrikas mit der europäischen Kulturwelt Jahr für
Jahr im Zunehmen begriffen ist.
Die Araber sind heute noch nicht aus ihren Stellungen vertrieben
und die Stevenson-Strasse nach dem Tanganjika noch nicht frei, da
die Kräfte der Engländer bisher zu schwach waren.
Das Aufflackern des arabischen Fanatismus griff aber auch auf
das deutsche Ostafrika über, wo am 16. August die deutseh-ostafrika-
nische Gesellschaft vom Sultan von Sansibar die Verwaltung der Küste
vom Rovuma bis Tanga übernahm und ein Aufstand losbrach, welcher,
da wir diese Zeilen schreiben, noch in vollster Entwicklung ist.
Obwohl man auch annehmen kann, dass Störungen lokaler Natur
den Ausbruch des Aufstandes, welcher sich gegen den Sultan von
Sansibar sowohl als auch gegen die ostafrikanische Gesellschaft
richtet, veranlasst haben, so sind doch sicher die Araber Die-
jenigen, welche den Aufstand organisirt haben. Darau, dass es ge-
lingen wird, diesen Aufstand niederzuschlagen, zweifelt wohl Niemand,
obwohl es viele Opfer kosten wird. Denn der Rath, welcher jetzt
von den Feinden der Kolnnialpolitik gegeben wird, die ostafrika-
nischen Kolonien (in welchen schon Millionen stecken) aufzugeben,
kann kein ernsthaft gemeinter sein.
Das Vordringen und Vorherrschen dieses nur Haudelsz wecke
verfolgenden, nicht von religiösem Fanatismus durchtränkten Araber-
thums zu verhindern, sind mehrere Vorschläge gemacht worden,
welche augenblicklich noch der Diskussion unterliegen. Es gebührt
der Ruhm, diese Frage in der neuen Zeit aufgefasst und agitatorisch
ausgebeutet zu haben, dem französischen Kardinal Lavigerie, dessen Zög-
linge sich am Tanganjika befinden und über das scheussliche Treiben der
Araber ihm eingehende Berichte sandten, welche die Schilderungen
Wissmanns und Reichards bestätigten. Er entwickelte auf einer
Rundreise durch Belgien und England einen neuen Plan : eine inter-
nationale, etwa 100 — 150 energische und kühne Männer umfassende
Truppe zu schaffen und dieselbe im Herzen Afrikas, da, wo die
Karawanenwege nach der Küste zu den Tanganjika schneiden, zu
stationiren, und verlangte zur Ausführung seines Planes eine Million
Francs. Unter den deutschen Katholiken, welche sich bislang für
die dentsche Kolonialbewegung weniger interessirt hatten, hat der
Appell des Kardinals lebhaften Beifall gefunden, welcher sich in der
Gründung von Anti-Sklaverei- Gesellschaften äusserte, während die
Protestanten anfänglich noch zurückhielten.
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Strömungen in Afrika.
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An und für sich ist der Gedanke nicht zu verwerfen, denn eine
solche bewaffnete Trappe, welche die Negerstämme gegen die Araber
stärken könnte, scheint wohl im Stande, dem Sklavenraube auf ge-
wissen Strecken Einhalt zu thun, doch konnte man die schwersten
Befürchtungen nicht unterdrücken, dass gerade dann erst der blutigste
Kampf in diesen Gegenden entbrennen würde, dessen Opfer nicht
im Verhältnisse zu seinen Ergebnissen stehen würden, da der Sklaven-
handel nur andere Wege einschlagen würde.
Die Empörung über das Treiben der Sklavenhändler ergriff
aber bald weitere Kreise, als sich unwiderleglich herausstellte, dass
die luteressensolidarität die sklavenhandelnden und sklavenjagenden
Araber zu einer festgefügten kulturfeindlichen Masse verdichtet hatte.
Katholische und protestantische Männer veranstalteten in Köln am 27.0k-
tober eine grosse Versammlung, welche folgende Resolution beschloss:
1. Die Unterdrückung der afrikanischen Sklavenjagden mit ihren die Mensch-
heit schändenden Greueln ist gemeinsame Pflicht und Aufgabe aller christ-
lichen Staaten und die nothwendige Vorbedingung der wirklichen Aufhebung
des Sklavenhandels.
2. Wie Artikel 6 der Kongoakte alle Mächte zur Mitwirkung an der Unter-
drückung der Sklaverei und zur Besseruug des Loses der Eingeborenen ver-
bindet, so liegt insbesondere dem Kongostaat, England und Deutschland,
welche von den arabischen Sklavenhändlern unmittelbar angegriffen und in
ihren Interessen und nationalen Aufgaben verletzt sind, die Pflicht ob, unter
gemeinsamer Verständigung den unvermeidlichen Kampf nachdrücklich aufzu-
nehmen und durcbzuführen.
3. Wir vertrauen, dass angesichts der in Ostafrika vor allem durch die ara-
bischen Sklavenhändler henrorgcrufeneu aufständischen Bewegung die Ehre
der deutschen Hagge und die deutschen Interessen von der Iteichsregierung
wirksam gewahrt werden.
4. Darf ein solches Vorgehen auf die einmütbige Unterstützung des deutschen
Volkes ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses und der politischen
Parteiung rechnen, so wird, dessen sind wir gewiss, auch die thatkräftige
Mitwirkung des Reichstags demselben nicht fehlen.
Ehe aber diese Kundgebung stattfand, waren auf Anregung
Deutschlands schon Verhandlungen zwischen den Mächten darüber
eingeleitet, wie dem schändlichen Sklavenhandel zu steuern sei. Die
englische Presse zeigte sich seltsamer Weise nicht allzu willfährig,
mit Deutschland an der ostafrikanischen Küste gegen den Sklaven-
handel zu operiren. Jedes bewaffnete offensive Einschreiten auf
dem Festlande wurde in derselben von der Hand gewiesen und
vor einem gemeinsamen Vorgehen mit Deutschland in diesem letzteren
Sinne gewarnt. Wenn auch die Fälle selten waren, wo Pressorgane
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Strömungen in Afrika.
sich zu Advokaten der arabischen Sklavenhändler aufwarfen, welche
dadurch zur Macht uud Ansehen gelangt sein sollten, dass sie den
„Wilden“ Afrikas gegenüber die überlegenere Kultur des Islams
darstellten, so sind sie doch werth, registrirt zu werden.
Lord Salisbury erklärt sich, besonders aus Befürchtung, dass in
Folge der Nichtantheilnahme Englands an diesem Werke die Unab-
hängigkeit Sansibars gefährdet werden könnte, für ein gemeinsames
Vorgehen mit Deutschland; auch die anderen in Ostafrika interessirten
Staaten zeigten sich geneigt, an einer Blokade mitzuwirken und
Fürst Bismarck konnte deshalb an den Vorsitzenden der Kölner
Anti-Sklaven-Versammlung folgendes Telegramm gelangen lassen.
Friedrichsruh, 6. November.
Kw. Hochwohlgeboren danke ich verbindlichst für die mit dem gefälligen
Schreiben vom 27. v. M. erfolgte Mittheilung der Beschlüsse, welche die
unter Ihrem Vorsitz abgehalteue Versammlung in Köln im Sinne der Unter-
drückung des Sklavenhandels und des Schutzes der deutschen Kulturarbeit
in Afrika gefasst hat. Die Kaiserliche Regierung ist schon länger bemüht,
eine Verständigung der betheiligten Mächte zum Zweck der Ergreifung wirk-
samer Maassregelu gegen den Negerhandel Yorzuhereiten, und führt in diesem
Sinne zunächst Verhandlungen mit der Königlich Orossbritannischen Regie-
rung. Ich darf hoffen, dass dieselben in Kurzem die Grundlage bieten
werden, um demnächst mit deu auf der Ostküste von Afrika betheiligten
Regierungen von Italien und Portugal und mit den an der Kongoakte be-
theiligten Mächten in Unterhandlung zu treten. v. Bismarck.
Diese Unterhandlungen sind zur Zeit, da wir dies schreiben,
noch in der Schwebe; an ihren Erfolg ist nicht zu zweifeln, da auch
Frankreich, dessen Flagge von Sklavenhändlern vielfach missbraucht
wird, seine bis jetzt aufrechterhaltene Weigerung, französische Schiffe
von den Kreuzern durchsuchen zu lassen, angesichts einer von
Deutschland und England genteiusam durchgeführten thatsächliehen
Blokade, welcher das Verbot der Pulver- und Waffeneinfuhr voraus-
zugehen hätte, an der ostafrikauischen Küste fallen lassen dürfte.
Eine solche Blokude ist jedenfalls das wirksamste, wenn nicht
das einzige Mittel, dem Sklavenhandel und indirekt dadurch zugleich
dem Aufstande beizukommen.
In Egypten, den Staaten am Mittelmeere und in Nordwest-
afrika gehen die herrschenden Strömungen langsam in den Bahnen
vor sich, welche sie schon seit längerer Zeit gerissen haben. Aber
sobald wir wieder an der Westküste in die Tropen zurückkehren,
beginnt der politische und wirtschaftliche Kampf aufs Neue. Die
Franzosen suchen die Engländer aus Senegambien herauszudrängen,
sich im Hinter'ande des englischen Lagos festzusetzeu, und die
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Strömungen in Afrika.
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Engländer sind am freien Niger thätig, alle anderen Nationen voll-
ständig von dem Wettbewerbe im Handel auszuschliessen, indem sie
gegen den Wortlaut und Sinn der Nigerakte eine Monopol wirthscbaft
einrichten, übermässig hohe Zölle erheben, die eingeborenen Häupt-
linge in ihre Gewalt zu bringen suchen und in einer schnöden
Weise Recht und Gesetz verletzen. Der Niger und Benue sind die
kolonialpolitischen Schmerzenskinder der Deutschen, wenn man sich
so ausdrücken darf. Der Niger ist von deutscheu Reisenden häufig
erforscht, der Benne besonders von Flegel, aber, obwohl Flegel
handelspolitisch thätig war, haben doch die Engländer den Rahm
abgeschöpft und durch Gründung der heutigen Royal Niger Company
eine gewaltige Organisation geschaffen, gegen die der freie Händler
nur mit den ungeheuersten Schwierigkeiten aukämpfen kann. Es
bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Feld zu räumen. Was soll
uns aber der Benue mit seinen reichen Hinterländern nützen, wenn
die Engländer durch ein gerade wahnsinniges Zollsystem die Ein-
und Ausfuhr lahm legen? Der Benue hat, da man von Kamerun
aus schwer zu ihm gelangen kann, nur eine Bedeutung für den
Handel, wenn der Niger frei ist. Im anderen Falle ist er für uns
werthlos. Die englische Regierung hat sieh bislang um die Klagen
der freien Händler nicht viel gekümmert, denn die Niger Company
arbeitet vortrefflich ihren Plänen vor, welche, wie die „African
Times“ es ziemlich deutlich aussprach, sich bis nach dem Tsadsee
versteigern an dem erst Halt gemacht werden soll. Der Plan ist
sicher ebenso grossartig in der Konzeption, als schwierig in der
Ausführung, denn mit den dort wohnenden mohammedanischen Fürsten
können die Engländer nicht so leicht umspringen wie mit den Dorf-
häuptlingen schwacher Heidenstämme. Der mohammedanische Fa-
natismus hat bekanntlich dem Vordrängen der Franzosen am Sene-
gal mehr als einmal Schranken gesetzt, und noch heute sind dort,
sogar ziemlich nahe an der Küste und den Forts, von fanatischen
Muselmännern angestiftete Unruhen nichts Seltenes.
Es ist dies in kurzen Umrissen ein Bild der verschiedenen
Strömungen, welche mehr, als man gemeiniglich annimmt in realen
Bedürfnissen des wirklichen Lebens ihren Ursprung haben. Unsere
Handelskreise beherrscht dasselbe Streben wie die englischen: den
Export auszndchnen, neue Absatzgebiete zu gewinnen und Deutsch-
land die Stellung auf dem Weltmärkte zu erringen, welche ihm jetzt
zukommt. Die politische Erstarkung Deutschlands, die Ausbildung
seiner Seemacht, die Erwerbung eigener Kolonien, die Ausdehnung
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•26
Strömungen in Afrika.
der Dampfschifflinien u. A. habeu entweder schon seiner Export-
industrie einen gewaltigen Aufschwung verschafft oder lassen einen
solchen sicher hoffen, dessen Bewahrung aber nur dann möglich sein
wird, wenn mit klaren Augen die Situation überblickt wird, wenn
der deutsche Handel in dem Sinne, wie es die Engländer thun, die
durch deutsche Erforschungen eröffneten, durch eine kräftige deutsche
Reichspolitik unterstützten günstigen Bedingungen voll und ganz
ausnutzt.
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
Von
P. E. Wallroth.
Viel früher, als das geeinigte Deutschland kraft des ausgedehnten
deutschen Handels, der vaterländischen Stärke, der Seemacht und
eines neuen inneren Triebes, aussereuropäische Länder in Besitz
nahm, haben deutsche Missionare draussen in der Feme Land und
Leute geistig erobert und auf eine bessere Lebensstufe erhoben. Je
mehr nun deutsche Kultur und Ansiedelung in den seit 1884 er-
worbenen überseeischen Ländern vorwärts dringt, je mehr es deutschem
Fleiss und fester Ausdauer hoffentlich gelingen wird, nach und nach
in den Kolonien Fuss zu fassen und Früchte zn ernten, desto
eifriger auch muss es Deutschlands Bestreben sein, den Bewohnern
jener Gegenden das Christentum zn geben. Die deutschen Missionare
haben es an anderen Orten und auch schon in den jetzigen deutschen
Kolonien gezeigt, dass sie sich ihrer Arbeit nicht zu schämen haben;
(sei nur erinnert an die Rheinische Mission in Südwestafrika)
und so liegt allerdings der Wunsch nahe, dass deutsche Missions-
gesellschaften sich auch der deutschen Kolonien annehmen, soweit
ihr bisheriges Arbeitsfeld es ihnen gestattet oder neue Mittel neue
Wege bahnen. So handeln die Holländer in ihrer indischen Insel-
welt, so arbeitet Frankreichs Missionar in französischen Kolonien,
und auch englische Sendboten haben nicht ans Zufall englische
Kolonialländer zur Thätigkeit ausgesucht. Allerdings ist das
Christentum und seine Ausbreitung an kein bestimmtes Volk ge-
bunden, es ist international, aber innerhalb der Nationen und Völker
soll doch jedes Volk für sein eigen Hauswesen daheim und jenseits
des Meeres auch religiös nicht zuletzt sorgen. Thatsächlich wurde
auch von Männern wie Dr. Warneck, Dr. 0. Frick u. A. ein Auf-
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
ruf an das evangelische deutsche Volk im März 1886 zur Sammlung
von ausserordentlichen Beiträgen für neue deutsche Missionen in
deutschen Schutzgebieten erlassen, welcher 34000 M. ergab.
Welche Missionsarbeit nun in den deutschen Schutzlftndern bis
jetzt vornehmlich von Deutschen aber auch von anderen Glaubens-
boten geschehen ist, möge das Folgende zeigen. Beginnen wir mit
Afrika.
Im deutschen Togo -Land an der Sklavenküste hat noch kein
Missionar gewirkt, aber in sehr naher Nachbarschaft zu Keta (Quitta)
auf dem schmalen Lagunenrand und im Krepe- und Ewe-Gebiet zu
Anyako, Waya, Wegbe, Ho und Peki hat die norddeutsche
Bremer Missionsgesellschaft seit vieleu Jahren, zuvor unter vielen
Opfern, jetzt endlich mit Erfolg gearbeitet. Die Ewesprache, welche
auch im Togoland bis zum Amutsufluss herrscht, wurde durch diese
Missionare, besonders durch Schlegel, erforscht und zur Schriftsprache
erhoben, mithin eine wichtige Vorarbeit für das Togogebiet gethan.
Hätte die Bremer Gesellschaft die erforderlichen Mittel, würde sie
herzlich gerne das deutsche Togoland mit in ihr Arbeitsnetz hinein-
ziehen; 1 ) ihr Missionar E. Bürgi drang 1888 nach Agbaladome in
Nodschie, nördlich von Togo, vor (Pet. geogr. Mitt. 1888, 233—236,
Taf. 14). Uebrigens haben die Lyoner Katholiken von ihrer
Station Ague, dicht an der Ostgrenze des deutschen Togogebietes,
aus 1886 durch den Franzosen Baudin zu Atakpame nahe der
Quelle des Amutsu eine Nebenstation gegründet. (Schon 1865 war
der Bremer Missionar Ch. Hornberger nach Atakpame vorgedruugen.)
Im Kamerungebiet begannen vor kurzem die Baseler Missio-
nare ihre Arbeit, wo bis dahin englische Baptisten gewirkt hatten.
Vorbereitend 1845 und thatsächlieb 1850 zog der ungemein begabte,
frühere Maschinenbauer Alfred Saker von der Clarence-Station auf
der Insel Fernando Po nach dem gegenüberliegenden Festland, wo
eine Negerbevölkerung wohnte, welche durch den dreihundertjährigen
Verkehr mit oft gewissenlosen Europäern nicht gebessert war. Beim
Könige Aqua, einem Grossvater des heutigen gleichen Namens, liess
er sich nieder, begann geduldig, aus den Eingeborenen Arbeiter
') Ihr Missionsinspektor F. M. Zahu schreibt beim Ueberblick auf die
50jährige Arbeit: „Die Kaufleute, die Staatsmänner aller Nationen, auch unseres
deutschen Volkes, sind nach Westafrika gegangen. Llie ersten erworbenen deutschen
Kolonien liegen irn verrufenen Westafrika, die eine in unserer Nähe, so dass wir
nur stark genug geworden zu sein brauchen, um auch in ihr das Missionswerk zu
treiben“. Allg. Missions-Ztschr. 1886, 417.
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
29
heranzubilden, lehrte nach vielen vergeblichen Versuchen die Neger
mancherlei Handwerk, u. a. auch die für die Oelversendung so wich-
tige Böttcherei und für s Bauen die Ziegelbrennerei. Unter grofser
Entbehrung lebte Saker mit seiner Frau oft nicht besser als die
Neger; trotz schwerer Erkrankung seiner Gattin und des Kindes,
trotz blutigen Thronstreites beim Ableben Aqua’s, trotz der Angst
vor Hexerei seitens der Dualla arbeitete er vorwärts, erlernte die
Duallasprache, ihre Worte erlauschend und mühsam sammelnd,
ordneud. Auch verfafste er eine kleine Sprachlehre, ein Wörterbuch
und begann die Bibel zu übersetzen. Erstaunen ergriff die Be-
wohner, als eines Tages der weisse Lehrer in ihrer Sprache zu ihnen
redete und so die grosse Scheidewand der Sprache zwischen ihnen
und Saker niedersank. Er war Zimmermann, Schmied, Maurer,
Ziegler zugleich; anfangs wussten die Neger mit den einfachsten
Geräthen nichts auzufangen, aber einige junge Burschen lernten den
Gebrauch, sodass neben dem bescheidenen Wohnhaus auch eine kleine
Kapelle fertig gestellt wurde. Landwirthschaftliche Werkzeuge, wie
Hacken, Spaten, eine bessere Bodenbearbeitung wurden von Saker
eingeführt und durch reichlichere Ernten einem sonst oft drückenden
Nahrungsmangel vorgebeugt. Auch sind die jetzt in dortiger Gegend
üppig wachsenden Mangobäume von diesem Missionar ins Land ge-
bracht; aber auch noch etwas Werthvolleros: Buchstaben und eine
Druckerpresse. Er goss aus alten Schriftformen neue, war Ueber-
setzer, Buchdrucker, Setzer, Binder in einer Person, hierin später
von seiner Tochter unterstützt, und im November 1859 verliess der
Psalter in der Duallasprache die Buchdruckerei, bald darauf ein
kleines Gesangbuch und 1861 das Neue, 1872 das Alte Testament;
beides allerdings in etwas übereilter Schnelle übersetzt, ohne dass
Saker die Duallasprache völlig überwältigt hätte. Das Neue Testa-
ment erschien 1872 vom alten Missionar verbessert und seiner
Tochter herausgegebeu zum zweiten Mal. Natürlich war mit der
Aufrichtung einer Druckerei die Errichtung einer Schule eng ver-
bunden.
Wie belohnte ihn der Negerstamm, seine Gemeinde? Nun zu-
nächst bitterlich schlecht, anfangs mit Gleichgültigkeit, darauf, als
einige bekehrt und getauft waren, mit Spott und Verfolgung, ver-
suchter Brandstiftung und, Gottlob! vereitelter Vergiftung. Trotz
alledem harrte Saker aus und zwar volle 33 Jahre, welche nur durch
uothwendige Erholungsreisen nach England unterbrochen waren, da
er oft unter dem Klimafieber zu leiden hatte. — An der anderen
s
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten-
Seite des Kamerunästuariums, jenseits des Mangrovesurapfes, int
Isubu-Land. entstand die König-Williams-Stadt oder Bimbia, welche
aber keine grosse Bedeutung erlangte. In John Aqua-Stadt,
etwas nördlicher «als die erste Station, arbeitete der farbige Missionar
Füller aus Jamaika, verlegte aber 1869 seine Thätigkeit auf das
gegenüberliegende Hickory (Ekre) oder Mortonville. ln Bellstadt,
unterhalb König Aqua-Stadt und dessen Kapelle Bethel, musste
Saker's Schwiegersohn Q. W. Thomson schon wegen der Eifersucht
Königs Bell 1866 die Arbeit beginnen, und auch andere Aussen-
plätze, durch Hülfsarbeiter errichtet, entstanden: so Dido- Stadt,
Malimba, Batanga und bei Hickory auf der Insel Dschibari und
etwas nördlicher in Dibombari.
Als die Ansiedelung Clarence auf Fernando Po, später von den
Spaniern, welche ihre alten Ansprüche 1844 auf diese Insel plötzlich
wieder geltend machten, S. Isabella genannt, 1858 durch ein spa-
nisches Kriegsschiff besucht und von Jesuiten besetzt wurde, erfolgte
ein Verbot des evangelischen Gottesdienstes, so dass Saker trotz
mündlicher und schriftlicher Gegenvorstellung sich nach einem an-
deren Platze umsehen musste. Er wählte an der gegenüber liegendeu
Ambas-Bucht einen Ort, welchen er Victoria nannte, nachdem er
ihn dem König William zu Bimbia abgekauft hatte, ln Folge langer
diplomatischer Verhandlungen bezahlte Spanien für diese Vertreibung
aus Clarence 30000 M. aus. Da aber die englische Regierung zur
Uebersiedelung der Gemeiudcglieder von Clarence nach Victoria ein
Kriegsschiff leider nur mit vierstündiger Einpackzeit zur Verfügung
stellte und als durch die Ankunft der Spanier auf Fernando Po
Geld ins Land kam, verliessen nur wenige Negerfamilien S. Isabella.
England hat auch nie amtlich die Schutzherrschaft über das Victoriage-
biet übernommen, so dass diese kleine Niederlassung durch eigene Kraft
emporstreben musste. Langsam ging's vorwärts; doch wurde Victoria
ein kleiner Zufluchtsort für die aus den benachbarten Stämmen,
z. B. den Bakwiri, vertriebenen Leute und als der später so berühmt
gewordene Comber als Missionar sich hier niederliess, kam mancher
her, um auch leiblich durch dessen Arzueikunde Genesuug zu suchen.
Wie neuerdings auch erfahrene Afrikareisende das Aufblühen
des Kamerungebietes nicht von den verdorbenen Küstenbewohnern,
sondern mit Uebergehung dieser Zwischenhändler durch Heran-
ziehung der Inlandstämme erwarten, so wandten sich die Baptisten-
missionare trotz vieler Eifersüchteleien der Küsteustärame dem
Inland zu. Vor allem that dies Thomson, indem er, nicht
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
31
den Wasserläufen folgend, ins Hochland ging uud etwas nördlich
von Victoria in Bondschongo eine Missionsstation gründete. Die
dem Dnalla ziemlich unähnliche, mehr dem Isubu verwandte Bakwiri-
Sprache machte viel Not; doch konnte auch der Aussenplatz Ma-
pandscha besetzt werden.
T. J. Comber machte 1877 wichtige Entdeckungsreisen land-
einwärts (nachdem vorher Thomson östlich zu dem Bakundustamm
vorgedrungen war), entdeckte den Balombi ba kotta (oder Richards-
See) und andere wichtige Punkte und die Folge war die Gründung
der Station Bakundu ba Namwili nahe dem Mungo-Fluss.
Als aber die Kongo-Missiou viele Kräfte beanspruchte und
Deutschland im Kamerunland die Herrschaft übernahm, gingen einige
der Baptistenmissionare von hier nach dem Kongo, uud trotz der
nicht sehr erfreulichen Berichte wurde die Missionsgesellschaft
zu Basel von verschiedenen Seiten, 1884 auch von der Bremer
Missionsconferenz, gebeten, ihre Arbeit von der Goldküste nach
Kamerun auszudehnen. Die Baseler Mission in Westafrika hat schon
manche schöne Anerkennung seitens verschiedener Afrikareisender
erhalten; Professor Dr. Buchholz lobte die Station Aburi (Ausland
1880, 167) und Zöller meint: sie habe ausserordentlich Tüchtiges
geleistet .... erziehe die Eingeborenen uicht blos zu den äusseren
Formen der Religion, sondern auch zur Demuth und vor allem zur
Arbeit. Aus den Handwerkerschulen dieser Mission seien fast alle
jene Schmiede, Schreiner, Küfer u. s. w. hervorgegangen, die man
heutigen Tages an der westafrikanischen Küste vorfindet (Strass-
burger Post, erwähnt im Basel. Miss. Magaz. 1885, 420; vgl. auch
J. Baumgarten: Die aussereuropäischen Völker 1885, S. 114). Vor
der Uebernahme der Kamerunmission fragte Basel bei den englischen
Baptisten an, warum diese jenes Arbeitsfeld aufgeben wollten. Da
die Antwort deutlich und befriedigend erfolgte und auch verschiedene
Missionsconferenzen in Strassburg, Karlsruhe, Stuttgart und Bern
entschieden mit da! vorgingen, glaubte man in Basel die Sache nicht
ablehnen zu können. Schon geraume Zeit vorher hatte eine römisch-
katholische Mission in Paris auf ihre Anfrage beim Auswärtigen
Amt des Deutschen Reiches um die Erlanbniss, sich im Kameruu-
gebiet niederzulassen, wegen des französischen Charakters der Mission
und weil sie einem in Deutschland verbotenen Orden angehörte, ab-
schlägige Antwort erhalten. Am 1. Juni 1886 wandte sich die
Baseler Missionsgesellschaft ans Kaiserliche Deutsche Auswärtige
Amt und schon am 12. Juni traf zustimmeuder Bescheid aus Berliu
32
I>ie Mission in den deutschen Schutzgebieten.
ein. Nun begannen die näheren abschliessenden Verhandlungen mit
der Baptisten - Missionsgesellschaft in London , welche zum End-
ergebnis hatten: Die baptistische Missionsgesellschaft tritt ihre
Missionsgebäude am Kamerun und in Victoria nebst den Aussen-
stationen für 2000 £ = 40 00» i und das Victorialand um andere
2000 £ an die Baseler Mission ab. Ein deutscher Privatmann galt
1000 £ = 20000 <,>H und ward Miteigentümer des Victorialandes
während ein deutscher Missionsfreund einen sehr bedeutenden Bei-
trag zur weiteren Deckung der Kosten gab, so dass Basel 26000 £
(52000 „#) für die Gebäude und das Land zusammen ausgab. Es
war nicht anders möglich, als dass das sehr grosse Victorialand mit
übernommen werden musste. Als alles geordnet war, 1 ) trat Ende
März 1887 die englische Baptistenmission die Ambas-Bucht mit
der Victoria-Niederlassung förmlich an Basel und die deutschen
Behörden in Kamerun ab, während England bis dahin laut Vertrag
vom 7. Mai 1885 das Gebiet noch znrückbehalten hatte, bis obige
Verständigung erfolgt wäre. Drei junge Missionare, Becher, Bizer
und Dilger, nebst dem älteren Münz und dem erfahrenen Oekonomie-
vcrwalter Leuze, fuhren 1886 nach Kamerun ab. Am 23. December
1886 zu Bethel bei Aqua-Stadt augekommeu, starb Fr. Becher
schon vier Tage später und Chr. Dilger am 26. Mai 1888. Bei
den Eingeborenen fanden die Baseler freundliche Aufnahme, aber
mit dem Schulbesuch und Unterricht, sowie der Gemeindezucht sah
es nicht gut aus; ja es ist ollen zu bekennen, dass auch die sitt-
lichen Zustände und die religiöse Erkenntniss beklagenswerth waren.
Die Hauptgemeinde Bethel sagte sich von Basel los, so dass etwa
nur 176 Christen auf den treu gebliebenen Missiousplätzen über-
blieben, darunter 46 in Victoria. Nicht Lehrstreitigkeiten über die
Taufe, wie man von einer Baptisten-Gemeinde erwarten konnte,
nicht die Ueberführung aus der englisch-baptistischeu in die deutsch-
evangelische Kirchenform machten grosse Schwierigkeiten, sondern
die mangelnde Kirchenzucht in den dortigen Gemeinden, welche
leider in den letzten Jahren nur von schwarzen Missionaren, z. B.
Füller, bedient worden waren. Branntweinhandel war erlaubt und
Saker’s Bemühungen um den Ackerbau sind vergessen. Um so
ernster, nüchterner, kräftiger werden die Baseler au die schwere
') Da aber das Besitzrecht der Baptisten an dem Grundbesitz bei Victoria,
den sie um theures Geld an die Baseler Mission verkauft haben, nicht genau nach-
weisbar ist, wird der Kaufpreis vorerst nicht ausbezahlt. (Baseler Miss. Mg
1888 , 220 .)
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 33
Arbeit gehen, möge Deutschland diese neue deutsche Mission nicht
vergessen, mögen bald durch deutsche Kolonial- und Missionsarbeit
aufgebaute und geförderte Niederlassungen am schönen Kamerun-
gebirge und dem dortigen Flusse entstehen. Auch hier geht’s durch
Nacht zum Licht.
Im Na mal and, nördlich vom Oranjetluss, gründete der deutsche,
aber im Dienste der Londoner Missionsgesellschaft stehende Schme-
len, Jänicke’s Schüler, 1814 nach einer beschwerlichen Reise die
Niederlassung Bethanien bei einer lauwarmen, guten Quelle und
in einer verhältnissmässig anmuthigen Gegend am Goangib-Fluss.
Hier lebte er, ein Hottentott den Hottentotten geworden, verheirathet
mit einem bekehrten Hottentottenmädchen, in einem elenden Matten-
haus wohnend, mit einem Fellkleid angethan, gleich den umwohnenden
Heiden, aber auch mit Erfolg gesegnet. Doch eine längere Abwesen-
heit des Missionars wurde von den mit ihm hergezogenen Orlam
zur Unterdrückung der Nama benutzt und unser Schmelen musste
nach zehnjährigem Werk, schöner Ernte, aber doch auch schmerz-
lichen Enttäuschungen gen Komaggas, südlich vom Oranje, ziehen,
wo er Theile des Neuen Testamentes in die schwere Namasprache
übersetzte und 1848 starb. — Unterdess hatten die Londoner ihre
Mission im Namaland an die Rheinische oder Barmer Missions-
gesellschaft abgegeben, welche mit frischen Kräften ins Feld zog.
Am 1. November 1842 traf der neue Barmer Sendbote Knudsen,
von Geburt ein Norweger, auf Bethanien ein uud richtete das zer-
fallene Schmelen'sche Wohnhaus wieder her: ein neues Leben be-
gann, wie wenn nach langerDürre das Namaland durch erquickenden Re-
gen plötzlich wunderbar schönen Blumenschmuck undGrün hervorbringt.
Knudsen's Thatkraft und Eifer wirkte segensreich und seine Predigt
gefiel. An Stelle eines minderjährigen Häuptlingkindes konnte er
dessen Verwandten, seinen Täufling David Christian als Herrscher
einsetzen: eine grofse Erweckung folgte, viele Erwachsene erhielten
die Taufe: aber nach echtem unstätem Namnsinn ging das Blühen
bald vorüber; es erfolgte ein Verwelken, ohne Frucht zu hinterlassen,
und Knudsen erlebte manche bittere Erfahrung. Oestlich von Be-
thanien am Grossen FischHuss wohnte ein aus dem Süden herauf-
gezogener Orlamstamm des Paul Goliath, dessen Lehrer der alte
Presbyter und Schmelen’s Schüler, Christoph Tibot, war. Im Jahre
1843 kam Knudsen hierher und nannte, erfreut über die Gemeinde
unter ihrem eingeborenen Leiter, diesen Platz mit den 300 Getauften
nach einem norwegischen Gebirgsthal Gulbrandsdalen. Als aber
Jahrbach für Deutsche Kolonialpolitik 3
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84 Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
Knudsen nordwärts bis nach Rehoboth den zerstreuten Gliedern seiner
Bethanisehen Gemeinde nachgewaudert war und dann in der Kap-
stadt Herbst 1846 ein Naina-Lesebueh und das Evangelium Lucae
hatte drucken lassen, fand er, zurückgekehrt, in Bethanien grosse
Oede und Dürre, geistige und wirkliche, vor, folgte deshalb einem
Rufe nach Europa, von wo er 1849 mit einer Norwegerin verheirathet
zurückkehrte. In die neuen Verhältnisse lebte er sich nicht wieder
ein, der Häuptling begann Streit, die Gemeinde verweigerte die
Kirchenzucht und am 11. Februar 1851 kehrte dieser begabte Nor-
weger in sein nordisches Vaterland auf immer zurück. Während
dessen war 1848 von Ebenezer im Kapland aus Samuel Hahn,
unterwegs einem Wassermangel fast erliegend, nach Bethanien ge-
zogen und versuchte nach erfolgtem reichlichen Regen den Landbau,
um die herumziehenden Nama sesshaft zu machen und eine Hungers-
noth zu verhindern. Am Fusse des Berges Grootbroekkaros setzte
er unter dem Staunen der Nama einen Pflug in die Erde, desgleichen
bei Ous (Aus) westlich von Bethanien; aber Frost und Hitze ver-
darben die Saat und die Unachtsamkeit der Leute liess die reife
Ernte an dem anderen Orte urnkommeu. Samuel Hahn arbeitete auch
in Guldbrandsdalen oft über seine Kräfte, konnte hier auch 80 Er-
wachsene taufen und erlebte viel mehr Freude als in Bethanien.
Denn da gab’s Kummer und Verdruss; weisse Handelsleute hetzten die
Eingeborenen gegen die Missionare auf, Krankheit in der Familie und
eigene Schwäche lasteten auf Hahn, welcher an allen Gliedern gelähmt
Knudsen scheiden, Branntwein und Schiesspulver in Bethanien ein-
ziehen, dabei Orlam und Nama oft im Streite mit einander sah.
Langsam genesen zog Hahn nach Guldbrandsdalen, verlegte aber
von hier den Sitz dieser Gemeinde nach dem Grootbroekkaros-Berg,
weil es hier besser war und nannte diese neue Niederlassung Ber-
saba. Der Häuptling Paul Goliath folgte, mehr von der Gnade
des Oberhäuptlings Kornelis Oasib (vom rotheu Volk) als auf freiem
Besitze lebend. Denn Bersaba war den umwohnenden Heiden ein
Dorn im Auge, ein ärgerliches Licht für ihre Finsterniss und selbst
der christliche Paul Goliath, sowie der alte treue Presbyter Tibot
erlagen fast der Versuchung, gleich den heidnischen Häuptlingen
nordwärts zu ziehen, um die schönen Rinder des Damra zu stehlen.
Mit Mühe hielt Samuel Hahn solcherlei Lockungen zurück und war
froh, im August 1851 durch den Missionar Krönlein einen fleissigeu
treuen Mitarbeiter und Nachfolger zu erhalten. Bis zum Mai 1852
blieb er mit diesem zusammen auf Bersaba, half ihm sich eiuzu-
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 35
richten, das Wohnhaus fertig zu bauen; dann verliess er das Ar-
beitsfeld. Krönlein machte sich alsbald an die Erlernung der Nama-
sprache, wozu er allerdings, abgesehen von Knudsen’s Lucasüber-
setznng, kein anderes Üülfsmittel hatte, konnte aber allmählich den
kleinen Katechismus, verschiedene biblische Geschichten und andere
Schulbücher verfertigen. Mit der Schule ging es vorwärts, schwerer
mit den Alten, welche nur allzu ungern ihre heidnischen Unsitten
fahren liessen. Leider starb der aus Deutschland neu angekommene
Matth. Gorth den ö. Januar 1853 am Fieber nach kaum viertel-
jähriger Arbeit zn Koais (etwas nördlich von Bethanien), wo ihm
der Häuptling David Christian nach anfänglicher Unschlüssigkeit
dennoch als dem Missionar Bethaniens die Hand gereicht hatte. Für
Gorth kam Krefft nach Bethanien, wo er bis 1878 thätig war.
Anfangs entstanden viele Schwierigkeiten; die meisten Bethanier
wareu ausserhalb der Station und wollten nicht nach dem Kirch-
platze ziehen; doch als 1855 reichlicher Kegen das Land labte und
die Wüste wunderbar schön prangte, zog eine Familie nach der
andern und endlich der Häuptling selbst gen Bethanien und Krefft's
Schule begann sich zu füllen. Am 26. Juni 1859 konnte die neue
Kirche eingeweiht und das heilige Abendmahl mit 108 Gemeinde-
mitgliedern gefeiert werden; 1862 begann die Gemeinde sogar
Missionsbeiträge zu sammeln, aber in demselben Jahre erschienen
vier böse Feinde: eine Masernepidemie, ein Landeslieber, Viehhunger-
seuche und der letzte der schlechteste: Branntwein. Kupfersuchende
Kapstadtbewohner verhandelten mit Kapitän David Christian und
brachten ihn durch überreichlichen Branntweingenuss dem Tode
nahe. Erst als 1867 der Is’ama-Damara- Kampf viel Unruhe durchs
ganze Land verursachte, kam der Häuptling und der von ihm
verführte Theil seines Volkes zur Besinnung, er näherte sich
dem Missionar und suchte mit den nächsten Stämmen Frieden zu
machen.
ln Bersaba war der aus der Kapstadt mit seiner jungen Frau
1853 heimgekehrte Krönlein mit herzlicher Freude empfangen wor-
den; Gottesdienst und Schule begann von neuem, und als im Juni
die Weide zu gering wurde und der Wandertrieb wieder die Nama
ergriff, versuchte er durch Ackerbau und Gärtnerei die Leute fest-
zuhalten. Er pflanzte Feigenbäume, Datteln und Mandeln und einige
der Gemeindeglieder folgten wirklich dem Missionar, begannen den
Boden nmzuptlügen, zn verbessern, Gärten zu graben, zu beptlanzen,
um auch gleich dem Lehrer so schöne Melonen, Kürbisse und Früchte
3*
y
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
za erhalteu. Auch geistig wurde gesäet und gearbeitet; der Pres-
byter Tibot und Häuptling Paul Goliath nebst eiuigen anderen
Aeltesten blieben treue Mithelfer des Glaubens. Ja. David Christian
von Bethanien und Paul Goliath von Bersaba schlossen ein Scliutz-
und Trutzbündniss, um in den schweren kommenden Kriegsjahren
einen Zufluchtsort und Rettungsplatz auf beiden befreundeten, auch
kirchlich eng verbundenen Stationen zu erhalten. Am Pfingstfest
1857 wurde in Bersaba die neuerbaute Kirche eingeweiht und neue
Erweiterungspläne der Arbeit konnten von Krönlein ins Auge gefasst
werden, umsomehr da er durch neu angekommene Gehülfen wie
Eggert, Weber, Knauer, Schröder, Dubiel und Olpp nacheinander
unterstützt wurde. Der alte Orlamhäuptling Kido Witbooi. einst in
Pella nahe dem Oraugestrom, nun nördlich von Bersaba wohuend,
hatte manchen Besuch der Bersabaer Missionare erhalten und wünschte
nun. nach langem Sträuben endlich anderen Sinues geworden, die
Gründung einer eigenen Niederlassung. Zum Weihnachtsfest 1863
zog Knauer zu ihm. hielt in der kleinen Buschkirche Gottesdienst
und gründete hier in Kachazus die neue Station Gibeon; er legte
selbst einen Damm beim Quell zur Wassersammlung an und siedelte
Ostern 1863 ganz auf den neuen Platz über, wo er seine Schule
gleich mit 106 Kindern beginnen konnte. Aber Feindschaft erwuchs
in dem Häuptlingssohn und Heidenfreund Klein Kido und 1864 ver-
heerten die Pocken den Ort; dazu kamen Angriffe der nördlichen
Namastämme, welche eines Tages von 40 Gibeoniten tapfer fern ge-
halten wurden, aber später die Niederlassung sowie das Missionshaus
plünderten und Alles verwüsteten. Schlimmer noch wurde es im
September 1866, als Knauer für mehrere Wochen abwesend war:
scheussliche Greueltbateu geschahen und der zurückgekehrte Missio-
nar fand am 2. Oktober eine niedergebrannte Station vor, das Ge-
treide niedergetreteu, alle Sachen, selbst seine Handschriften, frevent-
lich unbrauchbar gemacht. Mit Mühe konnten Knauer und der Häupt-
ling Witbooi dem Feinde nachsetzen und einige Hundert Hornvieh,
Kleinvieh, paar Wagen mit Gütern beladen abjagen, fortgeschleppte
Weiber und Kinder befreien. Gibeon und seine Gemeinde war zer-
stört, versprengt, verwildert, das Vertrauen der Leute und ihre Liebe
zum Missionar geschwunden. Etwas besser wurde es 1868, als der
Glaubensbote Olpp anlangte, den greisen Kapitän als David Witbooi
taufte und die Gemeinde aufs neue sich sammelte, Kirche und Schule
besuchte und Gibeon von neuem anfbaute.
Im Jahre 1866 gründete Missionar Johann Schröder die zweite
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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Namastation, etwa zwölf Meilen südwestlich von Bersaba, unter dem
Zeibstamme zu Zwart Morast, nach dem Kommerzienrath Keetmann,
Präsidenten der Rheinischen Missionsgesellschaft, Keetmannshoop
genannt, um damit ein 1850 gegebenes Versprechen Barmen’s ein-
zulösen. Der Groll des hiermit anfangs unzufriedenen Kapitäns Zeib
ward besiegt, ja der Häuptling half später selbst beim Kirchbau;
das Gotteshaus konnte am 18. Juli 1869 eingeweiht werden. Oeffent-
lieh bekannte Zeib vor der Festgemeinde den ihm und den Seinen
durch die Mission bereiteten Segen und forderte sie auf, Gottes
Wort sich anzuschliessen und treu zu bleiben. Die Zahl der Ge-
tauften zu Ketmannshoop war 300, welche allerdings nach Schrö-
ders Abberufung 1871 abnahm. Im Jahre 1874 musste Krönlein
nach schwerer Krankheit und 28 jähriger Amtsführung zurücktreten
und nicht vergeblich war seine Arbeit gewesen. Seine Nama-Ueber-
setzung des Neuen Testamentes wurde auf Kosten der Britischen
Bibelgesellschaft in Deutschland gedruckt ; sein Amt als Vorsitzender
der Missionar-Konferenz war segensreich, seine Friedensliebe zeigte
sich in Vermittelungen zwischen den Häuptlingen der andern drei
Stationen und dem von Gibeon; er leitete die üebernahine der
einzigen wesleyanisehen Nama-Station Warmbad, um so alle Nama-
Orte der Rheinischen Mission einheitlich zuzutheilen. Dieser Platz,
etwas nördlich vom Oranje gelegen, war anfangs Station der Lon-
doner gewesen, ging ein, wurde aber 1834 auf Anregung des eng-
lischen Beamten Nisbett von den Methodisten wieder aufgerichtet
und Nisbett Bath genannt.
Weniger erfreulich ist der Blick auf vier eingerichtete, aber
bald wieder aufgegebene Missionsstationen, welche nördlich von Gross-
Namaland lagen. Im waldbewachsenen Thale von Windhoek wurde
am 6. Oktober 1842 Missionar Kleinschmidt von Jouker Afrikaner,
dem nordwärts vorgedrungenen Orlamführer, bewillkommnet und auf-
genommen. Bald kam der Sendbote Hugo Hahn aus Bethanien
nach und so entstand hier die Station Elberfeld. Anfangs ging's
gut; der christliche Häuptling sorgte für Ordnung und hielt Zucht ;
aber 1844 kamen andere Glieder des Geschlechtes Afrikaner, Jun-
kers Verwandte, und brachten aus dem damals noch wesleyanisehen
Warmbad den Methodisten Haddy hierher und versprachen, sich mit
Jonker gegen die feindlichen halbunterjochten Herero zu verbinden.
Etwas südöstlich hatten schon um diese Zeit die Wesleyaner Tindall
und Haddy versucht, auf Nausannabis, von ihnen Wesleyvale ge-
nannt, eine Mission zu errichten, welche aber nur wenige Jahre
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Me Mission in ileu deutschen Schutzgebieten.
bestand. Die Rheinischen Sendboten sahen in diesem entstehenden
Rangstreit die Wurzeln neuer Verwickelungen und verliessen Wind-
hoek, welches nun von deu Methodisten Con cordiaville geuannt
wurde. Um diese Zeit zog Hugo Hahn, erst mit Kleinschmidt und
dann allein nordwärts ins Herero- (oder Damara-) Land. Kleinschmidt
aber ging zum Kamahäuptling Willem Zwartbooi. einem Schüler
Si-hmelcn's, und gründete, unterstützt von dessen durch Schmelen
getauften Frau Anatje und dem Bruder Kobus bei den heissen Quellen
Annis am 11. Mai 1845 die Station Rehoboth. so geheissen nach
Isaaks Brunnen (1. Moses 26. 22). Des Häuptlings Bruder Kobus
und Vater Manasse wurden getauft, bald darauf viele andere Kama,
1847 der alte Capitän Willem Zwartbooi selbst, und zu Pfingsten
desselben Jahres konnte die Kirche eingeweiht werden. Bald darauf
aber brach das Landesfieber verheerend aus; auch Kleinschmidt er-
krankte schwer; genesen und 1848 durch den Mithelfer Vollmer
unterstützt, sah er schweres Kriegs- und Sündenunheil herannahen.
Oasib, welcher sich für den Oberhäuptling der Kama hielt, Zwart-
booi, Amraal. Jonker — alle verfeindet: für kurze Zeit konnte der
Engländer Galton Frieden stiften. Eine zweijährige Dürre zerstreute
Rehoboth's Bewohner, Kirche und Schule wurden leer und Klein-
schmidt musste mit seiner Familie nach der Kapstadt. Gewissenlose
Händler, der Ankauf von verderblichem Branntwein, Pulver, leicht
wieder zerrissene Kleider hatten die Kama arm gemacht und 1853
fand Kleinschmidt bei seiner Rückkehr traurige Zustände vor. Die
Gemeindemitglieder waren Räuber geworden, hatten ins Damaraland
wiederholt Einfälle gemacht und selbst Kobus, des Häuptlings Bru-
der, in der Taufe Johannes genannt, nahm nebst manchem Aeltesten
hieran Theil. Willem selbst ergab sich dem Trunk, legte dicht bei
der Kirche eine Branntweinbrennerei an und war nicht mehr die
Stütze des Missionars. Weisse Kupfergräber säeteu Zwietracht, aber
noch hielt eine kleine gläubige Schaar, darunter viele Frauen, Stand:
ja 1857 hob sich die Schule, das neu erbaute Kirchlein konnte ge-
weiht, 1862 ein schönes Pfingstfest gefeiert werden. Doch das Jahr
1864 brachte neue Unruhe; es kam zwischen den Kama und Damara
zu einem Gefechte, wobei die Rehobothiter deu Stammesgenossen
nicht beistanden, und als die Kamahäuptlinge aufs neue heranzogeu.
verliess Zwartbooi mit allen Leuten Rehoboth, und Kleinschmidt,
welcher gerade seine 25jährige Amtsführung feierte und nach
19jährigem Wirken diese Station ungern verliess, zog mit. Jan
Jonker und Hendrik Zes überfieleu die Abrückenden. Kleinschmidt
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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tl iichtete und kam todtmüde, gebrochenen Herzens bei Hugo Hahn
in der Hererostation Otjimbingue an, in dessen Armen er am
2. September 1864 starb.
Aehnlich erging’« mit der von Vollmer 1853 errichteten Station
Hoatchanas, südöstlich von Rehoboth, unter dem Rothen Volk des
Häuptlings Oasib. Wohl ging Vollmer rüstig an’s Werk, pflanzte Gärten
an, baute Häuser und Wasserleitungen, erlernte die Namasprache.
richtete die Schule ein und vollendete im September 1862 das
Kirchlein. Als er aber 1866 von einer Kapreise heimgekehrt Hoat-
chanas wieder erblickte, war es öde und verwüstet. Der liederliche,
wankelmfithige Häuptling Oasib, bald christlich, bald heidnisch ge-
sinnt, zwang den Missionar, mit ihm auf den Raubzügen auszugehen.
Als sie aber mitten unter Feinde geriethen, floh Oasib, und Vollmer
sah sich von Feinden, aber auch von Getauften, umgeben, von wel-
chen er gepflegt am 3. Februar 1867 starb nnd in einsamer Wüste
begraben ward.
Den Gottesdienst in Hoatchanas hatte auch Amraal, der beste
unter den Häuptlingen,, öfters besucht, als 1850 die Wesleyaner
seinen Wohnort Nausannabis oder Wesleyvale verlassen hatten. Nun
bat er um einen rheinischen Missionar und erhielt Eggert, welcher
von Wesleyvale nach dem nördlich und besser gelegenen hügeligen
hübschen Platz Olifant Fontain oder Gobabis zog und hier eine
Station gründete. Zu diesen guten Jagdgründen an den drei Quellen
kamen eingeborene und europäische Jäger zusammen, um Löwen,
Rhinozerosse, Elephanten, Gnus und Antilopen zu schiessen. 1863
wurde eine die Buschkirche ersetzende neue eingeweiht und eine
grosse Versammlung sämmtlicher Nama-Missionare gehalten, um be-
sonders die Uebersetzungsarbeiten zu berathen. Wohl gedieh im
Missiousgarten Korn und Gemüse, aber einer Pockenkrankheit er-
lagen 130 Leute, darunter der treue, alte, ehrwürdige Häuptling
Amraal. Das jüngere Geschlecht, verstärkt durch die Heidenpartei
ans dem nahen Witvley, liebte Raub und Mord, aber nicht Gottes
Wort. Bald erhoben sich die Damara (Herero) gegen die Orlam, nur
mit Lebensgefahr entkam die Missionsfamilie sicherem Tode, Gobabis
aber verfiel dem Gericht und wurde 1865 als Station aufgegeben. ')
Noch schwereren Anfang hatte die Rheinische Mission im
Damara- oder Herero-Lande, dem grossen vom Namagebiet
') Leber die im englischen Walfischbay-Qebiet liegende Station Sehe pp -
manusdorf vgl. L. v. Kohden: Geschichte der Rheinischen Missionsgesellschaft.
1888. ID. Ausgabe. S. 216—221, 463 (Bannen).
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
nördlich gelegenen Wohnsitz des schwarzen, gleichfalls herumziehenden
Ovaherero- oder Damara-Volkes, welches bettelhaft, prahlerisch,
zänkisch, kindisch und andererseits stark, grausam, nicht unge-
schickt ist. Als die ersten rheinischen Missionare hierher zogeu,
wurden die Herero von den Nama geknechtet und unterjocht, so dass
es nicht Wunder nimmt, dass der Missionsanfang sehr schwer war.
Von Okahandja (Schmelen’s Verwachting) vertrieb die Dürre den
Hugo Hahn noch im selbigen Jahre 1844 nach Otjikango (Neu-
Baruien), wo Rath ihm 1845 zu Hülfe kam und 1847 in der neu
erbauten Kirche nach schwerer Erlernung und Spracharbeit die erste
Predigt in Otjiherero gehalten wurde. Für alle geistigen und be-
sonders geistlichen Begriffe mussten erst Ausdrücke gesucht, ohne
Buch, Lehrer, Anleitung musste der Sinn der fremden, halb ver-
schluckten Wörter mühsam ermittelt und gauz allmählich der Sprachbau
aufgefunden werden. Die Mühe der Missionare, ihre Anleitung zur
Gärtnerei, besserem Haushalt u. s. w., die Sorge für Seele und
Geist belohnten die Herero mit Stehlen und Rohheit. 1849 kam
Kolbe hinzu ; vermittelst einer kleinen Presse wurden die nothwen-
digsten übersetzten Lehrbücher gedruckt und 1849 konnte Rath das
weiter westlich gelegene Otjimbingue errichten, 1850 Kolbe Oka-
handja (Schmelenshoop-verwachting) aufs neue gründen. Aber jene
schon oben erwähnten Kämpfe zwischen den gelben hottentottiseken
Orlam und Nama und den schwarzen Herero oder Damara Hessen
nichts gedeihen. Die zuletzt genannte Station wurde von Jonker
bald wieder zerstört und als des Engländers Galton Ansehen und
Friedensversuch geschwunden war, auch eine furchtbare Augeu-
krankhcit 1852 die Missionare heimsnchte und bald darauf Rath
von einem Namaränberhaufen auf Otjimbingue überfallen wurde und
Sehöneberg das hart bedrängte Neu- Barmen verlassen musste, war
1853 kein Missionar mehr in Hereroland. Doch schon im folgenden
Jahre kehrte Rath nach Otjimbingue zurück und 1856 Hugo llahu
nach Neu-Barmeu; aber das Land wurde von Bruderkriegen durch-
wühlt und nordwärts dringende Nama, besonders Jonker, Hessen das
Schlimmste befürchten.
Erst nach 14 Jahren wurde ein Hereromädcheu. die erste Frucht
der Damaramission, von Hahn 1858 getauft. In diese Zeit auch
fallen die wichtigen Entdeckungsreisen ') der beiden Missionare Hugo
') Vgl. l’etermann, geographische Mitth. 1858: 42, 175. 185,349. 1859: 295
his 303. T»f. 11 106, 274. 1868: 259. Petermanu nannte llahu und Kath 1858,
42 »die unermüdlichen Pioniere geographischer Entdeckungsreisen“.
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Die Mission in den deutseben Schutzgebieten.
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Hahn und Rath ins Ovambo-Land bis zum KnneneHuss, welche auch
bei den Fachgelehrten verdiente Beachtung gefunden haben. Im Früh-
ling 1859 sah Rath auf der Rückreise von der Capstadt nach der
Walfischbay durch Schuld der Mannschaft das Schiff scheitern und
seine vier Kiuder nebst der Frau, eins nach dem andern, unter-
gehen. Nach Otjirnbingue zurückgekehrt, fand er die Eindring-
linge als Herren vor; so verliessen Rath und Hörnemann 1861 das
Hereroland, und die Mission war nach 17 jähriger, anscheinend
erfolgloser Arbeit aufgegeben.
In dieser Zwischenzeit hielt der Bastard Daniel Clöte aus
Klein-Naraaland die wenigen Hererochristen zusammen, und als der
wilde Jonker 1861 auf Schmelenshoop in Kleinsehmidt’s Gegenwart
gestorben war, atbmete Alles auf: aber statt des Löwen kamen
Hyänen, statt Eines nun viele Gewaltherrscher. Die Damara (Herero)
erhoben sich und siegten am 15. Juni 1863 bei Otjirnbingue, wunder-
bar wurde der Missionar Kleinschmidt, welcher von Rehoboth aus
diese Station mitverwaltete, beschützt. Nach der Besiegung der
Afrikaner fasste II. Hahn neue Hoffnung, kam am 9. Januar 1864
wieder ins Hereroland, übergab dem jungen Brineker Otjikango
(Neu-Barmen) und siedelte sich, sowie seine Kolonisten auf Otjim-
bingue an. Aus Deutschland waren nämlich verschiedene Hand-
werker mitgekommen, um die Herero durch allerlei Haudarbeit zum
geordneten Leben herauzubilden : Schmiede, Zimmerleute, Stellmacher.
Es entstand ein frisches Sein und Treiben in dem von Hahn ange-
kaufteu Gehöft des weggezogenen Kupferminenaufsehers Anderson;
der Oberhäuptling (Ka) Maharero baute selbst mit an seinem Hause,
Gärten wurden augelegt, die Schwarzen pflügten nnd säeten mit
Eifer und Lust: die rohen Sitten nahmen etwas ab und der Gottes-
dienst wurde auch von den Häuptlingen besser besucht. 1866 reiste
Hugo Hahn, einer Einladung des Königs Tjikongo folgend, wiederum
ins Ovambolaud, überliess aber dies neue grosse Werk den Finn-
ländern, welche noch heute dort missioniren. Die Einweihung der
neuen Kirche 1867, die Errichtung eines Eingebor- nen-Semiuares,
das Augustine um, waren neue Freuden, die Taufen mehrten sich
und in der Tagesschule waren etwa 60 Kinder. Aber die Nama
rächten sich an den freigewordenen Herero, überüelen im September
1865 Neu-Barmen, aber Jan Jonker hielt den bösen Hendrik Zes
noch zurück, die Missionsfamilie zu tödten und das Christenthum
ganz auszurotten. Schon sollte Neu-Barmeu aufgegeben werden, als
der östliche Hauptstamm der Damara, die Ovambandjeru, von Go-
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42 Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
babis hierherzogen, und Missionar Brinker unter ihnen mit Erfolg
arbeiten konnte. Aber neue Angriffe der Nama und Orlam 1868
entvölkerten wiederum Otjimbingue, bis die Herero (Dainara) den
Feinden eine bedeutende Niederlage befrachten und durch die Be-
mühungen der Missionare der Friede nach siebenjährigem Kriege zu
Stande kam.
In dieser Friedenszeit 1870 wurden von den Rheinischen neuere
Stationen im Hererolaud angelegt; so von Viehe in Okozondje am
Omarurn (nachdem schon 1867 Böhm die Rehobothiter nach Ameib
übergesiedelt hatte), von Diehl 1870 wiederum Sch melenshoop
(Okahandja), von Irle in Otjosazu östlich davon; 1874 waren
800 Herero getauft, im Norden kamen Otjozondjupa (Waterberg)
und im Osten Otjizeva als neue Stationen hinzu und bis 1886 ist
die Taufzahl auf über 2000 gestiegen. Allerdings kennen die Herero
kaum die Dankbarkeit, auch verschwinden bei so jungen, eben erst
aus dem tiefsten leiblichen und sittlichen Schmutz des Heideuthums
emporgehobenen Gemeinden iu der verführerischen Umgebuug der
heidnisch gebliebenen Volksgenossen die bösen Sitten, besonders
Diebstahl, Unzucht, Götzeuopferessen u. s. w. nicht mit einem Male.
Aber es geht vorwärts uud die Gemeindeältesten helfeu dabei treu-
lich mit, christliche Sitte einzuführen, festzuhalten und das Christen-
thum in die Umgegenden hinaus zu verbreiten. Die schmutzigen
und oft so grausamen Gebräuche der Herero bei Geburt, Hochzeit
und Begräbniss sind bei allen Getauften natürlich weggefallen, die
christlichen Hochzeiten verlaufen in anständiger, hübscher Weise,
und dem Leichnam wird das Rückgrat nicht mehr durchgehauen.
Auch werden die Gemeinden daran gewöhnt, für Bau und Erhaltung
von Kirche und Schule selbst zu sorgen, ebenso für den Unterhalt
der Lehrer und Ankauf der nöthigsten Schulbücher. Jeder Getaufte
kann lesen, hat sein Gesangbüchlein bei sich und nimmt es auf
weiteren Wanderungen mit, so der Kunde des Christenthums Vor-
schub leistend. Die schmutzige, schmierige, sonderbare Volkstracht
mit den Fellbesätzen und eselohrähulichen Hauben wird von den Ge-
tauften abgelegt. Es fehlt hier an Raum, auf die einzelnen Stationen
der Rheinischen Mission im Herero- (Damara-) Lande näher einzu-
gehen, doch sei noch erwähnt, dass der Sohn des Oberhäuptlings
Willem (Ka) Mabarero sich zu den Missionaren hält, überhaupt die
Kinder manche Alten zum Glauben heranziehen.
Auf Otjozoudjüba an dem merkwürdigen quellspendeuden
Waterberge wirkte von 1873 an Beiderbecke, welcher auch mit Sprach-
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Die Mission in den deutscheu Schutzgebieten.
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arbeiten, Uebersetzungen ins Otjiherero sich um die Einführung des
Uhristenthumes verdient, machte, 1880 aber wegen der heidnischen
Herero nnd deren Rohheit diesen nordöstlichsten Platz aufgeben musste.
Auf dem Wege von Otjizondjüba nach Okozondje nahe der letzteren
Station errichtete Dannert 1876 Ombüro, welches durch die Hilfe
des christlichen Häuptlings Salomo trefflich emporkam; leider aber
fiel dieser treue Christ im Nama-Hererokrieg 1880 (v. Rhoden a. a. 0.
S. 449—461). Die Erziehungsanstalt Augustineum zn Otjimbingue
besonders durch die Freigebigkeit der Fürstin zu Lippe durch H.
Hahn gegründet nnd erhalten, seit 1873 durch Büttner erweitert,
soll nun nach Okahandja verlegt werden, dem Königssitz des (Ka)
Maharero: um so mehr da dies bisherige Erziehungs-Gebäude gute
Verwerthung fand und vom deutschen Regierungscommissar auge-
kauft wurde. — Auch für die Bergdamra, früher vermuthlich Herren
des Landes, nun aber elende, unterjochte, verachtete, den Pavianen
gleich gerechnete Zerstreute im Damralande, ist christlich gesorgt
worden, bis sie durch Kriege und grausame Verfolgungen bald ganz
unterdrückt verschwinden. *)
Die früher von Rehoboth von dort 1864 mit ihrem Missionar
Kleinschmidt ins Damraland gezogenen Namahottentotten Zwartboois
wurden 1867 von Böhm zum Theil auf Ameib gesammelt und
christlich unterwiesen. Als aber 1880 der Nama-Hererokrieg nach
zehnjähriger Unterbrechung von neuem begann, stellten sich die
Zwartboois anf die Seite der gelben Nama und bekriegten die schwar-
zen Damara. Am 12. Dezember 1880 erhielten aber die Nama bei
Neu-Barmen eine schwere Niederlage, in welcher leider auch Wilhelm
(Ka) Maharero Hel: ebenso bei Okahandja am 23. November 1881
nnd erst Dr. Hugo Hahn, der alte Damaramissionar und später deutsche
Pastor in der Kapstadt wurde 1882 ins Hereroland geschickt und
vermittelte vorläufigen Frieden. Natürlich litten die Stationen
Ameib, Otjimbingue und Neu-Barmen (Otjikango) schwer genug unter
diesen Kämpfen, wenn auch die Missionare viele Werke der Bann-
herzigkeit thaten und selbst die heidnischen Herero sich enger an
die christlichen anschlossen, indem sie sagten: Wir haben erkannt,
dass der Sieg von Gott kommt, und wollen ihn darum mit
Euch bitten. Ueberhaupt zeigten die Getauften Muth, Entschlossen-
heit, Ueberlegung, gegen Gefangene Schonung, wenn auch der alte
') Heber den von (Ka) Maharero 1878—81 abgerissenen Versuch katholischer
Missionare, vgl. v. Rhoden a. a. O. S. 44(>. Ausland 1S82, 237. Miss. Zeitschrift
1882. 66 f.
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
Maharero sieb von den Gottesdiensten mehr ferner hielt und sieb
nur aus den Christen eine Art Leibwache bildete, das Predigen
duldete, ja die Missionare herbeirief.
Seit jenem Frieden 1882 kämpften die Herero und Bastards
von Rehoboth gemeinsam gegen Jan Jonker, aber seit Mitte 1884
erhob sich im Orlambäuptling Hendrik Witbooi von Gibeou ein
schlimmerer Feind. Er hielt sieb, aufgeregt durch einen muhamme-
daniseben Malaien, für einen von Gott berufenen Heiland des Volkes,
welcher den Herero den Frieden geben (d. h. aufzwingen!) solle;
eigentlich aber erstrebte er gegen Paul Vister die Oberherrschaft
übers Namaland, schaarte viele Anhänger und Raubgesindel um sich,
zwang die Missionare zu Gottesdiensten, erlitt wohl eine Nieder-
lage am 14. Oktober 1885 nahe bei Okahandja (Osona), blieb aber
mächtig und mit Jubel begriissten die Missionare in diesem Wirr-
warr die deutsche Schutzherrschaft über das Xama- und Damaraland.
Vor einem Jahre zeigte sich im Tsoachaubfluss Gold: wie nun dieser
Fund und wie die Machtenfaltung der deutschen Regierung im Damara-
laude sich erweisen wird, muss die Zukunft lehren: mit der Selbst-
ständigkeit des Herero scheint es angesichts der vordringendou
Weissen, wie auch in anderen südafrikanischen Landen, vorbei zu
sein. Die Rheinische Mission wird aber treu ihre Arbeit weiter
führen, möge sie darin von richtiger Seite Kräftigung erfahren, sie
hat dies verdient. Leber ihre Wirksamkeit hat Dr. Höpfner in
den „Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“
(wiedergegeben im Globus, Band 44, S. 383) sehr anerkennend also
geurtheilt: „Sie haben es verstanden durch nüchterne, selbstlose
Arbeit ihrer Culturaufgabe gerecht zu werden . . . seit Anfang der
sechziger Jahre hat das Christenthum Wurzel gefasst und sehou
scheint es. als ob der Widerstand des Heidenthums schwächer zu wer-
den anfäugt. Die Christen gewinnen im Volke mehr und mehr An-
sehen . . . Kulturfortschritte bedeutender Art sind garnicht zu ver-
kennen u. s. w.“
Zum Schluss noch ein rascher Ueberblick übers deutsche Xarna-
land. Die .Missionsstation Gibeon ist vorläufig aufgegeben, andere
wurden errichtet, so: Hoatchanas 1872 sammt der Xebenstation
Hatsamas; ein Fortschritt zum Besseren war bemerkbar, aber
durch Verarmung der Gemeinde, unsinnigen Einkauf von Kaffee,
Branntwein u. dgl. und bei dem wetterwendischen Sinn der Nama
wurde manches Gute erstickt. Das 1876 im Oktober durch Judt
wieder besetzte Gobabis zeigte mehr Hoffahrt, als Heilsverlangen;
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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gowissenlose Händler verführten das Volk durch Branntwein und
1881 musste dieser Ort nach dem Kriege wieder aufgegeben werden.
Rehoboth seit 1864 unbesetzt geblieben, wuchs 1871 durch heran-
gezogene Bastardstämme und sich hier 1875 ansiedelnde weisse
Händler aber auch an Branntweintrinkern. Doch hetheiligte es sieh
1878 freigebig an der 50 jährigen Festfeier der Rheinischen Mission.
Westlich von Gibeon ist 1878 Grootfontain durch Pabst gegrün-
det worden, hielt sich aber nur bis 1883: Pabst zog nach Warmbad
und 1885 an die Kalahari-Grenze, wo er zu Mier und Hass die
Missionsstation Rietfontain einrichtete. Windhoek, Jan Jonker’s
Sitz, verwaltete Schröder von 1871—1880. als auf (Ka) Maharero’s
Befehl das Nama-Morden anfing und Windhoek von Herero zerstört
wurde. Vergebens hatte 1876 der englische Commissar Palgrave auf
Rehoboth Ruhe und Verträge vermitteln wollen, im Kriegsjahr 1880
bis 1881 ging Alles wirr durcheinander. Nur in B ersah a und
Bethanien gedieh kirchliches Leben zusehends: auch Hoatchauas
wuchs, selbst Rehoboth, und die Zahl der Getauften im dünn be-
völkerten Namaland ist trotz der Kämpfe und Unruhen auf fast 4000
gestiegen. Vielleicht werden die Bewohner des nuu deutschen Nama-
landes dureh Deutsche und Buren zur Arbeit angeregt und zeigen
sich empfänglicher fürs Gotteswort als in der bisherigen wilden blu-
tigen Freiheit; Unstätigkeit, Leichtsinn und Trägheit bleiben schlimme
Feinde — doch das Christenthum hat schlimmere überwunden und
auch hier rettet die deutsche Mission den noch empfänglichen Rest
des gelben Namavolkes. —
Für das jetzige deutsche Ostafrika hatte schon 1844 die
englische kirchliche Missionsgesellschaft Sorge getragen und
den aus Abessinien vertriebenen deutschen Sendboten Job. Ludwig
Krapf (geb. am 11. Januar 1810 zu Derendingen bei Tübingen)
dorthin gesandt, welcher in Folge eines Sturmes nicht geradewegs
nach Sansibar, sondern 1844 den 3. Januar nach Momhas kam. Beim
Tanafluss voriibersegelud schrieb er in sein Tagebuch: »Wie schade
ist es doch, dass diese schönen Gegenden, die des Anbaues fähig
sind und Holz genug haben, so unbewohnt gelassen werden! Doch
die Zeit wird und muss kommen, wo der Strom der europäischen
Völkerwanderung auch nach Ostafrika sich wenden wird.“ Er sah
in diesem Fluss eine offene Thür fürs Evangelium und erhoffte Ko-
lonisation der Gegenden von einer ihr folgenden Mission. Vierzig
Jahre später wurde das Witu-Land am Tana deutsch! Krapfs Frau
und ihr Kind starben als Beute des Fiebers und doch schrieb Krapf
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
glaubensvoll an jenem Grabe nach London: „Sagen Sie unseren
Freunden, dass in einem einsamen Grabe an der ostafrikanischeu
Küste ein Glied Ihrer Mission ruht. Ein Zeichen ist dies, dass Sie
den Kampf mit diesem Welttheile begonnen haben, und da die Siege
über die Gräber vieler ihrer Glieder dahinführt, können Sie um so
mehr überzeugt sein: die Stunde naht, in welcher Sie berufen sind.
Afrika von der Ostküste aus zu bekehren.“ Dreissig Jahre später
wurde in nächster Nähe dieses Grabes die segensreiche Missions-
station Frere Town zum Schutze armer geretteter Sklaven angelegt.
In Joh. Rebmann, dem Württemberger Baseler Seminaristen, fand
1846 der einsame Missionar einen treuen Geholfen und 1849 ebenso
im Deutschen Ehrhardt; doch die kleine Niederlassung zu Rabbai
Mpia. Rebmann's bescheidene Wohnung im nahen Kisilntini, die
litterarischen Arbeiten, die Vollendung eines englisch-suaheli und
Kinika- Wörterbuches 1847, sowie einiger Schulbücher, der Ueber-
setzung des Kinika-Evangeliums St. Lucä, das treue Lehren u. s. w.
wurden für viele Jahre nicht belohnt. Die Wanika blieben ver-
schlossen und hart: nur ein Krüppel wurde getauft. Während Krapf
1854 sich wieder nach Abessinien wandte, blieb Rebmann allein:
aber KrapFs sprachliche Arbeiten wirkten auch noch von hier aus
für jene Landschaft. Er verfasste ein Wörterbuvh und eine Sprach-
lehre der grossen Galla, begann mit Isenberg ein Wörterbuch
des Somali, verfasste ein Wörterbuch in der Engutnk Iloizob (Massai)
Sprache und der verwandten Engntuk Eloikob, ebenso der Teita und
Usambara-Länder. der Kikamba (Sprache von Ukambani) und der
Kiuiassi (Sprache der Nyassa-Völker?), übersetzte ins Suaheli das
ganze Neue Testament und einen Theil des ersten Buches Moses und ver-
öffentlichte das allbekannte sechs ostafrikanische Sprachen umfassende
Wörterbuch (Tübingen 1850). berühmt sind ja auch Krapf’s, Reb-
mann’s und J. Ehrhardt’s geographische Verdienste, jene Karte von den
Binnenseen Afrikas. Rebmann's Entdeckung des schneebedeckten Kili-
mandscharo am 11. Mai 1848 und Krapf s Auffindung des Kenia nebst
seinen Reisen in Usambara 1 ). Als durch die wilden Massai Reb-
mann's Station zerstört und er nach Sansibar flüchten musste, fand
er bei seiner Rückkehr mehr Empfänglichkeit, konnte die Station
*) Näheres Petermaun geogr. Millh. 1856, 19 — 32, Tat. 1. 1858, 223. 1859.
348, 431. 1878, 106. 1888, 177. 1855, 328. 1857, 275. 439. 441, 541. 1858.
396 f., 401 f. 1859, 392, Tat. 15., 503. 1861, 124, 148, 233. 1864, 450, 451.
454 f 1871, 149. 1883, 199. 1882, 103. 1855, 233. 1856, 19 f., 26, Taf. 1.
1859, 392, 379. 1864, 419. 1867, Taf. 10 e. 1876, 267. 1877, 170 f.
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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wieder herstellen und gleich darauf 1860 mehrere Eingeborene
taufen. Mehrere Gefährten starben, aber Rebmann blieb am Platz,
ein stiller Einsiedler, einsamer Held, begrub 1866 seine Frau, welche
15 Jahre lang treu neben ihm gearbeitet hatte; blieb, als das eine Auge
in Folge vieler Leiden erblindete, ja kehrte nicht heim aus Angst,
sein Posten könne eingezogen werden und ging erst nach Europa,
als das andere Auge vom Staar befallen wurde. Sein treuer Diener
Isaak Nvando, ein getaufter Mnika, war ein Führer nach Europa. London
und Württemberg, als Rebmanu Afrika im 30. Arbeitsjahr verliess
und doch nur 20 Bekehrte seinen »Erfolg“ nennen konnte. Deutsch-
land darf anf Krapf nnd Rebmann stolz sein; sie haben Ostafrika
Jahrzehnte vor der deutschen Besitznahme geistig besetzt, waren im
buchstäblichen Sinn, wenn auch Mombas jetzt nicht im deutschen, sondern
im englischen Besitz liegt, die Vorkämpfer der Ostafrikanischen
Gesellschaft. Ernteten sie auch nicht, so säeten sie aus, damit
andere schnitten; durch ihre Anregung, ihr Rufen ist die Bahn ge-
brochen. Au ihrer Hingebung, Selbstverleugnung können Missionare
nnd Kolonisten für alle Zeit und für Ostafrika lernen. Auch Reh-
mann hinterliess wissenschaftliche Arbeiten: Kinika- und Kiniassa-
Sprach Wörterbücher, eine Suaheli-Uebersetzung des St. Lucä-Evauge-
liums. Als 1864 das bekannte Baseler Missions-Magazin Speke's
Nilquell-Reise besprach, schloss es den Bericht mit folgenden be-
zeichnenden Worten: »Oder warum sollte nicht eine deutsche Flotte
in Ostafrika die erste deutsehe Ansiedelung gründen, um den Weg
ins Innere zu öffnen und offen zu erhalten?“ (Seite 446.) In Wahr-
heit ging Deutschlands Geschichte auch von 1864, Alsen. nach 1884,
Sansibar. —
Der 1850 ans Afrika gesundheitshalber zurückgekehrte Krapf
führte 1860 Sendboten der vereinigten methodistischen Frei-
kirchen wieder nach Ostafrika und brachte, nachdem drei unter-
wegs umgekehrt waren, den vierten, W’akefield, zu den Wanika,
unter denen 16 Meilen nordwestlich von Mombas Ribe gegründet wurde.
Im Jahr 1866 kam Charles New hinzu, bald darauf Butterw'orth,
1870 Yates. Wichtige, auch geographisch bemerkenswerthe Reisen,
New's Besteigung des Kilimandscharo (26. August 1871) bis zum
Rande des ewigen Schnees u. s. w. unterbrachen die eigentliche
Missionsarbeit, Zwar konnte in Usambara noch keine Mission
begonnen werden, New’s Tod machte neue Unternehmungen fürs
erste unmöglich, doch 50 Getaufte zu Ribe und eine durch den be-
kannten Sir Bartle Frere stark befürwortete Anleitung der Einge-
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Oie Mission in den deutschen Schutzgebieten.
borcnen zum Landbau, und zu allerlei Handwerk gaben neuen Mutli.
Am 21. April 1876 senkte der neue Missionar James S. Seden in
Ribe zum ersten Male den Pflug in die Erde. Holzsägen, Strassen-
bau, Steinebrechen, Ziegel- und Kalkbrennen, Zimmerarbeit und
Hausbau der Eingeborenen unter Beaufsichtigung der Missionare
schlossen sich hier au. Wakeßeld übersetzte und druckte allerlei
Schulbücher und legte in dem bisher mohammedanischen Dörfchen
Dschomvu zwischen Mombas und Kisilutini 1876 die zweite Station
und sodann eine Aussenniederlassung in Duruma an. Später wurde
zu Golbanti am Tanafluss die neueste gegründet, welche 1886 zwar
160 Getaufte hatte, aber kürzlich durch die Massai zerstört wurde,
wobei Missionar Houghton und Frau ermordet wurden. Doch wurde
es durch W. H. Düring wieder aufgebaut.
Auch Rebmann's und Krapfs Arbeit ist von der Church Mis-
sionar}- Society in neuester Zeit weiter fortgesetzt: Price legte
Frere Town au: ein Knecht des alten Rebmann, Alte Ngoa, gründete
durch die Kinika-Uebersetzuug des Lucä-Evangeliums in Godoma
auf sonderbare Weise eine Nebenstation, welche von Kisilutini aus
Beaufsichtigung erhielt, Hier enstand auch das Sklavendorf Full a-
doyo und Kamlikeni, geleitet von einem eingeborenen Pastoren,
später von mohammedanischen Wasuaheli zerstört. Unter dem wil-
den Gebirgsvolke der Taita geschah die Anlegung der Station Sa-
galla und die Ausdehnung der Missionsarbeit nach Dschagga uud
zum unbeständigen Häuptling Mandara von Mose hi. Wichtiger
noch für Deutsch-Ostafrika ist die Anlegung der Missionsstationen
seitens der genannten englischen Missionsgesellschaft gemäss Krapfs
Plan von der Küste nach dem Ukerewe-See, da einige dieser Sta-
tionen in dem eigentlichen deutschen Schutzgebiet liegen. Voraus-
gesetzt sei die Entstehung und Fortsetzung der Victoria-Nyanza-
Mission durch Stanley n. s. w. 1875 f. und erwähnt seien nur die
uns hier angehenden Stationen. Auf Stanley’s Posaunenruf vom 15.
November 1875 flössen in England grosse Summen zusammen und
wie elektrisirt stimmten viele in den lluf ein: Nach Ostafrika und
Uganda! Im Juni 1876 marschirte eine gut ausgerüstete Expedition,
nachdem der Versuch, auf dem Wamifluss und dem Kiugani ins
Innere zu gelangen, missglückt war, von der Sansibarküste landein-
wärts. Ueber 400 Pagazi (Träger) und 90 Arbeiter waren ange-
worbeu und die vier Abtheilungen drangen vor: die erste unter den
Laieumissionaren O’Neill und Clark, die zweite unter Wilson und
dem Schmied Robertson, die dritte unter Mackay und Hart-
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I>i« Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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well, die vierte unter dem Hauptbefehlshaber Lieutenant Smith
und Dr. Shmith-Edinburg. Nach mancherlei Beschwerden wurde am
24. August Mpwapwa im Hochland Usagara nabe dem Wamiquell
erreicht und während ein Theil der Karawane weiter zum Uke-
rewe zog, blieben zwei Missionare O’Neill und Clark hier, welche
seitens des mohammedanischen Gouverneurs und des eingeborenen
Häuptlings ein freundliches Entgegenkommen fanden, ln der Nähe
eines kleinen Flusses auf einer Hohe vor dem 2000 Kuss empor
ragenden mit Akazien bedeckten Gebirge, über den Höhlen des
Löwen, Leoparden und der Hyänen im dichten Thalbuschwerk wurde
auf gutem Baugrund das mitgebrachte Missionshäuschen errichtet.
Neben einem Missionsarzt war später auch ein Laudwirth für Acker
und Viehwirthschaft thütig. Bald konnte etwas nordöstlich die zweite
Station Mamboia entstehen und halbwegs nach dem Ukerewe nahe
dem 5 Grad südl. Breite Ujui, sowie dicht nordwestlich bei Mpwa-
pwa der Aussenplatz Kisokwe. Am Grabe des Londoner Missions-
inspektors Dr. Josef Mullens sammelte sich in Mpwapwa eine kleine
Gemeinde und der hier verpflegte Afrikareisende Franzose Revoil
lobt diese Niederlassung.
Im Juli 1877 zog die Londoner Missionsgesellschaft an
den Tanganjika, geleitet von Roger Priee. welcher den Ochsenwagen
als Beförderungsmittel auch hier in Ostafrika einführte. Da
aber die östlichste Station dieser Londoner Mission zu Urambo
in Dniamwesi sich befindet, die deutsche Besitzung bis zum Tanganjika
zwar der Gegenwart augehört, aber ihre Ausbeutung nach Zukunfts-
musik klingt, brechen wir hier ab. — Ebenso verhielt es sich mit
der Arbeit der schottischen Freikirche oder Liviugstouia am
südlichen und westlichen Rande des Nyassa und auf dem Wege nach
dem Tanganjika, sowie mit der Arbeit der Church of Scotland
am Schirefluss. Von den Niederlassungen der englischen Uni-
versitäten-Mission seien (abgesehen von denen auf Sansibar
zu Sansibar. Mbuweni und Kiungaui, sowie den drei am
Nvassasee) hier die vier Stationen in Usambara und die vier im
Rovumaland näher erwähnt. Die Mission in Ostafrika war von
dieser Gesellschaft schon 1859 — 62, in Folge der grossen Ent-
deckungen Livingstone’s, unter Bischof Mackenzie vergeblich in
Angriff genommen worden; das Ende war vielfacher Tod, Jammer,
Noth. Aber von dem nicht aufgegebenen Unterstützungspunkt San-
sibar aus wurde die der Insel Pemba gegenüberliegende Landschaft
Usambara, nördlich vom Rufutluss, ins Auge gefasst und zu Ma-
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 4
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50
Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
gila (Madschila) die Niederlassung gegründet und ein eisernes Haus
aufgerichtet. Leider starben am Fieber zwei Missionare rasch
nacheinander, 1873 waren nur zwei eingeborene Seminaristen thätig,
doch zählte Magila 1882 bereits 200 Getaufte. Eine grosse Feuers-
brunst richtete erheblichen Verlust an, aber ein Einfall der feind-
lichen Massai konnte durch die tapfere Vermittelung der Missionare
zurückgewiesen werden. Auch landwirthschaftlieh wuchs Magila,
hier und in Misozwe wurde eine Kirche gebaut und bei Umba eine
Aussenstation angelegt, von welcher sowie von Mkuzi erfreuliche
Nachrichten eintreffen.
Unter den wilden Stämmen des Rovumalandes sind die vier
Stationen dieser englischen Universitäten-Mission: Mtna nahe dem
Weltmeer, Newala nahe dem Rovumafluss, Masasi östlich davon,
sowie Mlotelo (Chitangali). 1876 gründete Bischof Steere, welcher
überhaupt der Universitäten-Mission neuen Aufschwung gab, etwa
130 englische Meilen landeinwärts Massai mit 56 befreiten Sklaven
aus Sansibar und zwei Missionaren. Im folgenden Jahre entstand
Newala. Als 1882 Masasi von den wilden Magwangwara über-
fallen nnd ausgeplündert worden war, dachte man daran, die Kolonie
nach dem nahen Makende-Gebiet zu dem Häuptling Numanga zu
verlegen. Aber schwer war es, sich von der schönen steinernen
Kirche zu trennen und und 1885 meldete sich der Häuptling Matola
zum Taufuuterricht,
Auch Rom blieb nicht müssig: wie die Katholiken in den
letzten Jahren nach Uganda und besonders auf Betrieb des Erz-
bischofs Lavigerie nach dem Tanganjika-See vorgedrungen sind, so
versuchten sie auch früher in Ostafrika den Glauben zu verbreiten.
Klug wussten, nachdem die Jesuiten dies Missionsfeld abgelehnt
hatten, bei ihrer Landung in Sansibar am 22. Dezember 1860 die
katholischen Missionare von der Insel Reunion unter der An-
führung des Fava sich mit dem damaligen Sultan Said Medschid zu
verständigen, und bald wirkten die sogenannteu „schwarzen Väter“,
die Brüder von der Gesellschaft des heiligen Geistes und
des heiligen Herzens Mariä, gleichfalls von Reunion 1863 herüber-
gekommen, in einem Krankenhaus und in Schulen. Zu Baga-
moyo, dem Ausgangspunkt so vieler Afrikareisenden dicht am
Kinganifluss, wurde 1869 eine Station eröffnet und durch den be-
kannten Pater Horner eine Ackerbau-Colonie und ein Negerkinder-
Erziehungshaus gegründet. Bald waren 50 kleinere und grössere
Gebäude aufgeführt, um die 300 Kinder zu beherbergen, nnd durch
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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einen furchtbaren Sturm im April 1872 verheert von neuem errichtet
worden. Verschiedene Reisende, wie Cameron, auch Sir Bartle Frere
1873, haben dieser Niederlassung, die wie zur Schau an jenem
wichtigen Wanderwege liegt, ihre Anerkennung nicht versagt. Der
unermüdliche Horner machte verschiedene wichtige Reisen landein-
wärts und legte 1877 zu Monda in Nguru eine neue Station am
schönen Flusse Kulula beim Häuptling Goeho an, welcher auch
später der christlichen Lehre sich auschloss. Horner s Nachfolger
Baur fügte als neue Station 1880 Mandera zwischen Bagamoyo
und Monda, nahe dem Südbogen des Wami im W’adoe- Lande,
hinzu und weihte sie dem heiligen Josef. Im Dezember 1883
liess sich Pater Gommingenger nebst Gehülfen in Mrogoro,
der Hauptstadt der Waseguha, nieder, welche in einem Thale
am Flusse Serengere an der Karawanenstrasse schön und an-
muthig gelegen ist. Trotzdem 1884 hier ein Brand und 1885 in
Mandera ein Sturm arge Verwüstungen anrichtete, dehnte sich das
Missionswerk doch aus, 1885 erfolgte die Anlegung der Station
Tunungo, südlich von Mrogoro, und die Kreuzerhöhung auf dem
nahen Berggipfel unter Gesang und Gebet. Uebrigeus hat diese
ostafrikanische Mission, mit Einschluss Bagamoyo’s, und trotz ver-
schiedener deutscher Mitarbeiter französisches Gepräge, wie denn
auch die Pfleglinge zu Bagamoyo in der französischen Sprache unter-
richtet werden. Doch ist kürzlich auch eine eigene katholische
Missionsgesellschaft für Deutschafrika zusaramengetreten , die des
St. Benedictas mit ihrem Missioushause St. Ottilien in Baiern,
gegründet vom Benedietiner Pater Andreas Amrhein. Vom Beue-
dietinerkloster Reichenbach in der Oberpfalz ist diese Anstalt ins
Schloss Emming, eine halbe Stnnde von der Station Türkenfeld an
der Müm hener-Buchloer Bahnlinie, verlegt. Während die Väter vom
heiligen Geist das nördliche Gebiet behalten, ist diesen Benedictinern
das südliche, nämlich das deutsche Schutzgebiet bis zum 7.° s. Br.
zuertheilt. Die erste Missionsschaar, acht Brüder und vier Schwestern,
verliessen am 11. November 1887 St. Ottilien und haben in Ost-
afrika ihre Arbeit begonnen, nämlich zu Pugu, einer landwirt-
schaftlichen deutschen Station, fünf Stunden von Dar-es-Salam
entfernt, auf der Spitze eines ziemlich steil abfallenden, ewig grünen
Berges in idyllischer Lage.
Betrachten wir nun noch die evangelischen deutschen
Missionen in Ostafrika, welche anlässlich der deutschen Schutz-
herrschaft entstanden sind. Die vom Pfarrer Doll am 27. August
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
1882 gegründete Mission zu Nenkirchen bei Mörs am Rhein zog
sich von Calionb bei Kairo zurück und begann im März 1887 ihr
Werk im deutschen Witu-Lande. Missionar Würtz fand bei dem
Herrn Denhardt freundliche Aufmunterung und Vermittelung mit
dem Witn-Sultan Achmed und im August 1887 kamen Missionar
Weber und Frau an, so dass am 1. September 1887 nabe der eng-
lischen methodistischen Station Golbanti am Tanafiuss zu Ngao unter
den Wapokomo die erste Station errichtet werden konnte. Zuuäcbst
ginge au das Ziegelstreichen und Brennen, um noch vor Beginn der
Regenzeit nothwendig unter Dach zu sein Mit den anfangs trägen
Ringeborenen ging es später besser vorwärts und am 11. März 1888
wurde der Grundstein zum Missionshause gelegt. Während dieser
Zeit kamen die beiden schwedischen Missionare Hedenstrehm und
Bergmann durchgereist, erholten sich vom Fieber und fuhren dann
weiter flussaufwärts, um den Weg zu den Borani-Galla zu suchen.
Leider überfielen die feindlichen Somali am 27. März 1888 Ngao
und nur mit genauer Noth entkamen eben vorher die Missionare auf
den Muaunen (ausgehöhlten Baumstämmen) nach Golbanti, von einigen
Wapokomo aufs treueste unterstützt. „Geräuschlos ging's hei hellem
Mondschein den Tana hinab. Die Wapokomo-Männer standen zum
Thcil am Ufer und begrüssten uns noch, fragten, ob wir auch wieder
kämen. Vier Mann ruderten nns. Würtz ging in der Nacht wieder
zurück, und nachdem er ein wenig geruht, begab er sich Montag
Morgen mit sechs Wapokomo ans Einpacken und Einladen. Nach-
mittags kam er in Golbauti an, welch eine Freude! einige Wapokomo
halten sehr treu und tapfer aus und haben nicht das Vertrauen zu
uns verloren, zumal Würtz sozusagen der letzte war, welcher das
Dorf verliess. Am Dienstag, den 27. März Mittags, hatten die So-
mali Ngao erreicht; nach kaum einer Stunde war schon das ganze
Dorf verbrannt.“ — Am 15. April kehrten die Noukirchener Mis-
sionare zurück und bauten Ngao wieder auf, das Missionshaus aber
mit einer aus Korallensteinen erhöhten Grundmauer, da das Grund-
wasser und der Regen die Fundamente untergräbt. Der dritte
Glaubensbote ist unterdessen in Witu angekommen, um das Werk
rüstig fortzusetzen.
Als die erste deutsche Missionsniederlassung in Ostafrika ist
Jimba (Dschimba). die Station der Baiern, bei Mombas zu nennen.
Die vom Pfarrer M. Ittameier-Reiehenschwand 1885 gegründete
evangelisch - lutherische Missionsgesellschaft für Ost-
afrika in Baiern einigte sich mit der ihr sehr freundlich eut-
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Die Mission in <ien deutschen Schutzgebieten. 53
gegenkommeuden Churcb Missionare Society, welche, wie oben er-
zählt, schon im Mombas-Gebiet missionirte, und Hess sich im Sep-
tember 1886 zu Jim ha unter den Wakamba nieder und bald darauf
in dem sechs Stunden landeinwärts an der Karawanenstrasse liegenden
Mbungu Nach dem deutsch-englischen Vertrage vom 1. November
1886 hinsichtlich der grossen Ländervertheilung Ostafrikas ist das
Gebiet dieser Baierischen Mission leider in der englischen Interessen-
sphäre geblieben; vielleicht zieht diese Mission es vor, ihre Arbeit
ganz anf deutsches Gebiet zu verlegen, wozu leider bis jetzt keine
Anstalten gemacht zu werden scheinen. Die baierischen Sendboten
Bach und Hoffmanu hatten in Jimba 21 Eingeborene im christ-
lichen Unterricht und erhielten vom nahe wohnenden englischen
Missionar Binns ein Englisch- Kikambu- Wörterbuch von fast 2500
Wörtern, das Werk Krapf s, von seiner eigenen Hand geschrieben,
aber bis jetzt nngedmekt bei den Papieren der englischen Mombas-
Mission liegend. (Die Wakamba sprechen eine dem Suaheli ver-
wandte Mundart.) Unter dem Schatten eines Mkugu- Baumes ward
Schule gehalten, und auch an den Männern hatten die Baiern Freude.
Leider erkrankte im April 1887 Bach, genas zwar, konnte Ende
Juli seine Braut nach Jimba holen, wurde aber aufs neue vom Fieber
stark gepackt, reiste nach Europa und starb am Charfreitag, den
30. März 1888 bei seinem Bruder in Gunzenhausen als das erste
Opfer der deutschen ostafrikanischen Mission. Hofmann stand nun
allein, hatte im September 1887 im sechs Stunden nordwestlich ge-
legenen Mbungu eine zweite Niederlassung errichtet, sich eifrig ins
Kikamba hineingearbeitet, die Wege aufgebessert, die Wakamba ge-
lehrt, umgefallene Bäume vom Wege zu räumen, die Dornen abzu-
hauen und andere grundlegende Arbeiten zu verrichteu. Nach Bach’s
Tode ging Wen derlei n nach Ostafrika, so dass Hofmann nicht
mehr zwischen Jimba und Mbungu hin und her reisen muss. In
der ersteren Station wird der Gottesdienst gut besucht, die Leute
lernten rasch das Singen und die Lieder der Rabbai-Missionsstation
kamen gut zur Geltung. Auch übersetzte Hofmann eine kleine
Zahl unserer geistlichen Lieder in die Sprache jener Schwarzen.
Natürlich kann von Getauften nach so kurzer Arbeit an jenen Seelen
noch nicht die Rede sein, and doch freuen sich die Missionare, dass
die Eingeborenen grösstentheils nun sittsam gekleidet und, dem Bei-
spiele der Sendboten folgend, gegen ihre leidenden Mitmenschen
mitleidig und barmherzig sind.
Unter der Inspektion des früheren rheinischen Herero-Missionars
s
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
C. 6. Büttner, des erfahrenen Schilderers des deutschen Süd-
westafrika , jetzigen Lehrers des Suaheli am praktischen morgen-
ländischen Universitäts-Seminar zn Berlin, steht die am 15. April
1886 zu Berlin gegründete evangelische Missionsgesell-
schaft für Dentsch-Ostafrika. Ihre Zeitschrift: „Nachrichten
aus der ostafrikanischen Mission“ unter Büttner s 1 ) Leitung the lt
auch aus deu übrigen ostafrikanischen Missionen das Bemerkens-
werthe mit. Als Zweck wird uns laut den Satzungen § 1 an-
gegeben: 1. den in den Kolonien der deutsch-ostafrikanischen Ge-
sellschaft wohnhaften Heiden das Evangelium zu verkündigen,
2. den in jenen Gegenden wohnenden deutschen Brüdern die Wohl-
thaten deutscher Seelsorge zn gewähren, 3. Krankenpflege zu üben,
4. Einrichtungen von christlichen Schulen zu treffen. Schon am
2. April 1887 konnte nach Verhandlungen mit dem Inspektor Rap-
pard von der Chrischona-Missionsanstalt (bei Basel) der Chrisehona-
Missionar Johann Jakob G reiner, aus seiner langjährigen Arbeit in
Abessynien dnreh den Negus vertrieben, nebst seiner Frau und Nichte,
Marie Fingerle, von Berlin ausgesandt werden. Bald folgte der in
St. Chrischona auch schon in Abessynien mit Greiner arbeitende
Abessynier Gobau Desta ihm nach, sowie zwei deutsche Diakonen
Karpinski und 1888 Hüge. Zu Dar-es-Salam (Salaam) (Frie-
denswohuung) war Greiner am 2. Juli 1887 angelangt, und kürzlich
hiess es nach den Berichten des Reisenden Otto E. Ehlers: „Hier
in Dar-es-Salam ist in kurzer Zeit ganz üeberra sehendes von Bru-
der Greiner und seinen unermüdlichen Gehilfen geleistet worden.
Umfangreiche Erdarbeiten sind aufgeführt. Wege angelegt, Felder
mit Mhago bepflanzt, ein geräumiges Stallgebäude, sowie ein zier-
liches Brunuenhäuschen bereits fertig gestellt, während das Missions-
haus schnell seiner Vollendung entgegengeht.“ (Tägliche Rund-
schau 1888, No. 218, S. 870.) Der anfangs im Anschluss an obige
evangelische Missionsgesellschaft von der Freiin Frieda von Bülow
und Gräfin Martha Pfeil gegründete und geleitete deutsch-nationale
Frauenbund zwecks Pflege des Deutschthums in den deutschen Kolo-
nien durch Errichtung von deutschen Kranken- und Heimathhäusern,
Schulen, Kirchen und ähnlichen Pflanzstätten deutscher und christ-
licher Kultur musste sich bei geflissentlicher Vermeidung der Worte
>) Verfasser «los Hnlfshüchleins für den ersten Unterricht im .Suaheli.
Leipzig (Weigel) und Herausgeber der Zeitschrift für afrikanische Sprach-
wissenschaft.
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
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„evangelisch“ und „christlich“ seit April 1887 von der obigen Ge-
sellschaft ganz trennen. Kürzlich ist dieser Frauenbund unter dem
veränderten Namen: „Deutscher Frauenverein für Kranken-
pflege in den Kolonien“ und mit verbesserten Satzungen bei
voller gegenseitiger Selbstständigkeit wieder mit der evangelichen
Missionsgesellschaft für Deutschostafrika in nähere Verbindung ge-
treten. Erfreulicherweise hatte die evangelische Missionsgesellschaft
für Deutschostafrika den Gedanken der Krankenpflege ihren Satzun-
gen gemäss kräftigst auszuführen gesucht und sandte am 30. Mai
1887 die barmherzige Schwester Marie Rentsch, im Oktober auch
Schwester Auguste Hertzer nach jenem Missionsfeld, ln Sansi-
bar, dem geschichtlichen Ausgangspunkt aller ostafrikanischen Unter-
nehmungen, ist nun trotz unerwarteter sonderbarer Störungen vor-
läufig in einem gemietheten Hause ein deutsches Krankenheim ge-
gründet worden, wobei der deutsche Consul Dr. Miehahelles sehr
entgegenkommend und französischem Einflüsse gegenüber das deut-
sche Interesse vertretend half. Beide Schwestern gehören dem Ber-
liner Lazarus-Diakonissenhaus an und kleiden sich in dieser Tracht.
Im Juli 1888 fuhren Missionar August Kraemer und die dritte
Schwester Amalie Oberkobusch nach Ostafrika ab, wo in Dar-
es-Salam der genannte deutsche Frauenverein eine Krankenpflege-
station gründete; auch sind den Schwestern in Sansibar einige be-
freite Sklavenkinder zur Erziehung übergeben. So berechtigt, will’s
Gott, auch dies Missionswerk zu guten Hoffnungen, möge die Ueber-
nahme der Zollverwaltung, Verwaltung und Rechtspflege an der ost-
afrikanischen Küste seitens der deutschen Gesellschaft, laut Vertrag
vom 15. August 1888 mit dem Sultan von Sansibar, ein neuer
Schritt dem Ziele näher sein und auch die göttliche Reichssache
fördern. —
In deutsch Neuguinea oder Kaiser Wilhelm-Land haben
zwei deutsche evangelische Gesellschaften die Arbeit begonnen. Als
das Dampfschiff Papua der deutschen Neuguinea-Handelsgesellschaft
Ende 1885 in der Torresstrasse scheiterte, musste einer der
Schiffsreisenden, der baierische Neuendettelsauer Missionar Joh.
Flierl in Nordaustralien warten. Schon seit 1878 im Dienst der
Neuendettelsauer Missionsgesellschaft am Kilalpanina-See
unter den Eingeborenen Australiens arbeitend, war er von dieser
baierischen Gesellschaft und den deutschen Lutheranern Südaustra-
liens ausersehen, nach Kaiser Wilhelms Land hinüberzuziehen. Wäh-
rend dieser Wartezeit legte er auf der Ostküste der York-Halbinsel
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l)ie Mission in den deutschen Schutzgebieten.
nahe dem 15. Grad südl. Breite bei Cooktown in Elim am Cap Bed-
ford mit Unterstützung der englischen Regierung eine Missionsstation
für die Schwarzen an. fuhr aber, durch Meyer 1886 hier abgelöst,
nach Deutsch-Neuguinea hinüber, wo er am 12. Juli 1886 landete
und seitens des Landeshauptmanns Freiherrn von Schleinitz und
seiner Beamten frenndlichst aufgenommen wurde. Nachdem Flierl
ein Vierteljahr lang die Küste entlang gewandert, wohl 25 Dörfer
mit 12 — 1500 Einwohnern besucht, daneben in Finschhafen sonn-
täglich gepredigt und im Oktober 1886 im Neuendettelsauer Missionar
Tremel einen Genossen erhalten hatte, gründeten sie beim kleinen
DorfSimbang ein- und eine halbe Stunde südwestlich vom Finsch-
hafen an der Langemakbucht die erste Statiou. Zunächst war es hier die
Aufgabe, sich mit den Eingeborenen bekannt zu machen, ihre Jabim-
Spraehe zu erforschen und durch sie die verwandte Saling oder Kai,
welche von den landeinwärts wohnenden Saling gesprochen aber von
den Küstenleuteu auch verstanden wird. Oefters litten die Missio-
nare an schweren FieheranfiUlen. ja einmal versetzte ein beim Stehlen
ertappter Eingeborener dem Flierl eine Wunde, welche aber nur leicht
war. —
Gleichzeitig hatte auch die R h e i n i s e h e M i s s i o ii s g e s e i I s c h a f t ,
welcher wir im Nama- und Damaraland begegnet sind, von einem
Vertreter des Auswärtigen Amts im Oktober 1885 zu Bremen aus-
drücklich dazu aufgefordert, beschlossen, auch in Deutsch Neuguinea
zu arbeiten. Nach verschiedenen Verhandlungen 18*6 mit der Neu-
guinea-Compagnie wurden zwei Rheinische Missionare, der bis-
her auf der Insel Nias thatig gewesene Thomas und der im Herero-
land arbeitende F. Eich nach jenem neuen Missionsfeld abgeordnet.
Am 17. Februar 1887 langte Thomas in Finschhafen an, im Mai
1887 Eich, vom Freiherm von Schleinitz wohlwollend empfangen,
allerdings bald beide vom Fieber unsanft geschüttelt. Thomas hatte
vor Eich's Ankunft die Umgegend des Coustantinhafens durchforscht
und reiste nun mit Eich die Küste entlang nach dem Kaiserin-
Augustafluss, welchen sie mit der wissenschaftlichen Expedition be-
fahren. Darauf kehrten sie nach Hatzfeldhafen zurück, verliessen
aber in Folge eines zwischen deu Kolonisten und den Eingeborenen
ansgebrochenen Streites diese liegend und suchten September 1887
den Constantinhafen auf. Während nun Thoma>. oft schwer krank,
seinem Auftrag zufolge mit den eingesammelten Kenntnissen und
Erfahrungen nach Europa zurückkehrte, langten kurz vor Weihuaehten
in Simbang bei den Neuendettelsauer Missionaren zwei neue Glaubens-
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Oie Mission in den deutschen Schutzgebieten. 57
boten der Rheinischen Gesellschaft, Gustav Bergmann und Willi.
Scheidt an, welche nach dem Fest den kranken Eich aufsuchten und
mit ihm die Rheinische Missionsstation Bogadjim. dem Constantin-
hafen gegenüber liegend, besetzten. Ein eichenes verkupfertes Boot,
24 Fuss lang, ist von Mioko aus von der Rheinischen Mission auge-
kauft, um bei jenen Küstenfahrten die unentbehrlichen Dienste zu
tlmn.
Auf der dem nordöstlichen Neuguinea nahe liegenden kleinen
Insel Rook hatten die Katholiken und zwar Sendboten der Ma-
risten-Kongrega tion von der jetzt englischen Insel Wondlark aus
1848 eine Missionsniederlassung gegründet, doch starb Bischof Col-
lomb schon am 2. Juli desselben Jahres auf jener Station, oald auch Mis-
sionar Villien und der allein übrig gebliebene Fremont kehrte nun nach
Woodlark zurück. Vier Jahre später fuhr der apostolische Präfekt
Reina mit italienischen Helfern wiederum nach Rook, wo sie dus
alte Missionshaus unversehrt vorfanden, aber durch Krankheit und
allerlei Widerwärtigkeiten nach einigen Monaten zum zweiten und
letzten Male vertrieben wurden.
Nach Neu- Pommern (Neu-Britannien) und zu seinen wilden
Bewohnern kamen auf dem Missionsschiff „John Wesley“ gemäss Be-
schluss der australischen Konferenz der Wesley auischen Metho-
disten, die Christen neu bekehrter Südseeinseln unter Anführung
des erfahrenen Missionars George Brown, um das Evangelium
auch hier zu verbreiten, obgleich der englische Statthalter der Fidschi-
Inseln sie nicht zu diesen verrufenen Inseln ziehen lassen wollte
Auf dem Inselchen Nen-Laueuburg (Duke of York) bei Port IIuu-
ter zwischen den beiden grossen Inseln des Bismarck-Archipels
wurde 1875 die Wesleyanische Missionsstation angelegt. Von hier
aus besuchte Brown mit seinem kleinen Missionsdampfer die Küston-
landschaften der grösseren Inseln und setzte an geeigneten Orten
Lehrer ein, so auf der Gazellenhalbinsel an der Blancbebay im Nor-
den Neu-Pommerns. zu Matupi, und etwas westlicher in Nodup.
Im Jahre 1876 waren schon sechs Kirchlein gebaut, aber 1878 wur-
den vier der braunen Lehrer überfallen, ermordet und aufgezehrt.
Doch das Missionswerk wuchs auch unter diesen wilden Stämmen,
wenn natürlich auch nur langsam: nach einigen Jahren gab es sieben
getaufte junge Männer und andere standen im Taufunterricht. 1880
gab es 32 und 1882 schon 215 mit nenn Kirchlein, mehreren Schulen
und der Uebersetzung des Lukasevangeliums. Auf Neu-Pommcrn
sind auf der Gazellenhalbinsel Kahakadai und Kinikuuan und
/■
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58
Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
auf Neu-Mecklenburg (früher Neu-lrland) Kalil und Topaia hin-
zugekommen; im ganzen 20 Kirchen, 29 Schulen und fast 3000 ge-
taufte Eingeborene. Kürzliclt vermachte ein Fräulein Black in Neu-
südwales dieser Mission 300,000 M. Auch die Adroiralit&tsinseln
sollen in Angriff genommen worden und seitens der Eingeborenen
selbst wurden 1000 M. für die Mission geopfert. Trotz der Krank-
heit der Missionare und trotzdem selbst die braunen Fidscbilehrer vom
Fieber stark ergriffen wurden, schreitet das Werk vorwärts. Als
George Brown vor einiger Zeit diese Insel verliess, gaben ihm 500
Eingeborene bis zum Schiff das Geleit und entliessen ihn mit Ge-
schenken und grosser Herzlichkeit.
Auch die Katholiken, Missionare U. L. Frauen vom heiligen
Herzen von Issoudün, Hessen sich 1883 auf der Nordküste der Ga-
zellenhalbinsel nieder und zwar in Bertdni unter Navarre’s
Leitung, aber als eine Feuersbrunst die Ansiedelung vernichtete,
blieben Vlavollo und Malaguna 1884 als Missionsstationen übrig.
Im Jahre 1886 ist seitens der Väter vom heiligen Herzen Jesn für
die Südseemission zu Antwerpen ein eigenes Missionshaus gegründet,
und auf der 32. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands
zu Münster und auf der 33. zu Breslau ermahnte besonders der
Zentrumsführer Dr. Windhorst an die Pflicht der deutschen Katho-
liken, dies Missionswerk für die deutsche Südsee zu unterstützen.
Des edlen englischen Bischofs Patteson Melanesische Mis-
sion erreichte mit dem Missionsschiff „Südliches Kreuz“ noch vor
dem Märtyrertod dieses Apostels Melanesiens (1871) die nnn deutsche
Salomon-Insel Isabella, wo bis 1877 zwei Stationen Bungotu und
das von Natur feste Tonga nebst mehreren Schulen entstanden;
auch der Häuptling des letzteren Ortes, bekehrte sich und wurde
ein eifriger Förderer des Evangeliums. Ein erbitterter Feind des
göttlichen Wortes besonders der Predigt, der alte Häuptling auf
dem Südende dieser Insel, starb, und mit ihm fiel ein bedeutendes
Hinderniss hinweg. Und doch rief er sterbend aus: „Niemand soll
zu meiner Todtenfeier getödtet, kein Fruchtbaum umgehauen, kein
Haus niedergebrannt werdeu. Lasst die Leute nicht zur Kopfjagd
ausziehen, alles dies ist nun vorbei!“ Ein Zeichen des dämmernden
Gnadenlichtes und Gottesfriedeus! 1885 gab es auf Isabel drei
evangelische Missionsstationen: Tega, Vulau und Boko mit
8 eingeborenen Lehrern, 99 Schülern und 44 neu Getauften. Die
übrigen deutschen Salomonsinseln: St. George, Choiseul, Shortland,
Bougainville harren noch der Missionare. — Auf der kleinen St.
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Die Mission in den deutschen Schutzgebieten.
59
George-Insel ist das Grab des katholischen apostolischen Viears
Bischofs Epalle, welcher mit 13 Missionaren der Maristen - Congre-
gation die Isabella -Insel 1845 untersuchte, aber am 16. Dezember
dieses Jahres von den wilden, nach dem Bischofsring gierigen Ein-
wohnern ermordet wurde. Die dann auf der nun englischen S.
Christoval-Insel missionirenden Gefährten des Bischofs haben diese,
wie die Insel Woodlark, 1856 ganz verlassen.
Die am 15. Oktober 1885 der deutschen Schutzherrschaft unter-
stellten Marschall - Inseln, welche aus den beiden Inselketten
Ralik und Ratak bestehen, sind das Missionsfeld der American
Board (einer von Boston ans geleiteten grossen kongregationalistischen
Mission) in Verbindung mit der Hawaiischen Evangelischen
Gesellschaft, Auf der südlichsten Insel Ebon, einer echten La-
gunenriffgruppe , wurden schon 1856 die ersten Anfänge begonnen:
des Königs Schwester befreundete sich mit der Missionarsfamilie
und als 1857 das neue Missionsschiff „Momingstar“ diese Insel
wieder berührte, wurden die Missionare freundlichst begrüsst. Bald
konnte Snow mit Hülfe hawaiischer Genossen hier jahrelang wirken
und bis 1870 waren auch die andereu Inseln: Namerik, Jaluit,
Mille oder Milli, Majuro (Arrowsmith) mit Stationen be-
setzt. Zwar versuchte auf letzterer Insel der Oberhäuptling die
Missionsfamilie zu vergiften, doch andere Häuptlinge beschützten sie,
und von den 391 Einwohnern Namerik’s waren 348 im Taufunter-
richt. Langsamer ging's auf .Jaluit vorwärts, doch wuchs die Ge-
meinde der etwa 500 starken Einwohnerzahl auf 83. Später kamen
als neue Missionspunkte die Inseln Arno und Maloelab oder Mal-
wonlap sammt Aur hinzu und bald sind die Marschallbewohner
fast alle bekleidet und gesittet. „Es war ein erhebender Anblick,
fünf lnselhäuptlinge mit den anderen Abendmahlsgästen am Altar
zu sehen “ Hatte auch die Mission auf Arno und Majuro (Meidschuro)
mit bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen, so sind letztere Inseln
wieder aufs neue mit Missionaren besetzt, Jaluit ist nun zum grossen
Theil christianisirt und die Einwohner von Namerik, Mille und Ebou,
dem Mittelpunkt dieses ganzen Missionswerkes, sind nun sämmtlich
Christen. Durch den Missionsarzt Pease ist das Neue Testament
in die Marschallsprache übersetzt und gedruckt. Auch Ailing-
labelab nebst den nahen Wojai (Ujae), Lai (Lae), Kwojelien
(Kwajalein) und Likieb sind neue Stationsinseln. Das Annual Re-
port of the American Board of Commissioners for foreign Missions
1887 sagt S. 134: „The missionaries speak in favorable terms of
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HO I»ic Mission in den deutschen Schutzgebieten.
the German occupation and of the influence of the governor aud his
ofüeial authority. Thus far missionary work has been favored and
opportnnity given for its extension tbrough this exercise of German
power.“ — —
Wie inan natürlich nicht von einem Schulkind verlangen kann,
dass es nach den ersten fünf Unterrichtsstunden viel gelernt habe,
so darf man auch nicht von Naturvölkern verlangen, dass sie in 5
oder 15 Jahren viel Christenthnm gelernt oder erfahren haben. Im
Leben der Völker ist ein Jahr weniger, als im Leben eines Menschen
eine Stunde. — Wie die Kolonialarbeit ein Geduldswerk ist und
unmöglich innerhalb 5 oder 25 Jahren überraschende Erfolge auf-
weisen kann, so ist es noch viel mehr mit dem Missionswerk. Vo r
Gott sind tausend Jahre wie ein Tag; wir aber wollen auch lur
unsere neuen deutschen überseeischen Besitzungen wirken und sie
mit Gottes Wort versorgen, so lange es Tag ist. Möge das Missions-
werk durch obige Darstellung allen deutschen Kolonialfreunden warm
ans Herz gelegt worden sein.
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Ueberseeisclie Waldwirtschaft.
Von
Dr. Otto Kenten.
*
lu den meisten Kolonialgebieten, sofern sie nicht vorzugsweise
für Bergbau oder Viehzucht geeignet sind, hat man es hauptsächlich
mit der Erzeugung von Getreide, Kolonialwaaren, Tabak, Pflanzenfasern
und dergl. zu thun, aber nur selten wird sich eine Möglichkeit zur
V erwerthung von Wäldern bieten. Von den jetzigen deutschen Ko-
lonien kann wohl nur Neu-Guinea, vermöge seines Waldreichthums,
in Betracht kommen: dagegen giebt es manche andere, dem deut-
schen Unternehmungsgeist offenstehende Länder, wie z. B. das süd-
liche Chile und einige Landstriche Mittelamerikas, in denen der Holz-
reichthum so erheblich ist, dass recht gut an eine gewinnbringende
' erwerthung gedacht werden kann, ln den meisten Fällen liegen
nun dort wie auch in Neu-Guinea die Verhältnisse so, dass nur die
kostbarsten Hölzer gewonnen werden können, weil nur diese die
theure Fracht nach Europa vertragen: in Folge dessen lässt man die
in grösserer Menge vorhandenen geringwerthigen Holzarten gewöhn-
lich verkommen, sodass unter solchen Umstünden nur von einer
Wald Verwüstung, aber nicht von einer vernünftigen Wald-
wirtschaft gesprochen werden kann.
W irklicher überseeischer Forstbetrieb in europäischem Sinne ist
nur in ganz vereinzelten Fällen möglich, namentlich wenn die ge-
wonnenen Hölzer sich im Lande selbst verwerten lassen;
dann aber kanu derselbe unter Umständen überaus lohnend werden,
wie nachfolgendes Beispiel aus Südafrika zeigt, welches wahrschein-
lich auch für andere überseeische Länder in mehrfacher Hinsicht nütz-
liche Winke bieten wird.
In Südafrika liegen die Verhältnisse allerdings ganz besonders günstig
für die Ausbeutung der w enigen dort noch vorhandenen Wälder, denn fast
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62
Ueborseeisctae W&ldwirthscbaft.
überall sind entweder die früheren Holzbestünde in unsinniger Weise
vernichtet worden, oder es herrscht von Natur ans ein grosser Man-
gel an Holz . sodass eine bedeutende Zufuhr von skandinavischen
und nordamerikanisehen Hölzern nöthig ist, um den starken Bedarf
jener wirtschaftlich ziemlich hoch entwickelten Länder zu decken.
Ausserdem sind die südafrikanischen Wälder, von deren Ausbeutung
hier die Rede sein soll, zumeist nahe der Küste gelegen, wodurch die
Abfuhr nach den Hauptholzmärkten sehr bequem und billig wird.
Das in Südafrika gewonnene Holz hat demnach vor dem fremden
nahezu den vollen Betrag der überseeischen Kracht voraus, welche
wohl auf 30 Mark für den Kubikmeter veranschlagt werden
darf, d. i. mindestens doppelt soviel wie der Holzwerth in den euro-
päischen Produktionsgebieten selbst beträgt.
Hierzu kommt noch die beträchtliche Entwicklung der
südafrikanischen Eisenbahnen, welche nicht nur selbst einen
sehr starken Bedarf an Schwellen, Wagen u. dergl. haben, sondern
,-aaoh die Weiterbeförderung der gangbarsten Hölzer (Balken, Bretter
u'dgl.) nach dem von Waldungen fast ganz entblössten Inneren, be-
sonders nach den Gold- und Diamantenfeldern , auf bequeme Weise
ermöglichen.
Ueberaus günstig ist auch der Umstand, dass die Kapregierung
schon sehr werthvolle Vorarbeiten betr. der Waldungen bei Knysna
und King Wiiliamstown geliefert hat, sodass die dort gewonnenen
Erfahrungen au anderen ähnlich gelegenen Punkten ohne Weiteres
benutzt werdeu können. Da nun einer der grössten südafrikanischen
Wälder, der Ekossawald in Pondoland (südlich von der engl. Kron-
kolonie Natal gelegen) vor Kurzem in den Besitz einer deutschen
Gesellschaft übergegangen ist, welche damit beschäftigt ist, die forst-
männische Ausnutzung desselben in Angriff zn nehmen, so wird es
nicht ohne Interesse sein, diesen eigenartigen Zweig überseeischen
Wirthschaftsbetriebes, welcher eine ausserordentlich hohe und dau-
ernde Rente zu liefern verspricht, etwas näher in Augenschein zu
nehmen.
Von grosser Wichtigkeit für die Verwerthung jener im Pondoland
gelegenen Waldungen ist es, dass die hauptsächlichsten der dort
wachsenden Nutzhölzer bereits hinlänglich aus den Berichten der
k apländischen Forstverwaltung 1 ), denen wir hier folgen, sowie
aus Mittheilungen von Reisenden und Ansiedlern bekannt sind.
*) Im ,,Official Handbook“ der Oapc-Colony für 1886, und hiernach im
Heriebt III. des Südafrikanischen Vereins.
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Ueberseeische Waldwirtschaft.
63
Es kommen vor Allem einige Nadelhölzer in Betracht, welche
etwa die Hälfte des ganzen Baumbestandes der südafrikanischen
Wälder liefern; dieselben gehören der dem Taxus verwandten
Gattung Podocarpus an und liefern das sogenannte Gelbholz, wel-
ches im Allgemeinen unserm Fichten-, Tannen- und Kiefernholz
entspricht und zu denselben Zwecken wie dieses verwendet wird,
jedoch etw as feiner gefügt und von hübscherer Farbe ist. Man unter-
scheidet hauptsächlich drei Arteu, das echte und das Outeniqua- sowie
das unechte Gelbholz (Podocarpus latifoliux , elongatus und pruinosus ),
von denen letzteres nur in den östlichen Waldungen, nicht aber auch
in dem Knysnawalde vorzukommon scheint. Die „Outeniqua“ er-
reicht einen grösseren Umfang als irgend ein anderer Baum der Ko-
lonie; seine Krone ist massig, oft 60 Fuss im Durchmesser,
sein Stamm kurz und gegabelt. Das echte Gclbholz hingegen
hat einen verhältnissmässig dünnen Blätterschmuck und eilte grössere
Länge des Stammes. Das Holz dieser zwei Arten lässt sich schwer
unterscheiden, denn beides ist hellbräunlich gelb, leicht und von
gleichartigem Gefüge; die Riude hingegen ist beim „echten 1 von
weisslicher Farbe und faserig, bei der Outeniqua aber fast schwarz,
dünn und geschuppt. Die grössten Outeniquas messen 30 Fuss im
Umfang und gegen 80 in der Höhe; das „echte“ aber, das manch-
mal mit einem Stamm von 50 Fuss Länge angetroffen wird, über-
schreitet nicht den Durchmesser von 6 Fuss. Beide Arten haben
den gleichen Handelswerth und können als die Tannen oder Kiefern
der Kolonie angesehen werden.
Die wirtschaftliche Verwendung des Gelbholzes ist
ziemlich verschiedenartig. Die Dielen, Decken, Thorwege und
Fensterrahmen manches Hanses in der Kolonie wurden aus diesem
Holz gefertigt, und es giebt zahlreiche Beispiele, dass sie über
100 Jahre dem Einfluss der Witterung getrotzt haben. Ebenso sind
einige der Pfähle, welche für den Bau des alten Dammes in Knysna
verwendet wurden, 20 Jahre lang unversehrt und unberührt von
dem schädlichen Holzbohrwurm geblieben: anderseits jedoch weiss
man, dass Schwellen von Gelbholz schon im zweiten Jahre zu ver-
rotten antingen. Eine so rasche Zersetzung ist indessen die Folge
von ungeeigneter Behandlung; durch zuverlässige Mittheilungen ist
festgestellt worden, dass vieles von dem Holz, welches unbefriedi-
gende Resultate ergeben hat, im Frühjahre, nachdem der Saft auf-
gestiegeu, gefällt und grün verarbeitet wurde, in eineiu Falle sogar,
dass grünes, im Sommer gefälltes Holz mit Theer überzogen worden
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64 l'eberaeeische Waldwirthsi-haft.
— eine Behandlung, welche auch das beste europäische Holz nicht
verträgt.
Auch zu Eisenbahnschwellen lässt sich das Gelbholz ver-
wenden. fm Jahre 1877 wurden in England 24 solche Schwellen
versuchsweise mit Kreosot getränkt und dann im Kapland auf der
Hauptlinie verlegt. Zur Probe wurden im Jahre 1883 fünf heraus-
genommen und gut befunden; die übrigen, halb Outeniqna und halb
Echtes, sind noch in der Erde. Weitere Versuche, von den Herren
J. Blandt & Co. in Cardiff (Süd-Wales) im Jahre 1883 angestellt,
beweisen, dass das Gelbholz schnell Kreosot anfnimmt und den
Erschütterungen, denen die Eisenbahnschwellen ausgesetzt sind,
besser zu widerstehen vermag als die baltische Fichte (Kiefer?),
welche jetzt hauptsächlich in Verwendung ist. Der Erfolg dieser
Versuche bestimmte die Regierung. Sagemühlen zn kaufen und einen
Kreosotimngs-Apparat bei Knysna zn errichten, der im Stande wäre,
die ganze Kolonie mit Schwellen zu versorgen. Ebenso sind Versuche
gemacht worden, Gelbholz durch imprügnirung mit Chlorzink zn
schützen, ein Verfahren, das besonders in Holland (auch in Deutsch-
land !) mit grossem Erfolge vorgenommen wird. Das Ergebniss
dieser umfassenden Versuche wird mit grosser Spannung erwartet :
gelingen sie, so wird die baltische Schwelle aus der Kapkolonie ver-
schwinden, denn die südafrikanischen Waldungen werden im Stande
sein, den Bedarf der jetzt bestehenden Linien zu decken, und für die
Zukunft erwartet man. dass andere Hftlzer, besonders Eiseuholz, zu
gleichem Zweck verwendbar sind. Die Bestellungen des Jahres 1886
werden auf 80000 Schwellen geschätzt. Die Summen, welche
bisher für den Ankauf der Bahnschwellen nach ausserhalb gingen,
betrugen 1660 000 Mark im Jahre 1883 und 880 000 Mark im
Jahre 1884.
Eine andere sehr werthvolle Conifere ist die Bergcvpresse
oder Ceder (Widdringtonia juniperoitiesj , welche in den im Winter
mit Schnee bedeckten Bergen von Clanwilliam im Westen der Kap-
kolouie wächst. Früher war der ganze Bergabhang mit diesen
Bäumen bestanden, aber Brände und der ungehemmte Gebrauch
der Axt haben diese wertbvolle Waldung sehr gelichtet. Sir John
Alexander berichtet, dass im Jahre 1836 ein Baum von 36 Fuss
l'mfang gefällt wurde, welcher 1000 Fuss Bretter lieferte d. i. etwa
2,5 Festmeter Holz, wenn die Bretter 1 Zoll dick und 12 Zoll breit ge-
rechnet werden. In der Kirche zu Clanwilliam und in zahlreichen
Wohnhäusern dort ist alles innere Holzwerk aus dem Cedernholz der
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Uelierseeische Waldwirtschaft.
65
benachbarten Berge hergestellt, welches von derselben Güte wie das-
jenige der biblischen „Gedern des Libanon“ sein soll. Die Züchtung
dieses Baumes aus Samen ist in den Regierungs -Baumschulen des
Kaplandes erfolgreich betrieben worden.
Auch einige südeuropäische Kiefernarten, die einzigen hier
gedeihenden eigentlichen Nadelhölzer, sind in der Kapkolonie
verbreitet, nämlich Pinus insu/m s. welche in tirahamstown mit
Erfolg eingeführt ist, Pinus pinaster (die Strandkiefer Frankreichs)
und Pinus pinea (die Steinkiefer Italiens), und nirgends gedeihen
sie so gut wie auf der Kap-Halbinsel. Beide Arten säen sich selbst
leicht aus, and an günstigen Plätzen unter alten Bäumen wachsen
junge Kiefern wie Gras hervor. Die Nadelholz wälder, welche sich
in dem fruchtbaren Landstrich an den südöstlichen Abhängen des
Tafelberges befinden, bilden einen bemerkenswerthen Zug in der
Landschaft. Kapstadt nebst Vorstädten wird mit Feuerung aus
diesen Pflanzungen versorgt, und das Holz, obgleich von ausge-
zeichneter Beschaffenheit, wild kaum zu anderen Zwecken benutzt.
Eine zweite Gruppe bilden Stink- und Niessholz. Das
werthvollste Nutzholz der Knysna -Wälder ist unzweifelhaft das
Stinkholz ( Oreodaphne buttata ); etwa der fünfte Theil des zum
Fällen bestimmten Holzes dieser Wälder besteht aus ihm. In seinem
Wüchse zeigt es bemerkenswerthe Aehnlichkeit mit dem indischen
(Burmah-) Teakholz. Es pflanzt sich mit Leichtigkeit aus Samen
und Schösslingen fort, ob es sich aber zur Anzucht in Baumschulen
eignet, ist noch nicht festgestellt. Sein Wuchs ist. rasch, vielleicht
schneller als der jedes anderen Baumes der Kolonie; oft bilden sechs
Jahresringe die Dicke eines englischen Zolles. Man unterscheidet
drei deutliche Abarten von Stinkholz, weisses, geflecktes und schwar-
zes. Frisch verarbeitet, haucht das Holz einen unangenehmen Geruch
aus, der sich aber schnell verliert.
Das Stinkholz ist hauptsächlich zu Bauzwecken, namentlich
zum Wagenbau verwendet worden. Die schwarze Abart wird von
Kunsttischlern hochgeschätzt: sie nimmt eine ausgezeichnete Politur
an, hat eine wellenförmige Aederung und ist im Allgemeinen dem
Wallnussholz nicht unähnlich. Zu Eisenbahnschwellen ver-
arbeitet, hat sich das Stinkholz 10—12 Jahre in der Erde gut ge-
halten, aber jetzt ist es für diesen Zweck zu theuer geworden. Die
für die Stämme erzielten hohen Preise und die früher verhältuiss-
mässig so niedrige Gebühr für das Fällen führte natürlich zu einem
grossen Handel mit dieser Holzart, unter Vernachlässigung der an-
Jahrbuch für Deutsche Kolouialpolitik. 5
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66 Ueberseeische Walilwiitbscbafl.
deren Arten and zum Nacbtheil der Wälder; das Stinkholz verschwand
schnell, und im Jahre 1883 musste die Fällgebühr auf 1 Schilling
für den Kubikfnss (35,32 Mark für den Kubikmeter) erhöht werden,
was mehr ist, als für irgend eine andere Holzart bezahlt wird.
Man hofft, das Stinkholz auch zur Anfertigung von Eisenbahn-
wagen verwenden und so die Einfuhr dieses beträchtlichen Artikels
in Zukunft vermeiden zu können, soweit Holzarbeit dabei in Betracht
kommt. Die Menge des im Jahre 1885 fällbaren Stinkholzes aus
den vermessenen Theilen der Knysna- und Tsitsikamma-Wälder betrug
65 500 Cubikfuss (rund 1850 Festmeter) im Kapstadt-Werthe von
230 000 Mark d. i. 1 Festmeter für etwa 125 Mark!
Am wichtigsten für die östlichen Wälder ist das Niessholz,
( Pteroxylov utüe). Auf seiner Westgrenze, im Amatola-Gebirge, ist
es wahrscheinlich im Aussterben begriffen, während es irn Osten bis
Natal vorkommt, wo es sogar noch besser als in der Kapkolonie
gedeihen soll, ln der letzteren, im engeren Sinne, findet man Niess-
holz und Stinkholz fast nirgends zusammen, denn die Knysna-
Wälder besitzen kein Niessholz und die von Amatola kein Stink-
holz, mit Ausnahme einiger kleinen Exemplare, welche jedoch als
botanische Seltenheiten angesehen werden können, ln den Wäldern
des Transkei-Gebietes hingegen wachsen beide dicht bei einander,
was auf ein Zusammentreffen verschiedener klimatischer Verhältnisse
schliessen lässt, welche beiden Arten gleich günstig sind.
Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ist das Niessholz dem Jar-
rah- und Kamphorholz sowie dem amerikanischen Greenbeartholz
zur Seite zu stellen. Die Wogenbrecher von Port Elisabeth,
wo die Angriffe des Bohrwurms (Teredo navalis) ausnahmsweise
bösartig sind, haben 20 Jahre lang ungeschädigt im Wasser ge-
standen. Das Kernholz dieses Baumes giebt die haltbarsten Zaun-
pfähle, da es nicht von der weissen Ameise angegriffen wird; viele
Pfähle, welche von den ersten Kolonisten hier eingesetzt wurden,
sind bis zum heutigen Tage gesund geblieben. Leider ist die Zu-
fuhr starken Holzes jetzt sehr vermindert. Um sein Aussterben zu
verhindern, ist das Fällen jetzt untersagt, und da der natürliche
Nachwuchs überall reichlich ist, so steht zu erwarten, dass bei sorg-
fältiger Bewirthschaftung diese für wirtschaftliche Zwecke so nütz-
liche Holzart bald wieder in genügender Menge zu haben sein wird.
In nächster Linie stehen nun Harthölzer zu Schnitzereien.
Unter ihnen ist das kostbarste das Buchsbaumholz, welches haupt-
sächlich in den Küstenwäldern vorkommt, die sich entweder an
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lieberseeische Waldwirtschaft.
67
der See oder längs der Thäler der grossen Flüsse iu der Nähe der
Küste hinziehen. Bis jetzt hat man das Bachsbaumholz erst in der
südöstlichsten Ecke der Kolonie, in der Gegend von East-London,
gefunden. Die ganze Fläche erstreckt sich nicht über 15 bis 16
englische Quadratmeilen (etwa 4000 Hektar), wovon die Hälfte in
den Händen von Privateigenthümern ist.
Im Allgemeinen übersteigt der Durchmesser des südafrikanischen
Bnchsbaumholzes selten einen Fuss hei einer Länge des Stammes
bis zu ‘20 Fuss. Es ist annäherungsweise eine Berechnung der Masse
des Bnchsbaumholzes gemacht worden, welches in den Kronwfildern
von Fort Pato und Fort Grey enthalten ist, und man hat gefunden,
dass sie zusammen 361 400 Kubikfuss (etwa 10 000 Festmeter) ver-
wendbaren Holzes verschiedener Stärke, neben einem grossen natür-
lichen Nachwuchs jüngerer Stämme, enthalten. Wenn man nun annimmt,
dass 35 Kubikfuss ein Tonnengewicht (rund 1000 Kilo) ansmachen, so
kann man den zur Zeit nutzbaren Vorrath dieser Wälder ungefähr
auf 10 000 Tonnen berechnen, und dies würde bei einem Preise von
200 Mark ') für die nach England gelieferte Tonne einen Werth von
2 Millionen Mark ausmachen. Nimmt man aber an, dass behufs Er-
haltung eines gleichmässigen natürlichen Nachwuchses alljährlich nur
der vierzigste Theil des Vorraths gefällt wird, so könnte vermittelst
dieses Holzes allein eine Rente von 50 000 Mark jährlich ans die-
sen zwei kleinen Forsten erzielt werden: die gesammte Fläche, auf
welcher Bnchsbaumholz gedeiht, würde mehr als den doppelten Be-
trag ergeben.
Man unterscheidet zwei Arten kapländisches Buehsbanmholz
(Cape Box), das Kamassi, welches in Knysna wächst, und das
hauptsächlich im Osten vorkommende Gala-Gala; man hofft, dass
diese beiden Hölzer zusammen dem kolonialen Bedarfe an Harthölzern
genügen und ausserdem einen Ueberschuss für den europäischen
Markt liefern werden.
Um zu untersuchen, inwiefern das Kamassi und andere süd-
afrikanische Harthölzer zu feinen Holzarbeiten geeignet sind,
w urden s. Zt, bei Gelegenheit der Kdinburger Forstausstellung Quer-
schnitte von 1 Zoll Dicke daraus hergerichtet und an die Herren C.
und A. Jung, Holzschneider in Ludgate-Circus, gesendet, deren Be-
richt nachstehend folgt:
*) Bis vor Kurzem noch ist von diesem edlen Malerin! die I.asl (Karron-
ladung?) für 5 Schilling auf dem Markte von East-I.ondon verkauft worden!
5*
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t'ebprseeisobe Waldwirthscbtft.
Kamassi (Gonioma Kamassi) ist geeignet, für die feinsten tech-
nischen Schnitzereien, z. B. MaschinentheUe aller Art, nnd ebenso
für gewöhnliche Holzschnitte:
Quar (Euclea undulata) ist nahezu gleich dem Kamassi-Holz und
ganz passend für gewöhnliche Holzschnitte:
Red Wood ( Oehna arljorea ), sehr passend für gröbere Holzschnitte
und ausgezeichnet für Typen:
Salie Wood (Budcüeia salviaefolia) sowie Saffraan ( Elwodencbon
croceum) sind vorzüglich für grosse Holztypen, für „Posters“
und gröbere Holzschneidearbeit im Allgemeinen geeignet:
White P ear ( Pterocelastrus rostralus) ist ein gutes Holz für alle
grösseren Arbeiten in Holzschnitt, Typen, „Posters“ u. s. w.
Von dem Gala-Gala, das wahrscheinlich werthvoller als alle
anderen Arten ist, waren leider keine Proben beigegeben worden.
Alle in dieserListe erwähnten Hölzer, mit Ausnahmedes „Saffraan“,
sind unter zwei Fuss dick: wenige derselben überschreiten zwölf Zoll
im Durchmesser. Da ihr geringer Durchmesser indessen wahrschein-
lich nicht gegen ihre nutzbringende Verwendung zu Holzschneidereien
und technischen Gegenständen wie z. B. Weberschiffchen. Rollschuh-
rädern u. dergl. sprechen würde, so ist zu erwarten, dass weitere
Versuche dazu führen werden, die Ausfuhr dieser werthvollen Hölzer,
welche einen so guten Ersatz für die immer mehr abnehmende Er-
zeugung des echten Buchsbau mholzes bieten, in Gang zu bringen.
Eine Schätzung der Menge dieser schwächeren Hölzer ist jetzt nicht
möglich, da alle Bäume unter 12 Zoll Durchmesser, weuu sie für
den Verkauf bestimmt sind, ohne Unterschied als Pfähle (poles) be-
zeichnet werden. Ihre Menge ist übrigens beträchtlich, und man
beabsichtigt, künftig die einzelnen Arten für sich anszählen zu lassen.
Eine andere Gruppe Harthölzer bilden das Eisenholz und Assegai-
holz u. s. w. Das schwarze Eisenholz (Olea laarifolia), zu den
Jasminacecn gehörig, macht ungefähr den sechsten Theil der Bestände
in den Knysna- und Tsitsikamma-Forsten aus: es ist ausserordentlich
hart, schwer und schwierig zu bearbeiten, nimmt aber eine ausge-
zeichnete Politur an und ist eigenthümlich gezeichnet. Sein wirt-
schaftlicher Verbrauch in der Kolonie ist ein geringer, hauptsächlich
zur Möbel- und Wagenfabrikatiou und zu Pfählen. Weitere geeignete
Verwendungen wären sehr erwünscht, zumal auch die Wälder durch
die Entfernung einer Menge scblagreifen Holzes, welches jetzt nutzlos
verrottet, sehr gewinnen würden.
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l'eberseeische Waldwirtschaft.
69
Ausgewählte Blöcke könnte« wahrscheinlich mit Vortheil aus-
geführt werden, da sie sich gut zur Anfertigung von technischen Gegen-
ständen, Maschinenträgern n. dergl., welche ein hartes, schweres,
dichtkörniges Holz erfordern, eignen würden.
Von den anderen Knysna- Waldbäumen erreichen keine den Um-
fang der schon beschriebenen; sie sind zumeist hart, zähe, dicht-
gelügt und werden ebenfalls hauptsächlich zur Herstellung von Kar-
ren, Wagen, ländlichen Werkzeugen sowie zu Hausrath und Pfählen
verwendet. Znr Knnsttischlerei sind mehrere Kapland-Hölzer
brauchbar, namentlich Hard Pear. Wild Olive, K ersehout,
Essenhout, Red und White Eis, die sich auch zur Ausfuhr eig-
nen würden. Vor allem aber sind sie zur Verwendung in der Ko-
lonie selbst, namentlich beim Wagen bau, ganz vorzüglich, da sie
diejenige Zähigkeit und Elasticitüt, besitzen, welche nöthig ist, um
die beständigen Stösse bei der Beförderung auf den zumeist schlech-
ten Wegen auszuhalten. Trotz des Wettbewerbs der Eisenbahnen
wird noch immer eine grosse Anzahl dieser dem südlichen Afrika
eigenthümlichen Karren, mit festem oder zusammenschlagbarem Ver-
deck, gefertigt, und was Stärke, Haltbarkeit und Bequemlichkeit beim
Reisen betrifft, sind sie nochnicht vondenamerikanischenNaohahtnungon
erreicht worden, welche ihnen den Rang ablaufen wollten. Wagen
werden gewöhnlich in der heissen Jahreszeit gebaut und sind danu
im Stande, der grössten Trockenheit zu widerstehen.
Von den sonst noch in unserer „Uebersicht der wichtigsten
Nutzhölzer“ enthaltenen Bäume giebt der Bericht der kaplän-
discheu Forstverwaltung keine nähere Beschreibung: dagegen be-
schäftigt er sich eingehend mit einigen wichtigen, aus anderen
Welttheileu stammenden Nutzhölzern. 1 )
Als der am besten im Kaplande eingewöhnte Baum ist wohl
die Eiche ( Quercus pedunaäata, Stieleiche), zu betrachten, welche
von den frühesten holländischen Ansiedlern cingeführt wurde. Dieser
Baum ist jetzt in allen gemässigten Theileu der Kolonie heimisch,
obgleich das Klima hier viel wärmer ist als in seiner europäischen
Heimath; er trägt regelmässig und reichlich Früchte und pflanzt sich
von selbst durch Sämlinge fort, auch lässt er sich ohne besondere
Sorgfalt mit Erfolg verpflanzen. In vielen Städten der westlichen
Distrikte sind Strassen mit Eichen bepflanzt. In Stellenbosch und in
Paarl haben sie eine stattliche Höhe erreicht, und der kühle Schatten,
den ihre Riesenäste gewähren, ist die Freude der Ortsbewohner so-
*) Vgl. Grundzüge der Flora von S üdafri ka (Leipzig, Quandl & Händel).
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70
Ueberseeische Waldwirtschaft.
wie ein bleibendes Denkmal der Fürsorge des Gouverneurs Van der
Stell, der sie pflanzte. Kapstadt hat ebenfalls seine schattige Eichen-
allee, welche bereits vor ungefähr 200 Jahren gepflanzt wurde und
gegenwärtig etwas in Verfall gerathen ist; ihre Wiederherstellung
ist von der Forstabtheilung in die Hand genommen, welche die Summe
von 8000 Mark für das Ergänzen und Beschneiden dieser Bäume be-
willigt erhalten hat.
In den kapländischen Regierungs- Baumschulen, die ganz vorzüg-
lich eingerichtet sein sollen, legt man auch auf den Jarrahbaum
(Eucalyptus marginata ) und auf den Kamphorbaum (Laurus
catnphora) grossen Werth, die ebenfalls eingeführt sind.
Ausserordentliche Wichtigkeit haben einige australische Bäume
erlangt, namentlich der Blaugummibanm (Eucalyptus globulu.s).
Derselbe wurde zuerst im Jahre 1828 im Kaplande eingefürbt. Auf
der Insel Mauritius zog Sir Lowry Cole während seiner Statthalter-
schaft dort. Eucalyptus-Pflanzen aus australischem Samen, und bei
seiner Versetzung nach Kapstadt (im obenerwähnten Jahre) brachte
er eine Anzahl Sämlinge mit. Nur sieben derselben Überstunden die
Reise und wurden in den Garten des Gouverneurs gepflanzt; von
diesen leben noch zwei, welche jetzt 58 Jahre alt sind. Der grösste
derselben hat (drei Fuss über der Erde) 19 Fnss im Umfang, seine
Höhe indessen beträgt nicht über 95 Fuss, da der heftige Wind sein
Wachsthum nach oben gehindert hat, was auch bei allen anderen
Bäumen hier der Fall ist.
Jetzt ist der Blaugummibaum allerwärts in Südafrika verbreitet,
besonders auch in Natal. Das Wachsthum desselben ist ein fabelhaft
schnelles, und die Erträgnisse, welche er bringt, kommen euro-
päischen Forstleuten fast unglaublich vor. So wurde im Jahre 1886
in Worcester, etwa 100 englische Meilen von Kapstadt, eine An-
pflanzung von Blaugummibänmen zu Feuerungszwecken gemacht.
Die verwendete Fläche beträgt 80 Acker (32 Hektar), und enthält
ungefähr 40 000 wohlgewachsene Stämme, von denen viele jetzt,
nach 10 Jahren. 6chon 5'/2 ^ nti8 Umfang haben, während alle fast
100 Fuss hoch sind! Der jährliche Ertrag wird auf 11 Tonnen
trockenen Holzes auf den englischen Acker (27 500 Kilo auf den
Hektar!) veranschlagt. In den Baumschulen zu Tokai auf den Ab-
hängen des Tafelberges zieht man nicht weniger als 33 Arten Euca-
lyptus neben 20 Arten Nadelhölzern und mohr als 90 Arten anderer
aussertropischer Bäume.
Ebenfalls aus Australien eingeführt ist eine Akazienart, die
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Ueberseeische Waldwirtschaft.
71
B) ack Wattle ( Acacia saligna ), die nirgendwo eine geeignetere Hei-
math gefunden haben könnte. Die zuerst gepflanzten Bäume waren
im Jahre 1886 erst acht Jahre alt, doch hatten einige von ihnen
einen Fnss hoch über dem Boden, wo der Baum anfängt sich zu
verzweigen, bereits 5 Fass Umfang! Selbstausgesäete Pflänzchen ver-
breiten sich schnell und werden in ein paar Jahren die ganze Fläche
bedeckt haben. Diese Akazienart ist in mannigfacher Hinsicht sehr
werthvoll ; zn Feuerungszwecken ist sie der Fichte oder Kiefer gleich,
und ihre Rinde wird von den Gerbern hochgeschätzt, welche für die
Tonne im trockenen Zustande 150 Mark zahlen. Der Tannin-Gehalt
der hier gepflanzten Wattle ist noch nicht festgestellt worden, aber
man glaubt, dass er dem des australischen Baumes, der sich auf 30
Procent beläuft, nicht nachsteht. Mit der Zeit wurde auch die Auf-
merksamkeit der Privatunternehmer auf diese Akazie gelenkt, welche
dem steigenden Bedürfniss nach Gerbmaterial Genüge zu leisten ver-
spricht. Ausser ihr ist die Acacia gUtucopiiylla sehr verbreitet, und
auch Acacia mdanoxybn ist mit Erfolg eingeführt worden.
Nachstehende Zusammenstellung umfasst sämmtliche, in dem
mehrerwähnten Bericht der kapländischen Forstverwaltung aufge-
führten Nutzhölzer, der besseren Uebersicht wegen in Gruppen ge-
ordnet, die allerdings keine wissenschaftliche Grundlage haben, jedoch
das Auffinden des für praktische Zwecke Brauchbaren wesentlich
erleichtern. Es ist ausser dem Namen auch das Vorkommen
des Holzes näher bezeichnet und bei einer grösseren Anzahl derselben
auch das Eigengewicht (in Klammer) angegeben.
Uebersicht der wichtigsten Nutzhölzer Südafrikas.
Kn. — aus den westlichen Wäldern (von Knysua und Tsitsikamma)
— K. W. aus den östlichen Wäldern (von King Williamstown und Amatola)
. . I . . . , anderswo heimisch oder eingeführt.
Oie Zahlen in Klammer, z. B. (864), bezeichnen das Gewicht eines Cubik-
meters in Kilogrammen.
Heimath. j
Botanischer Name.
Englischer (bei. holländischer etc.) und
deutscher Name.
!
A. Nadelhölzer.
Kn. |
K.W.
1
i
«0
1
„Opreoht“ Yellowwood, echtes Oelbbolz
(560)
Kn.
K.W.
* eknußitus
Outeniqua Yellowwood, Ouleniqua-Gelb-
holz (576)
— :
K.W.
* pnunosus
Bastard Yellowwood, unechtes Gelbholz
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72
l'eberseeische Waldwirtschaft.
Heiiuath.
Kn
Kd.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
Kn.
B o t a n i s r li e r N a i
Englischer (bez. holländischer etc.l nre 1
deutacher Name.
Widdringtoniajunipcroides Berg-Cypress oder Cedar, Bergcypresse
(bei Clanwilliam)
l'mux pinaster [ Strandkiefer (aus Frankreich?)
» pintu Steinkiefer, Pinie (aus Italien?)
. insiynix I (aus Südeuropa?)
K. Stinkholz und Verwandte
K.W.
K.W.
K.W.
Oreodaphne buUata
Cettis rhamnifolia
Brabejum stellatifoliuu
Iteroxylon utile
Stinkwood, Stinkholz (864)
Kamdeboo Stinkwood, Kaindebu-Stinkbolz
Red- oder Bitler-Almond, rothes Stinkholr.
Sueezewood. Nieasholz
('. Buchsbnuni und Hölzer zur Schnitzerei.
— ( ionionui Kamasei
K.W.
sp.
K.W. Ochiui urborra
K.W. ?
K.W.
K.W.
K.W. ?
K.W.
K.W.
K. W.
! K.W.
K.W.
K. W.
K.W.
K.W.
K.W.
K.W.
K.W.
Eucirii undulato
„ lanceolata
, xp
Buddleia xalriaefolia
Elacodendron croceum
Pteroctlastrus rostratux
Kamassi (Cape Box), kaplandiscber Buchs-
baum (928)
Gala-Gala (Cape Box 1 kapländisehcr
Bucbsbaum
I Cape Plane (Ue«l Wood) kapländische
Platane (Kothholz)
rothes Ebenholz?
Quar, Raute (1008) | Kbeuholz-
Guarri, Guarri | Arten?
Red Currant. rothe Johannisbeere?
Salie Wood, Salieholz
Saffraau, Safranholz (864'
s. unter D.
II. Eisenholz und andere Harthölzer.
Curtisia fayinea
Xanthoxylon Capense
Vepris lanceolata
Olea laurifolia
„ favtolata
. verrucosa
Olin>:a Capensix
Scalopia Ecklonii
„ Zeyheri
Pttrocelastrus rostrat ux
. variabilis
1 K.W.
Assegar, Assegaibolz (1056)
Knobwood, Knolenbolz
White Ironwood, weisses Eisenholz (1136)
Black Ironwood, schwarzes Eisenholz (1024)
Bastard Ironwood. unechtes Eisenholz
Olyvenhout (Wild Olive), wilde Olive (1152)
Hard Pear, hartes Bimholz (1088)
Red Pear. rothes Birubaumbolz
Tborn Pear. dorniges Birnbamnholz
White Pear, weisser Birnbaum (816)
Kersebout (Candlewood), Kcrzenbauui
(Kirschbaum?) (1088)
Wild l.emon, wilde l.imone
ausserdem Jarrahbolz und Kamphorbolz (s. unter F.)
E. Sonstige, nach bekannten Biiumen benannte Hölzer.
[K.W Qrumilia cymosa (?)
Atherstonm decussata
— I K.W.
Kojatenhout oder Cape Teak, kapländi-
sche« Teakholz
Natal Mahogauy, Blinkbar or Wild Peach,
Natal-Mahagoni oder wilde Pfirsiche
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Ueberseeische
Waldwirtschaft 73
Heimat h.
Botanischer Name.
Englischer (bez. holländischer etc.) und
deutscher Name.
—
K.W.
1 Calodendron Capenge
Wild Ghestnut, wilde Kastanie
Kd.
K.W.
f
1
r
ßeukenhout, Buchenholz (752)
Kn.
K. W.
Eckebergia Capensis
Essenhout (Cape Ash), kapl. Esche (768)
Kn.
—
\Platylophus tri/oltatus
Wit Eis (White Alder), weisse Erle (608)
Kn.
—
Ptectonia Mundtiana
Klip Eis (Rock Alder), Klippen-Erle (880)
Kn.
K.W
Cununia Capensis
Red Eis (Red Alder), rothe Erle (752)
—
K. W.
Harpephyllum Caffrum
Kafir Plum, Kaffer-Pflaume
Kn.
1 Nuxia floribunda Vlier (Wild Eider), wilder Holunder (752).
F. Eilige wohnte NutzholzbUume.
Qutrc.us pedunculata
Stieleiche (aus Südenropa?)
• ■
Eucalyptus globulus
Blue Gum, Blaugummibauni und
. •
„ marginata
Jarrahhaum (aus Australien)
- •
Acacia saligna
Black Waltle (aus Australien)
„ glaucopAylla
Kamphorbaum (aus Ostasien?)
„ melanoxylon
(aus Australien)
Laurus camphora
" *1
ausserdem die unter A. aufgeführten Pinus-Arien.
0. Nach Farben benannte und sonstige Nutzhölzer.
Kn.
_
Mimusops oborata
Melkbout (Milk Wood), Milchholz (1088,
—
K.W.
Sideroxylon inerme
White Milkwood, weisses Milcbholz
—
K. W.
? ?
Red „ rothes
Kn.
—
? ?
White Wood, Weissholz (768)
Kn.
—
? ?
Zwarthout, Schwarzbolz (1088)
Kn.
K.W.
Poyena tucula
Swart Bast (Black Bark), Schwarzrinden-
holz (880)
—
K.W. j
Jlippobromus alata
Paardepis, or Foul Leafwood, Faul blatthol 1
—
K.W. j
Schotia latifoUa
Boerbone (Boerboon), Bauern höhne?
—
K.W. i
HnlUria tUipticu
Septee, Septihnlz
Kn.
Celastrus acuminutus
Zyhast (sog. Baummörder) (1024)
Kn.
- ;
Protea sp.
Terblanz, eine Protea-Art
Kn.?
K.W.?
Uakea Üuavrobns
(Proteacee ?)
Nach vorstehender Zusammenstellung kommen 15 Nutzholzbäume
in beiden Waldgebieteu zugleich vor, während 13 Arten als nur in
den westlichen Wäldern (bei Knysna) und 19 Arten als nur in
den östlichen Wäldern (bei King Williams-Town) vorkommend
aufgeführt sind. Es darf deshalb angenommen werden, dass in den
noch weiter östlich gelegenen subtropischen Waldungen vonPondo-
land, deren genauere Erforschung jetzt durch die deutsche Pondolaud-
Geseilschaft in Angriff genommeu worden ist, mindestens 12 — 15
hier noch nicht erwähnte Nutzholz-Arten augetroffen werden.
Dass in diesen Urwäldern von Pondoland, die mau zusanimen-
fassen kann unter dem Namen Ekossawald, den der grösste der-
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74
Ueberseeische Waldwirtschaft.
selben führt, die hauptsächlichsten Nutzhölzer des Kaplandes nicht
fehlen, lässt sich schon von vornherein schliessen aus der geogra-
phischen Lage und den klimatischen Verhältnissen, die hier der be-
trächtlichen Regenmenge wegen sehr günstig sind; es wird dies aber
auch unwiderleglich bewiesen durch die Berichte der gegen Ende
1887 von der „Deutschen Pondoland- Gesellschaft“ ausgesendeten,
aus den tüchtigsten Kräften bestehenden Untersuchungs-Expe-
dition, dessen eines Mitglied, der durch seine Reisen in Südafrika
und am Kongo vortheilhaft bekannte Herr Franz Hertwig 1 ), jetzt
in Berlin weilt; derselbe führt in der Kolonialzeitung von den Nutz
hölzern des Ekossawaldes auf: die Riesenbäume des Gelbholzes,
welche oft über 2 Meter im Durchmesser haben, die ebenfalls sehr
starken Stinkholzbäume, das Assegaiholz, Eisenholz, Niess-
holz und andere.
Ebenso schreibt der durch mehrjährigen Aufenthalt in Südafrika
mit den dortigen Verhältnissen vertraute Botaniker der Pondoland-
Expedition, Herr Dr. med. Franz Bachmann (s. No. 25 der D.
Kol.-Z. vom 23. Juni 1888: Ein Ritt durch den Ekossawald),
dessen Rückkehr nach Deutschland binnen Kurzem zu erwarten ist:
„Sehr in die Augen fällt von den übrigen Bäumen besondere der
Gelbholzbaum (zur Familie der Taxusgewächse gehörig), der im
Wuchs eine entfernte Aehnlichkeit mit unserer Kiefer (Pinus «Z-
vestrin) hat, während die dunkelgrünen Blätter nicht nadelförmig
sind, sondern mehr die Form von Weidenblättern haben.“ Und
weiterhin sagt er, was ebenfalls nur auf das Gelbholz bezogen werden
kann: „Die höchsten Bäume, die wir sahen, schätzten wir auf 80 Fuss,
doch sollen Stämme von 100 bis 120 Fuss Vorkommen; die dicksten,
die uns zu Gesicht kamen, maassen 6 Fuss im Durchmesser, doch
giebt es bedeutend stärkere. Die meisten Stämme siud schön gerade,
weil sie nicht von einseitigen Winden im Wachsthum beeinflusst
werden“.
Der jetzigeStationsvorsteher der Deutschen Pondoland-Gesellschaft,
Herr Conrad Beyrich (von Hans aus Landwirth, ebenfalls auf
Reisen in Südafrika erprobt) welcher erst vor Kurzem den Ekossa-
wald und die benachbarten Forsten nach allen Richtungen durch-
streift hat. berichtet über die dort von ihm gesehenen Nutzholzbäume:
*) Von ihm wurde veröffentlicht: Der wirtschaftliche W erth von Pondo-
land in No. 26 der D. Kol.-Ztg. vom 30. Juni 1888, und im Decemberheft (1888)
von Petermann’s „Geograph. Mittheilungen“ : Das Küstengebiet von Natal und
Pondoland in seiner wirtschaftlichen Entwickelung.
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Ueberseeiscbe Waldwirtschaft.
75
„Das Gelbholz (Kaffername Namkoba) ist das am häufigsten
vertretene Holz der grösseren Wälder. Die Bänme erheben ihre
Kronen (d. h. wohl bis zmn Beginn der ersten Aeste) 30 — 40 Fuss
hoch; schöne schlanke, hohe, fast astlose Bänme, meistentheils von
2 — 3 Fass Durchmesser, sind in den fippigen Waldungen zahlreich.
Die Blätter gleichen in ihrer Form denen eines Oelbanmes. breiten
sich büschelförmig nach allen «Seiten der Zweige und geben eine
buschige Krone, ähnlich der der Nadelhölzer. Das Ni essholz
(Umtata) mit eichenartigen Blättern, ist sehr geschätzt, denn es ist
sehr hart und änsserst widerstandsfähig gegen dio Einwirkungen der
Luft sowie des Wassers: es fault nicht und wird auch von den Insekten
gemieden.“
„Das Eisenholz ist von feiner Strnctnr und grosser Festig-
keit und Härte: eine Sorte ist weiss (Umsimbiti), die andere wird später
schwarz (Umzani) und wird deshalb mehr geschätzt. Das Lanzen-
oder Assegaiholz (Umhiebe, Blätter myrtenartig) ist weiss und
von grosser Härte: das Stinkholz (Kamdebn, mit grossen lorbeer-
artigen Blättern) ähnelt an Farbe dem Nussbaumholz und wird sehr
gesucht für Gewehrkolben, feine Tischlerarbeiten, Stöcke u. dergl.
Das Milchholz (rothes und weisses) ist sehr dauerhaft und gilt,
besonders beim Wagenbau, für ebenso werthvoll als Stinkholz. Die
südafrikanische Esche (Umyanti) ist besser und dichter als Gelbholz
und wird für Dielungsplanken empfohlen, während die sogenannte
Erle beim Wagenbau zu Deichsel bäumen etc. Verwendung findet.
Auch mehrere Akazienarten liefern geschätztes Holz, besonders
eine mit hoher flacher Krone, die bei 2 Fuss Dicke 20 Fuss hoch
wird und, ausser zur Steilmacherei, für Maschinen walzen. Dach-
schindeln und zur Holzkohlenbereitung benutzt wird.“
„Der Kafferbaum oder Red Peartree (Umsinz) ist mit seinen
weitleuchtenden ebereschrothen Blüthentrauben bei beginnender Regen-
zeit eine Zierde des Landes: sein Holz wird ebenso wie das der
wilden Olive und des Tambutibaumes vielfach verwendet. Das
südafrikanische B uchsbaumh olz kommt hauptsächlich landeinwärts
vor und ist zu allen Holzschnitzarbeiten verwendbar; in der Kap-
kolonie soll es in den letzten Jahren ein Exportartikel gewordeu
sein. Das sogenannte Ebenholz (Humganzi) hat dunkelgraue
Farbe, ist aber hier selten, während das gelbe Safranholz. dessen
Rinde als Gerberlohe dient, häutig ist.“
„Es giebt noch eine weitere Anzahl Nutzhölzer hier, doch
hatte ich noch nicht Gelegenheit, sie kennen zn lernen, auch
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76
L'eherseeiscbe Waldwirtschaft.
sind sie jedenfalls nicht von derselben Bedeutung wie die oben-
genannten.“
Ueber die allgemeine Beschaffenheit der Waldungen von
Dentseh-Pondoland berichtet Hr. Beyrich: „Dieser Wald stellt einen
ganz bedeutenden Schatz dar. Die Flusssenkungen und Felsen-
becken des Küstengebietes sind häufig mit mehr oder weniger grossen
Waldungen bestanden. Zu den grösseren gehört der sog. Ekossabusch
nebst denjenigen, welche nahe bei und am St. Johnsfluss auf der von
uns erworbenen Seite sich hinziehen. Diese Waldungen bergen
Bäume, zum Theil Baumriesen mit kostbarem Nutzholz. Die hiesigen
Wälder haben zumeist den Charakter herrlichen Urwaldes; mächtige
Lianen schlingen sich an den Bäumen hinauf, oder hängen in geraden
langen Strängen, belaubt oder nnbelaubt, scheinbar herab, sodass mim
sich wundert, wie sie so gerade diese Höhe erreichen konnten, bis
die jüngeren, in der Luft schwebenden und sich gegenseitig umschlin-
genden Ranken den Vorgang begreiflich machen. Tiefer Schatten
herrscht in dem Wald, und wo nicht dichtes Gestrüpp oder Schlingpflan-
zen oder Grasvegetation vorhanden, bedeckt den Boden ein Teppich
von kriechendem Blattmoos. An sumpfigen Stellen bilden die Baum-
wurzeln ein in der Luft schwebendes wildes Gewebe, und in der
Höhe wölbt sich ein grossartig schöner Waldesdom.“
Aber nicht nur der Naturfreund ist entzückt von diesen herr-
lichen Waldungen: auch der kalt rechnende praktische Geschäfts-
mann kann sie mit hoher Befriedigung durchmustern. Der Werth
des Ekossawaldes lässt sich, mit Zugrundelegung sehr vorsichtiger
Annahmen, nüheruugsweise wie folgt schätzen:
Nach einer uns vorliegenden rohen Kartenskizze bedeckt der
Ekossawald eine Fläche von weit über 15 000 Hektar, so dass es
statthaft sein wird für einen ungefähren Ueberschlag 10 000 Hektar
in Rechnung zu ziehen. Nach den Angaben der kapländischen
Forstverwaltung scheint es, dass in Südafrika bei dem ausserordent-
lich schnellen Wachsthum der meisten Bäume eine Uratriebszeit von
durchschnittlich 50 Jahren als angemessen zu betrachten ist; es
würden demgemäss, sobald die Entwickelung des Betriebes dies ge-
stattet, jährlich 200 Hektar abgeholzt und wieder aufgeforstet wer-
den können. Da es sich um einen Urwald handelt, in welchem Stämme
von 6 — 8 Fuss Durchmesser Vorkommen, die oft über 50 Fuss empor-
steigen, ehe die Astbilduug beginnt, so wird es zulässig sein, die
Holzmasse auf jedem Hektar ebenso gross anzunehmen wie die auf
einem vorzüglichen deutschen Waldboden (z. B. in Thüringen. Sachsen
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Ueberseeische Waklwirthscbaft.
77
und Württemberg), wo ungefähr 400 Festmeter Derbholz auf einen
Hektar Abtriebsfläehe gewonnen werden; dies würde also eine jähr-
lich schlagbare Holzmasse von 80000 Festmetern ergeben.
Die A bfnhrverhältnisse sind, soweit die znr Verfügung stehen-
den Berichte and Karten dies erkennen lassen, ansserordentlich
günstige, da der südlichste Theil jenes Waldes kaum eine halbe
deutsche Meile von dem schiffbaren St. Johns- oder Um-
simvubu-Flusse, der am besten geeignete Ablageplatz an demselben
aber ebenfalls nicht weiter vom Hafen (der Flussmündung, dem St
Johns-Hafen) am Indischen Ocean entfernt ist Die Anfuhr dos
Holzes zur Ablage dürfte sich hauptsächlich mittelst Wald-
eisenbahn ermöglichen lassen, doch kann Genaueres hierüber erst
nach sorgfältiger Untersuchung an Ort und Stelle bestimmt werden.
Da der grösste Theil des im Ekossawald zu gewinnenden Holzes
in Südafrika selbst zu verwerthen ist. so kommt in nächster
Linie die Verschiffung nach den Absatzhäfen in Betracht, ln
dieser Beziehung nun ist die Lage jenes Holzhafens eine äusserst vor-
theilhafte, weil vipr grössere Eisenbahnlinien, die für ihren
Schwellenbedarf hauptsächlich auf baltische und nordamerikanische
Hölzer angewiesen sind, nur */ 2 bis 1V 2 Tage Dampferfahrt vom
St. Johnsfluss entfernt liegen und zumeist in Gegenden des Inneren
führen, welche wegen ihrer grossen Holzarmuth bekannt sind und
deswegen ebenfalls ausländische Hölzer bedürfen. Diese Hafen sind
im Süden:
1. East London, in etwa 30 deutschen Meilen Entfernung, mit der
300 Kilometer langen Eisenbahnlinie nach Aliwal-North, sowie
2. Port Alfred und Port Elisabeth, in nicht ganz der doppelten
Entfernung gelegen, mit Eisenbahnen von zusammen 1000 Kilo-
meter Länge nach Kimberley, Graaf Reinet etc.
Hieran schliessen sich nördlich vom St. Johnsfluss:
3. Der Hafen von Durban, wiederum 30 deutsche Meilen entfernt,
mit der 200 Kilometer langen Eisenbahn nach Ladysmith,
welche jetzt um etwa 100 Kilometer bis nach Newcastle ver-
längert wird, und
4. Lorenzo Marques (Delagoabay), in kaum 100 deutschen Meilen
Entfernung mit der kurzen Eisenbahnstrecke bis znr Transvaal-
grenze, für deren Verlängerung bis Pretoria (über 350 Kilo-
meter) sieh ein deutsch-holländisches Konsortium gebildet hat.
Bemerkt zu werden verdient, dass alle diese Häfen allwöchent-
lich von den grossen Europa-Dampfern angelaufen werden und so
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78
lleberseeische Waldwirtschaft.
auch die Möglichkeit zum Export der werthvolleren Hölzer (rothes
Ebenholz, Eisenholz, Buchsbaum und dergl.) bieten.
Die Hauptverwendungsarten der Hölzer des Ekossawaldes wür-
den für den südafrikanischen Bedarf die Folgenden sein:
1. zu Bahnschwellen für die genannten Eisenbahnen (s. oben
die Versuche der Kapkolonie in dieser Hinsicht);
2. zu Balken, Brettern und fertigen Holzhäusern für die
genannten Hafenstädte und ihr Hinterland, die Gold- und Diamanten
felder;
3. znm Bau von Or.bsenwagen . Booten und kleinen
Schiffen, für welch letzteren Zweck das Lund in der Nähe des
Ablageplatzes am L'msimvubu die beste Gelegenheit bietet;
4. zu Fassdauben (Stäbeu) für die Weinbaudistrikte des Kap-
landes, welche bis jetzt zum grössten Theil auf die europäische Ein-
fuhr angewiesen waren, trotz des guten Gedeihens von Eichen und
anderen gerbstoffhaltigen spaltbaren Hölzern.
Eine Nebennntzung würde der Verkauf von Brennholz und
Holzkohlen bieten. ,
Hierzu kommen für den Export nach Europa:
5. verschiedene Harthölzer, zur Verwendung für Holz-
schnitzereien, Maschinentheile und dergleichen, sowie einige beson-
ders schöne Holzarten für die Kunsttischlerei;
6. die anscheinend in grosser Menge und schönster Form vor-
handenen Schirm- und Spazierstöcke und Stockgriffe, welche
am besten von einem besonderen Sachverständigen zu sammeln und
zu versenden sein würden.
Ausserdem würden noch, ebenfalls durch geeignete Fachleute, zu
sammeln sein:
Harze, Gummi, Färb- und Gerbstoffe (durch einen Dro-
guisten), Flecht- und Faserstoffe für die Textil- und Papier-
industrie, und Früchte, Samen und Zierpflanzen für Import-
gärtnereien und Samenhandlungen.
Soviel sich jetzt erkennen lässt, würde es wohl das Vortheil-
hafteste sein, wenn eine besondere, fachmännisch geleitete und mit
Benutzung der neuesten Hilfsmittel zu betreibende Waldausbeu-
tungs-Gesellschaft sich bildete, welcher die Besitzerin des Landes
den Abtrieb des Waldes unter billigen Bedingungen überlassen könnte,
während sie selbst die Wiederaufforstung sowie die Sicherung des
Seetransportes nach oben genannten Häfen übernähme. Bei solcher
Einrichtung würde das erforderliche Betriebskapital ein sehr geringes
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Uebers«eiscbe Waldwirtschaft. 70
sein, sodass eine hohe and dauernde Rente mit Bestimmtheit zu
erwarten ist, wenn wir, was gewiss bei der Holzarmuth Südafrikas
nicht viel ist, den Werth eines Festmeters Holz (jährlich 80 000 Fm.
zu fällen!) zu nur 10 Mark annehmen, während eingeführte Hölzer
(s. oben) schon durch dio Seefracht allein vielleicht mehrfach theurer
zu stehen kommen
Die sehr wichtige Arbeiterfrage liegt auch, wenn man nicht
mit allzugrosser Ueberstürzung vorgeht, sehr günstig, denn die im
Pondolande in grösserer Anzahl wohnenden Grikwa sind jetzt schon
tüchtige Waldfäller und Holzarbeiter; ausserdem sind geschickte
norwegische Zimmerleute in Pondoland und Natal vorhanden, welche
gern eine dauernde Stellung in europäischen Diensten annehmeu
w ürden, und ebenso wäre zur Zeit der Hauptarbeit gewiss auch auf
die Hilfeleistung der von der „ Deutschen Pondoland-Gesellschaft“
anzusiedelnden Kolonisten zu rechnen, welche jedenfalls sehr glücklich
sein werden, im Anfang sowohl wie auch später in der landwirth-
Bchaftlichen Ruhezeit, einen Nebenverdienst zu haben.
Bei dieser Sachlage ist es kaum zu bezweifeln, dass deutsche
Unternehmer, so ängstlich sie sonst auch sind, die Ausbeutung jener
jetzt in deutschem Besitze befindlichen Waldungen des Pondolandes
mit aller Energie und Umsicht in die Hand nehmen werden, sodass
vielleicht schon im nächsten Jahre Mittheilungen über die ersten
Einrichtungsarbeiten gemacht werden können. Da zuverlässige Be-
richte von Seiten der Pondoland-Expedition zur Geuüge vorliegen,
so kann die Bewirthschaftung nach Ankunft der von hier anszusen-
denden Fachleute mit Hilfe der in Südafrika vorhandenen Hilfs-
kräfte, Aufseher und Arbeiter, sofort beginnen.
Zuerst muss an Ort und Stelle bestimmt werden, welche Schläge
in Angriff zu nehmen sind und welches Erträgniss vom Hektar
zu erwarten ist (durch Auszählen, Ausmessen etc. der einzelnen
Stämme). Bei Eintritt der geeigneten Jahreszeit (April bis August) kann
sodann mit dem Fällen derjenigen Bäume begonnen werden, welche
eincstheils am leichtesten zu verwerthen sind oder anderntheils dem
jungen Nachwuchs am meisten im Wege stehen. Gleichzeitig müssen
von geeigneten Leuten Wege angelegt oder in Staud gesetzt. Trans-
portmittel (Waldeisenbahu!) fertiggestellt und Absatzgebiete
erschlossen werden. Nach Beendigung der Fällzeit hätte ein
Forstbeamter mit der Vermessung und Eintheilung des Waldes
fortzufahren, sowie mit Anlegung von Pflanzschulen zu beginnen
und den Wald auf andere verwerthbare Produkte (Samen, Rinden,
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80
lieberae«ische Waldwirtschaft.
Hane u. s. w.) zu untersuchen. Endlich sollte auch ein Garten*
verständiger zur Hand sein, uro alle für Europa brauchbaren
Zierpflanzen zu sammeln und zu versenden, sowie der Vertreter
einer Droguenhandlung nnd einer Stockfabrik, der die zu
Spazierstöcken, Schirmgriffen n. s. w. geeigneten Hölzer ausznwählen
hätte.
Selbstverständlich müsste schon von vornherein auch eine grössere
Schneidemühle in Gang gesetzt werden, für welche in der ersten
Zeit der Umsimvubu die Betriebskraft liefern würde. Einrichtungen für
Wagenbau, Herstellung von Fassdauben (Stäbe) n. dgl. würden
später zu beschaffen sein, falls mau nicht diese Betriebe den An-
siedlern überlassen will.
Auf solche Art würde hinnen Kurzem eine grossartige Ent-
faltung deutscher Erwerbsthätigkeit in jenem schönen und
durchaus gesunden Küstenlande zu erwarten sein, welche auch
den deutschen Ackerbauern sehr zu Statten kommen würde,
für deren Ansiedelung die wichtigsten Vorbereitungsarbeiten jetzt
in Angriff genommen werden sollen. Und wenn auf diese Weise
die wirthschaftliehe und nationale Entwickelung hier schneller er-
folgt als in anderen Ansiedelungsgebieten, so wird dies wesentlich
der soviel versprechenden, nach gründlicher deutscher Art zu be-
treibenden überseeischen Waldwirtschaft zu verdanken sein.
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Deutacli>bra8iliaiii$che Betrachtungen.
Von
C. Bolle, Rio de Janeiro.
~ W~
I.
Der Titel mag eine lange Abhandlung erwarten lassen können,
wenigstens wenn von einem allgemeinen Standpunkte ans die ver-
schiedenen Beziehungen, in denen Brasilien und Deutschland zu
einander stehen, nach entsprechender Disposition der Betrachtung
unterzogen werden sollten. Indessen wird eine erschöpfende Be-
handlung des Stoffes keineswegs beabsichtigt, sondern es sollen nur
einige Hauptpunkte beleuchtet werden. Gewöhnlich dreht sich die
Berichterstattung, wie sie über brasilianische Verhältnisse nach
Deutschland geliefert wird, entweder oberflächlich um die Allgemein-
lage des südamerikanischen Kaiserreichs, oder um die Sonderlage
einzelner Handelsplätze, Provinzen oder Regionen, oder aber um die
Verhältnisse des hiesigen Deutschtbums, wobei individuelle, lokale,
regionale oder provinziale Standpunkte mehr oder weniger deutlich
zur Geltung gelangten; aber von Rio, dem politischen und wirtb-
sehaftlicheu Herzen des Reiches aus wird es möglich sein, in viel
allgemeingültigerer Weise die Wechselbeziehungen zur Anschauung
zu bringen, welche einesteils mit dem Auslande, anderntheils zwischen
Rio und den Provinzen bestehen. Schon mancher brasilienfreundliche
Plan, manches projektirte Unternehmen ist in Deutschland, unver-
mutet und ganz entgegengesetzt seinem vielverheissenden Entstehen,
zu W'asser zerronnen, wenn man gar zu sehr sich auf die Berück-
sichtigung regionaler Faktoren verliess und den innigen Zusammen-
hang vergass, in dem sie zu gegebenen anderen Verhältnissen standen,
die ihren Einfluss vom Herzen des Reiches her in entscheidender
Weise geltend machten. Für manche Vorgänge fehlten und fehlen
Jahrbuch für Deutsche Kolomalpolitik 6
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82
beutsch-brasili&niscbe Betrachtungen.
dem Uneingeweihten und dem Kenner nur eines Theiles , nach dem
er das Ganze benrtheilen zu können glaubt, jegliche Grundlagen zur
Erklärung, zum richtigen Begreifen von Möglichkeiten, die man für
Unmöglichkeiten hielt und hält und wohl gar mit voller Ueberzeugung
in den Bereich der Fabel verwies, wenn man davon etwas hörte.
Wer nur einzelne Gliedmaassen oder nur das Herz eines Körpers
kennt, ist damit noch nicht befähigt, anf die Leistungsfähigkeit
dieser Körper, die charakteristischen Bewegungen seiner Theile und
die Behandlung, die man dem Ganzen angedeihen lassen muss, um
von demselben eine bestimmte Thätigkeitsäusserung irgend eines
Gliedes zu erlangen, zu schliessen. Sollen nun die Beziehungen
dargelegt werden, in denen zwei unabhängige Körper, zwei Sonder-
organisationen zu einander stehen, so wird ein klares Bild davon
nur geliefert werden können, indem man die wirklichen oder ver-
meintlichen Interessen der fremden Organisation, sowie den sie be-
herrschenden Geist und seine Aeusserungen überall mit in Betracht
zieht, wo sie die Anknüpfung einer Beziehung mit anderen entweder
selbst sucht oder aber die dargebotene bereitwillig annimmt.
Die Ausdehnung eines derartigen Themas liegt auf der Hand.
Da nur ein relativ kurzer Aufsatz geliefert werden soll, findet eine
gewisse Lückenhaftigkeit und Einseitigkeit ihre natürliche Erklärung.
Fassen wir die kommerziellen Beziehungen von Rio mit dem
Auslande einerseits und den Provinzen andererseits ins Auge, so
wird anzuerkennen sein, dass hier bereits sichere Geleise die Wege
kenntlich machen, welche der Handel nimmt. Derselbe ist mit
Deutschland so bedeutend geworden, dass man in Rio die Gründung
einer deutschen Bank als den Umständen entsprechend erkannt hat.
Im Allgemeinen kann man annehmen, dass der Rio-Handel für
sich allein ungefähr gleich gross ist, wie der Handel aller 20 Pro-
vinzen zusammengenommen. Die Riozahlen doppelt genommen er-
geben also den ungefähren Brasilhandel. Schon dies allein erweist
die Präponderanz der Landeshauptstadt, die also nicht nur in poli-
tischer und administrativer Beziehung, sondern auch in wirtschaft-
licher sich als der Mittelpunkt des ganzen nationalen Lebens ans-
weist Wenn bei einem Lande von der Grösse Brasiliens die Ver-
bindungen mit allen Reichstbeilen nicht gleich gut noch gleich
lebhaft sind, so liegt das in natürlichen Verhältnissen begründet.
Die Entstehung partikularistiseher Färbung bei getrennten Gebieten
abweichenden Klimas und abweichender Produktion war um so
leichter, je grösser die Abgeschlossenheit war, und je länger sie
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l>eutsch -brasilianische Betrachtungen. 83
dauerte; aber die Abhängigkeit von der Landeshauptstadt trat noch
jedesmal um so deutlicher zu Tage, je leichtere Verkehrsverbindungen
geschaffen wurden, entlegene oder abgeschlossene Regionen der Aerm-
lichkeit entreissend und belebend. Es machte das die Bewohner
zunächst nur noch stolzer und selbstbewusster; der Lokalpatriotismus,
schon vorher entwickelt, trieb seine Blüthen: die wirtschaftliche
und politische Abhängigkeit entzog sich dem oberflächlichen Blicke;
und mancher schon baute Pläne, die an ein Hörensagen oder einen
regionalen Volksglauben anschlossen, nicht aber dem den Dingen
innewohnenden Werthe entsprachen. Rechnet man hinzu, dass der
Produktenhandel selten einen geradlinigen oder direkten Weg vom
Erzeugungsplatze zum Hauptkonsum- oder Hauptexportmarkte nimmt,
sondern sich an Zwischenstapelplätzen zunächst in der Hand einiger
wenigen sammelt, so wird ein regional angehauchter Volksgeist sich
um so selbstbewusster äussern und über den Werth seiner ver-
meintlichen Sondervorzüge und Eigenthümlichkeiten täuschen können,
je indirekter und damit äusserlich unmerklicher die Abhängigkeit
in der man wirklich steht, ist. Das kommerzielle Bild ist ganz dem
politischen und administrativen gleich. Das Volk sieht zunächst nur
seine Lokalchefs, über denen die Chefs der Distrikte stehen; diese
wiederum hängen von Provinzialchefs ab, welche ihrerseits endlich
in mehr oder minder grosser Abhängigkeit zu den Machthabern der
politischen Zentralgewalt in der Landeshauptstadt stehen. Es fehlt
kein Glied in der Kette, wenn auch nicht jeder ihr Ende sieht. —
Die offizielle Statistik giebt den überseeischen Verkehr mit dem
Auslande für den Hafen Rio im Jahre 1 886/87 (1. Juli bis 30. Juni)
folgendermaassen an:
Werth des Exportes 110 524 Contos
. . , 102 842 „
Zusammen 213 36(> Centos. 1 )
Rechnet man den internationalen Gesammtverkehr der Provinzen
gleich ebensoviel, so erhält man einen Brasilhandel im Werthe von
ungefähr 420 bis 430 Tausend Contos. Die Bevölkerung des Reichs
wird heute offiziöserseits auf 13 — 14 Millionen geschätzt, es kommen
also von diesem Handelsverkehre höchstens etwa 33 $ auf den Kopf
der Bevölkerung, lieber den interprovinzialen Verkehr liegen nur
lückenhafte offizielle Angaben vor. Offiziöserseits wird derselbe auf
weniger als 400000 Contos und zusammen mit dem internationalen
') 1 Conto = 1 : 000 mil reis = i : 000 S = 1 : 000 $ 000 reis. 1 * (mil
reis) = etwa 2 Mark. 1 Conto = etwa 2000 Mark.
6 *
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Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
Handel auf etwa 800 000 Contoe geschätzt. Das würde einer ver-
einten produktiven und konsumirenden Jahresbethfttigung jedes Mit-
gliedes der Bevölkerung im Werthe von 61 $ entsprechen, d. h. es
würde mit der Hälfte dieser Summe als Produzent und dann als
Konsument auftreten. Die Sache ist nicht denkbar. Der inter-
munizipale Handel, sowie der zwischen Stadt und Land, fehlt in der
Schätzung; und die Summe ist jedenfalls höher. Dennoch bleiben
die gebotenen Zahlenwerthe charakteristisch für die Verhältnisse.
Die brasilianischen Volkswirthschaftler trauen zum Theil selbst ihrem
Volke (besonders den ländlichen Klassen) keine grössere Produktions-
and Handelsbethätigung zu.
Hier wird der Punkt sein, an die bereits erwähnte regionale
Abgeschlossenheit vieler grösserer und kleinerer Reichstheile anzu-
schliessen. Die Ausbildung regionaler Eigenthümlichkeiten stand in
naher Beziehung zu dem mangelhaften und schwachen Handelsver-
kehre. Die Tropennatur liefert leicht die nöthigsten Lebensmittel;
zum Schutze gegen die Witterung genügt ein offener Rancho, (Dach,
welches auf einer Seite am Boden und auf der andereu auf Pfählen
ruht); an Kleidung und Luxusartikel stellt erfahrungsgemäss eine
Bevölkerung, die annähernd ausserhalb des Verkehrs mit der MiL
weit steht, nur die allerbescheidensten oder gar keine Ansprüche;
und es dürfte ungefähr der Wahrheit entsprechen, wenn behauptet
wird, dass die Hälfte der Bevölkerung Brasiliens nichts produzirt
und arbeitet, was irgend einen Handelswerth hätte, während von der
anderen Hälfte die Kinder und die meisten Weiber, d. i. mindestens
zwei Drittel aus der Klasse der Producenten zu streichen sind, aus-
genommen die Sklaven, von denen Mann, Weib und Kind arbeiten
müssen, ln der Blüthezeit der Sklaverei mag es vielleicht 1 Va Mil-
lionen (höchstens) arbeitsfähiger Sklaven gegeben haben, heute ist
ihre Zahl nach officiöser Schätzung auf Million herabgesunken.
Ihre Verminderung hat eine wirtschaftliche Krise zur Folge gehabt,
weil die Sklaven nicht daran gewöhnt waren Bedürfnisse zu haben,
also auch nicht nöthig hatten zu ihrer Befriedigung Geld zu ver-
dienen. d. i. zu arbeiten. Wenn sie dennoch grösstentheils auch
nach der Freilassung fortfahren zu arbeiten, so geschieht das, weil
sie die Bedürfnisse, von denen sie vorher zu sehen Gelegenheit
hatten, dass andere Leute sie befriedigen zu müssen glaubten, nun
theilweise selbst erwarben
Immerhin aber ist ein in tierischer Verkommenheit gehaltenes
Geschlecht wenig zu Kulturarbeiten geeignet. Nur ein freier Arbeits-
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l)euUcb-brasilianische Betrachtungen.
85
stand konnte die Lücken füllen und, falls er zahlreich genug war
die wirtschaftliche Blüthe des Landes voranbringen. Aber die
brasilianische Landbevölkerung soll zum grösseren Theil erst noch
für die Arbeit, deren sie während der Blüthe der Sklaverei syste-
matisch entwöhnt worden war, neugewonnen werden; und nur euro-
päische Einwanderer vermögen eine wirkliche Kulturarbeit zu leisten.
Das kam zuerst in den Provinzen Rio Grande do Sul und Santa
Cathariua zu einer relativ schwachen Anerkennung, die noch schwächer
in den Provinzen Parana und Espirito Santo, wenn auch immerbiu
sporadisch nachweisbar war, bis endlich in neuester Zeit die Provinz
Säo Paulo energisch die Einwanderungspropaganda auf ihre Fahne
schrieb und wirklich bedeutende Erfolge errang.
Wie die wirtschaftliche Bedeutung, welche Brasilien für Deutsch-
land hat, in gleichem Verhältnisse zur Entwickelung des Verkehre
und Produktenaustausches zwischen beiden Ländern steht, d. h. um
so grösser werden kann, je geeigneter sie sind gegenseitige Bedürf-
nisse nach Waarenbezug zu befriedigen; so wird auch als Ziel der
deutschen Auswanderung Brasilien eine Bedeutung haben, welche im
genauen Verhältnisse zum Gedeihen der Einwanderer und Kolonisten
steht Kommt der deutsche Bauer hier gut fort, so wird er das
Land suchen, stehen aber seinem Gedeihen zu grosse Hindernisse
entgegen, so wird er günstigere Länder vorziehen. Daran ändern
alle guten Wünsche, die man so oft gehegt bat, Brasiliens Produc-
tion uud Handelsverkehr mit Deutschland möchten durch das Ein-
greifen und Wirken deutscher Kulturarbeit immer mehr gefördert
werden, nichts; denn nur die Gunst der Verhältnisse zieht die Ein-
wanderung nach der neuen Welt, und wo diese Gunst entweder nicht
vorhanden oder nicht auszunutzen gestattet ist, lassen die malerisch-
sten Gefilde den praktischen Laudmann ebenso kalt, als handelte es
sich um die Eisgefilde Grönlands oder den Wüstensand der Sahara.
Die moralische Wirkung des v. d. Heydt’schen Rescriptes war un-
streitig eine ebenso grosse als für die brasilianischen Südprovinzen
ungerechte, aber es ist dadurch in jenen Jahren, als die Kolonienbe-
siedeluug mit freien Kleingrundbesitzern noch aufrichtig von der Re-
gierung in relativ grossem Maasstabe erstrebt wurde, weder ein
ziemlich starker Zuzug deutscher Landbebauer verhindert worden,
noch auch würde später diese schon in recht erfreulicher Weise un-
gebahnte Einwanderung ins Stocken gerathen sein, wenn die brasilia-
nischen Staatsmänner das anfänglich noch recht fehlerhafte System
zweckentsprechend verbessert hätten, statt aus Verdruss über partielle
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86
Ileutsch- brasilianische Betrachtungen.
Misserfolge das Kind mit dem Bade ausznschütten und die begonnene
Kolonisationsarbeit ganz zn unterbrechen. Und eröffnete man heute
an irgend welchen geeigneten Plätzen, von Rio Grande do Sul im
Süden an bis nördlich hinauf nach Minas und Südbahia, d. h. da,
wo bereits ein Kern deutscher Bauernansiedelungen durch materielle
Blüthe von der natürlichen Gunst der Verhältnisse Kunde giebt, den
auswandernngslustigen Landleuten Deutschlands die Aussicht auf
sicheren Erwerb von Grundbesitz, auf Rechtsschutz und muthmaasslich
gutes Gedeihen, so würden sie sofort wieder herzuströmen wie einst.
Die Klage gegen das v. d. Heydt'sche Reskript war und ist
berechtigt und unberechtigt zu gleicher Zeit; berechtigt, weil es sich
auch gegen die Südprovinzen richtete, wo der deutsche Bauer gedieh;
unberechtigt, weil man seine Ausserk raftsetzung später selbst zu
einem Zeitpunkte verlangte, als die brasilianische Regierung über-
zeugende Beweise der Abneigung gegen die fernere Entwickelung
des Kleingrundbesitzerstandes im allgemeinen und des deutschen im
besonderen gegeben hatte. Darauf konnte die Regierung Preussens
unmöglich mit Aufhebung der ferneren moralischen Wirkungen eines
Reskriptes antworten, das zu viel weniger schlimmer Zeit in Gel-
tung gestanden hatte. Die Sache wurde von dem Zeitpunkte au fast
unmöglich, an welchem die brasilianische Regierung die gegründeten
Kolonien, junge wie alte, so schnell wie möglich zu emanzipiren be-
gann und so wenig neue Vorkehrungen zur Ansiedelung der Ein-
wanderer traf, dass selbst die grössten Brasilienfreunde eingestanden :
es ist wohl noch möglich, in dieser oder jener Provinz, jährlich
einige hundert Kolonistenfarailien relativ günstig zu plaziren, nicht
aber einige Tausend. Letztere Zahl sah man bereits als Massenein-
wanderung an. deren Unterbringung für absolut unmöglich erklärt
wurde. Das war die Ansicht der besten Landeskenner über die Ein-
wanderer-Aufnahmefähigkeit eines Reiches von der Grösse Europas,
gesegnet mit den fruchtbarsten Fluren und dem herrlichsten Klima der
Welt, aber nur von 10 Millionen Menschen bewohnt, von denen P/j
Millionen Sklaven und 200 000 Einwanderer fast allein die produ-
cirenden Kräfte stellten. Der Mangel an diesen, vereint mit dem
Vorhandensein reicher Naturschätze, die nur des sie hebenden Armes
harren, um zur Verwerthung zn gelangen, begründen überall in neuen
Ländern das Bedürfniss nach Einwanderung. Dieses Bedürfniss ge-
langte in Brasilien zur Anerkennung, als man in Rio Grande do Sul,
Santa Catharina, Espirito Santo und andere Provinzen zahlreiche
Kolonien gründeten. Leider blieb die Anerkennung stets eine mehr
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Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
87
theoretische als praktische, denn es fehlte in leitenden Kreisen am
rechten Ernste znr Anwendung eines rationellen Kolonisationssystems
und zur Verbesserung der Mängel des in Kraft stehenden. Mau
kolonisirte, weil einige einflussreiche Politiker es wollten, und man
gab sogar ziemlich viel Geld dafür aus; aber gleichzeitig übertrug
man die Leitung der Kolonien nicht oder nur ausnahmsweise an
Fachbeamte und sah die Besetzung der dem Dienste entsprechenden
Posten hauptsächlich als günstige Versorgung politischer Günst-
linge an. Wo, wie in Brasilien, die Interessen der Parteipolitik für
das ganze Verwaltungswesen maassgebend sind, reicht die theoretische
Anerkennung eines Bedürfnisses nicht aus. um Maassnahmen hervor-
zurnfen, welche auf praktische Erfolge abzielen. Scheinmaassregeln
haben keine Wirkung, und es spricht für die natürlichen Vorzüge,
die Brasilien dem Kolonisten bietet, wenn trotz aller Misswirthschaft,
trotz aller begangenen Fehler die Kolonien dennoch schliesslich so
zu gedeihen vermochten, wie dies als Thatsacbe vor aller Augen
liegt. Dass unter der Herrschaft eines Systems, das man nicht
anders denn als vollständige Systemlosigkeit charakterisiren kann, die
Misserfolge gelegentlich nicht ausblieben; dass diese Misserfolge be-
rechtigte Klagen und unliebsames Geschrei hervorriefen ist klar,
und es kam ein Zeitpunkt, zu dem man entweder zu einem ratio-
nellen System übergehen oder die Sache ganz fallen lassen musste.
Man entschied sich für das letztere um so leichter und lieber, als
man am Sitze der administrativen und legislativen Zentralgewalt
der Sache der Kolonisation an und für sich nur sekundäre Wichtig-
keit beilegte.
Die wirthschaftliche Bedeutung, welche Brasilien im Weltver-
kehre erlangt hatte, beruhte auf der Grundlage einer fast ausschliess-
lich aus Sklavenarbeit resultirenden Produktion. Im engen Zusammen-
hänge mit dieser Erscheinung stand das ganze nationale Leben. Nur der
Sklave that körperliche Arbeit, der Freie im allgemeinen nicht. Die
Sklavenbesitzer bildeten eine feudale Kaste, deren materielle Glücks-
umstände ihnen politischen, administrativen und selbst juridischen
Einfluss verliehen, und zwar in so hohem Grade, dass die Interessen
des Staates oder der Allgemeinen in den Interessen der Pflanzer
nahezu vollständig auf- und untergingen. Das ganze Verwaltungs-
nnd Rechtswesen, Gewohnheiten, Volkssitten und Gebräuche, ja selbst
die nur aus rivalisirenden Cliquen ohne Devise oder erkennbare sitt-
liche Ziele bestehende Parteienbildung waren so vollständig den Inter-
essen der herrschenden feudalen Klasse angepasst, und das freie
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Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
Landvolk war gleichzeitig so schütz-, rechts- und besitzlos oder so ab-
hängig von den Brosamen, die von des Pflanzers Tisch fielen, dass
der selbstarbeitende Bauer mit seinen Ansprüchen anf Rechtsschutz
und eine Verwaltung, die seine Interessen wahrnimmt, eigentlich in
den Rahmen dieses Bildes gar nicht hineinpasste. Sein Stand hat
sich denn auch nirgends entwickelt, ausser, wo er in kompakter Masse
aufzutreten vermochte, d. h. wo noch keine sklavenbalteuden Pflanzer
zur Alleinherrschaft gelangt waren. In den Urwäldern von Rio
Grande, S. Catharina und Espirito Santo vermochte das Bauernge-
sc.hlecht sich noch kräftig zu entwickeln, in den dazwischen liegen-
den Provinzen Rio und S. Paulo und in Minas vermochte es gegen
die Uebermacht des Grossgrundbesitzes nicht aufzukommen (von sehr
vereinzelten Ausnahmen abgesehen).
Da die fendale Klasse das Parlament beherrscht, die Ministerien
stürzt und neubildet nnd die legislative Gewalt in Händen hat, so
begreift sich leicht, dass die Kolonisation, als man sie noch begün-
stigte, sich beim Feudalismus für alle begangenen Fehler nnd Sünden
zu bedanken hatte; und als man der Kolonisation den Garaus machte,
merkten die politischen Machthaber nicht, dass sie einen grossen
wirthsehaftlichen Fehler begingen, weil sie eben das Landesinteresse
mit den Interessen der Pflanzer und Sklavenhalter identitizirten. Diese
aber liess es vollständig kalt, ob die menschenleeren Urwälder in Rio
Grande und S. Catharina bevölkert wurden oder nicht. Die theo-
retische Anerkennung, dass für die neue Welt die Einwanderung
eine wirthschaftliche Nothwendigkeit sei, hatte also, wie gesagt,
durch die Kolonisationsära ihren vorübergehenden Ausdruck gefunden,
ist aber erst heute zur mehr praktischen Bethätigung geworden,
nachdem die Sklavenhalter durch die Emanzipation sich bei der
Grundlage ihres Wohlstandes, der Sklaverei, bedroht sehen und das
Bedürfniss nach Arbeitskräften durch den Import europäischer Ar-
beiter zu decken versuchen müssen. Damit bat aber die Einwande-
rung, wie man sie heute anlockt, einen ganz anderen Charakter ge-
wannen als die frühere. Dieser Charakter entspricht durchaus der
Lage der Verhältnisse, d. i. der Alleinherrschaft des feudalen Ele-
mentes und der ausschliesslichen Berücksichtigung seiner Interessen,
die für den Gang der Regierungs- und Verwaltnngsgeschäfte maass-
gebend sind. Nie war die Einwanderung nach Brasilien so stark
wie im Jahre 1887, in welchem über 50 000 Immigranten anlangten;
aber die Einwanderung, wie sie noch vor zehn oder zwölf Jahren
herkam. unterscheidet sich von der heutigen bedeutend. Heute will
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heutsch-brasilianische Betrachtungen. 89
man nicht kolonisiren. sondern die abnehmenden Sklaven durch Lohn-
arbeiter ersetzen.
Ist dies der Hauptzweck der Einwanderungspropaganda, welche
die Regierung unter dem Zwang der Umstände geschickt auf indi-
rektem Wege in Europa organisirt, hat. so muss die charakteristische
Veränderung der Situation auch eine von der früheren verschiedene
Einwanderung erzeugt haben. Znr Zeit der Kolonieengründnng kam
der deutsche Bauer her; heute, d. i. in der Periode des Arbeiter-
importes, langen die Schaaren der italienischen Akkordarbeiter an.
Vermeidet man es, abweichende Einzelheiten in Betracht zu ziehen,
und vergegenwärtigt man sich nur den Allgemeineindrnok des Ein-
wanderungsbildes von heute und früher, so hat man damit die
Grundcharakterzüge der Situation annähernd richtig gewonnen. Dies
zugegeben, fällt jede Berechtigung hin, die Gunst der Verhältnisse
schon heute als für deutsche Einwanderung wiedergekehrt zu er-
klären. Es wird indessen hinzugefügt werden dürfen, dass Anzeichen
einer bevorstehenden Besserung der Verhältnisse vorliegen, wovon
z. B. die Kontraktemeuerung, welche den in Dona Franeisca koloni-
sirenden Hamburger Verein betrifft, Zeugniss ablegt, so vereinzelt
dieser erste Schritt zu wiederkehrender Begünstigung des Klein-
grundbesitzes auch ist. Erwähnt man nun noch die Existenz einiger
wenigen sehr kostspieligen, aber sehr lässig arbeitenden offiziellen Ver-
messungskomraissionen, welche seit Abschluss der eigentlichen Koloni-
sationsära im Jahre 1878/79 diewenigeuanlangendenAckerbauerfamilien
zu lokalisireu haben, was in einer Weise geschieht, die eine zahl-
reiche Bauerneiuwanderung ansschliesst, so ist damit das Gebiet der
offiziellen Kolonisationsthätigkeit skizzirt. Eine deutsche Bauem-
einwanderung von vielleicht jährlich 2000 Seelen mag noch immer
relativ günstig in Rio Grande, Santa Catharina. Paranä und Espirito
Santo plazirt werden können. Deutsche Handwerker und Leute mit
Vermögen haben unter der Ungunst der Verhältnisse natürlich nicht
zu leiden, sobald es ihnen gelingt, ein günstiges Bethätigungsfeld
ausfindig zu machen; sie aber kommen hier weniger in Betracht,
da der Landrnann das Element hoher wirtschaftlicher Bedeutung ist,
welches den Grundstock, das Hauptkontingent für jede Landes-
besiedelung zu stellen hat. Die private Kolonisationsthätigkeit end-
lich nimmt, wo sie nicht, wie in Dona Franeisca, durch staatliche
Subvention erleichtert wird, naturgemäss den Charakter der Land-
spekulation an, die deswegen indessen keineswegs verdächtig zu sein
braucht: im Gegentheil sind viele Privatkolonieen viel schneller und
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90
Ueutsch-brrnsilianiscbe Betrachtnagen.
besser vorangekommen als die Staatskolonieen. Die blühendste
nnd grösste aller Privatkolonieen ist Säo Lonrengo in Rio Grande
do Sul.
Geht aus dem Gesagten die ziemlich geringe Bedeutung hervor,
welche heute Brasilien als Ziel deutscher Auswanderung hat, so
wird deshalb doch die wirthschaftliche Bedeutung nicht unterschätzt
werden dürfen, welche Brasilien trotzdem für Deutschland erlangt
hat. Die offizielle Statistik liefert über den Handelsverkehr des
Hafens Rio mit dem Auslande folgende Daten (wir erwähnen nur
die bedeutendsten Länder), welche das Jahr 1886/87 betreffen:
Herkunft oder Ziel der
Waarenwerthe. (Werthe in Gontos.)
Export % Import %
Vereinigte Staaten .... 62 912 = ca. 57 % 8 845 = ca. 8 , 6 ° o
Deutschland 13 914= , 12,6 , 13 002= „ 12,6 „
Grossbritannien 9 123= „ 8,3 , 43 758= , 42, s „
Frankreich 8 294= „ 7,s , 12 840= , 12,« „
Oesterreich 4 837 = , 4« , 193 = „ 0,ie ,
Belgien 2 627 = , 2,« „ 5 859 = , 5,j „
Argentinien 2 571 = . 2.j , 3 109= „ 3,o „
Portugal 1 553 = , 1 ^ , 6 904 = . 6,7 „
Italien 1 522= - I 4 „ 987= . 0,m,
Uruguay 782 = - 0,7 , 4 621 = , 4.» „
Indo-China — = - 0a> „ 1 013 = , l«o -
Canal (!?) 1 299=, — . - -
etc. etc. etc.
Alle zusammen 110524 Contos 102 842 Contos.
ln Bezug auf den Waarenaustausch übertreffen die Export-
werthe die Importwerthe um 7 682 Contos. Nimmt man für das
ganze Reich ein gleiches Verbältniss als ungefähr richtig an, so würde
man etwa 15 000 Contos erhalten. Das mag auf den ersten Blick
ziemlich günstig erscheinen, verwandelt sich aber sofort in ein De-
fizit, sobald man den Austausch von Geldwerthen mit in den Kreis
der Betrachtung hineinziebt. Im allgemeinen kann man sagen, dass
das Kapital eher die Neigung hat, sich aus Brasilien vor Kurs-
schwankungen und möglicher Entwerthung zurückzuziehen, als ein-
zuströmen, um rentable Anlage zu suchen. Aber die Flucht der
Privatkapitalien allein kann das Plus der Handelsbilanz nur wenig
schwächen, aus dem einfachen Grunde, weil sie nur relativ sehr
schwach vorhanden oder aber sehr schwer flüssig zu machen sind.
Das Defizit im internationalen Werthenverkehr resultirt aus anderen
Erscheinungen, welche sich ziemlich direkt auf die innerpolitischen
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Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
91
Misshandlungen als Erzengangsursachen zurückführen lassen, unter
denen das wirtschaftliche Leben der Nation leidet.
Sieht man sich die Budgetdelizits an, welche in den letzten
Jahren ungefähr je 30 000 Contos betrugen, so wird der Uneinge-
weihte theoretisch leicht zu dem Glauben veranlasst werden können,
die Ausgleichung des Defizits sei eigentlich nur eine Kapitalanlage,
die sich früher oder später rentiren werde; denn es wird durch
Bahnbauten und Zinsgarantieen für wirtschaftlich scheinbar wichtige
Unternehmungen veranlasst, wenigstens znm grössten Theile. Wenn
man also dementsprechend ausländische Kapitalien lieh, so hatte
dies zur Voraussetzung, dass die Förderung der wirtschaftlichen
Verhältnisse erhöhte Produktion und erhöhten Volkswohlstand schaf-
fen , wodurch mindestens ein Ausgleich erzielt werden müsste.
Welches kann aber dieser Ausgleich in einem Lande sein, das seine
Eisenbahnen und Zuckerfabriken mit fremdem Kapitale baut? Jeden-
falls wird er doch darin bestehen müssen, dass man lieferungsfahiger
in Bezug auf Landesprodukte wird, und diese erhöhte Liefernngs-
fähigkeit wird einen Gewinn begründen müssen, der im Verhiiltniss
zu den Zinsen steht, die man zu zahlen hat. Die Schulden müsseu
durch den Ertrag vermehrten Waarenabsatzes bezahlt werden, denn
im andern Falle würde man grössere Ausgaben als Einnahmen von
dem Geschäfte haben. Leider trifft dieser ungesunde Zustand auf
Brasilien zu, denn das Reich verausgabt (nach dem Voranschläge für
1888) jährlich:
an Zinsen für auswärtige Anleihe 16 322 Contos
„ Zinsgarantie für Eisenbahnen 8 205 „
„ „ „ Zuckerfabriken .... 300 „
zusammen 24 827 Contos.
Das Plus des Waareu Verkehrs betrug . . . 15 000 Contos
Unterbilanz im internationalen Werthenverkehr 9 827 Contos.
Die Kapitalanlage ist also unrentabel gewesen. Man arbeitet
seit Jahrzehnten mit Schaden. Diese Thatsaehe findet im inter-
nationalen Wechselverkehr darin ihren Ausdruck, dass der Kurs des
brasilianischen Papiergeldes stetig fällt, so lange die Regierung ihren
Zinsverbindlichkeiten durch Wechselrimessen von den nationalen
Geldmärkten aus uachzukommen versucht oder gezwungen ist. So-
bald sie jedoch sich in London Kredit verschafft, was natürlich früher
oder später unter der Form einer neuen auswärtigen Anleihe be-
glichen werden muss, und nun nicht mehr als Wechselkäufer auf den
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92
I leutseh -brasilianische Betrachtungen.
nationalen Geldmärkten anftritt, wendet sich der Werthenverkehr
momentan wieder zu Gunsten Brasiliens. Die Erscheinung findet
alsdann in steigendem Wechselkurse ihren Ausdruck. Die Bedeutung
dieses Verhältnisses kann aber nur sein, dass man darauf ange-
wiesen ist, die Zinsen für die gemachten Schulden durch neue Schul-
den zu bezahlen, soll nicht mit der Zeit eine vollständige Ent-
wertbung der brasilianischen Valuta eiutreten. Augenblicklich ist
der Kurs in flottem Steigen begriffen, weil man Kredit in Europa
gefunden hat.
Der Rückschluss auf die vielgewünschte Anlage deutschen Ka-
pitals in Brasilien ergiebt sich theoretisch von selbst. Man würde
dasselbe den unberechenbaren Werthschwankungeu des Brasilgeldes
aussetzen, sobald man nicht die altbewährte Praxis der gewitzigten
Engländer nachahmt. d. h. zunächst eine Garantie gegen die Kapital-
entwerthung sucht und erst nach ihrer Auffindung das Unternehmen
wagt. Von einer bedingungslosen Einströmung europäischen Kapitals
nach Brasilien kann begreiflicherweise keine Rede sein: und die her-
gelangenden Kapitalwerthe nehmen die Form der Warenlieferung
an, bei der die Preise in Uebereinstimmung mit dem Kurse schwan-
ken: oder es sind blosse, in Brasilien zu bestimmten Spekulationen
eröfl'nete Geldkredite; oder aber Anleihen an das Land zu festem
Goldkurse, resp. unter der Form der Zinsgarantie zur Anlage kom-
mende Kapitalien u. s. w. Auswärtiges Kapital kann auf den bra-
silianischen Kurs spekuliren oder in Diensten des internationalen
Wechselverkehrs mit Erfolg arbeiten, nicht aber ohne staatliche
Garantie eine bleibend sichere Anlage im Lande selbst finden.
Ein theoretisch berechtigter Einwand hiergegen ergiebt sich von
selbst, nämlich in Bezug auf den Erwerb von Immobilien. Ein
gutes Stadtgrundstück, eine günstig gelegene Kaffeepflanzung, billig
erstandenes Kolonieland u. dergl. mehr sichern allerdings mehr oder
weniger das darauf verwandte Kapital und zeigen wohl gar mit der
Zeit eine Zunahme des Kaufwerthes; es wird hierbei aber einen
grossen Unterschied begründen, ob der Besitzer mit seinem Kapital
einwandert, oder ob er in Europa bleiben und dort die Rente ver-
zehren will. Im letzten Falle ist diese Rente der W 7 erthschwankung
unterworfen, und nur im ersten Falle hat er Gelegenheit, von der
Erscheinung zu profitiren, dass der brasilianische Geldkurs haupt-
sächlich internationale Bedeutung hat und für den internen Verkehr
kaum merklich in Betracht kommt. Die Lebensmittel nationaler
Herkunft, die Hausmiethen u. dergl. waren zum Kurse von 17 d.
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deutsch -brasilianische Betrachtungen.
93
ebenso billig oder theuer wie heute zum Kurse von 25 d,, und nur
die in den internationalen Verkehr eintretenden Waaren stehen in
Bezug auf ihre Preise in begreiflicher Beziehung zum Kurse. Der
Schluss ergiebt sich von selbst. — Der Einwanderer, der Kolonist,
der in Brasilien eine dauernde Heimath sucht, kann mit der nöthigen
Umsicht den internen Werth seines Capitals sicher stellen; der im
Auslande verbleibende Kapitalist aber sieht seine Rente vom Wechsel-
kurse abhängig und kann für die besten und leichtverkäuflichsten
Immobilien nur auf einen internen Handelswerth rechnen, der sofort
eine Veränderung erleiden kann, falls das Kapital wieder in Be-
ziehung zum internationalen Kurse tritt (z. B. bei beabsichtigter
oder benöthigter Liquidirung und Zurückziehung des Kapitals).
Einem solchen Risiko setzt sich im allgemeinen das Kapital
nicht aus, und für eine Einwanderung von Kapitalisten bietet Bra-
silien des Anziehenden zu wenig. Der Geschäftsmann und der Ver-
gnügungsreisende schlagen hier vorübergehend ihr Quartier auf; und
es bleibt nur derjenige, dessen Interessen ihn dauernd binden. Von
Kapitalein Wanderung ist, nicht die Rede; wohl aber ergiebt sich von
selbst, dass im Lande gelungener Kapitalerwerb bei dem Ausländer
den Wunsch zeitigt, sich damit nach der Heimath zurückzuziehen,
deren gesellschaftliche und kulturelle Genüsse er vielleicht lange
entbehrt hat. Alle diese Umstände aber sind wohl geeignet, das
Defizit Brasiliens im internationalen Geldverkehre noch zu er-
höhen.
Der Grund, weshalb das in den Bahnen und Zuckerfabriken
steckende Anlagekapital nicht rentlrt, sei nur kurz erwähnt. Die
Bahnbanteu entsprachen entweder nicht den Bedürfnissen der Allge-
meinheit, sondern nur den Interessen innerpolitischer Grössen von
Einfluss: oder sie waren das Mittel zum Zweck der Bereicherung
der Konzessionäre. Die Zinsgarantien ermöglichten meistens einen
möglichst grossen Kapitalverbrauch für möglichst schlechte Anlagen.
Es wurden Bahnen in Wüsten hineingebaut und Zuckerfabriken ge-
gründet, die nach veraltetem System unrentabel arbeiteten; ja es
wurden sogar Fabrikeinrichtungen für ausschweifende Preise erworben,
die man bereits in Aegypten als unbrauchbar zurückgewiesen hatte.
Verwaltung und Fiskalisation wurden innerpolitischen Günstlingen
an vertraut, Laien, die nichts oder wenig verstanden; und überall,
wo es anging, schuf inan ein übermässig zahlreiches Beamtenheer,
das für gute Bezahlung möglichst viel faullenzte. Die Staatsbahnen .
waren besonders gut geeignet, zahlreichen Schützlingen Anstellung und
/
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94 Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
Brod zu schäften. Die Interessen des Publicums wurden vernach-
lässigt. Die Frachtpreise glichen Prohibitivmaassregeln gegen die
Produktion oder doch gegen den Transport und die Verwerthung der
Produkte, so dass viele billiger vom Auslande als per Bahn ans dem
Innern bezogen wurden. Kurz, die Unfähigkeit einer Verwaltung,
bei der nicht Fachwissen, noch Fachtüchtigkeit, noch Pflichtenerfüllung,
sondern iunerpolitische Konnexion die Anstellung und die Beförderung
der Beamten zu höheren Posten begründete, zeigte sieh in hellstem
Lichte — so hellem, dass sie überall statistisch nachweisbar ist.
Selbst die Ausbeutung einer Goldgrube läuft zum Schaden des Unter-
nehmers aus, wenn die Angestellten faullenzen oder den Ertrag selbst
aufbrauchen: um wie viel mehr wird es mit theilweise unpraktischen
und schlechtgeplanten Anlagen der Fall sein, die nicht im Interesse
des Staats, sondern nach Maassgabe des Interesses einer winzigen
ihn beherrschenden politischen Kaste gebaut wurden und unterhalten
und verwaltet werden.
Von den Privilegien, die jede heilsame Konkurrenz ausschliessen,
und anderen Uebelständen mag geschwiegen werden. Es dürfte der
Beweis erbracht sein, dass es in der Praxis gesammelte Erfahrung
war, was die Engländer bestimmt hat, Brasilien gegenüber den Grund-
satz zur Geltung zu bringen: „kein Geld ohne Garantie; mit dieser
mögt ihr wirthschaften, wie ihr wollt.“ Dieser dem Staat und seinen
Behörden gegenüber zur Anwendung gelangende Grundsatz verhin-
derte die Engländer natürlich nicht von sicherer Position aus alle
Vortheile wahrzunehmen, welche der internationale Verkehr zur Aus-
beutung darbot. Aus der oben angeführten Tabelle über Ausfuhr
und Einfuhr des Hafens Rio tritt uns der Beweis dafür überzeugend
entgegen.
42 I /a 0 o des gesammten Imports stammen aus England, das sich
aber am Bezug brasilianischer Produkte nur mit der winzigen Zahl
von 8,s °/ 0 betheiligt. Nun wird allerdings zu bemerken sein, dass
die gauze offizielle Handelsstatistik fehlerhaft ist. Die Herkunft der
Waaren wird in Brasilien nicht je nach den Productionsländern ge-
bucht, sondern nach den letzten Verschiffungshäfen. Sehr schlecht
kommt Deutschland weg, sowohl was den Import, als was den Export
betrifft, denn seine nach Brasilien gehenden Producte werden auch
in englischen, belgischen und französischen Häfen vielfach verschifft,
je nachdem es Konvenienz und Billigkeit der Frachtgelegenheit mit
sich bringt, und ebenso geht der brasilianische Export oft über die
Häfen anderer Länder nach Deutschland, dessen Bedeutung für Bra-
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I>eutsfh-l>rasilianische Betrachtuugeu.
95
silien also grösser ist, als die oben gegebenen Zahlen andenten;
am schlechtesten indessen fährt die Schweiz, welche für die brasi-
lianischen Statistiker überhaupt nicht vorhanden ist, obwohl Waareu
Schweizer Herkunft häufig genug auf dem Rio-Markte angetroffen
werden. Umgekehrt ist der Handel mit Grossbritannien, ganz be-
sonders aber der mit Frankreich und Belgien nicht so gross, wie
diese fehlerhafte Statistik ihn ansetzt. Wir haben es also in jedem
Falle nur mit Annäherungswerthen zu thun, doch auch diese sind
lehrreich. Betrachten wir uns, welche Länder wir wollen, so finden
wir bei allen, mit einer einzigen Ausnahme, dass Export und Import
ganz ungewöhnliche Unterschiede anfweisen. Die Vereinigten Staaten
beziehen 57 % des Exports, liefern aber nur 8, 6 % des Imports.
Grossbritannien wurde bereits erwähnt. Frankreich bezieht nur 7 1 / 2 °/o
des Exports, liefert aber 1 2,4 °/ 0 des Imports. Bei Oesterreich ist
das Verhältniss wie 4.4:0,1g; bei Belgien wie 2,4: 5,7; bei Argen-
tinien wie 2,g : 3; bei Portugal wie 1,4:6,75 bei Italien wie 1,4:0,9g:
bei Uruguay wie 0,7 = 4^: und bei Indo-China wie 0:1. Was man
sich von dem letztgenannten Thee- und Reislieferanten unter dem ge-
wählten Namen für eine geographische Vorstellung macht, dürfte über
Zweifel vielleicht nicht durchaus erhaben sein; und dass man den
„Canal“ als Ziel von Exportwaaren aufführt, ist eine einem lang-
jährigen Usus entsprechende charakteristische Eigentümlichkeit der
brasilianischen Statistik, die damit alle diejenigen in Verzweiflung
zu setzen pflegt, welche ein bestimmtes Land, nicht eine halb unbe-
stimmte Richtung in Erfahrung zu bringen suchen.
Wenn von Waarenaustansch zwischen zwei Ländern die Rede
ist, so wird das internationale Ideal desselben jedenfalls darin be-
stehen, dass jedes vom andern ebensoviel empfängt, wie es ihm liefert.
Keins der soeben genannten Länder entspricht diesem Ideale, nur
das nicht erwähnte Deutschland kann darauf Anspruch machen;
allerdings weniger vom deutschen Standpunkte aus, denn es bezieht
um 900 Contos (1 800 000 M.) mehr als es liefert; voll und ganz
aber vom brasilianischen Standpunkte aus, denn es betheiligt sich in
gleicher Proportion sowohl am Exporte wie am Importe. In Bezug
auf beide nimmt es mit 12,4% des Gesammthandels Theil. Es kann
dies als Beweis dafür aufgefasst werden, dass die Verkehrsbedürf-
nisse beider Länder mit einander sich nahezu haarscharf decken.
Was die quantitative Bedeutung betrifft, so ist Deutschland
sowohl in Bezug auf den Export wie auf den Import das zweitwich-
tigste Land, d. h. es hat in jeder Branche den zweithöchsten Werth.
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96
Deutsch -brasilianische Betrachtungen.
Die Rio-Zone liefert ihm besondere Kaffee, welches Produkt im Jahre
1886/87 folgende Werthe repräsentirte:
Enthülster Kaffee .... 12 969 Contos
Kaffee in easquinha . . . 482 „
» » cöeo 445 „
Zusammen 13 896 Contos
Da die Gesammtlieferung 13 914 Contos wertbet. so bleibt für
die anderen Produkte nicht viel übrig. Die Schuld liegt hauptsäch-
lich an den brasilianischen Verkehrsverhältnissen, durch welche die
meisten der zahlreichen Landesprodukte von den Weltmärkten ab-
geschlossen werden, da der Produzent die Transportkosten nicht er-
schwingen kann. Immerhin mag als sich entwickelnde Produktion
das vegetabilische Wachs erwähnt werden, das im Werthe von 11
Contos über Rio nach Deutschland zur Verschiffung kam. Hehr ge-
ring war die Ausfuhr von Minas-Tabak, nämlich nur im Werthe von
1 : 113 $. Aguardente werthete 1 : 372 •$. Die genannten und an-
dere Producte dürften unter gewissen Voraussetzungen einer bedeu-
tenden Entwickelung fähig sein.
Wer den Produktenreichthum Brasiliens kennt, wird sowohl über
die geringe Mannigfaltigkeit der zum Export gelangenden Produkte,
als auch über die ungemein schwachen Exportquautitäten staunen
müssen. Es sind Produkte die Hülle und Fülle da, welche ihrer
Natur nach in den internationalen Verkehr eintreten könnten; aber
die politischen und administrativen Missstände sind so gross, dass sie
der Ausbeutung und Verwerthung der Naturreichthümer hindernd im
Wege stehen und in den Hafenstädten überall fremde Waaren das
Feld behaupten, welche aus dem Innern ebenso gut geliefert werden
könnten, wenn nicht das Transportwesen zu kostspielig arbeitete,
sowie interprovinziale und munizipale Zölle und Abgaben nebst ad-
ministrativen Chikanen aller Art die Produkte derartig belasteten,
dass ihre rentable Verwerthung nahezu unmöglich wird Nur solche
Produkte, welche auf den Weltmärkten eine ganz ausnahmsweise
günstige Position haben, wie z. B. der Kaffee und im Norden der
Kautschuk, vermögen mit Erfolg am Welthandel Theil zu nehmen.
So kann die Rio-Zone z. B. an Deutschland beute eigentlich nur
Kaffee liefern, der ganze übrige Export dorthin nähert sich der Zahl
Null. In wiefern ausser den schon angegebenen Missständen auch
noch die Agrargesetzgebung an diesem Missverhältnisse Schuld ist,
mag späterer Beleuchtung überlassen bleiben. Jedenfalls tritt ein
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Deutsch -brasilianische Betrachtungen.
97
mächtiger Gegensatz za Tage, wenn wir mit der Einseitigkeit des
Exportes die Mannigfaltigkeit des deutschen Importes vergleichen,
der ein Beispiel dafür bietet, wie lieferungsfiihig ein Land werden
kann, in dem das Ziel der Verwaltung auf Förderung der wirt-
schaftlichen Blüthe gerichtet ist und jede Politik nebst ihr ent-
sprechender Parteienbildung nur unter der Voraussetzung Anerkennung
geuiesst und möglich ist, dass damit dem Allgemeinwohl gedient
werde.
Die hauptsächlichsten Importwaaren, welche Deutschland iui
Jahre 1886/87 auf den Rio-Markt geliefert hat. sind folgende:
Felle und Häute 160 Contos
Fleisch, Fische und Konserven in Oel 713 „
Früchte, Gemüse, Mehl und Zerealien 466 „
Sträucber, Bäume und lebende Pflanzen 344 „
Vegetabilische Säfte 457 „
Wohlriechende und Farbstoffe 183 „
Chemische und pharmazeutische Produkte .... 419 „
Holz 342 „
Baumwolle 3171 „
Wolle 2406 „
Linnen 511 „
Seide 205 „
Papier 698 „
Steine und erdige Substanzen 183 „
Steingut und Glas 289 „
Gold, Silber, Platin, Kupfer und Kupferlegiruugen,
Blei, Zinn, Zink etc 241 „
Eisen und Stuhl 322 „
Waffen 131 „
Musikinstrumente 165 „
u. s. w. u. s. w.
Wenn wir den Import von Fellen, Früchten, Pflanzen, vegeta-
bilischen Säften, wohlriechenden Essenzen, Holz u. dergl. mehr ins
Auge fassen, so schwebt einem jeden sicherlich die Frage auf den
Lippen: und wie viel liefert die Rio-Zone von allen diesen bei ihr
so ganz anders gearteten Sachen nach Deutschland? — Nichts, oder
so gut wie nichts. Nicht als ob nicht das Bedürfniss eines Aus-
tausches vorhanden wäre; nein, die Sache rentirt nur nicht in Bra-
silien, nnd audere tropische Länder haben es übernommen, diesen
Konsumszweig Deutschlands zu befriedigen.
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 7
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98
Deutsch -brasilianische Betrachtungen.
Fassen wir den Verkehr Oesterreichs mit Brasilien ins Auge,
so wird das Bild ein ähnliches sein, ausser dass der direkte Import
österreichischer Waaren nach dem Rio-Markte erst in der Entwicke-
lung begriffen ist, während der direkte Export sich bereits ent-
wickelt hat. Von den 4837 Contos des nach Oesterreich gehenden
Rio-Exportes entfallen 4822 Contos auf den Artikel Kaffee und 15
Contos auf behaarte Felle. Ein Kommentar ist überflüssig. Dagegen
zeigt der Import Mannigfaltigkeit.
Der Rio-Markt. bezog im Jahre 1886/87 aus Oesterreich unter
anderem:
Früchte, Gemüse, Mehl und Zerealien . 162 Contos
Vegetabilische Säfte 3 „
Holz 1 */s »
Papier 8 „
Steingut und Glas . 1 „
Eisen und Stahl 1 1 '/a „
Musikinstrumente 5 „
u. s. w. u. s. w.
An der Schweiz hat die brasilianische Zollbehörde leider einen
statistischen Mord begangen, indem sie dieselbe aus der Liste der
Verkehrsländer strich. Das Verhältniss des Produktenaustausches ist
in Bezug auf sie jedoch ganz dasselbe wie in Bezug auf Deutsch-
land und Oesterreich. Die Reihe der Länder mit deutschredender
Bevölkerung ist somit erschöpft, und die übrigen können hier nur
insoweit interessireu, als dem Ziele unseres Themas entspricht.
Oft ist im allgemeiiigültigen Sinne der Satz aufgestellt worden,
dass der Verkehr eines neuen Landes in gleichem Verhältnisse sich
nach anderen Ländern richte, wie es von diesem Einwanderer und
Bewohner empfangen hat. Nun ist richtig, dass der europäische
Kaufmann, der in Brasilien ein Geschäft gründet, möglichst bei den
ihm von früher her bekannten Bezugsquellen europäischer Waaren
bleiben wird; auch die Masse des eingewanderteu Volkes wird am
liebsten bei den alten Konsums-Gewohnheiten bleiben; und endlich
wird umgekehrt der brasilianische Exporteur mit Hilfe der ihm ge-
läufigen Verbindungen seine Artikel auf die auswärtigen Märkte zu
bringen suchen. Das alles wirkt aber nur unter der Voraussetzung
im tSinne einer Bestätigung des angedeuteten Satzes, dass eingewan-
derte Kaufleute und Volk aus einem Laude stammen, welches so-
wohl konsurn- wie lieferungsfähig ist.
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1 »putsch- brasiliauische Betrachtungen.
99
Brasilien ist hauptsächlich von Portugiesen bevölkert worden,
aber der Export nach Portugal beträgt nur 1 , / 2 Tausend Contos, d.
h. das Mutterland ist nicht konsumfahig. Es verbraucht für sich
und sein Hinterland Spanien diese wahrhafte Bagatelle von l*/ s Tau-
send Contos an Kaffee (Spanien bezieht direkt nur die geringfügige
Quantität Kaffee, welche dem Werthe von 247 Contos entspricht).
Dagegen stellen sich die von Portugal nach Rio kommenden Import-
werthe günstiger, nämlich auf annähernd 7,000 Contos. Sehen wir
uns die hauptsächlichsten Importwaaren an.
Es sind:
Häute und Felle 103 Contos
Fleisch, Fische und Konserven in Oel 316 „
Früchte, Gemüse, Mehl, Zerealien . 525 „
Vegetabilische Säfte 4,947 „
Sträucher, Bäume und lebende Pflanzen 418 r
Chemische und pharmazeutische
Produkte 233 „
Stroh, Gras, Fasern 111 „
u. s. w. geringere Summen.
Was liefert also Portugal hauptsächlich? Portwein — denn dar-
auf werden die „vegetabilischen Säfte“ wohl im allgemeinen hinaus-
laufen. Von den eigentlichen Industrieprodukten, Manufakturen
u. s. w., ist nichts Nennenswerthes zu entdecken; und selbst die
portugiesischen Pflastersteine (als brasilianisches Nationalprodukt aus
bereits bekannten Gründen sehr kostspielig) scheinen der Konkurrenz
ihrer aus Hamburg kommenden Kollegen nicht gewachsen zu sein.
Welche wirtbschaftlichen Fortschritte kann Brasilien von einem
Mntterlande zu machen lernen, das in der Reihe der importirenden
Nationen nicht nur nicht die erste und bedeutendste Stelle zu be-
haupten und zu bewahren gewusst hat, sondern zum 5. (schreibe:
„fünften“) Range herabgesunken ist. Die Vereinigten Staaten,
Deutschland, Grossbritannien und Frankreich stehen sämmtlich höher.
Unter den 13 Millionen Portugiesischredenden Brasiliens befin-
den sich einige Hunderttausend Italiener, unter der wenig zahlreichen
Fremdenbevölkerung der am stärksten vertretene Stamm, aber der
Export Rios nach Italien ist bescheiden (l'/ 3 Tausend Contos) und
der Import von dorther noch bescheidener (987 Contos). Italien
konsumirte 1886/87 für 1 */ 2 Tausend Contos Kaffee, der Rest der
Ausfuhr dorthin ist nicht der Rede werth gewesen. Unter den aus
Italien bezogenen Waaren sind erwähnenswerth :
H 552P°
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100
Deutsch- brasilianische Betrachtungen.
Fleisch, Fische und Konserven in Oel 162 Contos
Früchte, Gemüse, mehlige Stolle und
Zerealien 245 „
Vegetabilische Säfte 110 „
n. s. w. kleinere Summen
Die zweitstärkste Nationalität unter der Fremdenbevölkernng
sind die Deutschen und wenn durch sie der Konsum deutscher Pro-
dukte in gleich günstiger Weise befördert worden ist (was sich sta-
tistisch sicher nachweisen lässt), wie der Export nach Deutschland,
so liegt dies ebeu au der Leistung»- und Konsumfäbigkeit der über-
seeischen Heimath, welche mit Hilfe ihrer ausgewanderten Kanfleute,
Handwerker und Kolonisten immer zahlreichere Verbindungen in Bra-
silien anzuknüpfeu, die Güte der deutschen Waare zur Geltung zu
bringen und den Riesenkampf gegen die Fraukomanie siegreich auf
kommerziellem Felde auszufechten vermocht hat, so dass in Bezug
auf den Brasil-Export Frankreich heute zum vierten, und in Bezug
auf den Import zum dritten Range herabgesunken ist. Ohne die
kulturelle üeberlegenheit des deutschen Einwanderers anderen Rassen
gegenüber wäre dieser Erfolg unmöglich gewesen: und diese kulturelle
üeberlegenheit hindert ihn auch, die ihm von den Pflanzern angebotene
Rolle eines Lohnarbeiters auzunehmen; da er ja weiss, dass er in
andern Ländern der neuen Welt ein freier Mann auf eigenem Be-
sitze werden kann. Die Freipassagen der brasilianischen Regierung
locken ihn also nicht, denn er ist sich eben bewusst eine bedeuten-
dere Rolle spielen zu können, als man ihm in den Kaffeedistrikten
Brasiliens znmuthet.
Endlich wäre noch der Verkehr des südamerikanischen Kaiser-
reiches mit seinem Nachbar Uruguay zu erwähnen. Bei diesem
Punkte finden wir einen natürlichen Uebergang zum zweiten Theile
unseres Themas, der mehr den Provinzen und dem in ihnen leben-
den Deutschthume gewidmet sein soll; denn bei den Beziehungen zu
Uruguay tritt der mächtige Einfluss dieser Republik auf Handel und
Wandel in der Provinz Rio Grande do Sul, der schönen Heimath
vieler Deutschredenden, in hervorragender Weise zu Tage.
Der Rio-Export nach Uruguay ist ein unbedeutender, nur den
Werth von 782 Contos umfassender, wovon 480 Contos auf den Ar-
tikel Kaffee und 190 Contos auf den Tabak entfallen. Ausserdem
wäre höchstens noch die Ausfuhr von Gold- und Silbermünzen im
Werthe von 45 Contos zu erwähnen. Wenn man die günstige ma-
ritime oder geographische Lage von Rio ins Auge fasst, sollte man
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Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
101
meinen, von diesem Punkte aus müsste die kommerzielle Beherr-
schung der ganzen südlicher gelegenen Ostküste Südamerikas eine
Kleinigkeit sein; leider ist das nicht nur nicht der Fall, sondern es
tritt sogar die umgekehrte Erscheinung zu Tage, dass Montevideo
einen Theil des Kaiserreichs, sei es nun offen auf ehrlichem Wege
oder mit Hilfe eines wohlorganisirten Schleichhandels, beherrscht.
Die brasilianischen Staatsmänner gehen so vollständig in innerer
Politik unter, dass ihnen für Fragen wirtschaftlichen Interesses Sinn
und Verständniss fehlen. Man schlage eiueni Rio-Hause vor, einen Tran-
sithandel mit europäischen Waaren nach dem La Plata zu organisiren,
und es wird die Sache sofort nicht nur für unrentabel, sondern für
unmöglich erklären. Das brasilianische Verwaltungswesen mit Hafen-
und Zollbehörden ist nicht darauf eingerichtet, dass jemand aus der
erwähnten Gunst der geographischen Lage Rios Vortheil ziehen
könnte, gegenüber den viel praktischer regierten Orientalen (Be-
wohnern von Uruguay) und Argentinien. Dieser Theil des Themas
ist also abgeschlossen.
Der Rio-Impnrt aus Uruguay ist sechsmal grösser als der
Fixport, denn jener beträgt 4,621 Contos. Die hauptsächlichsten
Importwaaren sind:
Fleisch, Fische, Konserven in Oel . 2,272 Contos
F'rüchte, Gemüse, Mehlfrüchte, Zere-
alien 393 „
Gold, Silber, Platin, Kupfer und
Kupferlegirungen 1,865 „
Sträueher, Bäume u. lebende Pflanzen 17 „
Lebende und ausgestopfte Thiere . 52 „
u. s. w. u. s.w.
Der von dorther kommende Import nimmt also bereits einen
beinahe europäischen Anstrich an, wenn auch das Hauptimport-
produkt, die cantf svcca, jenes grässlichste aller in der Well
existirenden Lebensmittel ist, das in höheren Culturstaaten weder pro-
duzirt noch konsumirt wird. Die Orientalen sind in Bezug auf dasselbe
entschieden Konkurrenten der Riograudenser, ihrer nördlichen bra-
silianischen Nachbarn, welche mit ihrer unglücklichen Barre als
einzigen vorhandenen Wasserweg zu ihrem Seehafen Rio Grande dn
Sul so übel daran sind, dass Schifffahrt und Verkehr gefährlich,
periodenweise unmöglich und als Gesammtergebniss übermässig kost-
spielig sind. Da ist denn die Konkurrenz gegen sie eine leichte
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102
Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
Sache, woran selbst der kürzlich von Brasilien erhöhte Importzoll
an! came secca nicht viel geändert hat.
Sind die brasilianischen Importzölle also gegen ein konkurrirendes
Produkt nicht wirksam, so sind sie um so vortheilhafter für Uruguay
in Bezug auf eine Reihe anderer Produkte, welche die kleine Repu-
blik selbst wenig belastet, so dass dieselben mit grossem Profit über
die Grenze nach Rio Grande do Sul geschmuggelt werden können,
was in grossem Maassstabe geschieht. Dagegen hat die Einführung
eines Spezialtarifs für die südlichste Provinz wenig geändert, da die
Zollermässigungen nicht genügend waren und in Folge der Gefähr-
lichkeit der Barre die Waaren noch durch hohe Schiffsfrachten be-
lastet werden. Der legitime Haudel von Rio Grande do Sul, der
grosseutheils in deutschen Händen ist, leidet begreiflicherweise
schwer unter solchen Zuständen ; aber es ist ihm bis jetzt nicht
gelungen, den Ausbau der Barre und eine gute Grenzbewachung
gegen den Schmuggel durchznsetzen. Was geht die iunerpolitischen
Machthaber der Handel an, dessen Pflicht das Erlegen von Abgaben
ist, und dessen Recht auf Schutz in der Form von Selbstschutz ge-
wahrt werden mag, wenn sich dazu ein Weg findeu lässt. Giebt es
eiuen solchen Weg nicht, oder ist er nur mit Hilfe der Verwaltungs-
behörden betretbar, dann — lassen wir jede Hoffnung schwinden, wer
diesem Schicksal anheimfiel.
Im Herzen des Reichs ist alle politische und administrative
Gewalt zentralisirt. Die Phrase vom Patriotismus ist in den gesetz-
gebenden Körperschaften stereotyp; aus Patriotismus vernichtete man
die Verwaltungsmoral und die Zuverlässigkeit des Rechtsweseus. aus
Patriotismus baute mau Eisenbahnen und Zuckerfabriken in der ein-
gangs beschriebenen Weise, aus Patriotismus verhinderte man die
Entwickelung des ländlichen Mittelstandes und schuf ein Volk mit
30 000 Grossgrundbesitzern, 20 000 Advocaten und 10 Millionen
Proletariern; aus Patriotismus bestiehlt man sogar den Staat.
Die schlechteste aller Regierungsformen ist die Oligarchie, und
in Brasilien wechseln zwei innerpolitische Oligarchiegrnppen sich in
der unumschränkten Beherrschung des Landes, aller seiner Beamten
und seiner Einkünfte ab. Was bedarf es noch weiterer Erläuterungen,
warum es hier so schwer ist, irgend ein Unternehmen in Gang zu
bringen, dem die Gunst sich politischen Wind zu machen nicht zu-
fiel; aber eine Besserung der Verhätnisse ist deswegen keineswegs
ausgeschlossen. Der Brasilianer zeigt sich so, wie er ist, aus po-
litischer Gewohnheit; Bosheit dagegen liegt nicht im Volkscharakter.
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Deutsch-brasilianische Betrachtungen.
103
Das bewies der Gang der Abolition, die man seit Jahren mit
anerkennenswerthem Idealismus gefördert hatte. Mit der Aufhebung
der Sklaverei sind aber die Säulen, auf denen das ganze innerpolitische
System ruht, ins Wanken gekommen, denn der Feudalismus verliert
die Grundlage unter den Füssen, die ihm seine unzeitgemässe
Existenz und Entwickelung ermöglichte. Die Abolition ist daher als
der erfreuliche Anfang einer Reformbewegung zu hegrüssen , die
zwar zunächst nur soziale Bedeutung hat, deren Gang aber natur-
gemäss einen volkswirthschaftlichen Weg nehmen muss, sobald mau
erkennt, dass mit einer Gesetzgebung und einem Verwaltungssysteme,
das für Sklavenhalter berechnet war, sich ein Volk nicht mehr
regieren lässt, in dem die Sklavenhalter nicht mehr „die Nation“
sein können, weil keine mehr existiren.
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Der Antheil der deutschen Kriegsflotte
an der kolonialen Bewegung des Jahres 1887/88
innerhalb der deutschen Schutzgebiete.
*
Die Deutsche Kriegsmarine hat an der kolonialen Entwickelung
des Jahres 1887/88 insofern regen Antheil genommen, als sie das
deutsche Ansiedlerthum jenseit des Meeres mit ihrer Flagge da deckte,
wo ihm Gefahr drohte, dass sie dadurch das Gefühl der nationalen Zu-
sammengehörigkeit in demselben kräftigte, ihm einen festeren Rückhalt
im Ausland gab, und dazu beitrug, das Ansehen des Reiches in
•erneu Ländern und fremden Meeren zu heben und zu befestigen.
In erster Linie war das aus der Kreuzerfregatte Bismarck und
den Kreuzerkorvetten Carola, Olga und Sophie gebildete Kreuzer-
geschwader dazu berufen, den Erwerbsinteressen der deutschen
Schutz- und Kolonialgebiete seinen Schutz zu leihen.
Schon in den Sommermonaten des Jahres 1887 war die genannte
Flottenabtheilung von Sansibar kommend, in den Gewässern von
Samoa eingetroffen, und hatte sich sogleich nach Apia begeben, wo
in Folge der Gewaltthätigkeiten des Königs Malietoa ein Zustand der
Rechts- und Gesetzlosigkeit eingetreten war, der die dort ansässigen
Deutschen in Gefahr für Leben und Besitz brachte. Zum Schutze
der Fremden und des fremden Eigenthumes, wurde von den Schiffen,
nachdem sich König Malietoa geweigert, die geforderte Gcnngthuung
zu gewähren, ein starkes Detachement Matrosen gelandet, und die
Umgebung des Regierungsgebäudes in der Hauptstadt Mulinu besetzt.
Dank dieser Anordnungen und der Stationirung einer Sicherheits-
wache auf dem Grundstück des deutschen Ilospitales, legte sich die
Aufregung in der Bewohnerschaft. Die Korvette Carola erhielt als-
dann die Anweisung, mit zehn an Bord genommenen samoanischen
Häuptlingen die Küstenplätze der Insel Upolu und Tutuila zu be-
suchen, und die Proklamation, durch welche König Tamasese aner-
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Der Antheil der deutschen Kriegsflotte etc. 10 j
kannt wurde, sowie eine erste Kundgebung desselben zu verbreiten.
Mit dieser in kürzester Frist durchgeführten Maassregel war der
Anarchie, die unter dem bisherigen Regime herrschte, ein Ziel
gesetzt und der Bevölkerung die lang entbehrte Ruhe und Sicherheit
zurückgegeben.
Das längere Verweilen des Kreuzergeschwaders in den Gewässern
von Samoa hat dazu beigetragen wenigstens für eine gewisse Zeit
die Erwerbsinteressen der fremden Ansiedler dort, zu schützen, und
der Bevölkerung die Ueberlegenheit der deutschen Flottenabtbeilung
einzuprägen. Nach Einsetzung des Häuptlings Tamasese in die
Regierungsgewalt, und nach Ordnung der staatlichen Verhältnisse,
wurden die drei Schiffe Olga, Carola und Sophie dazu verwendet,
diejenigen Ortschaften auf den Inseln zu paziüziren, bezüglich da
die Ordnung herzustellen, wo sich die Bewohner gegen die neue
Regierung von Samoa auflehnten, oder wo es sonst zu Ausschrei-
tungen und Gewaltthätigkeiten gegen Besitz und Leben deutscher
Reichsangehöriger gekommen war. Auf einer dieser Fahrten hatte
namentlich die Korvette Sophie Anlass zum Einschreiten gegen einen
empörerischen Stamm, der sich weigerte, die neue Ordnung der
Diuge anzuerkennen, und dessen Angehörige sich an Deutschen ver-
griffen hatten. Gegen Ende des Jahres 1887 begab sich das Kreuzer-
geschwader, nachdem die ihm gestellte Aufgabe gelöst war, nach
Ostasien und trat dann von Singapore aus die Reise nach Sansibar
an, während Olga zunächst in der Südsee zurückblieb, im Juni d. J.
aber auch die Heimkehr antrat, und, ebenfalls über Singapore, den
Cours nach Sansibar nahm, wo sich die C’orvette dem inzwischen
daselbst versammelten Geschwader anschloss. Anfang August d. J.
befand sich dasselbe, und zwar zu jener Zeit bestehend aus den
Korvetten Leipzig (Flaggschiff), Carola. Sophie, Olga in Gewässern
von Sansibar. Im Laufe der Monate August und September traten
verschiedene Veränderungen bei dem Kreuzergeschwader ein. Die
Korvette Carola verliess Anfang September auf Ordre Sansibar und be-
gab nach sich Kapstadt. Die Korvette Olga verliess das Geschwader am
19. September d. J., um der ihr ertheilten Segelordre gemäss, zur
Verstärkung der auf der australischen Station weilenden beiden Fahr-
zeuge nach Samoa abzugehen. Das Schiff hat am 1. November
Batavia verlassen.
In den Gewässern von Sansibar befanden sich daher, als der
Aufstand in Ostafrika ausbrach, nur die beiden Korvetten Leipzig
und Sophie und der Kreuzer Möwe. Alle drei haben in die dort
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106 Der Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung
stattgefundenen Kämpfe wacker eingegriffen und den deutschen An-
siedlern an mehreren Stellen nach Kräften Hülfe und Beistand ge-
leistet. Ihrem rechtzeitigen Erscheinen ist es namentlich zu danken,
dass wenigstens einige der gewonnenen Küstenplätze von deu Deut-
schen gehalten wurden und in der Gewalt des Sultans von Sansibar
blieben. Das erste Schiff, welches zum Gefecht gegen die enipöri-
schen Stürme kam, war die Möwe. Dieselbe hatte sich in den
ersten Tagen des September nach Tanga begeben, um das von der
Mandabucht hier erwartete Kreuzer-Geschwader aufzusuchen. Das
höchst zweideutige Verhalten des Wali den Deutschen in Tanga gegen-
über. sowie die drohende Haltung der Bewohner bestimmte den Vor-
stand der deutschen Station, die Hülfe des Kreuzers in Anspruch zu
nehmen, welcher in Folge dessen am Abend des 5. September vor
dem Ort erschien und eine Jolle an Land setzte, nm Proviant für
die Besatzung zu besorgen. Da das Boot bei der Annäherung an
das Ufer mit scharfen Schüssen empfangen wnrde. kehrte es unver-
richteter Sache wieder zu dem Schiffe zurück. Am nächsten Morgen
sandte der Kommandant den Dampfkutter nach der Küste hiuiiber.
um sich über die Sachlage zu unterrichten. Kaum war derselbe im
Bereich der Schussweite, als von neuem von den Eingeborenen auf
die Insassen geschossen wnrde, zugleich überbrachten einige deutsche
Beamte, die einen Nachen bestiegen hatten, um sich an Bord der
Möwe zu begeben, die Nachricht, dass die Bevölkerung eine drohende
Haltung annehme. In Folge dessen wurden nunmehr Kutter und Jolle
mit einigen vierzig Mann besetzt und unter Führung eines Offiziers
am Laude ausgeschifft, während die Schiffsgeschütze ein Granatfeuer
gegen die Aufständischen cröffneten. Die sich schnell in eine
Schützenlinie auflösende Matrosenabtheilung postirte sich zunächst
hinter einer Erhöhung am Strande, etwa 250 Meter vom Feinde ent-
fernt. Als der letztere trotz der von Bord gesandten Granaten das
Gewehrfeuer aus Snider-Büchsen mit Explosionsgeschosseu weiter
unterhielt und auf einer Anhöhe, auf welcher das Haus des Wali
stand, eine Kanone nach dem Schiff gerichtet wurde, liess der Führer
der Matrosen den Hügel stürmen und warf mittels heftigen Schnell-
feuers die Araber zurück. Bei der darauf angestellten Durchsuchung
der Häuser, aus denen geschossen worden, wurden zehn Eingeborene
getödtet, die sich mit bewaffneter Hand widersetzt hatten. Der Wali
konnte nicht ausfindig gemacht werden; er war mit den Arabern
landeinwärts geflüchtet und kehrte auch nach der Abfahrt der Möwe
nicht zurück.
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des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete.
107
Nachdem sich die Landungsabtheilung au Bord der Möwe zurück-
gezogen hatte, verliess diese den Hafen, nm ihre zwei Verwundeten
nach Sansibar zu überführen.
Am 7. September kam Admiral Deinhardt mit den Schilfen
Leipzig und Olga nach Tanga, wohin sich auch die Möwe wieder
begab. Der Geschwaderchef beschloss, in der folgenden Nacht einen
neuen Versuch zur Aufhebung des rebellischen Wali machen zu lassen.
Letzterer war indess bereits entflohen. Am 24. September musste
die Korvette Leipzig der von den Aufständischen angegriffenen
deutschen Niederlassung in Bagamoyo Hülfe bringen. Auf die vom
Lande her gegebenen Nothsignale sandte die Leipzig in Böten ein
Lardungsdetachement nach dem Ort, das vom Strande her heftig
beschossen wurde. Die Korvette erwiderte dieses Feuer mit ihren
Geschützen, während die Mannschaften, nachdem sie gelandet, die
Rebellen in die Stadt zurücktrieben, wo sich ein lebhaftes Strassen-
gefecht entwickelte. Die Araber verliessen dieselbe und zogen sich
in Unordnung landeinwärts zurück, gegen Hundert Todte und Ver-
wundete auf dem Platze lassend. Darauf begab sich das Landungs-
detachement wieder an Bord des Flaggschiffes, bis auf einen Offizier
und 30 Mann, die am Lande zum Schutz der Station verbliebeu.
Am 1. November bombardirte die deutsche Corvette Sophie
das nördlich von Bagamoyo gelegene Dorf Whindi, dessen Einwohner
den Aufständischen in Bagamoyo Waffen, Munition und bewaffnete
Sklaven geliefert hatten. Dann landete eine Abtheilung Matrosen
und äscherte das Dorf ein.
ln der Zwischenzeit stationirten die genannten Schiffe, zu denen
am 6. November noch die aus Kapstadt zurückkehrende Carola
stiess, an den am meisten vom Aufstand bedrohten Hafenorten, um
durch ihr Auftreten die fanatisirten Eingeborenen in Schach zu halten.
Noch nicht aufgeklärt ist allerdings, wie es geschehen konnte, dass
fast im Angesicht der vor Kiloa ankernden Möwe die dort stationirten
Beamten der Deutsch-Ostafrikanisehen Gesellschaft ermordet werden
konnten.
Auf Grund des zwischen Deutschland und England getroffenen
Abkommens, dem Sklavenhandel und der Waffeneinfuhr durch eine
Absperrung von der Seeseite her ein Ende zu machen, wurden die
in Ostafrika versammelten Schiffe im Laufe des Monats Dezember
zum Blokadedienst herangezogen.
Nach dem Uebereinkommen vom 2. Dezember soll zunächst Eng-
land in dem unter seine Interessensphäre gestellten Theil der ost-
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108 l>er Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung
afrikanischen Rüste von Kipini bis zum Umbe and Deutschland in dem
durch den Vertrag der Deutsch-Ostafrikanisehen Gesellschaft mit dem
Sultan von Sansibar der deutschen Zollverwaltung überlassenen Küsten-
saum von Tanga im Norden bis hinab zur Grenze der portugiesischen
Besitzungen südlich von Kiloa eine strenge Blokade durchführen,
um den Sklavenschmuggel zur See zu verhüten. Unter allerlei
Vorbehalten scheint sich Frankreich in seiner Eigenschaft als Schutz-
macht über einen Theil von Madagaskar der deutsch-englischen Aktion
anschliessen zu wollen. Das gleiche geschah von seiten Portu-
gals, von dessen ostafrikanischer Küste noch immer ab und zu
Sklaven ausgeführt werden. England will seine Kontrole noch weiter
ausdehnen bis Snakim, sodass die ganze Ostküste von Afrika, über
welche bisher die arabischen Händler schwarze Menschenwaare aus
dem Innern verfrachtet haben, fortan unter Blokade der Kreuzer der
europäischen Seemächte gestellt erscheint
Wie schon gesagt, sind deutscherseits zunächst die unter dem
Befehl des Contreadmirals Deinhardt bereits in den Gewässern von
Sansibar befindliche Kreuzerfregatte Leipzig, die Kreuzerkorvette
Carola, Sophie und der Kreuzer Möwe zum Blokiren bestimmt. Zu diesen
werden in nächster Zeit hinzutreteu der Kreuzer Schwalbe und der
Aviso Pfeil, sodass etwa Ende des Jahres sechs deutsche Kriegsschiffe
in der Blokadelinie standeu. Der Aviso Blitz soll uachfolgen.
Die einen besonderen Schiffstyp repräsentireuden Kreuzerfregatte
Leipzig ist mit einer artilleristischen Armirung und einer numerisch
genügenden Besatzung versehen, um den Kampf mit kleineren Schlacht-
schiffen aufzunehmeu und um mit ihren Batterien grösseren Bombarde-
mentsaufgaben entsprechen zu können. Die „Leipzig“ führt zwölf
1 7 cm - Geschütze , von denen zehn in der Batterie und zwei auf
dem Oberdeck installirt sind, welch letztere vermöge der eingezoge-
nen Formen des Vorder- und Hintertheiles des Schiffes direkt vor-
aus oder rückwärts zu feuern vermögen. Um dem Schiff’ die Fähig-
keit zu geben, ohne Benutzung der Dampfkraft unter Segel zu kreuzen
und längere Reisen zu rückz ulegen, hat dasselbe grosse Volischiffstake-
lung. Leipzig hat eine Geschwindigkeit von 15 Knoten in der
Stunde und führt Proviant auf drei Monate und Wasser auf vier
Wochen, das jedoch durch den an Bord befindlichen Destillirapparat
immer ergänzt werden kann, mit sich. Die Besatzung besteht aus
434 Mann.
Die Korvette Carola ist ebenso wie ihr Schwesterschiff, die
Korvette Sophie, nach dem Zellensystem gebaut und hat eine Ein-
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des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete.
109
theilung in wasserdichte Schotte, um bei einem Leck ein vorzeitiges
Sinken za verhüten. Die Bestückung besteht bei beiden in acht
15 cm - Stahlkanonen aaf Deck (auf jeder Seite vier) zwei 8 cm-
Geschützen im Bug und zwei Jagdgeschützen kleineren Kalibers im
Heck. Die Maschinen sollen den beiden Schiften 14 Knoten Fahr-
geschwindigkeit geben. Beide Corvetten können Proviant auf zwei
Monate und Wasser auf 15 Tage mit sich führen. Die Besatzung
jeder derselben zählt 267 Mann. Der Kreuzer Schwalbe führt
acht 10 cm - Kanonen neuester Construction und ausserdem noch
einige Mitrailleusen. Er ist ein sehr flinkes, manövrirfähiges Schiff
von ungefähr 1200 Tons Deplacement und 1500 Pferdekräften. Die
beiden Maschinen sollen dem Kreuzer eiue Geschwindigkeit von 14
Knoten geben. Schwalbe ist der Bestimmung als Statiousschiff
entsprechend, für den Aufenthalt in tropischen Kliraaten eingerichtet
und nach dem Compositesystem erbaut. Die Besatzung zählt 1 14 Köpfe.
Der Kreuzer Möwe ist ein eisernes Kanonenboot von kleineren
Dimensionen als Schwalbe, sein Deplacement beträgt nur 848 Tons.
Bewehrt ist er mit einer 15 cm-Mantelkanone nnd mit vier 12 cm-
Kingkanonen: bemannt ist er mit 128 Matrosen.
Die beiden Avisos Pfeil und Blitz, bei deren Bau grosse
Fahrgeschwindigkeit und Beweglichkeit in erster Linie stand, sind
artilleristisch weniger stark ausgerüstet. Sie führen beide ein aut
der Back aufgestelltes, direkt feuerndes 12*/2 cm -Geschütz, das
nahezu den ganzen Horizont bestreichen kann. Auf dem Achterdeck
sind ausserdem zwei 8 Cmtr. Kanonen in Gelenklafetten plaeirt. Be-
setzt sind die Avisos mit je 128 Mann. Das Material, aus dem der
Festigkeit des Baues wegen der Schiffskörper hergestellt wurde, ist
Flusseisen.
Fasst man die vorstehend aufgeführteu Schiffe zusammen, so
stellen dieselben eine Gesammtmacht von ungefähr 60 Geschützen
und 1466 Mann dar. Selbstverständlich musste bei der Zusammen-
setzung des Blokadegeschwaders, namentlich auf Schiffe mit geringem
Tiefgang. Rücksicht genommen werden, deren eine zu dergleichen
Operationen verwendete Flottenabtheilung nicht entrathen kann. Gerade
vor der Küste des ostafrikanischen Festlandes breiten sich an vielen
Stellen Korallenbänke aus, welche Fahrzeugen von grösserem Tief-
gang die Annäherung an das Land erschweren und unmöglich machen,
während andererseits ein Aussetzen von Böten durch diese Hindernisse
sehr gefährdet ist. Es dürfte diese Küstenbeschaffenheit auch einer der
Gründe gewesen sein, welcher die Aktion der Möwe vor Kiloa lähmte.
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110 Der Anthei! der deutschen Kriegsflotte au der kolonialen Bewegung
Von den beiden Fahrzeugen, welche in den Jahren 1887/88 die
australische Station besetzt hielten, nahm nächst dem Kreuzer
Albatross, der Aviso Adler die deutschen Interessen nachdrück-
lich unter seinen Schutz und trug dazu bei, in der Bevölkerung der
deutschen Schutzgebiete und unter den Vertretern der dort sich ge-
deihlich entwickelnden deutschen Erwerbsinteressen, das Vertrauen
zu dem kräftigen Arm der vaterländischen Seemacht zu heben.
Der Beginn der verdienstlichen Thätigkeit des genannten Schiffes
unter seinem Führer Korvetten - Kapitain von Wietersheim, mit
einer Besatzung von 4 Offizieren, 130 Mann, fällt noch in das Ende
des Jahres 1886. Der Adler war am 2. November 1886 von den
Salotnonsinseln, auf denen er damals nach Erklärung des deutschen
Protektorats die Flagge gehisst hatte, in Matupi (in der Blanchebai,
Neu-Britannien) angekommen, von dort am 21. November nördlich
nach der Insel Nusa (vor der Nordwestspitze von Neu-Irland gelegen)
abgegaugen, hatte dann die isolirten und sehr wenig bekannten
Anachoreteninseln besucht, und war gegen Weihnachten auf der
Station Finschhafen (in Kaiser Wilhelrasland) eingetrolfen. Auf seinen
Kreuzfahrten im Bismarck-Archipel erledigte der Aviso den Auftrag,
die Bewohner des Dorfes Capsn an der Nordküste der Insel Neu-
Mcckleuburg (Neu-Irland) für die Ermordung eines deutschen Händ-
lers und die Beraubung und Niederbrennung einer dem Hause Herns-
heim & Co. gehörigen Faktorei zu züchtigen. Da die Insulaner sich
weigerten, die Mörder auszuliefern, hatte der Adler eine Abtheilnng
von 60 Mann gelandet, welche trotz der grossen Schwierigkeit, die
das Klima und die Bodenverhältnisse, namentlich ein fast undurch-
dringlicher Wald, dem Einschreiten entgegensetzten, die Frevler streng
bestrafte und mehrere der gut bewaffneten und aus Hinterhalten
heraus Widerstand leistenden Eiugeboreuen tödtete. Während der
etwa 14 Tage dauernden Expedition in das Innere der Insel, bei der
die Mannschaft wiederholt achtstündige Tagesmärsche in derTropen-
hitzo zurückzulegen hatte, w urde dieselbe mehrere Male von den auf
der niedrigsten Stufe der Gesittung stehenden Wilden mit Snider-
büchsen und mit Pfeilen beschossen. Der Aviso bewarf während
der Abwesenheit des Landesdetachements die von den räuberischen
Stämmen bewohnten Ortschaften, soweit dieselben vom Meere aus
erreichbar waren.
Der Kreuzer Albatross unternahm vor Verlassen der austra-
lischen Station eine Kekognoszirungsfahrt durch das Schutzgebiet
der Marschallinscln, mit dem Heichskommissar Dr. Knappe an Bord.
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des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 111
Bei derselben gelang es, einige nähere Informationen über die Natur
und die wirthschaftlichen Verhältnisse dieses kleinsten der deutschen
Protektoratsbezirke einzuziehen, in welchem die Handels- und Plan-
tagengesellschaft der Südsee und die Firma Robertson & Hörns-
heim seit längerer Zeit Handelsstationen angelegt haben.
Der gesammte Marschall-Archipel besteht aus etwa 30 soge-
nannten Atollen, d. h. ringförmigen Korallenbänken, auf welchen
sich wiederum mehrere Inseln gebildet haben. Letztere sind in
jedem Atoll besonders benannt, ihre Namen sind den Eingeborenen
auch bekannt, für den Europäer würde es unwichtig sein, die Namen
dieser einzelnen Inseln festzusetzen und sich dieselben anzueignen.
Der Eingeborene benennt das Atoll nach der wichtigsten der auf ihm
liegenden Insel. Neben dem einheimischen Namen besitzen die Atolle
noch einen fremdländischen, welchen ihnen die Seefahrer der ver-
schiedenen Nationen gegeben haben.
Die auf dem Korallenriff sich erhebenden Inseln sind selten über
6 m hoch, auf den nördlichen Atollen trifft man höhere Inseln. Die
Vegetation ist sehr gering, und besteht vornehmlich aus der Cocos-
palrne, dem Pandanus und Brodfruchtbaum und hin und wieder
einem Melonenbaum. Der Bodeu ist mit Buschwerk, Schlingge-
wächsen aller Art bedeckt; auch wächst die Taropflanze und auf
den nördlicheren Inseln die Arrowroot in grosser Menge.
Von Blumen wächst eine schöne kaktusartige Pflanze, welche eine
der Lilie ähnliche weisse stark riechende Blüthe trägt. Diese Blüthe
und die Blüthe desMeloneubaums nehmen die Eingeborenen als Schmuck
in das Haar, um den Hals und in die Ohrlappen. Der Fremde
zieht auf eingeführter Erde Kürbisse, Gurkeu, Gemüse und einige
Blumensorten, auch gedeiht bei richtiger Behandlung die Banane,
wenn auch spärlich.
Die einheimische Thierwelt besteht aus einer kleinen Eidechse,
Land- und Wasserkrabben Von Vögeln kommt eine Art Regen-
pfeifer und Strandläufer, jedoch nur in geringer Anzahl, vor.
Eingeführt sind Schweine, Hühner, Enten, Hunde, Katzen, auch
sind Ratten auf den Inseln zu treffen. Die Thiere verwildern sehr;
das Fleisch der Hühner, Enten und Schweine hat einen etwas süss-
lichen Geschmack, da die Thiere hauptsächlich mit Cocosnussabfällon
gefüttert werden.
Durch die Missionare ist den Eingeborenen ein wenig Lesen
und Schreiben beigebracht, und die Sprache wird dem Laute
nach in lateinischen Buchstaben niedergeschrieben. Eine Folge und
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112 Uer Antheil der deutschen Kriegsflotte au der kolonialen Bewegung
Nachtheil der Lautschrift zeigt sich häufig darin, dass Eigennamen.
Benennungen u. s. w. sehr oft verschieden auf dem Papier nieder-
geschrieben werden, da sie dem einen anders klingen als dem andern.
Als Geld ist der Dollar und englische Schilling im Umlauf, das ein-
heimische Geld ist eigentlich die Cocosnuss bezw. die aus dieser
gewonnene Kopra. Wenn man die Bevölkerung der Marschall-Inselu
klassifiziren will, so sind zwei Hauptklassen zu unterscheiden: die
Besitzlosen und die Besitzenden. Die Besitzenden oder Häuptlinge
sind, je nach Grösse ihres Besitzes, kleine oder grosse Häuptlinge.
Aus den grossen Häuptlingen, die grösstentheils unter einander eine
gewisse Verwandtschaft auffinden können, geht schliesslich der König
oder mächtigste Häuptling hervor. Die Häuptlinge haben das Recht,
mehrere Frauen zu halten ; der besitzlose Eingeborene darf nur eine
Frau zur Zeit haben und darf nie die Frau eines Häuptlings nehmen,
während umgekehrt der Häuptling sich jederzeit die Frau des Besitzlosen
aneignen kann. Auch kann eine einer Hänptlingsfamilie ungehörige
Frau einen Besitzlosen zu ihrem Manne erwählen und erhebt ihn
gleichzeitig dann zu ihrem Stande empor. Ihr Vermögen geht nach
ihrem Tode auf ihre Kinder, jedoch nie auf den Mann über. So
willkürlich meistens mit den Frauen verfahren wird, so haben sie
doch dadurch einen grossen Einfluss, dass die Erbfolge eine weib-
liche ist. Ebenso wie die Frauen ihr Vermögen nur ihren Kindern
vererben, so werden letztere auch nur durch ihre Mütter hochgeboren.
Für die Rangstufe eines Kindes entscheidet stets der Stand, dem
die Mutter angehört. Ist die Mutter eine Häuptlingsfrau, so ist das
Kind ebenfalls Häuptling u. s. w. Der Besitzlose muss im Allge-
meinen sechs Monate im .Fahre für den Besitzenden arbeiten, d. h.
die Oocosnüsse von den Bäumen des Besitzenden einernten. Dafür
giebt ihm der Besitzende ein Stück seines Landes, auf dem er sich
seine Hütte bauen und dessen Erzeugnisse (Brodfrucht, Pandanus.
Taro) er zum Lebensunterhalt nehmen kann. Nur die auf diesem
Stück Land stehenden Gocoebäume gehören dem Besitzlosen nicht.
Während der übrigen sechs Monate des Jahres schlägt der Besitz-
lose die Cocosnüsse für sich selbst ab. muss aber hiervon seinem
Häuptling hin und wieder noch Abgaben liefern. Der König oder
erste Häuptling einer oder mehrerer Inseln geht aus den reicheren
Häuptlingen dieser Insel oder Inseln hervor. Er ist gewöhnlich der
reichste, der den grössten Grundbesitz und somit das meiste Anrecht auf
die Insel hat. Durch den grössten Grundbesitz ist ihm in Folge
des oben erklärten Verhältnisses die grösste Macht gegeben. Ver-
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des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete.
113
steht er es ferner, sieh einen Anhang unter den anderen grossen
Häuptlingen zu verschaffen, dieselben von sieh abhängig zu machen,
so ist er sicher in seiner Stellung. Ueberwirft er sieh jedoch mit
einem oder einigen grösseren Häuptlingen der Insel, oder erwirbt
ein anderer Häuptling durch Geschenke oder Versprechungen eben-
falls einen grossen Anhang, so versucht Letzterer, den ersteren
Häuptling aus seiner Stelluug zu verdrängen. Auf diese Weise
kommt es oft zu Streitigkeiten. Die Erfolge der Missiousbestre-
bungen auf den Marschall-lnseln sind sehr zweifelhafte. Die weissen
Mi ssionare, welche die Mission auf den Inseln eingerichtet haben,
sind von dort fortgezogen und nach anderen Inseln der Südsee ge-
gangen. Sie haben ihre Thätigkeit Eingeborenen überlassen. Etwa
7,o der Gesainmtbevolkerung ist zum Christenthum bekehrt, d. h.
die Eingeborenen haben gelernt, Gebete und Sprüche in fremder
uud auch wohl eigener Sprache herzusagen, ohne dass sie den Sinn
davon verstehen. Die Missionare haben den Bekehrten auch mitunter
Predigten in der Landessprache gehalten, obgleich das Gerücht geht,
dass sie sehr wenig von letzterer verstanden haben: eiue Bibelüber-
setzung in der Landessprache ist bis jetzt noch nicht herausgckommen.
Für das Seelenheil der Eingeborenen haben die Missionare bisher
verhältnissmässig wenig gethan.
Die Rundfahrt, des Albatross durch das Schutzgebiet der
Marschallinselu gab auch den entsandten Offizieren und Beamten
Gelegenheit, einige Auskunft über die dortigen Arbeiterverhältnisse
zu gewinnen, welche die Ausbeutung der an Cocospalmeu so reichen
Inselgruppe bisher hindern und erschweren. Nach einen, kurzen
Aufenthalt auf Jaluit, der Hauptiusel, die nunmehr auch den Sitz
der neu begründeten Jaluitgesellschaft abgiebt, nahm der Kreuzer
den Weg nach Australien über N'eu-Britanuien , und trat dann über
Brisbane, Sidney, Cooktown und Batavia die Rückreise nach der
Heimath an, woselbst er im April d. J. eiutraf.
An Stelle des in die lleiinath zurückgekehrten Kreuzer
Albatross, trat das Kanonenboot Eber im Frühjahr d. J. dem
Aviso Adler an die Seite. Beide Schiffe haben seit dem Monat
April die Samoagruppe nicht verlassen, uui bei dem unsichern, in
jedem Augenblick von inneren Parteikämpfen und von Aufständen
bedrohten staatlichen Regiment, zum Schutz und zur Verteidigung
der dort ansässigen Deutschen und der dortigen Kulturanlagen zur
Hand zu sein. Ihr Hauptstationspunkt war demnach Apia, die
Hauptstadt des Reiches Samoa, woselbst bekanntlich die deutsche
■Uhrbuch für Deutsch* Kolonialpolitik. $
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] 14 Der Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung
Handels- und Plantagengesellschaft der Siidsee ausgedehnten Plan-
tagenbau und Handel mit Kopra, Baumwolle und einigen tropise,hen
Nntzptlan/.en treibt.
Das Königreich Samoa ist eine Schöpfung der Diplomatie oder
vielmehr der Vertreter Deutschlands. Englands und der Vereinigten
Staaten, die den Auftrag hatten. Einrichtungen zu treffen, um dem
Jahre langen Kriegführen ein Ende zu machen. Diese Bestrebungen
sind indess nicht nur nicht von Erfolg gekrönt gewesen, sie haben im
Gegentbeil dazu beigetragen, einen Zustand dauernder Verwirrung
hervorzurufen.
Unglücklicher Weise haben die politischen Angelegenheiten von
Samoa ein sehr grosses praktisches Interesse für viele Engländer und
für viele Deutsche. Das Klima und die Fruchtbarkeit der Inseln
lockten seit langer Zeit viele Ansiedler und Händler an. Deutsche
Kauflente genossen eine Art Monopol und sie besitzen noch heute
einen grossen Theil eines Handels, der, wenn auch nicht sehr be-
deutend, doch lohnend ist. Nach dem parlamentarischen Be-
richte vom vorigen Jahre kamen auf das Jahr 1885 92 deutsche
Schiffe mit 19 896 Tonnen und 35 britische Schiffe mit 3799 Tonnen.
Ein- und Ausfuhr für deutsche Rechnung belief sich auf 119 000Pfd.
Sterling, für die britische auf 10 IKK) Pfd. Sterling. Der Handel,
welcher früher sich auf den Austausch von billigem Calico, Eisen-
waaren und Tabak gegen Cocosuussöl oder Kopra beschränkte, ist
neuerdings bedeutend erweitert durch die Ausdehnungen der Pflanzungen,
und diese befinden sich ausschliesslich in deutschen Häudeu. In der
Geschichte dieser Industrieen liegt das Geheimuiss der Wichtigkeit
von Samoa für Deutschland und England. Im Jahre 1K69 wüthete
ein Krieg auf Upolu. Die einheimischen Kämpfer verlangten Feuer-
waffen und deutsche Händler konnten sie liefern, wollten sie aber
nur für Land hergebeu und darauf wurde der Landerwerb zu einem
wahren Fieber. In den Jahren 1869 bis 1872 wechselten etwa
100 100 Acres den Besitzer. Viel Land kam bei dieser Gelegenheit
in die Hände des weissen Mannes und zwar auf einem Wege, der
mit Unrecht als Kauf bezeichnet wird.
Es leben gegenwärtig in der Samoagruppe 127 Deutsche, 62
Engländer, 26 Amerikaner, 17 Franzosen und 13 Chinesen.
Apia, der Haupthandelsplatz derselben ist zugleich der Zentral-
punkt des deutschen Handels und der deutschen Interessen in der
ganzen Südsee. Von dem ganzen Areal dieser Inseln, d. h. von
3000 Quadratkilometern sind über 600 Quadratkilometer durch uu-
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des Jahres 1887/86 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 115
antastbare Besitztitel deutsches Eigeuthum und werden seit 188:»
von deutschen Pflanzern kultivirt. Produkte dieser Pflanzungen siud
vor allem Kopra und Baumwolle, und neuerdings auch Kaftee. Die
Pflanzungen haben ausserdem Versuchsstationen für Kakao, Ipeca-
cuauha und Chinchona errichtet, und versprechen sich auch von diesen
den besten Erfolg. Die Plantagen werden durch 1100 importirte
Melanesier bearbeitet, für deren Zivilisirnng der mehrjährige Aufent-
halt auf den Samoainseln unter der humanen Aufsicht deutscher
Pflanzer von grösserem Nutzen ist als zwanzigjähriges Singen und
Beten mit englischen Missionaren. Vier Fünftel des gesummten Im-
ports nnd Exports ferner sind in den Händen deutscher Firmen; es
residirt in Apia ein deutscher Generalkonsul, der sich aber in der Muni-
zipalität von Apia den Engländern und Amerikanern gegenüber, die
weder rechtsgiltige Besitztitel noch Pflanzungen, noch irgendwie
andere uennenswerthe Interessen in der Samoagruppe haben, in einer
wenig beneidenswerthen nnd von den Launen der Konsuln der ge-
nannten Mächte abhängigen Stellung befindet, da diese Herren statt
der durch die Konvention gebotenen Zustimmung der drei Konsuln
zu Beschlüssen nnd Magistratswahlen, ohne Weiteres durch Beseiti-
gung dieses Passus Stimmenmehrheit eingeführt haben, wodurch der
deutsche Generalkonsul, trotz der überwiegenden Anzahl der Deutschen
und trotzdem diese fast vier Fünftel der gesammten Steuern auf-
zubringeu haben, bei allen Beschlüssen und Wahlen überstimmt
wird.
Der grösste kaufmännische Betrieb, der in der westlichen Süd-
see seine Stätte hat, ist, wie schon gesagt worden, die deutsche
Handels- und Plantagengesellschaft.
Samoa steht in Beziehung auf die Produktion von Kopra weit
hinter Tonga zurück. Es giebt hier keinen Zwang einer Regierung,
welcher die Bedürfnisse der Bevölkerung steigerte und dieselbe zur
Zahlung ernsthafter Steuern anhielte. Die augenblickliche Produktion
wird auf *2000 bis 3000 Tonnen geschätzt. Davon haben im Jahre
1885 die Handels- und Plantagengesellschaft 1975 Tonnen, H. M.
Rüge & Co. 662 Tonnen exportirt. Das Geschäft war ausschliesslich
in den Händen dieser beiden deutscheu Firmen.
Der Plantagenbetrieb auf Samoa wird von der Hauptageutur
der Gesellschaft in Apia geleitet. Auf den sechs Pflanzungen sind
fünf Verwalter und vier Aufseher angestellt. Für das ärztliche Be-
diirfniss sorgt ein angestellter Arzt, welcher in Apia wohnhaft ist
und die Pflanzungen regelmassig zu besuchen hat. Von der früheren
s*
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1 16 Der Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung
Verwaltung waren vielfach Nichtdeutsche augestellt, worden, insbe-
sondere Engländer. Auch der jetzige Arzt ist ein Engländer. Bei
Vakanzen werden von jetzt ab nur noch Deutsche angestellt.
Den Dienst auf der ostafrikanischen Station versahen im Vorjahr
die beiden Kreuzer Möwe und Nautilus. Das letzgeuaunte Schiff Ver-
liese indess kurz vor Eintreffen des Kreuzergeseh waders die Küste
von Sansibar und trat über Mozambique, Natal und Kapstadt die Reise
in die Heimath an, woselbst es vor Kurzem wieder eingetroffen. Der
Kreuzer Möwe, welcher bereits seit dem Jahre 188 ß in den ostafrika-
nisehen Gewässern stationirt, und speziell mit der Vertretung der dort
cngagirten deutschen Interessen betraut ist, hat, wie schon erwähnt,
der Entwickelung der kolonisatorischen Aktion, sowie der Ausbreitung
und Befestigung des deutschen Einflusses in Ostafrika wesentliche
Dienste geleistet. Ueberall da zur Stelle wo es galt, schwebenden
Verhandlungen Nachdruck zu leihen und Akte der Staatspolizei mit
der entsprechenden Würde zur Ausführung zu bringen, oder die
Pflichten äusserer Repräsentation zu üben, stattete das genannte
Schiff allen vom europäischen Handels- und Schiffahrtsverkehr be-
rührten, oder in territorial-politischer Beziehung ein Interesse ge-
währenden Küstenpunkte Besuche ab und zeigte wiederholt, die Flagge
in verschiedenen Häfen der Somali- und Suaheliküste, ausserdem
aber auch in den grossen Plätzen der portugiesischen und britischen
Kolonien an der Ost- und Südküste Afrika’s. Wiederholte Exkur-
sionen nach Aden gaben der Möwe auch Gelegenheit zu Besuchen
einiger in neuerer Zeit vielgenannter Häfen des Rothen Meeres,
namentlich Suakins, Djeddah's, Massauah's. Ueber die Theilnabme
der Möwe an der Bekämpfung des Aufstandes ist vorher schon
berichtet worden.
Der westafrikanischeu Station waren im Vorjahr der Kreuzer
Habicht und das Kanonenboot Cyclop zugetheiit. Beide bewegten
sich an der Küste und zwar meist in der Nähe der deutschen Schutz-
gebiete, um den dort eingesetzten Behörden und dem Ansiedlerthum
einen kräftigen Rückhalt gegenüber den zu Ausschreitungen und
Gewalttätigkeiten geneigten Stämmen einiger Küstengebiete zu ge-
währen. Auf Requisition der Kolonialbehörde in Kamerun musste im
Juli v. J. eine Expedition den Kamcrunfluss aufwärts befahren, um
gegen die Stämme einzuschreiten, welche den direkten Verkehr der
Eingeborenen aus dem Hinterlande mit den Küstenbewohnern ge-
waltsam verhindern, um selbst den Vortheil aus dem Zwischenhandel
zu ziehen. Die Energie und Strenge, mit welcher die deutsche Expe-
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des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 117
dition vorgegangen, hat nicht verfehlt, einen bemerkenawerthen Ein-
druck auf die gestimmte Bevölkerung in Kamerun zu machen und
die Neigung derjenigen Elemente, welche sich als Zwischenhändler
sesshaft machen wollen, um von dem Ertrage ihrer Gewaltthat und
List Nutzen zu ziehen, etwas einzuschüchtern. Ausserdem zeigten
beide Fahrzeuge die deutsche Flagge in den Hafen plätzen der benach-
barten spanischen, belgischen und portugiesischen Kolonien. Diese
Kreuzerfahrten boten Gelegenheit zu einigen Informationen über die
Handels- und politischen, sowie über die wirthschaftlichen Verhält-
nisse der den westafrikanischen Schutgebieten zunächst liegenden
europäischen Kolonien, denen auf Grund von Mittheilungen der
afrikanischen Presse nachstehendes hier entnommen sei, welches
obwohl erst in zweiter Linie zu dieser Aufgabe in Beziehung steht,
doch von allgemeinem Interesse ist:
An der westafrikanischen Küste betiuden sieb, abgesehen von den deutschen
Niederlassungen, Kolonien verschiedener europäischer Staaten, von denen namentlich
die Franzosen am Senegal, die Engländer in Senegambien, Sierra Leona und an
der Goldküste, die Portugiesen in Xicder-Guinea in Betracht kommen. Ueberblick
man die Verhältnisse in den Kolooien, so zeigt sich ein sehr wesentlicher Unter-
schied zwischen denselben. Am Senegal ofTenhart sich abermals der schon so oft
hervorgehobene Mangel au Kolonisationstalent seitens der Franzosen. Obwohl sich
die dortige Kolonie doch schon seit längerer Zeit in deren Besitz befindet und man
daselbst sehr beträchtliche Summen aufgewendet hat, so bleiben doch die erzielten
Ergebnisse hinter allen Erwartungen zurück. Es ist wohl richtig, dass das Klima mehr
als anderswo die Entwickelung erschwert, auch sind die Beziehungen zu den Ein-
geborenen vielfach schwieriger und wirken sehr lähmend auf die Konsolidirung der
Kolonien ein; nichtsdestoweniger jedoch steht die Thatsache fest, dass der ganze
Besitz und zwar wohl für lange hinaus ein passiver ist und man weder auf dem
Gebiet der ßodencultur, noch auf jenem des Handels weit über die ersten Anfänge
hinausgekommen ist. Es wird vielfach als ein Fehler bezeichnet, dass man in den
Einrichtungen der Kolonie allzusehr dem Vorbilde der im Mutterlunde bestehenden
Institutionen gefolgt sei, ungeachtet die Eingeborenen nicht im entferntesten reif
für volle Gleichberechtigung und für den Genuss wahrhaft freiheitlicher Einrich-
tungen sind. Obwohl die Regierung in der Kolonie allerlei Anstalten, wie
Schulen, Spitäler, Kirchen, Korrektionshfiuser u. dgl. geschaffen hat, machen die
Eingeborenen davon kaum Gebrauch und bleiben fest ihren althergebrachten Ge-
wohnheiten. sowie auch dem ihnen vielmehr zusagenden Islam treu. Die Weissen
sehen mit unzufriedenen Augen die Gleichberechtigung mit den Eingeborenen,
welche es ihnen auch nicht wenig erschwert, eine führende Rolle zu spielen, was
doch für das Emporkommen der Kolonie eine geradezu unerlässliche Bedingung ist.
Entschieden mangelt aber auch auf Seite der Weissen ein energisches Verhalten.
Der Beobachter gewinnt allwärts den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit und
Schlaffheit, dabei scheint die ganze Kolonialverwaltung auf einem sehr breiten und
komplizirten Fusse eingerichtet zu sein und mit beträchtlicher Schwerfälligkeit zu
arbeiten. Ein weiterer nicht vortheilhaftcr Umstand besteht auch in der starken
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118 Der Anthcil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung
Belastung der Kolonien mit Steuern und Abgaben aller Art und in der Einbehung
hoher Zölle. Mau hat zu diesen Maassregeln hauptsächlich aus dein (iruDde ge-
griffen, um das Kolonialhudget des Mutterlandes einigermaassen zu entlasten, aber
fiir die Entnickelung des Senegalgebietes kann man darin kaum einen Vortheil er-
kennen. f>ie grossen Ideen, welche auf die Erbauung eines Eisenbahnnetzes hin-
ausliefen. sind theils aufgegeben, theils haben sie eine andere Richtung genommen.
Man wollte nämlich früher die Bahn von l>akar nach St. Louis bis zum Niger ver-
längern, während man jetzt von einer Schienenverbindung zwischen Senegambien
und Algerien träumt, obwohl allem Anscheine nach auch die Kealisirung dieser Idee
Schwierigkeiten begegnen muss, welche kaum im Verhältnisse zu den möglichen
\ nrtheilen stehen dürften. Itie bisherigen Ergebnisse am Senegal wirken sicherlich
nicht erinuthigend. I>ic Erinnerung an den einstigen Gouverneur, General Faid-
herbe, wird immer noch am Senegal hochgehalten, weil er in richtiger Erkenntnis«
der Sachlage mit aller Energie vorging und die Kolonie ihm ihre besten Einrich-
tungen verdankt. — Dieselben Erscheinungen wie am Senegal finden sich in der
französischen Niederlassung am Gabun, von wo der ganze Handel sich übrigen'
nach der Insel Elobey gezogen hat. weil auf letzterer die hohen Abgaben entfallen. —
\ ergleicht man nun mit diesen die Zustände in den britischen Kolonien, so kann
man sieh kaum der lleherzeugung versehliessen, das« die Ursache der am Senegal
wahrgenommenen Erscheinungen doch in dem verschiedenen Verhalten der Engländer
und Franzosen und in den Kigentbümlichkeiten des beiderseitigen Nationalcharaklers
zu suchen sei. In den englischen Niederlassungen gewinnt man dagegen fast immer
den Eindruck von Ordnung und von einer oftmals fast an Pedanterie streifenden
Genauigkeit. Strassen und Häuser sind in gutem Zustande erhalten, für Bepflan-
zung und Kanalisirung ist thunlichst Sorge getragen : die öffentlichen Organe treten
fest und stramm auf und machen durchweg den Eindruck gewissenhafter Pflicht-
erfüllung. Dieses Vorbild übt auch einen wohlthätigen Eindruck auf alle Schwarzen
aus und die im untergeordneten Dienste der Koluuialregierung verwendeten Neger
sind sichtlich bemüht, ihren Obliegenheiten mit demselben Ernste und der gleichen
Genauigkeit nachzukommen. Aber auch die ganze Verwaltung ist einfacher und
zweckmässiger organisirt als jene im Senegalgebiete. Darum sind auch die Finanz-
verbältnisse in den britischen Kolonien viel günstiger und die letzteren bedürfen
keines Zuschusses vom Mutterlande. Wohl werden auch in den englischen Kolo-
nien hohe Abgaben und Zölle erhoben, aber man versteht es dort doch wieder viel
besser, die Interessen des Handels zu fördern und demselben, als dem eigentlich
belebenden Elemente der Kolonie, jeglichen Vorschub zu leisten. Auch in Bezug
auf die Rechtspflege trägt man den eigenthümhehen Verhältnissen mehr Rechnung
und erhielt auch bessere Resultate als die Franzosen, welche in der völligen Gleich-
stellung der W'eissen mit den Eingeborenen zu weit gingeu und dadurch das An-
sehen ihrer Gerichtshöfe nur geschädigt haben. Freilich hieton den Engländern die
Verhältnisse zu den Hinterländern mancherlei Schwierigkeiten dar, was insbesondere
in Bezug auf die Asehantis gilt, bei denen grosse Abneigung gegen den britischen
Namen herrscht und die kommerziellen Beziehungen wesentlich zurückgingen. Da-
durch ist auch die Bedeutung von Cape Coast Castle als Handelsplatz sehr gesunken.
Aeera gewinnt dagegen mehr an Wichtigkeit; in erster Linie unter den britischen
Niederlassungen steht jedoch Lagos, trotzdem dessen navigatorisehe Verhältnisse den
Schiffsveikehr erschweren und den Transport der Waaren vertheuern. Auch
am Niger ist der Einfluss der Engländer bedeutend, und das Bestreben nach Er-
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des Jahres 1887 88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. ]19
Weiterung und Consolidirung desselben ein überaus reges. Es ist ihnen dort auch
gelungen, das eine oder andere französische und deutsche Etablissement zum Ein-
stellen seiner Tbätigkeit zu bestimmen. Per Handel auf dem Niger nimmt wie bekannt
immer grössere Pimensinnen au und Dampfer verkehren schon weit hinauf auf dem Flusse,
welcher fast gänzlich von einer einzigen euglischen Handelsgesellschaft, Royal Niger
Company, welche über zwei Millionen Pfund Sterling verfügt, monopolisirt ist. — Per
spanische Besitz auf Fernando Po ist in kommerzieller Beziehung von gar keiner
Bedeutung: die Regierung verhält sich in Bezug auf die Förderung dieser Kolonie
sehr passiv. — Auch die Portugiesen haben sich bisher nicht um die Entwickelung
ihres Besitzes in Oher-Ouinea viel gekümmert, so dass daselbst allseitig die Spuren
von Verwahrlosung zu finden sind. Erst in jüngster Zeit, wohl angetrieben durch
die allgemeine Bewegung, welche sich längs der ganzen westafrikanischen Küste
geltend macht, scheint die portugiesische Regierung grössere Tbätigkeit entfalten zu
wollen, und es dürfte auch der dermalige General-Gouverneur der Mann sein, um
mehr Bewegung und Lebeu in die seiner Leitung anvertraute Kolonie zu bringen.
Pie Schwierigkeiten, denen der Handel in Westafrika begegnet, sind sehr bedeutende,
vor allem schon wegen der hohen Zölle, die fast überall die Waarenbewegung be-
lasten und beim Import 30, 50, ja auch 100% des Werthes betragen, wobei meist
ein grosser Unterschied gemacht wird, ob die Waare nationaler Provenienz — aus dem
Mutterlande der Kolonie — sei oder nicht. Per Export ist zwar in der Regel, aber
doch viel niedriger bedacht und überschreitet der Zollsatz für denselben selten 10° o
ad valorem. Schwerer noch als die Zölle fallen die grossen Kapitalien ins Gewicht,
welche der Handelsbetrieb mit Hinblick auf die obwaltenden eigenthümlichen Ver-
hältnisse erfordert. Freilich vermag man auch dort unter Umständen sehr erhebliche
Gewinne zu realisiren, doch gehört hierzu neben viel Glück, auch viel Umsicht, ge-
naueste Kenntnisse aller einzelnen Bediugungen. eingehende Berücksichtigung des
lokalen Bedürfnisses und eine unermüdliche Tbätigkeit. Nur wer über grosse
Mittel verfügt, hat angesichts der lebhaften und steigenden Konkurrenz die Chance
Meister zu bleiben. Parum beruht aber auch ein hauptsächliches Moment des Er-
folges in der Geschicklichkeit der leitenden Persönlichkeiten viel mehr als dies an
anderen Orten der Fall ist. Hier führt nicht allein specnlative Berechnung und
richtiger Kalkül zum Ziel, sondern hier hängt auch viel von dem scharfen Bück für
•Nebenuinstinde und von der geschickten Behandlung der Eingeborenen ab. Darum
spielen mehrere grosse Gesellschaften und Firmen die leitende Rolle an der west-
afrikanischen Küste. Die wichtigsten derselben seien hier genaunt: Es sind die
Royal Niger Company, London; die Congo and Central -Africa Company, London;
die Compagnie du Senegal et de la cöte occideutale d’Afrique, Marseille, Daumas
Berard & Comp., Paris; Nieuwe Afrikanische Handels- Vermootschap, Rotterdam;
die Hamburger Firmen: Woermann, Gaiser, Witt und Busch.
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Die Deutsche Kolonialgesellschaft.
*
Unter den Vereinigungen, welche sich die Förderung der kolo-
nialen Bestrebungen durch Belehrung und thatkrüftiges Handeln an-
gelegen sein lassen, nimmt die Deutsche Kolonialgesellschaft sowohl
durch die Zahl als durch die hervorragende soziale, wissenschaftliche
politische und kommerzielle Stellung vieler ihrer Mitglieder den ersten
Hang ein. Sie ist entstanden aus der Verschmelzung des Deutschen
Kolonialvereins und der Gesellschaft für deutsche Kolonisation, welche
infolge eines Beschlusses beider Vereine am 19. Dezember 1887 er-
folgte. Der deutsche Kolonialverein, die weitaus stärkste Vereinigung,
konnte seine Geschichte bereits bis auf das Jahr 1882 zurückführen,
in welchem sich auf eine Aufforderung Sr. Durchlaucht des Fürsteu
zu Hohenlohe-Langenburg in Frankfurt ein Kern für die Förderung
der kolonialen Bestrebungen bildete. Einstimmig wurde auf einer
am 26. August desselben Jahres abgehaltenen Versammlung be-
schlossen. einen Verein zu bilden, dessen Aufgabe es wäre:
.das Verständnis!) der Nothwcndigkeit, die nationale Arbeit dem Gebiete der
Kolonisation zuzuwenden, in immer weitere Kreise zu tragen,
für die darauf gerichteten, in unserem Vaterlande bisher getrennt auftreten-
den Hestrebungen einen Mittelpunkt zu bilden,
eine practische Lösung der Kolonialfrage anzubahnen,
und zunächst die Errichtung von Haudelsstationcn als Ausgangspunkt für
grössere Unternehmungen zu fördern.“
Um diesen Kern schaartc sich bald eine ansehnliche Zahl be-
deutender, von nationaler Begeisterung getragener Männer ans allen
Parteien und der Verein dehnte schnell seine Agitation über ganz
Deutschland aus, gründete lokale Organisationen und gewann eine
achtunggebietende Stellung, obwohl es nicht an Gegnern fehlte und
es zweifelhaft war, ob derselbe jemals die staatliche Macht zur
Unterstützung kolonialer Unternehmungen linden würde, nachdem in der
Samoavorlage die Politik der verbündeten Staaten im Reichstag eine
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Die Deutsche Kolonialgesellschaft.
121
Niederlage erlitten hatte. Lud wenn auch der Gedanke, dass das
Deutsche Reich eine Kolonialentwickelung brauche, um sowohl dein stetig
nach den Vereinigten Staaten von Amerika fliessenden, dem Vaterlande
zum grössten Theil verloren gehenden Auswandererstrom ein neues
Bett zu geben, als auch durch eine Eigenproduktion tropischer
Erzeugnisse uns unabhängig vom Anslande zu machen und da-
durch direkt den Volkswohlstand zu heben, mit einem Wort:
das deutsche Wirtschaftsgebiet zu erweitern, schon vielfach ausge-
sprochen war, so wurde die Nothwendigkeit deutscher Kolonien und
einer nationalen Regelung der Auswanderung noch lange nicht allge-
mein anerkannt. Der Verein musste naturgemüss sein Schwergewicht
auf die Agitation legen, vorbereitend und anfklärend wirken, des
Augenblicks harrend, wo mit dem Eingreifen der staatlichen Macht
eine neue Gestaltung der Dinge einsetzte, aber auch mit der Reichs-
regierung Fühlung nehmen. Wir wolleu hier auf die mannigfachen,
in dem ersten Jahre auftauchenden Projekte, welche sich meisten-
teils mit Südamerika beschäftigten und für die Beurteilung dieser
Lander von grosser Wichtigkeit waren, nicht näher eingehen, da
durch die Erwerbung des Hauses Lüderitz in Angra Pequena, die
Frage der Postdampfer-Subventionen, der wirtschaftliche Interessen-
kampf im Kongogebiet und die Stellungnahme Deutschlands, die Auf-
merksamkeit auf die Vorgänge in Afrika gelenkt wurde, wo infolge
des berühmten Telegrammes der Fürsten Bismarck vom 24. April
1884 an den deutschen Konsul in Kapstadt es bald aller Welt be-
kannt wurde, dass die deutsche Reichspolitik gewillt sei, Unter-
nehmungen der Deutschen im Auslande unter den Schutz des
Reiches zu stellen. — Die Vorlage der verbündeten Regierungen
über die Dampfersubventioneu fiel jedoch in dem Reichstag, obwohl
Fürst Bismarck auf eine Anfrage des Dr. Hammacher, eines Mit-
gliedes des Kolonialvereins, in der Budgetkommission selbst erklärt
hatte, dass die Vorlage im Zusammenhänge stehe mit der übersee-
ischen Politik der Reichsregierung überhaupt, und der Kolonial verein
hatte seine Anstrengungen zu verdoppeln, um auch seinerseits dazu
beizutragen, eine wahre nationale, einmüthige Begeisterung für die
volle Unterstützung der Reichsregiernng nach dieser Richtung hin
überall im Vaterlande zu erwecken. Bald folgten die Flaggen-
hissnngen in Togoland und Kamerun und für den Verein erwuchsen
eine Menge neuer Aufgaben. Da die erworbenen Länder, vielleicht
mit Ausnahme von Öüdwestafrika, bald als untauglich für eine Aus-
wanderung von Ackerbauern in grossem Maassstabe sich herausstellten,
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122 I>ie Deutsche Kolonialgesellschaft.
so galt es. Unternehmungen ins Leben za rnfen und zu unterstützen,
welche durch die Anlage von Pflanzungen oder Ausdehnung des
Handels die Reichthümer des Bodens ansbeuten konnten, und auf
die bevorstehende Gesetzgebung über koloniale Angelegenheiten einen
Einfluss zu gewinnen, aber auch die Förderung deutscher Interessen
in Südamerika nicht aus den Augen zu verlieren und auch für die
bald darauf folgenden Neuerwerbungen des Deutschen Reiches in der
Südsee die Flamme der Begeisterung zu nähren. Wenn nun auch
die Erkenntniss der Unmöglichkeit, in den ueuerworhenen deutschen
Gebieten Ackerbaukolonien sogleich anlegen zu können, einen kleinen
Rückschlag mit sich brachte, so war doch die Zahl der Mitglieder
zu Anfang des .Jahres 1885 bis über 10 000 angeschwollen, so dass
es für nothwendig erachtet wurde, den Sitz der Gesehäftsieitung
nach Berlin zu verlegen, wo sich bereits eine neue Kolonialvereini-
gung, die Gesellschaft für deutsche Kolonisation befand. Dieselbe
war den Wünschen der Herren Dr. Carl Peters und Graf Belir-
ßandelin entsprungen, die Kolonialbewegung sobald als möglich zu
Thaten überzuleiten, und hatte sich am 28. März 1884 konstituirt
Die grundlegenden Punkte der Satzungen der Gesellschaft hatten
folgenden Wortlaut:
I. Zweck der Gesellschaft: Begründung von deutschen Ackerbau- und llan-
delskolonien, und zwar:
1. Beschaffung eines entsprechenden Kolonisationskapitals;
2. Auffindung und Krwerhuug geeigneter Kolonisationsdistrikte;
3. Kililenkung der deutschen Einwanderung in diese Gebiete
Ein Gegensatz zu den in den Kreisen des Kolonialvereins herr-
schenden Gesichtspunkten ist leicht heranszufiuden. znmal in den
weiteren Bestimmungen der Satzungen Alles auf eiue energische
Aktion vorbereitet war. Ueber das Ziel derseilien war man noch im
Unklaren : es wurden ebenfalls Projekte in Südamerika geplant, alter
schliesslich wieder fallen gelassen, bis man die Wünsche auf Afrika
vereinigte und zuerst im Hinterlande der portugiesischen Besitzungen
in Sfidostafrika festen Fnss fassen wollte. Das Projekt wurde aber
im letzten Augenblick aufgegeben und dafür die Erwerbung eines
Sansibar gegenüberliegenden Gebietes auf dem afrikanischen Fest-
lande beschlossen, wohin unter Führung des Herrn Dr. Peters eine Ex-
pedition aufbrach, welche bald als ersten Erfolg den am 23. November
1884 mit dem Häuptling von Ngurn abgeschlossenen Vertrag verzeich-
nen konnte, dem in rascher Reihenfolge sich andere anschlossen, so
dass die anfänglich vielbekämpfte Gesellschaft schnell an Bedeutung
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Die Deutsche Kolonialeesellschaft.
123
und Mitgliederzahl znnahm, und sowohl die Deutsch-Ostafrikauische
Gesellschaft als auch den „Allgemeinen deutschen Verband“, welch
letzterer den Zweck verfolgt, sowohl die wirthschaftlichen Bande die
das deutsche Volksthum auf der Erde umspannen, zu stärken, als
auch den kulturellen und geistigen Zusammenhang desselben zu be-
festigen. aus sich heraus schaden konnte. Das Verhältuiss zwischen
dem Kolonial verein und der Gesellschaft für deutsche Kolonisation
war nicht frei von Missklüngen. obwohl schliesslich der beiderseitige
gute Wille die der immer nothwendiger werdenden Vereinigung sich
entgegenstellendeu Schwierigkeiten überwand. Während sieh natnr-
gemäss die Anstrengungen der Gesellschaft für deutsche Kolonisation
auf die Entwickelnug Ostafrikas und die Propaganda dafür richteten,
verfolgte zu dieser Zeit der Kolonialverein seine umfassendere Auf-
gabe, die Fragen der Auswanderung zu stndiren und Auswanderern
durch di«* Errichtung eines Auskunftsbüreau mit Rath beizustehen, die
Verhältnisse Brasiliens zu untersuchen, die Bestrebungen Flegels im
Niger- und Bennegebiet zu unterstützen, die Erwerbung in Witu
dnrchzuführen und überall fördernd einzugreifen, wo es notli that.
Es liegt auf der Hand, dass ein intimes Zusammenarbeiten der beiden
Vereine, welches in der Form von Delegirtenkonferenzen versucht,
aber als wenig dienlich wieder anfgegeben worden war, zur Förde-
rung der allgemeinen Sache immmer dringlicher wurde, da die Be-
strebungen im grossen und ganzen doch dasselbe Ziel verfolgten, wie
sich besonders aus den im Herbst 1887 von beiden Vereinigungen
erlassenen Petitionen für Herstellung und Subvention einer nach
Sansibar resp. nach einem südlicher liegenden Hafen einzurichtenden
Dampferlinie ergab. Durch die Verschmelzung, deren Herbeiführung
unter allerlei Schwierigkeiten endlich gelang, wurden mehr als
16000 Männer, deren Zahl fortdauernd im Steigen begriffen ist, unter
derselben F’ahne vereinigt. Die neuen Satzungen definiren die Zwecke
der Gesellschaft folgendermassen :
1. die nationale Arbeit der deutschen Kolonisation zu/uwciideii und die
Erkenntnis» der Nothwen 'igkeit derselben in immer weitere Kreise
zu tragen ;
2. die praktische I.ösung kolonialer Frage zu fördern;
3. deutsch-nationale Kolonisationsunteruehmungen auzuregeti und zu unter-
stützen;
4. auf die geeignete I.ösung der mit der deutschen Auswanderung zusammen-
hängenden Kragen hinzuwirken;
5. den wirthschaftlichen und geistigen Zusammenhang der Deutschen im
Auslande mit dem Vaterlande zu erhalten und zu kräftigen;
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124
Die Deutsche Kolonialgesellschaft.
(i. für alle auf diese Ziele gerichteten, in unserem Vaterlande getrenut auf-
tretenden Bestrebungen einen Mittelnunkt zu bilden.
Um ihr Programm zu verwirklichen, besitzt die Kolonial-
gesellschaft ein Gencral-Büreau , welches unter der Leitung eines
Generalsekretärs, des Herrn Dr. Bokemeyer, steht, die „Deutsche
C’olonialzeitung“, mit einer Auflage von 18 500 und dann besonders
in ihren weit über 100 Abtheilungen, deren bedeutendste in Berlin,
Dresden. Karlsruhe, Frankfurt a. M., Hannover sind, eine Reihe von
rührigen Gliedern, welche in Wechselwirkung mit dem Präsidium, Aus-
schuss, Vorstand und Büreau der Gesellschaft stehen und auch mehr-
fach ein eigenes Leben bethätigen. Es ist hier nicht nöthig. auf ein-
zelne Bestimmungen der Satzungen einzugehen, auch nicht auf die bis
zur ordentlichen Hauptversammlung des Jahres 1889 geltenden Ueber-
gangsbestimmungen, da die Gliederung sich wenig von der bei solchen
Vereinigungen, welche neben wissenschaftlicher Belehrung auch
agitatorische Zwecke verfolgen, üblichen unterscheidet. Der Präsident
der Gesellschaft ist Se. Durchlaucht der Fürst Hermann zu Hohen-
lohe- Langenburg, der zweite Präsident Herr Dr. Carl Peters. Der
Ausschuss ist jetzt gebildet aus den Herren: Landtagsabgeordneter
Dr. Arendt, Kaufmann FL Amhold, Generalsecretär Bueck. Bezirks-
geologe Dr. Ebert, Reichstags- und Landtagsabgeordneter Dr. Kam-
macher, Staatsminister von Hofmann, Wirkt. Geh. Oberregierungs-
rath a. D. Körte, Premierlieutenant a. D. Kurella, Fabrikdirector
Dr. Martins, Director im Reichspostamt Sachse, Rittergutsbesitzer
Dr. Schröder, Professor Dr. Schweinfurth, Oberbürgermeister a. D.
Weber, Geueralmajor v. Teichmann-Logischen.
Das Berichtsjahr setzte verhältnissmässig ruhig ein, da neue
Fragen nicht aufgetaucht waren, die Fortführung der Verschmelzung
der einzelnen Abtheilungen eine grosse geschäftliche innere Thätigkeit
erforderte, und es nicht opportun erschien, in der Frage der Dampfer-
subvention weiter vorzugehen, bis die wichtige, von Vielen in ihrer
Bedeutung leider nicht genügend gewürdigte Entwicklung der Rechts-
verhältnisse in den deutschen Schutzgebieten, welche sich besonders
Professor Freiherr von Stengel, Dr. Kammacher und Oberbürgermeister
a. D. Weber schon früher hatten angelegen sein lassen, in den Vorder-
grund trat.
In dem Reichstage fand die erste kolonialpolitische Debatte am
4. Februar statt, als der Gesetzentwurf wegen Abänderung des Ge-
setzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete
vom 17. April 1886 zur Berathung stand und sogleich die ganze
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Die Deutsche Kolonialgesellschaft.
12 »
Tragweite der in Hede stehenden Materie und das Bedürfnis» neuer
Reehtsformen für Erwerbsgesellschaften enthüllte. Für manche
Unternehmungen kolonialerArt sind die Vorschriften des Aktiengesetzes
über die Aufstellung der Bilanz. Kontrole der Geschäftsführung n. s. \v.
schon w egen der Entfernung des Betriebes vom Sitz des Geschäftes kaum
zu erfüllen, und die von Erwerbsgesellschaften anderer Natur wegen der
Haftbarkeit mit dem ganzen Vermögen wenig verlockend, sodass diese
Berathnngen, an w elchen sich besonders die Abgeordneten Meyer (Jena)
nnd Dr. Kammacher betheiligten, ein weitergehendes Interesse gewannen
und auch zu eingehenden Untersuchungen in den Kreisen der Behörden
und Kaufmannschaft, welche noch nicht abgeschlossen sind, Ver-
anlassung gaben. Das Gesetz vom 15 März 1888 ist ein wesentlicher
Fortschritt in der Entwicklung unseres Kolonialrechtes, da die recht-
liche Möglichkeit nunmehr vorliegt, für koloniale Gesellschaften freiere
Formen zu wählen und denselben durch Beschluss des Bundesraths
Korporationsrechte zu erwirken.
Die in Folge des Hinscheidens des Kaisers Wilhelm 1. ein-
tretende Trauerzeit verhinderte ein Auf leben der Agitation, welche
sonst durch wissenschaftliche und populäre Vorträge unterstützt
wurde, und die Vorstandssitzung vom 14. April brachte wenig neue
Gesichtspunkte. Es wurde in derselben beschlossen, die Organisation
der Gesellschaft zu grösserer, frnchtbringer Thfttigkeit durch Ent-
wicklung des Auskunftswesens, für welches der alte Kolonial verein
ein Auskunftsbürean besessen hatte, zn erweitern, und die alten
Wünsche der einheitlichen Regelung der Auswandererfrage durch
ein Heiehsgesetz , der Aufhebung des v. d. Heydtschen Reskriptes
wenigstens für Südbrasilien wieder erneuert. Es tauchte auf dieser
Vorstandssitzung ein Antrag der Abtheilung Nürnberg auf, welcher
bald eine praktische Gestalt gewinnen sollte. Derselbe war des
Inhalts, dass alle Deutsche, welche für praktische koloniale Aufgaben
Herz und Sinn hätten, mit der Frage sich beschäftigen möchten, in
welcher Weise Emin Pascha in seiner bedrängten Lage am oberen
Nil Hülfe gebracht werden könne. In eindringlichen Worten be-
zeichnete die Abtheilung Nürnberg die Lösung dieser Frage als eine
deutsche Aufgabe und liess au-serdem durchblicken, dass auch prak-
tische und nützliche Zwecke hierbei erreichbar schienen Als Er-
gänzung deutete der zweite Präsident, Herr Dr. Carl Peters, schon
damals einen Plan zur Durchführung dieses Gedankens an. Dem
Anträge ward von verschiedenen Seiten lebhafte Befürwortung zu
Theil. Indessen fehlte es auch nicht an Einwendungen, und es
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126
Oie Deutsche Kolonialgesellscbaft.
wurde beschlossen, den Antrag dem Ausschüsse zu näherer Prüfung
zu überweisen. Der Ausschuss hatte in seiuen späteren Berathungen
sich nun die Fragen vorzulegen, ob es anzuerkennen sei, dass es im
nationalen Interesse liege, Eiuin Pascha von deutscher Seite Hilfe
zu bringen, ob von der geplanten Expedition ein Erfolg für den
Hauptzweck wie auch für die deutschen Kolonialbestrebnngen über-
haupt zu erhoffen wäre, und inwieweit sich die Deutsche Kolonial-
gesellschaft hei der Ausführung des Planes zu betheiligen habe. Die
bejahende Antwort auf die beiden ersten Fragen war bald gefunden
und hinsicln lieh des letzten Punktes war nur eine Meinung, «lass die
Deutsche Kolonialgesellschaft als solche an der Ausrüstung und
Leitung einer deutschen Expedition sich unmittelbar nicht zu be-
theiligeu habe, da sie mit einem solchen Schritt ans dem Rahmen
ihrer Satzungen heraustreten würde. Wohl aber war man allerseits
geneigt, einer zu diesem Zweck sich bildenden Unternehmung die
Unterstützung des Vereins zu gewähren. Deshalb hatte der Ausschuss
beschlossen, einen hierauf gerichteten Antrag bei dem Vorstande der
Gesellschaft zu stellen. Da die Vorstandssitzung in Weimar in Folge
der über unser Vaterland gekommenen tief-schmerzlichen Trauer im
Juni ausfallen musste, konnte jeuer Antrag damals nicht ein-
gebracht werden. Inzwischen aber war bereits ein provisorisches
Einin Pascha-Komite zusammengetreten, und da von sachkundiger
.Seite ein schnelles Handeln als das Wichtigste bei der ganzen Sache
wiederholt auf das dringendste bezeichnet wurde, erhob der Ausschuss
zur Vermeidung bedenklichen Zeitverlustes jenen Antrag selbst zum
Beschluss. Die Vorstandssitzung, welche zu Wiesbaden unter dem
Vorsitz des Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg am 11. September abge-
halteu wurde, stand unter dem Zeichen dieses Beschlusses. In warmer
und überzeugender Weise vertrat der Director im Reichspostanit
Sachse in längerer Rede diesen Antrag und eine Resolution wurde
angeuommeu, nach welcher der Vorstand der Deutscheu Kolonial-
gesellschaft es für eiu im nationalen Interesse wüusehenswerthes
Unternehmen erklärte, durch Verschiebung deutscher Stationen im
deutschen ostafrikanischen Interessengebiete nach dem Ukerewe-See
und weiter, über den Albert-Nyanza, eine Verbindung mit Emin
Pascha (Dr. Eduard Schnitzer) in Wadelai herzustellen, und sich bereit
erklärte, eine zu solchem Zwecke sich bildende Gesellschaft nach
besten Kräften zu unterstützen.
In einer Tags darauf folgenden Sitzung des Vorstandes
und der Vorstände der Abteilungen wurde das Emiu-Pascha-
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Die Deutsche Kolonialgesellschaft.
127
K"tnitö definitiv knnstituirt und Herr Dr. Carl Peters als Vor-
sitzender, Staatsminister von Hofmann als erster Stellvertreter, Dr.
Schröder-Poggelow als zweiter Stellvertreter, Dr. Arendt als Schrift-
führer and K. v. d. Heydt als Schatzmeister erwählt. Das Koniite
begann sofort die umfassendste Agitation, die bisher mit grossem Er-
folge privatim eingeleitet gewesen war, und veröffentlichte folgenden
Aufruf: 1 )
*) Die Unterzeichner de» Aufrufes waren: Hermann Kürst zu llobenlohe-
Langen borg, Langenhurg. W. Kürst zu Wied, Neuwied Hermann Prinz
von Solms- Braunfe Is, Braunfels. Ackermann, (ieheimer Hofrath, M. d. K.
und der sechs. Ständevcrsammlung, Dresden. Dr. Arendt, M. d. A., Berlin, .Schrift-
führer. Graf Arnim-M uskan, M. d. R., Muskau. von Balan, Landrath. M. d.
A„ Schlawe. Dr. Kritz Becker. Worms. Graf Behr-Bandelin, Kammerherr
Seiner Majestät des Kaisers, Bandeliu. v. Below, Kideikomtnissbesilzer, Major a D.,
M. d. A., Saleske. v. Bennigsen, Oberpräsident, M. d. R., Hannover. Dr. Boke-
meyer, Generalsekretär, Berlin. H. Bueck, Generalsekretär, Berlin. Dr. M.
Busse, Bergrath, Dortmund. Dr. H. v. Campe, Hannover. Christophersen,
M. d. A., Schleswig-Holstein. Clauss, Fabrikbesitzer, M. d. R. und der sächs.
Stündeversammlung, Chemnitz. K. Cornelius. Mitglied des Vorstandes der Deut-
schen KolonialgesellS' baft für .Südwestafrika, Berlin, v. Cranach, Regierungs-
prisident, Hannover. Dr. Crede, Hofrath, Dresden. Professor Credner, Leipzig,
von Cuny, Geheimer Justizrath, M. d. R., M. d. A., Berlin. Graf v. Douglas,
M. d. A., Ascherslcben. von Drigalski, Generallieutenant a. D., Berlin, von
Dziembowsky, M. d. A„ Schloss Meseritz. Dr. tbeol. K. Kabri, Godesberg.
I)r. T. Kabri, Berlin. Professor Dr. Kriedborg, M. d. A., Halle. L. Friede-
richsen, Hamburg. Dr. Gerlich, Landrath, Jl d. A., Schwetz (Westpreussen).
Graf Hue de Grais, Geheimer Regietungsratb, M. d, A.. Berlin. Dr. Grimm,
Ministerialpräsident a. D., Karlsruhe. Gross, Rechtsanwalt, Pforzheim. Dr
Rudolf Grosse, Strassburg >. K. Guilleaume, Köln. K. Günther, Kotn-
merzienratli, Diesden. Graf v. Hacke, Kontreadiniral a. D., Berlin. Dr. Uuniet,
Landrath, M. d. A., Mors. Bansen, Landrath. M. d. A., Tonderu. Herwig,
Vizepräsident, M. d. A., Berlin. Hessler, Regiemugshaumeister, Erfurt. Karl
von der Heydt, Bankier, Elbeifeld, Schatzmeister. Hohrecht, Staatsminister,
M. d A., M. d. R., Berlin, von Hufmaiin, Staatsminister, Berlin, Erster stellver-
tretender Präsident. Jaekel, Landesdirektor, M. d. A., Dauzig. Dr. Inner,
Köuigl Archivar, Hannover. Kaapcke, Gutsbesitzer, M. d. A., Ostpreussen. von
Kardorff, M. d. R, Wahnitz (Schlesien). Kennemann, Rittergutsbesitzer, M.
d. A., Klenka (Prov. Posen). Kressmann, Major a. D., Karlsruhe. K. A. Krupp,
Gebeimer Kommerzienrath, Essen. Eugen Laugen, Geheimer Kommerzienrath,
Köln. Baron von L&ugcrmann-Erlettkamp, M. d. A„ Lubin (Provinz Posen).
Dr. M. Li ude man u, Bremen. Livouius, Vizeadmiral a. D., Berlin. Lucas,
Assessors.!)., Direktor der Deutsch-Ostafrikaniscbeu Gesellschaft, Berlin. Lucius,
Geheimer Kommerzienrath, M. d. A., Erfurt. Lückhoff, Fabrikant, M. d. A.,
Schlesien. Maercker, Lieutenant, Slrassburg i. E. Dr. Mehnert, Vorsitzender
d, landw. Kredit«, i. K. S., Dresden. G. Meinecke, Redakteur, Berlin. Meister,
Rittergutsbesitzer, M. d. A., Säugerau bei Tboru. Freiherr von Minnigerode,
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Die Deutsche Kolonialgesellscbaft.
Der Aufstand des Mahdi im Sudan hat die ersteu Ansätze europäischer
Gesittung am oberen Nil vernichtet; die Kulturwelt sieht mit Schrecken die
Gräuel einer zügellosen Sklavenwirt hschaft sich immer weiter ausbreiten. Die
Kunde, dass unser deutscher Landsmann Dr. Eduard Schnitzer, Einin Pascha,
die ihm von der ägyptischen Regierung auvertrauteu äquatorialen Provinzen im
Süden des Sudan gegen den mahdistischen Ansturm zu behaupten vermochte,
und mit seinen Truppen dort ein letztes Bollwerk europäischer Kultur festbält,
hat in Europa die Hoffnung wachgerufen, dass Emin Paschas Provinzen den Aus-
gangspunkt für die Zivilisirung Mittelafrikas abzugehen vermögen. Mit reichen
Mitteln zog Stanley im englischen Aufträge aus. um die Verbindung mit Emin
Pascha herzustellen, seine Expedition muss leider als fehlgeschlagen gelten.
Emin Pascha aber bedarf dringend der Hilfe; seine Briefe melden, dass
seine Munition, seine Vorräthe zu Ende gehen. Soll unser hei lenmüthiger Lands-
maun ohne Unterstützung gelassen, dem Untergänge überliefert, soll seine mit
deutscher Thntkraft der Kultur gewonnene Provinz der Barbarei anheimfallen?
Die Versuche, vom Kongo aus Emin zu erreichen, sind gescheitert, von Ostafrika
aber führt der beste und sicherste Weg zum oberen Nil, und hier ist deutsches
Gebiet, das die sichersten Ausgangs- und Stützpunkte für eine Emin Pascha-
Expedition abgiebt Das deutsche Volk ist berufen, dem Deutschen Dr. Schnitzer
Hilfe zu bringen. Diese Hilfe aber muss, wenn sie nicht zu spät kommen soll,
M. d. A. Rositten. Graf von Mirbach-Sorquitten, M. d. R., Sorquitten.
Muhl, Amtsrichter, M. d. A., Segeberg (Holstein), zur Nedden, Landrath, M.
d. A., Marienburg (Nassau). Neubarth, Gutsbesitzer, M. d. A., Wünschcndorf
(Provinz Sachsen). F. A. Neubauer, Geheimer Kommerzienrath, Magdeburg.
Niethammer, Kommerzienrath, M. d. R. und der sächs. Ständeversammlung, Krebs-
siein (Sachsen). Hugo Oppenheim, Bankier, in Firma Robert Warschauer it Ko.,
Berlin. W. O’Swald A Ko., Hamburg, v. Palezieux, Major, Weimar. Dr. Carl
Peters, Berlin, Prä-ident, v. Pilgrim, Regierungspräsident, M. d. A-, Minden.
Dr. Ritter, Generaldirektor, Waldenburg in Schlesien. Gerhard Roblfs, General-
konsul, Weimar. K. von Roeder, Oberzeremonienmeister, Berlin. Rumpff,
Fabrikbesitzer, M. d. A., Schloss Aprath (Rbeinprovinz). Sachse, Direktor im
Reichspostamt, Berlin. G. Schaeffer, M. d. A., Görlitz. Dr. Scheffer, Ober-
regierungsratb, M. d. A., M. d. R., Schlochau (Westpreussen). Schmidt, M. d. A.,
Sangerhausen. Schreiber, M. d. A-, Wolkramshausen bei Nordhauseu. Dr.
Schroeder, Rittergutsbc-itzer, Poggelow. Zweiter stellvertr. Päsident. Scbultz-
Lupitz, M. d. A., M. d. R. in Lupitz (Provinz Sachsen), von Schwarzkopf.
M. d. A., Neustadt in Hannover. Professor Dr. Schweinfurth, Kairo. Simon,
Geheimer Regierungsrath a. D., Berlin, von Steinrük, Landrath, M. d. A., M. d. R.,
Seelow. Stengel, M. d. A., Stassfurt. v. Steun, Rittmeister, Berlin, v. Teieh-
rnann- Logischen, Generalmajor, Berlin. E. v. Tiedemann, M. d. A., ßomst
(Provinz Posen . Tramm, M. d. A., Hannover. G. Truppei, Rudolstadt. Frei-
herr vou Tücher, Regierungsrath, Nürnberg. von Uechtritz-Steinkirch,
Kammergericbtsralh, M. d. A., Berlin .1. Ulrich, M. d. K., Pfungstadt (Grossh.
Hessen). Vopelius, M. d. A., Sulzbach (Rheinprovinz). J. Wagner, Gymnasial-
lehrer, Berlin. Wessel, Landrath, M. d. A., Stuhin (Westpreussen). Wettich,
Stadtältester, M. d. A., Havelberg. Dr. Wibel, Wiesbaden. G. Witlenbrinck,
Gymnasiallehrer, Burgsteiufurt. Wissmann, Premierlieutenant a. D., Berlin.
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l)ie Deutsche Kolonialgesellschaft.
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ungesäumt erfolgen. Das deutsche Emiu Pascha-Komitee wendet sich deshalb an
die Nation uui werkthätige Unterstützung. Möge Jeder zu seinem Theil zur
Ausführung eines Unternehmens beitragen, welches nicht nur unsere überseeische
Machtstellung fördern und dem deutschen Handel neue Bahnen öffnen soll, son-
dern vor allem bestimmt ist, einer Ehrenpflicht zu genügen, die uns dem kühnen
deutschen Pioniere gegenüber obliegt. Namhafte Summen sind dem Komitee
bereits zugeflossen ; um aber ungesäumt zur Durchführung der Expedition schreiten
zu können, bedarf es der schleunigsten allgemeinen opferfreudigen Betheiligung
weiter Kreise.“
Die Sammlungen nahmen, wie wir gleich noch in diesem Zusammenhänge
hier erwähnen wollen, einen sehr erfreulichen Fortgang und das Komitee konnte
schon beabsichtigen, im Oktober mit den Vorbereitungen zur Expedition, deren
Vorhut Herr Premierlieutenant Wissmann, deren Hauptmacht Herr Dr. Peters führen
sollte, zu beginnen, als der Aufstand in Deutsch-Ostafrika grössere Dimensionen armahm
und bald seine ganze Thätigkeit lähmte. In dem Komitee selbst traten mehrere
Strömungen zu Tage, eine Partei wünschte, dass die Expedition auf alle Fälle
durch Deutscb-Ostafrika gehen solle, während die andere dem Weg über Witu,
welchen Herr Premierlieutenant Wissmann vorschlug, besonders mit Rücksicht auf
die schnelle Hilfeleistung, den Vorzug gab. Auf der Hauptversammlung der
Deutschen Kolonialgesellschaft am 22. November zu Berlin kamen diese verschie-
denen Anschauungen zur Besprechung und es wurde eine Resolution des Inhalts
gefasst, dass es nothwendig sei, dass die Expedition zur Hilfeleistung für Kmin
Pascha in kürzester Zeit und auf dem nächsten Wege zum Ziele gelangen möge.
Am 25. November fand eine Sitzung des Gesammtkomitees statt, welches folgenden
Antrag des Ausschusses einstimmig annahm:
„Dem Herrn Premierlieutenant Wissmann wird aus dem Emin Pascha-Fonds
eine vom Ausschuss zu bestimmende Summe zur Verfügung gestellt, um alsbald
den ersten Theil der Emin Pascha-Expedition vorzubereiten und ins Werk zu
setzen. Herr Wissmann soll ersucht werden, sich sobald als möglich nach Ost-
afrika zu hegeben, die Verhältnisse au Ort und Stelle zu studiren und, je nach
dem Ergebnisse dieser Prüfung, die Wahl seiner Route zu treffen. Als wünschens-
werth sind bezeichnet, dass, wenn es ohne nnverhältnissmässig grossen Zeitverlust
thunlich ist, der Weg durch das deutsch-ostafrikanische Gebiet genommen werde.
Herr Dr. Peters soll ersucht werden, auch die Ausführung des von ihm über-
nommenen Theiles der Expedition baldmöglichst vorzubereiten und ins Werk
zu setzen.“
Damit schien die; Emin Pascha-Angelegenheit ans dem Stadium
des Wartens herausgehoben , in die richtigen Bahnen gelenkt und
Wissmann bereitete sielt zu der Reise vor, als gegen Ende des Jahres
dunkle Gerüchte von Stanley und Emin Pascha, aber diesmal hoff-
nungsvoller Natur, verlauteten, welche den Abgang der Expedition
wieder in Frage stellten.
Auf der Vorstandssitzung in Wiesbaden wurde, um nach dieser
Abschweifung wieder auf das Thema zurüekzukommen , auch noch
folgende Resolution angenommen, welehe sich gegen die Prätensionen
der Royal Niger Company richtete:
Jahrbuch für Deutliche Kvloni&lpolitik. 9
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Die Deutsche KolonialgesdUchaft.
„Der Vorstand billigt die Maassnahmen und Proteste, welche durch das Prä-
sidium und den Ausschuss in dem Kall Hönigsben? zur Abwehr englischer Ver-
gewaltigung, sowie der von der Royal Niger Company auf dem Niger und Benue
eingeleiteten Monopolbestrebungen veranlasst worden sind, und
in Erwägung, dass die Ausbreitung des deutschen Handels in den beregten
Gebieten zum Schutze unserer Interessen unerlässlich sei — ,
iu Erwägung ferner, dass unser Handel nach den uingezogencn Informationen
anscheinend lohnend einsetzen und dadurch die Erforschung der Binnen-
länder, sowie die Ausbreitung deutsch-christlicher Kultur in Mittel-West-
afrika am wirksamsten unterstützen könne —
und in Erwägung endlich, dass ein Unternehmen, welches vom Benue aus
das Hinterland von Kamerun erschliessen und die Küste gewinnen wollte,
mehr Aussicht auf Erfolg verspreche, als die bisherigen Bemühungen
gehabt haben, welche von der Küste aus zur Erschliessung des Hinter-
landes gemacht wurden —
beauftragt der Vorstand den Ausschuss, der Bildung einer sich konstituirenden
Niger-Benue-Handelsgesellschaft nach besten Kräften Unterstützung zu leiben.
Auch wurde eine Resolution zu Gunsten des aus der früheren
Gesellschaft für deutsche Colonisation entstandenen „Deutschen Frauen-
vereins für Krankenpflege in den Kolonien“ angenommen, welcher
die Förderung der Krankenpflege in den deutschen Kolonien durch
Anlage von Samariterstationen und deren Unterhaltung mit Pflege-
kräften, Heilmitteln, Instrumenten u. s. w. und die Förderung jeder
Missionsthätigkeit in den deutschen Kolonialgebieten, welche die Lin-
derung von Nothständen der eingewanderten und eingeborenen Be-
völkerung im Auge hat, sich zum Ziel gesetzt hat.
Die schon vorhin erwähnte, zu Berlin stattgehabte Hauptver-
sammlung vom ‘22. November stand unter dem Zeichen der Ernin
Pascha-Bewegung und ist ihr Antheil an der Gestaltung der-
selben schon angedeutet. Auch die Fragen der Sklaverei und des
Sklavenhandels wurden auf derselben behandelt und folgende, vom
Vorstande eingebrachte Resolution angenommen:
Die Hauptversammlung erachtet es als Aufgabe der Deutschen Kolonial-
gesellschaft , sowohl im humanitären wie im kolonial-wirthschaftlichen Interesse
für die Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels einzutreten. Sie beauf-
tragt den Vorstand und den geschäftsfübrenden Ausschuss der Gesellschaft: die
allgemeine Theilnabme in Deutschland für die bezeichnet« Angelegenheit in
weiteren Kreisen anzuregen und lebendig zu erhalten, die darauf gerichteten
deutschen Bestrebungen zusammenzuf&ssen, mit ausländischen, den gleichen Zweck
verfolgenden Vereinigungen in Verbindung zu treten und alle Schritte zu thun,
welche auf die Aufhebung des afrikanischen Sklavenhandels hinzuwirken geeignet
erscheinen.
Eine andere, von Herrn Dr. Hammacher befürwortete, ange-
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Die Deutsche Kolonialgesellschaft.
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nommene Resolution, welche sich auf die eminent wichtige Frage
der Auswanderung bezog, hatte folgenden Wortlaut:
1. Es liegt im Interesse Deutschlands, dass die deutsche Auswanderung
sich nach solchen Ländern wendet, in denen neben der Aussicht aut ein gutes
wirthschaftlicbes und geistiges Fortkommen die Verhältnisse für die Erhaltung
des Deutschlhums der Einwanderer und der Beziehungen derselben zu Deutsch-
land die meisten Garantien bilden. 2. Es ist deshalb zu beklagen, dass das für
das Königreich Preussen bestehende Ministerial-Reskript vom 3. November 1859
die Auswanderung nach den südlichen Provinzen Brasiliens (Rio Grande do Sul
und Sta. Cathanna), in welchen diese Vorbedingungen eines für die Aufnahme
von Deutschen geeigneten Gebietes erfabrungsgemäss vorliegen, gehemmt hat
und fortwährend hemmt. 3. Die Deutsche Kolomalgesellschaft hat die Pflicht,
dahin zu wirken, dass solche Hindernisse einer den Gesammtinteressen Deutsch-
lands entsprechenden Richtung der deutschen Auswanderung beseitigt werden,
überhaupt aber durch Belehrung und duich weitere Entwickelung ihres Au«kunfls-
bureaus innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen die Auswanderung ira
deutsch-nationalen Interesse zu beeinflussen. Insbesondere liegt es ihr ob, die
Bildung geeigneter Kolonisations-Unternehmungen zu fördern und die Tbätigkeit
derselben zu unterstützen. 4. Es ist Aufgabe der Deutschen Kolonialgesellschaft,
den Erlass eines die Thätigkeit wie den Geschäftsbetrieb der Auswanderungs-
Unternehmer und Auswanderungsagenten im Deutschen Reiche einheitlich ord-
net den Rcichsgesetzes anzustreben.
Die grösste und schwierigste Aufgabe, die deutsche Auswanderung
in Gebiete zu lenkeu, welche neben der begründeten Aussicht auf
eine gesicherte Zukunft des Auswandernden dafür bürgen, dass
deutsche Sprache und Sitte bewahrt und somit um so leichter auch
die wirtschaftliche und geistige Zusammengehörigkeit der Aus-
wandernden mit dem Vaterlande gewahrt und gefestigt bleibe, harrt
noch ihrer Lösung. Wenn es der Kolonialgesellschaft gelingt, die
jetzt plan- und ziellose Auswanderung zu organisiren, wird sie sich
ein bleibendes Verdienst um das Vaterland erworbeü haben. Wir
wollen das Beste für die Arbeiten in dieser Beziehung hoffen, denn
die Erkenntniss der Bedeutung dieser Fragen hat sich im Inlande
sowohl als im Auslände durchgerungen.
Schon hei Beginn der Bewegung hatte sich gezeigt, dass die
im Auslande augesiedelten Deutschen schneller und tiefer als
Viele daheim die Bedeutung zu erfassen vermochten, welche die
kolonialpolitischen Unternehmungen der Gegenwart für die Wohlfahrt
der Gesammtheit haben müssen. Die Gesellschaft erfreute sich daher
stets einer kräftigen Unterstützung von den im Auslande lebenden
Deutschen, welche in stetig steigeuder Zahl zur Lösung ihrer grossen
Aufgaben in patriotischer Weise mitwirken. Oft genug, wenn in der
Heimath der grosse nationale Gedanke, in welchem der bewährte
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Oie Deutsche Kolonialgesellscbaft.
Leiter unserer auswärtigen Politik das Werk unternommen hatte,
durch kleinliche Gesichtspunkte kurzsichtiger Parteipolitik getrübt
zu werden drohte, ist durch den Hinweis auf die Zustimmung und
begeisterte Theilnahme der Deutschen im Auslande grossherzigeren
Anschauungen zum Durchbruch verholfen worden. Wenn die Ge-
sellschaft bei ihrem gemeinnützigen Wirken und ihren, der Gcsammt-
heit der Nation geltenden Arbeiten auch fernerhin bei den Deutschen
im Auslande, soweit sie sich noch als Deutsche fühlen, eine that-
kräftige Unterstützung findet, wird die energische Inangriffnahme und
Behandlung der Auswanderungsfrage im Verein mit anderen, den
Bestrebungen günstig gesinnten hiesigen Faktoren, vielleicht bald ins
Werk gesetzt werden können.
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Die deutschen Kolonien.
Deutsch-Södwestafrika.
Obwohl der Name Angra Pequena von der Kolonialgesellschaft
für Südwestafrika in Lüderitzbafen umgewandelt ist. um den muthigen
bei der Erforschung des Landes umgekommeneu deutschen Pionier
zu ehren, so hat sich doch im Volke der portugiesische Name
erhalten, und mit ihm verbindet sich noch immer die Vorstellung
von dem Anbrechen einer neuen Zeit. Und in der That muss Jeder,
welcher die Kolonialentwickelung verfolgt, immer wieder auf diesen
kleinen Ort zurückkommen, welcher vor nunmehr fünf Jahren plötzlich
aus dem Nichts emportauchend, eine nicht unbedeutende Popularität
erlangte. F. A. E. Lüderitz war der unternehmende Bremer Kauf-
mann, welcher die Niederlassung in Angra Pequena gründete, um
Handel und Viehzucht im Inuern zu treiben, wo durch die lang-
jährigen Bestrebungen der Rheinischen Missionsgesellschaft die Ein-
geborenen schon auf eine höhere Kulturstufe gebracht worden waren.
Im Sommer 1882 hatte er schon die ersten Schritte gethan, um das
Terrain sondiren zu lassen, und am 16. November 1882 dem Aus-
wärtigen Amte Folgendes vorgetragen:
.Ich beabsichtige io nächster Zeit ein Schiff mit assortirter Ladung,
hauptsächlich deutscher Haaren, nach der Südwestküste Afrikas zu senden,
und zwar nach einem Platze zwischen 22 und 28 Grad südlicher Breite,
welcher noch im Besitze eingeborener Herrscher ist.
Einen, die dortigen Verhältnisse kennenden Superkargo sende ich mit,
um die Ladung zu verkaufen und zugleich einen Platz an oder in der Nähe
der Küste auszusuchen, der für die Anlage einer bleibenden Faktorei ge-
eignet ist.
L'in dies unter möglichst günstigen Verhältnissen für mich bewerkstelligen
zu können, gebe ich dem Superkargo Vollmacht, in meinem Namen Kontrakte
mit einem oder mehreren der dortigen Machthaber abzuschliessen, welche
dahin lauten sollen, dass dieselben mir gegen einen jährlich von mir zu
zahlenden Tribut den Alleinhandel in ihrem Lande gestatten und das alleinige
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Die deutschen Kolonien.
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Kesitzrecbt auf die, zur Anlage der Faktoreien und Pflanzungen, oder auch
Strausseufarmen, nöthigen Ländereien einräumen. Um in einem solchen
Hesitze nicht gestört zu werden, wünsche ich denselben sofort bei Abschluss
der Kontrakte unter den Schutz der deutschen Reichsflagge zu stellen und
gestatte mir die gehorsamste Kitte, mich geneigtest benachrichtigen zu
wollen, ob und unter welchen Bedingungen dieser Schutz mir gewährt wer-
den kann.“
ln Vertretung; des Reichskanzlers wandte sich Graf v. Hatzfeldt
am 4. Febrnar 1882 an den damaligen Geschäftsträger in London,
Grafen v Bismarck-Schönhausen, indem er ihm hiervon Mittheilung
machte und den Wunsch aussprach, er möchte die englische Re-
gierung über ihre Absichten sondiren, obwohl an sich nichts im
Wege stände, dem betreffenden Unternehmen den Schutz der Kaiser-
lichen Regierung zu gewähren. Das englische Foreign Office, welches
der Angelegenheit offenbar keine grössere Wichtigkeit beimass, als
den Klagen der Rheinischen Missionsgesellschaft in den Jahren vor-
her, t heilte darauf mit, dass es erst den Platz der Niederlassung
zu wissen wünschte, um zn einer Ansicht darüber zu gelangen, ob
die englischen Behörden im Nothfalle einen Schutz gewähren könnten.
Während diese Korrespondenz vor sich ging, hatte Herr Lüderitz,
welcher vom Auswärtigen Amte eine für seine Zwecke ausreichende
Antwort erhalten hatte, die Vorbereitungen soweit beendet, dass er
das zur Expedition ausgerüstete Schiff „Tilly“ nach Kapstadt ab-
sandte, welches von dort nach Angra Pequena fuhr. Dasselbe langte
mit der Expedition, an deren Spitze Herr Vogelsang stand, am
April Abends in der Bai von Angra Pequena an, und legte sich
am 10. in der Robertbai vor Anker. Die Theilnehmer der Expe-
dition rekognoszirten das Land, welches trostlos und öde war, da
der breite Dünenstreifen der Küste durchaus der Vegetation und des
Trinkwassers entbehrte. Ein paar Hottentotten und englische Robben-
fänger, welche auf den den Hafen schützenden Inseln ihrem Erwerbe
oblagen, waren die einzigen Menschen in dieser Einöde. Man begann,
die Ladung zn löschen, die Zelte aufzuschlagen und die nöthigen
Arbeiten des Hausbaues zu verrichten. Der Beherrscher des Landes,
Kapitän Josef Frederiek in Bethanien, zeigte sich bereit, Land ab-
zutreten, und der Kaufkontrakt über das Land au der Küste von Angra
Pequena in der Ausdehnung von zehn deutschen Quadratmeilen mit
allen Hoheitsrechten wurde in niederländischer Sprache abgefasst und |
am 1. Mai 1883 unterzeichnet. Damit war der erste erfolgreiche
Schritt geschehen, welcher der deutschen Kolonialbewegung einen
mächtigen Impuls geben sollte. Bald hörte man mehr von dieser \
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Die deutschen Kolonien.
135
Niederlassung, als ein englisches Kriegsschiff, die „Boadicea“ dort
sich über die Lage vergewissern wollte, aber bereits die „Carola“
vorfand, deren Commandant die Engländer sehr höflich aber be-
stimmt darüber anfklärte, dass ihr Schiff sich in deutschen Ge-
wässern befinde. I>ie „Boadicea“ fuhr uaeh Kapstadt zurück, wo
sich der Kapländer bald eine gelinde Raserei darüber bemächtigte,
dass die Deutschen es gewagt hätten, vor ihren Thoren sich fest-
zusetzen. Es folgte eine sehr lebhafte Korrespondenz über die Rechts-
titel dieser Gegend zwischen der Kapregiernng , dem englischen
Kolonialminister und dem Auswärtigen Amte, welche Jeder, der sich
für Kolonialgeschichte im engeren Sinne interessirt, in den in der
Anmerkung angesehenen Werken nachlesen möge. 1 )
Während die einen immer schärferen Ton annehmende Korrespon-
denz ihren Fortgang nahm, hatte der Bevollmächtigte des Herrn Lü-
deritz, Heinrich Vogelsang, am 25. August zu der Bai von Angra
Pequena noch den übrigen Theil der Küste vom OraujeHuss aufwärts
bis zum 26. Grad südlicher Breite nebst 20 geographische Meilen
Landesfläche von jedem Punkt der Küste ans gekauft. Um aber der
fortdauernden Agitation der Kapregiernng, welche sehr bedenkliche
Mittel bei ihren Bestrebungen, ältere Rechte ausfindig und geltend
zu machen, gegen die Deutschen anwandte, die Spitze abzubrechen,
wurde das Kanonenboot „Nautilus“ nach Angra Pequena beordert.
Der Bericht des Korvetten-Kapitän Aschenborn vom 27. Januar 1884
über die Lage von Angra Pequena ist in einem Weissbuch 2 ) veröffent-
licht worden und wir lassen ihn hier folgen, weil er heute noch für
die Beurtheilnug der Verhältnisse von Interesse ist:
.Der Hafen von Angra Pequena ist ein sehr guter. Schiffe von geringem
Tiefgang, wie S. M. Kanonenboot „Nautilus“ und die hier an der Küste
verkehrenden Schooner können bequem nördlich und südlich von der Penguin-
Insel einlaufen und zwischen dieser Insel und der Niederlassuug ankern.
Grössere Schiffe (Korvetten) müssen etwas südlicher beim Robert Harbour
ankern, wo sie gegen die hier herrschenden südlichen Winde und die
draussen stehende Dünung guten Schutz finden. Die Bucht ist durch die
vorliegenden Inseln fast nach allen Richtungen geschützt, besitzt einen guten
Ankergrund und scheint mir deshalb bei Weitem der beste Hafen an der
ganzen südlichen Westküste von Afrika, vielleicht mit Ausnahme der Sal-
danha- Bucht. Die genannten Inseln schützen den inneuhafen auch gegen
die ausserhalb derselben fortwährend stehende Dünung, so dass das Wasser
') Deutsche Kolonialgeschichte. Von Ma* von Koschitzky, Theil II.
Leipzig. Verlag von Paul Frohberg 1887.
*) Weissbuch. Vorgelegt dem Deutschen Reichstage in der 1. Session der
t>. Legislaturperiode. Erster Theil. Berlin. Carl Heymanns Verlag 1885.
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136
Die deutschen Kolonien.
des Hafens ruhig und glatt und das Landen an den sandigen Stellen leicht
und bequem ist. Im Innenhafen liegt nur ein der Schifffahrt hinderlicher
Felsen: der Tiger Kock, an der Nordostseite von Penguin Island; um den-
selben ist aber tiefes Wasser und muss er nur durch eine Baake, auch bei
Hochwasser, bei dem er unter der Oberfläche liegt, bemerkbar gemacht
werden, um seine Gefährlichkeit zu verlieren. Das Klima ist ein gutes zu
nennen, weil der Temperaturwechsel nur ein geringer ist und Flussmündungen
oder Sümpfe nicht vorhanden sind. Die höchste dort von den Deutschen
beobachtete Wärme betrug 34° Keaumur. Die Hitze belästigt wenig, da fast
fortwährend ein frischer Südwest- bis Südwind webt, der von der See kom-
mend kühlend wirkt. Das Wasser hat in Folge des kühlen nördlichen
Küstenstroms nur eine Temperatur von 17,5° Celsius. Die Inseln waren,
wie ihre Namen sagen, früher nur von Pinguinen und Robben bewohnt,
jetzt befinden sieb einige Hütten der Arbeiter auf denselben, welche den
Guano einsammeln. Verschiedene Arten von Seevögeln nisten noch in
Mengen dort, doch soll die Guanoentnahme in zwei Jahren wegen Mangels
an Stoff ihr Knde erreichen. Die Buchten des Hafens enthalten eine An-
zahl von Fischen. Der Mineralreichthum des Landes soll ein grosser sein
und wird in den, im Bereich der Kolonie und nördlich von derselben lie-
genden Bergen mit Erfolg nach Kupfer, Silber und Gold gegraben. Herr
Lüderitz bst die in der Nähe von Angra Pequena gefundenen Mineralien
gesammelt, uuter ihnen sind verschiedene Metalle. Eisen z. B. fanden wir
in kleinen reinen Stücken in der Felseumasse der Berge eingesprengt und
konnten diese Eisenstückchen taschenvoll sammeln. Dm dem Wassermaugel
abzubelfen, sollen Versuche mit artesischen oder abessinischen Brunnen an-
gestellt werden und hofft Herr Lüderitz dazu die Hilfe eines aus der
Kap-Kolonie erwarteten berühmten Quellenfinders. Auch plant er die Anlage
einer Kohlenstation, da es häufig passiren soll, dass Dampfern vor dem Er-
reichen von Kapstadt die Kohlen ausgehen. Nach Allem, was ich gesehen
und gehört habe, geht nun das von mir verlangte Gutachten dahin: dass
das von der Firma F. A. Lüderitz in Bremen im Hafen von Angra Pe-
quena ins Werk gesetzte Handelsunternehmen gut gegründet und erfolgreich
ist und dasselbe wuchsen und gedeihen wird, besonders wenn der Versuch,
Brunnen anzulegen, gelingt. Das Fehlen des Wassers ist der Hauptmangel.*
Anfang des Jahres 18«4 kehrte Lüderitz nach Bremen zurück,
und legte dem Auswärtigen Amte die Situation klar dar, welches
nach genommener Einsicht die vollste Ueherzeugung von der Unanfecht-
barkeit der Lüderitzschen Besitztitel gewann und gegen die englischen
kapländischen Machinationen nunmehr energisch einschritt. Am 24. April
1884 ging vom Fürsten Bismarck folgendes Telegramm au den deut-
schen Konsul in Kapstadt Lippert. welches die öffentliche Protektorats-
erklärung des Deutschen Reiches bedeutet:
Nach Mittheilungen des Herrn Lüderitz zweifeln die Kolonialbehörden,
ob seine Erwerbungen nördlich vom Oranje-Fluss auf deutschen Schutz An-
spruch haben. Sie wollen amtlich erklören. dass er und seine Niederlassungen
unter dem Schutze des Reiches stehen. (gez.) von Bismarck.
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Die deutschen Kolonien.
137
Vou dieser Depesche wurde gleichzeitig der englischen Regierung
Mittheilung gemacht, welche sich in der sehr unangenehmen Lage
befand, in einer ihr ziemlich gleichgültigen Sache aus politischen
Interessen für die Kap-Regierung energisch eintreten zu sollen und
sich einem entschlossenen, zielbewussten Gegner gegenüberbefand.
Sie war ihrer Aufgabe keineswegs gewachsen und beschränkte sich
bald auf eine sehr matte Vprtheidigung, sucht nach Ausflüchten und
Gründen die, ganze Angelegenheit zu verschleppen. Das Auswärtige
Amt wurde aber des weiteren Hinziehens müde und Fi'i rst Bismarck
sandte am 10. Juni folgende mit äusserster Klarheit und Präzision
abgefasste Instruktion an den Grafen Münster, welche zu den grund-
legenden Aktenstücken gehftrt und der nochmaligen Wiedergabe
werth ist:
„Nuchdera vermehrte Aufragen deutscher Unterthanen, namentlich han-
seatischer, ob sie bei ihren afrikanischen Unternehmungen auf den Schutz
des Reichs rechnen könnten, zu Anfang des vorigen Jahres an mich heran-
getreten waren, ist es zunächst mein Bestreben gewesen, zu verhüten, dass
wir, bei pfliebtmässiger Leistung dieses Schutzes, mit bestehenden oder auch
nur behaupteten Rechten anderer Nationen in Kollision geriethen. Es lag
mir daran, dies sicher zu stellen, ohne unnöthiger Weise Befürchtungen
über unsere Intentionen, oder die Neigung letzteren zuvorzu kommen, hervor-
zurufen. Ich habe deshalb die erste Anfrage, welche durch die Kaiserliche
an die englische Regierung gerichtet wurde, in die Form gekleidet: ob
England in der Lage sei, deutschen Ansiedelungen in Südafrika Schutz zu
gewähren. Ich war mir dabei bewusst, dass England ohne neue, bisher
nicht vorhandene Einrichtungen zu trefTen, in dieser Lage nicht sei. Es war
mir aber erwünscht, die eigene Erklärung Englands darüber bei den Acten zu
haben. Diese fiel, wie Euerer Excellenz bekannt, verneinend aus (Bericht vom
26. Februar 1883). Durch Krankheit verhindert, dieses Geschäft im Auge zu be-
halten, bin ich erst im Herbst vorigen Jahres durch erneute Mahnungen der
betheiligteu Deutschen veranlasst worden, auf der Basis jener ersten von
England erhaltenen Auskunft die Sondirungen darüber, ob wir bei Berück-
sichtigung der ßremischeu Wünsche auf englischen Widerstand stossen
würden, in der schonenden Form fortzusetzen, dass wir die englische Re-
gierung fragten, ob sie glaube, an den Küstenstrichen zwischen dem Oranje-
fluss und den portugiesischen Besitzungen , mit Ausnahme der Walflsch-
Bai, rechtliche Ansprüche zu haben, worauf sich dieselben gründeten und
welche Mittel eventuell in jeuen Landstrichen vorhanden wären, um deutschen
Ansiedlern Schutz daselbst zu gewähreu. Es war uns dabei nicht unbekannt,
dass England über solche Mittel auf jenen Küstenstrichen auch gegenwärtig
nicht verfügt, sogar nicht einmal in der Waltisch-Bai, wo meines Wissens
nur drei Engländer im Aufträge der Regierung vorhanden sind.
Meine Absicht bei diesen Sondirungen war dahin gerichtet, das amtliche
Auerkenntniss, dass jene Küstenstriche in europäischem Sinne res nullins
seien, von England zu erlangen, ohne dass irgend ein Schatten von Hiss-
S
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Die deutschen Kolonien.
trauen oder Verletzung auf einer der beiden Seiten entstände. Meine Ab-
sicht war, Gewissheit und Anerkenntniss von England darüber zu erhalten,
dass England bisher keine nachweislichen Rechtsansprüche oder Besitztitel
in jenen Küstenstrichen hinter sich habe. Diese von uns gestellte Frage
konnte von England in acht Tagen und ohne Rückfrage am Kap erschöpfend
beantwortet werden; es handelt sich nur um eine Erklärung über den da-
maligen rechtlich nachweisbaren Besitzstand Englands. Diese einfache
Frage ist von England dadurch komplizirt worden, dass I,ord Granville
und Lord Derby sie so aufgefasst haben, als hätten wir gefragt, ob es
England vielleicht konvenire, jetzt und in Zukunft noch etwas Anderes
als die Walfisch- Bai auf jenen Küstenstrichen sich anzueignen. Eine Rück-
frage bei der Kap-Regierung und ein Abwarten der dortigen Ministerkrise
wurde für die britische Regierung nur ein Bedürfnis, wenn sie sich darüber
vergewissern wollte, ob England oder dessen Provinz, die Kap- Kolonie,
vielleicht noch Lust hätte, sich neue Küstenstriche in jener Gegend an-
zueignen. •
Zur Beantwortung unserer Frage hätte eine einfache Durchsicht der
Register der früheren englischen Besitzergreifungen genügt: diese Register
aber scbliessen nördlich vom Oranjefluss die ganze Küste nach Abzug der
Walfisch- Bai ans
Dies ist der Punkt, auf welchem wir meinem Gefühl nach von England
nicht auf dem Fusse der Gleichheit behandelt worden sind. Dieses Gefühl
wird verstärkt durch die Erklärungen, welche verschiedene englische Staats-
männer in dem Sinne abgegeben haben, dass einmal die Nähe der eng-
lischen Besitzungen England ein legitimes Recht gebe, Ansiedelungen
anderer Nationen zu hindern, dass also England gegen die Nachbarschaft
anderer Nationen die Monroe-Doktrin in Afrika geltend macht und dass ferner
die englische Regierung, immer in der Voraussetzung, dass jene Landstriche
re.« nullius seien, zwar der von England abhängigen Kap-Kolonie das Recht
der Besitzergreifung dieser herrenlosen Länder einräumt, jeder andern Nation
und in specie uns das Recht dazu bestreitet.
Ich habe gestern die gleiche Frage mit Lord Ampthill besprochen und
ihm dabei gesagt . dass das Deutsche Rekh seinen Angehörigen den Schutz
ihrer Unternehmungen und Erwerbungen auch in Afrika nicht versagen könne,
<la«s ich die Unternehmer, welche den Schutz des Reichs in überseeischen
Ländern anrufen, auch nicht auf englischen Schutz anweisen könne, da wo
bisher englische Herrschaft nicht Platz gegriffen bat, und wo deutsche Kauf-
leute. in der Ueberzeugung. unter die ßotmässigkeit keiner anderen euro-
päischen Macht zu treten, sich angesiedelt haben, ihnen nicht zumuthen
könne, sich in Betreff ihrer Erwerbungen aus deutschen Unterthanen in eng-
lische zu verwandeln.
Meine Ansicht geht nach wie vor dahin, dass ein Kolonialsystem nach
Analogie des heutigen englischen mit Garnisonen, Gouverneurs und Beamten
des Mutterlandes für uns nicht angezeigt sei, aus Gründen, welche in unseren
inneren Einrichtungen und Verhältnissen liegen, dass das Reich aber nicht
umhin könne, seinen Schutz, soweit seine Kräfte reichen, auch auf solche
Handelsunternehmungen deutscher Unterthanen zu erstrecken, welche mit
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Die deutschen Kolonien.
139
Landerwerb verbunden sind. Ich habe mich auf die Analogie der englisch-
ostindischen Kompagnie in ihrem ersten Anfänge berufen. Die darauf von
I/Ord Amptbill an mich gerichtete Frage, ob wir soweit geben würden, den
ßetheiligten ein Royal Charter zu bewilligen, habe ich bejaht. Euer Ex-
cellenz wollen aus Vorstehendem die Richtung für Ihre Haltung in Be-
sprechungen mit Lord Granville entnehmen.
Unser Verhalten muss darauf gerichtet sein, in Deutschland den Eindruck
7.11 verhüten, als ob wir dem in der That aufrichtig vorhandenen Wunsche
des guten Einvernehmens mit England vitale Interessen Deutschlands opfern
könnten. (gez.) von Bismarck.“
Die Kapkolonie raffte sich, nachdem sie anf dem diplomatischen
Gebiete jämmerlich geschlagen war, endlich zu einer praktischen That
anf und wollte nördlich vom 26. Breitengrade, wo sich die Walfischbai
als unbestritten englisches Territorium befand, annektirend Vorgehen,
alter die deutsche Regierung war diesen Bestrebungen zuvorgekommen.
Am 7. August 1884 wurde in Angra Pequena unter Salut von
21 Kanonenschüssen an Bord der Korvette „Elisabeth“ nnd der
Korvette „Leipzig“ die deutsche Flagge gehisst. An demselben
Tage erliess die Kapregierang eine Proklamation, welche die Annexion
der Wallischbai an die Kapkolonie aussprach nnd folgende Grenzen
des Territoriums festsetzte: Im Süden eine Linie, die von einem
Punkt an der Küste 15 englische Meilen südlich von Pelican Point bis
Scbeppmamisdorp geht; im Osten eine Linie, die von Schepomannsdorp
bis zu dem Roribank führt, das Plateau einschliesst und von da bis
10 englische Meilen landeinwärts von der Mündung des Swakop-
Flusses geht, im Norden die letzten 10 Meilen des Swakop-Flusses,
im Westen das Meer. Es sind dies die gültig anerkannten Grenzen.
Die deutsche Regierung hatte aber noch einem anderen Schiffe,
dem Kanonenboot „Wolf“, den Auftrag gegeben , die ganze Küste
nördlich von Lüderitzland bis zur portugiesischen Grenze in Besitz zu
nehmen, ausschliesslich der Walfischbai. Am 12. August, erfolgte die
Flaggenhissung in Sandwichhafen, welche an anderen Punkten der Küste,
bei Kap Cross, Kap Frio nnd an der Spencerbai vor sich ging. Die
Deutschen hatten kurz darauf auch im Hererolande mit Unterstützung
der Rheinischen Mission Verträge mit den eingeborenen Häuptlingen
geschlossen, vorerst mit Piet Heibib. welcher sein Küstengebiet vom
26. bis 22.“ ö. L. , nebst einem Gebiet von 20 geographischen
Meilen von der Küste landeinwärts ahtrat und sich nnter die Hoheit
des Deutschen Reiches stellte. Wie in den früheren Vertrügen
wnrden auch in diesem alle Rechte Dritter Vorbehalten. Hiermit
war die de facto Annexion des grossen Küstengebietes vollendet, es
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Die deutschen Kolonien.
hlieb nur noch übrig, irn Innern mit den Häuptlingen Verträge ab-
zuschliessen , besonders mit Maharero, dem Häuptling der Hereros,
und die Grenzen nach Osten und Norden hin festzusetzen. General-
Konsul Nachtigal erschien daher auf der Bildfliiche, um die Unter-
handlungen der Deutschen und Missionare mit den eingeborenen
Häuptlingen zu unterstützen. Maharero, von den Engländern auf-
gereizt, hatte sich nämlich durchaus abgeneigt gezeigt, mit den
Deutschen zu unterhandeln, während die Bastards in Rehobot und
andere kleine Häuptlinge sich unter den Schutz des Deutschen
Reiches gestellt hatten. Sogar der Häuptling Manasse von
Hoachauas, dessen Gebiet im Süden bis zum Tscbamob-Flusse, im
Osten bis Betschuaua-Land. im Nordosten bis zum Nganii-See, im
Norden bis zum Okawango-Fluss. im Nordwesten bis Owambo-Land
reicht, richtete ein Protektoratsgesuch an den deutschen Kaiser,
welchem natürlich Folge gegeben wurde. Am 28. Oktober 1884
schloss der Kapitän des Gross-Namalundes Josef von Bethanien nach
einigen Verhandlungen mit Dr. Nachtigal einen Schutz- und Freund-
schaftsvertrag mit dem Deutschen Reich. Dr. Nachtigal stellte dann
am 28. November die Abtretung Piet Heibibs tiuter das Protektorat
des Deutschen Reiches. Mehr Mühe machte es, den ersten Häuptling
der Herero, Maharero, zu gewinnen, da besonders die kapländische
Regierung durch Palgrave sehr gegen die Deutschen wühlte. Die
englische Regierung ertrug dagegen das Unvermeidliche mit leid-
lichem Geschick und suchte nur als Westgrenze ihrer Besitzungen
das Betschuaualaud zu retten und als Grenze dafür den 20.° fest-
zusetzen. Endlich am 21. Oktober wurde der Vertrag zwischen Dr.
Göring, dem ernannten deutschen Reichskommissar für das südwestafri-
kanische Schutzgebiet, und Maberero geschlossen, und damit im Grossen
und Ganzen die Reihe der Erwerbungen vorläufig beendet, da nach
Osten hin England durch Erwerbung des Betschuanalandes und Khamas
Reich eine Grenze gezogen hatte. Als englische Westgrenze für das
britische Territorium wurde der 20.° 0. L., der 22.° s. Br. als
äusserste Nordgrenze bezeichnet. Es ist mehrfach beklagt wor-
den, dass Deutschland so bereitwillig auf die englische Forderung
einging, welche der Furcht vor einer etwaigen Vereinigung Deutsch-
lands mit der Transvaal-Republik ihre Entstehung verdankte, alter
mau möge auch bedenken, dass zur Zeit Deutschland das Mögliche
erreicht hatte und es sicher im Interesse eines freundnachbarlichen
Zusammenwirkens war. wenn auch Deutschland seinerseits nicht das
Aeusserste versuchen wollte, zumal die Wurzeln seiner Macht in
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Die lieutschen Kolonie».
141
dem Schutzgebiete selbst doch recht schwache waren. Mit Por-
tugal wurde später ein Abkommen dahin abgeschlossen, dass die
Grenzlinie dem Laufe des Onnene aufwärts bis zum zweiten Kata-
rakt im Chelle- oder C'annagebirge folgt, um in gerader Richtung
den Cnbango zu erreichen. Diesen entlang geht sie bis zum Ort
Andora und alsdann dem Parallelbreitengrad folgend, bis zum
Sambesi, den sie bei den Mololofftllen erreicht. Wie schon früher
bemerkt, ist die Ausdehnung der deutschen Grenze nördlich vom
22.° nach Osten hin noch unsicher.
Das Gebiet enthält annähernd 1 Million Kilometer Flächeninhalt.
Das Land steigt vom Meere allmählich an, bis es in etwa 200 — 300 km
Entfernung eine Höhe von 1000 — 1100 m erreicht, lieber die
Bodengestalt schreibt Dr. Pechuel-Loesche:
„Den grössten Theil des Raumes nehmen ausgedehnte,
ziemlich ebenmässige Hochflächen ein. Aus ihnen ragen Hauf-
werke von Felsblöcken sowie massige Kuppen und Spitzen
oder auch breit hingelagerte Berge hervor, die sich regellos
nur wenige Meter oder einige Hundert und ausnahmsweise bis
vielleicht 1000 m über ihre Umgebung erheben. In der Regel
treten sie vereinzelt auf, hier und dort auch in Gruppen und
Reihen. Wirklich gebirgige Gegenden sind selten und von
verhältnissmässig geringem Umfange. Die Abflussrinnen durch-
ziehen das obere Mittelland wie ein flach verlaufendes riesiges
Geäder von nackten Sandstreifen. Je weiter westwärts, desto
tiefer haben sie sich durch den Schutt in das Grundgebirge
eingeschnitten, so dass ihre Betten inmitten vielgestaltiger
Felseneinöden 50—200 m unter den benachbarten Hochflächen
liegen. Aehnliche Verhältnisse scheinen im Kaoko vorzn-
kommen. Im Grossnamaland führen keine nennenswerthen
Abflussrinnen zum Meere. Dagegen haben die ostwärts und
dann südwärts zum OranjeHuss ableitenden, besonders der grosse
Fischfluss, viele Strecken ihrer Betten ebenfalls tief ausgefurcht.
Die ungeheueren Gebiete östlich von der Wasserscheide sind
einförmiger gebildet. Dort, dehnen sich endlose Ebenen, denen
Landmarken in Gestalt auffälliger Erhöhungen (Kuppen, Spitzen)
fast gänzlich fehlen. Sie senken sich so allmählich, dass der
Ngamisee — an der Nordgrenze der Kalahari — in ungefähr
900 m, una weiter nordostwärts, jenseits einer flachen Land-
schwelle, welche die Tschobesümpfe von Ngami trennt,
die Gebiete am Sambesi in etwa kOO m Höhe liegen. Die
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14 _>
Die deutschen Kolonien.
Südhälfte der Kalahari ist massig nach dem Oranjefluss ab-
gedacht. Den Küstenstrich des Grossnamalandes bedecken
Düneureihen in bedeutender Breite vom änssersten Süden bis
zunt Kuisib. Längs der Waltischbai bilden sie nur uoch einen
schmalen Gürtel und enden am Tsoachaub. Jenseits desselben
wo die Küste schroffer wird, sollen nur noch am Strande
vereinzelte und unbedeutende Sandweheu Vorkommen. *) Das
Grundgerüst des Bodens bilden Urgesteine: Gneisse, Granit,
Basalt, auf denen Sandsteine ruhen. Das Urgestein tritt
fast überall zu Tage, vielfach zertrümmert und Schutt bildend:
Im nächsten Hinterlande der Wallischbai, in der Wüste
Namib, wie überhaupt im ganzen Küstengebiete des Mittel-
landes liegt der Schutt frei zu Tage und ist durch mancherlei
Bindemittel tennenähulich fest verkittet. Weiter binnenwärts.
wo mehr Regen fällt, die Temperaturunterschiede jäher wech-
seln, ist er allenthalben zu feinerem Grus und endlich zu einem
sandigen, mürben und durchlässigen Erdreich verwittert, das von
Regengüssen verschwemmt, während derTrockenzeit an derOber-
fläche zu einer glatten harten Schicht zusammenbäckt. Diese wird,
wo weidendes Vieh umherzieht, von desseu Hufen gewöhnlich zer-
stört und in Staub verwandelt. Das Erdreich der binnenwärts
von den Schuttwüsteu sich dehnenden besser beregneteu Hoch-
flächen ist etwa einem leichten Roggenboden gleichzuachten.
Es scheint mehr oder minder mit Saud und Grus gemischt,
bis weit in das Innere hinein (Omaheke und Kalahari) sowie
südwärts im Grossuamalaude und nordwärts im Kaokofelde vor-
zukommen. Nach dem Ambolaude hin bis zum Cunene (Ueber-
schwemmuugsgebiete) geht es in einen weichen schwarzen
Boden über, der freilich auf weiten Strecken mit losem Sande
überlagert ist. Ost- und südwärts von dort, nach dem
Nganiigebiet hin, dehnen sich grösstentheils Sandfelder, die
strichweise von trostloser Beschaffenheit sind: das soge-
nannte grosse Durstfeld. Nicht besser beschaffen sind die
Gegenden au den Tschobesümpfeu bis zum Sambesi und die
östlich vom Ngamisee liegenden. Von Grossuamaland sind
wiederum die westlichen Gegenden grösstentheils unter
Flugsandmassen begraben, welche mehr als hundert Kilo-
meter weit vom Meere landeinwärts vorgedrungen sind.
*) Deutsche Kolonialieituui; 188S, No. 32.
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, Die deutschen Kolonien.
14a
Eineu vortreffliche» Ackerbodeu, aus wohlgemisehtem und, wo
nicht Sehlickschiebteu auf- oder zwischengelagert sind, gut
zu bearbeitendem Schwemmlande bestehend, bieten die Ufer-
leisten, hier und dort auch die Betten der Wasserläufe ini
Mittellande dar. Freilich ist dabei nicht an fette Auengeläude
zu denken, die ununterbrochen die Abflussrinnen umsäumen.
Das zunächst anbaufähige Land tindet sich vielmehr allenthalben
in Abschnitten vertheilt, die vorherrschend eineu bis fünf Hek-
tar, manchmal auch zwanzig bis fünfzig Hektar gross sein
mögen, ln den westlichen, tief ausgefurchten Flussthäleru liegt
es stückweise eingeschaltet zwischen dem Bett und den zu den
Hochflächen einleiten Felseneinöden; in den oberen Gebieten,
wo die Hinnen noch in flach abgedachten Geläuden verlaufen,
sind die Grenzen nicht so scharf gezogen. Dort wird der Um-
fang der zusammenhängend bewirthsehaftbaren Felder haupt-
sächlich von den Wassermengen abhängen, die man zur Be-
rieselung beschaffen kann. Leider verarmt dieses wirklich gute
Land, wo es nicht gepflegt wird, immer schneller, je mehr
gegenwärtig die schützende Vegetation schwindet. Aus dem
nämlichen Grunde erstickt es in den westlichen Flussthälern all-
mählich unter dem von den Höhen herabgewehten Flugsande,
sodass seine Ausdehnung nicht überall sicher zu bestimmen ist.“
Im Grossen und Ganzen dürfte das Gebiet dem westlichen Theile
von Transvaal und Betschuanaland ähneln, mit dem es mancherlei
Uebereinstimmendes hat. Was das Klima anbetrifft, so ist es intensiv
trocken und grosse Temperaturdifferenzen , welche bis ‘200 R. be-
tragen, kommen häutig vor. ln den Sommermonaten hat man am
Tage etwa 30°, so dass im Zelte die Stearinkerzen schmelzen, in
der Nacht 20°. ln den Wiutermonaten (Mai, Juni, Juli) wechselt
die Wärme von 20° bis zu einer Kälte Nachts, welche das Wasser
im Zelte gefrieren lässt. Doch ist die Hitze gut zu ertragen wegen
ihrer Trockenheit, der Schweiss verdunstet schnell, und man hat sich
nur vor unmittelbarer Sonnenbestrahlung zu hüten, wozu ein Sonnen-
schirm ausreicht. Das Klima ist als Trockenklima gesund, Fieber
kommen selten vor. Au den Küsten mässigen sich die Temperatur-
gegensätze, monatelang ist häutig kein Wölkchen am Himmel zu
sehen, aber wenn Niederschläge einmal kommen, dann sind sie
heftig. Das ganze Land steht unter dem Einflüsse von zwei sehr
beständigen Luftströmen, von denen im Sommer der eine aus den
Tropenräumen des NO. feuchte und warme Luft, der andere aus SW.
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Die deutschen Kolonien.
trockene kohle Luft bringt. Wo beide Strömungen auf einander
treffen, entstehen Gewitter von erschreckender Heftigkeit. Gewöhnlich
ist es dann Morgens warm, gegen Mittag schwül, aus SW. kommen
Wolken, und plötzlich bricht der Platzregen los und überschwemmt
binnen kurzer Zeit das Land bis zur Kniehöhe, wovon allerdings
nach wenigen Stunden nichts mehr zu merken ist. Diese tropischen
Gewitterregen sind am häutigsten im Innern, seltener an der Küste,
wo deshalb auch weniger Quellen sind. Im Winter dagegen ist das
Innere trocken, während der Küstenstrich unter dem Einfluss von
Stanbwiuden, aber auch von andauernden Nebelregen steht, den wir
als subtropisch bezeichnen würden. Aber auch diese Nebel nützen der
Vegetation so wenig, wie das in den Gegenden, wo Regen fällt, herab-
strömende Wasser, da es nicht tief in den steinhart getrockneten Boden
eindringt, verdunstet, oder in Folge der bedeutenden Neigung vieler
Flüsse, deren Rinnsale es eine kurze Zeit füllt, abläuft und sich
allmählich im Boden verliert. Perennirende Gewässer hat daher das
deutsche Schutzgebiet mit Ausnahme der Grenzflüsse und einiger dem
Ngamisee zugehörender Bäche nicht aufzuweisen. Für mehrere
Missionsstationen liefern ständige Quellen das nothwendige Wasser
für Menschen und Vieh und zur Berieselung kleiner Gärten. Es
giebt eine Anzahl von stagnirender Wasseransammlungen, sogenannte
Vleys, und die charakteristischen Wasserbänke, welche oft lange Zeit
mit Wasser angefüllt sind und auf deren Inhalt die Bewohner oft
angewiesen sind. Die Grundwasservorräthe sind im Allgemeinen
nicht reichlich, mit wenigen Ausnahmen liegen sie sehr tief und nur
nach besonders ergiebigen Regenzeiten steigen sie etwas. Dieses
sparsame Vorkommen von Wasser und die Schwierigkeit seiner Ge-
winnung ist eines der grössten Hindernisse für die Erschliessung des
Gebietes. Die Vegetation ist naturgemäss eine spärliche, zum gröss-
ten Theil \on den Regenverhältnissen abhängig. Pechuel-Loesche
nimmt an, dass von hundert Theilen des Schutzgebietes vier Theile
Wüste sind, ein Theil mit Grundwasservegetation und die übrigen
fünfundneunzig mit Regenvegetation bestanden sind. „Diese überwiegt
jedenfalls in solchem Maasse, dass sie den Vegetationscharacter des
Landes bestimmt: Das deutsche Schutzgebiet ist eine Stranchsteppe,
die im Süden mehr zur dürftigen Grassteppe, im Norden zur Baum-
steppe übergeht.“ Die Gegend der Regen vetation zeigen niedrige
Sträucher und Gräser, der Grundwasservegetatiou eine beschränkte
Anzahl von Bäumen an, welche aber nirgends enggeschlossen stehen,
und meistentheils zu der Gattung Acacia gehören.
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Die deutschen Kolonien.
145
Die Thierwelt ist etwas reicher als die Pflanzenwelt, aber durch
die beständigen Nachstellungen sehr vermindert, einige Spezies sind
hier und da ansgerottet. Elephanten, Büffel, Flusspferde sind wohl nur
noch im nördlichen und nordöstlichen Ende des Schutzgebietes zu
finden und die Antilopen, welche in einer Unzahl von Arten ver-
treten sind, nicht mehr in jener staunenerregenden Fülle, welche
früher Reisende schilderten, da, wie gesagt, ein wahres Raabsystem
einige Jahre vor der Annexion Platz gegriffen hatte, so dass der
Reichthum, welchen die Natur seit Jahrhunderten aufgebaut hatte,
in wenigen Jahren ruchlos zerstört wurde. Von Ranbthieren sind
Löwen. Leoparden und Hyänen zu erwähnen, ferner von Einhufern
Zebras und Quaggas, von Vögeln besonders die Strausse, welche
noch häufiger angetroflen werden, und die Trappen. Die Tsetsefliege,
deren Stich den Hausthieren den Tod bringt, ist in einigen Strichen
vorkommend, doch nicht so häufig, dass sie der Rindviehzucht be-
deutenden Abbruch thäte. Besonders reich ist das Schutzge-
biet an Rindvieh, welches in der That den einzigen Reichthum der
Eingeborenen, besonders der Herero, bildet. Rinder, Schaafe und
Ziegen gedeihen ausgezeichnet in dem Schutzgebiete und die Ein-
geborenen besitzen grosse Heerden davon.
Das südwestafrikanische Schutzgebiet ist sehr diinn bevölkert;
im Norden wohnen die Ambostamme, welche weitaus die Mehrzahl
bilden, in dem mittleren Gebiet die dunkelhäutigen Herero, dann im
südlichen Theile die Nama (Hottentotten), Bergdamara, Busch-
männer, Bastards, Bondolzwaarts, die Mischlinge ans Europäern und
Namas, und im Nordosteu einige wenig bekannte Stämme.
Das Unternehmen des Herrn Lüderitz in AngraPequena hatte unter
den gegebenen Verhältnissen mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen,
da das wasserarme Hinterland wenig bewohnt war und die Einge-
borenen wenig Bedürfnisse hatten. Er war bald zu der Ueberzengnng
gelangt, dass nur durch Ausbeute der vorhandenen Erzlager das Unter-
nehmen gewinnbringend werden dürfte und beeilte sich, das Hinterland
auf Erzlager untersuchen zu lassen. Dass das Land an Kupfer reich war,
stand ausser Frage, aber bei dem damaligen niedrigen Stande dieses
Metalls hätte eine Ausbeute nicht gelohnt, zumal dieTransportschwierig-
keiten durch den wasserlosen Dünengürtel eine übermässige Ver-
theueruug herbeigeführt hätten. Schon im August 1884 ging eine
Expedition von Fachleuten nach Angra Pequena ab, um das Land
auf seinen Bodenwerth zn prüfen, hatte aber wenig Erfreuliches
zu berichten. Auch die Versuche, im Hinterland die genügenden
Jahrbuch für Dciit&cbe Kolonialpolitik. 10
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Die deutschen Kolonien.
Mengen Wasser zu finden, schlugen fehl. In Aus ist der Versuch
nicht ganz missglückt, an anderen Stellen sind grosse Summen und
viel Arbeit anfgewendet worden, ohne den gewünschten Erfolg zu
haben, sei es, dass die Unternehmer au falschen Stellen suchten oder
nicht tief genug gruben. In trockenen Flussbetten ist die Suche
nach Wasser ohne Zweifel am einfachsten und vernünftigsten. Man
hat da erst durch eine Sandschicht und dann durch eine 2 — 6 Fuss
tiefe verwitterte Steinschicht zu arbeiten und wird dann meist Wasser
anf der zweiten harten Schicht vorfinden; ist diese aber noch porös, so
muss auch sie durchdrungen werden, ehe man hoffen darf, an das
richtige Reservoir zu gelangen; man wird dann aber gewöhnlich
reichlich Wasser finden und auch sehr reines, frei von Salzen. Das
Rationellste ist jedenfalls, Wasser in Thälern zu suchen. Die meisten
Thäler haben eine mehr oder wenig tiefe Alluvialschicht, die auf einer
nicht porösen Steinschicht ruht. Sind beide Seiten eines solchen Thaies
von gleicher Höhe, so muss das Wasser in der Mitte gesucht werden, ist
die eine Seite steiler als die andere, so werden die Wasseradern an
der steileren Seite liegen. Quellen findet man selten am oberen
Ende des Thaies, viel häufiger trifft man sie da an, wo sekundär
Thäler einschneiden. Die geeignetste Stelle ist diejenige, die am
weitesten vom Kreuzungspunkt der Thäler selbst, aber an der nie-
drigsten Stelle liegt, gerade an solchen Stellen, wo das wenigste
Wasser an der Oberfläche sich ansammelt. In manchen Fällen
würde es sich vielleicht lohnen, den Rand des Querthaies zu ver-
suchen, gerade wo es in das Hauptthai einläuft. Um aber genau
den Strom des Grundwassers zu finden, bedurfte es sicher ein-
gehender Studien, welche damals nicht gemacht werden konnten.
In Angra Pequena selbst, für welches Trinkwasser aus Kapstadt ge-
holt werden musste, hat man sich durch die Anlage von Süsswasser-
Kondensatoren zu helfen gewusst, welche mit Glasdächern versehen
sind und mit Seewasser gefüllt werden. Durch die Einwirkung der
Sonne verdunstet das Wasser, kondensirt sich bei abnehmender Tem-
peratur an der inneren Fläche des Glasdaches und wird durch Rinnen
abgeführt, die am unteren Dachrande angebracht sind.
Das Unternehmen des Herrn Lüderitz war so grossartig angelegt
gewesen, dass er sich gezwungen sali, seine Rechte an eine Gesell-
schaft zu veräussern. Es trat ein Konsortium zusammen, welches
Lüderitz pekuniär entlastete, nnd als „Deutsche Kolonialgesellschaft
für Südwestafrika“ am 13. April durch allerhöchste Kabinets-Ordre
ihr Statut genehmigt erhielt. Nach §. 1 hat die Gesellschaft den
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Die deutschen Kolonien.
147
Zweck, die von Herrn F. A. E. Lüderitz erworbenen, unter dem
Schutze des Deutschen Reichs stehende Ländereien und Rechte käuf-
lich zu übernehmen und durch andere Erwerbungen zu erweitern,
die Grundbesitzungen und Bergwerksberechtigungen durch Expeditionen
und Untersuchungen zu erforschen, industrielle und Handels-Unter-
nehmungen, sowie deutsche Ansiedelungen vorzubereiten, gewerbliche
Anlagen aller Art dortselbst zu machen und zu betreiben oder durch
Andere betreiben zu lassen und das Privateigenthum zu verwertheu,
und endlich die Ausübung sämmtlicher Hoheitsrechte zu überwachen,
soweit solche der Gesellschaft für ihre Gebiete übertragen werden sollten.
Zur Zeit der Gründung bestand das Vermögen der Gesellschaft aus
800 000 M. (die Einlage 1000 M.), wurde aber bald auf 2 000 000 M.
erhöht. Die Aufsicht über die Gesellschaft wird von dem Königl.
Preussischen Ministerium für Haudel und Gewerbe und des Innern
geführt. Als Präsidium des Verwaltungsrathes wurden gewählt: Se.
Durchlaucht der Herzog von Ujest, sowie die Herren Reichstags-
und Landtagsabgeordneter Dr. Hammacher und Geh. Kommerzien-
rath Schwabach.
An die Gesellschaft, deren patriotisches Vorgehen die höchste
Anerkennung verdient, trat nuu die wichtige Aufgabe heran, den sich
in einer Breite von 20 geographischen Meilen (nur im Hinterland
der Walfischbay ist noch ein grösseres Territorium erworben) aus-
dehnenden Küstenstrich wirthsehaftlich nutzbar zu machen, welches
sowohl durch die Ausbeutung der Mineralschätze, als durch Ackerbau
und Handel möglich erschien. Es wurden noch einige kostspielige Ex-
peditionen abgeschickt, welche aber nur Ungünstiges berichteten.
Die von Herrn F. A. E. Lüderitz übernommenen Minen und andere
Grundrechte erwiesen sich als wenig werthvoll, der Ackerbau nur
im beschränkten Maasse (häufig erst nach Anlage von Fangdämmen)
möglich und der Haudel im Gebiete der Gesellschaft nur unbedeu-
tend, so dass ihre Thätigkeit bald ziemlich brach lag. Sie erwarb
noch einige Mineukouzessionen im Hererolaude, führte eine neue
Bezeichnung des Landes ein (vom Oranje- bis zum Swakopflusse
„Deutsch-Namaland“ und für den nördlichen Theil vom Swakopfluss
bis zur portugiesischen Grenze „Deutsch-Damaraland“), aber unterliess
es wegen der grossen Kosten um einen kaiserlichen Schutzbrief eiu-
znkommen. Dagegen bescheinigte ihr der Reichskanzler als Aufsichts-
behörde, dass die Gesellschaft in Gemässheit der von ihr geschlos-
senen Verträge seitens der Häuptlinge nicht blos private, sondern
öffentliche Rechte erworben habe, deren Ausübung unter dem Schutze
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148
Die deutschen Kolonien.
des Deutscheu Reiches späteren Abmachungen Vorbehalten bleibe,
und ferner, dass die von Reichswegen beabsichtigte Erhebung von
Zöllen und Abgaben auf die Gesellschaft übergehen solle, sobald die-
selbe in die unmittelbare Staatsverwaltung des Gebietes einzutreten
in der Lage sei. Als ein die Entwicklung besonders des Berg-
wesens, auf das man von Anfang an die grössten Hoffnungen gesetzt
hatte, hinderndes Moment war noch die Anwendung des preussisehen
Berggesetzes vom 24. .Juni 1865 auf diese unkultivirten Gebiete an-
zusehen. was von vornherein lähmend wirken musste.
Es hatte schon früher verlautet, dass nach der ganzen Konfiguration
des Landes die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Gold spreche,
aber die abgesandten Expeditionen hatten trotz grösster Mühe nichts
linden können. Da wandten sich einige australische Goldgräber, unter
der Anführung eines John Stevens, dessen in den Kupferminen vor
langen Jahren beschäftigt gewesener Vater Riffgold entdeckt haben
wollte, an die Gesellschaft, um die Erlaubnis nachzusuchen, auf
eigene Kosteu unter den in anderen Golddistrikten üblichen Bedin-
gungen in einem bestimmten Bezirk auf Edelmetalle und edle Steine
zu schürfen. Mit den Goldgräbern wurde am 23. Juli 1887 in Kap-
stadt ein Abkommen getroffen, wonach denselben die Erlaubniss zum
Aufsuchen von Gold und Edelsteinen ertheilt und für den Fall, dass
sie edle Metalle oder Steine in lohnender Menge („in payable quan-
tities“) entdeckten, das Recht eingeräumt wurde, 8 Claims (s. g. Pro-
spectors-Claims) von je 250 englischen Yards im Geviert auszu-
suchen und als Eigenthum zu behalten. Sie konnten diese Claims
solange ohne Zahlung einer Gebühr (licence) bearbeiten, als sie nach
dem Vertrag die bona fiele Eigenthümer dieser Claims blieben. In
Bezug auf den Minenbezirk, Minenbetrieb etc. unterwarfen sich die
Diggers den Anordnungen des Reichskommissars, unbeschadet ihres
Rechts auf die erwähnten Claims. Durch ein weiteres Uebereinkommen
vom 25. Juli 1887 wurde unter Hinzuziehung des Andreas Ohlsson
in Kapstadt unter der Gesellschaft und den fünf australischen Gold-
gräbern ein Syndikat — das s. g. „Australian-Prospecting-Syndicate“
— zum Zwecke der gemeinsamen Ausbeutung der etwaigen Funde der
Diggers gebildet. Auf dieses Syndikat gingen die Rechte der Diggers,
insbesondere das Recht der Prospectors-claims, in der Weise über,
dass an der Gesammtheit: der claims betheiligt, sein sollten: A. Ohlsson
(welcher die Kosten der Expedition übernahm) mit -/ 8 . die Gesell-
schaft mit 7 g und jeder der fünf Diggers mit 1 j e . Die Diggers
reisten am 23. Juli 1887 von Kapstadt nach der Walfischbay, be-
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t>ie deutschen Kolonien.
149
gaben sieh von (ia ins Innere und schlugen sehr bald bei der alten
Pot-Mine auf einer Insel im Flussbett des Swakop ein goldhaltiges
Quarzriff an. Das Goldvorkommen wurde durch den Reichskommissar,
welcher sich an Ort und Stelle begab und durch mehrere Zeugen
festgestellt.
Eine Probe des gefundenen Golderzes gelangte hierher und wurde
bei amtlicher Untersuchung als sehr reich erkannt. Obwohl man nun
annehmen konnte, dass nur ausgesucht goldhaltige Proben hergeschickt
waren, was die Abbanfähigkeit der Minen keineswegs sicherte, trat
doch bald ein gelindes Goldtieber ein, ein an und für sich voll-
kommen begreiflicher Zustand, da die Znkunft der Kolonie wesentlich
von der Frage abhing, ob der Bergbau in lohnender Weise betrieben
werden konnte. Aus den Kreisen der Gesellschaft bildete sich bald
das „Süd westafrikanische Gold-Syndikat“, welches ein erhebliches
Kapital daran setzte, um im deutschen Schutzgebiet Untersuchungen
und Schürfungen auf Mineralschätze vorzunehmen, Verleihungen auf
Abbau von Gold- und Edelsteinfeldern und Bergwerkseigenthum
zu erwerben, wirtschaftliche Einrichtungen, welche mit der Ge-
winnung von Gold Zusammenhängen, vorzubereiten, in eigenen Betrieb
zu nehmen oder zu veränssern und wieder Gesellschaften zu bilden,
welche einzelne oder sämmtliche Vennügensobjekte des Syndikats
übernehmen sollten. Das Syndikat entsandte Ende März eine unter
Führung des Herrn Dr. Gürich stehende bergmännische Expedition
nach Südwestafrika. Von anderer Seite aber wurden ebenfalls Unter-
nehmungen auf Bergbau ins Leben gerufen. Das Mitglied des Ver-
waltungsrathes der Gesellschaft. Herr L. v. Lilienthal, hatte von den
australischen Diggers und A. Ohlsson in Kapstadt einige Anteile
an dem oben erwähnten „Anstralian-Prospecting-Syndicate“ erworben
und schickte ebenfalls mehrere Personen nach Südwestafrika. Auch
ein Ingenieur Scheidweiler, welcher schon früher Minenrechte von
Maharero erworben hatte, begab sich angeblich im Aufträge eines
Kölner Syndikats nach dem Gebiete. Diese Expeditionen waren recht
geräuschlos in Szene gesetzt, sehr im Gegensätze zu einer sich bil-
denden „Deutsch-Afrikanischen Minengesellschaft“, welche im schlimm-
sten Reklamestvl besonders in Börsenzeitungon wirtschaftete. Sie
hatte sich das Gutachten eines Geographen verschafft, welcher
in demselben Grossartiges lieferte, als er schrieb, man habe aller-
dings vielfach die bedeutenden Erträgnisse der südafrikanischen Gold-
felder angezweifelt, indess durch die feststehende Thatsache, dass
die Gesellschaften fast allgemein hohe Dividenden zahlten, dürfte das
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Die deutschen Kolonien.
als nicht berechtigt hingestellt werden. „So zahlt von zwei Gesell-
schaften in Kiraberley die eine 3 Prozent monatlich und im letzten
Jahre 42 Prozent, die andere 20 Prozent per Anno, die de Beers-
Mine giebt 20 Prozent, eine in Bultfoutein 24 Prozent“. Das Gutachten
des Geographen, welcher leider hier Diamanten- mit Goldminen ver-
wechselt hatte, wurde noch durch den Prospekt der kapitalsuchenden
Gesellschaft übertrumpft, in dem es hiess: „Ausserdem aber sollen die
Expeditionen der deutsch-afrikanischen Minengesellschaft ihre Auf-
merksamkeit nicht bloss auf das Vorkommen von Gold richten, son-
dern auch von Edelsteinen. Es ist schon jetzt konstatirt, dass
in Südwestafrika Diamanten gefunden sind. Es hat sich
nämlich herausgestellt, dass dort ganz ähnliche Bodenformationen
wie in dem eigentlichen Diamantenlande, in Westgriqualand sich vor-
tinden. Die Diamanten werden dort nämlich in Felsenkesseln vul-
kanischer Natur, die mit blanem festem Thon ausgefüllt sind, gefun-
den, und solche vulkanische Felsenkessel finden sich auch in Süd-
westafrika. Wie überaus reichhaltig solche Diamantenkessel sind,
geht daraus hervor, dass einem einzigen solcher Felsenkessel in West-
griquaiande in dem Colesbey-Kopje von 1871 — 1886 für 400 Millionen
Mark Diamanten entnommen sind, die nach Abzug aller Unkosten
einen Reingewinn von 140 Millionen Mark ergeben haben. In dem
Diamantengebiet Südafrikas bestehen bereits 20 grosse englische
Aktiengesellschaften mit einem Aktienkapital von ca. 300 Millionen
Mark, welche sehr bedeutende Gewinne erzielt haben.“ Diese offen-
baren Uebertreibnngen — denn in Südwestafrika war bis dato noch
kein Diamant gefunden, obwohl der blaue Thon auch dort vorkommt
— zeigten einen ziemlich hohen Fiebergrad an und es war sehr gut,
dass die kältere Natur des Nordländers solchen Phantasien nicht leicht
zugänglich ist, denn wenn die Erwartungen zu hoch geschraubt wurden,
hätte der Rückschlag die ganze koloniale Bewegung empfindlich ge-
troffen. In einem hohen Grade wünschenswert!! war es allerdings,
dass die Hoffnungen sich verwirklichten, aber es war in dem Stadium,
in welchem sich die Angelegenheit im Frühjahr befand, jeden-
falls nicht angebracht, das grosse Publikum zur Betheiligung an Berg-
werksunternehmnngen in Südwestafrika heranzulocken zn suchen.
Diese Minengesellschaft schickte Herrn Dr. Schwarz mit einem Ingenieur
nach Damaraland, so dass dort bald eine lebhafte Bewegung entstand,
zumal die verschiedenen Parteien, zu denen sich auch Engländer aus
Kapstadt gesellten, einander vorzukommen suchten. Genaueres ist
über die Entdeckungen dieser Gesellschaften hierher noch nicht gelangt,
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Die deutscheu Kolouieu.
151
obwohl die Bergbehörde iti Otyimbingue, dem Sitze des Reichskom-
missars, bereits im Juli ihre Thätigkeit damit begonnen hatte, dass
sie das erste Schürfgebiet eröffnete. Dasselbe ist im Norden durch
den Omaruru-, ira Süden durch den Kuisip-Fluss, im Westen durch
das englische Waltischbay-Gebiet und die Meeresküste, im Osten durch
den Weg von Okozoudye nach Otyimbingue und den sogenannten
Minenweg von Otyimbingue bis zum Kuisip begrenzt. Infolge der
Freigabe des Bergbaues auf diesem Gebiet waren bis zum 9. August
25 Gesuche um Ertheilung von Schürfseheineu bei dem Bergamt ein-
gegangen, welche das erste regelmässige Einkommen der Kolonial-
gesellschaft während ihres Bestehens bildeten.
Im Frühling des Jahres wurden auch die gegen die Ein-
führung des preussischen Berggesetzes erhobenen Bedenken in der
Hauptsache beseitigt, in Folge der durch das Reichsgesetz ain
15. März 1888 ermöglichten Regelung der Bergwerksverhältnisse
und durch die auf Grund dessen erfolgte Kaiserliche Verordnung
vom 25. März 1888, betreffend das Bergwesen und die Gewinnung
von Gold und Edelsteinen (siehe Anhang).
Die gesetzliche Regelung des Bergwesens wurde durch kom-
missarische Verhandlungen vorbereitet, an welchen Vertreter des
Auswärtigen Amts, des Reichsjustizamts und der obersten preussi-
schen Bergbehörde, sowie, Namens der Gesellschaft, im besonderen
Aufträge des Verwaltungsraths Herr Dr. jur. Hammacher und drei
Vorstandsmitglieder theilnahmeu. Auch der damals in Berlin an-
wesende Kaiserliche Kommissar für das südwestafrikauische Schutz-
gebiet, Herr Dr. Göring, betheiligte sich au den Berathungen. Die
Verhandlungen führten zu einer vollständigen Einigung über die-
jenigen Vorschriften, welche den Inhalt der Allerhöchsten Verordnung
vom 25. März 1888 bilden. Durch diese Verordnung ist der Ge-
sellschaft das Bergregal auf alle für den Bergbau in Betracht kom-
menden Mineralien eingeräumt. Das Regal beschränkt sich nicht
auf diejenigen Gebietstheile , in welchen die Gesellschaft bereits
Eigeuthum oder Bergwerksgerechtsame erworben hatte, sondern es
erstreckt sich darüber hinaus auf den ganzen Umfang des südwest-
afrikanischen Schutzgebiets. Der Bergbau ist freigegeben. Die Ge-
sellschaft hat als Regal-Inhaberin nicht allein das Bergwesen zu
verwalten, sondern sie hat auch Anspruch auf gewisse Gebühren,
Abgaben und Steuern gegenüber denjenigen, welche Bergbau treiben,
und ausserdem ein Vorrecht auf die Verleihung von Feldern, so oft
eine abbauwürdige Fundstelle erschlossen wird, ln Gemässheit des
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152
l>ie deutschen Kolonien.
§ 42 der Verordnung wurde von der Gesellschaft nun eine Bergbehörde
unter dem Namen „Bergamt der Deutschen Kolonial-Gesellsehaft
für Südwest-Afrika“ mit dem Sitz in Otyimbingue errichtet, welches
vorläufig aus zwei Mitgliedern besteht und mit den nöthigen Instru-
menten und sonstigen Geschäfts-Üteusilien ausgestattet ist. Der
erste Beamte. „Berghauptmann“, ist der Berginspektor Frielinghaus.
Zur Wahrung der Autorität der Bergbehörde und Erhaltung
der Ordnung beim Bergbau, sowie im bürgerlichen Leben überhaupt,
war auch die Aufstellung einer bewaffneten Macht nothwendig ge-
worden. denn die Streitigkeiten derEingeborenen unter einander nuhinen
kein Ende. Die Gesellschaft hat deshalb nach einem im Einverständ-
nisse mit dem Herrn Reichskommissar entworfenen und von dem Herrn
Reichskanzler gebilligten Organisationsplau eine Schutztruppe vor-
läufig für die Zeit bis zum 31. März 1889 errichtet, welche zunächst
dem Oberbefehl des Reichskommissars unterstellt ist. Sie sollte vor-
läufig aus 7 Führern (2 Offizieren und 5 Unteroffizieren) und
aus 20 Mann Eingeborenen bestehen, militärisch organisirt, beritten
und uniformirt seiu und als Kern für eine grössere, aus Eingeborenen
zu bildende bewaffnete Macht dienen, für welche sich das Material
zur Genüge findet, obwohl es in Folge des ungebundenen Charakters
der Eingeborenen nicht das beste ist.
Die Kolonialgesellschaft, deren Vorstand die Herren Direktor
F. Cornelius. Staatsminister v. Hofmann und Oberbürgermeister a. D.
Weber bilden, bat ferner noch in Otyimbingue einen kaufmännischen
Vertreter in der Person des Herrn C. Franken und in der Lüderitz-
bucht einen früheren Landwirth C. Hermann, der neben der Ver-
waltung der Station Anpflanzungs versuche und meteorologische Beob-
achtungen zu macdien hat, wozu die deutsche Seewarte Instruktionen
und Formulare lieferte. Ausserdem wollte der letztere im Hinter-
lande, welches geeigneten Boden für die Wollschafzucht enthält, dort
Versuche damit anstellen.
Für die Ausbreitung des Handels in dem Schutzgebiet hat sich auch
die Deutsch- Westafrikanische Kompagnie gebildet, deren erste Handels-
expeditionen jedoch in Folge der Unkenntnis» der Ansprüche der
Eingeborenen, welche in der Mehrzahl nicht mehr rohe Wilde sind,
sondern schon eine Anzahl Bedürluisse haben, nicht den gewünschten
Erfolg hatten. Da Geld im Lande wenig kursirt, und die Einge-
borenen nur Vieh zum Austausch besitzen, dessen Ausfuhr nach
Kapstadt nicht mehr lohnt, beschloss die Kompagnie, den Yieh-
reichtlmm des Landes durch Anlage einer Schlächterei auszubeuten.
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Die deutschen Kolonien.
153
Sie hut im September 1887 die zur Errichtung einer Export-Schläch-
terei erforderlichen Gebäude nebst den für den Betrieb nöthigou Ein-
richtungen. sowie das entsprechende Personal in einein eigenen Schiffe
nach Südwestafrika abgesendet, nachdem ihr von der Kolonial-
gesellschaft. mit Genehmigung des Verwaltungsraths, die Zusage
ertbeilt tvar. dass sie der Kompagnie ein von ihr auszuwählendes
Grundstück an der Küste in der Ausdehnung von 4 — 5 ha auf
zwanzig Jahre unter gewissen Bedingungen pachtweise überlassen
würden. Von dieser Zusage hat die Deutsch-Westafrikanische Kom-
pagnie Gebrauch gemacht, indem sie durch ihre Abgesandten einen
Platz in Sandwich-Hafen, dem besten deutschen Hafen an der Küste
des Schutzgebietes, zur Aufstellung der Schlächterei-Gebäude aus-
wählen liess, welche im August d. J. in Betrieb gesetzt wurden.
Die Haupt-Handelsstation ist in dem Hafen von Waifiscbbay einge-
richtet. da vornehmlich von dort ans der Verkehr nach dem Innern
des Landes und eine regelmässige Verbindung mit der Kapstadt statt-
findet, während eine zweite Handelsstation im Inneru des Landes im
Thale des Swakopflnsses eingerichtet werden soll, üeber den Gang
des Handelsgeschäfts sprechen sich die Bevollmächtigten der Kompagnie
in Afrika sehr befriedigend aus, doch wird die Schlächterei mit
manchen Schwierigkeiten wegen der schlechten Wege nach Sandwich-
hafen zu kämpfen haben. Der Verbrauch von deutschen Erzeug-
nissen ist schon jetzt ein sehr ansehnlicher und wird sich in Folge
der Goldfunde im Innern des Landes noch um Vieles heben.
Ein anderes Konsortium, welches im Begriffe ist, sich zu bilden,
will an einer günstigen Stelle des Hinterlandes Ackerbau treiben und
auch später versuchen, einige deutsche Ackerbauer dort anzusiedeln,
wo eine künstliche Bewässerung durchführbar ist, besonders am Orauje-
fluss, in einer Gegend, welche allerdings zur deutschen Interessen-
sphäre gehört, aber noch nicht unter deutschem Schutze steht. Bis
jetzt haben sich nur einige Deutsche entschlossen, ihr Glück als
Ackerbauer oder Viehzüchter hier zu versuchen, einmal weil die
Eingeborenen nur schwer zur Arbeit zu bewegen nnd die Absatz-
verhältnisse in Folge der schlechten Verbindung nach der Küste
sehr ungünstige sind. Es sind hier zu erwähnen die Unternehmungen
der Herren Dominikus in Stolzenfels, in der äussersten südöstlichen
Ecke der deutschen Interessensphäre, und Petersen im Thale von
Ausenkjer. Grössere Ausiedlungen werden aber hier kaum entstehen
können, da die fruchtbaren Uferlcisten nur schmale sind. Für alle
diese Unternehmungen bilden auch die Transportverhältnisse schwer
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154
Die deutschen Kolonien.
zu überwindende Schwierigkeiten. Vielleicht liegt es im Interesse der
Regierung, die Buren, welche allerdings mehr Viehzüchter als Acker-
bauer sind, in ihr Gebiet hinüberzuziehen. Eine Bureu-Kolonie im
Nordosten, deren Führer Jordan aber mit den Eingeborenen Streit
bekam und getödtet wurde, Upingtonia, hat sich unter deutschen
Schutz gestellt, doch weiss man nichts Genaueres über ihre Fort-
schritte; andere Buren werden sicher, wenn erst einmal die von den
Engländern geübte Abschreckungstheorie nicht mehr verfängt, in das
Schutzgebiet hineinrückeu.
Aus der dem Reichstag vorgelegteu Denkschrift, betr. die finan-
zielle Verwaltung der drei westafrikanischen Schutzgebiete, entnehmen
wir, dass ein Beitrag des Reiches zur Bestreitung der Verwaltungs-
ausgaben im südwestafrikanischen Schutzgebiete noch erforderlich ist
für das nächste Etatsjahr. Bezüglich des Verwendungszweckes der in
Frage kommenden Gesammtsumme von 102000 Mk. wird bemerkt: „Als
Amtssitz für den kaiserlichen Kommissar ist seiner Zeit Otiymbiugue
im Hererolande gewählt worden, weil dieser nördliche Theil des
Schutzgebietes wirtschaftlich die grössere Bedeutung hat. Der
Kommissar konnte jedoch von Otvimbingue aus auf die Gestaltung
der Verhältnisse in dem südlichen Theile des Schutzgebietes, dem
Namalande, in Folge der grossen Entfernungen bisher keinen ge-
nügenden Einfluss ansüben. Eine Handhabung der Gerichtsbarkeit
und Polizei, soweit sie Sache des Kommissars ist, war unmöglich.
Die friedlichen und deutschfreundlichen Häuptlinge des Nama-
landes konnten in ihren Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Ord-
nung nicht unterstützt werden. Unter diesen Umständen ist die
baldige Stationirung eines vom Reichskommissar ressortireudeu Be-
amten im Namalande Bedürfuiss. Des weiteren muss in beiden
Theilen des Schutzgebietes auf eine Vermehrung der Polizeimacht
Bedacht genommen werden. Die deutschfreundlichen eingeborenen
Streitkräfte werden mit Hülfe geeigneter, dem deutschen Unteroffizier-
staude zu entnehmender Instrukteure zweckmässig zu organisireu,
sowie mit Waffen und Munition zu versehen sein.“
Ein energisches Auftreten der deutschen Macht erscheint um
so gebotener, als einige eingeborene Häuptlinge nicht übel Lust
zeigten, die Deutschen als eine quautitö n6gligeable zu behan-
deln. So lauge nur wenig Deutsche im Laude waren, küm-
merten sich die Herero wenig um sie, aber als im Sommer eiue
grössere Anzahl nach Otyimbingue kamen, wurden sie um ihre
Selbstständigkeit besorgt und unzufrieden. Auch die verschiedenen
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Oie deutschen Kolonien.
155
Prospektors werden die Hereros inkommodirt haben, so dass eine
tiefe Missstimmung gegen die Deutschen Platz griff, zumal letztere
die ersten gegen die Viehdiebstähle und Angriffe der Narnas wegen
ihrer geringen Macht nicht schützen konnten. Maharero, watikel-
raüthig wie nur irgend ein afrikanischer Negerhäuptling, angereizt
durch die Gebrüder Lewis, zwei Engländer, welche schon vor der
deutschen Protektoratserklärung alle Minenkonzessionen im Herero-
land erhalten haben wollten, widerrief seine feierlich bekräftigten
Abmachungen mit dem Reichskommissar zu Gunsten der Engländer,
so dass ein vollständiger Stillstand in der Arbeit der Bergbehörde
eintrat, und der Reichskommissar es für das Gcrathenste hielt, vor-
läufig Otyimbingue zu verlassen.
Die Engländer hatten, als sie einsahen, dass Maharero all-
mählich deutschfeindlich wurde, lange gewühlt, um einen Umschwung
zu Gunsten einer englischen Besitzergreifung herbeizuführen.
Mit Maharero hatte das Reich, vertreten durch den Reichs-
kommissar Herrn Dr. Göring und den ehemaligen Missionar im
Damaralande, Herrn Pastor Büttner, wie schon erwähnt, unterm
21. Oktober 1885 einen Schutz- und Freuudschafts vertrag abge-
schlossen, dessen wesentliche Bestimmungen folgende sind:
1. Maharero bittet Seine Majestät den Deutschen Kaiser, die Schutzherrschaft
über ihn und sein Volk zu übernehmen. Seine Majestät der Deutsche Kaiser nimmt
dieses Gesuch an und sichert dem Maharero seinen Allerhöchsten Schutz zu.
2. Maharero verpflichtet sich, sein Land oder Tbeile desselben nicht an eine
andere Nation oder Angehörige derselben ohne Zustimmung Sr. Majestät des
Deutschen Kaisers abzutreten, noch Verträge mit anderen Regierungen abzu-
schliessen ohne jene Zustimmung. Dagegen will Se. Majestät der Deutsche Kaiser
die von anderen Nationen oder Angehörigen derselben mit Oberhäuptliugen und
Häuptlingen der Hereros früher abgeschlossenen und zu Recht bestehenden Verträge
respektiren.
3. Der Oberhäuptling sichert allen deutschen Staatsangehörigen und Schutz-
genossen für den Umfang des von ihm beherrschten Gebiets den vollständigsten
Schutz der Person und des Kigenthums zu, sowie das Recht und die Freiheit, in
seinem Lande zu reisen, daselbst Wohnsitz zu nehmen, Handel und Gewerbe zu
treiben. Die deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen sollen in Mabareros
Gebiet die bestehenden Sitten und Gebräuche respektiren, nichts thuti, was gegen
die deutschen Strafgesetze verstossen würde, und diejenigen Steuern und Abgaben
entrichten, welche bisher üblich waren.
Dagegen verpflichtet sich Maharero, in dieser Beziehung keinem Angehörigen
einer anderen Nation grössere Rechte und Vergünstigungen zu gewähren, als den
deutschen Staatsangehörigen.
4 Rechtsstreitigkeiten zwischen Hereros unter sich, sowie die von ihnen
gegeneinander verübten Vergehen und Verbrechen unterliegen der Gerichtsbarkeit
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156
Die deutschen Kolonien
der Lancieshäuptlinge. Dagegen sind die ira Heierolande sich aufhaltenden deutschen
Staatsangehörigen und Schutzgenossen bei Rechtsstreitigkeiten unter sich, sowie in
Bezug auf von ihnen gegeneinander begangene Verbrechen und Vergehen der
deutschen Jurisdiktion unterworfen. Die Feststellung der Gerichtsbarkeit in Bezug
auf Rechtsstreitigkeiten zwischen deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen
einerseits und Hereros andererseits, sowie bei Vergehen und Verbrechen von
deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen gegen Herero» oder umgekehrt
bleibt einer besonderen Vereinbarung zwischen der deutschen Regierung und den
Hererobäuptliugen Vorbehalten. Bis eine solche Vereinbarung getroffen sein wird,
sollen vorkouiniende Rechtsfälle der hezeichneten Art von dem Kaiserlicheu Korn
missar oder dessen Stellvertreter unter Zuziehung eines Rathsmitgliedes entschieden
werden.
In demselben Monat, in welchem dieser Vertrag zum Abschluss
kam — Oktober 1885 — verlieh 1 ) Maharero verschiedenen Personen
das Recht, in seinem Lande nach Minen zu Sachen und, falls solche
gefunden werden, dieselben zu bearbeiten. Diese Berechtigungen,
mit Ausnahme der an deu Ingenieur Scheidweiler aus Köln er-
theilteu Konzession, sind später auf die Koionialgesellschaft für
Südwestafrika übergegangen. Von einer an R. Lewis gegebenen
Generalkonzession auf Minenbetricb im ganzen Hererolande war hei
den damaligen Verhandlungen mit keiner Silbe die Rede. Erst im
Oktober 1886 ward eine solche, angeblich schon unterm 9. September
1885 vollzogene Konzessionsurkunde, welche dem Lewis auf 20 Jahre
das ausschliessliche Recht auf Bergbau im Damaralande verleiht,
dem Reichskommissar in Abschrift vorgelegt worden. Maharero
leugnete auf Befragen, eine derartige Urkunde vollzogen zu haben:
er sprach nur von zwei bestimmten Minen: Otavi-Mine und Ebony-
(oder Palgrave-) Mine, auf deren Betrieb R. Lewis ein Recht besitze,
und er Unterzeichnete auf Verlangen des Reichskommissars unterm
14. September 1887 folgende Erklärung:
„Nachdem ich durch den Kaiserlich Deutschen Kommissar für
das südwestafrikanische Schutzgebiet, Herrn Dr. Gering, erfahren
habe, dass der grösste Theil der von mir seiner Zeit an Deutsche
verliehenen Minenkonzessionen auf die Deutsche Kolonialgesellschaft
für Südwestafrika in Berlin übergegangen und dass diese auch in
der Lage ist, eine Ausbeutung der Minen in Angrift’ zu nehmen,
so erkläre ich hiermit alle Konzessionen, welche mit den dieser
Gesellschaft ertheilten oder auf sie übergegangenen in Widerspruch
stehen, für nichtig. Ich nehme ausdrücklich davon aus die Ebony-
und die Otavimine, welche ich für eine gewisse Zeitdauer dem
*) Deutsche Kolonialzeitung. No. 3. 1 S8'J.
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I>ie deutschen Kolonien.
157
Händler R. Lewis verliehen habe. Die gesetzliche Regulirung des
gesammten Minenwesens in meinem Lande überlasse ich der
dentsehen Regierung.“
Die Erklärung ist in der Urschrift mit den Handzeichen Maha-
reros und seiner Rathsleute , sowie der Zeugen W ilhelm und Diehl
versehen.
Unterm “25. März 1888 erliess Kaiser Friedrich die Verordnung,
betr. das Bergwesen und die Gewinnung von Gold und Edelsteinen
im südwestafrikanischen Schutzgebiet, durch welche das Bergregal
in diesem Schutzgebiete der Deutschen Kolonialgesellschaft für Süd-
westafrika eingeräumt wird. In § 4 dieser Verordnung ist ein Vor-
behalt zu Gunsten der schon früher erworbenen Bergwerksgerechtsame
dritter Personen gemacht. Die Grenzen der Gebiete, auf welchen
solche Rechte Dritter bestehen, sollen durch die Bergbehörde fest-
gestellt werden. Streitigkeiten über solche Gerechtsame sind von
der Bergbehörde und in zweiter Instanz durch den Reiehskommissar
zu entscheiden.
Die Bergbehörde ist, wie schon erwähnt, im letzten Sommer in
Otyimbigue eingesetzt worden, und es wäre die Sache des Lewis gewesen,
wenn er aus seiner angeblichen Generalkonzession Ansprüche auf
ausschliesslichen Bergwerksbetrieb im Damaralande herleiten wollte,
diese Ansprüche vor der Bergbehörde und in höherer Instanz vor
dem deutschen Reichskommissar geltend zu machen. Statt dieses
gesetzliche Verfahren eiuzuhalten, begab sich Lewis nach der Kap-
kolonie, bildete dort eine oder mehrere Gesellschaften znr Aus-
beutung seiner Generalkonzession (angeblich mit einem Kapital von
400 000 Pfd. Sterling), und mit den ihm hierdurch zur Verfügung
gestellten Geldmitteln gelang es ihm, nach seiner Rückkehr zu
Maharero diesen ganz für sich und gegen die deutsche Schntz-
herrsehaft zu gewinnen.
Auf den 80. Oktober v. J. wurde eine Versammlung nach
Okahandya berufen, bei welcher es. wie der Verlauf gezeigt hat.
von vornherein darauf abgesehen war, nicht bloss in Bezug auf den
Bergbau, sondern auch in allen übrigen Beziehungen der deutschen
Schutzherrschaft im Damaralande ein Ende zu machen und den
alten Plan des englischen Protektorats zur Ausführung zu bringen.
An dieser Versammlung nahmen von deutscher Seite Theil: der
Reichskommissar Dr. Göring, der Bevollmächtigte der Deutschen
Kolonialgesellschaft für Südwestafrika Karl Franken, der Führer
der Sclmtztrnppe Lieutenant von Quitzow und die Missionare Diehl
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158
Die deutschen Kolonien.
und Eich, beide stationirt zu Okahandya; von Engländern waren
erschienen Robert Lewis mit sieben Genossen; von den Hereros der
Oberhäuptling Maharero mit seinen Rathsleuten, mehreren Unter-
häuptlingen und einer zahlreichen Schaar Eingeborener. Auf die
Einzelheiten der t heil weise sehr verworrenen Verhandlung einzu-
gehen, lohnt nicht. Es genügt, die Hauptpunkte herauszuheben.
Herr Dr. Göring stellte von vornherein fest, dass er nicht als Ver-
treter der Kolonialgesellschaft oder irgend eines Bergwerksberechtigten
erschienen sei, sondern als Vertreter Sr. Majestät des Deutschen
Kaisers. In den Bergwerksangelegeuheiten habe er nach dem Gesetz
als Richter zu entscheiden, stehe also den von verschiedenen Seiten
erhobenen Ansprüchen unparteiisch gegenüber. Es wurde dann über
die verschiedenen, von Maharero ertheilten Konzessionen hin- und
hergesprochen. Lewis brachte ausser seiner Generalminenkonzession
noch eine bis dahin unbekannte, ihm angeblich von Maharero eben-
falls unterm 9. September 1885 ausgestellte Vollmacht („ Power of
Attorney“) vor, wodurch er zur Ausübung aller Hoheitsrechte des
Oberhäuptlings ermächtigt, also mit anderen Worten zum Regenten
des Landes ernannt wäre und zugleich den Auftrag erhalten hätte,
das Protektorat Ihrer Majestät der Königin von England über Da-
maraiaud uachzusuchen. Maharero suchte die von ihm an deutsche
Staatsangehörige ertheilten Konzessionen dadurch als bedeutungslos
hinzustellen, dass dieselben — was nicht wahr ist — nur das Recht
zum Suchen von Mineralien verliehen hätten, während der Betrieb
des Bergbaus von seiner weiteren Erlaubniss abhängig geblieben
wäre. Auf die von deutscher Seite an ihn gerichteten Fragen über
die Bedeutung seiner Nichtigkeitserklärung vom 14. September 1887
gab er ausweichende Antworten und verliess dann die Versammlung,
die damit schloss, dass die anwesenden Hereros unter Führung von
Lewis und Genossen sich von dem mit dem Deutschen Reich ab
geschlossenen Schutz- und Freundschaftsvertrag lossagten und nicht
nur die dem Lewis ertheilte General konzession, sondern auch die
Vollmacht Mahareros, welche Lewis zum Regenten einsetzt und ihm
die Verhandlung wegen Einführung der englischen Schutzherrschaft
überträgt, als zu Recht bestehend anerkannten.
• In Folge dieser Verhandlung und der sich daran knüpfenden
feindseligen Haltung der Hereros, welche sich unter andern darin
zeigte, dass die Fortsetzung eines von der Kolonialgesellschaft be-
gonnenen Hausbaues in Otyimbingue durch den dortigen Uuterhäupt-
ling verhindert wurde, beschlossen der deutsche Reichskommissar
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Die deutschen Kolonien.
159
und die Beamten der Gesellschaft, um einer noch schlimmeren
Wendung der Dinge vorzubeugen, das Hererogebiet einstweilen zu
verlassen. Sie begaben sich zunächst nach der Waltischbav. Ein
Verzicht auf die Rechte, welche in dem Schutzvertrag vom
21. Oktober 1885, in der kaiserlichen Verordnung vom 25. März
1888 und den an deutsche Staatsangehörige verliehenen Bergwerks-
konzessionen begründet sind, hat ebensowenig stattgefunden, als eine
Anerkennung der Generalkonzession oder der Vollmacht des Lewis.
Da einzelne, von dem Reichskommissar bei der Verhandlung zu
Okahandya gemachte Aeussernngen dahin missverstanden worden
waren, als habe er eine solche Anerkennung ausgesprochen und
deutsche Rechte aufgegeben, so sah sich Herr Dr. Göring veranlasst,
in einem an Lewis gerichteten Schreiben ausdrücklich gegen eine
derartige missverständliche Auffassung seiner Worte Verwahrung
einzulegen. Damaraland ist hauptsächlich durch seinen Viehreich-
thum ein wichtiger Theil des südwestafrikanischen Schutzgebiete,
aber es ist doch immer nur ein Theil — und die Feinde der
deutschen Kolonialpolitik frohlocken zu früh, wenn sie bereits das
Ende der deutschen Schutzherrschaft in Südwestafrika mit Schaden-
freude begrüssen. In hohem Maasse peinlich für das deutsche
Nationalgefühl sind die hier besprochenen Vorgänge allerdings, aber
wir dürfen hoffen, dass die kaiserliche Regierung hier wie in Ost-
afrika Mittel und Wege zu finden wissen wird, um das deutsche
Ansehen wieder herzustellen. Um wieder geordnete Zustände herbei-
zufnhren, dürfte es sich empfehlen, sollte Maharero nicht wieder
anderen Sinnes werden, was allerdings anzunehmen ist, die Namas
mehr als bisher als einen Faktor in der Politik zu verwenden. Bis
jetzt ist es für die deutsche Politik noch nicht nöthig gewesen, in
derselben Weise, wie es die Engländer zu thun pflegen, die Zwistig-
keiten der Eingeborenen rücksichtslos im eigenen Interesse zu be-
nutzen, aber ohne eine energische, baldige Kraftäusserung wird das
bei den Eingeborenen schon recht tief gesunkene Ansehen des
Deutschen Reiches nicht wieder zu heben sein.
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Die deutschen Kolonien.
Das Kamerungebiet.
Der deutsche Handel hatte schon in den sechsziger Jahren in diesem
Gebiete Fuss gefasst, aber erst Ende der sechsziger Jahre hatte das Haus
C. F. Woermann am KamerunHuss eine Faktorei angelegt, obwohl der
Ausübung des Handels grosse Schwierigkeiten entgegenstanden. Dieselbe
Firma hatte auch bereits im Jahre 1874 beim Auswärtigen Amt die
Ernennung eines Konsuls für Kamerun nachgesucht, aber erst im
Jahre 1883 nahm die Regierung Veranlassung, sich bei den Senaten von
Hamburg und Bremen um Aeusserung ihrer Wünsche, das Kamerun-
gebiet betreffend, zu erkundigen, welche so befriedigend lauteten, dass
die Regierung sich entschloss, das Protektorat über das Kamerungebiet
zu übernehmen, wo es den deutschen Kaufleuten trotz englischer Iu-
trignen gelungen war, unter der Hand die bedeutendsten Häuptlinge
der Duallas, die „Kings“ Bell, Akwa, Joss und Dido zum Abschluss
von Verträgen zu bewegen. Am 12. Juli 1834 fand ein grosses
Palaver statt und die beiden Kings Bell und Akwa traten durch
Vertrag ihre Hoheitsrechte an die Firmen Woermann und Jantzen
& Thormählen ab, worauf am 14. Juli in den Dörfern dieser Häupt-
linge, am 26. Juli in Bimbia die deutsche Flagge durch den Reiclis-
kommissar, Generalkonsul Dr. Nachtigal, 1 ) welcher im Mai mit dem
Kanonenboot Möwe von Lissabon nach Westafrika abgereist war,
gehisst wurde. Einige Tage darauf wurde auch in Batanga die
deutsche Flagge gehisst, worauf bald die Möwe nach Angra Pequena
abdampfte, nachdem es einem im englischen Interesse arbeitenden
Polen, Rogozinski, doch gelungen war, einige Theile des Kamerun
gebirges von Victoria aus, welches englischer Besitz war, zu er
werben. Einige Stämme von Eingeborenen waren aber unzufrieden
über die Besitzergreifung der Deutschen und gingen, von den Eng-
ländern angereizt, zu offenen Thätliehkeiten über, sperrten den Handel
und den Mungofluss, so dass auch der deutschfreundliche Häuptling
Bell, welcher sich auf einer grossen Handelsexpedition am oberen Mungo
befand, nicht zur Küste gelangen konnte. Die feindlichen Stämme
brannten Belltown nieder, so dass die Deutschen mit Sehnsucht das
Eintreffen des neugebildeteu westafrikanischen Geschwaders er-
warteten, von dem die Korvetten Olga und Bismarck am 17. De-
') cfr. Weissbnch: Erster Theil.
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Die deutschen Kolonien.
161
zember sich an einer der Barren an der Kameninmündnng vor Anker
legten. Gegenüber der feindlichen Haltung der Eingeborenen, be-
sonders auf dem rechten Ufer des Flusses, wurde eine Aktion am
•20. Dezember beschlossen, auf welche hier nicht weiter einge-
gangen zu werden braucht, zumal über diesen Gegenstand das schon
früher zitirte Werk von Max v. Koschitzky, „Deutsche Kolonial-
geschichte“, Jeden, der sieh dafür genauer interessirt, Aufschluss
geben wird und die Sache noch bekannt ist. Mit den Engländern,
welche die Haltlosigkeit ihrer Stellung bald einsahen, kam eine
Auseinandersetzung ohne grosse Schwierigkeiten zu Staude, nachdem
das englische Foreign Office dem Grafen Münster eine Note am
29. April 1885 übergeben hatte, deren Hauptpunkte foigeude sind:
„Grossbritannien verpflichtet sich , keine Gebietserweiterungen zu machen,
keine Schutzherrschatt anzuuehmen und der Ausbreitung deutschen Einflusses nicht
entgegenzuwirken in demjenigen Theile der Küste und des Inlandes von Guinea
welcher östlich von der Linie liegt, die aufwärts gebildet wird durch die rechte
Vferseite des zwischen der 8° 42' und 8° 46 1 östlicher Länge (von Greenwich) in
die See mündenden Kio del Key bis zu seiner Quelle und von dort in gerader
Linie die Richtung nach der linken Uferseite des Alt-t’alabar- oder Cross-Flusses
nimmt, diesen Fluss überschreitet und ungefähr auf der 9° 8' östlichen Länge an
einem Punkte endigt, der nach der englischen Admiralitätskarte als „Rapids“ be-
zeichnet ist. — Deutschland verpflichtet sich, keine Gebietserweiterungen zu machen,
keine Schutzherrschaften anzunehmen uud der Ausbreitung britischen Einflusses
nicht entgegenzuwirken in demjenigen Theile der Küsten und des Inlandes von
Guinea, welcher zwischen der, wie vorstehend angegeben, an der Mündung des Kio
del Rey beginnenden Linie und der britischen Kolonie Lagos liegt. Beide Mächte
kommen überein, alle Schutzherrschaften, welche sie innerhalb der hiernach dem
anderen Thcil /.ugestandenen Grenzen schon errichtet haben, aufzugeben, wobei
jedoch eine besondere Ausnahme für die Missionäre in Victoria an der Ambasbai
gemacht wird, welche eine britische Besitzung bleiben soll. Deutschland erklärt
sich bereit, die eingelegte Verwahrung gegen das Dissen der britischen Flagge in
Santa Luciabai zurückzuzieben und an der Küste zwischen der Kolonie Natal und
der Delagoabai keine Gebietserwerbungen zu machen oder Schutzherrschafteu attzu-
nehmen.“
Hinsichtlich der Abgrenzung des Schutzgebietes nach Süden
wurde mit Frankreich am 24. Dezember 1885 ein Protokoll unter-
zeichnet, welches folgendes festsetzt:
„Die Regierung Sr. Majestät des deutschen Kaisers verzichtet zu Gunsten
Frankreichs auf alle Souveränetäts- und Protektoratsrechte über die südlich am
Campoflusse gelegenen Gebiete, welche von deutschen Reicbsangebärigen erworben
und unter das Protektorat Sr. Majestät des Kaisers gestellt worden sind. Dieselbe
übernimmt die Verpflichtung, sich einer jeden politischen Einwendung südlich au
einer Linie zu enthalten, welche den genannten Fluss von seiner Mündung bis zu
dem zehnten Grade östlicher Länge von Greenwich (sieben Grad vierzig Minuten
östlicher Länge von Paris) und von diesem Punkte ab dessen Breitenparallel bis
Jshrbnrb für Deutsche Kolonialpolitlk. 1 1
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Die deuteeben Kolonien.
zu dem Schneidepunkt des letzteren mit dem fünfzehnten Grad östlicher Dünge von
Greenwich (zwölf Grad vierzig Minuten östlicher Länge vou Paris) folgt."
Es war damit die Grenzt'rage im Allgemeinen gelöst, zumal
auch England Victoria abtrat, und wenn auch die später vom
Old Calabar in nördlicher Richtung festgesetzte Grenze — bis Yola
am Benue — nicht den Erwartungen Vieler entsprach, so war uns
doch durch die energische Politik des Reichskanzlers ein sehr zu-
kunftsreiches, durchaus tropisches Gebiet mit einem Hinterlande von
ihr Grösse Deutschlands gewonnen, welches nun der Erschliessung
durch die Deutschen harrte.
Ueber die Art der Verwaltung kam man erst nach längerer
Zeit in’s Klare. Bei den Berathungen zwischen dem Reichskanzler
und den Hamburger Kaufleuten wurde zunächst der Gedanke einer
Vereinigung der in den deutschen Schutzgebieten an der west-
afrikanischen Küste domizilirten Firmen erörtert, welche die lokale
Verwaltung übernehmen sollten, aber der Gedanke wurde später wieder
fallen gelassen und die Verwaltung in Kamerun für eine unmittelbar
unter dem Reiche stehende Kolonie eingerichtet. Freiherr v. Soden
wurde zuin Gouverneur ernannt und ihm als Kanzler Herr v. Putt-
kamer beigegeben. Später folgten noch andere Beamte nach, u. A.
ein Postbeamter, Hafenkommandant, ein Lehrer Christaller, Sohn
eines früheren Missionars, und ein Militär, um eine Polizeitruppe zu
bilden, für welche neuerdings Haussa-Neger angeworben sein sollen.
Auch ein Küstendampfer, nach dem berühmten F'orscher, welcher
hier seine letzte Ruhe fand, „Nachtigal“ genannt, wurde nach Kamerun
geschickt, wo er sehr gut in den Krieks verwendet werden konnte.
Auf dein früheren Terrain von Josstown wurde auch der Bau eines
aus Stein und Eisen herzustellcnden Regierungsgebäudes begonnen.
Einfuhrzölle wurden eingeführt, um die Verwaltungskosten der Ko-
lonie zu decken, und das deutsche Geld als das Zahlungsmittel er-
klärt. (20 t/f( — 1 Kru = 80 Liter Palmöl — 80 Liter Palmkeme.)
Der Voranschlag im Etat für 1888/89 ergab für Kamerun an Ausgaben
178 000 , 1(, an Einnahmen 167 000 der für 1889/90 balanzirte
mit 190 000 , U , und der Reichszuschuss für die Verwaltung ist
sehr unbedeutend. Nachdem nun auch die Ausübung der Gerichtsbar-
keit und das Grnndbucliwesen durch eine Kaiserliche Verordnung vom
2. Juli 1888 geregelt wordeu ist (siehe Anhang), kann man wohl sagen,
dass die Plntwiekelung dieser Kolonie in dieser Beziehung einen
recht befriedigenden Verlauf nehmen wird. Im letzten Jahre stand
unter dem Freiherrn v. Soden der Kanzler Landgerichtsrath Zim-
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Die deutschen Kolonien.
163
merer, die Sekretäre Dr. Krabbe? und Schran, Polizeimeister Froni-
berg, Sekretär und Postbeamter Wallmuth, Regierungsarzt Dr. Zahl,
Hafenkommandant Lieutenant Sonntag und einige andere Beamte.
Als die Deutschen das Land übernahmen, war das Innere fast
völlig unbekannt, obwohl deutsche Forscher schon früher Kamerun
besucht hatten, aber selten über die ersten, durch das afrikanische
Plateau gebildeten Stromschnellen hinausgekommen waren. Erst in
neuerer Zeit ist hierin Wandel geschaffen, nachdem das Reich
mehrere wissenschaftliche Forschungsreisende hinausgeschickt hatte,
welche, unterstützt durch die dortigen deutschen Beamten, die Er-
forschung des Hinterlandes versuchten. Es sind drei verschiedene
Forschungsgebiete zu unterscheiden, der nördliche, mittlere und
südliche Theil ; in dem ersteren ist man bis jetzt nicht ganz bis zum 6. 0
südl. Br. gelangt, in dem mittleren wenig über den 11.° östlicher
Länge hinaus, dagegen in dem südlichen in Folge einer sehr be-
merkenswerthen Forschungsreise der Herren Kund und v. Tappen-
beck 1 ), welche auf derselben den Lauf der grossen Flüsse Sannaga
und Njong feststellten, bis etwa zu dem Kreuzungspunkt des 13.°
ö. L. und 4.° s. Br. Die beiden letzten Forscher waren, soweit
es die wissenschaftliche Ergebnisse ihrer Reise betraf, die glück-
lichsten, obwohl sie den Kongo auf diesem Wege nicht erreichten,
während die Forscher im nördlichen Theile die gewaltigen Schwie-
rigkeiten, welche ihnen die Natur und die Bevölkerung entgegensetzten,
noch nicht überwinden konnten. Ein Theil des Innern, der Lauf des
oberen BenuS, ist durch R. Flegel erforscht, aber bislang ist es nicht
möglich gewesen, von der Küste nach dem Innern zu gelangen, da
die um ihr Handelsmonopol besorgten Küstenbewohner, besonders die
Duallas. ein jedes Durchbrechen der ihr tributpflichtigen Handelszone
zu vereiteln suchten. Ob es aber vom Benue aus gelingen wird,
diese Zone zu durchbrechen, ist bis jetzt noch nicht versucht worden.
Es ist dies Problem, den Zwischenhandel der Duallas lahm zu legen,
welches noch später behandelt werden wird, eines der wichtigsten
für die Zukunft des Handels im Schutzgebiet. Augenblicklich giebt
es in dem nördlichen Theile eine wissenschaftliche, von Herrn Dr.
Zintgraff angelegte Station, die Barombistation, auf welcher netten
wissenschaftlichen Beobachtungen auch kulturelle Versuche gemacht
*) Siehe Mittbeilungen von Korscbungsreisendeu uud Gelehrten aus den
deutschen Schutzgebieten. Mit Benutzung amtlicher Quellen herausgegeben von
I'r. Freiherr von Datn'kelmann. 1. Heft. 1888. Kommissionsverlag 'von A.
Asher 4 Co.
11 *
/
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164
Die deutschen Kolonien.
werden. Die Station besteht aus einem Wohnhaus für die Europäer
mit darunter befindlichem Lagerraum und der Werkstatt für den
Zimmermann. einem Haus für 80 Arbeiter, einem Dolmetecherhaus
für 8 Mann, einer Küche, einem GeHügelhaus und einem meteoro-
logischen Observatorium. Das Wohnhaus ist 9 , 5 m lang, 6 m breit
und steht auf 2 m hohen Pfählen, die Zimmerhöhe vom Fussboden
bis zum Dachfirst beträgt 6,5 m. Auf der Südwestseite befindet sich
eine m breite Veranda, zu welcher eine 90 cm breite Treppe mit
9 Stufen emporführt. Das Haus enthält 3 Zimmer, deren mittelstes
als Ess- und Arbeitesaal dient. Sämmtliches zum Hausbau nöthige
Material ist afrikanischer Herkunft mit Ausnahme der Angeln der Thür
am Lagerraum. Die Balken sind durch Holzpflöcke mit einander ver-
bolzt, das Sparrengerippe des Daches durch Lianen mit den Haupt-
balken verbunden. Die Wände sind aus Matten von Blättern der
Weinpalme gefertigt, ebenso auch das Dach. Die Möbel sind theils
aus Bambus, theils aus leicht zu bearbeitendem weichem Holz her-
gestellt und somit ist die ganze Station auf möglichst billige und ein-
fache Weise eingerichtet.
Die Expedition Kund-Tappenbeck wollte im Herbst ihre Unter-
suchung des Batangalandes wieder aufnehmen, wo sie hoffentlich
nicht mehr dieselben Gefahren laufen wird, wie auf ihrer ersten Er-
forschung des Hinterlandes, wo sie heftige Kämpfe mit den Einge-
borenen zu bestehen hatte. Die deutsche Behörde in Kamerun hat
sich nämlich in der Zwischenzeit bemüht, die kampflustigen Einge-
borenen ihre Autorität fühlen zu lassen; sie hat unter den Bakoko,
welche die Expedition auf ihrem Rückmärsche nach der Küste aus
dem hohen Grase heraus beschossen, nach den Schuldigen gesucht
und 15 derselben festgenommen. Diese Maassregel wird ihre Wir-
kung auf die gesummte Bevölkerung in Batauga und dessen Hinter-
lande nicht verfehlen. Nach ihrem neuen Vorrücken dürfte die Ex-
pedition Knud darauf ausgeben, ihre eigentliche und Hauptaufgabe
zu erfüllen, nämlich eine wissenschaftliche Station in dem genannten
Gebiete zu errichten. Bereits im Frühjahr war ein Platz für die-
selbe gefunden, die Expedition musste aber, ehe mit dem Bau be-
gonnen werden konnte, erst noch einmal nach der Küste zurück-
kehren, um ihre Ausrüstung zu erneuern und zu ergänzen. Auf
diesem Zuge erfolgte der erwähnte Ueberfall der Bakoko, der in
Folge des Mangels an Munition und wegen des den Feind ver-
bergenden vier Meter hohen Grases sehr gefährlich war und leicht
den Untergang der Expedition hätte herbeiführen können. Die
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Die deutschen Kolonien.
165
Station, vou welcher aus die wissenschaftlichen Untersuchungen in
Bezug auf Meteorologie. Fauna, Flora u. s. f., sowie weitere Forschungs-
züge gemacht werden sollen, dürfte am Sannaga- Fluss errichtet
werden.
Diese Forschungen haben nun über das Land, seine Oro- und
Hydrographie, sein Klima und seine Bewohner, eine Reihe werth-
voller Aufschlüsse gegeben. Das nördliche Gebiet wird von dem
gewaltigen, 3960 m hohen Kamerunberg (Mongo ma Loba) mit seinen
verschiedenen Ausläufern beherrscht, welcher dieselbe Basaltformatiou
wie der Clarence Pik auf dem gegenüber liegenden Fernando Poo
aufweist. Er verdankt vulkanischen Kräften seine Entstehung, aber
ist jetzt unthätig. nur die auf der Oberfläche verwitterten Lava-
ströme und einige Solfataren erinnern noch an seine einstige Thätig-
keit. Er ist mehrfach erklommen worden, da sein Anstieg, wenn
auch beschwerlich, doch mannigfacher Reize nicht entbehrt, weder
des Blickes auf die See und das einem fünfzackigen Ahornblatte
vergleichbare Aestnar des Kamerunflusses, noch der pittoresken Ab-
wechslung der Szenerie, wie sie sich aus der Gebirgsformation und
vor Allem dem Uebergang der tropischen Urwaldvegetation in eine
der gemässigten Zone ergiebt. „Interessant ist es,“ so schreibt der
Kanzler v. Puttkamer. „im Hochwald selbst den Uebergang von der
Tropenwelt zu der den gemässigten Breiten entsprechenden Vege-
tationsform zu verfolgen. Unten Palmen, riesige Wollbäume, der
Boden bedeckt mit undurchdringlichem Gewirr von tropischen
Sträuchern, aus denen sich Schlinggewächse zu den Kronen der
Baumriesen emporwinden. Riesenfarren mischen sich allmählich ein
und unmerklich verschwinden Kaft'eebäume, Gummilianen, um schliess-
lich einem völlig uordeuropäischen Charakter tragenden Laubwald
Platz zu machen, unter dessen hohen Stämmen graugrünes Moos
die Felsen überkleidet. Elefanten, Leoparden, Antilopen und Alfen
treiben bis hier hinauf ihr Wesen. Schlangen sind selten, Skor-
pione^ und Tausendfüssler dagegen massenhaft vertreten. Die
Moskitos und Sandflöhe der unteren Regionen weichen oben den
wilden Bienen. Raubvögel, kleine Singvögel und eine Art Busch-
ente beleben die Grasfläche oberhalb der Waldgrenze. Wenn hier
im Januar und Februar zur Trockenzeit die eingeborenen Jäger das
hoch emporgeschossene Gras verbrennen und dann junges Gras und
Kränter wieder zu spriessen beginnen, treten die Antilopen rudel-
weise aus den Waldregionen zur Aesung auf die grünenden Matten
hinaus.“
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166
Die deutschen Kolonien.
Das Gebirge ist nicht wasserreich und auch nur zum Theil
fruchtbar, wird von verschiedenen Völkerstämmeu bewohnt, unter
denen die Bakwiri, deren Sprache mit der der Duallas verwandt ist,
der bedeutendste sind. Der Mittelpunkt des Landes ist in jeder
Beziehung die Ortschaft Buea (770 m), welche günstig gelegen sich
wohl für die Anlage einer Gesundheitsstation eignen dürfte, wenn man
nicht die sandige Halbinsel Suellaba vorziehen seilte, da die Küsteuzone
sehr ungesund ist. Doch die hohe Lage schützt durchaus nicht gegen
das Fieber, wie die das Kamerungebirge bewohnenden Schweden,
Knntson und Waldau, welche sich das grosse Verdienst erworben
haben, die Eingeborenen mit der Gewinnung des Kautschuk bekannt
zu machen, oft genug haben erfabreu müssen. — Nördlich von dem
Kamerunpik flacht sich das Land allmählich ab nach dem Strom-
gebiet des Alt-Calabar, die Flussläufe werden zahlreicher, die Busch-
savanne überwiegt. Dieser Theil wird von den Bakundu bewohnt.
Das Aestuar des Kamerunstromes wird von einer Anzalil Flüsse
gebildet, welche erst theilweise erforscht sind. Die Flussufer sind
niedrig, mit graugrünen Mangroven bewachsen, und nur an der Mün-
dung des Wuri, wo sich die Dörfer der Duallas und jetzt auch das
Kegierungsgebäude erheben, ist das Lateritufer des Flusses einige
Meter höher. Die Oelpalme, welche auch mit schlechterem Boden
vorlieb nimmt, tritt hier sehr zahlreich aut. Ein wenig frucht-
barer Laterit überwiegt. Das südliche, erst zum Theil durchforschte
Gebiet ist dicht an der Küste mit Urwald bestanden, welcher nach
dem Innern zu allmählich von der Parklandschaft und den mit
hohem, dichtem Holz bewachsenen Savannen (des Sudan) abgelöst
wird. Die Ergebnisse der letzten Batanga-Expedition lassen sich,
nach den Mittheilungen aus den deutschen Schutzgebieten, etwa
folgenderweise zusammenfassen:
1. Oberhalb iler Kataraktenregion des Küstengebietes sind auf dem südlichen
Kamerun-Schutzgebiete zwei schiffbare Flüsse vorhanden: nämlich der bei Batanga
mündende Beundofluss, im Innern Njong oder Nlong genannt, und zweitens der an
der Malimba-I.andspitze mit den beiden Armen „Borea“ und „Bornu u , bei Kamerun
selbst mit mindestens noch einem Arme, dem „Quaqua“, einmündenden Saunagar
flnss, den die Eingeborenen der Batangaküste den grossen N ljong nennen. Beide
Flüsse haben sowohl an der Küste als weiter im Innern eine zweite Kalarakten-
region, welche von der erstereu durch eine längere schiffbare Strecke getrennt ist.
Oberhalb dieser zweiten Region von Fällen sind sie wieder schiffbar, und zwar sehr
wahrscheinlich weit nach dem Innern hinein.
2. Die Wasserscheide zwischen den im Katnerungebicte mündenden Flüssen
und den weiter östlich sich dem Kongobecken zuwendenden Wasserläufeu liegt
nicht nahe der Kameninküste, wie bisher meist angenommen wurde.
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Die deutschen Kolonien.
167
3. Die Wasserscheide zwischen den linken Nebenflüssen des Benne und den-
jenigen im Kameruugebiet liegt ebenfalls weit im Innern. Man wird sie viel schneller
Tom Benne aus erreichen können als von Kamerun. Der Sannaga führt zweifellos
das Wasser eines grossen Flussgebietes bei Kamerun in das Meer.
4. Die Völkerscheide zwischen .Sudannegern und Rantunegern ist von Kamerun
aus nicht in der Richtung auf Adamana zu suchen, sondern wird nach Süden durch
den Sannagafluss gebildet und liegt nach Osten in einer 200 km nicht über-
schreitenden Entfernung von der Küste. Die Aussichten auf Erweiterung des
Kamerunhandels nach Gebieten hin, welche europäische Produkte lediglich durch
Vermittelung inuhamedanischer Händler vom Benue her erhalten, erscheinen ge-
stiegen. Zugleich ist durch dieselbe festgestellt, dass die Grenze des muhameda-
nischen Einflusses viel weiter nach Süden im Innern des Erdtheils reicht, als mau
vorher wusste.
5. Die Gebirgsverhältnisse im Kamerun-Ilinterlande sind besser bekannt ge-
worden. Vulkanische Bildungen sind bis zum Sannagafluss und in dem Gebirge,
unmittelbar nördlich desselben, nicht vorhanden.
Das Kamernngebiet bewohnen eine ganze Reihe von Stämmen,
welche zum Theil noch za den Bantunegern gehören, und deren
Dialekte manche Aehnlichkeit mit einander haben. Es sind dies
die Bakisch, Mburuke und Madenga im Stromgebiet des Meme, die
Bambuku, Bakwiri und Isubu an den Abhängen des Kamerungebirges,
die Mungo, Baluug, Bakundu, Mufundu und Bafarami im Gebiete
des Mungoflusses, von letzterem in das Gebiet des Kamerunflusses
überleitend die Duallas, in diesem selbst die Abo, Wapaki, Wuri,
Budiman, Ndokoko und Ndokobeli, dann die Bassa, Dibamba, Luu-
gasi und Donga im Gebiete des Luugasi- und Dongaflusses, die
Malimba, Pungo, Bakoko und Idia am Idiaflusse, von wo die Bakoko
den Uebergang zum südlichen Kamerungebiete bilden, längs dessen
Küste wir u. A. noch die Stämme der Banoko, Batange, Bapuko,
Havvandsche, Mbinga und Egara bis zum Etembue finden. Im
Hinterlande von Batanga haben sich eingedrungene Sudanueger
niedergelassen, aber sie werden schon, ein bedenkliches Zeichen, von
aus dem Norden kommenden Sklavenjägern beunruhigt. Die Stämme
an der Küste sind Fetischanbeter, nach Adamana zu wohnen wahr-
scheinlich schon Muhamedaner.
Die Duallas, der Hauptstamm an der Küste, sind im Aeussern
nicht üble Neger, aber die Eindrücke, welche man erhält, wenn man
ihr Inneres ins Auge fasst, sind weniger vorteilhaft. Dr. Büchner 1 )
schreibt darüber: „Aufgeblasenheit, Jähzorn und Rachsucht, Neigung
zn Raub und Gewalt sind nngemein stark ausgeprägte Züge, die
') Kamerun. Skizzen umi Betrachtungen von Max Büchner. I.eipzig. Verlag
von Duncker und Hum blot 1887.
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168
Die deutschen Kolonien.
den Verkehr mit ihnen unangenehm und gefährlich machen, und als
englisch erzogene Neger gehören sie zu den schlechtest erzogenen
Halbwilden, die der Erdball keimt. Wahrend in Angola, im Lande
der so häutig geschmähten Portugiesen, die Neger, und wären es
auch ihrer hundert, bescheiden vom Wege ins Haus treten, wenn
ein Europäer kommt, hat in Kamerun häufig genug der Weisse dem
Schwarzen auszuweichen, will er nicht roh gerempelt werden. Wolil-
thaten werden in der Regel mit brutaler Grobheit als etwas Selbst-
verständliches gefordert, ein Dankwort gehört, zu den seltenen Aus-
nahmen, eine That des Dankes ist unerhört. Hat ein Kranker von
mir Arznei erhalten, wobei ich noch aufpassen muss, dass er mich
nicht bestiehlt, so glaubt er daraus auch noch ein Recht auf eine
Flasche Rum ableiten zu dürfen, und wenn ich ihn auch noch so
lange mit aller Menschlichkeit behandelt habe. Sollte ich einmal in
die Lage kommen, von ihm eine kleine Gefälligkeit zu verlangen, so
wird er mich erst voller Unverschämtheit fragen, was ich ihm dafür
bezahle. Das Treiben in einer Faktorei nimmt gewöhnlich den
Charakter einer vielstimmigen wüsten Zänkerei an, die jeden Augen-
blick in Thätlichkeiten auszuarten droht, und was sich der weisse
Händler hier manchmal des lieben Geldes wegen gefallen lassen
muss, streift hart an die äussersten Grenzen des Erträglichen.“ Die
Hauptbeschäftigung der etwa 30000 Seelen zählenden Duallas, abge-
sehen von den unbedeutenden Handarbeiten, als Schnitzereien und
Flechtereien, sowie von Jagd und Fischfang, ist der Handel, und
zwar kommen hierbei besonders neben den üblichen Nahrungsmitteln
in erster Linie Palm-Oel und -Kerne, in zweiter Linie erst das Elfen-
bein in Betracht. Der Handel in Verbindung mit Weibergeschäfteu
bilden den Ausgangspunkt für nie endende Streitigkeiten unter den
Duallas. Die leichte Mühe, mit welcher sie sich ihren Lebens-
unterhalt in reicher Weise verdienen, musste verweichlichend auf
Geist und Körper wirken. Daher besteht eine unendliche Faulheit,
die soweit geht, dass sie alle anderen Neger, welche ihren Lebens-
unterhalt durch ihrer Hände Arbeit verdienen, geradezu verachten.
Der Hang zu einem lüderlichen Leben, Lug und Trug ist bei ihnen
an der Tagesordnung. Die Dörfer, welche sich durch einen eigen-
thüm liehen unangenehmen Geruch, den „odenr africain“, schon von
weitem bemerkbar machen, bestehen aus zahlreichen räucherigen,
aus Palinblättem und Mangrovestämmen auf einem ca. 50 cm hohen
festen Lehmboden errichteten Negerhütten. Völlig nackte Kinder
kriechen und spielen vor denselben. Einzelne alte Männer und
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Die deutschen Kolonien.
1H9
Weiber, unbeschreiblich hässliche, affenartige Gestalten pHegett des
Tages vor den Hütten zu sitzen. Einen grossen Aufwand an Zeit
nimmt bei den jüngeren Fraueu der Kopfputz iu Anspruch. Locken
und Zöpfchen, niederliegend und hochstehend, nach allen Dimensionen
gescheitelt und abgetheilt, die mannigfachsten Figuren ausgeschnitten
und ausrasirt, so präsentiren sich die Köpfe dieser Weiber. Die
Gesichtszüge und der ganze Körperbau der Duallafrauen besitzen
wenig Schönes. Eckig und plump erscheinen die Formen in der
kurzen Jugendzeit; rasch verblüht die Negerin und das Alter zeigt
nur noch ein Zerrbild menschlicher Gestalt. Die Kleidung beiderlei
Geschlechts besteht in den Dörfern nur aus dem bis an die Knöchel
herabreichendeu Hüfttuche. Im Verkehr mit den Weissen bleibt bei
den Duallafrauen meistens auch der Oberkörper bedeckt. Das
Duallaweib ist Handelswaare und Arbeitsthier. Freiheit besitzt sie
nicht im geringsten Maasse. Der Werth einer Duallaschönen variirt
zwischen tiOO und mehreren tausend Mark. Als Zeitvertreib gelten
bei den Duallas Ruderregattas und Ringk&mpfe, ausserdem werden
grössere Festlichkeiten bei Todesfällen und zur Zeit des Vollmondes
veranstaltet. Die Grenze zwischen den Gebieten der einzelnen
Stämme bildet meistens ein tief in das Laud einschneidender Kriek,
und wo diese natürliche Abgrenzung fehlt, wird derselbe durch einen
Zaun von Mangrovestammen ersetzt. Unmittelbar an die Dörfer
heran reicht der sogenannte Busch, der Urwald.
Die Duallas haben den sehr bedeutenden Zwischenhandel mono*
polisirt und bis heute ist es noch nicht möglich gewesen, diese
Kette zu durchbrechen, obwohl gelegentlich Versuche dazu selbst
mit Waffengewalt gemacht wurden. Ein solcher Versuch, welcher
manche charakteristische Züge der Neger enthüllt, wurde im Sommer
1887 gemacht, und wir lassen deshalb die Schilderung desselben hier
folgen:
„Zu den berüchtigten Händlern am Wuri und Abo, Zuflüssen des Kamerun,
gehören die „Herren“ Ktolta in Donainbasi und Singi in Tiko. Etoka hatte vor
einiger Zeit eine Karavane überfallen, die Oel und Elfenbein nach der Flussmün-
dung bringen wollte, ihre Waaren annektirt und die Träger festgehalten. Bei dem
entstandenen Handgemenge sollen sogar mehrere Eingeborene getödtet worden sein.
Aehnlich batte es Singi in Tiko gemacht, nur dass sein diesmaliger Raub nicht so
ergiebig ausgefallen war. Etoka war zu einer Qeldbusse von 5000 M, Singi zu
2UÜO M verurtheilt, und sie machten natürlich keine Miene zu bezahlen, weil sie
sich in ihrer Entfernung von Kamerun sicher vor jedem Schuss hielten. Doch die
Geduld des Gouverneurs hat ihre Grenzen, und um den Kerlen zu beweisen, dass
es kein Spasg mit den Anordnungen und Strafen sei, wurde beschlossen, eine Exe-
kution mit bewaffneter Hand vorzunehmen. Am 12. Juli, Morgens 5 Uhr, dampfte
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170
llie deutschen Kolonien.
vom „Habicht" die Barkasse und Pinasse ab, letztere 2 Boote mit 1 Offizier und
je -0 Mann im Schlepptau führend und mit I Oeschütz bewaffnet, und nach einer
achtstündigen Fahrt kamen sie in Bonambasi au. Der Kamerun und der Wuri
sind beide kolossale Ströme, auf denen in der ltegenzeii ein grosses Kriegsschiff
bequem manörriren könnte. Die kleinen Boote haben gar keine Schwierigkeit, bis
zu HX) englische Meilen weit stromaufwärts zu gehen, nur das Landen ist an den
meist sehr sumpfigen Ufern schwierig. Als sieb nicht gleich eine bequeme Stelle
zum Anlegen fand, sprangen die Mannschaften bis an die Brust ins Wasser und
erreichten watend das feste Land. Dann wurde die Kanone ausgeschifft und vor-
sichtig auf das Dorf losgegangen. Mau fand es völlig von Bewohnern verlassen,
wahrscheinlich haben sie durch Trommelspracbe Wind davon bekommen, was ihnen
drohte. Den beweglichen Besitz hatten sie mitgenommen, nur die Ziegen und
Geflügel waren zurückgeblieben. Auf Befehl des Kommandanten der Expedition
wurden die Thiere getödtet und dann das Dorf zum warnenden Exerapel in Brand
gesteckt. Hierauf giug es wieder stromabwärts bis zu dem Dorfe Eokau, welches
am rechten Ufer des Kamerun gleich unterhalb des Zusammenflusses von Wuri und
Abo liegt. In Eokau blieb die Expedition zu Nacht und fuhr am anderen Morgen
in aller Frühe den Abo hinauf, dessen Ufer einen ganz anderen Charakter haben,
als die des Wuri. Das Land wird sehr bald hügelig und oberhalb Kokki treten
sogar recht schroffe Gebirgsabbinge bis an den Fluss heran. Das Dorf Tiko, der
Aufenthalt Singis, liegt am linken Ufer des Abo und bildet eine vollkommene na-
türliche Festung. Von der sehr bequemen Landungssteile führt ein Fussweg etwas
bergauf zu zwei Palaverhäuscrn, wo der Häuptling seine Angelegenheiten de-. Han-
dels und Krieges bespricht. Auf einem etwas höher gelegenen Plateau dahinter
liegt das Dorf, dessen einzelne Hütten, wie übeiall hier im Lande, mit starken
Verzäunungen umgeben sind. Hinter dem Dorfe führt der Fussweg durch eine
ganz schmale steile Schlucht, die sieb im rechten Winkel biegt, also ganz zu einer
Vertheidigung durch wenige Mannschaft gemacht ist, nach einem noch höher lie-
genden Plateau, das sich Singi zu seinem Wohnsitz erkoren hat Als die Boote
vor Tiko ankamen, war Singi bereits in seinem Palavcrhaus und lud den Gouver-
neur und den Kommandanten der Expedition ein, mit ihm dort zu verhandeln.
Kr tbat sehr demüthig und klagte, dass er die Strafe nicht erlegen könne; er wolle
aber sehen, ob es nicht möglich sei, die Herren zu befriedigen, wenn er alles
zusammenbrächte, was er hätte. Sie möchten sich nur eine kurze Weile gedulden.
Nach einiger Zeit, als den Herren die Zeit lang wurde, sagte er, er wolle selbst
hingehen, um zur Eile zu treiben. Kurz darauf brachte ein kleiner Negerbengel
ein Päckchen mit Lumpen und sagte, das sei alles, was sie hätten. Als nun der
Befehl gegeben wurde, zu dem Dorf und dem Wohnsitz Singis vorzudringen, um
selbst zu holen, was er nicht geben wollte, fand man das ganze Nest ebenfalls
leer; der schlaue Nigger hatte nur Zeit gewinnen wollen, seine Leute und seine
Habe in die steilen unzugänglichen Schluchten des südlich gelegenen Terrains zu
flüchten. Nun wurde auch das Dorf Tiko niedergebrannt und die Expedition kehrte
heim, da ihr unter den obwaltenden Umständen nichts anderes übrig blieb.
Fieberanfälle waren die Folge des unfreiwilligen nassen Bades im Bonambasi und
des Aufenthaltes in Eokau. Der „Habicht“ ist mit den Kranken seewärts gedampft,
um auf einer Spazierfahrt die Gesundheit am sichersten wieder herzustellen."
Die beiden Uebelthäter sind allerdings später zu Kreuz gekrochen
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Die deutschen Kolonien.
171
und erklärten sich bereit, dieStrafe nach und nach aufzubringen, aber aus
diesem einen Beispiele geht hervor, welchen Schwierigkeiten die Regie-
rung begegnet. Dr. Zintgraff auf der Barombi-Station wird einen neuen
Versuch machen, in das System des Zwischenhandels eine Bresche
zu legen, indem er die Ackerbau treibenden Eingeborenen, „deneu
vorläufig die Zumuthung, ihre Produkte direkt zur Küste zu bringen,
als etwas Ungeheuerliches erscheint“, veranlassen will, ihre Handels-
karawanen, zunächst unter dem Schutz des Weissen und mit
den bewaffneten Schwarzen der Stationen als Bedienung, direkt
zur Küste zu entsenden. Sie haben verschiedene Händlerkordous
zu durchbrechen, wodurch die Waare übermässig vertheuert wird.
Um ein Beispiel zu geben, so bekommen die Bekungleute für eine
gewisse Masse Palmöl 1 ,// von den Jabassilenten, diese erhalten
das Doppelte von den nnterhalb ihnen wohnenden Budimauleuten,
letztere 3 t f( von den Wurileuten, deren Nachbarn, die Duallas,
diesen wiederum 4 jü bieten; die europäischen Kaufleute an der
Küste müssen dann schliesslich das Fünffache von dem ursprüng-
lichen Preise zahlen ! Die Könige der Küste haben ihre bestimmten
grossen Handelsgebiete, die sie als ihre Domäne betrachten. König
Bell 1 ) handelt besonders mit dem Mungolande, wie er überhaupt
den Handel im Muugothale beherrscht, ferner mit Bomano und De-
bombari, zwei kleinen l’nterstämmen der Dnalla, sowie mit Wuri
und der Quaquagegend am unteren Malimba. Neben ihm handelt
mit den Bomano, Debombari nnd Quaqua in geringerem Maasse
auch sein Rivale König Akwa, der seinerseits vollständig den Haudel
mit den Bassa, Dibamba und Donga, also an den Ufern der Luug&si-
und Dougaflüsse, beherrscht. Jim Equalla, der sich gern König
Deido nennen hört, handelt besonders mit den Abo und den klei-
neren benachbarten Stämmen und nebenbei mit Wuri, während Lock
Prisso, der Feind König Bell’s und daher der Deutschen, seit lange
am unteren Mungo „arbeitet“. König Bell treibt auch etwas Handel
mit Abo, seine Haupthandelsdomäne aber ist das Mungoland. Daraus
ergiebt sich folgendes Schema:
Name des I I lud len»
Naupümndelsfebiet
Nebeu ihm handelt dort
1. König Reil
Mungo
-
V Y!
Babing
1 __
4» »»
Bomano
König Akwa
'/ Die Handelsgebiete und Handelsgürtel im Deutschen Kamerungebiet. Von Paul
l.anghans, Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. XI. Jahrgang. Heft 2.
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17-2
l'ie deutschen Kolonien.
Name des Händler*
Hauptbandelsgebiet
Neben ihm handelt dort
1. König Hell
Debombari
König Akwa
1» 1»
Wuii
Jim Equalla
1» »V
Quaqua
König Akwa
2. Köuig Akwa
Bassa
—
77 7»
Donga
—
7» 77
Dibamha
3. Jim Equalla
Abo
König Bell
4. Lock Prisso
unterer Mungo
—
Es sind nun, abgesehen von den vorhin erwähnten Versuchen,
noch andere Vorschläge gemacht worden, das Handelsmonopol der nur
einen, wenige Kilometer breiten Strich der deutschen Schutzgebiete
bewohnenden Kiistenbevölkerung aufzuheben, unter denen der
radikalste darin besteht, die der Erschliessung des Hinterlandes
durch den deutschen Handel widerstrebenden Könige einfach aus
dem Lande fortzuschaffen. Es ist eine ebenso lehrreiche, als inter-
essante Thatsache, dass sich in den Nebenplätzen des Kamerun-
gebietes, wo keine einflussreichen Häuptlinge existiren, besonders
aber in Victoria, Ktein-Batanga und Batanga der Handel verhält-
nissmässig besser entwickelt hat, als in Kamerun selbst. Von den
Zolleinnahmen, welche diese Kolonie hat, laut Budget 1889/90 für
Kamerungebiet 150 000«/#, dürfte ebensoviel von den Nebenplätzen,
wie von Kamerun selbst herrühren. Auch im Togo-Gebiet, wo nicht
so einflussreiche Häuptlinge existiren, wie Bell und Akwa in Ka-
merun , hat sich der Handel in den letzten Jahren ausserordentlich
günstig eutwickelt. Ist somit der schädliche Einfluss dieser Häupt-
linge erwieseu, so sollte mit ihnen nicht viel Federlesens gemacht
werden. Es dürfte sich leicht eine Gelegenheit finden lassen, gegen
das Gebahreu derselben einzuschreiten, ihnen den deutschen Einfluss
und deutsche Machtmittel deutlich fühlbar werden zu lassen oder
ihnen nach englischem Muster in liebevoller Fürsorge lebenslänglich
fremde Länder zu zeigen.
Vom rechtlichen Standpunkte wäre ein solches Vorgehen des
Reiches auch unanfechtbar, denn nach den im Juli 1881 mit den
Kameruuhäuptlingen abgeschlossenen Verträgen sind denselben
hauptsächlich folgende Zusicherungen gemacht worden: 1. die wohl-
erworbenen Rechte Dritter bleiben Vorbehalten; 2. frühere, mit
anderen Staaten abgeschlossene Handels- und Freundschaftsverträge
sollen weiterhin in Gültigkeit bleiben; 3. der Grund und Boden der
Dörfer und Ansiedlungen und die vou den Eingeborenen bebauten
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Die deutschen Kolonien.
173
Grundstücke sollen Eigeothum derselben bleiben: 4. die Häuptlinge
sollen ihre Abgaben wie bisher erheben dürfen; 5. in der ersten
Zeit sollen die Sitten und Gebrauche der Eingeborenen respektirt
werden. Unter diesen Sitten und Gebräuchen ist insbesondere auch
die Sklaverei zu verstehen. Nach dem Inhalt der Verträge haben
sich also die Eingeborenen der Sonveränetät des Reiches freiwillig
unterworfen, ihre Häuptlinge aber, abgesehen von dem Rechte der
Abgabenerhebung, sich Hoheitsrechte über ihre Untergebenen nicht
Vorbehalten. Daraus folgte, dass das Reich befugt ist, die Rechts-
verhältnisse im Kamerungebiet nach seinem Ermessen zu ordnen,
nur in der ersten Zeit, der Zeit des Ueberganges, sollten die Ge-
wohnheiten der Eingeborenen beachtet werden. Die Reichsregierung
ist denn auch von dein Standpunkte ausgegangen, dass dem Reiche
die Sonveränetät über die Eingeborenen zustehe.
In der Bimbia-Viktoriahandelszone, der nördlichen, von deren
Produkten leider nur ein kleiner Theil nach der deutschen Küste
abströmt, während vielleicht der grössere nach dem Calabar zu fällt,
sind zwei Woermafin’scbe Faktoreien, sowie eine englische gelegen,
während in dem eben erwähnten Handelsgebiet die Europäer durch
neun Firmen mit zusammen 15 Faktoreien vertreten sind. Von diesen
besitzen die Deutschen sieben, die Engländer neun, doch haben die
Deutschen mehr als die Hälfte des Handels in Händen. Das Handels-
gebiet des Batangalandes mit den europäischen Faktoreien von Klein-
Batanga. Plantation, Kribbi und Gross-Batanga umfasst den südlichen
Theil des Schutzgebietes.
Um einen Begriff von der wachsenden Bedeutung Kameruns,
was den Handel anbetrifft, zu geben, wollen wir noch einiges über
den Schiffsverkehr daselbst mittheilen. Es liefen in den Hafen von
Kamerun im Jahre 1887 ein: 1. Von Europa kommend: 40 Dampfer,
und zwar 14 deutsche, 26 britische, sowie 4 britische Segelschiffe.
2. Vom Süden kommend: 37 Dampfer, und zwar 13 deutsche,
*23 britische und 1 belgischer. Die sämmtlichen deutschen Dampfer
gehörten der Woermann-Linie, die britischen theils der British and
African Steam Navigation Co., Limited, theils der African Steaui
Ship Co., der belgische Dampfer der Rhedereigesellschaft Waters &
Co. in Antwerpen an. Drei der Segelschiffe liefen für die Firma
R. & W. King in Bristol ein. Dampfer wie Segelschiffe hatten von
Europa nach Kamerun und von dort weiter nach dem Süden mit
Stückgütern und Kohlen, vom Süden nach Kamerun und nach Europa
Landesprodnkte, Palmöl. Palmkerue, Elfenbein und Kautschuk ge-
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174
Di« deutscheu Kolonien.
laden. Ausserdem verkehrten noch drei kleine Küstendampfer, einer
der Firma Jantzen & Thormählen in Eloby, einer der Firma C.
Woermann in Gabun und einer der Firma C. & W. King in Kamerun
gehörig, im dortigen Hafen, den Verkehr zwischen Haupt- und
Nebenfaktoreien vermittelnd. Unsere Einfuhr aus Westafrika ist in
der deutschen Statistik nicht besonders klassifizirt, so dass es schwer
hält, ein genaues Bild darüber zu gewinnen. (Jantzen & Thormählen
importirten in den SH/j Jahren von Mitte Juni 1875 bis Neujahr
1885 einen Waarenbctrag von 2 230 000 M und exportirten inner-
halb desselben Zeitraumes 980 000 Gallons Palmöl, 2 660 Tons
Palmkerne, 31 700 Pfund Elfenbein.) Wir geben hier, ohne uns
weiter in Kalkulationen einzulassen, um den Werth unserer west-
afrikanischen Einfuhr in Hamburg im Jahre 1887 überhaupt zu
zeigen, nur folgende Tabelle:
1887
Säcke
Werth
Kaffee
4 242
359 030
Kakao
—
4 470
100 kg
Hoher Ingwer
109
3 340
Andere Gewürze ....
57
2 090
Rolhbolz
7 653
64 970
Medizinische Früchte . . .
22
2 940
Gummi Kopal
252
17 640
Gummi elasticuui ...
3 368
1 079 750
Trockene Rindshäute . .
140
17 900
Klefantenzähne ....
9§ v
142 140
Palmöl . . ....
54 378
1 990 650
.Sesamsaat
168
4 190
Ebenholz
2 787
38 570
Palrakerne
378 992
7 391 170
Kopra
183
4 350
Eiseuwaaren
82
18 320
Gramm
l'ngefasste echte Edelsteine
17 370
100 kg
9 300
Gewehre
73
5 500
Naturalien
31
9 590
Passapierjfut . . , .
35
7 280
Andere Artikel . . . .
—
13 200
Total 100 kg
451 572
11 186 390
Der Import 1 ) umfasst bedruckte rotlie Kattune und Baumwoll-
•) Die Hauptpositionen des neuen, mit dem 31. August 1888 in Kraft ge-
tretenen Tarifs der Afrikanischen Dampfschiffs-Aktien-Gesellschaft (Woermann-Linie,
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Oie deutschen Kolonien.
175
waaren, grobe and feine Eisen- und Messingwaaren, Schiesspulver,
Konfektionswaaren, Lampen, Glaswaareu, Steinzeug und vor alleu
Dingen Branntwein, welcher zu einem unglaublich billigen Preise
(12 Flaschen für etwa 2^,(0 hergestellt worden ist. Ueber die Ein-
fuhr des Branntweins ist von den Missionaren und Temperenzlern viel
raisonnirt worden, und es lässt sich nicht leugnen, dass derselbe
Unheil anrichtet und es sich vielleicht empfehlen würde, die
Branntweineinfnhr zu verbieten, wie es die Engländer in ihren afri-
kanischen Besitzungen gethan haben. Da die Missionen von den
Eingeborenen gefordert haben, dass, wer sich zur Christengemeinde
bekenne, unbedingt dem Handel und Genuss des Schnapses entsageu
müsse, so können sie keine rechten Fortschritte machen und sind
die lautesten in der Agitation gegen die Einführung des Branntweins.
Auf der anderen Seite muss man aber auch nicht verkennen, dass
unter den Negern, welche ja auch den Palmwein haben, Gewohnlieits-
s&ufer selten sind. Sie betrinken sich nur in grösseren Zwischen- {
räumen, nnd da sie eine kräftige Rasse sind, schadet ihnen der
Schnaps wenig. Jedenfalls kann man nicht von Verheerungen ‘
sprechen, welche derselbe unter ihnen anrichtet. Ehe man aber
einen blühenden Handelszweig abschneidet (im Jahre 1883 wurden | ,,
für 12 000 000 ,/# Spirituosen nach Westafrika ausgeführt), muss . !»
erst so viel Handel vorhanden sein, dass dieser Ausfall gedeckt
werden kann.
Für den Export des Landes ist bis jetzt vornehmlich die Oel-
palme in Betracht gekommen, deren Oel in grossen Massen von hier
aus verschifft wird. Die Kultur der Kokospalme ist bisher noch
fehlgeschlagen, da das Fleisch der Frucht zu wässerig war, und mau
hat bei den niedrigen Koprapreisen die Versuche einer rationellen
Behandlung desselben anscheinend nicht fortgesetzt. Der sinkende
Preis des Palmöls auf dem Weltmärkte drängte aber zu neuen
Kulturen, zumal die Uebelstünde des Trustsystems die Firmen sehr
deren Dampfet am letzten jedes Monats von Hamburg nach Kamerun abgehen) sind
folgend«: Nach Goree Reis .// 20 per l(XX) kg, Spirituosen .// 18 per Kubikmeter,
feinere Güter .U 30 per Kubikmeter. Nach den Häfen der Westküste zwischen
Bathurst und Kamerun: Spirituosen .// 22m per Kubikmeter, Reis, Salz und
anderes Schwergut M. 22 per 1000 Kilo, Schobeu, Baumaterialien und anderes
Maassgut .// 20 per Kubikmeter: Wein, Bier und anderes besseres .Maassgut
.// 30 per Kubikmeter, Manufakturen und ganz feine Güter .// 40 per Kubikmeter.
Nach der Südwestküste, also den näfen südlich von Kamerun: Spirituosen M 25
per Kubikmeter, Salz und anderes Schwergut .// 22 per 1000 Kilo; Hier. Wein
und besseres Maassgut M 30 per Kubikmeter, feinere Güter M 40 per Kubikmeter.
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176
Die deutschen Kolonien.
schädigten, welche mit Produkten von sekundärer Bedeutung, wie
Kautschuk, Arachiden, Farbhölzer, Raphiabast. Elfenbein und Kopal,
nicht die Gewinne machen konnten, welche noth wendig waren, um
die gewaltigen Unkosten der Faktoreien zu decken. Da das deutsche
Schutzgebiet in Kamerun für den Plantagenbau mancherlei günstige
Bedingungen hatte, so hat man den Versuch gemacht, einige andere
tropische Gewächse zu bauen, vor Allem Kakao und Kaffee. Die
Kultur des Kakaobaumes hat auf dem vulkanischen Verwitterungs-
boden von Fernando Pöo bei seinem ununterbrochen feuchtwarmen Kliina
auf das beste angeschlagen, und da dieselben Verhältnisse am Ab-
hange des Kamerungebirges bestehen, so war dies der Artikel, dessen
Anbau im Grossen man vor Allem in’s Auge fasste.
Im Frühjahr 1885 bildete sich in Hamburg eine Kommandit-
gesellschaft unter der Firma „Kameruner Land- und Plantagen-
gesellschaft Woermann, Thormählen & Co.“, an deren Spitze die
Namen der beiden hauptsächlichsten deutschen Handelshäuser in
Kamerun stehen: Herr Adolf Woermann, in Firma Carl Woermanu,
und Herr Johannes Thormählen, in Firma Jantzen & Thormählen.
Mit Vorsicht, Sachkeuntniss und Umsicht ging mau zu Werke, ge-
wann in Herrn Teusz, welcher bereits am Kongo Erfolge aufzu-
weisen gehabt hatte, eine geeignete Kraft und begann mit der An-
lage von Pflanzungen, deren bedeutendste bei Victoria, an der
Kriegsschiffbucht liegt. Oscar Baumann, *) welcher dieselbe im No-
vember 1886 besuchte, schreibt darüber: „Die Plantage liegt auf
der Höhe der Uferterrasse , die einerseits zu der völlig gesicherten
Bai, andererseits zu einem kurzen Seearm steil abfällt, der den
Booten einen guten Ankerplatz gewährt. Eine Treppe führt auf die
Höhe der Rampe, wo ein breites Bretterhaus sich erhebt, in dessen
drei Räumen Herr Teusz mit seinen Arbeitern (Accra- und Kap
Palmas-Jungen) provisorisch haust. Das Haus ist von Feldern um-
geben, welche mit Maniok, Bananen und Gemüse bestanden sind.
Dahinter dehnt sich die eigentliche Plantage aus, wo zwischen Oel-
palmen und einzelnen stehengebliebenen Waldriesen die Kakao-
pflänzchen schon circa 1 Fuss hoch gediehen sind. Der Kakao-
samen wurde von Fernando Pöo eingeführt und es steht zu hoffen,
dass diese Pflanze, welche ebenso einträglich, aber weit weniger
empfindlich ist und weniger Arbeit erfordert als Kaffee, auf dem
vulkanischen Boden Bimbias ebenso gut gedeihen werde, wie auf
') Fernando Pno und die Bube. Von Dr. Oscar Hautnann, Wien und
Oimütz. Eduard Hölzel, 1888.
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Die deutschen Kolonien.
177
jenen) der Guinea-Inseln. Die Käferlarve, welche auf vielen Farmen
Fernando Pöo’s so grossen Schaden anrichtet, kommt hier zum Glück
nicht vor, und die Heuschrecken, die Anfangs massenhaft auftraten,
nehmen jetzt stark ab. Eine Parzelle ist auch mit Tabak bestanden,
der jedoch durch die Heuschrecken stark gelitten hat. Herr Teusz
sandte Holzproben aus den umliegenden Wäldern an seine Gesell-
schaft, worunter einige (dabei auch Mangroveholz) als vortrefflich
und zum Export geeignet erkannt wurden. Es werden immer noch
neue Waldpartien gelichtet und Durchhaue angelegt, und von Morgens
bis Abends tönen die kraftvollen Axthiebe der Accra-Jungen durch
den Wald, die mit erstaunlichem Geschick und Schnelligkeit selbst
den mächtigsten Baumriesen zu Fall bringen.“ Im Frühjahr 1887
waren auf etwa 100 Hektaren bereits 70000 Kakaobäumchen ge-
pflanzt, von denen die zuerst eingesetzten 30000 Pflanzen schon
eine Höhe von über einen Meter erreicht hatten, und man erwartet
für das Jahr 1889 bereits die ersten Probesendungen, da einige Pflanzen
schon letzten Sommer geblüht und Früchte angesetzt hatten. Wenn das
Produkt von Fernando Pöo auch niedrigere Preise als das von Süd-
amerika bringt, so bleibt der Anbau doch sicher sehr lohnend.
Allerdings sind die importirten Arbeitskräfte verhältnissmässig tlieuer,
aber wenn erst die Küstenneger einsehen, dass ihnen aus dem Anbau
des Kakao ein grosser Vortheil erwächst, und wenn der Zwischen-
handel aufhöre» sollte, so werden sie sich dieser Thätigkeit zu-
wenden, zumal das von den thätigen Aeeraleuten gegebene Beispiel
anscheinend jetzt schon gute Früchte getragen hat. Immer aber
bleibt die Arbeiterfrage eine sehr bedenkliche; sie fallt hier, da wir
die Sklaven nicht verwenden können und wollen, mit der Frage der
allgemeinen Erziehung des Negers zur Arbeit zusammen. Was den
Anbau von Kaffee, der im Innern wild vorkommt und eine verwend-
bare Bohne liefert, anbetrifft, so liegen darüber noch keine Resultate
vor. Ausserdem wird Vanille, Indigo, Chinchona und Reis ange-
pflanzt, so dass diese Plantage eine richtige Versuchsstation zu
werden verspricht. Was den Tabakbau anbetrifft, so hatte man
zuerst wegen der Nähe der Ländereien am Secufer Bedenken, da.
wie das Beispiel Sumatras gezeigt hat, der hohe Salzgehalt in der
Luft die Erzeugung einer besonders guten Qualität Tabak beein-
trächtigen sollte. Doch die neuesten Nachrichten lassen erkennen, dass
diese Befürchtungen unbegründet waren. Der beste Tabak wird auf
der Plantage am Südende Kameruns, in Batanga. gezogen, und die
Preise, welche derselbe in Hamburg erzielte, sind derart, dass der
Jfchrbach für Deutsche Kolonialpolitik. 12
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Die deutschen Kolonien.
Anbau mit einem recht erheblichen Gewinne wird betrieben werden
können. Die erste in Hamburg angekommene Probesendung von
dort brachte 3 jfi das Pfnnd, da die Güte des seidenartigen Blattes
der vorjährigen der Bimbia- Plantage, welche vielen Beifall fand,
trotz unvollkommener Fermentirung, mangelhafter Sortirung und un-
genügender Verpackung bei weitem überlegen war.
Im Hinblick auf die guten Aussichten haben sich auch im ver-
gangenen Jahre mehrere bedeutende Bremer Tabakfirmen mit der
Hamburger Firma Jantzen & Thonnählen zu einer Kommandit-
gesellschaft unter der Firma „Tabakbaugesellschaft Kamerun, Jantzen,
Thormähleu und Dollmann“ vereinigt, um auf dem Westabhange des
Kamerungebirges Tabakpflanzungen anzulegen. Die Firma Jantzen
& Thormählen hat schon vor Jahren erhebliche Terrains, begrenzt
von der Meeresküste zwischen Ngome und Victoria und dem Rio del
Rey durch Kauf in ihren Besitz gebracht und von diesen Terrains
eine Anzahl Grundstücke in die neue Gesellschaft eingelegt.
Dem Batangaland scheint vor allem eine Zukunft hinsichtlich
der agrikultureilen Entwicklung bevorzustehen. Nach den Forschungen
des Herrn Kund steigt das Land nach innen massig an und hat
eine ziemlich gleichmässige Bewässerung des Bodens.
Diese reiche Bewässerung führt eine dichte Bewaldung des
Landes herbei. Da das Ansteigen des Bodens ein sehr allmählicher
ist, findet nur ein geringer Verlust an vermodernder vegetabilischer
Substanz durch Wegschwemmung statt. Es kann angenommen wer-
den, dass der gesammte mit Urwald bestandene Landstrich, soweit
er uns bis jetzt bekannt geworden ist, agrikultureil verwerthbar ist,
falls mit der Ausrodung des Waldes vernünftig vorgegangen wird.
Der Anblick des Küstensaumes berechtigt an sich zu den besten
Hoffnungen, denn überall, wo die Eingeborenen Pflanzungen angelegt
haben, wachsen Maniok, Bananen, Mais u. s. w. mit grosser Ueppig-
keit. In dem Aestuar des Kamerunflusses hat man wenig Hoffnung
auf Plantagenbau, da der Laterit überwiegt und der leichte Boden
durch den anhaltenden Regen leicht verschwemmt. Die Eingeborenen
bauen nur wenig; die Europäer haben mit der Zucht von Gemüsen
begonnen, aber die Arbeit ist zu mühsam, zeitraubend und kost-
spielig, um von den Faktoreien als lohnende Nebenbeschäftigung
betrieben zu werden. Bei dem überaus fruchtbaren Boden der nörd-
lichen und östlichen Zone, sowie der Sicherheit, welche die deutsche Regie-
rung dort derartigen Unternehmungen gewährt, und bei der that-
kräftigen Unterstützung, welche von Seiten aller Regierungsbeamteu
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Die deutschen Kolonien.
179
derartigen Versuchen eutgegengebracbt wird, halten wir Kamerun
für Plantagen-Unternehmungen ganz besonders geeignet und hegen
keinen Zweifel, dass energische nnd zielbewusste Unternehmungen
mit verhältnissmässig geringem Kapital guto Erfolge erzielen werden.
Leider ist das Klima *) ein recht ungesundes, am gefährlichsten
in der Nähe der Mangrovesümpfe, und wenn auch durch eine den
sanitären Vorschriften entsprechende Anlage der Häuser und durch
eine vernünftige Lebensweise Vielem vorgebeugt werden kann, so
bleiben doch noch die Schätzungen gültig, welche Dr. Büchner anf-
gestellt hat. Derselbe meinte, dass jeder gesunde, kräftige, junge
Mann, im Alter von 25 — 35 Jahren, der sich nach Kamerun begiebt,
um dort drei Jahre lang als Kaufmann in einer mittelmässig gut
ausgestatteten Faktorei zu dienen, für diese Zeit unter normalen
Verhältnissen folgende Wahrscheinlichkeit eingeht 2 ): „Zu sterben,
5 Prozent; — vor Ablauf der drei Jahre wegen fortgesetzter Fieber
und wegen Blutarmuth nach Hause zurückkehren zu müssen, 10 Pro-
zent: — eine merkliche Schädigung seiner Gesundheit für das ganze
Leben davon zu tragen, 20 Prozent; — ohne besondere Schädigung
beimzukehren, 65 Prozent. — Für Ackerbauer mit sehr geringem
Komfort und mit der Nothwendigkeit, das tägliche Brot im Schweisse
des Angesichtes zu verdienen, würden dieselben Zahlen in umge-
kehrter Reihenfolge zu ordnen sein.“ Die Widerstandsfähigkeit gegen
die Einflüsse des Tropenklimas hängt aber auch sehr viel mit dem
Charakter und der Bildung der Weissen zusammen.
Ein sehr ungünstiges Bild der Gesundheitsverhältnisse geben
die Berichte der Marine. Danach hatten in 1885 die zeit-
weise im Kamerunflusse liegenden Schiffe Olga und Möwe 616,5
pro Mille bezw. 408,0 pro Mille Erkrankungen, während Bismarck
auf der Kamerun Rhede nur 184,3 pro Mille aufwies; letzteres ist
allerdings noch immer eine recht hohe Ziffer, wenn man in Betracht
zieht, dass dieses Schiff mehr als eine Seemeile vom Lande entfernt
') Regelrechte meteorologische Beobachtungen, wie sie in solcher Vollständig-
keit bisher fehlten, sind in den Jahren 1885 und 1886 an Bord des Kanonenbootes
„ Habicht “ angestellt worden. Danach stellte sich im Hafen von Kamerun die
höchste beobachtete Temperatur auf 31,1° C., die niedrigste auf 21,8° und auf der
Rhede von Kamerun die höchste auf bloss 29,3°, die niedrigste auf 23°. Ivs reg-
nete in einem Jahre an 156 Tagen, wozu aber bemerkt werden muss, dass Regen-
güsse ebenso häufig wie andauernde Landregen seifen sind. Im Gebirge, wo ähn-
liche Beobachtungen bisher nicht angestellt wurden, sind die Regengüsse noch viel
häufiger.
*) Deutsche Kolonialzeitung 1887, Heft 19.
12 *
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180
Die deutschen Kolonien.
lag. Indessen darf die Khede von Kamerun als verhältnissmässig
gesund betrachtet werden; denn von solchen Leuten, welche an Bord
des Bismarck geblieben, bezw. nur zn Vermessungsarbeiten auf
der Rhede verwandt worden waren — fast die Hälfte der Mann-
schaft — erkrankten nur zwei Mann an leichter Intermittens ; alle
übrigen Erkrankungen dieses Schiffes (56) betrafen Leute, welche in
Booten Expeditionen den Fluss hinauf gemacht und sich längere oder
kürzere Zeit an seinen Ufern bezw. in den Booten am Flusse anf-
gehalten haben.
Die Hoffnung bleibt jedenfalls bestehen, dass mit zunehmender
Knltnr selbst im äquatorialen Afrika die Gesundheitsverhältnisse
sich heben werden. Das grösste Hinderniss für die Ausbeutung der
Tropenkolonien bietet das Vorhandensein von Fiebern nicht.
Das Togogebiet.
Als im Jahre 1884 am 4. Juli Dr. Nachtigal einen Protektorats-
vertrag mit Mlapa, dem König von Togo, in Bagida abschloss, war
zn dieser Zeit dieser westafrikanische Küstenstrich noch wenig bekannt.
Es waren zwar schon früher Streitigkeiten zwischen den einzelnen
Häuptlingen vorgekommen, welche infolge ihres Einflusses anf die
Handelsbeziehungen der Deutschen die Aufmerksamkeit erregt hatten,
aber man kann wohl sagen, dass nur die kleinen interessirten Kreise
davon Notiz genommen hatten. In Folge des Einschreitens der
„Sophie“ suchten schon am 5. März 1884 die Häuptlinge für sich
und ihr Land den Schutz des Reiches nach, doch musste dieses Ge-
such wegen der französischen Ansprüche zunächst unberücksichtigt
bleiben. Die Engländer intrignirten auch hier, wie überall, gegen
die Deutschen, aber ohne Erfolg. Am 15. Juli 1884 schloss dann
Dr. Nachtigal mit den Häuptlingen in Bagida einen Vertrag ab und
hisste die deutsche Flagge, bald geschah dasselbe in Lome. Der
Vertrag selbst lautet:
Bagida, den 15. Juli 1884.
Der Generalkonsul des Deutschen Reichs, Dr. Gustav Nachtigal, im Namen
Seiner Majestät des Kaisers von Deutschland, und Mlapa, König von Togo, vertreten
für sich, seine Erben und seine Häuptlinge durch Plakkov, Träger des Stockes des
Königs Mlapa, haben folgendes Uebereinkommen getroffen:
§ 1. König Mlapa von Togo, geleitet von dein Wunsche, den legitimen Han-
del, «reicher sich hauptsächlich in den Händen deutscher Kaufleute befindet, zu
beschützen und den deutschen Kaufleuten volle Sicherheit des Lebens und Eigen-
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Die deutschen Kolonien.
181
thums zu gewähren, bittet um den Schutz Seiner Majestät des Deutschen Kaisers,
damit er in den Stand gesetzt werde, die Unabhängigkeit seines an der Westküste
von Afrika, von der Ostgrenze von Porto Seguro bis zur Westgrenze von Lome
oder Bey-Bcacb, sich erstreckenden Gebietes zu bewahren. Seine Majestät der
Kaiser gewährt seinen Schutz unter dem Vorbehalt aller gesetzmässigen Rechte
Dritter.
§ 2. König Mlapa wird keinen Tbeil seines Landes mit Souveränitätsrechten
an irgend eine fremde Macht oder Person abtreten, noch wird er Verträge mit
fremden Mächten ohne vorherige Einwilligung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers
eingeben.
§ 3. König Mlapa gewährt allen deutschen Unterthanen und Schutzgenossen,
welche in seinem Lande wohnen, Schutz und freien Handel, und will anderen
Xatiouen niemals mehr Erleichterungen, Begünstigungen oder Schutz gewähren, als
den deutschen Unterthanen eingeräumt werden. König Mlapa wird ohne vorherige
Zustimmung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers keine anderen Zölle oder Ab-
gaben als die bis jetzt üblichen erheben, nämlich
1 Schilling für jede Tonne Palmkerne,
1 Schilling für jedes Fass Palmöl,
welche an die Häuptlinge des betreffenden Ortes zu zahlen sind.
§ 4. Seine Majestät der Deutsche Kaiser wird alle früheren Handelsverträge
zwischen König Mlapa und Anderen respektiren, und wird in keiner Weise den in
König MIapa’s Land bestehenden freien Handel belasten.
§ 5. Seine Majestät der Deutsche Kaiser wird in der Art und Weise der
Zollerhebung, welche bis jetzt von König Mlapa und seinen Häuptlingen befolgt
ist, nicht eingreifen.
§ 6. Die vettragscbliessenden Parteien behalten sich künftige Vereinbarungen
über die Gegenstände und Fragen von gegenseitigem Interesse, welche nicht in
diesem Vertrage eingeschlossen sind, vor.
§ 7. Dieser Vertrag wird vorbehaltlich der Ratifikation durch die deutsche
Regierung sogleich in Kraft treten.
Die Unruhen aber, welche hier bald ausbrachen und mehr-
mals ein Einschreiten der Marine nothwendig machten, Hessen es
doppelt erwünscht erscheinen, die Grenzen sowohl des englischen
als französischen Einflusses zu reguliren. Diese Regulirungen fanden
im Jahre 1885 statt und führten zu einem für Deutschland günstigen
Resultate.
Das Gebiet als politischer Begriff umfasst danach einen Flächenraum
von etwa 20 000 qkm uud reicht im Norden bis über deu 8° 2' n.
Br. hinaus, im Süden bis 6° 6' hinunter; der englische Grenzpunkt,
nach der englischen Goldküste zu, liegt unter 1“ 13' östl. L., 6° 6'
u. Br., die Ostgrenze wird gebildet durch die französische Demar-
kationslinie 1“ 41' östl. L., 60 13' n. Br. (von Filakonji bis 9° u.
Br.). Die Küste hat eine Länge von 52 km.
Als die Deutschen das Land in Besitz nahmen , war nicht
unr das Innere, sondern auch die Küste so gut wie unbekannt, da
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Die deutschen Kolonien.
nur gelegentlich Missionare der norddeutschen Mission vom Westen
in dasselbe eingedrungen waren. An der öden sandigen Küste hatten
sich einige Hamburger und Bremer Häuser (besonders Woelber &
Brohm, Vietor Söhne, und Goedelt) seit dem Jahre 1880 nieder-
gelassen, welche ein blühendes Geschäft trieben, obwohl sie wegen
der schwierigen Landungsverhältnisse auch mancherlei Verluste anf-
zuweisen hatten. Der Export besteht vornehmlich aus Palmöl,
welches aus dem Innern gebracht wird, in das sich, obwohl es von
den verhältnissmässig friedlichen Ewe bewohnt war, doch noch Nie-
mand gewagt hatte. Die nächste Umgebung der Küste ist auch
wenig einladend. Die Faktoreien der Deutschen liegen auf einer
sandigen Nahrung, von der Küste durch eine flache öde Lagune ge-
trennt. Jenseits der Lagune begann die tropische Savanne, selten
vom Urwald unterbrochen, mit dem parkähnlichen Buschwalde be-
standen, welcher charakteristisch für das zentrale Afrika ist. Ueber-
dies war das Klima an der ganzen Küste ein sehr verrufenes und
sicher in den benachbarten Gebieten, wie Lagos, wo die Engländer jetzt
durch Drainirnngen und andere sanitäre Einrichtungen die Ursachen
des Fiebers zu bekämpfen suchen, so gefährlich, dass dem grimmigen
Witz, England habe beständig zwei Gouverneure dafür, einen Le-
benden auf der Reise dahin und einen Todten auf der Rückreise,
ein tieferer Sinn zuerkaunt wurde. Daher war die ganze Guiuea-
Küste bislang wenig begehrt und wechselte mehrfach ihren Besitzer,
bis Anfang der achtziger Jahre mit dem steigenden Interesse aller
Nationen an kolonialen Erwerbungen eine genauere Begrenzung der
Verhältnisse sich als nothwendig herausstellte, welche uns dann
schliesslich anch zu Gute kam.
Im Mai 1885 wurde für das Togogebiet der Assessor E. Falken-
thal als Regierungskommissar ernannt, der am 26. Juni mit seinem
Stabe au dem ihm angewiesenen Wohnsitze Bagida anlangte.
Der Forschung bot sich hier ein weites Gebiet, aber es dauerte
einige Jahre, bis ein ernsthafter Versuch gemacht wurde, in das Innere
zu dringen. Es war vor allem nothwendig, das Hinterland in deut-
schen Besitz zu bringen, und deshalb unternahm der Regierungs-
kommissar Assessor Falkenthal im Jahre 1886 mit dem Konsul
Randad eine Reise von Lome bis Agotime Petu, wodurch die Land-
schaft Töwe, Kewe und Agotime deutsch wurden. Im Sommer 1887
unternahm Herr Dr. Henrici mit dem Reichskommissar Herrn Grade
ebenfalls eine Reise in das Innere, welche über das Agome-
Gebirge hinausführte und, obwohl sie nur kurz war, doch werthvolle
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Die deutschen Kolonien.
183
Aufschlüsse über das Land gab, die Dr. Henrici in einem Buche
niederlegte. ') Zugleich bereiste auch Herr Lieutenant a. D. Strensch
den Siofluss, um das Land in Bezug auf seine Ertragsfähigkeit zu
untersuchen. Doch die eigentliche wissenschaftliche Forschung setzte
erst ein, als die Regierung sich entschloss, gerade wie in Kamerun
vorzugehen und die Herren Lieutenant v. Francois und Stabsarzt
Wolf, welche schon bedeutende afrikanische Erfahrungen am Kongo
gesammelt hatten, nach dem Hinterland zu entsenden. Die Ergeb-
nisse ihrer Forschung finden sich zerstreut in den ,. Mittheilungen
von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutz-
gebieten“, auf welche wir hier allein angewiesen sind, da die Aus-
sagen der Missionäre kaum in Betracht kommen.
Hauptmann von Francois brach im Januar 1888 von Bagida
auf, erreichte am 4. März Salaga, reiste von dort nacli Waga Duga
(dem Waghodogho der Habcnicht’schen Karte) und erreichte nach
Ueberschreitung des Wolta bei Bupere am 19. April das Land der
Mosi bei Surma unter ca. 11° 28' n. Br. jenseits der Wasserscheide
des Wolta und Niger. Er kehrte über Salaga, Adeli nach Kl. Popo
zurück, besuchte dann Deutschland, um im Herbste wieder nach dem
Togogebiet herauszugehen.
Kurz nach Beginn seiner Reise landete in Kl. Popo am
28. Februar die andere von Herrn Stabsarzt Dr. Wolf geführte Ex-
pedition, welche am 29. März mit 36 Wei-, 20 Lagos- und 42 Popo-
Leuten nach dem Innern aufbrach und Mitte Mai in der Landschaft
Adeli eintraf, wo eine Station, Bismarkburg genannt, auf einem do-
minirenden Hügel angelegt wurde. Dr. Wolf berichtet darüber fol-
gendermaassen : 2 )
„Der Stationsbau ist auf einer Stelle in Angriff genommen, die 25 km in
nordöstlicher Richtung von dem unter ca. 8° 10' n. Br. befindlichen Ort Jege,
Residenz des Oberhäuptlings Kontu, gelegen ist. Als Platz ist der dominirende
Hügel Adado gewählt und scheint derselbe allen Anforderungen zu entsprechen.
Das Land Adeli soll bis jetzt den Fremden mehr oder weniger verschlossen ge
wesen sein. Händler wagten sich aus Furcht vor dem hiesigen Fetischkultus nur
selten hierher. Durch mein Zusammentreffen mit dem Oberbäuptling Kontu und
seinem Priester in Aposso ist nun ein glücklicher Umschlag eingetreten. Es ge-
lang mir, bei dem genannten Oberbäuptling, der ein geistig hochstehender Neger
ist und in früheren Jahren Reisen nach Salaga, Jendi und Sansanne Uangho
gemacht batte, Einfluss zu erhalten und sein Anfangs bestehendes Misstrauen zu
beseitigen. Er unterliess dann nicht, die übrigen Häuptlinge und die Bevölkerung
') Das deutsche Togogebiet und meine Afrikareise. 1887. Leipzig. Verlag
von Carl Reissner. 1888.
J ) Mittbeilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten. Heft 111.
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Die deutschen Kolonien.
zu beruhigen und ebenfalls für die Expedition günstig zu stimmen. Am 20. Mai
wurde auf einer grossen Versammlung in dem Ketischorte Pereu die Anlage der
Station von deu Häuptlingen und der Priesterschaft gebilligt. Es begann dann
sofort der Bau der provisorischen Häuser und die Anlage von Feldern, so das«
am 2. Juni die Expedition bereits ihr Lager von Jege nach dem Adado verlegen
konnte. Am selben Tage Mittags wurde auf demselben die Flagge gehisst. Die
Expedition ist einstweilen am nördlichen Hange in Grashütten untergebracht.
Das Planiren der steinigen Kuppe ist nahezu beendet und wird dann sofort mit
dem Bau der bleibenden Häuser begonnen, wozu das Material beschafft ist. Die
nahen Gallariewälder liefern vorzügliche Bauhölzer in reichlicher Menge. Gutes,
kühles Trinkwasser giebt der 1 — 2 m breite Adadiä, welcher in einem steinigen
Bett am Fusse des Adadü von Osten nach Süden in den Jege fliesst.
Mit der Anlage von Pflanzungen ist ebenfalls bereils begonnen. Ausser ver-
schiedenen europäischen Gemüsen, Bohnen, Erbsen, Spinat, Kartoffeln, Gurken,
Radieschen, Salat etc., die auffallend schnell aus dem Boden emporwuchsen und
zur Zeit sehr gut stehen, sind Anpflanzungen von einheimischen Bodenerzeugnissen,
Bohnen, Mais, Reis, Maniok gemacht. Die Fläche der jetzt bebauten Felder be-
trägt 8623 qm. Baumwolle und liberianischer Kaffee sollen in diesen Tagen an-
gepflauzt werden. Das Reisfeld umfasst 3652 qm. Auch ist bereits eiue Pflanzung
von 500 Bananen angelegt, welche noch vergrüssert werden soll. Der einheimischen
Bevölkerung ist die Verwertbung der Bananen zu Hanf nicht bekannt, ebensowenig
kennt sie den Werth der Kautschukliaoe LaruJolphia, welche hier sehr häufig ist
und für den Handel von Bedeutung zu werden verspricht.
Ich glaube schon jetzt darauf aufmerksam machen zu müssen, dass nach
meiner Ansicht eine Station hierorts einen bleibenden Werth für die Zukunft und
Fortentwickelung der vielversprechenden Togokolonie haben wird. Durch dieselbe
kann ein Verkehr zwischen der Küste und dem Innern, den numerisch schwache,
räuberische Stämme bis jetzt zu verhindern suchten, mit verhältnissmässig geriugeu
Mitteln geschaffen und gesichert werden. In Aposso batte man einen meiner
Träger, einen Wei-Jnugen, welcher mit seiner Lost entfliehen wollte, aufgegriffen,
beraubt und sofort als Sklaven verkauft. Als ich unter Androhen kriegerischer
Maassregeln die Auslieferung verlangte, erfolgte dieselbe ohne Weiteres. Zugleich
bemühte man sich, die friedfertigsten Versprechungen für die Zukunft zu gehen,
die jedoch kaum länger gehalten werden , als die Station sich hier befinden wird.
Seitdem die Expedition sich hier festgesetzt hat, sind die Sicherheitsverhältnisse
bereits wesentlich bessere geworden. Ohne den beschwerlichen Marsch über das
Apossogebirge ist cs möglich, einen kürzeren bequemeren Weg nach Klein-Popo zu
nehmen. Der Boden scheint fruchtbar zu sein, für Viehzucht ist er geeignet. Die
handelspolitische Bedeutung der Station muss darin liegen, dass sie es sich zur
Aufgabe macht, vornehmlich den Verkehr aus den nördlich und nordöstlich ge-
legenen Gebieten nach unseren Küstenplätzen zu vermitteln. Die Möglichkeit hierfür
ist, wie cs scheint, gegeben. Es soll, ohne Salaga zu berühren, ein direkter Weg
nach Jcndi und, ohne dieses zu besuchen, ein solcher nach Sansanne Mangho zu
finden sein. Die aus Nordosten kommenden Haussakarawanen sollen zum Theil
drei Tagereisen nordöstlich von hier über Faso nach Salaga gehen. Die Entfernung
von hier nach Salaga soll S — 10, und nach dem östlich gelegenen Markte Pessi,
von wo der Hauptverkehr nach der französischen Kolonie Gross-Popo geht, vier
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Die deutschen Kolonien.
185
Tagereisen sein. Wie weit diese Erkundigungen der Wirklichkeit entsprechen und
sich verwerthen lassen, werde ich festzustellen suchen.“
Wenn es möglich sein wird, einen neuen Weg durch Aposso
festzulegen und damit den Verkehr aus dem Innern direkt nach
unserer Küste zu leiten, welcher jetzt grösstentheils über Salaga
nach dem englischen Gebiet geht, wird diese Station von nicht zu
unterschätzender handelspolitischer Bedeutung sein.
Was die Bodenbeschaffeuheit des Landes anbetrifft, so steigt es
von dem sandigen Strande nach dem Innern zu, welches sich fächer-
förmig erweitert, sanft au. Es erhebt sich allmählich zu einer Meeres-
höhe von 200—400 m und im Innern zu Gebirgen, welche bis 7000'
ansteigen. Das Agomegebirgo, das sich als einen Theil des grossen
Gebirgszuges darstellt, der vom unteren Wolta in weiten Bogen sich
zur Xigerecke nach Sokoto zieht, trennt das Land in zwei Theile ab.
Als einzelne Gebirge liegen im deutschen Gebiete das schon
früher bekannte Agugebirge, mit einer Kuppel über 5000 Fuss hoch,
und das Diklögebirge, eine Kette von ungefähr derselben höchsten
Erhebung.
Die Flüsse im Schutzgebiet Sio-, Haho und Mono sind seicht
und führen in der Trockenheit kein Wasser. Weiter nach dem /
Innern sind aber die hydrographischen Verhältnisse günstiger, die
gebirgige Gegend ist von zahllosen Bächen und Flüsschen durch-
schnitten, die nie austrocknen und ein erfrischendes kühles Trink-
wasser liefern.
Das Gelände südlich desselben ist nach Francois einschliesslich
der Gebirgslandschaft vegetationsreicher als die Gegend nördlich des
Gebirges. Wald herrscht vor und geht nach der Küste zu dichter
Busch-Savanne über. Palmen bilden in diesem Theile vollkommene
Dickichte und auch Bananen sind reichlich vertreten. In dem nörd-
lichen Theile kommen genannte Pflanzen nur noch vereinzelt bis
Kpandu vor und machen von hier ab Butterbäumen, Tamarinden
und Dorngewächsen Platz. Vorherrschend in diesem Abschnitt ist
Grasland mit meist niedrigem Grase und zerstreut stehenden Bäumen,
welches nördlich Salaga zu dichter Baum-Savanne übergeht. Der
Affenbrodbaum setzt nur in den höher gelegenen Theilen des Agoine-
Gebirges aus.
Was nun die Fruchtbarkeit des Bodens und seine Verwendbar-
barkeit für Plantagenbau anbetrifft, so lauten die Urtheile darüber
nicht sehr verschieden. Der Assessor Falkenthal schildert das Land
jenseits der Lagune als fruchtbaren Diluvialboden, vielfach mit Lehm
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Dio deutschen Kolonien.
durchsetzt uud von ausgedehnten Humusschichten bedeckt. „Hier
zeigt sich ausserordentlich üppiger Pflanzenwuchs, und die Frucht-
barkeit des Bodens beweist wohl am besten die Thatsache, dass die
Neger zweimal im Jahre reiche Ernten erzielen, indem sie die Mais-
körner einfach hinwerfen; und dabei wachsen die Pflanzen bis zu
einer erstaunlichen Höhe hinan. Eine gleiche Ueppigkeit zeigen die
Laubbäume, welche geradezu fabelhafte Dimensionen erreichen. Hier
wächst Ebenholz wild, die werthvolle Gummiliane durchzieht den
Wald, und eine Menge von Kulturpflanzen, wie Baumwolle, Tabak,
Kaffee, Zuckerrohr, Ricinus u. a. linden sich im Togogebiet wild
wachsend. Dazu kommen die so wichtigen Palmensorten, von denen
besonders die Oelpalme der segenbringende Baum Westafrikas ge-
worden ist, denn ohne sie würde nach der Aufhebung der Sklaverei
kaum ein Schiff dorthin gekommen sein, während jetzt alljährlich
Hunderte von Dampf- und Segelschiffen nach der Westküste fahren,
hauptsächlich um sich mit den Erzeugnissen dieses Baumes zu be-
laden.“ 1 )
Auch der Kaiserliche Kommissar Herr von Puttkamer, welcher im
März 1888 eine Reise nach dem im französischen Gebiet am Agome-
lluss liegenden Awewö machte, fand in dieser Gegend das Land
sorgfältig angebaut, von zahlreichen vorzüglichen Wegen durch-
schnitten. Links und rechts des Weges dehnten sich grosse Felder
aus mit Kassada, Mais, Yams, Erdnüssen, Bataten, Pfeffer, Okra n.
dergl. bestanden. Andere Beobachter stimmen mit geringen Ausnahmen
darin überein, dass das Land sich zum Plantagenbau im Grossen gut
eigne, doch ist bis jetzt noch nichts erwiesen und auch noch kein
ernsthafter Anfang gemacht. Es würde sich sicher empfehlen, auch
in dem Togogebiet mit rationellem Plantagenbau vorzugehen und
sich durch die trüben Erfahrungen der Basler Mission an der be-
nachbarten Goldküste, was ihre durch lange Jahre fortgesetzten
Kulturversuche betrifft, nicht abscbrecken zu lassen. Doch darf ein
solches Unternehmen nicht mit geriugen Mitteln angefangen wer-
den, da bei der Schwierigkeit der Arbeiterfrage, welche für Togo,
wenn auch in geringerem Maasse als in Kamerun, besteht, und der
Transportverhältnisse, viel Geld aufgewendet werden muss, um auf
dem Weltmärkte konkurrenzfähig zu werden.
Was die Bevölkerung anbetrifft, so ist das Ewegebiet, westlich
bis an resp. in die Nähe des Wolta. östlich bis zum Opara reichend,
ein, wenn auch aus politisch sehr verschiedenartigen Theilen be-
') Deutsche Kolonialzeitung. No. 12. 1S88.
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Die deutschen Kolonien.
187
stehendes, doch einheitliches Ganze. Auf der einen Seite umfasst
es das despotische Reich Dahome, welches noch jüngst unter Portu-
gals Schutzherrschaft stand, auf der andern eine grosse Anzahl un-
abhängiger Stämme, deren mehrere nun unter deutschem Schutze
stehen, wie andere unter englischem und französischem. Bei allen
aber herrscht, mit geringen dialektischen Verschiedenheiten, dieselbe
Sprache. Die Bevölkerung ist eine verhältnissmfissig dichte, besonders
in dem Küstengebiet und dem des oberen Wolta. Sie gehört von
der Küste bis zum Prapransifluss zum Ewe- (Krepe-), von hier bis
Akrosso zum Guanstamme, an welchen sich der Kratschi-, Banjaue-
und Dagombastamm anschliessen. Nur die letzten beiden Stämme
haben einen Sultan als Oberhaupt. Bis auf den Dagombastamm ist
die Bevölkerung eine friedliebende, gutmüthige. Von Salaga an
nördlich überwiegen die Muhamedaner, welche in dem Gebiete un-
leugbar Fortschritte machen. Die Eweer sind Fetischanbeter. 1 )
Obwohl sie wie alle Neger so wenig wie möglich arbeiten, so
sind sie doch um vieles fleissiger und industriöser als z. B. die
Kamerun-Stämme. Wo die Dichtigkeit der Bevölkerung gering ist,
wie auf der vorhin erwähnten, von Herrn v. Puttkamer durchreisten
Strecke im westlichen Thoile, sind sie sicher gute Ackerbauer ge-
worden. Die Sorgfalt, mit welcher sie ihre Felder aulegen und be-
arbeiten, nennt dieser Beobachter erstaunlich, Samen und Pflanzen
werden ordentlich in Reihen gesetzt, die emporkommenden Pflanzen
mehrere Male gehäufelt, ja sogar das üppig wuchernde Unkraut aus-
gejätet. Man findet in manchen Gegenden angebaute Oelpalmen-
Wftlder, deren Boden sauber gehalten wird wie in einem Garten.
Die Eingeborenen treiben in gründlicher Weise einen ganz rationellen
Ackerbau, d. h. sie wechseln nicht nur zwischen Knollen- und Kör-
nerfrucht ab, sondern sie lassen auch ein Stück Land, welches einige
Jahre hindurch getragen, 2 — 3 Jahre brach liegen. Die Vorliebe des
Eweers für den Ackerbau ist eine ausgesprochene, und es ist des-
halb ausserordentlich schwer, Land zu kaufen. In den meisten Orten
ist die Veräusserung von Grund und Boden bei Todesstrafe verbo-
ten. 2 ) Die Gehöfte der Eingeborenen, aus Lehm und Stroh gebaut
*) Muhamedauischc Missionen sind aber auch schon in der ganzen Küsten-
ebene an verschiedenen Orten thätig, was für die Zukunft nicht unbedenklich ist.
*) Dm über diese Schwierigkeiten wegzukominen, empfiehlt es sich, das Land
zu pachten. Denn die Pacht kann nie von den Schwarzen, wohl aber jederzeit
vom Europäer gekündigt werden, und ist, wie auch in Liberia, so cinzurichten,
dass nach einigen Jahren nur noch eine bestimmte kleine Last, eine Art jährlichen
Oeschenkes, darauf liegt.
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Die deutschen Kolonien.
und sehr reinlich gehalten, sind von angepflanzten Kokospalmen und
Bananen umgeben. Auf einem freien Platze vor dem Hause des
Aeltesten steht, wie bei uns die Dorf linde so dort ein riesiger,
schattenspendender Affenbrodbaum. In der Nähe befindet sich der
Brunnen.
Die Temperaturverhältnisse kennzeichnen die Küstenebene als
eine feuchtheisse Gegend, v. Francois fand als heisseste Temperatur im
Februar in Lome 37° C., als niedrigste im Juli und August 20° C.,
während Dr. Heurici als Maximum in der Trockenzeit 43, 5 ° 0. no-
tirte. Die Küstenebene steht ganz unter dem Einfluss des Land-
und Seewindes. Mit Tagesanbruch erhebt sich die Brise aus Süd-
west, wird stärker gegen Mittag und schläft gegen Abend ein, um
für die Nacht, der Windstille und schwachen Strömungen vom Binnen-
lande her Platz zu machen, lu den Monaten April bis Mitte August
und Faule September bis November weht die Seeluft stärker, bringt
grössere Feuchtigkeitsmengen und bedingt dadurch die Regenzeiten.
Zeitweise, besonders aber im Dezember und Januar, weht vom Lande
her der llarmatan, welcher die Temperatur um 4°- 6° erhöht, die
Luft trocken macht und feinen, röthlichen Staub mit sich führt.
Das Klima an der Küste ist, nach Dr. Henrici durchaus ungesund
und die Europäer leiden dort sehr unter dem Fieber, in beschränkterem
Maasse auch die Eingeborenen. Dagegen schreibt von Francois, dass
das Klima au der Togoküste gesunder ist als an jeder anderen Stelle
des Guineabusens infolge der frischen Seebrise, des Fehlens von
Mangrovedickichten und des guten Aubaus des Hinterlandes. Am
besten spreche für die Zuträglichkeit des Klimas das gesunde Aus-
sehen der fünfundzwanzig au der Küste befindlichen Europäer. Im
Gebirgslande und auf dem Theil der Hochebene des West-Sudan,
welcher in das Gebiet hineinragt, ist das Klima jedenfalls am ge-
sundesten.
Der Handel im Togogebiet hat eine Zukunft, da das Land ziem-
lich dicht bevölkert ist und noch manche Produkte, wie Kautschuk
und Indigo, welch letzteres hier wild wächst, in grossen Mengen
gewonnen werden können. Die Kautschukliane ist in dem Gebirge
sehr verbreitet, doch ist, wie schon früher bemerkt, ihre Verwerthung
den Eingeborenen dort noch unbekannt, welche immer noch ein ein-
seitiges Wirtschaftssystem für den Export, nämlich die Gewinnung
des Palmöls betreiben. Die an der Küste gangbarsten Tausch-
artikel sind: Taschentücher und Kattune, rothgeblümte Muster und
sogenannte Fancy Points, Blättertabak in Bündeln (heads), billige
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Die deutschen Kolonien.
189
Löffel und Messer, gewöhnliche Perlen, sogenannte Popo Beads, Glas-
korallen und echte Korallen, Feuersteine für Steinschlossgewehre,
Decken, billige Filzhüte, sogenannte „Triumphhüte“, und Hemden,
weiss oder gestreift, beliebt als Geschenke für Häuptlinge; Par-
füme, wie Lawendcl, und weiter: Rothgam in Päckchen, Blaugam,
dicker Messingdraht, (brass rods), rothe Fez, Spiegel (Soldatenspiegel),
Sammt, Nähnadeln, Schilling, türkisch rother Kattun, weisse Banm-
wollenzeuge (Grey baff und Grey superior). Langschiiftige Stein-
schlossgewehre, sogenannte Daneguns, und rothangestrichene mit
grosser Mündung, sogenannte Buccaneer für Elephantenjagd, sowie
Pulver sind sehr geeignet zum Ankauf von Pferden und Rindvieh,
ferner Seide in Stücken oder Tüchern , roth oder rothgeblümt.
Taschentücher und die eingeführten Kattune sind überall sehr beliebt
als Tauschartikel. An der Küste sind kleine Silbermünzen, bis jetzt
noch englische 3 und 6 Pence höchst erwünscht und vortheilhaft zu
verwerthen. Eisenwaaren wie kleine und grosse Messer (sogenannte
butcher knives), Haumesser und Hacken, Taschenmesser haben als
Exportartikel nach hier eine Zukuuft.
Die aus den Einfuhrzöllen (seit 1. August 1887) sich ergeben-
den Einnahmen, 80 000 Mark im Etat für 1889/90, genügen, um die
Kosten der Verwaltung zu decken. Die Kolonie steht unter Ver-
waltung des Reiches; Regiernngskomraissar war im letzten Jahre
v. Puttkamer, der auch zugleich Konsul für die unter fremder Hoheit
stehenden Gebiete an der Gold- und Silberküste war. Ausserdem
befindet sich dort ein Sekretär, Polizeimeister, Regierungsarzt u. a.
Beamte, ln Deutschland hat sich am 8. Mai 1888 eine deutsche
Togogesellschaft als eine offene Handelsgesellschaft konstituirt, nach-
dem Dr. Ilenriei Land am Siolluss erworben hatte. Die erste Station
der Gesellschaft ist in Gape, einige Tagereisen von der Küste.
Deutsch-Ostafrika.
Die Entstehungsgeschichte unseres grossen ostafrikanischen
Schutzgebietes ist schon früher auf Seite 122 bei Erwähnung der
Bildung der Gesellschaft für deutsche Kolonisation flüchtig gestreift
worden. Diese Gesellschaft hatte erklärt, sie wolle in entschlossener
und durchgreifender Weise die Ausführung von sorgfältig erwogenen
Kolonisationsprojekten selbst in die Hand nehmen und somit er-
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Die deutschen Kolonien.
gänzend den Bestrebungen von Vereinigungen ähnlicher Tendenzen
zur Seite treten, hatte in Ausführung dieser Absicht ein kleines
Betriebskapital gesammelt und mit dem Wahlspruch „weise und
besonnen“ ein Projekt, die Landschaft Usagara zu erwerben, deren
Reichthum von Reisenden vielfach gerühmt wurde, angenommen. Die
Instruktion der Mitglieder der ersten Expedition lautete dahin,
dass die Herren Dr. C. Peters, Dr. jnr. Jühlke, J. Graf Pfeil beauf-
tragt. seien, an der Ostküste Afrikas, in erster Reihe in Usagara,
eine Landerwerbung behufs Anlegung einer deutschen Ackerbau- und
Handelskolonie zu vollziehen. Das zu erwerbende Gebiet sollte
politisch die Möglichkeit deutscher Oberhoheit bieten, wirtschaftlich
für deutsche Ansiedelung behufs Ackerbau geeignet sein. Die Leitung
der Expedition war dem Herrn Dr. C. Peters zugewiesen; derselbe
hatte über die zu unternehmenden Schritte zu entscheiden und das Ver-
fügungsrecht über die mitzunehmenden Gelder. An seine Stelle
sollte im Behinderungsfalle Herr Dr. Jühlke treten, an Stelle
dessen Graf Pfeil. Es war zugleich bei der Entsendung die feste
Erwartung ausgesprochen worden, dass die Herren keinesfalls, ohne
den Ankauf von geeignetem Land irgendwo vollzogen zu haben,
nach Deutschland zurückehren würden, welche auch nicht zu Schanden
geworden ist.
Der kühne Versuch glückte; am 4. November 1884 kam die Expe-
dition in Sansibar an und setzte bald nach dem Festlande über; unter
mancherlei Schwierigkeiten, welche sich besonders darauf zurück-
führen lassen, dass die Expedition wegen der durchaus nothwendigen
Eile, da schon die Belgier ihr Augenmerk auf das Land gerichtet
hatten, die Ausrüstung nur mangelhaft hatte hersteilen können,
wurden eine Anzahl Verträge mit den von Sansibar unabhängigen
Häuptlingen der Landschaften Useguha, Usagara, Nguru, Ukami
abgeschlossen. Als Dr. Peters im Februar 1885 wieder in Deutsch-
land eintraf, konnte er befriedigt auf das Werk zurückblicken, denn
wenn auch die öffentliche Meinung über die Tragweite der Erwer-
bungen, besonders was den privatrechtlichen Besitz des Landes be-
traf, auseinanderging, so war jedenfalls der Versuch geglückt, an
der Ostküste Afrikas auf ein zukunftsreiches Gebiet die Hand zu
legen und Hoheitsrechte zu erwerben. 1 ) Die Verträge wurden der
Reichsregierung zur Prüfung überwiesen und bald durch folgenden
') Wer sich näher über die Geschichte der ostafrikanischen Erwerbung in-
fortniren will, findet das Material gut zusammengestellt in „Deutsch-Ostafrika“.
Von J. Wagner. Zweite Auflage- Berlin. Mitscher & Hösteil. 1888.
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Die deutschen Kolonien.
191
Kaiserlichen Schutzbrief, den ersten, den die deutsche Geschichte
aufzu weisen hat, anerkannt:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von
Preussen, thun kund und fügen hiermit zu wissen:
Nachdem die derzeitigen Vorsitzenden der „Gesellschaft für
deutsche Kolonisation“ Dr. Carl Peters und Unser Kammerherr,
Felix, Graf Behr-Bandelin, Unseren Schutz für die Gebietserwer-
bungen der Gesellschaft in Ostafrika, westlich von dem Reiche
des Sultans von Sansibar, ausserhalb der Oberhoheit anderer Mächte,
nachgesucht und Uns die von besagtem Dr. Carl Peters zunächst
mit den Herrschern von Usagara, Nguru, Useguha und ükami im
November und Dezember v. J. abgeschlossenen Verträge, durch
welche ihm diese Gebiete für die Deutsche Kolonisationsgesellschaft
mit den Rechten der Landeshoheit abgetreten worden sind, mit dem
Ansuchen vorgelegt haben, diese Gebiete unter Unsere Oberhoheit
zu stellen, so bestätigen Wir hiermit, dass Wir diese Oberhoheit
angenommen und die betreffenden Gebiete, vorbehaltlich Unserer
Entschliessungeu auf Grund weiterer Uns nachzuweisender vertrags-
raässiger Erwerbungen der Gesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolger
in jener Gegend, unter Unseren Kaiserlichen Schutz gestellt haben.
Wir verleihen der besagten Gesellschaft unter der Bedingung, dass
sie eine deutsche Gesellschaft bleibt, und dass die Mitglieder des
Direktoriums oder die sonst mit der Leitung betrauten Personen
Angehörige des deutschen Reiches sind, sowie den Rechtsnach-
folgern dieser Gesellschaft unter der gleichen Voraussetzung, die
Befugniss zur Ausübung aller aus den Uns vorgelegten Verträgen
fliessenden Rechte, einschliesslich der Gerichtsbarkeit, gegenüber
den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassendeu
oder zu Handels- und anderen Zwecken sich aufhaltenden Ange-
hörigen des Reichs und anderer Nationen, unter der Aufsicht
Unserer Regierung und vorbehaltlich weiterer von Uns zu er-
lassender Anordnungen und Ergänzungen dieses Unseres Schutz-
briefes.
Zu Urkund dessen haben Wir diesen Schutzbrief Höehsteigen-
händig vollzogen und mit Unserem Kaiserlichen Insiegel versehen
lassen.
Gegeben Berlin, den 27 .Februar 1885. (gez.) Wilhelm.
(ggez.) v. Bismarck.
Damit stand die Gesellschaft für deutsche Kolonisation einer
ganz neuen Sachlage gegenüber; sie hatte einerseits die Finanzirung
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Die deutschen Kolonien.
des deutsch -ostafrikanischen Kolonialuntemehmens durchzoführen,
andererseits wegen der herrschenden Eifersucht der Engländer, welche
in Sansibar schon seit langen Jahren einen bedeutenden Einfluss
ausgeübt hatten, etwaigen Versuchen, auf dem Festlande Gebiete zu
erwerben, zuvorzukommen. Der Einfluss der Engländer zeigte sich
zuerst deutlicher, als der Sultan Said Bargasch — ein orientalischer
Despot vom reinsten Wasser, aber genialer Kaufmann und bestrebt,
sich manchen Forderungen der Neuzeit anzupassen — die Erwerbungen
der Gesellschaft nicht anerkannte, seine Flagge auf ihren Gebieten
aufziehen liess, und nach Mombas den General Matthews beorderte,
um von dort nach dem Innern anfzubrechen und die Häuptlinge von
Dschagga und Taveta unter seine Botmässigkeit zu bringeu. Fürst
Bismarck liess nun erklären, dass wenn die Truppen von dem Ge-
biete der Gesellschaft nicht zurückgezogen werden würden , er ge-
zwungen sein würde, Gewalt gegen Sansibar anzuweuden: und um
dem Sultan gebührende Achtung vor dem deutschen Schutzgebiete
beizubringeu, wurde ein deutsches Geschwader, bestehend aus den
Schiffen Gneisenau, Prinz Adalbert, Stosch, Elisabeth und Ehrenfeld
nach Sansibar beordert. Am 11. August überreichte Commodore
Paschen das deutsche Ultimatum, in welchem die Zurückziehung der
Truppen und des Protestes des Sultans gegen die deutschen Erwer-
bungen, zu denen noch Witu gekommen war, mit dessen Sultan die
Gebrüder Denhardt einen Vertrag geschlossen hatten, und Aner-
kennung der deutschen Schutzherrschaft über die letzteren verlangt
wurde. Der Sultan, welcher nur in einigen Küstenplätzeu kleine
Garnisonen hielt und dessen Stationen im Innern einfach Handels-
niederlassungen waren, erkannte nothgedrungen diese Forderungen
an. Die weiteren Verhandlungen, welche der am 19. August auf
dem Schifte Bismarck von Kamerun anlangende Admiral Knorr
leitete, verschafften dem deutschen Reiche das Benutzungsrecht des
vorzüglichen Hafens Dar-es-Salaam, jedoch mit Wahruug der Hoheits-
rechte des Sultans. Mit dem Sultan, welcher selbst der grösste
Kaufmann in seinem Gebiete war, wurde ein neuer Handelsvertrag
am 23. Dezember abgeschlossen, nachdem kurz vorher eine inter-
nationale Kommission zusammengetreten war, um die Abgrenzung
der Gebiete der Gesellschaft und des Sultans vorzunehmen. Diese,
aus je einem deutschen, englischen und französischen Vertreter be-
stehend, besichtigte vom 19. Januar bis Mitte März 1880 sämmtliche
Häfen der Sansibarküste von der Tnnghibucht bis Warscheik und
berichtete an ihre resp. Regierungen. Auf Grund dieser Berichte
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Die deutschen Kolonien.
193
wurde am 29. Oktober und 1. November 1886 endgültig folgendes
grundlegende, wichtige Uebereinkommen zwischen England und
Deutschland geschlossen:
1. Deutschland und Grossbritannien erkennen die Souveränetät des Sultans
von Sansibar über die Inseln Sansibar und Pemba, sowie über diejenigen kleineren
Inseln an, welche in der Nabe der ersteren innerhalb eines Umkreises von 12 See-
meilen liegen; desgleichen über die Inseln Latnu und Mafia.
Dieselben erkennen in gleicher Weise als Besitz des Sultans auf dem Fest-
lande eine Küstenlinie an, welche ununterbrochen von der Mündung des Miningani-
flusses am Ausgang der Tunghibucht bis Kipini reicht. Diese Linie beginnt im
Süden des Mininganiflusses, folgt dem Laufe desselben fünf Seemeilen und wird
dann auf dem Breitengrade bis zu dem Punkte verlängert, wo sie das rechte Ufer
des Rovumaflusses trifft, durchscbneidet den Kovuma und läuft weiter an dem
linken Ufer entlang.
Die Küstenlinie hat eine Tiefe landeinwärts von zehn Seemeilen, bemessen
durch eine gerade Linie ins Innere von der Küste aus bei dem höchsten Wasser-
stande zur Fluthzeit. Die nördliche Grenze scbliesst den Ort Kau ein. Im Norden
von Kipini erkennen die genannten Regierungen als dem Sultan gehörig an die
Stationen von Kismtyu, Barawa, Marka, Makdischu mit einem Umkreis landeinwärts
von je zehn Seemeilen und Warscheik mit einem Umkreis von fünf Seemeilen.
2. Grossbritannien macht sich verbindlich zur Unterstützung derjenigen Ver-
handlungen Deutschlands mit dem Sultan, welche die Verpachtung der Zölle in den
Häfen von Dar-es-Salaam und l'angani an die Deutsch-Ostafrikaniscbe Gesellschaft
gegen eine dem Sultan seitens der Gesellschaft zu gewährende jährliche Zahlung
bezwecken.
3. Beide Mächte kommen überein, eine Abgrenzung ihrer gegenseitigen Interessen-
sphären in diesem Theile des ostafrikanischen Festlandes vorzunehmen, in gleicher
Weise, wie dies früher bei den Gebieten am Golf von Guinea geschehen ist.
Das Gebiet, auf welches dieses Uebereinkommen Anwendung findet, soll be-
grenzt sein im Süden durch den Rovumafluss und im Norden durch eine Linie,
welche, von der Mündung des Tanaflusses ausgehend, dein Laufe dieses Flusses
oder seiner Nebenflüsse bis zum Schneidepunkt des Aequators mit dem 38.° öst-
licher Länge folgt und dann in gerader Richtung fortgeführt wird bis zum Schneide-
punkt des l.° nördlicher Breite mit dem 37.° östlicher Länge, wo die Linie ihr
Ende erreicht.
Die Demarkationslinie soll ausgehen von der Mündung des Flusses Wanga
oder Umbe, in gerader Richtung nach dem Jipe-See laufen, daun cntlaug an dem
Ostufer und, um das Nordufer des Sees führend, den Fluss Lumi überschreiten,
um die Landschaften Taveta und Dschagga in der Mitte zu durchschneiden und
dann entlang an dem nördlichen Abhang der Bergkette des Kilimandscharo in
gerader Linie weiter geführt zu werden bis zu demjenigen Punkte am Ostufer des
Victoria-Nyanza-Sees, welcher von dem 1.« südlicher Breite getrofTen wird.
Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie keine Gebietserwerbungen
zu machen, keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung englischen Ein-
flusses im Norden dieser Linie nicht entgegenzutreten, während Grossbritannien
die gleiche Verpflichtung für die südlich von dieser Linie gelegenen Gebiete
übernimmt.
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 13
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Itie deutschen Kolonien.
4. Grossbritannien wird seinen Einfluss geltend machen, um den Abschluss
eines freundschaftlichen Ucbereiukommens hinsichtlich der konkurrirenden Auspiücbe
des Sultans ron Sansibar und der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft auf das
Kilimandscharo-Gebiet zu befördern.
5 . Beide Mächte erkennen als zu Witu gehörig die Küste an, welche nördlich
ron Kipini beginnt und sich bis zum Nordende der Mandabucht erstreckt.
6. Deutschland und Grossbritannien werden gemeinschaftlich den Sultan von
Sansibar zum Beitritt zu der General- Akte der Berliner Konferenz auffordern, vor-
behaltlich der bestehenden Rechte Sr. Hoheit gemäss den Bestimmungen des Arti-
kels I der Akte.
7. Deutschland macht sich verbindlich der Erklärung beizutreten, welche
Grossbritannien und Frankreich am 10. März 1862 mit Bezug auf die Anerkennung
der Unabhängigkeit von Sansibar gezeichnet haben.
Said Bargasch erklärte sich mit diesem Uebereinkommen am
4. Dezember einverstanden, insbesondere gab er alle Ansprüche auf
das Kilimandscharo-Gebiet auf und willigte in die Verpachtung der
Zölle von Dar-es-Salaam und Pangani; der Kongo-Akte war er be-
reits am 8. November beigetreten, ohne allerdings Handelsfreiheit
zuzugesteheu. Frankreich zeigte am 8. Dezember an, dass es gegen
jenes Uebereinkommen nichts einzuwenden habe. Bald darauf, am
30. Dezember 1886, schloss die deutsche Regierung auch mit der
portugiesischen ein Uebereinkommen behufs Abgrenzung der beider-
seitigen Besitzungen in West- und Ost-Afrika, aus dem wir folgendes
mittheilen:
2. Die Grenzlinie, welche in Südost- Afrika die deutschen Besitzungen von
den portugiesischen Besitzungen scheiden soll, folgt dem Laufe des Flusses Rovuma
von seiner Mündung bis zu dem Punkte, wo der Msinjefluss in den Rovuma mün-
det, und läuft von dort nach Westen weiter auf dem Breitenparallel bis zu dem
Ufer des Njassn-Sees.
3. Die Regierung Sr. Majestät des deutschen Kaisers eikennt das Recht Sr.
Majestät des Königs von Portugal au, in denjenigen Gebieten, welche zwischen den
portugiesischen Besitzungen von Angola und Mozambique liegen, unbeschadet der
dort von anderen Mächten etwa bisher erworbenen Rechte Seinen souveränen und
zivilisatorischen Einfluss geltend zu machen, und verpflichtet sich in Gemässheit
dieser Anerkennung, dort weder Gebietserwerbungen zu machen, noch Scbutzherr-
schaftcn anzunehmen, noch der Ausdehnung des portugiesischen Einflusses ent-
gegenzutreten.
Die Regierung Sr. Majestät des Königs von Portugal und Algarvien übernimmt
die gleiche Verpflichtung hinsichtlich der laut Artikel 1 und 2 dieses Uebercinkom-
raens der deutschen Machtsphäre überlassenen Gebiete.
Unterdess hatte sich die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft als
Kommanditgesellschaft aus der Gesellschaft für deutsche Kolonisation
gebildet und war als solche ins Handelsregister am 2. April 1885
eingetragen. Sie war in dieser Zeit nicht müssig gewesen. Sie
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Die deutschen Kolonien.
195
hatte bis Ende des Jahres 1886 mit überraschender Schnelligkeit
mehrere Expeditionen ausgesandt, um noch andere Theile Ostafrikas
in ihren Besitz zu bringen. Premierlieutenant Weiss gewann das
Dsehaggaland am Kilimandscharo, Graf Pfeil die Landschaft Chutu
bis zum Rufidschi, Regieruugsbaumeister Hoernecke gewisse An-
sprüche auf das Somaliland, Lieutenant Schmidt Usaramo, Assessor
Lucas Gasiland (welches aber später leider zur englischen Interessen-
sphäre geschlagen wurde), Lieutenant Schlüter Uhehe, Lieutenant
von Anderten das Gebiet am Sabaki (welches später in die eng-
lische Interessensphäre fiel) u. s. w.
In dem Zeitraum von zwei Jahren war der Besitz sicherge-
stellt, wenn auch der Schntzbrief nicht erweitert wurde, und ausser-
dem eine Anzahl Stationen begründet, welche einerseits die Kara-
wanenwege schützen, andererseits als Versnchsplantagen dienen sollten.
Rückschläge blieben zwar nicht aus, einige Deutsche starben am
Fieber, Lieutenant Günther ertrank an der Barre des Dschub und Dr.
Jühlke wurde von den Somalis in Kismaju ermordet, aber das ganze
Unternehmen hatte doch bislang mit so wenig Schwierigkeiten zu
kämpfen gehabt, dass die hoffnuDgsfreudigste Meinung in kolonial-
politischen Kreisen herrschte und die Finanzirung der Deutsch-Ost-
afrikanischen Gesellschaft Fortschritte machte. Auch Se. Majestät
der Kaiser Wilhelm I. stellte dem Unternehmen eine halbe Million
Mark zur Verfügung. Da der Rahmen der Kommanditgesellschaft
nicht ausreichte, um den gesteigerten Ansprüchen gerecht zu werden,
wurde eine korporative F'orm angestrebt. Die Korporationsrechte
wurden der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft am 21. März 1887
ertheilt. In den Direktionsrath, dessen Vorsitzender der Bankier
Karl v. d. Heydt wurde, wurden 21 Herren gewählt, die über be-
deutende Kapitalkräfte verfügten, zu Mitgliedern der Direktion Dr.
Carl Peters als Vorsitzender, Gerichtsassessor a. D. Lucas und Kauf-
mann Adolf Bourjau. Mitglieder der Gesellschaft sind zur Zeit die
Eigentümer der 592 Anteilscheine im Einzelbetrage von 200 bis
10 000 Mark und im Gesammtbetrage von Mark 3 724 000. Die
Gesellschaft ist berechtigt, weitere Anteile von je 1000 Mark bis
zum Gesammtwerthe von 10 Millionen Mark auszugeben. Nach dem
Statut hat die Gesellschaft den Zweck:
1. in den Gebieten von Ostafrika, über welche Seine Majestät
der Deutsche Kaiser die Oberhoheit nach Inhalt des Kaiserlichen
Schutzbriefes vom 27. Februar 1885 übernommen hat oder durch
künftige Schutzbriefe an die Gesellschaft übernehmen wird, die ihr
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196
Die deutschen Kolonien.
uDter der Oberhoheit Seiner Majestät des Kaisers übertragenen
Rechte der Landeshoheit auszuüben und die dazu erforderlichen staat-
lichen Einrichtungen zu treffen und zu erhalten;
2. im deutsch-nationalen Interesse die Zivilisirung des Schutz-
gebietes zu unternehmen, daselbst die Ansiedelung, den Bodenbau
und den Verkehr, insbesondere Handel und Gewerbe, anzubahnen
und zn fördern;
3. in Durchführung der unter 1 und 2 genannten Aufgaben
auf afrikanischem Boden Ländereien zu erwerben, zu bewirthschaften,
zu verwerthen und die sonst von ihr erworbenen Rechte auszu-
üben, sowie Handel und Gewerbe selbst zu betreiben oder betreiben
zu lassen.
Als Generalbevollmächtigter der Gesellschaft in Sansibar fungirte
am Anfang des Jahres 1888 Dr. Peters, welcher nach seiner Rück-
kehr durch den Konsul a. D. Vohsen ersetzt wurde.
Die Gesellschaft war gleich nach Besitzergreifung des Landes
bedacht gewesen, Stationen zum Betriebe von Plantagen anzulegen,
da die Fruchtbarkeit grosser Strecken des gewaltigen Gebietes ohne
Zweifel stand. Die Schilderungen von Dr. Krapf und Rebmann,
v. d. Decken und Otto Kersten, Speke, Burton, Grant, Stanley,
Thompson, Johnston, sowie von englischen und französischen Missio-
naren stimmen völlig überein hinsichtlich der Fruchtbarkeit des Bodens,
welches ja auch der Grund gewesen war, dass die Gesellschaft ihr
Auge gerade auf diese Gegenden geworfen hatte. Dr. Grimm hat
diese Aussprüche in einem sehr instruktiven Büchlein zusammen-
gestellt 1 ) und neuerdings ist die Literatur darüber bedeutend ge-
wachsen. Man hatte aber wohl zuerst, auf die Ueberschwänglichkeit der
Reisenden sich stützend, das Land zu sehr gepriesen, bis die bessere
Ueberzeugung, dass die vielgerühmte tropische Fruchtbarkeit doch
nur dort wirklich vorhanden war, w'o alle Bedingungen gegeben
waren, zu genaueren Untersuchungen drängte. Bald stellte sich her-
aus, dass in Folge des zu gewissen Jahreszeiten äusserst gefähr-
lichen Klimas von einer Masseneinwanderung Deutscher dorthin
durchaus abzusehen war und dass auch nur unter besonders günstigen
Umständen in der Nähe des Kilimandscharo oder überhaupt auf dem
Hochplateau, welches hier wie in Westafrika ziemlich dicht bis zur
Küste herantritt, an einer Ansiedelung deutscher Ackerbauer gedacht
*) Der vrirthschaftliche Werth von Ostafrika. 2. Auflage. Berlin,
Walther & Apolant 1888.
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Die deutschen Kolonien,
197
werden konnte. Doch muss dann natürlich eine Eisenbahn nacli
dem Kilimandscharo gebaut werden, was sicher noch in nebelhafter
Ferne liegt.
Das deutsche Ostafrika stellt eine Reihe von terrassenartigen
Plateaubildungen dar. Durch den östlichen Theil Afrikas von Abes-
synien bis nach Natal hinunter zieht sich ein, wie es scheint, ein-
heitlicher Gebirgsrücken, welcher im Kenia und Kilimaudseharo-Stock
eine Höhe von mehr als 20000 Fuss erreicht. Von hier aus fällt,
so lautet die Schilderung des Dr. Peters, das Gebiet in Terrassen
nach der Küste ab, und so haben wir auf einem verhältnissmässig
engen Raum die Zonen der Erde übereinander. Naturgemäss ist die
Fruchtbarkeit der einzelnen Gebiete verschieden, wie in einem jeden
anderen Erdtheil. Steppen nnd Wald-Landschaften wechseln mit
einander ab; aber in einzelnen der von der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft in Bearbeitung genommenen Landstriche konnte eine
Triebkraft des Bodens allerersten Ranges festgestellt werden. So in
üsambara und Boudei, so auch im Flussgebiet des Rufidschi, und bei
Kiloa Kisiwani. Ueberall sind Humusschichten von aussergewöhn-
licher Tiefe vorhanden. Auch in den mittleren Landschaften, im
eigentlichen Schutzgebiet, in Usagara, Useguha und Ukami, sowohl
in den Flussthälern als aueh an den Bergabhängen berechtigt die
Eigenart des Bodens zu Schlüssen auf eine starke tropische Frucht-
barkeit.
Dieselbe gelangt zu ihrer eigentlichen Wirksamkeit durch den
dritten in Frage kommenden Faktor, nämlich die Feuchtigkeits-Ver-
hältnisse des Deutsch-Ostafrikanischen Gebietes. Es linden in Ost-
afrika regelmässig zwei Regenzeiten statt; die eine grössere von An-
fang März bis Mitte Juni, die zweite kleinere von Mitte Oktober
bis Mitte Dezember. Auch in der sogenannten trockenen Zeit hören
die Niederschläge niemals völlig auf; sie stellen sich des Nachts als
Thau dar, erscheinen aber auch als ein unregelmässiger Regenfall.
Die Wassermengen, welche so auf die ostafrikanischen und
mittelafrikanischeu Plateaus niederfallen, werden zunächst gekenn-
zeichnet durch jenes eigenartige Seen-Gcbiet, das dem östlichen
Mittelafrika recht eigentlich seinen Charakter verleiht. Es braucht
nur an Namen, wie Viktoria-Nyanza, Tanganyika, Nyassa, Bang-
weolo-See, Mwutan-Nsige, Albert-Nyanza und andere erinnert zu
werden, um diesen Wasserreichthum des Gebietes nachzuweisen.
Denn fast alle diese Seen werden durch die Niederschläge gespeist,
welche von den uns gehörigen Plateaus abströmeu. Hier in Mittel-
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Die deutschen Kolonien.
Ostafrika ist das grosse Feuchtigkeits-Reservoir des Erdtheils über-
haupt, hier liegen die Quellen des Nils, von hier wälzt nach Westen
der Kongo seine Wassermassen ab, und von hier aus empfängt im
Süden der Sambesi starke Zuflüsse. Nach Osten hin entwickeln
sich nicht eben grosse Stromläufe aus dem Grunde, weil die Wasser-
scheide im Kamme des Gebirgsrückens der Ostküste verhiiltnissmässig
nahe gerückt ist. Aber es kommen doch auch hier eine Reihe von
Flussbildungen vor, welche den deutschen Strömen ähnlich siud: der
Dschub, der Tana, der Pangani, der Kingani, der Rufidschi und Ro-
vuma brauchen nur genannt zu werden. Auch auf den östlichen
Abhängen finden sich kleinere Seenbildungen und eine Menge von
Bächen durchströmen das Land nach allen Richtungen.
Diese allgemeinen Ursachen ergeben nun eine grosse Vielseitig-
keit der Kulturen im Deutsch-Ostafrikanischen Gebiet, von der
Küste an, wo die heisse Sonne der Tropen die Gewürze, wie Pfeffer
und Nelken, auskocht, wo die Baumwollstaude und der Tabak ge-
deiht, zu den höheren Landschaften, wo die Kaffee-Staude «ächst,
bis in Gebiete hinein, welche klimatisch dem südlichen und mitt-
leren Europa entsprechen und darüber hinaus bis schliesslich in die
Zone des ewigen Eises. 2 )
Dass man deu Werth der Erwerbungen auch allmählich in
Deutschland anerkannte, zeigte sich dadurch, dass neben der Deutsch-
Ostafrikanischen im Jahre 1886 bereits eine zweite Gesellschaft, die
Deutsch -Ostafrikanische Plantagen -Gesellschaft gegründet wurde,
welche in Ostafrika Plantagen, Handels- und industrielle Unterneh-
mungen aller Art betreiben wollte und bald über ein Aktienkapital
von 2 Millionen Mark volleingezeh huet verfügte. Diese Gesellschaft
erwarb sowohl auf der Insel Sansibar als auf dem Festlande einige
Plantagen, und legte neue an, unter denen Lewa in Usambara die
bedeutendste war. Dieselbe war eine Tabakplantage in grossem Style.
Die ersten Tabakproben brachten einen Preis von Mark 1,60 das Pfund,
obwohl der Tabak nicht rationell behandelt war, so dass man, zumal die
Arbeiterfrage hier keine Schwierigkeiten machte, zu den besten Hoff-
nungen berechtigt war, als der Aufstand ausbrach. Die Eingeborenen
sind nämlich gute Arbeiter, und wenn es auch im Anfang schwer
war, einen festen Stock von freien Arbeitern zu gewinnen, welche
sich nur durch Kontrakt auf eine bestimmte Zeit, etwa 1 Monat,
*) Die Deutsch-Ostafrikanische Kolonie in ihrer Entstehungsgeschichte
und wirtschaftlichen Eigenart von Carl Peters. Berlin 1889. Verlag von Walther
& Apolant.
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Die deutschen Kolonien.
199
an die Stationen banden, so war es doch beiden Gesellschaften ge-
lungen, hunderte von Leuten regelmässig bei Lohnsätzen zu beschäf-
tigen, welche etwa 50 — 75 Pfennige den Tag betrugen und billiger
als z. B. in Niederländisch Indien waren. Das Geheimniss der Er-
ziehung des Negers zur Arbeit, über welches schon so viel geschrie-
ben ist, liegt in der Lösung der Frage, wie man die Neger aus ihrer
grossen Bedürfnisslosigkeit heransheben kann. Ihre Begehrlichkeit
richtet sich vornehmlich auf Toilette-Gegenstände und Geräthschaften
verschiedener Art, auch Waffen und Munition. In Lewa konnte im
Sommer bereits wöchentlich ein kleiner Markt abgehalteu werden;
da der Schwarze ohne Baarzahlung auf diesem Markte nichts er-
hielt, so bequemte er sich eben dazu, in ein Lohnverhältniss zur
Gesellschaft zu treten. Wurde dazu ein rationelles System der Be-
strafung im Falle von Koutraktbrüehigkeit, von Belohnung dagegen
bei gewissenhafter Innehaltung der eingegangenen Verpflichtungen
eingesetzt, so hoffte man bei sonst normaler Entwickelung durch-
weg in diesem Gebiete günstige Resultate zu erzielen. Jedenfalls
redete keiner der Vorsteher von derartigen Plantagen mehr der Ein-
fuhr von Kulis das Wort. Zur Anlage von Plantagen hat sich auch
im Sommer die Deutsche Pflanzer-Gesellschaft gebildet, welche aber
in Folge der politischen Lage an der ostafrikanischen Küste dort
noch nicht in Thätigkeit treten konnte.
Die Gesellschaft für deutsche Kolonisation hatte gleich im ersten
Jahre der Besitzergreifung in der Nähe von Usagara die Station
Sima anlegen lassen, wo tropische Pflanzen mit Erfolg gezogen wur-
den. In den Jahren 1885 — 1888 sind dann noch folgende neuere
Stationen angelegt und in Betrieb gehalten: am Kingaui die Stationen
Dunda, Madimola und Usungula, an der Bagamoyo-Strasse die Statio-
nen Bagamoyo, Kiora und Mwapwa, an der Saadani-Strasse die Sta-
tion Petershöhe, in Usaramo die Stationen Dar-es-Salaam und Pugu,
in Usambara die für den Baumwollbau viel versprechende Station
Kikogwe (deren Bewirthschaftung Heinrich Semler übernommen hatte,
welcher dort leider bald dem Fieber erlag) Pangani, Korogwe und
Maß, im Kilimandscharo-Gebiet die Stationen Moschi und Aruscha,
welche vornehmlich Handelszwecken dienen sollten, und in dem eng-
lisch gewordenen Sabaki-Gebiet die Station Tanganjiko oder Kilefi.
Auf diesen Stationen, welche allerdings nicht alle so praktisch an-
gelegt waren, dass ihre Bewirthschaftung Aussichten auf Erfolg
hatte, wurden allerhand Kulturversuche mit Baumwolle und Tabak
gemacht, aber nur wenige von ihnen hätten mit ihren Produkten
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200
Die deutschen Kolonien.
wegen der Entferungen von der Küste und dem Mangel au Wegen
und grösseren schiffbaren Flüssen auf dem Weltmarkt konkurrireu
können. Als Kristallisationspunkte dagegen, um die eingeborene
Bevölkerung zur Arbeit zu erziehen, und um Handel zu treiben,
waren diese Niederlassungen von nicht zu unterschätzender Bedeu-
tung, doch konnten sie als solche bei dem geringen Kapital der Ge-
sellschaft natürlich auf die Dauer nicht alle so ausgestattet werden,
um diesem Zwecke zu dienen. Einige wurden deshalb bald auf-
gegeben, als eine Konzentrirung nach der Küste zu für nothwendig
gehalten wurde und im Jahre 1887 sich eine neue Aussicht für die
Gesellschaft eröffnete.
Auch der Handel, in den Händen der kapitalkräftigen und ge-
schäftsgewandten Inder und der im Wohlstand zurückgehenden Araber
ruhend, ist bedeutend. Die Karawanen vom Tanganvika und Nyassa
bringen ausser Sklaven namentlich Elfenbein, au der Küste wird
Kopal gegraben, die Orseilleflechte, Sesam, aus dem in Marseille
ein vorzügliches „Olivenöl“ gewonnen wird, und die auf Pemba und
Sansibar geemteten Gewürznelken bilden schon lange bedeutende
Ausfuhrartikel der in Sansibar domizilirten europäischen Häuser,
unter denen die Deutschen O’Swald & Co. und Hansing besonders
zu erwähnen sind. Importirt werden besonders Baumwollstoffe, Ge-
wehre und Munition, Petroleum und eine Unzahl europäischer Ar-
tikel. Der Handelsumsatz von Sansibar lässt sich kaum genau fest-
stellen. Nach den Angaben der United States consular rcports be-
lief er sich im Jahre 1883 auf 24 Millionen Mark Einfuhr und 16
Millionen Mark Ausfuhr. Der Werth des deutschen Handels mit
Ostafrika beläuft sich auf etwas über 5 Millionen Mark im Jahr.
Wir lassen hier die Liste der Einfuhr nach Hamburg im Jahre 1887
aus Afrika am Indischen Ozean folgen, weniger um den sicher eines
hohen Aufschwunges noch fähigen Verkehr zu zeigen als die Zahl
der jetzt schon exportfähigen Produkte:
Afrika am
Indischen Meere.
100 kg
Werth
Nelken
. . 96
19 710
Nelkenstenge!
. . 515
24 820
Andre Gewürze ...
. . 206
12 320
Jlais
. . 1771
13 670
Orseille
. . 7906
631 330
Gummi elasticum ....
. . 305
106 610
Trockne Rindsbäute . . .
. . 1997
217 160
Hirsch- und Rebfelle . .
. . 26
5 020
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Die deutschen Kolonien.
201
Elfenbein
15
32 650
Sesamsaat
17t
4 230
Ebenholz
'211
3 550
Andre Nutzhölzer
GG1
2 850
100 kg
Werth
142
7 480
Palmkerne
322
8 120
Kopra
1050
28 130
Kokosgaru
213
kg
3 770
Kuriositäten
420
100 kg
11 240
Passagiergut
13
3 230
Andre Artikel
3 950
Total 100 kg
15 784
1 139 840
Bei unseren wachsenden Bezieh ungen zu Ostafrika wird die
Schaffung einer direkten Dnmpferlinie zwischen Deutschland und
Sansibar bald ein unabweisbares Bedürfnis werden. Die Dampfer
des Norddeutschen Lloyd legen nur in Aden au und die Güter und
Personen müssen daun auf die Dampfer der von Marseille ausge-
henden Messageries Maritimes oder der British India Line verladen
werden, was zu mancherlei Unzuträglichkeiten Veranlassung giebt.
Der grösste Theil der Küstenbevölkeruug besteht aus Suahelis,
einem Mischvolke, durchsetzt mit Somalis, Gallas, Comorenseru,
Arabern und Völkerschaften des inneren Afrikas mit einer eigeu-
thümlichen Sprache, dem Kisuaheli, in Charakter und Veranlagung
sich von anderen Negervölkeru wenig unterscheidend, zum Theil
Mohamedaner, aber nicht fanatisch. Sie sind wie die dortigen
Araber in religiöser Beziehung indolent, es genügt ihnen, einige
arabische Gebetsformeln auswendig zu wissen und einige Aeusser-
lichkeiten des Mohamedauismus zu kenueu. Weiter im Innern
wohnen die räuberischen Massais, die Magwangwara, die Watuta. die
Waschensi u. s. w., eine bunte Musterkarte von allen möglichen
Völkerschaften, welche unter einander gespalten sind und fast fort-
während in gegenseitigem Krieg leben.
Alles iu der Lebensweise dieser Völker deutet auf einen ausser-
ordentlich hohen Grad innerer Veränderlichkeit. Mit dem rapiden
Steigen und Fallen ihres Geschickes steigen und fallen bei ihnen
die Volkszahl, der Wohlstand, die Möglichkeit einer besonderen po-
litischen Existenz. Die afrikanische Völkergeschichte erzählt von
Völkern dieser Art, die vollständig atomisirt und ausgerottet wur-
den, und von anderen, die in der Zeit eines Menschenalters aus dem
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202
Oie deutschen Kolonien.
Unbekanntsein zur Grossmaehtstelluug sich erhoben haben. Fried-
liche Völker nehmen plötzlich die Maske der Watuta oder Mssitu
vor und beschreiten erst in lächerlicher Aefferei wie Schafe in Wolfs-
pelzen, später in blutigem Ernste den Kriegspfad. Man kennt eine
ganze Anzahl solcher „Zulu-Affen“ zwischen Nil und Sambesi. Und
endlich schwankt gerade in Folge dieser Anstösse die ganze inner-
afrikanische Menschheit so uustät, dass man wohl sagen kann, es
gleiche vor allem dieses weite und bevölkerte Gebiet des äquatorialen
Ostens einem in beständiger Bewegung befindlichen Meere. Immer
drängt eine Welle die andere, und mancher Stamm wandert seit
Jahrzehnten von Ort zu Ort, geschoben von einem mächtigeren, der
kurzweg sein Gebiet in Anspruch nimmt. Ein kühner Eroberer
wie Mirambo mit seinen kriegerischen Watuta wirkt wie ein Gäh-
rungsstoff in dieser Völkermasse: er beunruhigt alle, zwingt viele zu
Aeuderuugen ihrer Wohnsitze und lässt sie nicht eher zur Ruhe
kommeu, als bis er todt oder in die Ferne gezogen ist. 1 )
Es ist vorhin schon augedeutet worden, dass mit dem Jahre 1887
sich eine neue Aussicht für die Gesellschaft eröftnete. Mit den Ver-
handlungen mit dem Sultan von Sansibar über die Abtretung der
Zollerhebung in Dar-es-Salaam und Paugani wurde nämlich Herr
Dr. Peters bei seiner zweiten Anwesenheit in Sansibar im Jahre 1887
beauftragt. Im Verlaufe dieser Verhandlungen drängte sich das
Missliche einer doppelten Zollerhebung an der Küste dem Sultan
auf, welcher insbesondere die Konkurrenz in Dar-cs-Salaam, im Falle
einer Eisenbahnverbindung von dort nach den Seen, fürchtete. Der
Gesellschaft gegenüber musste sich die Undurchführbarkeit einer
Zollerhebung, ohue zugleich Herr über den Verwaltungs-Apparat zu
sein, darstellen. Sie wäre den Chikanen der Sultans-Beamten alle-
zeit ausgesetzt gewesen. So ergab sich die Idee, über die Abtretung
der gesammteu Verwaltung einschliesslich der Zollerhebung an der
ganzen Küste in Verhandlung zu treten, gewissennaassen von beiden
Seiten, und es gelang Dr. Peters, nach eingeholtcr Ermächtigung aus
Berlin, bereits am 30. Juli 1887 zu einem Vertrags-Abschlüsse zu
gelangen, welcher die Abtretung der Küsten -Verwaltung an die
Deutsch -Ostafrikanische Gesellschaft auf zunächst 50 Jahre formell
aussprach. Der Vertrag unterlag naturgemäss der Ratifikation der
Gesellschaft in Berliu, welche vornehmlich eine Abänderung des § 9,
worin die Entschädigung au den Sultan behandelt wird, wünschte.
’) Völkerkunde. Von Friedrich Ratzel. Erster Band. Leipzig. Verlag
des Bibliographischen Instituts 1885.
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Die deutschen Kolonien.
203
Diese Abfindung, welche in dem ursprünglichen Vertrage in einer
allgemeinen Formel praktisch offen gelassen war, wurde hernach mit
Said Khalifa in der im gegenwärtigen Vertrage vorliegenden Fassung
prüzisirt und dieser Vertrag dann am 28. April 1888 in Sansibar
von dem kaiserlichen Generalkonsul Michahelles vollzogen. Der dem
Vertrage zu Grunde liegende Gedanke war sicher ein sehr glück-
licher; auch die Britisch-Ostafrikanische Gesellschaft, welche im Som-
mer mit einem Charter ins Leben trat, hat für ihre Interessen-
sphäre einen ähnlichen Vertrag mit dem Sultan abgeschlossen und
sich im Oktober in Mombas festgesetzt, um dort die Zollverwaltung
zu übernehmen und den Sklavenhandel zu unterdrücken. Die Er-
werbungsgeschichte der Deutsch -Ostafrikanischen Gesellschaft hat
erst ihren eigentlichen Abschluss durch den Vertrag vom 28. April
1888 (siehe Anhang) erhalten, dessen Ausführung aber den Aufstand
der Araber und ihrer Bundesgenossen hervorgerufen.
Um dio Verwaltung der Küste zu übernehmen, wurden nach
Abschluss des Vertrags sofort Vorbereitungen getroffen, die Beamten
von den Stationen im Innern nach der Küste gezogen und die Häfen,
in denen die Zollverwaltung statttindeu sollte, besetzt, während die
kleineren geschlossen wurden. Die offizielle Zollübernahme war auf
den 16. August angesetzt, dem frühesten der Gesellschaft vom Sultan
vertragsmässig eingeräumten Termin. In den Monaten Juli und
August bereiste der Generalvertreter der Gesellschaft, Herr Konsul
Vohsen, gemeinschaftlich mit einem arabischen Vertrauensmann und
ad hoc Abgesandten des Sultans die Küstenplätze, und es wurden
hierbei die sämmtliehen seitherigen arabischen und sonstigen Beam-
ten des Sultans von dem Vertrage in Kenntniss gesetzt und über
seine Bedeutung eingehend belehrt. Diese Belehrung ging insbeson-
dere darauf, dass unter Aufrechterhaltung der Sitten und Gebräuche
der einheimischen Bevölkerung die Deutsch-Ostafrikanische Gesell-
schaft im Namen des Sultans die Administration führen sollte.
Gleichzeitig wurde den seitherigen Beamten des Sultans frei-
gestellt, zu den bis dahin ihnen gezahlten Bezügen in den alten
Stellungen zu verbleiben. Nach diesen Eröffnungen hatten die sämmt-
lichen Beamten des Sultans an den Küstenplätzen, insbesondere die
Walis, nachdem sie anfangs zum Theil mit ihren Erklärungen ge-
zögert hatten, ihren Willen ausgesprochen, ihr Amt unter der Deutsch-
Ostafrikanischen Gesellschaft uud unter ihren europäischen Orts-
angestellten weiterzuführen.
*) Siehe die Deutsch-Ostafrikanische Kolonie. Von Carl Peters.
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204
Die deutschen Kolonien.
Auf Grund dieser Vereinbarungen mit den seitherigen Organen
des Sultans sah die Deutsch-Ostafrikauische Gesellschaft, welche nach
jedem wichtigen Küstenplatz, nämlich nach Tanga, Pangani, Baga-
raoyo, Dar-es-Salaam, Kiloa-Ivivinje. Lindi und Mikindani mindestens
zwei ihrer deutschen Beamten entsandt hatte, dem Herankommen
des Termins für die Ueberuahme der Verwaltung um so ruhiger ent-
gegen, wie es in einer ihrer offiziellen Kundgebungen hiess, als der
Sultan von Sansibar im Vertrage die Garantie für die Verwirklichung
dieses Vertrags und für die daraus fliesseuden Rechte der Gesell-
schaft ausdrücklich übernommen hatte, ln Betreff des Vorgehens
vom lii. August 1888 au war von der Gesellschaft ins Auge gefasst,
dass die Flagge des Sultans von Sansibar, seinem Hoheitsrechte ent-
sprechend, vor dem Hause des Gesellscbaftsvertreters an den grösseren
Plätzen geführt, und dass daneben die Gesellschaftsflagge aufgezogen
werden solle. Die Zeremonien für die Uebergabe waren in einer
Kommission vereinbart worden, welche aus dem deutschen General-
konsul, dem Vertreter der Deutsch-Ostafrikauischen Gesellschaft und
einem Vertrauensmann des Sultans bestand.
Die Situation bot zu dieser Zeit ungefähr folgendes Bild: Als
Zollhäfeu waren die obengenannten Häfen eingerichtet, in denselben
befanden sich je zwei Beamte der Gesellschaft, mit Ausnahme von
Bagamovo, welches fünf zählte. Diese Zahl war. wie sich später
leider gezeigt hatte, eine viel zu geringe, denn in den südlichen
Häfen, wo uralte Sklavenkarawanenwege mündeten, hatten sich bisher
Europäer noch nicht dauernd niedergelassen. Wenn die Beamten
auch überall halbwegs geordnete Zustände vorfanden und eine kleine
.Macht von übrigens durchaus unzuverlässigen Sansibariten und einigen
furchtsamen Indern als Zollbeamte hatten, so war der stille Wider-
stand der arabischen Walis, deren einige sogar dem wenig gekannten
und wenig gefürchteten Sultan, dessen hauptsächlichste Beschäftigung
darin bestand, in einem kostbaren Staatswagen durch die Strassen
Sansibars zu fahren, den Gehorsam verweigerten , von schlimmer
Vorbedeutung. Die Araber und die von ihnen aufgehetzten Suahelis
befanden sich schon seit längerer Zeit in einem gefährlichen Zustande
der Gereiztheit (siehe Seite 22), welcher nur auf die Gelegenheit
wartete, um sich zu äussern. Zugleich sahen sich auch die sklaven-
handelnde arabische Aristokratie und ihre Helfer in ihrem ein-
träglichen Gewerbszweige in Folge der Einrichtung einer geord-
neten europäischen Verwaltung ernsthaft bedroht. Denn wenn
auch die Ausfuhr von Sklaven offiziell in Sansibar verboten war, so
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Die deutschen Kolonien.
205
hatte er bis jetzt ruhig weiter florirt und eine Unterdrückung
derelben war bei den geringen Maehtverhältnissen der Euro-
päer gar nicht möglich gewesen. Ausserdem fühlten sich einige
der an der Küste wohnenden Häuptlinge durch die Behand-
lung seitens der Deutschen gekränkt, — ob mit Recht oder Unrecht
bleibe dahingestellt — und da zwischen diesen „Jumbes“ und dem
Sultan von Sansibar stets eine gewisse Rivalität bestand, nahmen
sie die Gelegenheit wahr, um sich gegen die Autorität Said Khalifa’s
aufzulehnen, zumal sie fürchteten, diejenigen Vortheile pekuniärer
Art zu verlieren, welche ihnen der kluge Said Bargasch theils zu-
gesichert, theils stillschweigend gewährt hatte. Alle diese Momente
wirkten bei den Arabern zusammen, um die Uebernahme der Zoll-
verwaltung der Küste seitens der Deutsch - Ostafrikanischen Ge-
sellschaft wie einen Einbruch in ein bestehendes Rechtsverhält-
niss aufzufassen, dem sie sich mit bewaffneter Hand widersetzen
müssten.
Gleich bei der Uebernahme der Verwaltung, welche in der An-
wesenheit deutscher Kriegsschiffe vor sich ging, zeigten sich allerlei
Schwierigkeiten.
In Bagamovo, wo Freiherr v. Gravenreuth Bezirkschef war,
verlief die Zeremonie programmmässig und ohne Störung: der Wali
war bereit, im Dienst der Gesellschaft zu bleiben, und machte nur
in dem Punkte Schwierigkeit, dass er die Fahne des Sultans nicht
von seinem Hause entfernen wollte. Herr Vohsen verbot dem Wali
ausdrücklich die Beibehaltung der Fahne, weil der Sitz der Orts-
obrigkeit nicht mehr in seinem Hause, soudern in demjenigen der
Gesellschaft sei, aber er wollte davon absehen, einem im Uebrigen
wohlgesinnten Beamten gleich am ersten Tage schroff entgegeuzu-
treten und brachte nach seiner Rückkehr nach Sansibar am Abend
des 16. August die Sache bei dem Generalkonsul zur Sprache mit der
Bitte, durch den Sultan die Differenz beizulegen. Am 17. theilte der
Generalkonsul dem Sultan in einer Audienz den befriedigenden Ver-
lauf der Flaggeuhissung in Bagamovo mit und bat ihn. ihm einen
Befehl an den dortigen Wali zur Herabnahme der Flagge auszufer-
tigen, weil das Wehen der rothen Fahne an zwei verschiedenen
Punkten der Stadt in der Bevölkerung zu Missverständnissen Anlass
gebe. Said Khalifa war damit einverstanden; es wurde verabredet,
dass der Generalkonsul einen Antrag schriftlich stellen sollte, worauf
ihm dann der Befehl sogleich zugehen würde. Seine bezügliche Note
gelangte ohne Verzug in den Palast, sie blieb aber unbeantwortet.
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Die deutschen Kolonien.
und ain Morgen des 18. August wurde ihm der mündliche Bescheid
geschickt, Seine Hoheit könne den Befehl vorläufig nicht ertheilen,
er wolle den Fall erst überlegen, kur/ es wurden Ausflüchte ge-
macht. 1 ) Konnte einerseits des moralischen Eindrucks wegen nicht
länger geduldet werden, dass der erste eingeborene Beamte in offe-
nem Ungehorsam gegen seine Vorgesetzten fortfuhr, die Flagge zu
führen, so trafen andererseits durch den englischen Generalkonsul
in Sansibar Nachrichten über die Zustände in Bagamoyo ein, die
dem Generalkonsul ein schleuniges Einschreiten zur Pflicht machten.
Die dortigen indischen Händler brachten in einer Eingabe an den
Obersten Euan-Smith zur Anzeige, dass die Eingeborenen der Um-
gegend bewaffnet in die Stadt strömten und die Befürchtung begrün-
det sei, sie würden die Häuser anzünden und die Läden plündern.
Die Inder beantragten deswegen die schleunige Entsendung eines
englischen Kriegsschiffes zum Schutze ihres Lebens und Eigenthums.
Dem Generalkonsul schien die Schilderung der drohenden Gefahr
übertrieben, da von dem Bezirkschef keinerlei Berichte eiugegangen
waren; allein sein englischer Kollege sah die Lage sehr ernst an,
er bat ihn dringend um baldige Absendung eines Kriegsschiffes nach
Bagamoyo, und infolge dessen erhielt die Möwe von dem ältesten
Offizier des Geschwaders den Befehl zur Abfahrt. Aus eigenem An-
triebe erbot sich ferner Herr Kapitän Strauch, am 21. 8 Uhr Mor-
gens mit der Leipzig nachzufolgen, was dankbar acceptirt wurde.
Die Anwesenheit der Schiffe sollte zugleich dazu benutzt werden,
um die Fahne von dem Wali-Hause zu entfernen, da aus der Ein-
gabe der Inder ersichtlich war, dass der Wali die Beunruhigung der
Händler in seinem Interesse ausgenutzt hatte, um ihnen die Noth-
wendigkeit vor Augen zu führen, in seiner alten Stellung und im
Besitze der alten Autoritätsabzeichen belassen zu werden. Als nun
am Morgen des 21. August die Möwe fort und die Leipzig unter
Dampf und zur Abfahrt bereit war, lenkte der Sultan ein und er-
klärte seine Bereitwilligkeit, die Gesellschaft aktiv bei Beseitigung
der Schwierigkeiten zu unterstützen und alle etwa gewünschten Be-
fehle an den Wali von Bagamoyo auszufertigen. Bei Besprechung
der Angelegenheit kam zu Tage, dass der Sultan besonderen Werth
auf das Verbleiben der Flagge an dem altgewohnten Platze legte,
und um ihm entgegenzukommen, schlug der Generalkonsul vor, die
') Weissbuch, vorgelegt dem deutschen Reichstage in der 4. Session der
7. Legislaturperiode (Carl Heymanns Verlag, Berlin), aus dem die weiteren Angaben
grösstentheils entnommen sind.
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l>ie deutschen Kolonien.
207
Differenz dadurch zu ordnen, dass der Sultan dem Wali die sofortige
Räumung seines Hauses und Uebergabe desselben au die Gesellschaft
auferlege, worauf letztere dann ihren Amtssitz dort aufschlagen und
neben der an ihrem Plötze bleibenden Snltansflagge ihre eigene
Flagge aufziehen könne. Said Khalifa war mit dem Arrangement
einverstanden, das durchaus den Wünschen der Gesellschaft ent-
sprach; der bezügliche Befehl an den Wali wurde sofort ausgefertigt,
und der Generalkonsul versprach, ihn mit der Leipzig nach Baga-
moyo abzusenden. Ferner gab Said Khalifa das Versprechen, der
Gesellschaft in Sansibar Leute zur Furmirung einer bewaffneten
Macht zur Verfügung zu stellen, und General Matthews wurde an-
gewiesen, die Gesellschaft hierbei zu unterstützen. S. M. Schiff
Leipzig traf schon am 22. August wieder in Sansibar ein. Der Ver-
lauf der Ereignisse in Bagamoyo war folgender gewesen: Der Kom-
mandant der Möwe war am Morgen des 21. August mit einer Ab-
theilung der Mannschaft an Land gegangen, hatte die Stadt voll-
kommen ruhig gefunden und war darauf vor das Haus des Wali
marschirt, auf welchem noch immer die rothe Fahne des Sultans
wehte. Aufgefordert, die Flagge zu entfernen, wollte der Wali sich
erst sträuben, als ihm aber bedeutet wurde, er habe als Angestellter
der Gesellschaft deren Anordnungen zu gehorchen, gab er weiteres
Widerstreben auf und holte eigenhändig die Fahne herunter. Zur
Entfernung des Flaggenmastes erbat er die Hülfe einiger Matrosen,
die ihm gern gewährt wurde; mit den Leuten gemeinsam nahm er
auch die Fahnenstange herab und überreichte sodann die Fahne dem
Kommandanten, welcher bei Entgegennahme derselben die Mann-
schaften präsentiren liess. Das Ganze ging ohne Gewaltanwendung
und ohne jede Ruhestörung vor sich. Am Nachmittag des 21. traf
die Leipzig vor Bagamoyo ein; nach Empfang des Befehls des Sul-
tans räumte der Wali das Haus, übergab es der Gesellschaft und
wurde von ihr anderweitig in der Stadt eingemiethet. Die Gesell-
schaft verlegte ohne Verzug ihre Amtsräume in das frühere Wali-
Haus, und es wurden auf demselben die beiden Flaggen, rechts an
dem altgewohnten Platze die Sultansflagge, links etwas niedriger die
Gesellschaftsflagge aufgezogen. Nach Abfahrt der Leipzig blieb vor-
sichtshalber die Möwe noch zwei Tage vor Bagamoyo liegen und
kehrte erst am 23. d. M. nach Sansibar zurück.
Aber die Befürchtung vor Unruhen hielt an. welche denn auch
am 22. September ausbrachen. Der Wali selbst forderte den Beamten
Mariani des Morgens früh auf, sich schleunigst in das Gesellschafts-
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•208
Die deutschen Kolonien.
haus zu begeben, da er nicht im Stande sei, ihn zu beschützen.
Herr Mariani theilte dies den anderen Beamten, den Herren H. Heins,
Belke und Kühle, mit. Der Vorsteher der Station, Herr v. Graven-
reuth, war nicht anwesend; derselbe hatte sich auf der Leipzig ein-
geschifft, um nach der Kinganimündung sich zu begeben. Die Deut-
schen, von einigen Arabern unterstützt und 12 schwarzen Askaris,
welche sofort bewaffnet wurden, stellten die Kanonen bereit und
bereiteten sich auf den Angriff vor. Die Führer der Angreifer waren
die Jumbes Fimbo mbili und Mareva, welche ein starkes Feuer auf
das Stationsgebäude eröffneten. Da die Angreifer sich gut hinter
den Hütten versteckten, wurden dieselben mit Granaten beworfen
und zugleich die schon mit der Leipzig verabredeten Nothsignale
gegeben, welche gegen 11 Uhr Böte aussetzte. Die angekommenen
Böte (siehe Seite 107) wurden vom Strande aus mit Gewehrfeuer
empfangen, welches von der Marine mit Geschütz- und Gewehrfeuer
erwidert wurde. Die Truppen landeten mit Hurrah und trieben die
Rebellen in die Stadt zurück, wo sich noch ein ziemlich heftiges
Strassengefecht entwickelte. Nachdem die Rebellen weit über die
französische Mission hinaus, die auch besucht wurde, znrückgeschlagen
worden waren, zog sich die Marine etwa gegen 5 Uhr Abends unter
Zurücklassung eines Offiziers und 30 Mann auf die Leipzig zurück.
Am nächsten Tage wurden von den Soldaten des Wali ca. 100 Todte,
grösstentheils Eingeborene, aber auch Araber und einige von den
vom Sultan übernommenen Soldaten, die gegen die Deutschen ge-
allen waren, beerdigt. Die Anzahl der Verwundeten, sowie der
vielen fortgeschleppten Todten hat nicht festgestellt werden können.
Baron v. Gravenreuth liess am nächsten Tage das Haus noch mehr
befestigen und das Vorterrain rasiren; aber obwohl starke Haufen von
Südwest heranrückten, zogen sie bald wieder ab, als sie die Vor-
bereitungen zu ihrem Empfange sahen. Die Ruhe in der Stadt
wurde von da ab eigentlich nicht mehr gestört und Herr v. Graven-
reuth beschloss, nunmehr zur Offensive überzugehen, besonders auf
den Rath des Wali, welcher von einer Expedition die Wiederher-
stellung der Ruhe erwartete, obwohl die Inder ihn flehentlich baten,
doch die Stadt nicht zu verlassen. Mit den Hülsen für die Geschütze
liess er Kartätschen anfertigen, die sich vorzüglich bewährten. Am
25. früh zog er mit 4 Deutschen, 2 Kanonen, etwa 30 Sultans-
soldaten, 25 schwarzen Bediensteten und etwa 30 bewaffneten Skla-
ven reicher Araber aus; als die Expedition sich dem Dorfe Mtoni
näherte, das auf einer Bodenerhebung liegt, erhielt sie die Meldung
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Die deutschen Kolouien.
209
von den Kundschaftern, dass die Aufständischen sich dort verschanzt
hätten, nnd zugleich heftiges Feuer. Trotz Geschützfeuers hielt der
Gegner Stand; Herr v. Gravenreuth nahm daher etwa 20 ausgesuchte
Leute, meist Schwarze, und machte damit eine kleine Umgehung.
Von demselben angeführt, stürmten sie, ohne einen Schuss abzu-
feuern, das Dorf, aus welchem äusserst heftig geschossen wurde,
doch richteten die Schüsse wenig Schaden an. Das Dorf fing an zu
brennen und die Gegner flohen. Nach höchstens einem Kilometer Vor-
marsch kam die Expedition an den zweiten Fluss, dessen Uebergang
ebenfalls streitig gemacht wurde. Erst als das eine Geschütz an
den linken Flügel gebracht war und in Thätigkeit trat, ging der
Gegner zurück. Nun war auch bald die Kinganiebene gewonnen,
wo die Deutschen verhältnissmässig im Vortheil waren. Die deutsche
Flagge war an der Kinganifähre herabgerissen, die des Sultans noch
vorhanden, und die Soldaten der Gesellschaft waren theiis ermordet,
theils geflohen. Es wurde sodann die Schamba des Selim ben Ab-
dallah, eines bekannten Aufrührers, besetzt, auf welcher sich 6 Fässer
Pulver befanden, die ins Wasser geschüttet wnrden. Ohne weitere
Anfechtung kam die Expedition zur Stadt zurück, wo Alle mit heHem
Jubel empfangen wurden. Die feindliche Streitmacht hatte etwa
800 Gewehre. 1 )
In Pangani hatte der Wali, ein bösartiger chikanöser Charak-
ter, gegen die Flaggenhissung von Anfang an Einspruch erhoben,
um aber einen Konflikt zu vermeiden, wurde von dem Sultan ein
Spezialbefehl erwirkt, durch welchen der Wali die Weisung erhielt,
der Gesellschaft Gehorsam zu leisten. Die Möwe wurde beauftragt,
diesen Befehl nach Pangani zu bringen. Die Möwe traf am 16. August
Nachmittags vor Pangani ein und am 17. Morgens landete der erste
Offizier, Herr Kapitänlieutenant Ferber, mit einer Abtheilung der
Mannschaft. Nachdem der Wali den Befehl gelesen hatte, versprach
er, von jetzt an den Anordnungen der Gesellschaft folgen zu wollen
und den Bezirkschef als seinen Vorgesetzten auzuerkennen. Es ging
darauf um 11 Uhr Vormittags die Flaggenhissung in Gegenwart
aller angesehenen Einwohner programmmässig von statten; die Möwe
lichtete am Nachmittag desselben Tages den Anker und kehrte nach
Sansibar zurück. Kaum hatte das Kriegsschift' die Rhede von Pangani
verlassen, so wurde der Wali wieder rebellisch, erklärte, er werde
den Verfügungen des Bezirkschefs nicht nachkommen, und veranlasst«
auch die Soldaten, den Gehorsam zu verweigern. Die Lage war
') Deutsche Kolonial- Zeitung 1888, No. 45.
Jahrbuch für Deutsche Kolonial politik. 14
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210
Die deutschen Kolonien.
also wieder die gleiche, wie vor der Landung der Möwe, als am 18.
die Carola, von Bagamoyo kommend, vor Pangani erschien. Auf
Ansuchen des Bezirkschefs und iin Hinblick auf die der Möwe er-
theilten Instruktionen schickte der Kommandant der Carola, Korvet-
tenkapitän von Raven, am Vormittag des 19. August ein Landungs-
korps unter dem Kapitänlieutenant da Fonseka-Wollheim an Land,
um den Wali aufzuheben, nachdem ein letzter Versuch zu gütlicher
Verständigung an der Hartnäckigkeit der Gegner gescheitert war.
Obwohl die Mannschaften der Carola das Wali-Haus umzingelten,
gelang es doch dem Wali zu entwischen und aus Pangani zu ent-
fliehen; seine Soldaten drohten erst mit erhobenen Gewehren, dem
Vordringen der Deutschen Widerstand zu leisten, allein das ruhige
und sichere Auftreten der deutschen Mannschaft verfehlte nicht Ein-
druck zu machen, die Askaris liefen auseinander, um sich in dem
Wali-llause zu verbergen, und wurden dort ohne Kampf entwaffnet.
Auf Antrag des Bezirkschefs und mit Rücksicht auf die in Pangani
herrschende Aufregung liess Herr Kapitän von Raven in dem Hause
der Gesellschaft eine Wache von 2 Unteroffizieren und 16 Mann zu-
rück, und ging am 20. August direkt, ohne erst Tanga zu besuchen,
nach Sansibar, um über die Vorgänge in Pangani Bericht zu erstat-
ten. Am 23. d. M. schickte der älteste Offizier des Krenzergeschwa-
ders die Möwe nach Pangani, um die dort verbliebene Wache der
Carola abzuholen und nach Sansibar zurückzubringen. Die Zustände
waren zu der Zeit in Pangani derartig, dass die kleine Besatzung
ohne Bedenken entfernt werden konnte. In den ersten Tagen nach
der Landung hatten viele Einwohner die Stadt verlassen, der Bezirks-
chef liess ihnen dann mittheilen, sie brauchten nichts zu fürchten
und sollten ruhig zurückkommen, und nach und nach begannen sie
wieder, in ihre Wohnungen zurückzukehren und der gewohnten Be-
schäftigung nachzugehen.
In den nächsten Tagen blieb nun zwar das Einvernehmen
zwischen den Angestellten der Gesellschaft und den Eiuwohnern ein
gutes, es wurden sogar Gerichtssitzungen abgehalten, und die Zoll-
erhebung ging gut von Statten, aber der Bezirkschef, Herr v. Ze-
lewski, war doch ausser Stande, über das Weichbild der Stadt hinaus
einzuschreiten. Es wurden ihm 50 „Irreguläre“ des Sultans hinüber-
gesandt, welche aber gleich eine oppositionelle Haltung einnahmen,
die in offenen Ungehorsam überging, so dass der Bezirkschef
schleunigst deren Zurückberufung beantragte. Am 3. September
war eine mit 1000 Fässchen Pulver beladene Dau eingelaufen,
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l>ie lieutschen Kolonien.
‘211
deren Landung wegen der unsicheren Verhältnisse verboten wurde.
Das Pulver sollte nach Sansibar zurückgehen, als in der Nacht Be-
waffnete auf die Dau drangen und sich mit Gewalt des Pulvers be-
mächtigten. Dasselbe diente dazu, die Leute auszurüsten, welche
vom 4. September ab in Massen aus dem Hinterlande bewaffnet in
die Stadt strömten, bald den Panganileuten die Leitung der Be-
wegung entrissen und denen gegenüber die wenigen deutschen An-
gestellten machtlos waren. Vom 5. September au blieben die
Deutschen in ihrem Hause zernirt, es wurden zwar keine Ge-
waltthaten gegen ihre Personen begangen, allein ihre Diener wur-
den mehrfach bedroht, Lebensmittel wurden ihnen nicht verkauft,
und Nachts legte man ein Vorhängeschloss vor ihre Hausthür.
Während des Tages blieb ein Wache mit regelmässiger Ablösung
vor dem Hause postirt. Die Gesellschaftsflagge wurde vom Stock
herunter genommen und zerrissen. Unterdessen hatte Herr V ohsen
in Folge der beunruhigenden Nachrichten über das pflichtwidrige
Verhalten der Irregulären beschlossen, selbst nach Pangani zu
gehen: er fuhr auf der Barawa, eiuem Dampfschiffe des Sultans,
am 5. September hinüber und langte Nachmittags vor der die
Einfahrt des Flusses versperrenden Barre an. Als er in einem
offenen Ruderboot bei Dunkelwerden an Land gehen wollte, wurde
das Boot zuerst vom rechten Ufer aus angerufen und gewarnt, nicht
weiter zu fahren, weil in Pangani Krieg sei. Trotzdem wurde die
Fahrt fortgesetzt, bis plötzlich in geringer Eufemung von der Stadt
30 bis 40 Bewaffnete das Boot stellten und nach dem Namen des
Schiffes, von dem es kam, fragten. Auf die Antwort, es sei die
Barawa des Said Khalifa, wurde erwidert: „Wir kennen hier keinen
Said Khalifa,“ und der Volkshaufe begann auf das Boot zu feuern.
Von den Insassen wurde Niemand getroffen; eine Kugel schlug in
die Bootswand. An Landen war unter diesen Umständen nicht zu
denken und Herr Vohsen kehrte unverrichteter Sache an Bord der
Barawa zurück. Herr Vohsen kam am 6. September nach Sansibar
zurück und beantragte, der Generalkonsul möchte bei dem Sultan
die sofortige Entsendung von 100 Mann seiner regulären Soldaten
zur Wiederherstellung der Ruhe in Pangani erwirken. Das Gesuch
wurde noch an demselben Abend bei dein Sultan angebracht und
auch das mündliche Versprechen erhalten, es sollten Tags darauf die
Truppen auf der Barawa nach Pangani abgehen, der Sultan werde am
nächsten Morgen dem General Matthews, dem Befehlshaber der Sultans-
truppen, die nöthigen Befehle ertheilen. Der Sultan änderte aber
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Die deutschen Kolonien.
seine Meinung und wünschte nun einen mit den Verhältnissen ver-
tranten Araber hinüberzusenden, um Ordnung zu stiften. Sogleich
wies der Generalkonsul General Matthews gegenüber nachdrücklich
darauf hin, dass ein ohne bewaffnete Macht erscheinender Abgesandter
in Pangani keinen Erfolg haben könne. Der General versprach hierauf,
seinem Herrn nochmals Vorstellungen zu machen. Bei der Ungewissheit
der Entschliessung des Snltans wollte Herr Vohsen, der wegen des
Schicksals seiner Angestellten in Pangani in begreiflicher Aufregung
war, die Abfahrt der Barawa nicht länger verzögern und fuhr um
9 Uhr ab, obwohl noch im letzten Augenblick General Matthews mit
dem Bescheide an Bord erschien, der Sultan habe den Befehl zur
Einschiffung der regulären Truppen ertheilt. Darauf bat der Gene-
ralkonsul den General, er möge noch an demselben Tage selbst mit
der nöthigen Anzahl Soldaten auf einem anderen Dampfer des Sul-
tans nach Pangani abgehen, und Nachmittags um 4 Uhr verliess er
auf der Kiloa mit 150 Regulären den Hafen von Sansibar. In Pan-
gani war die Lage wenig verändert; es waren noch immer mehr
Bewaffnete in die Stadt geströmt und der Strand zur Vertheidigung
vorbereitet. An einigen Stellen waren Schanzen aufgeworfen, ver-
schiedene besonders geeignete Häuser befestigt, kurz alles auf krie-
gerische Massnahmen zugerüstet. Einem Boot des englischen Kriegs-
schiffes Algerine, das den Indern die Möglichkeit, Leben und Eigen-
thum in Sicherheit zu bringen, gewähren sollte, war es am 7. ebenso
ergangen^ wie früher dem Boot der Baraw-a, es war vom Lande be-
schossen worden, und ein farbiger Dolmetscher, der trotzdem landete,
warde mit gezückten Schwertern bedroht und zurückgetrieben. Am
8. September kam die Kiloa vor Pangani an, General Matthews lan-
dete am Nachmittag, und da er allseitig bekannt war, wurde er von
den Aufständischen mit Jubel empfangen. Sein erster Gang war
nach dem Hause der Ostafrikanischen Gesellschaft: er fand die dort
zernirten Deutschen unverletzt vor und geleitete sie unter seiner
Obhut an ein Boot, das sie sicher an Bord der Barawa brachte.
Im übrigen warnte er Herrn Vohsen eindringlich vor jedem Versuch,
an Land zu kommen, die Gährung in der Stadt sei eine sehr bedenk-
liche und ein anderer Europäer ausser ihm könne ohne Lebensgefahr
den Ort nicht betreten. Er liess zweifelhaft, wie weit es ihm ge-
lingen würde, die Ruhe wieder herznstellen. Am 8. trafen Herr von
Zelewski und seine Genossen in Sansibar ein, und am Abend langte
auch das Kreuzergeschwader, von Tanga kommend, an. Dem Herrn
Admiral legte der Generalkonsul die Lage in Pangani ausführlich
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Die deutschen Kolonien.
213
dar, und derselbe stimmte seiner Ansicht bei, dass vorläufig abgewartet
werden müsste, ob Matthews irgend welchen Erfolg habe, dass auch
die Entsendung eines deutschen Kriegsschiffes momentan nicht an.
gebracht wäre, weil dessen Erscheinen die Aufgabe des Generals nur
erschweren dürfte. Am 11. September kehrte General Matthews nach
Sansibar zurück, es war ihm geglückt, die Ruhe wieder herzustellen,
die regulären Truppen hielten angeblich die Ordnung in der Stadt auf-
recht, und die Bevölkerung hatte die Waffen niedergelegt. Mit Matthews
erschienen vier Abgesandte der Einwohnerschaft, um dem Sultan ihre
Beschwerden vorzutragen. Nachdem der Sultan sie angehört hatte,
veranlasst« er sie, zu den Generalkonsul zu kommen, und am 14.
wurden sie in Gegenwart des General Matthews und des Herrn Vohsen
von denselben vernommen. Der Sprecher, Ali ben Betcha, setzte
weitläufig alle Punkte auseinander, welche die Bevölkerung gegen
die Deutschen aufgebracht hatten, und brachte dabei die unsinnigsten
Behauptungen vor; so sollte ihnen z. B. gesagt sein, alle Einwohner
von Paugani müssten jetzt Deutsche werden und würden bei Be-
strafungen zur Verbüssung der Strafe nach Deutschland geschickt.
Matthews rieth dringend davon ab, in den nächsten Wochen Europäer
nach Pangani zu entsenden, die Gesellschaft solle sich vielmehr zu-
nächst auf die Leitung des Zollwesens durch Parsi oder Inder be-
schränken und die Verwaltung und Gerichtsbarkeit einem einhei-
mischen Wali übertragen. Sei es erst gelungen, die bewaffnete Land-
bevölkerung aus Pangani wieder zu entfernen, die Karawanenstrasse
zu öffnen und eine allgemeine Beruhigung herbeizuführen, so werde
in vielleicht 4 oder 6 Wochen ein europäischer Angestellter ohne
Gefahr erst im Zollhause Einzug halten und dann schrittweise die
übrigen Verwaltungszweige an sich ziehen können. Said Khalifa
machte in einer Konferenz am 16. den Vorschlag, er wolle Matthews
von Neuem nach Pangani schicken, daselbst Gouverneure einsetzen
und diesen provisorischen Zustand andaueru lassen, bis die Verhält-
nisse die Rückkehr der Gesellschaftsangestellten gestatten würden.
Das Zollhaus sollte unter direkter Leitung der Gesellschaft verbleiben,
aber durch Inder oder Parsi verwaltet werden. General Matthews
wurde mit den regulären Truppen wieder nach Pangani geschickt,
versammelte die angesehenen Einwohner, sowie die Führer der her-
eiugeströmten Landbevölkerung, verlas ihnen die Schreiben des Sultans
und setzte den von demselben bestimmten Araber als Wali ein. An-
fangs schien alles gut zu gehen, dann berief aber der eigentliche
Leiter des Aufstandes, ein in der Nähe von Pangani ansässiger
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Die deutschen Kolonien.
Araber Namens Busehiri . seinerseits eine Versammlung auf sein
Landgut, und von dem Tage an schlug die Stimmung gegen den
General um. Die Araber begannen, ihm als Christen auszuweichen,
sein Haus wurde Tag und Nacht von Bewaffneten umringt, und er
wäre ermordet worden, wenn nicht seine Soldaten ihn mit ihrem
eigenen Leben geschützt hätten. Gegen den vom Sultan ernannten
Wali hatten die Aufständischen nichts einzuwenden und waren bereit,
ihn als Obrigkeit anzuerkennen, weil er Mohamedaner und einer der
ihrigen war. Als dann die Aufrührer versuchten, die regulären Sol-
daten ihrem Führer abspenstig zu machen, sah General Matthews
ein, dass sein Bleiben in Pangani nichts nützte, und da nach den
Nachrichten aus Tanga, wo die Bewegung ebenfalls von Pangani aus
geleitet wurde, die gleiche Erfolglosigkeit seines dortigen Einschreitens
vorauszusehen war, so kehrte er am 23. mit seinen Soldaten nach
Sansibar zurück. Er berichtete, dass an der Befestigung der Stadt
eifrig gearbeitet werde und an der schmalen Einfahrt in den Hafen
Verschanzungen in der Weise angelegt worden seien, dass die Fahr-
rinne von drei Seiten mit Gewehrfeuer bestrichen werden könne, und
dass die Werke Tag und Nacht von Bewaffneten besetzt gehalten
würden.
ln Tanga, dem nördlichsten Hafen platz des Gebietes, hatte die
Uebernahme der Zollverwaltung in der vorgeschriebenen Weise statt-
gefunden, nachdem der Wali alle AusHüchte aufgegeben und für die
am 31. August vorzunebmende Flaggenhissung seine Unterstützung
zngesagt hatte. Indessen lehnte er dies später wieder ab, so dass
der Stationsvorsteher sich nach Sansibar mit der Bitte um Ent-
sendung eines Kriegsschiffes wandte. Es verliefen darauf die nächsten
fünf Tage ruhig, nur hörte Herr von Frankenberg aus dritter Hand,
der Wali habe geäussert, falls ein deutsches Kriegsschiff landen
wollte, würde er auf dasselbe schiessen lassen und die Landung ver-
hindern. Am 5. September, Abends, traf die Möwe in der Tanga-
bucht ein. Die Beamten der Station beschlossen, erst am 6. Sep-
tember, Morgens, an Bord zu gehen; zwar hörten sie des Abends
mehrfaches Schiessen, beachteten dies indess nicht weiter, da solcher
Unfug sehr häufig ausgeübt wurde. Zu ihrer Ueberraschung erfuhren
sic am andern Morgen bei ihrer Ankunft an Bord, dass der Wali
auf ein Boot des Kriegsschiffes, welches in der friedlichen Absicht,
Einkäufe zu machen, ans Land gefahren war, habe schlossen lassen.
Auch auf die Beamten der Gesellschaft, während sie an Bord fuhren,
liess der Wali ein heftiges Feuer vem Lande aus anstellen. Darauf
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Die deutschen Kolonien.
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hin befahl der Kommandant der Möwe, ein grosses und ein kleines
Boot zu bemannen, welche den Strand schnell reinfegten, dann wurde
die Höhe mit Schützenaulauf genommen uud es wurden die Araber
eine kurze Strecke verfolgt. (Siehe Seite 106.) Die Herren von
Frankenberg und Klenze, welche sich weigerten, ohne ausdrücklichen
Befehl ihren Posten in Tanga zu verlassen, kehrten darauf in ihre
Wohnung zurück, während die Möwe die Anker lichtete und abfuhr.
Der Wali war mit sämmtlichen Arabern in die Landgüter gellüchtet
und kehrte auch nach Abfahrt der Möwe nicht zurück. Am Nach-
mittag desselben Tages wurden dann die Flaggen gehisst. Am
7. September, Morgens früh, kehrte der Wali zurück und hat wegen
des Geschehenen um Entschuldigung und um die Erlanbniss, in
seinem Hause bleiben zu dürfen, was ihm gestattet ward. Als
jedoch gegen 10 Uhr Morgens das Geschwader erschien, flüchtete er
abermals und es gelang dem Admiral deshalb nicht, ihn zu ver-
haften. Die beiden Beamten der Station, gemäss eines ihnen er-
theilten Befehls, schifften sich alsdann an Bord des Flaggschiffes
nach Sansibar ein.
In den Häfen der südlichen Hälfte des unter Verwaltung der
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft stehenden Küstengebietes fand
mit Ausnahme von Kiloa Kivinje die Flaggenhissung ohne
Störung statt. In Dar-es-Salaam erwarb der dortige Bezirkschef,
Herr Lene, bald eine so angesehene und einflussreiche Stellung, dass
auch die Araber sich willig seiner Autorität beugten und er die
Situation vollständig beherrschte. In Kiloa Kivinje hatte der Wali
Bedenken gegen die Flaggenhissung erhoben; dieselbe wurde in Folge
dessen von dem dortigen Stationschef einstweilen unterlassen. Bei
Weitem die schwierigste Aufgabe war dem Herrn von Eberstein in
Lin di zugefallen. Der Platz war berüchtigt wegen seines Sklaven-
handels, der Sultan selbst hatte nur eine Scheinautorität dort aus-
geübt und die Stadt war ganz in der Gewalt von acht reichen
Sklavenhändlern. Trotz dieser schwierigen Umstände nahm Herr
von Ebersteiu die Flaggenhissung am 16. September vor und erhob
dort bereits Zölle. Aber dieser Zustand dauerte nur kurze Zeit.
ln Mikindani war ebenfalls einige Wochen Alles ruhig ge-
blieben, aber Mitte September strömten Tausende von Bewaffneten,
den Jao- Völkerschaften angehörig, in die Stadt. Der Wali erklärte
dem Bezirksvorsteher Herrn von Bülow, mit dem er in bestem
Einvernehmen stand, er könne die Deutschen einem derartigen
Andrang gegenüber nicht schützen Auf den Rath des Wali be-
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Die deutschen Kolonien.
stiegen die beiden deutschen Angestellten eine Dau, die zeitweise
ans einem Dorfe in der Mikindanibucht beschossen wurde, und ent-
wichen nach Norden, bis sie in Kiloa von der Möwe aufgenommen
wurden.
Als die Schaaren der Aufständischen gegen Lindi heranzogen,
rückten ihnen die in der Stadt befindlichen arabischen Soldaten ent-
gegen, angeblich, um sie zurückzuschlagen ; in Wirklichkeit wurde
nur zum Scheiu viel Pulver verschossen und beide Parteien machten
gemeinschaftliche Sache. Die Sultaustruppeu kehrten darauf in die
Stadt zurück mit der Nachricht, sie könnten gegen die Uebermaeht
des Feindes nichts ausrichten; sie hielten den ßezirkschef unter
strenger Ueberwachung, um nicht zu sagen Gefangenschaft, und
derselbe konnte aus ihren Gesprächen entnehmen, dass sie ihn in
Ketten den herannahenden Aufständischen auszuliefern beabsichtigten.
Durch die Unterstützung eines wohlgesinnten Arabers, der mit zwei-
hundert bewaffneten Sklaven aus der Umgegend von Lindi zu ihm
eilte, aber ihn gegen die Schaaren der Eindringlinge nicht zu halten
vermochte, gelang es Herrn von Eberstein, mit seinem Genossen in
einem offenen Ruderboot zu entfliehen und in die See zu stechen.
Vor der Abfahrt übertrug Herr von Eberstein jenem Araber in aller
Form die Verwaltung des Orts und ernannte ihn zu seinem Ver-
treter. Die Flüchtlinge retteten sich auf eine vorübersegelnde Dau
und gelangten unter mancherlei Fährlichkeiten endlich ebenfalls uach
Kiloa an Bord der Möwe.
In Kiloa waren als Beamte der Gesellschaft Heinrich Hessel
und Gustav Krieger stationirt, welche sich auch auf guten Fuss mit
den Eingeborenen zn stellen suchten, aber uach kurzer Zeit eben-
falls sich unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenübersahen. Am
22. September brach zwischen einem Deutschen und mehreren Ara-
bern ein Streit aus, infolge dessen sich die Deutschen in ihr Stations-
haus zuiückziehen mussten. Die Landbewohner strömten massenhaft
in die Stadt und setzten den deutschen Angestellten eine Frist von
48 Stunden zum Verlassen der Stadt, allein der Bezirkschef
verweigerte aus Pflichtgefühl von vornherein das Verlassen der
Station. Wie es heisst, gingen darauf die Führer der Rebellen in
eine Moschee und schworen den Christen den Tod. Die Empörer
unternahmen dann eiuen Angriff auf die Station, aber die Insassen ver-
teidigten sich tapfer und tödteten mehrere Angestellte. Am Mon-
tag, den 24. wurde Krieger tödtlich getroffen und die Angreifer dran-
gen in das Haus ein. Hessel nahm sich dann, als ihm jede Aus-
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Die deutschen Kolonien.
217
sicht anf Rettung abgeschnitten war, selbst das Leben. Und doch
wäre sie vielleicht möglich gewesen, denn auf Requisition des
Generalkonsuls war die Möwe (siehe Seite 107) am 21. von
Bagamoyo nach Kiloa beordert, welche am 22. dort einlief. Durch
seine Instruktion war aber dem Kommandanten, Kapitän-Lieutenant
Ferber, untersagt, aufs Gerathewohl Böte an das Land zu schickeu,
damit nicht etwa eine Wiederholung der iu Tanga vorgefallenen Er-
eignisse provozirt würde. Bei dem Einlaufen war die Stadt voll
von bewaffneten Eingeborenen, der Strand war dicht besetzt und es
wurde in dem Orte selbst viel geschossen. Da das Stationshaus der
Ostafrikanischen Gesellschaft nicht am Ufer, sondern mitten unter
den übrigen Häusern gelegen war, so konnte es vom Hafen nicht
beobachtet werden ; es war nur zu erkennen, dass die Gesellschafts-
tlagge noch wehte. Der Kommandant wartete ab, bis die Angestell-
ten der Gesellschaft in irgend einer Weise mit ihm in Verbindung
treten würden. Es wurden ihnen sogar Signale gegeben, um au
Bord zu kommen, aber wie konnten die Belagerten entkommen? Die
Möwe fuhr sodann nach Lindi, von wo die beiden Deutschen schon
geflüchtet waren.
Gegen Anfang Oktober waren die Deutschen von den Küsten-
plätzen, mit Ausnahme von Bagamoyo und Dar-es-Salaam vertrie-
ben, der Sultan hatte sich unfähig gezeigt, seinen Verpflichtungen
nachzukommen, sein Abgesandter Nasr ben Soliman, welcher an-
geblich hätte Ruhe in den Küstenplätzen stiften sollen, aber unter
der Hand gegen die Deutschen gewühlt hatte, hatte nichts er-
reicht, war in den südlichen Häfen sogar mit Spott und Hohn em-
pfangen, zwei Deutsche waren ermordet, und über das Schicksal einiger
im Innern sich aufhaltender Deutschen war man im Ungewissen.
Ein Fehler war dadurch begangen, dass verabsäumt war, den Aufstand
bei seinem Entstehen in Paugani rechtzeitig und energisch zu unter-
drücken, weil man die Macht des Sultans dazu für genügend hielt.
Ausserdem hatte der Geschwaderchef der Marine, welche bei Tanga
und Bagamoyo so kräftig eingeschritten war, keine Ermächtigung er-
halten, grössere Operationen als bisher vorzunehmeu, wahrscheinlich
mit Rücksicht auf die Stellung des Sultans und die englische Poli-
tik. Die Gesellschaft hatte auch den Fehler begangen, abgesehen
davon, dass sie zu wenig Beamte in den Küstenplätzen stationirt
hatte, bei den Flaggenhissungen zu rigoros vorzugehen. Fürst Bismarck
sprach sich in einem Erlass an den Generalkonsul, welcher im Auszug
im Weissbuch mitgetheilt worden ist, darüber folgendermaassen aus:
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Die deutschen Kolonien.
Friedrichsrub, den 6. Oktober 1888.
Euer Hocbwohlgeboren Berichte vom Ende August d. J., betreffend die Ueber-
nabme der Verwaltung in dem der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft verpachteten
Küstengebiete des Sultanats von Sansibar, sind mir zugegangen.
Was die darin erwähnten Vorgänge in Bagamoyo und Pangani betrifft, so be-
stärken mich die jetzt vorliegenden ausführlichen Mittheilungen in der Auffassung,
dass das Hissen der Gesellscbaftsflagge in den Küstenhäfen überhaupt weder ge-
boten noch rathsam war, und dass der darüber entstandene Streit hätte vermieden
werden können, wenn die Gesellscbaftsagenten mit der vorsichtigen Beschränkung
auf das praktisch Nothwendige verfahren wären, welche die Vorbedingung des Ge-
lingens gewagter Unternehmungen auf unbekanntem Gebiet bildet.
Nach Artikel 1 des Vertrages zwischen dem Sultan und der Deutsch-Ostafri-
kanischen Gesellschaft vom 28. April d. J. soll die Verwaltung des Küstengebietes
im Namen und unter der Flagge des Sultans mit Wahrung der Souveränetätsrecbte
Seiner Hoheit geführt werden. Diesem maassgebenden Grundsätze bat das Auftreten
der Gesellschaft in der Frage der Flaggenhissung nicht entsprochen.
Der Sultan blieb auch nach dem Vertrage der Landesherr in den Küsten-
gebieten. Seine Autorität auszuüben und den Eingeborenen gegenüber für die
Zwecke der deutschen Verwaltung nutzbar zu machen, war die Aufgabe der Gesell-
schaft, welche an sich und ohne den Sultan weder den auf Gemeinsamkeit der
Abstammung und des Glaubens beruhenden Einfluss des Sultans über das mächtige
arabische Element besass, noch über die in das Innere des Landes reichenden
Machtmittel des Sultans verfügte, durch welche letzterer bisher seinen Anordnungen
Gehorsam zu verschaffen gewusst hatte.
Noch bedenklicher und in seinen Folgen gefährlicher war das Verfahren,
welches gleichzeitig mit dem Hissen der neuen Flagge in Bagamoyo gegen die dort
webende Sultansflagge beobachtet wurde. Wenn auch wirkliche Gewaltthätigkeiten
nicht vorgekommen sind, so hätte doch die Mitwirkung der Matrosen unseres Kriegs-
schiffes beim Herunternehmen der Flagge und des Flaggenstocks, wodurch die ersten
unwahren Berichte an den Sultan über Verletzung der Flagge und seiner Hoheits-
rechte veranlasst wurden, unterbleiben sollen.
Die Frage, ob der Wali mit seiner Weigerung, die bisherige Flagge auf dem
Hause des Sultans einzuziehen, formell im Rechte war oder nicht, ist dabei nicht
entscheidend. Der Kechtspunkt hätte seitens der Gesellschaft überhaupt nicht in
den Vordergrund gestellt werden sollen, sondern angesichts der schwachen Stellung
der deutschen Verwaltung musste dieselbe unter Schonung aller nationalen Vor-
urtheile der Bevölkerung durch geschickte Behandlung des Sultans und seiner Walis
gerade diese ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. Das Verfahren ist, wie
mir scheint, mehr energisch als umsichtig gewesen, und die Energie ist in diesem
Gebiete ausserhalb der Tragweite unserer Scbiffsgcschütze nur mit unverhältniss-
mässigen Opfern durchzuführen. gez. von Bismarck.
Es ist hier an der Zeit, die sogenannte Antisklavereibewegnng in
den Kreis unserer Betrachtungen zu ziehen, welche, vom Kardinal La-
rigerie aDgeregt, auch manche Kreise der deutschen Katholiken und
Protestanten in so grosse Aufregung gebracht hatte (siehe Seite 23),
dass die ersteren damit vorgingen, ganz Deutschland mit einem Netz
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von „Afrikavereinen“ zu überziehen. Fürst Bismarek suchte und fand
hier den Hebel, um durch eine grosse internationale Aktion dem Un-
wesen des Sklavenhandels zu steuern und damit zugleich dem Araber-
thum an der Küste die schwersten Wunden zu schlagen. Der Kanzler
brauchte, um sein Vorgehen aus rein humanitären Gesichtspunkten zu
begründen, nur auf den Artikel 9 der Kongoakte hinzuweisen, welcher
lautet:
„Da nach den G rundsätzen des Völkerrechts, wie solche von den Signatar-
mäcbten anerkannt werden, der Sklavenhandel verboten ist, und die Operationen,
welche zu Lande oder zur See diesem Handel Sklaven zufübren, ebenfalls als ver-
boten anzusehen sind, so ei klären die Mächte, welche in den das konventionelle
Kongobecken bildenden Gebieten Souveränetätsrechte oder einen Einfluss ausüben
oder ausüben werden, dass diese Gebiete weder als Markt noch als Durchgangs-
strasse für den Handel mit Sklaven, gleichviel welcher Rasse, benutzt werden sollen.
Jede dieser Mächte verpflichtet sich zur Anwendung aller ihr zu Gebote stehenden
Mittel, um diesem Handel ein Ende zu machen und diejenigen, welche ihm obliegen,
zu bestrafen.“
Das konventionelle Kongobecken umfasst alle Gebiete, welche
vom Kongo und seinen Nebenflüssen durchströmt werden, einschliess-
lich des Tauganyikasees und seiner östlichen Zuflüsse ; zu dem Frei-
handelsgebiet des Kongobeckens gehört ferner ganz Ostafrika vom
fünften Grade nördlicher Breite bis zur Mündung des Sambesi, vor-
behaltlich der Zustimmung der hier vorhandenen unabhängigen und
souveränen Staaten. Nach Artikel 6 verpflichten sich alle Mächte,
welche in dem Freihandelsgebiet Souveränetätsrechte oder einen Ein-
fluss ausüben, zum Schutze aller religiösen, wissenschaftlichen und
wohlthätigen Einrichtungen, sowie zur Unterdrückung der Sklaverei
und insbesondere des Negerhandels. Das Sultanat Sansibar ist noch
unter Said Bargasch, den England schon in den siebziger Jahren zum
Verbot der Sklaventransporte zu Wasser gezwungen hatte, der Kongo-
akte unter Vorbehalt seiner Zollrechte beigetreten.
Der Austausch der Ansichten über die Gründe der Unruhen in
Ostafrika und die Stellung des Snltans von Sansibar Hessen bald, nach-
dem die Vorfrage erledigt, das volle Einverständniss zwischen den Re-
gierungen Englands und Deutschlands über die Hauptpunkte ihrer
Politik in jenen Gegenden erkennen. Beide Regierungen waren einig
in der Auffassung, dass die erste Aufgabe die Wiederherstellung und
Aufrechterhaltung der Autorität des Sultans von Sansibar gegenüber
der aufständischen Bewegung des Festlandes sein müsse. Militärische
Expeditionen in das Innere wurden von der deutschen Regierung
als nicht zweckmässig erachtet und deshalb die Errichtung einer
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Die deutschen Kolonien.
Blokade vorgeschlageu , welche zwischen Kipini und dem Rovuma-
flusse durch deutsche und englische Schiffe unter Mitwirkung des
Sultans von Sansibar ausgeführt werden sollte. Ursprünglich beab-
sichtigte man deutscherseits, jeglichen Handelsverkehr mit den rebel-
lischen Küstendistrikten abzuschneiden, beschränkte sich dann aber
auf das Verbot der Einfuhr von Kriegsmaterial und Ausfuhr von
Sklaven. Der Sultan von Sansibar zögerte lange mit seiner defi-
nitiven Erklärung, endlich begann die Blokade am 2. Dezember,
nachdem am 30. November folgende Bekanntmachung von den beiden
Admiralen erlassen war:
Auf Befehl uDserer hoben Regierungen und im Namen Sr. Hoheit des Sultans
von Sansibar erklären wir, die kommandirenden Admirale des deutschen und eng-
lischen Geschwaders, hiermit die Blokade der ununterbrochenen Küstenlinie des
Sultanats von Sansibar mit Einschluss der Inseln Mafia, l.amu und anderer kleiner
nabe der Küste liegendeu Inseln zwischen dem 10. Grad 2 8 Minuten und 2. Grad
10 Minuten südlicher Breite. Die Blokade ist jedoch nur gegen die Einfuhr von
Kriegsmaterial und Ausfuhr vou Sklaven gerichtet. Die Blokade wird in Kraft
treten am Mittag des 2. Dezember d. J.
Deinbard. Fremantle.
Ueber das Blokadegeschwader, die Betheiligung von Portugal und
Italien, sind bereits auf Seite 107 und 108 Einzelheiten mitgetheilt
worden. Portugal ist faktisch den Blokademaassregeln beigetreten
und hat sich iu dankenswerther Weise bereit erklärt, etwa 2 1 /2 Breite-
grad an der Küste von Mozambique zu blokireu, wahrend Frankreich
eine mehr abwartende Stellung einnahm. Frankreich war dem Ver-
trage vom Jahre 1841, den die damaligen vier anderen Grossmächte
abschlossen zur Unterdrückung des Sklavenhandels, nicht beigetreten.
Es war ein prinzipielles Bedenken, das die Franzosen davon abhielt,
den Vertrag, den sie schon abgeschlossen hatten, zu ratifiziren. Sie
glaubten nämlich, dass es mit der Würde der französischen Flagge
nicht verträglich wäre, dass Schiffe, die sie führten, von englischen
Kreuzern untersucht würden, selbst wenn diese Schiffe von Arabern
geführt würden und Sklaven an Bord hätten. Vou allen vier Gross-
raächten: England, Russland, Preussen und Oesterreich, war es nur
England, das Kreuzer in fernen Meeren halten konnte, so dass Eng-
land auch die einzige Macht war, die seit dem Jahre 1841 dem
Sklavenhandel entgegengetreteu ist, insoweit dieser nicht unter fran-
zösischer Flagge fuhr. Die französische Regierung kam jetzt doch
soweit entgegen, dass sie zusagte, ihre ostafrikanische Station wesent-
lich zu verstärken, und sich nur. festhaltend an ihrem alten Stand-
punkt, ausbedang, dass diejenigen Schiffe, welche, obgleich sie
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Arabern gehörten, ihre Heimathpapierc in Obok oder Madagaskar
genommen hätten und die französische Flagge führten, dem nächsten
französischen Konsulat oder dem nächsten französischen Kriegsschiff
überwiesen werden sollten. Auch Italien entsendete ein Kriegsschiff.
Am Ende des Jahres waren sechs deutsche und fünf englische Kriegs-
schiffe an der ostafrikanischen Küste stationirt, von denen nur die
deutschen Erfolge in Abfangen von Sklavenschiffen aufzuweison
hatten. Es worden mehrere Dans mit Sklaven aufgebracht, welche
der deutschen Missionsstation in Dar-es-Salaam überwiesen wurden,
sehr zu dem Nachtheil der letzteren, wie später sich zeigte.
Während die Aktion der Mächte sich vorbereitete, nahm der
Aufstand an Intensität und Ausdehnung zu. Hinter Pangani auf der
Plantage Lewa der deutsch-ostafrikanischen Plantagengesellschaft
waren eine Auzahl Deutscher beschäftigt, welche bald von den Em-
pörern angegriffen wurden. Am 29. September kamen von dem
Araber Buschiri 4 bewaffnete Leute, welche sie aufforderten, mit
nach Pangani und von dort nach Sansibar zu gehen. Dies Anerbieten
schlugen sie aus, da sie irgend einen Hinterhalt vermutheten. Als
ihnen jedoch am 3. Oktober von einem Araber und vier Askaris ein
Brief des Wali von Pangani, Soliman ben Nasr, überbracht wurde,
worin er sie bat, unverzüglich nach Pangani zu kommen und
von dort nach Sansibar zu gehen, da in erstgenanntem Orte zn
viele Bewaffnete versammelt seien und es nicht denkbar sei, gegen
diese Lewa zu halten, konnten sie zu ihrem grössten Leidwesen nicht
anders, als der Uebermacht weichen, umsomehr als es klar war, dass
die Station Lewa wegen des Mangels an Munition und wegen der
geringen Anzahl von Gewehren eine längere und wiederholte Be-
lagerung nicht ertragen konnte. Gerade in dieser Noth kam ihr
freundschaftliches Verhältniss zu den Eingeborenen so recht zu Tage.
Als sie am Morgen des 5. Oktober die Plantage Lewa verliessen,
kamen wohl 150 Männer, Weiber und Kinder freiwillig zum Ab-
schied. Alle weinten, als sie einigen die Hand zum Abschied reichten.
Die Deutschen gingen am 5. Oktober Morgens 6 Ühr nach Tschogwe
und von dort mittelst Bootes weiter nach Pangani, wo sie Abends
um 8 ühr eintrafen. Am Strande waren zu ihrer Sicherheit 60 As-
karis aufgestellt, doch waren dieselben kaum im Stande, die wüthen-
den Volksmassen ihnen vom Halse zu halten. Unter dem Hohnge-
heul der Menge kamen sie beim Wali an, der ihnen ein festes Haus
anwies und versprach, die Dau zum nächsten Morgen zur Abfahrt
bereit zu halten. Am nächsten Morgen begaben sie sich an Bord
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Die deutschen Kolonien.
der Dau, wurden aber durch die Niederträchtigkeit des Führers der-
selben auf den Sand gerannt und mussten daher, weil die Fluth einsetzte,
nochmals einen Tag in Pangani zubringen, wo noch verschiedene
Gelderpressungen gemacht wurden. Es wurde ihnen aber dann
sicher versprochen, dass sie am nächsten Morgen mit dem Frühesten
segeln könnten. Um 2 Uhr Morgens begaben sie sich auf die Dan
und lichteten um 3 Uhr den Anker. Kurz bevor sie die beiden in
den Hafen einspringenden Landspitzen passirten, wurden sie scharf
beschossen, glücklicher Weise ohne Erfolg.
Das Schicksal, geplündert und sogar thätlich angegriffen zu
werden, theilte auch noch der Afrikareisende Dr. H. Meyer, welcher
1887 den Kilimandscharo bestiegen hatte, und sich mit Dr. A. Bau-
mann auf einer Forschungsreise in den Gebirgen von Usambara be-
fand. Sie mussten erst ein hohes Lösegeld au Buschiri zahlen, ehe
sie glücklich aus Pangani heraus gelangten.
Die Deutschen in Sansibar hatten sich erboten, wie hier noch
rühmend hervorgehoben zu werden verdient, die Deutschen auf Lewa
zu entsetzen, aber dieses Opfer wurde auf telegraphische Anfrage in
Berlin nicht genehmigt. Der Gefälligkeit eines reichen luders Soli-
man ben Rashid, welcher Vorschüsse lieferte, verdankten die befreiten
Deutschen viel. Im Allgemeinen haben sich sonst die Inder, welche
von den Eingeboruen wenig zu fürchten hatten, recht kläglich be-
nommen. Bei vielen Arabern waren sie zwar wegen ihrer Wucher-
geschäfte nicht beliebt, aber sie waren für dieselben doch ein noth-
wendiges Uebel. Aber die Inder, in ihrem augenblicklichen Erwerbe
gestört, hatten nichts Eiligeres zu thnn, als zu flüchten nnd die Welt
mit ihren Klagen zu erfüllen.
Die Deutschen am Kilimandscharo waren sicher, da die
Dschaggafürsten Freunde der Deutschen waren, aber in Mwapwa
und Kiora befanden sich noch einige Deutsche, über deren Schicksal
bis Ende des Jahres nichts Genaueres verlautete, obwohl nach Baga-
moyo gekommene Karawanen sie noch lebend angetroffen haben
wollten, was der beste Beweis dafür w ar, dass der Aufstand sich nicht
nach dem Innern zu verbreitet hatte. Die in den Kinganistationen
Dunda, Madimola und Usungula befindlichen Deutschen erhielten
Befehl, sich nach der Küste zurückzuziehen, was sie auch später
glücklich ausführten. Die deutschen katholischen Missionare in Pngu
(siehe Seite 51) hinter Dar-es-Salaam erklärten aber, auf ihrem
Posten bleiben zu wollen. Auch einige englische Missionare harrten
aus, obwohl ihnen von England aus der Befehl zur Abreise zuge-
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Die deutschen Kolonien.
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kommen war. Da der deutsche Admiral zu Anfang Oktober beab-
sichtigte, die Garnison aus Bagamovo zurückzuziehen, eine Hal-
tung der Station ohne die Hülfe der MariDe unmöglich war und auch
Dar-es-Salaam dann hätte aufgegeben werden müssen, schien der
Zeitpunkt gekommen, wo der letztere Hafen von den Deutschen
geräumt war.
Aber dieser letzte Schritt wurde vermieden, da die Weisung
aus Berlin eintraf, die beiden Plätze zu halten, gegen welche nun-
mehr Buschiri, der jetzt offen au die Spitze der liebellion trat, seine
Schaaren führte. In Bagamovo liessen sich die Verhältnisse besser
an, Karawanen kamen an und der Bezirkschef konnte im Oktober
noch einige Streifzüge unternehmen. In der Majorität der Bevölke-
rung herrschte eine heftige Erbitterung gegen die wenigen Unruhe-
stifter, durch welche der Verkehr gestört und allgemeine Hungers-
noth in der Umgegend hervorgerufen war. Von den Indern, welche
ihr Leben nach Sansibar in Sicherheit gebracht, waren schon einige
zurückgekehrt, nachdem sie bemerkt hatten, dass die wenigen zurück-
gebliebenen Stammesgenossen dort bei dem Mangel an Konkurrenz
brillante Geschäfte machten. Trotz aller ungünstigen Verhältnisse wurde
in der provisorischen Hüttenstadt, welche in den Palmenptlanzungen
der französischen Mission entstanden war, ein lebhafter Elfenbein-
handel betrieben. Um den Zufuhren von Pulver und Waffen aus
Whindi ein Ende zu machen und den Aufrührern diese Bezugsquelle
abzuschneiden, ging der Admiral auf der Sophie am 31. Oktober
nach dorthin. Den Einwohnern wnrde eine Frist gesetzt, um ihre
Weiber und Kinder in Sicherheit zu bringen, worauf sie erwiderten,
sie wollten sogleich mit den Deutschen Krieg machen; der Admiral
wartete trotzdem, bis die Frist abgelaufen war, und dann beschoss
die Sophie (siehe Seite 107) die aus mehreren Dörfern bestehende
Ortschaft. Die zahlreichen Explosionen ergaben das Vorhandensein
ansehnlicher Pulverquantitäten in den Häusern. Nach dem Bombarde-
ment wurde ein Landungskorps an Land geschickt und die Baulich-
keiten, sowie Segel- und Ruderfahrzeuge zerstört. Am 5. Dezember
aber wurde von Buschiri ben Salam ein Angriff auf Bagamovo unter-
nommen, der seitens der Angestellten der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft unter Mitwirkung einer Dampfbarkasse von der Leipzig
und dem mit einer Revolverkanone ausgerüsteten Gesellschaftsdampfer
Jühlke zurückgeschlagen wurde. Da für den folgenden Tag ein
erneuter Angriff erwartet wurde, so legte der Admiral eine Garnison
in das Stationshaus der Gesellschaft. Am Morgen des 7. zeigten
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Die deutschen Kolonien.
sich die Rebellen wieder in der Stadt, sie verbarrikadirteu mehrere
Steinhäuser und legten am Strande regelrechte Schützengräben an.
Durch einige Granaten der Leipzig wurden sie schleunigst zum Ver-
lassen ihrer gedeckten Stellung gezwungen, und das an das Land
gesandte Detachement trieb sie darauf im Verein mit den Ange-
stellten der Gesellschaft zur Stadt hinaus. Dieses Mal schieneu die
Rebellen es hauptsächlich auf Plünderung und Brandstiftung abge-
sehen zu haben, mehrere indische Häuser wurden ausgeraubt, indi-
schen Frauen die Schmucksachen gewaltsam vom Körper gerissen
und ein Theil der Stadt in Asche gelegt. Die Folge war, dass die-
jenigen Inder, welche wieder nach Bagamovo zurückgekehrt waren,
schleunigst das Weile suchten und mit ihren Familien nach Sansibar
znrückkehrten. Am 24. Dezember erfolgte ein neuer Angriff auf
die Station der Deutsch -Ostafrikanischen Gesellschaft; durch das
wohlgezielte F’euer aus dem Stationsgebäude und einige Granaten
aus der Carola wurde der Feind bald zum Rückzug veranlasst und
leistete dem Vorrücken eines Landungskorps desselben Schiffes, ver-
bunden mit den Stationssoldaten, keinen Widerstand. Verluste kamen
auf deutscher Seite nicht vor. Seitdem hatte Buschiri zwischen Baga-
moyo und dem Kingani auf einer Anhöhe ein befestigtes Lager an-
gelegt und beunruhigte von dort aus die Stadt, indem er von Zeit
zu Zeit seine Leute gegen die Station vorschickte.
ln Dar-es-Salaam hatte der Stationsvorsteher Leue es verstanden,
durch ein energisches Auftreten diejenigen Elemente in Schach zu
halten, welche Unruhen anzetteln wollten, aber am 23- und 24. De-
zember drangen aufständische Banden in die Stadt, um zu plündern,
und später wurde auch die dortige Missionsstation angegriffen und
zerstört, die Missionare vertrieben und die dorthin gebrachten, von
der Leipzig befreiten Sklaven wieder in die Sklaverei fortgeführt.
Die Missionare von Pugu aber erlitten ein schlimmeres Schicksal,
einige wurden bei einem Angriff der Rebellen getödtet und andere
gefangen genommen.
Die öffentliche Meinung war durch diese Vorgänge auf das
tiefste erregt und die Regierung wurde durch die öffentliche Meinung
auf einen neuen Weg gedrängt, um einen Umschwung der Verhält-
nisse herbeizuführen, was um so schwerer war, als der Küsten-
strich dem Sultan von Sansibar gehörte und die Empfindlichkeit.
Englands geschont werden musste. Wenn nun auch manche Stimmen
sich abfällig über die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft äusserten,
so war doch nicht zu bestreiten, dass in Ostafrika deutsche Interessen
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Die deutschen Kolonien
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geschützt werden mussten. Um eine Verständigung zwischen den
verbündeten Regierungen und der Volksvertretung zu erleichtern,
war es von grossem Vortheil, dass humanitäre nnd koloniale Inter-
essen sich zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutze
der deutschen Unternehmungen in Ostafrika vereinigen konnten. Im
Reichstage brachte der Abgeordnete Windthorst, der Führer des
Zentrums, das Gewicht immer auf die humanitäre Seite der Frage
legend, Anfang Dezember folgenden Antrag ein:
.Der Reichstag wolle beschliessen, den verbündeten Regierungen gegenüber
nachfolgende Erklärung abzugeben: 1. Der Reichstag spricht auch seinerseits die
(Jeberzeugung aus, dass, um Afrika für christliche Gesittung zu gewinnen, zunächst
die Bekämpfung des Negerhandels nnd der Sklavenjagden nothwendig sein wird.
2. Der Reichstag wird bereit sein, die Maassregeln, welche die verbündeten Regie-
rungen zu diesem Zwecke vorzuschlagen gedenken, in die sorgsamste Erwägung
zu ziehen und auch seinerseits zu unterstützen. 3. Der Reichstag spricht die Hoff-
nung aus, dass es gelingen wird, die übrigen betheiligten Mächte zur Mitwirkung
bei Ausführung dieser Maassregelu zu bestimmen, insbesondere auch dahin zu wir-
ken, dass die in den verschiedenen Ländern zum Zwecke der Bekämpfung des
Negerbandeis und der Sklaveujagden sich vorbereitenden Unternehmungen nach
einem einheitlichen, durch Vereinbarung festzusetzenden Plane durchgeführt
werden.“
Dieser Antrag war, rein losgelöst von allem Kolonialpolitischen,
an und für sich eine vortreffliche Anregung, er wurde unschätzbar
als die Brücke zu den weiteren Erörterungen über die Lage in Ost-
afrika. Am 14. Dezember entwickelte sich eine Debatte über die
kolonialpolitischen Aufgaben des Reiches in dem Reichstage, in deren
Verlauf sich bald herausstellte, dass zwischen der grossen Mehrheit
des Reichstags und den verbündeten Regierungen volles Einverständ-
nis darüber herrschte, dass in Ostafrika die deutsche Ehre engagirt
sei, dass es kein Rückwärts mehr gebe. Der Abgeordnete Woermann
verfocht unter vielem Beifall den Satz, dass die freie Arbeit des
Negers einen grösseren Vortheil biete, als die Sklavenarbeit,
dass in den Negern eine bedeutende Arbeitskraft schlummere,
und dass England grosse Vortheile politischer und wirtschaft-
licher Natur trotz der kolossalen Opfer aus seinem Kampf gegen
die Sklaverei gehabt habe. Die Abgeordneten v. Helldorff und v. Kar-
dorff befürworteten ebenfalls aufs lebhafteste ein kräftiges Einschrei-
ten des Reichs, während Herr Bamberger seinen ablehnenden Stand-
punkt zur Geltung brachte. An den Ausdruck „Landblokade“ an-
knüpfend, welchen Herr v. Helldorff angewendet hatte, setzte Graf
Bismarck auseinander, welche Schritte die Regierung auzuwendeu
gedachte, um auf dem Festlande zu operiren und zugleich die Marine
Jahrbuch für Deutsche Kolouialpolitik. 15
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Die deutschen Kolonien.
zu entlasten, welche durch die Blokade übermässig in Anspruch
genommen war. Die Regierung hatte es sich angelegen sein lassen, den
Rath von Männern, welche über die Lage ein fachmännisches Urtheil
hatten, einzuholen und besonders der zum Hauptmann beförderte Herr
Wissmann zugezogen, in der Absicht, ihn als Reichskommissar nach
Ostafrika zu schicken. Derselbe war von der Leitung des Emin-Paseha-
Untcrnehmen8, welche jetztDr. Peters übernahm (sieheSeite 129) zurück-
getreten und hatte sich gern in den Dienst des Reichs gestellt, um dem-
selben seine Erfahrungen zu widmen. Diese Landblokade sollte an einigen
grossen Plätzen, wo Karawanenwege münden, in Bagamoyo, Dar-es-
Salaam nndPangani, errichtet werden, und die Mannschaften aus Schwar-
zen, unter der Anführung einer Anzahl Weissen, bestehen. Doch wurden
nur die Umrisse gegeben, da die Regierung erst abwarten wollte,
wie sich der Reichstag zu der Angelegenheit stellen würde. Die
seltene Einmütbigkeit, mit welcher der Antrag Windthorst ange-
nommen wurde, bewies ihr, dass sie auf dem rechten Wege war.
und so gelangte Anfangs des Jahres 1889 folgende Vorlage an den
Reichstag:
§ 1. Für Maassregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz
der deutschen Interessen in Ostafrika wird eine Summe bis zur Höhe von 2000000
Mark zur Verfügung gestellt
§ 2. Die Ausführung der erforderlichen Maassregeln wird einem Reichskom-
missar übertragen, welcher gleichzeitig nach der ihm ertheilten besonderen Instruk-
tion die dem Reichskanzler slatutenmässig zustehende Aufsicht über die Deutsch-
Ostafrikanische Gesellschaft und deren Angestellte in Ostafrika aasübt
§ 3. Der Reichskanzler wird ermächtigt, die erforderlichen Beträge nach
Maassgabe des eintreteuden Bedürfnisses aus den bereiten Mitteln der Reichshaupt-
kasse zu entnehmen.
Die wichtigsten Sätzen der Begründung lauten folgender-
maassen :
Die leitenden Grundsätze der deutschen Kolonialpolitik, wie sie 1884/85 in
amtlicher Erörterung die Zustimmung des Reichstages erhalten haben, bilden auch
gegenwärtig die Richtschnur für das Verhalten der Kaiserlichen Regierung bei
überseeischen Unternehmungen von Reichsangehürigen. Infolge derselben ist dem
Reiche keine Verpflichtung angesonnen worden, deutsche Unternehmer in über-
seeischen Ländern bei Verlusten schadlos zu halten oder ihnen günstige Ergebnisse
auf landwirtschaftlichen Gebieten zu sichern. Die Vortheile, welche der Schutz
des Reiches den Reichsangebörigen gewährt, welche unzivilisirte Gebiete in fremden
Weltteilen zu kolonisiren beabsichtigen, liegen hauptsächlich in dem Schutz des
Gebietes gegen Störungen und Eingriffe anderer Kolonialmächte. Die Intervention
des Reiches kann in der Regel nur anderen auswärtigen Mächten gegenüber zur
Geltung kommen, während die Bewältigung des Widerstrebens wilder Eingeborneu
and anderer, in der Beschaffenheit des zu koioniairenden Landes liegenden natür-
lichen und sozialen Hindernisse Aufgabe der Unternehmer bleiben muss. Auf
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Die deutlichen Kolonien.
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diesem üebiete kann, ausserhalb des Bereichs unserer maritimen Streitkrifte, kolo-
nialen Unternehmungen eine materielle Unterstützung nicht geleistet werden. Des-
gleichen gehört es nicht in das Programm der deutschen Kolonialpolitik, für die
Herstellung staatlicher Einrichtungen unter barbarischen Völkerschaften einzutreten
und dort eine unseren Anschauungen entsprechende Ordnung der Verwaltung und
Justiz herzustellen. Dagegen hat Deutschland in seinen afrikanischen Nieder-
lassungen schon durch die unter Tbeilnabme des Reiches erfolgten Beschlüsse der
Kongokonferenz, in Gemeinschaft mit anderen europäischen Nationen, die Ehren-
pflicht übernommen, sich an der Zivilisirung Afrikas in gleicher Linie mit den
anderen Grossmächten Europas zu betheiligen. Die Erfüllung dieser nationalen
Ehrenpflicht ist uns seitdem praktisch näher getreten durch die Besitznahme eines
beträchtlichen Theiles von Afrika unter deutschem Schutz.
Die erste Vorbedingung für das Gelingen zivilisatorischer Bestrebungen ist
aber die Abstellung der Sklavenausfuhr und der damit verbundenen Jagden und
Kriege, welche das Material für den Menschenhandel liefern. So lange dieser Handel
und seine brutalen Gewaltthaten bestehen, fehlen Afrika die Existenzbedingungen
eines menschlichen Kulturlebens. Im engen Zusammenhänge mit dem Sklaven-
handel steht die innere afrikanische Bewegung, wie sie in den Kriegen des Mahdi
und den Angriffen auf europäische Ansiedelungen und Missionen am oberen Kongo,
an den afrikanischen Binnenseen und anderen Gebieten Zentralafrikas zn Tage ge-
treten ist. An der europäischen Zivilisation der unversöhnlich feindlichen Ele-
mente im Kinverständniss mit anderen christlichen Mächten mitzuwirken, ist durch
den deutschen Mitbesitz in Afrika zu einer Ehrenpflicht des deutschen Reiches ge-
worden. Die ostafrikanische Gesellschaft ist ein Organ, durch welches diese Auf-
gabe der Nation zunächst wahrgenommen werden kann, und ihr 50jähriger Vertrag
mit dem Sultan giebt ihr die Handhabe, auf den für Deutsche reservirten weiten
Gebieten im Sinne dieser Aufgabe thätig zu sein, ln dieser ihrer Stellung liegt ihr
Anspruch auf Unterstützung durch das Reich behufs Abwehr der Angrifle auf die
deutschen Niederlassungen an der Küste von Sansibar.
Am 25. Januar gelangte die Vorlage zur Berathnng im Reichs-
tage. Anwesend war ansser dem Fürsten Bismarck auch der für
diese Gelegenheit zum Bundeskommissar ernannte Hanptmann Wiss-
mann. Die Verhandlungen begannen mit einer Rede des Grafen Bis-
marck, in welcher derselbe die verschiedenen Momente, welche die Ent-
sendung eines Reichskommissars erforderlich machten, zusammenfasste:
die Unterdrückung des Sklavenhandels, die schlimme Lage der Missio-
nare. die angestrengte, in dem tropischen Klima für die Besatzung
der Marine gefährliche Tliätigkeit und die Unmöglichkeit für die
Ostafrikanische Gesellschaft, ausserhalb derjenigen Zwecke, für welche
sie in ’s Leben gerufen , grosse Mittel aufzuwenden. Es sei deshalb
wünschenswerth, auf dem Festlaude ein amtliches Organ zu haben,
und Hanptmann Wissmann sei für den Posten eines Reichs-
kommissars in Aussicht genommen. Hauptmann Wissmann ergriff
sodann das Wort, um die Lage an der Küste zu schildern, den Auf-
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1 »ie deutschen Kolonien.
stand der Araber, die Unmöglichkeit, anders als mit Gewalt durch-
greifen zu können, und die Mittel nnd Wege, des Aufstandes Herr
zu werden. Es solle vor allem der Sklavenhandel unterbunden
werden, nicht aber der andere Handel, der sich hauptsächlich auf
Elfenbein und Gummi beziehe. Dieser Handel hänge zugleich zu-
sammen mit dem Verbot der Einfuhr von Pulver und Waffen Nur
mit Feuergewehren ausgerüstet, sei es den Karawanen möglich, im
Innern ihren Handel zu treiben und die Karawanenstrassen zu be-
treten, denn sie müssten sich zugleich gegen habgierige Eingeborene
wehren können. Es sei daher angezeigt, das Verbot der Einfuhr
von Waffen, sobald es die Umstände erlauben, dahin zu modiüziren,
dass man Massregeln treffe, wie sie an der Zulugrenze, in einigen
portugiesischen Kolonien und auch im Kongostaat getroffen seien. Er
kam noch auf den Branntweinhandel zu sprechen, dessen Schädlich-
keit vielfach übertrieben sei, lobte die Fruchtbarkeit des ostafrika-
nischen Küstengebietes, polemisirte gegen den Ausspruch des Dr.
Fischer: wo es in Afrika fruchtbar sei, da sei es ungesund, und wo
es gesund sei, da sei es unfruchtbar, und sprach die Ueberzeugnng
aus, dass die zu dem bevorstehenden Unternehmen beantragten Mittel
sich für Deutschland lohnen würden. Die Bewegung, die jetzt in
Ostafrika aufgetreten sei, habe er vor achtzehn Monaten, als er zum
zweitenmale, von der Westküste ausgehend, die Ostküste erreichte,
voransgesehen. Diese Bewegung sei unabwendbar gewesen und habe
darin ihre Ursache, dass der Araber eingesehen habe, dass er den
Kampf ums Dasein mit dem Europäer führen müsse. Die Religion
spiele hier gar keine Rolle; sie werde nur hier und da vorgeschoben.
Man schiebe deshalb nicht die Schuld auf andere Umstände, denn
warum einen Sündenbock suchen, wenn man ihn nicht nöthig habe.
Das wichtigste sei, zu erstreben, so schnell als möglich und so
nachdrücklich als möglich Abhilfe zu schaffen. Der Herr Abgeordnete
Bamberger, welcher jetzt das Wort nahm, sprach sich selbstverständ-
lich gegen den Besitz von Kolonien aus, tadelte im ganzen und be-
sonderen alles, was mit dieser Frage zusammenhängt, besonders aber
die Leitung und Beamten der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft,
während der Abg. Windthorst sich für die Vorlage aussprach, in der
Erwartung, dass der Schutz der deutschen Interessen die andere
humanitäre Tendenz, dem Sklavenhandel zu steuern, nicht über-
wuchere.
Fürst Bismarck betonte das freundliche Verhältnis zu England
und dass er fest entschlossen sei, sowohl in Sansibar wie in Samoa
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Oie deutschen Kolonien.
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mit der englischen Regierung Hand in Hand zu gehen. Die Blokade
halte er nicht für sehr wesentlich, sie treffe ja nur die Ausfuhr von
Sklaven, und diese auch nur unvollständig. Er setze seine Hoffnung
auf die Möglichkeit, den fruchtbaren Ostabhang Üstafrikas zum Plan-
tagenbau im tropischen Sinne zu benutzen, um einen grossen T hei I
der Produkte selbst zu gewinnen, welche wir aus anderen Ländern
beziehen müssen, um ferner eineu Theil unserer überflüssigen Kräfte dort
zu verwenden. Nachdem noch die Herren v. Bennigsen, v. Kardorff,
Simonis für die Vorlage, Bebel dagegen gesprochen hatten, wurde
dieselbe einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen, welche
am 28. zur Vorberatbung zusammentrat. In derselben theilte Graf
Bismarck mit , dass von den geforderten zwei Millionen 800 000 M
für einmalige Anschaffungen, 1000000 für Proviant, Munition, Ge-
schenke etc., 200000 Jt als Reservefonds bestimmt seien. Der
Reichskommissar habe über die Verwendung im einzelnen unter sei-
ner Verantwortlichkeit zu verfügeu. Zu dem Vertrage mit der Ost-
afrikanischen Gesellschaft sei der Sultan uicht gedrängt worden, der-
selbe beruhe durchaus auf eigener freier Entschliessung. Nothwendig
sei die Uebernahme sämmtlicher Hafenplätze offenbar deshalb ge-
wesen, weil andernfalls der Verkehr sich auf die übrigen von der
Gesellschaft nicht übernommenen Plätze hingezogen hätte. Freiherr
v. Huene (Zentrum) hatte zu § 2 beantragt, den Satz zu streichen,
welcher dem Reichskommissar die Aufsicht über die Deutsch-Ostafri-
kanische Gesellschaft und deren Angestellte in Afrika zuertheilt. In
der Abstimmung wurde dieser Antrag, welcher dem Wunsche des
Zentrums entsprang, die Beziehung zur Dentsch-Ostafrikauischeu Ge-
sellschaft aus dem Text der Vorlage zu entfernen, uud wenig prak-
tischen Werth hat, da ja der Reichskanzler die Aufsicht über die
Gesellschaft auf dem Verwaltungswege herstelleu kann, angenommen,
und daun die ganze Vorlage mit allen Stimmen gegen die zwei Stim-
men der Freisinnigen.
Am Dienstag den 29. fand die zweite Lesung der Vorlage statt,
bei welcher Herr Richter, der nur mit Mühe von seinen Partei-
genossen zurückzuhalten war, in der ersten Lesung zu sprechen, die
Gelegenheit nicht versäumen wollte, seine abfällige Ansicht uberKolonial-
politik zu äusseru. Nachdem der Herr Abgeordnete Meyer (Jena)
über die Beschlüsse der Kommission Bericht erstattet hatte, ergriff
Richter das Wort, um die ganze Kolonial politik und alles, was damit
zusammenhängt, in der bekannten Weise zu schmäheu, besonders
aber die Ostafrikanische Gesellschaft anzugreifeu. welche nun einmal
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230
l>ie deutschen Kolonien.
die bete noire des betreffenden Herrn ist. Der Abgeordnete Oeehel-
hänser, welcher sich als ein Mitglied des Direktionsraths der Ost-
afrikanischen Gesellschaft vorstellte, wies die Angriffe auf die Gesell-
schaft zurück, legte die Ursache des Aufstandes, welche nicht bei
Vorgängen in den Flaggenhissnngen , sondern in der allgemeinen
arabischen Bewegung zu suchen sei, dar, und sprach im allgemeinen
über die Vortheile der Kolonialbewegung für alle Theile der Bevöl-
kerung. Ihm sekundirte Graf v. Mirbach, während Herr Virchow in
gemässigter Weise Opposition machte. Der Abgeordnete Windthorst
wünschte darüber sicher zu sein, dass Gewalt nur dort angewendet
werden solle, wo es absolut nothwendig sei. Hauptmann Wissraann,
welcher der Sitzung wieder als Bundeskommissar beiwohnte, erklärte
infolge dessen nochmals, dass die Anwendung von Gewalt nur soweit
ausgedehnt werden solle, als sie absolut nothwendig sei, d. h. als
sie nöthig sei, um die Eingeborenen traitabel und überhaupt ge-
neigt zu machen, in Verhandlungen zu treten. Die Vorlage wurde
dann gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen,
von denen nur die Abgeordneten Goldschmidt uud Siemens sich
trennten, angenommen.
Am 30. Januar fand die dritte Lesung statt. Der Abgeordnete
Magdzinski gab im Namen der Polen die Erklärung ab, dass sie
dafür stimmen würden. Abgeordneter Stöcker spielte die Angelegen-
heit auf das religiöse Gebiet über, indem er betonte, dass es sich
darum handle, ob in Nord- und Mittelafrika die mohamedanische
oder christliche Weltanschauung herrschen solle. Abgeordneter
Windthorst sprach seine Freude darüber aus, dass durch die Vor-
lage die Missionen geschützt würden, und der Abgeordnete Richter
musste das letzte Wort haben. Die Vorlage wurde dann gegen
die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten definitiv ange-
nommen.
Wir sind bei der Schilderung der mit der Lage in Ostafrika in
Zusammenhang stehenden politischen Vorgänge ein wenig, was die
Zelt betrifft, über den Rahmen dieses Buches hinausgegangen, in der
Absicht, einen passenden Abschluss zu finden. Ein solcher ist die
Annahme der Ostafrikanischen Vorlage, deren Ausführung die deutsche
Herrschaft in Ostafrika gegen etwaige neue Angriffe sicher stellen
soll. Ob mit den dafür aufgewandten Mitteln dieses Ziel erreicht
werden kann, ist bei dem Charakter des ostafrikanischen Problems
sehr fraglich.
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Oie deutschen Kolonien.
231
Das Wituland.
Die Nachforschungen nach dem Schicksal des an der Soroali-
küste ermordeten Afrikareisenden Baron von der Decken hatten
im Jahre 1867 den Reisenden Richard Brenner an die Ostkfiste
von Afrika, in das Mündungsgebiet des Tannflusses (2® 30'
südL Breite) geführt. Als den einflussreichsten und angesehensten
Häuptling in diesem Gebiete lernte er den „Sultan“ von Witu
kennen, der ihm die freundlichste Aufnahme und nach Kräften Unter-
stützung für seine Pläne gewährte. Die Ansprüche, die der Sultan
Achmed schon damals auf grosse Küstengebiete machte, gingen über
sein faktisches Herrschaftsgebiet hinaus; die Araber von der einen,
die Somalist&mme von der anderen Seite bedrängten den mehr in
der Aufrechterhaltnng seiner Ansprüche als in der Kraft der Abwehr
zähen Herrscher. Jeder einigermaassen mit afrikanischen Verhält-
nissen Vertraute wird wissen, wie wenig die Berechtigung derartiger
Ansprüche, wie die etwaiger Gegenansprüche, nach europäischem
Maassstabe gemessen und beurtheilt werden kann: so darf gewiss
eine Vorführung der Rechtstitel, auf die sich der Sultau von Witu
in seinen Ansprüchen auf ausgedehnte Küstengebiete und weit in
das Innere sich erstreckende Territorien stützte, hier unterbleiben;
dass dieselben wenigstens zum Theil nicht leichter gewogen haben,
als die seines Hauptwidersachers, des Sultans von Sansibar, wird
durch die zwischen den betheiligten Mächten, insbesondere durch
die zwischen Deutschland und England am 29. Oktober resp. 1. No-
vember 1886 getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Abgrenzungen
in Ostafrika, in denen ein grosser Theil dieser Ansprüche als zu
Recht bestehend anerkannt wurde, als erwiesen angenommen werden
können. *)
*) Zweifellos war derjenige Theil der ostafrikanischen Küste, welcher durch
die genannten Abmachungen als zum Witu- resp. Suaheli-Sultanat gehörig anerkannt
worden ist (über Ausdehnung, Abgrenzung und geographische Lage siehe das Folgende),
neben Kiloa und Mombas der werthvollste Besitz der Portugiesen. Die dem Ge-
biete vorgelagerten Inseln waren im Alterthum als Paralaon- Inseln bekannt Auf
der Insel Patta befand sich eine portugiesische Zollstelle. Bei dem Zerfall der
(»ortugiesiscben Macht am Ausgang des siebzehnten Jahrhunderts bemühten sich
drei arabische Reiche Sansibar (Maskat), Mombas und Patta um die Herrschaft in
jenem nördlichen Theile der ostafrikanischen Küste. Diese Kämpfe erstrecken sich
unter wechselnden Ergebnissen bis in die Mitte unseres Jahrhunderts. Gegen das
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232
Oie deutschen Kolonien
Das Gesuch um den Schutz uud die Freundschaft des Königs
von Preussen, welches schon damals der Herrscher von Witu, der
„Sultan Achmed“, durch den Reisenden Richard Brenner nach Berlin
richtete, konnte natürlich keine Berücksichtigung linden. Zum
zweiten Male kam in den Jahren 1877/79 Sultan Achmed in engere
Berührung mit deutschen Unterthanen. Gemeinsam mit dem als
Arzt in Sansibar angestellten Dr. G. A. Fischer unternahmen in
diesem Jahre die Gebrüder Klemens und Gustav Denhardt eine
wissenschaftliche Erforschungsreise nach dem Tanagebiete. Diese
Reise war sowohl für die Wissenschaft ausserordentlich ergiebig als
auch wurde durch sie von neuem die hohe Kulturfähigkeit jener
Länder und ihr hoher Werth für ein deutsches wirthschaftliehes
Unternehmen festgestellt. Zur Nutzbarmachung des als bedeutungs-
voll erkannten Handelsweges ins Innere und im Hinblick auf die
Möglichkeit, im Tanagebiet und in den reichen, grösstentheils
noch wenig bekannten Hinterländern einen vom europäischen Ein-
flüsse noch freien Markt zum Besten der deutschen Industrie zu
erschliesseu , war Klemens Denhardt in Deutschland bemüht, ein
Konsortium zusammenzubringen, welches ihm die zu der Vorbereitung
und Einleitung seines Vorhabens nöthigen Mittel zur Verfügung
stellte. Im November 1882 gelang es Denhardt, das sog. Tana-
Comite zu bilden, dem Herren angehörten, die, wenigstens zum
grossen Theil, später der kolonialen Bewegung in Deutschland ein
Interesse nicht entgegen zu bringen vermochten. Die Konstituirung
des Komitees erfolgte jedoch erst endgültig im Jahre 1884. Auch
Jahr 1840 wurde das Mombasreich definitiv unter die Herrschaft von Sansibar ge-
bracht. Die auf Patta angesiedelten Herrscher von Patta und Siu entgingen einem
gleichen Schicksal nur dadurch, dass sie vor dem Drängen der damals mächtigen
und rührigen Sansibar-Araber zu Ende der vierziger Jahre auf das Festland über-
siedelten, wo sie ihren Wohnsitz in Kau am Osi nahmen, und zwar war es der
Vater des Ende Januar 1889 verstorbenen Sultans des Suahelilandes, der
Sultan Muhamed, welcher die ursprüngliche Heimath seiner Vorfahren verliest.
1856 folgte seinem Vater Muhamed der Sultan Achmed, der sich mit seinen
Besitzungen im Jahre 1885 unter den Schutz des Reichs gestellt hat; sein
voller Titel und Name lautete auf offiziellen Urkunden: Sultan Achmed ben Sultan
Fumu Lutui ben Schech Nabahani. Der Beiname Simba (Löwe) stammte
aus der Jugendzeit des Sultans Achmed, derselbe ist im Lande kaum noch
bekannt. Auch von Kau wurde jedoch der Sultan Achmed mit seinen Anhängern
nach einem Jahrzehnt durch die vordringenden Sansibar-Araber, die den ganzen
Küstenstrich für sich zu besetzen bemüht waren, vertrieben und sah sich genöthigt,
seinen Wohnsitz mehr nach dem Innern, nach Witu. der jetzigen Hauptstadt des
Landes, zu verlegen.
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Die deutsche!) Kolonien.
233
die Akademie der Wissenschaften bewilligte zur Unterstützung der
Denhardt'schen Pläne 6000 im Hinblick auf die im Tanagebiet
durch die Denhardt’sche Expedition gleichzeitig zu verfolgenden
wissenschaftlichen Ziele.
Im Oktober des Jahres 1884 verliessen die Gebrüder Denhardt
Deutschland und trafen am 29. Dezember 1884 in Sansibar ein.
Nachdem dort noch die nothwendigen Vorbereitungen für die Reise
nach dem afrikanischen Festlande getroffen waren, begaben sich
dieselben am 5. Februar 1885 über Mombas nach Lamu, woselbst
die Expedition am 19. Februar 1885 eintraf.
Lamu, dieser etwa 15 000 Einwohner zählende, auf der Insel
gleichen Namens liegende Ort sollte den Ausgangspunkt für die
Reise nach dem Festlande bilden; es wird nur durch den Kipungani-
Kanal, dessen Breite an keiner Stelle über 300 m beträgt, vom Fest-
lande getrennt. Für die nördlich von Sansibar belegene Küste Ost-
afrikas ist Lamu, Station der Dampfer der British India Steam
Navigation Company, der bedeutendste Handelsplatz und war bis vor
wenigen Jahren der Sitz eines englischen Vizekonsuls. In Folge der kurz
vorher erfolgten Erwerbungen der Gesellschaft für deutsche Koloni-
sation Hess der Sultan von Sansibar die Schritte der Gebrüder
Denhardt mit grösstem Argwohn überwachen und in Widerspruch
zu den ausgestellten Empfehlungsschreiben wurde es den Behörden
und Einwohnern von Lamu in feierlichster Form auf das Strengste
untersagt, den Gebrüdern Denhardt irgend welche Hülfe zu leisten.
Eine Reise auf das Festland waren die Beamten mit offener Gewalt
zu hindern angewiesen. So gelang es der Expedition erst gegen
Ende März des Jahres 1885 das gegenüberliegende Festland zu be-
treten, auf welchem ihr von Seiten des Witu-Sultans ein überaus
freundlicher Empfang bereitet wurde. Bei dem am 7. April dem
Sultan Achmed in seiner etwa 40 km von der Küste entfernt
Hegenden Residenz Witu abgestatteten Besuche gab dieser die Er-
klärung, dass er noch immer auf das Zustandekommen eines Schutz-
bündnisses mit Preussen resp. dem Deutschen Reich hoffe. Zu dem
Plane der Errichtung einer deutschen Niederlassung im Tana-Osi-
gebiet gab Sultan Achmed ohne Einschränkung seine Zustimmung
und trat sofort ein Stück fruchtbaren Landes in der Grösse von
einer deutschen Quadratmeile an Klemens Denhardt ab.
Sofort auf die Kunde, dass Denhardt mit dem Sultan von Witu
in Verbindung getreten sei, hatte jedoch der Gouverneur des Sultans
von Sansibar in Lamu au mehreren Stellen des vom Witu-Sultau
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Die deutschen Kolonien.
beanspruchten Küstengebietes die Flagge seines Gebieters hissen
lassen, um dessen vermeintliche Rechte auf diesem Gebiet zn wahren,
ln Folge dessen ernannte am 8. April 1885 der Sultan Achmed
Klemens Denhardt zu seinem Bevollmächtigten für alle Verhand-
lungen, welche etwa zwischen ihm und den Vertretern fremder
Mächte und afrikanischen Herrschern zur Geltendmachung seiner
Ansprüche zu führen seien; insbesondere beauftragte er ihn, gegen
die von Said Bargasch durch die vorerwähnten Flaggenhissungen
au die Küste gemachten Ansprüche zu protestiren. Ferner wurde
Klemens Denhardt beauftragt, dem Kaiserlich deutschen General-
konsul in Sansibar den Wunsch des Sultans zu übermitteln: zu
Seiner Majestät dem deutschen Kaiser in ein aufrichtig freundschaft-
liches Verhältnis« und unter Allerhöchst dessen mächtigen Schutz
zu treten. Zu gleicher Zeit verkaufte der Sultan ein etwa 25
deutsche Quadratmeilen grosses Stück Land an die Ge-
brüder Denhardt.
Diese Urkunde hat folgenden Wortlaut:
Wir thun hiermit kund und zu wissen für Jedermann, dass wir das im nach-
stehenden § 1 bezeichnete Land mit Allem, was sich darauf, darin, darunter und
darüber befindet, sowie mit allen bezüglichen Ansprüchen und Hoheitsrechten an
den Deutschen Klemens Denhardt verkauft und abgetreten haben.
§ 1. Die Grenzen dieses verkauften und abgetretenen Landes werden ge-
bildet durch eine gerade Linie zwischen Witu und Fungasombo, Fungasombo und
Mkonumbi, dann auch durch den Fluss Mkonumbi bis zum Indischen Ozean, ferner
durch den Indischen Ozean zwischen der Mündung des Mkonmnbiflusses und der
Mündung des Flusses Osi, sodann durch den Fluss Osi bis Kau, den Fluss Maga
goni und durch eine gerade Linie, welche den fernsten nach dem Inlande hin be-
logenen Punkt dieses Flusses mit Witu verbindet.
§ 2. Durch diese Urkunden entsagen Wir allen Ansprüchen an das im vor-
stehenden § 1 bezeichnete Land und entäussern Uns aller Hoheitsrechto auf dasselbe.
Witu, den 8. April 1885.
gez. Sultan Achmed ben Sultan Fumo Lutui ben Schecb Nahabani.
Das Gesuch des Sultans von Witu um den Schutz des Reiches
wurde durch das deutsche Generalkonsulat zu Sansibar am 24. April
1885 telegraphisch au das Auswärtige Amt übermittelt und daraufhin
am 27. Mai der Generalkonsul in Sansibar angewiesen, das Aner-
bieten des Sultans von Witu von diesem vorbehaltlich der Rechte
Dritter anzunehmen.
Inzwischen hatten die Gebrüder Denhardt vergeblich versucht,
den Sultan Said Bargasch von Sansibar zur Einstellung der von ihm
gegen das Gebiet von Witu unternommenen Feindseligkeiten zu
veranlassen.
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Die deutschen Kolonien.
235
Der Sultan Hess alle derartigen Proteste unbeachtet und begann
sich von dem Hafen Lamu aus zum Einmarsch in Witu zu rüsten.
Nachdem der Kaiserliche Generalkonsul auf erhaltenen Befehl gegen
jede Vergewaltigung des Sultans von Witu Einspruch erhoben hatte,
wurden die in Bewegung gesetzten feindlichen Kräfte wieder zurück-
gezogen. Eine endliche Beilegung der Feindseligkeiten erfolgte mit
dem Eintreffen des deutschen Geschwaders vor Sansibar, indem
Sultan Said Bargasch am 13. August 1885 dem Geschwaderchef
gegenüber die Schutzherrschaft des deutschen Kaisers über das
Festlandgebiet des Sultans Achmed bedingungslos anerkannte. (Siehe
Seite 192.)
Anfang September des Jahres 1885 begab sich der Kapitän
zur See Valois. Kommandant S. M. Schiff „Gneisenau“, mit einem
Gefolge von 2 Offizieren und ca. 30 Matrosen nach Witu, um dem
Sultan einen offiziellen Besuch zu machen und über die dortigen
Verhältnisse Erkundigungen einzuziehen.
W T ie die Denkschrift angiebt, welche der Reichskanzler am
2. Dezember 1885 an den Reichstag über die kolonialpolitischen
Aktionen und Maassregeln der Reichsregierung gerichtet hat, hat
Kapitän zur See Valois die Gegend von der Küste bis zu der Re-
sidenz des Sultans sehr fruchtbar, das Terrain fast unausgesetzt mit
Negerkorn, Bohnen, Oelfrucht und Tabak angebaut gefunden. Kapitän
Valois bestätigt ferner, dass der Sultan Achmed unter den Be-
wohnern der Küstengegend eine sehr geachtete Stellung einnimmt,
Achmed hatte diesem Kommando einen sehr wohlwollenden Empfang
bereitet. Bereits im Mai 1885 hatte Klemens Denhardt das Witu-
gebiet verlassen und sich nach Sansibar und von dort im Juni des-
selben Jahres nach Deutschland begeben. Bei voller Anerkennung
des Erreichten fand Denhardt jedoch bei den Herren des oben er-
wähnten Tana-Komitees wenig Neigung zur Unterstützung seiner über
die ursprünglich gesteckten Ziele hinausgegangenen Unternehmungen.
Nur auf sieh selbst angewiesen, sah sich Denhardt ohne ander-
weitige finanzielle Unterstützung ausser Stande, seine
Erwerbungen auszunutzen und zu verwerthen und wirth-
schaftliche Unternehmungen von irgend welcher Bedeu-
tung im Witulande anzubahnen. Die von Denhardt zwecks
finanzieller Unterstützung von verschiedenen Stellen eingeleiteteu
Unterhandlungen waren überall ohne Erfolg. In dem Schoosse
des deutschen Kolonialvereins bildete sich jedoch, als Denhardt
sich auch hierher um Hülfe wandte, unter dem Vorsitze des
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Die deutschen Kolonien.
Fürsten zu Hohenlohe-Langenbarg und anf besondere Anregung
der Herren Konsul Weber. Kurelia, Ed. Arnhold ein besonderes
Komitee, welches die Errichtung einer „Witu-Gesellschaft“ zur Aus-
nutzung der Denhardt’schen Erwerbungen ins Auge fasste. Gleich-
zeitig mit den Verhandlungen dieses Komites mit Denhardt gingen
die Bemühungen um die Beschaffung eines Fonds, aus dem zunächst
der an Denhardt baar zu entrichtende Kaufpreis gezahlt uud die
zur Uebernahme des Landes und den ersten Einrichtungen nöthigen
Mittel gezahlt werden sollten. Für die Aufbringung des Fonds, der
ursprünglich auf 70000 <M festgestellt, aber durch freiwillige Zeich-
nungen auf die Höhe von 100000 <// gebracht, wurdeu nur die
dem Vorstande des deutschen Kolonialvereins nahe stehende Kreise
in Anspruch genommen.
Durch Kaufkoutrakt vom 30. Juni 1885 gingen die Denhardt-
schen Erwerbungen nun mit allen Rechten auf den Fürsten zu Hohen-
lohe-Langeuburg über, als den Vertreter des oben genannten Kon-
sortiums. Bereits am 2. September 1886 traf die zur Ueber-
nahme des erworbenen Gebietes entsandte Expedition, Kapitän
Rabenhorst und Lieutenant Schmidt, in Larnu ein. Die Aufgabe
dieser Sendlinge in Bezug auf die Exploitation des Landes sollte
vorläufig nur darin bestehen, Vorschläge bezüglich der Verwerthuug
der zu errichtenden Anlagen etc. je nach dem Befunde und den ge-
sammelten Erfahrungen zu machen. Die Bevollmächtigten fanden bei
dem „Sultan“ Achmed die günstigste Aufnahme und erlangten ohne
jede Schwierigkeit dessen Zustimmung zu dem erfolgten Besitz-
wechsel: letzterer fand am 13. Oktober noch durch eineu notariellen
Akt vor dem deutschen Kousulat in Sansibar definitive Bestätigung.
Das am 29. Oktober 1886 resp. 1. November vom Grafen Hatzfeldt
und Lord Iddesleigh Unterzeichnete deutsch-englische Uebereinkommen
bezüglich der Abgrenzung der deutschen und englischen Interessen-
sphären in Ostafrika wurde am 30. November 1886 im Reichs-
anzeiger veröffentlicht und brachte dem territorialen Besitzstand der
deutschen Witu-Gesellschaft neben einigen weniger belangreichen
Einbussen au der Nordgrenze des Witureichs eine weitere Befestigung,
wie er auch für das Land des Sultans Achmed bestimmte Grenzen
gegenüber den Ansprüchen des Sultans von Sansibar festsetzte und
anerkannte. Beide Mächte hatten hierin, als zu Witu gehörig, die
Küste anerkannt, welche nördlich von Kipini beginnt und sich bis
zum Nordende der Mandabucht erstreckt. Die Räumung des ge-
summten Gebietes war ohne jede Schwierigkeit am 18. Januar 1887
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Die deutschen Kolonien.
237
durch geführt und über den Verlauf derselben an diesem Tage zwischen
«lern Kaiserlich deutschen Vizekonsnl Hunholt und dem Beauftragten
des Sultans von Sansibar. Brigadegeneral Lloyd W. Mathews an
Bord S. M. Schiff „Olga“ ein Protokoll vereinbart worden. In dem
Protokolle ist niedergelegt, dass an den beiden (dem südlichen und
dem nördlichen) Grenzpunkten der Küstenlinie des nach dem deutsch-
englischen Abkommen als zu Witu gehörig anerkannten Gebietes
nämlich am 13. Januar im Süden: fi50 Schritt östlich von Kipini
auf dem Strande gemessen von der Mitte des Forts in Kipini (un-
gefähr auf 2° 35' s. Br.. 40° 33' ö. L.), am 17. Januar im Norden:
auf dem Festlande am Meeresstrande auf dem Breitenparallel der
Nordspitze der der Küste vorgelagerten Insel Keweihu (ungefähr
1° 5K' s. Br.. 48° 34.5 ö. L.) durch S. M. Schiff „Olga“ deutsche
Grenzpfähle gesetzt und die deutsche Flagge gehisst, ebenso am
15. d. Mts. in Mkonumbi als einem etwa in der Mitte der bezeich-
neten Küstenlinie gelegenen Punkte ebenfalls in gleicher Weise die
deutsche Flagge gehisst worden sei. In dem Protokoll erklärte
General Matthews, dass inzwischen die säramtlicben übrigen in dem
in Rede stehenden Gebiete vorhandenen militärischen Stationen des
Sultans von Sansibar eingezogen und die Beamten abberufen worden
seien. Als Stationen sind namentlich bezeichnet.: Makowe, Kililane,
Hinde, Schimanfale. Jipe. Wandamunio, Mkonumbi, Peketone, Kimbo,
Schagga, Unjo, Bomano, Thibutone, Maramande, Fnngosombo, Mtan-
gane, Kimbone, Kiromando, welche sämmtlich zwischen Makowe und
Kipini an der Küste, aber in unmittelbarer Nähe derselben belegen
sind. Mehr nach dem Innern zu hatte der Sultan von Sansibar die
Stationen Jongone und Balo unterhalten und jetzt aufgegeben. General
Matthews erklärte ferner, dass in dem gesammten Gebiete weder
Militärposten des Sultans von Sansibar, noch Beamte zurückgeblieben
seien, soweit letztere nicht als Ortseinwohner, bezw. als Ortsvorsteher
oder Ortsälteste, auch unter der neuen Ordnung der Dinge an den
betreffenden Plätzen verblieben seien. Ebenso gab General Mathews
protokollarisch die Erklärung ab, dass in dem in Rede stehenden
Gebiete nirgendwo mehr eine Flagge des Sultans von Sansibar wehe
und dass die sämmtlichen Einwohner in entsprechender Weise von
dem Aufhören jeglicher Herrschaft des Sultans von Sansibar in •
Kenntniss gesetzt worden seien.
In dem zwischen Denhardt und dem Fürsten zu Hoheninhe-
Langenburg abgeschlossenen Kaufverträge waren ebenso wie in der
seiner Zeit vom Sultan Achmed Denhardt ausgestellten Uebcrtragungs-
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238
Die deutschen Kolonien.
urkunde die Orte Kipini, am linken Ufer der Osimündung gelegen,
und Kau, auf einer ca. 15 km stromaufwärts befindlichen „Insel“ ge-
legen, einbegriffen. Da die internationalen Vereinbarungen die An-
rechte des Sultans von Witu auf diese Orte nicht anerkannten, diese
vielmehr dem Sultan von Sansibar zusprachen, so mussten die be-
züglichen Ansprüche der deutschen Witu-Gesellschaft, die sich in
letzter Linie auf die Ueberlassung dieser Orte seitens des Sultans
von Witu an Klemens Denhardt stützte, fallen gelassen werden.
Nach dem Innern zu unterblieb eine genauere Grenzregulirung.
während nach Norden sich die dem unter dem Schutz des Reiches
stehenden W'itu-Sultanat zugesprochene Kfistenlinie noch mehr als
100 km über den nördlichen Grenzpunkt der Besitzung der deutschen
Witu-Gesellschaft erstreckt. Die Ansprüche des Sultans Achmed auf
die Inseln Manda und Patta fanden durch die vorgenommenen Grenz-
regulirungen keine Bestätigung. Da diese Inseln jedoch der dem
Witu-Sultan zugesprochenen Küste in sehr geringer Entfernung
vorgelagert uud bei den Abmachungen gänzlich unerwähnt geblieben
sind, so sind die Ansprüche des Sultans von Sansibar auf die ge-
nannten Inseln auch nicht besonders anerkannt, obwohl er faktischer
Besitzer ist.
Der betreffende Passus des deutsch-englischen Uebereinkommens
lautet: „Grossbritanuien und Deutschland erkennen die Souveränität
des Sultans von Sansibar über die Inseln Sansibar und Pemba, sowie
über diejenigen kleineren Inseln an, welche in der Nähe der ersteren
innerhalb eines Umfanges von 12 Seemeilen liegen; desgleichen über
die Inseln Lamu und Mafia.“
Die Inseln Manda und Patta liegen aber bedeutend weiter als
12 Seemeilen von Sansibar entfernt und hätten somit, wenu sie
trotzdem dem Sultan von Sansibar zuerkannt worden wären, neben
Lamu und Mafia als besondere Ausnahmen Erwähnung linden müssen.
Nachdem durch die internationalen Vereinbarungen die Besitz Ver-
hältnisse in Ostafrika geregelt, insbesondere das Witureich eine feste
Abgrenzung erhalten, die an den Fürsten zu Hohenlohe- Langenburg
zedirteu Denhardt'schen Besitzungen, wenu auch mit bedeutenden Ein-
schränkungen Anerkennung gefunden hatten, auch die Uebernahme
dieser Besitzungen durch die hinausgesandte Expedition ohne Schwie-
rigkeiten vorgenommen war und diese günstig über Boden-, Landes-
und Klimaverhältnisse berichtet hatte, erweiterte sich das sog. Witu-
Komite, an dessen Spitze der Fürst zu Hohenlohe - Langenburg
stand, zur deutschen Witu-Gesellschaft. Die erste konstituirende
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Die deutschen Kolonien.
'239
Generalversammlung wurde am 17. Dezember 1887 zu Berlin abge-
halten; das Gesellschaftskapital wurde vorläufig auf eine halbe Million
Mark normirt, In den Vorstand wurden die Herren J. Mesthaler-
Nürnberg, Konsul Ad. Schwabe-Berlin und Konsul a. D. Karl E. Weber-
Berlin berufeu, als Vorsitzender des Verwaltungsrathes wurde der Fürst
zu Hohenlohe-Langenburg gewählt; als Generalvertreter für die Unter-
nehmungen im Witnlande wurde der mit ostafrikanischen Verhält-
nissen durch langjährigen Aufenthalt sehr vertrante Kaufmann Kurt
Toeppen bestellt. Der Gesellschaft wurden die Korporationsrechte
verliehen; ihre Besitzungen, innerhalb deren die Gesellschaft auch
die Hoheitsrechte auszuüben berechtigt ist, stehen als ehemaliger
Tbeil des Witu- Sultanats unter dem Schutze des Reichs. Im Gegen-
satz zu dem Theile des Witu- oder Suaheli-Sultanats, welcher zwar
gleichfalls unter dem Schutze des Reiches, aber im übrigen noch
unter der Hoheit des Sultans Achmed steht, wird die Besitzung
der deutschen Witu -Gesellschaft gewöhnlich als Deutsch -Witu-
land bezeichnet. Die deutsche Witu-Gesellschaft hat eine Reihe
von Stationen als Handelsfaktoreien und zur Anstellung grösserer
Versuche im Plantagenbau innerhalb ihres eigenen Gebietes, aber
auch ausserhalb desselben im Witulande, angelegt; von diesen
letzteren sind als die wichtigsten zu nennen: die Anlagen aut
der Manda- Insel, an der Mandabucht. Die Hauptniederlassung
der Gesellschaft ist auf Lamu, wo sie zu den verschiedensten
Zwecken geräumige und massive Baulichkeiten hat ansführen lassen.
In einer derselben ist auch das Bureau der gegen Ausgang des
Berichtsjahres errichteten Kaiserlichen Postagentur untergebracht.
— ln dem Witulande haben neben den Gebrüdern Denhardt, die
nach dem Verkauf ihrer ersten Erwerbungen sich dort anderen
Unternehmungen zuwandten, vereinzelt auch noch andere Deutsche
versucht, Niederlassungen zu gründen, so ist zum Beispiel am Hedio-
Kriek die Station Baltia von Deutschen angelegt; es scheint jedoch,
als ob diesem Versuche nicht genügend Kapital zur Verfügung ge-
standen habe, um die kostspieligen Anfangsschwierigkeiten des tro-
pischen Ackerbaues zu überwinden. Wie verlautet, beabsichtigt die
im Jahre 1888 begründete deutsche Pflanzergesellschaft grössere Er-
werbungen im Gebiete der deutschen Witu-Gesellschaft oder im
Witulande vorzunehmen.
Wie schon bereits erwähnt, hat das Gebiet der deutschen Witu-
Gesellschaft eine Küste von ungefähr 70 km, ungefähr von doppelter
Länge ist die Küstenlinie des Sultanats. Der gesammten Küsten-
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240
Die deutschen Kolonien.
»trecke sind neben einer grösseren Anzahl Inselchen von ganz ge-
ringem Umfang vier kleine Inseln vorgelagert: Lama, Manda, Patte.
Kweihu. Die nördlichste von ihnen ist eigentlich nur vorübergehend
bewohnt und jetzt noch ohne Bedeutung. Wichtiger ist die Insel
Patta, die manche wohlgepflegte Plantage trägt. Auf der Insel be-
finden sich die Ortschaften Siu und Patta. die, nach den noch vor-
handenen portugiesischen und arabischen Ruinen zu schliessen, früher
von grosser Bedeutung gewesen sind: noch jetzt werden hier einige
Kunstgewerbe betrieben, wie z. B. Drechslerei, einen besonderen Ruf
gemessen an der ganzen Ostküste die auf Patta geflochtenen Matten.
Der in Kultur genommene Theil der Oberfläche ist nicht bedeutend,
die Fauna der Insel ist eine reiche, besonders sind hier viele Arten
Affen, dann Feldhühner, Schnepfen. Antilopen, auch Leoparden zu
nennen. Das von der Insel Patta Gesagte gilt im Allgemeinen auch
von der Insel Manda. Ungleich wichtiger als die drei vorgenannten
Inseln ist die unter Hoheit des Sultans von Sansibar verbliebene
Insel Lamu. Durch die regelmässige vierwöchentliche Dampfschiffs-
verbindung mit Europa, welche durch die British India Line ver-
mittelt wird, hat sich die auf der Insel liegende Stadt Lamu zu
einem bedeutenden Handelspunkt entwickelt, die Zahl der hier an-
sässigen handeltreibenden Banianen und Hindus ist. sehr beträcht-
lich. Durch ihre Lage — nur durch den schmalen Kipungani-Kanal
vom Festlande getrennt — bildet die Insel bei dieser so werthvollen
Dampferverbindung wenigstens jetzt noch das eigentliche Ein- und
Ausgangsthor zu dem Witugebiet. Neben der Stadt Lamu sind auf
der Westseite der Insel noch die Orte Matondoni und Kipungani, auf
der Ostseite der Ort Schela als von einiger Bedeutung zu nennen.
Die Insel wird bewohnt von Arabern und reichen Suaheli, welche
Plantagen (Schambas) auf der Insel, hier besonders einträgliche
Kokosnussplantagen, aber auch auf dem gegenüberliegenden Festlande
besitzen. Die Feldarbeit wird ausschliesslich von Sklaven verrichtet,
von denen die reichen Suaheli und Araber, vor allem aber der in
der Stadt Lamu wohnende Wali des Sultans von Sansibar eine er-
hebliche Anzahl besitzen.
Das Festland weist nur ganz geringe Erhebungen auf, in
Folge dessen auch viele, mit Mangrove umsäumte Wasserarme sich
vom Ozean verhält.nissmässig weit in das Innere ziehen. Nur gegen
Nordwesten, von der Küste aus gerechnet, steigt das Land stärker
an und erhebt sich nach dem Innern zu dem von dem Stamme
der Borani Galla bewohnten Hochlande, das, zur Zeit noch gänzlich
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Oie deutschen Kolonien.
241
unerforscht, nach den Aussagen der Eingeborenen doch in jeder Be-
ziehung späteren Kolonisationsversuchen die vorzüglichsten Vorbe-
dingungen gewähren wird.
Im ganzen Witugebiet steht mit verschwindenden Ausnahmen
das Urundwasser nicht tief und ist überall durch Brunnen leicht zu
erreichen. Jedoch mangelt es jetzt noch im Lande an soleheu, und
die Einwohner decken gewöhnlich ihren Bedarf ans Wasserlöchern,
die bei allen Dörfern angebracht sind. An tliessenden Gewässern
giebt es nur ganz kleine, auch ist ihre Zahl nicht gross. Trotzdem
mangelt es in den einigermaassen normalen Jahren nicht au den
nöthigen Wassermengen für Kulturen aller Art. Im Allgemeinen wird
im Jahre mindestens zweimal geerntet, im Oktober und März. Die grosse
Regenzeit ist im April und Mai, die kleine nur einige Tage dauernd,
ist im Oktober. Mit Ausnahme des Dezember und Januar kommen
jedoch auch in allen anderen Monaten ab und zu Niederschläge vor,
so dass man nur bezüglich der beiden angeführten Monate von einer
eigentlichen Trockenheit reden kann. 1 ) Die Luftwärme bewegt sich
im Allgemeinen zwischen -j- 18 und 30° Celsius.
Von dem anbaufähigen Laude haben die Eingeborenen un-
gefähr den fünfzehnten Thcil in Kultur genommeu und bauen
Reis, Mais, Sorghum, Mawele, Simsim, Maniok, Bataten, Bananen,
Ananas, Kürbisse etc., kultiviren aber auch Zuckerrohr, Kokospalmen,
Tabak und Baumwolle; vereinzelt wird in Gärten noch die liebe ge-
zogen, zur Zeit der Portugiesen soll jedoch der Weinbau sehr in
Blüthe gestanden haben. Der Ackerbau wird überall noch in primi-
tivster Weise getrieben. Von den werthvolleren, bereits jetzt ge-
wonnenen Produkten haben die nach Deutschland gekommenen Proben
von Tabak und Baumwolle nach dem Urtheil der Fachleute den Be-
weis geliefert, dass bei verbesserter und rationeller Kultur das Witu-
gebiet jene Produkte in marktfähiger Waare dem europäischen Kon-
sum zu liefern im Stande sein wird. Ebenso scheinen unternommene
Versuche auch für andere werthvolle Tropenge wüchse das Vorhanden-
sein günstiger Vorbedingungen für deren Anbau festgestellt zu haben.
In den nordwestlichen, mehr bergigen Theilen desWitugebiets resp. seiner
Hinterländer sind vielleicht auch für den Kaffeebau Vorbedingungen
gegeben. Das Vorkommen werth voller Nutzhölzer und besonders der
') Bezüglich der Angabe der Regenzeiten etc. variiren die uns zu Gebote
stehenden Beobachtungsresultate der verschiedenen Reisenden; die Angaben sind
nach den neuesten Beobachtungen erfolgt, was nicht ausschliesst, dass doch für
das eine oder das andere Jahr nicht unwesentliche Verschiebungen eintreten,
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. Itj
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•242
Die deutschen Kolonien.
Kautschuklianen in den Urwäldern zwischen Pangani und Witu,
dann bei Mpeketoni und Kipini, ist erwiesen. Noch reichlicher aber
wird der Kautschuk in deu nordwestlichen Hinterländern, in den
von den Galla und Waboni bewohnten Gebieten gewonnen und über
Witu nach Sansibar resp. Europa ausgeführt. Bis vor Kurzem hatten
die Indier und Banianen den Kautschukhandel dieser Gebiete noch
vollständig in den Händen, während die Eingeborenen sich jetzt mehr
nnd mehr den deutschen Käufern zuwenden.
Der über das Witugebiet gehende Elfenbeinhandel scheint zwar
sehr entwickelungsfähig, ist zur Zeit jedoch noch ohne rechte Be-
deutung. Sollte die durch die aufständische Bewegung verursachte
Sperrung der südlichen Karawanenstrasse längere Zeit audauern, so
ist eine Steigerung vorauszusehen. Für den Ausfuhrhandel kom-
men zur Zeit noch in Betracht: Straussenfedern, Kopal, Kopra,
Häute und besonders Orseille. Andere Ausfuhrartikel werden nach
der Entwickelung des Plantagenbaues und der Handelsbeziehungen
nach dem Innern allmählich geschaffen werden. An europäischen
Waaren konsumirt die Bevölkerung des Witulandes und der
Hinterländer hauptsächlich: buntbedruckte und buntgewebte Baum-
wollenwaaren, ungebleichte und gebleichte Baumwollenwaaren, Tuche,
Eisenwaaren aller Art, Glas- und Steingutwaaren, Spiegel. Lampen,
Schiesspulver, Zündhütchen, Petroleum, Tabaksfabrikate etc.
Der Bestand an Rindviehheerden ist nur in einigen Gegenden
des Witulandes von Belang, dagegen weisen die Hinterländer einen
grossen Heerdenreicbthum auf und die Bewohner derselben bringen gern
Häute, Hörner in grösseren Mengen zum Verkauf. Im engeren Witulande
gedeiht, jedoch nur in Folge der sehr schlechten oder besser aus Mangel
an jeder Pflege, das Rindvieh sehr wenig. Da die Tsetse-Fliege nicht
vorkommt, könnte durch die bessere Pflege des Europäers auch hier
Wandel geschaffen und ein guter und sehr reichlicher Viehstand ge-
schaffen werden. Zum Lasttragen werden Esel verwandt; die Ver-
wendung von Kameelen zum Lasttrageu und zum Drehen der Oel-
mühlen hat fast ganz anfgehört.
An Hausthieren finden sieh noch das Schaf, die Ziege und
mehrere Art Federvieh.
Vor Kurzem ist der Versuch gemacht worden, das Pferd zu
akklimatisiren, doch bleibt der Erfolg des Versuches noch abzuwarten.
Büffel und Antilopen finden sich in allen Theilen des Landes zahlreich,
auch Elephanten, die in dem nördlichen Theile des Landes bis zur
Küstp heraukommen. Ebenso kommen auf dem der Insel Kiweihu
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Die deutschen Kolonien.
243
gegenüber liegenden Festlandsgebiet Löwen und Leoparden, Zebra
und Hyänen vor. Das Nilpferd wird häutig getroffen, ebenso der
Strauss: Schlangen sind seltener und auch die Vogelwelt ist in einer
keineswegs reichen Anzahl von Arten vertreten.
Nach den übereinstimmenden Berichten aller Kenner des Landes
und nach den gemachten Erfahrungen ist das Klima im Vergleich
zu anderen afrikanischen Landschaften entschieden als günstig zu
bezeichnen. Von perniziösen Fiebern sind die dort thätig gewesenen
Europäer verschont geblieben, ein Auftreten derselben war auch bei
Eingeborenen nicht nachzuweisen. Die gewöhnlichen Klimafieber treten
natürlich auch hier auf, doch ist nach den Berichten Toeppen’s, des
Vertreters der deutschen Witu-Gesellschaft wohl nirgends ein Fall
mit tödtlichem Ausgang vorgekommen. Sehr häulig dagegen, aber
nur unter den Eingeborenen, finden sich Fälle sogar der schwersten
Art von Elephantiasis; an letztgenannter Krankheit litt auch bis
zu seinem Tode der Sultan Achmed von Witu. Die herrschende
und besitzende Klasse der Bevölkerung des Witulandes bezeichnet
sich im Allgemeinen als „Suaheli“. Ursprünglich verstand man
unter Suaheli eine aus der Vermischung von Arabern und Ein-
geborenen entstandene Mischrasse. Diese Vermischung der Araber
mit den Eingeborenen, resp. der Mischrasse der Suaheli mit den
Eingeborenen ist aber in so vielen Abstufungen vor sich gegangen,
dass man von einem Suaheli-Stamm kaum noch reden kann, sondern
nur noch von einer Suaheli-Sprache. Die Bezeichnung als Suaheli
ist an diesem Theile der Küste zum „Ehrenprädikat“ geworden, das
sich jeder — ähnlich dem englischen Esquire — selbst beilegt, der
die Suaheli- Sprache einigermaassen zu sprechen versteht. Die
Sklaven, welche von verschiedenen nicht muhamedanischen Stämmen
abstammen, werden verächtlich als Waschcnsi bezeichnet.
Ueber die Zahl der Einwohner im Witusultanat fehlt jede
irgendwie zuverlässige Schätzung: für Deutsch -Wituland, also für
die Besitzungen der deutschen Witu-Gesellschaft, schwanken die
Schätzungen zwischen 4- und 9000.
Ein eigentlicher Heeresdienst existirt nicht; im Nothfall
bewaffnet der Sultan seine Unterthanen, soweit der ihm zur Ver-
fügung stehende Vorrath an Gewehren reicht. Der neue Sultan Fnmo
Bakari, Neffe und Schwiegersohn des im Januar 1889 verstorbenen
Achmed ist friedliebend und ein umsichtiger Geschäftsmann, der sich
durch llandelsunternehmungen ein verhältnissmässig sehr bedeutendes
Vermögen erworben hat; auch verfügt er über eine grosse Anzahl von
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Die deutschen Kolonien.
Sklaven; er ist bei seinen Unterthanen und auch bei den anwohnenden
Stämmen nicht ohne Ansehen. Von den Unterthanen wurde Achmed
nicht als „Sultan“, sondern nnr als „Bana inknba“, grosser Häupt-
ling, bezeichnet. Seinen Wohnsitz hatte Achmed in der un-
gefähr 2000 Einwohner zählenden, ganz im Urwalde belegenen
Stadt Witu. von der dann das gesammte, von ihm beanspruchte,
resp. ihm jetzt zugesprochene Gebiet den Namen erhalten hat. Auch
der neue Sultan residirt in Witu. Dr. Sern au.
Kaiser-Wilhelmsland und der Bismarck-Archipel.
Die Samoavorlage war zwar im April 1880 im Reichstage ge-
fallen, aber die Freunde deutscher Kolonisation in der Südsee Hessen
sich dadurch nicht abschrecken, sondern bildeten ein Konsortium, an
dessen Spitze der Geh. Kommerzienrath v. Hansemann stand, um die
aussichtsreichen Gebiete in der Südsee dem deutschen Handel noch
mehr, als bisher schon durch die Unternehmungen der Deutschen
Handels- und Flantagengesellschaft und der Firma Robert Herns-
heim & Co. geschehen war. zu erschlossen.
Nach den erforderlichen Vorbereitungen erachteten sie im Sommer
1884 den Zeitpunkt gekommen, die praktische Thätigkeit wieder
aufzunehmen, nachdem inzwischen die deutsche Regierung in Folge
von Klagen der deutschen Handelshäuser in der Südsee über Gewalt-
tätigkeiten australischer Schiffe bei der Anwerbung von Arbeitern
(labour trade) ein Kriegsschiff und einen Konsularbeamten als Kom-
missar nach Matnpi in der Blauchebai gesendet hatte. Sie erwarben
in Sydney ein Dampfschiff' „Samoa“ und beauftragten den durch
seine Reisen in der Südsee bereits bekannten Dr. Otto Finsch mit
einer näheren Erforschung der Küste von Neu-Britannien und Neu-
irland, sowie der Nord- und Ostküste von Neu-Guinea sowie mit der
Inbesitznahme des Landes. Zu diesem Zwecke hat Dr. Finsch auf
der vom Kapitän Dallmann geführten „Samoa“ von Anfang Sep-
tember 1884 bis Juni 1885 fünf Reisen ausgeführt, auf welchen
eine Reihe guter Häfen entdeckt, grosse Landstrecken erworben und
in Besitz genommen und mit den Eigeborenen Beziehungen ange-
knüpft wurden. Die deutschen Kriegsschiffe „Hyäne“ und „Elisa-
beth“ besuchten demnächst die Küsten und nahmen das Land unter
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Die deutschen Kolonien.
245
die Hoheit des Deutschen Reichs, indem sie an verschiedenen Pnukten
die deutsche Flagge hissten.
Dieses energische Vorgehen hatte die Aufmerksamkeit der
australischen Kolonien erregt, welche bald einer hochgradigen poli-
tischen Erregung Platz machte, da man in Australien prätendirte.
auf Neu-Guinea und seine Inselwelt ausschliesslich berechtigt zu
sein. Die englische Regierung, welche frühere, von Queensland aus
eigenmächtig unternommene Versuche, die englische Herrschaft über
Neu-Guinea zu erklären, nicht ratilizirt hatte, sah sich genöthigt.
dem heftigen Verlangen der australischen Kolonien nachzngeben und
mit der Okkupation von Neu-Guinea ihrerseits vorzngehen. Die
daraus entstandene Kollision mit deu deutschen Besitznahmen droh-
ten eine Zeit lang zu einem ernsten Zerwürfnisse zu führen; indessen
fand unter den beiden Regierungen eine Verständigung statt, welche
in einer unterm 6. April 1885 vollzogenen Erklärung, betreffend die
Abgrenzung der deutschen und englischen Machtsphären im west-
lichen Stillen Ozean, ihren Abschluss fand. Die danach bestimmte
Demarkationslinie verläuft zwischen dem 8<> südlicher Breite und dem
15° nördlicher Breite und dem 154° und 173° östlicher Lauge von
Greenwich; sie brachte von Neu-Guinea und dem Archipel von Nen-
Britaunien die Theile unter deutsche Herrschaft, welche in dem unten
folgenden Schutzbriefe näher angegeben sind. Ausserdem kam am
8- April 1885 eiu weiteres Uebereinkommen mit England zu Stande,
welches den beiderseitigen Staatsangehörigen in dem durch die
Erklärung vom 6. April bezeichneten Gebiet im westlichen Stillen
Ozean Handels- und Verkehrsfreiheit gegenseitig zusicherte.
Nachdem dies geschehen, erhielt das Konsortium, welches sich
inzwischen unter dem Namen Ncu-Guinea-Kompagnie als Korporation
mit den Rechten einer juristischen Person konstituirt hatte, auf sein
Ansuchen unterm 17. Mai 1885 von des Kaisers Majestät einen
Schutzbrief, welcher wie folgt, lautet:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser. König von Preussen et<\
thun kund und fügen hiermit zu wissen:
Nachdem Wir im August 1884 einer Gemeinschaft von Reicbsangehörigen,
welche inzwischen den Namen .Ncu-Guinea-Kompagnie* angenommen hat, für ein
von derselben eingeleitetes Kolonialuntemebmen auf Inselgebieten im westlichen
Theile der Südsee, welche nicht unter der Oberhoheit einer anderen Macht stehen.
Unseren Schutz verheissen batten: nachdem die Kompagnie durch eine von ihr
ausgerüstete Expedition in jenen Gebieten unter der Kontrole Unseres dortigen
Kommissars Häfen und Küstenstrecken zum Zwecke der Kultur und zur Errichtung
von Handelsniederlassungen erworben und in Besitz genommen hat, und demnächst
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Die deutschen Kolonien.
auf Unseren Befehl diese Gebiete durch Unsere Kriegsschiffe unter Unseren Schutz
gestellt worden sind: nachdem die beiden deutschen Handelshäuser, welche in
einem Theile jener Gebiete schon früher Faktoreien errichtet und Grundeigenthum
erworben hatten, der Kompagnie beigetreten sind, und nachdem die Kompagnie,
rechtlich vertreten durch Unseren Geheimen Kommerzienrath Adolph v Hansemann,
nunmehr angezeigt hat, dass sie es übernehme, die zur Förderung des Handels und
der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Grund und Bodens, sowie zur Herstellung
und Befestigung eines friedlichen Verkehrs mit den Eingeborenen und zu deren
Zivilisirung dienlichen staatlichen Einrichtungen in dem Schutzgebiete auf ihre
Kosten zu treffen und zu erhalten, auch damit den Antrag verbunden hat, dass ihr
zur Erreichung dieses Zweckes durch einen kaiserlichen Schutzbrief das Recht zur
Ausübung laudeshoheitlicher Befugnisse unter Unserer Oberhoheit zugleich mit dem
ausschliesslichen Recht, unter der Oberaufsicht Unserer Regierung herrenloses Land
in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen und Verträge mit den Eingeborenen
über Land und Grundberechtigungen abzuschliessen, verliehen werden möchte:
So bewilligen Wir der Neu-Guinea-Kompagnie diesen Unseren Schutzbrief
und bestätigen hiermit, dass Wir über die betreffenden Gebiete die Oberhoheit
übernommen haben.
Diese Gebiete sind die folgenden:
1) Der Theil des Festlandes von Neu-Guinea, welcher nicht unter englischer
oder niederländischer Oberhoheit steht. Dieses Gebiet, welches Wir auf Antrag der
Kompagnie „Kaiser-Wilhelmsland“ *) zu nennen gestattet haben, erstreckt sich au
der Nordküste der Insel vom 141. Grade östlicher Länge (Greenwich) bis zu dem
Punkte in der Nähe von Mitre Rock, wo der 8. Grad südlicher Breite die Käste
schneidet, und wird nach Süden und Westen durch eine Linie begrenzt, welche
zunächst dem 8. Breitengrade bis zu dem Punkte folgt, wo derselbe vom 147. Grade
östlicher Länge durchschnitten wird, dann in einer geraden Linie zu nordwestlicher
Richtung auf den Scbneidepunkt des 6. Grades südlicher Breite und des 144. Grades
östlicher Länge und weiter in west-uord-westlicher Richtung auf den Schneidepunkt
des ä. Grades südlicher Breite und des 141. Grades östlicher Länge zuläuft und
von hier ab nach Norden diesem Längengrade folgend wieder das Meer erreicht.
2) Die vor der Küste dieses Theiles von Neu-Guinea liegenden Inseln, sowie
die Inseln des Archipels, welcher bisher als der von Neu-Britannien bezeichnet
worden ist und auf Antrag der Kompagnie mit Unserer Ermächtigung den Namen
.Bismarck-Archipel“ tragen soll, und alle anderen noidöstlich von Neu-Guinea
zwischen dem Aequator und dem 8. Grade südlicher Breite und zwischein dem 141.
und 154. Grade östlicher Länge liegenden Inseln.
Ingleichen verleihen Wir der besagten Kompagnie gegen die Verpflichtung,
die von ihr übernommenen staatlichen Einrichtungen zu treffen und zu erhalten,
auch die Kosten für eine ausreichende Rechtspflege zu bestreiten, hiermit die ent-
sprechenden Rechte der Landeshoheit, zugleich mit dem ausschliesslichen Recht, in
dem Schutzgebiet herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen
’) Kaiser Wilhelm gestattete am 30. November 1885, dass dem auf der Oa-
zellen-Halbinsel gelegenen Mont Beautemps-Beaupre der Name „Varzin-Berg“ bei-
gelegt und dass die Insel Neu-lrland von jetzt ab „Neu-Mecklenburg“, die Duke-of-
York-Gnippe „Neu-Lauenburg-Gruppe“ und die Insel Neu-Britannia „Neu- Pommern“
genannt werden sollte. Die Admiralitätsinsel hat ihren Namen behalten.
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Die deutschen Kolonien.
247
und Vertrüge mit den Eingeborenen über Land und Grundberechtigungen abzu-
scbliessen, dies alles unter der Oberaufsicht Unserer Regierung, welche die zur
Wahrung früherer wohlerworbener Eigenthumsrechte und zum Schutz der Einge-
borenen erforderlichen Bestimmungen erlassen wird.
Die Ordnung der Rechtspflege sowie die Regelung und Leitung der Bezie-
hungen zwischen dem Schutzgbebiete und den fremden Regierungen bleiben Unserer
Regierung Vorbehalten.
Wir verheissen und befehlen hiermit, dass Unsere Beamten und Offiziere
durch Schutz und Unterstützung der Gesellschaft und ihrer Beamten in allen gesetz-
lichen Dingen diesen Unseren Scbutzbrief zur Ausführung bringen werden.
Diesen Unseren Kaiserlichen Schutzbrief gewähren wir der Neu-Guinea-Kom-
pagnie unter der Bedingung, dass dieselbe bis spätestens ein Jahr vom heutigen
Tage ab ihre rechtlichen Verhältnisse nach Maassgabe der deutschen Gesetze ordnet,
dass die Mitglieder ihres Vorstandes, oder der sonst mit der Leitung betrauten
Personen Angehörige des Deutschon Reiches sind unter dem Vorbehalt späterer
Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes und der von der in Ausübung Unserer
Oberhoheit über das Schutzgebiet ferner zu treffenden Anordnungen, zu deren Be-
folgung die Kompagnie bei Verlust des Anspruchs auf Unseren Schutz verpflichtet ist.
Zu Urkund dessen haben Wir diesen Unseren Schutzbrief Hüchsteigcnhändig
vollzogen und mit Unserem kaiserlichen Insiegel versehen lassen.
Gegeben Berlin, den 17. Mai 1885.
(L. S.) Wilhelm
;ggz.) von Bismarck.
Nach der „Erklärung“ vom 6. April 1883 fielen in den deutschen
Machtbereich die nördlichen Inseln der Salomogruppe , von denen
Bougainville, mit der Insel Buka, Choiseul und Isabel die wichtigsten
sind. Auch für sie erhielt die Neu -Guinea- Kompagnie unterm
13. November 1886 einen Schntzbrief mit den Rechten und
Pflichten desjenigen vom 17. Mai 1885. Die Fläche des Land-
gebietes, welches innerhalb des 141.° und 160.° östlicher Länge
und zwischen dem Aequator und dem 8 ° südlicher Breite liegt,
ist überschläglich für den deutschen Theil in Neu -Guinea auf
179000 qkm, für den Bismarck-Archipel und die dazu gerechneten
grösseren und kleineren Inseln (etwa 200, von denen die Mehrzahl
der näheren geographischen Bestimmungen noch harrt) auf 52000qkm.
für die deutschen Inseln der wenig bekannten, fruchtbaren Salomo-
Gruppe auf etwa 18—19000 qkm berechnet, so dass sich die
Gesammtfläche auf rund 250 000 qkm oder 4464 geographische
Quadratmeilen stellt, gleich etwa 46 % der Grundfläche des
deutschen Reichs. Die Neu-Guinea-Kompanie hat laut Statuten den
Zweck :
1. die ihr durch den gedachten kaiserlichen Schutzhrief unter
der Oberhoheit Seiner Majestät übertragenen Rechte der Landeshoheit
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Die deutschen Kolonien.
anszuüben und die dazu erforderlichen staatlichen Einrichtungen zu
treffen nnd zn erhalten :
2. kraft des ihr vorbehaltlich der Oberaufsicht der Kaiserlichen
Regierung verliehenen ausschliesslichen Rechtes, herrenloses Land in
Besitz zu nehmen nnd Verträge mit den Eingeborenen über Land
und Grnndbereehtigungen abzuschliessen, auch die Ländereien und
Grundbereehtieungen der Kompagnie einschliesslich der unterirdischen
Bodenschätze zu verwerthen;
3. der Ansiedelung uud dem Verkehr im Schutzgebiet den Weg
zu bahnen;
4 . Bodenanbau. Handel und Gewerbe anf eigene Rechnung zu
betreiben, jedoch nur soweit, wie dies zur Entwickelung des Unter-
nehmens oder zur Anregung nnd Förderung privater Unternehmungen
dienlich erachtet wird.
Wir wollen hier nicht näher anf die Finanzirung der Gesell-
schaft eingehen. welche durch die Beihülfe von kapitalkräftigen
Finanzinstitnten schnell vor sich ging, nnd nur mittheilen, dass
die Zahl der beitragspflichtigen Anthcile aus 1600 besteht und dass
für die Zahlung der eingeforderten Beiträge die beitragspflichtigen
Mitglieder bis zur Höhe von 5000 Mark auf jeden Antheil unbedingt
haftbar sind. Die Direktion besteht aus 10 Mitgliedern, deren Vor-
sitzender Geh. Kommerzienrath v. Hansemann ist, der erste Stell-
vertreter ist der Staatssekretär a. D. Herzog, zweiter Stellvertreter
Generalkonsul Rüssel; geschäftsführende Mitglieder sind Baurath Lent
und A. v. Siemens.
Die Kompagnie, welcher am 29. März 1886 die Rechte der
juristischen Persönlichkeit verliehen wurden, ging in Ansübung ihrer
landesherrlichen Pflichten sofort an die Aufgabe, die Verwaltung zu
organisiren. Als oberster Bevollmächtigter und rechtlicher Vertreter
der Kompagnie wurde ein Landeshauptmann mit dem Amtssitz in
Finschhafen bestellt. Er übt die obere Leitung der gesummten ört-
lichen Verwaltung und ist als höchster Beamter der Kompagnie Vor-
gesetzter aller im überseeischen Dienst derselben Angestellten, in erster
Linie der Stationsvorsteher. Im Berichtsjahr trat der zuerst dazu be-
rufene Vize-Admiral Freiherr v. Schleinitz von der Leitung zurück und
an Stelle desselben übernahm der Geheime Ober-Postrath Kraetke am
1. März die Leitung der Geschäfte des Landeshauptmannes. Zur Bear-
beitung der Finanzsachen und technischen Angelegenheiten sind dem
Landeshauptmann einige Hülfsbeamte und ein Bauverständiger beige-
geben. Den Stationsvorstehem liegt die ökonomische nnd administrative
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Die deutschen Kolonien.
•249
Leitung der Haupt- uud Nebenstationen, sowie die Wahrnehmung
staatlicher Funktionen ob, welche ihnen übertragen wurden, wie der
Polizei- und richterlichen Hülfsbeamten, der Standesbeamten, iu der
späteren Entwickelung auch der Steuer- uud Zollbeamten. Für die
Kassen- und Lagerverwaltung und zur sonstigen Hülfsleistung, nöthi-
geufalls auch zur Vertretung, sind den Vorstehern der Haupt Stationen
Assistenten, zur Verrichtung der Handarbeiten iu der Kegel ein Zimmer-
mann. ein Gärtner und ein Seemann, sowie eine Anzahl farbiger Ar-
beiter unterstellt. Zur Vorbereitung der Landverkäufe an Ansiedler
sowie zur Sicherung der von der Kompagnie kraft ihres Vorrechtes
in Besitz zu nehmenden Landes sind ferner einige Landmesser uus-
gesendet und mit den erforderlichen Instrumenten ausgerüstet. Ferner
ist ein Arzt in Finschhafen stationirt nnd ein Kaiserlicher Richter,
Assessor Schmiele, in Kerawara im Bismarck -Archipel, nachdem er
zeitweilig in Matupi untergebracht war. Fenier sind Seemauus-
ämter in Finschhafen und Kerawara eingerichtet worden, deren Ge-
schäfte von Beamten derKompagnie wahrgenominen werden, und ist eine
Schutztruppe gebildet, welche von einem Offizier, Lieutenant a. D.
Steinhäuser, und zwei Unteroflizieren befehligt wird. Die Zahl der
Beamten, Handwerker uud sonstigen Angestellten, welche in fester
Besoldung stehen, betrug im Berichtsjahr ßO, die der Schiffsleute 74.
Auf der Zentralstation Finschhafen befanden sich im Sommer ausser
dem Landeshauptmann Kraetke. Postinspektor Ewerlien, Referendar
Jordan, Dr. med. v. Lukowicz, Standesbeamter und Vorsteher des
Seemannsamtes Dr. Hindorf, Schmidt-Ernsthausen. Verwalter der
Postagentnr. Auf der Station Konstantinhafen: Stationsvorsteher
Kubary. auf Hatzfeldthafen: Stationsvorsteher Schollenbruch, auf
der Nebenstation Butan eng: Stationsvorsteher Dr. Marnow, auf der
im August 1888 eingerichteten Pllanznugsstation Stephansort:
Stationsvorsteher Hermes. Im Bismarck -Archipel auf Station Kera-
wara: Stationsvorsteher Joachim Graf v. Pfeil, Verwalter der Post-
agentur B. v. Mengden, Kaiserlicher Richter Gerichtsassessor E. W.
Schmiele, Justiz -Aktuar Gerichtsschreiber 0. Hering, Gerichtsvoll-
zieher H. Langmaak. —
Die Führung der Schiffe hatten von: Dampfschiff Samoa.
Kapitän A. Hücker; Dampfschiff Ottilie, Kapitän Sechstroh; Dampf-
schiff Ysabel, Kapitän E. Dalimann; Bark Florence Danvers, interm.
Kapitän Fossgrcen; Bark Esmeralda, interm. Kapitän Weller.
Wir geben diese Einzelheiten, um zu zeigen, einen wie be-
deutenden Apparat die Gesellschaft aufzuwenden hat, um den
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Die deutschen Kolonien.
an sie durch den Schutzbrief gestellten Anforderungen gerecht zu
werden.
Als die Kompagnie die Verwaltung übernahm, war Nen-Gninea nur
erst an einigen Punkten der Küste erforscht und es wurde deshalb eine
besondere Forschnngsexpedition ausgerüstet, nachdem Dr. Finsch nach
Europa zurückgekehrt war, welche aus dem Astronomen Dr. Schräder
aus Hamburg als Leiter, dem Botaniker und landwirtschaftlichen
Techniker Dr. Hollrnng aus Dresden und dem Geologen Dr. Schneider
aus Berlin bestehend, und im April 1886 in Finschhafen anlangte. Sie
sollte zunächst in Kaiser-Wilhelmsland von der Küste aus womöglich
bis an die Grenze des englischen Gebietes Vordringen und auf anderem
Wege zur Küste zurückkehren, aber der Versuch gelang nicht wegen
Mangel an passenden Trägern. Die Expedition beschränkte sich
darauf, das Küstenland oberhalb Finschhafen, die Umgebung von
Konstantinhafen und Hatzfeldthafen und einige andere Punkte zu
erforschen und besuchte im Juni 1887 den von Dr. Finsch entdeckten
Kaiserin-Augusta-Flnss. Es gelang ihr bis zum 141° 48' östlicher
Länge vorzudringen und die Schifffahrt des Flusses auf etwa 200
Seemeilen (für Schiffe mit 9 Fuss Tiefgang) festzustellen. 1 ) Ausserdem
hatte der Landeshauptmann Freiherr v. Schleinitz die Erforschung der
Küste sich angelegen sein lassen und die Nord- und Südküste von
Neu-Pommern befahren, wobei zahlreiche Häfen, schiffbare Flüsse
und grosse Strecken fruchtbaren Landes entdeckt wurden. Hugo
Zöller machte im Sommer von Konstantinhafen aus eine grössere
Erforschungsreise in das Innere, erreichte die Höhe der Finisterre-
Gebirgskette und entdeckte zwischen dieser und der Bismarckkette
noch ein anderes hohes Gebirge, welches nach dem Landes-
hauptmann von Neu-Gninea den Namen Kraetke- Kette erhielt.
Nach diesem Forscher ähnelt das Land sehr den gebirgigen Gegen-
den Javas. Aus den Mittheilnngen dieser Forscher, besonders des
Herrn Dr. Hollrung, lässt sich nun ungefähr ein Bild von dem Lande
machen, welches in einen nördlichen ebenen und einen südlichen,
gebirgigen Theil zerfällt. 3 )
Letzterer ist ein grosser Ausläufer des langen Gebirgsrückens,
welcher sich gleich einem Rückgrat aus der Nordwestspitze der Insel
in ziemlich gerader Richtung nach der Südostspitze zieht. Dieser
') Auch der Ottilienfluss und der Markhamfluss haben sich auf längere Strecken
als fahrbar erwiesen, viele andere Wasserwege harren noch der Untersuchung.
*) llittheilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde in
Tokio. 40 Heft. Aaher & Co., Berlin.
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Die deutschen Kolonien.
251
Ausläufer, welcher eine grosse Anzahl Seitenzweige nach Nord und
Süd schickt, endet an der Astrolabebai in unmittelbarer Nähe der
Küste. Alle Gebirgszüge in Kaiser-Wilhelmsland sind ausserordent-
lich stark zergliedert. Die einzelnen Bergrücken schieben sich bald
knlissenartig hintereinander, bald folgen sie treppeuartig aufeinander
mit einer tiefen Einsenkung zwischen jeder Stufe, meist ziehen sie
aber ohne jede erkennbare Anordnung in das Innere hinein. Die
Einschnitte zwischen den Zügen sind tief, schlnchtenartig, und Ge-
birgsthäler mit geräumiger Thalsohle sind nicht häufig, die Abhänge
der Berge und Rücken leiden namentlich im Süden unter einer allzu-
grossen Steilheit, im Norden tritt der Hauptstock sehr zurück,
weshalb die Bergrücken daselbst niedriger und flacher als im
Süden sind.
Entsprechend der Theilung des Landes in einen nördlichen
Hachen und südlichen gebirgigen Theil ist die Bildung der Flüsse.
Enges Flussbett, starker Fall, steiniges Bett, verhältnissmässig kurzer
Lauf ist für die Flüsse im Süden charakteristisch. F ür deu Schiffs-,
gelegentlich sogar für den Bootsverkehr nach dem Innern sind sie
untauglich, eignen sich aber hier und da zum HolzHössen. Im
Norden giebt es eine Reihe grösserer Ströme, welche tief in das
Land hineingehen, geringes Gefälle besitzen, weit in das Innere
hinein für grosse Dampfer befahrbar sind und daher die natürlichen
Wege in das nördliche Innere bilden. Der grösste ist der Kaiserin-
Augusta-Fluss, welcher zweimal von der wissenschaftlichen Expedi-
tion bis auf 50 Seemeilen (93 km) Entfernung von der holländischen-
deutschen Grenze verfolgt wurde. Seine Qnelle, welche auf hol-
ländischem Gebiet zu liegen scheint, ist bis jetzt noch nicht erreicht
worden.
Das Klima ist ein ausgesprochen tropisches und besitzt alle die
bekannten Attribute desselben, welche jedoch sowohl durch die in-
sulare Lage des Landes an sich schon, als auch durch die Lage der
Insel in allernächster Nachbarschaft der Südsee eine vortheilhafte
Modifikation erfahren. 1 ) Die Hitze ist eine gleichmässige und feuchte.
') Nach den vorliegenden Berichten hat sich der Gesundheitszustand auf den
Stationen in Kaiser-Wilhelmsland und im Bismarck-Archipel während des Be-
rie.htsjahres im Allgemeinen günstig gestellt. Es gif* dies insbesonders in Bezug
auf die vorherrschende Krankheit, das Malarialieber, ln Finsehhafen, das ihm bisher
am meisten ausgesetzt zu sein schien, sind in der ersten Uälfte des Jahres keine
schweren Fälle vorgekommen, in den übrigen Stationen überhaupt nur wenige und
nicht erhebliche Erkrankungen. In Finsehhafen scheint die sorgfältigere Behand-
lung der Wohnungen , sowie die Errichtung zweier Krankenhäuser günstigen
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Die deutschen Kolonie».
in den Küsteugegenden durchschnittlich *27° C. Nach tien Bergen
hin nimmt die Temperatur rasch all. Als höchste Temperatur wurde
während der 2jährigen Beobachtungen auf den 3 Köstenstationen
33,5° C., als niedrigste 22,5° beobachtet. Es wird aus dieser Au-
gabe ersichtlich, dass einmal die Schwankungen der Temperatur sehr
geringe sind, und sodann das Maximum der Temperatur keineswegs
so sehr hoeh ist, wie man auf Grund der Lage des Landes gemeinhin
auzunehmen geneigt ist. So weist, beispielsweise, das unter 36°
n. Br. belegene Yokohama und das auf 37° s. Br. befindliche Mel-
bourne viel grössere Maxima auf. Ersteres nämlich 35,5°, Letzteres
sogar 44» C. Kaiser-Wilhelmsland verdankt diese günstigen Wärme-
verhältnisse den kühlen Winden, welche mit grosser Regelmässigkeit
das ganze Jahr hindurch wehen und die, sowohl der Südost- als der
Nordwestpassat, in voller Frische, durch keine vorgelagerten Land-
masseu geschwächt und verdorben auf Kaiser-Wilhelmsland herab-
wehen. Der Regen fällt sehr reichlich, besonders stark am Fnsse
des Finisterregebirges, nahe der Astrolabcbai. Bestimmte Regeu-
perioden haben noch nicht erkannt werden können. Die atmo-
sphärischen Niederschläge erscheinen zum Theil in Form von Gewitter-
regen, die damit verbundenen Blitzerscheinungen sind weder besonders
starke noch zahlreiche, und jedenfalls mit den wegen ihrer Heftig-
keit genugsam bekannten Gewittern des tropischen Afrika nicht zu
vergleichen. Erdbeben treten ziemlich häufig auf.
ln geologischer Hinsicht ist die Kenntniss eine noch sehr ge-
ringe. Auf eine korallinische Küstenzone folgt ein vulkanisches
Innere, das, nach den von den Flüssen nach der Küste hiu gewälzten
Gesteinsgeröllen zu urtheileu, nahezu alle der bekannten Formationen
enthält; aber von allen denjenigen geologischen Verhältnissen, auf
Grund deren es möglich wäre, Schlüsse auf das Vorkommen gewisser
werthvoller Mineralstoffe zu ziehen, wissen wir noch äusserst wenig.
Es ist denn auch noch nicht gelungen, Gold, Silber, Zinn, Kohle
oder andere werthvolle Mineralien zu finden. Da man jedoch in
dem benachbarten Englisch-Neu-Guinea nahe dem Owen-Stanley-Berg
Einfluss geübt zu haben. Alle Berichterstatter stimme» darin überein, dass das
Klima tür Tropengegenden günstig sei, und dass der Europäer es ertragen kan».
Ob er aber körperlich anstrengende Arbeiten wird macheu können, ist noch eine offene
Krage. Während es einerseits für möglich gehalten wird, dass Nordeuropier den
Tag über im Freien körperlich arbeiten, nenn sie angemessen wohnen, sich gehörig
nähreu, und zur Zeit des höchsten Sonnenstandes sich schützen, wird andererseits
die Frage zum Theil verneiut.
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Die deutscheu Kolonien.
253
goldführenden Boden aufgefuuden hat, so ist die Wahrscheinlichkeit
gross, dass goldführendes Land sich auch in Kaiser-Wilhelmsland be-
findet. Um auch die Nachforschung nach unterirdischen Boden-
schätzen wieder aufzunehmen, ist ein deutscher Bergingenieur in den
Dienst der Kompagnie genommen.
Dem Zoologen fällt die grosse Armuth au Thieren, namentlich an
Vierfüssern, auf. Unter den Säugethieren ist das Wildschwein das
grösste, es fehlen vollständig der Tiger und Leopard, welche im benach-
barten Java auftreten, derElephant von Borneo, das Rhinozeros von eben
daher, der Affe, der Hirsch und der kleine wilde Büffel, welche noch
in dem nahe gelegenen Celebes Vorkommen. Nebst dem Wildschwein
ist in Kaiser-Wilhelmsland aus der Reihe der Säugethiere noch der
lliegende Hund, das Wallabi, der Cuscu-», eine opossumähnliche Beu-
telratte und eine kleine Buschratte vertreten. Ausserdem besitzen
die Eingeborenen noch kleine Hunde, welche aber nie wild auftreten,
sondern von den Papuas für ihre kulinarischen Zwecke gezüchtet
werden. Sehr zahlreich sind die Vogelarfen. Als sehr charakte-
ristisch ist einerseits das Vorkommen der auf Neu-Guinea beschränk-
ten Paradiesvögel, andererseits das des Casuars, welcher sonst nur
noch von Australien bekannt ist, hervorzuhebon. Ferner sind noch
die Krontaube (Goura coronata) von der Grösse einer Gans, der
Nashornvogel (Buceros), die ungezählten Papageien-, Kakadu- und
Taubenarten, der kleine Cicinnurns mit rothsammtenem Federkleid,
die langgeschwänzte himmelblaue Tanisiptera, der farbenprächtige
Dipbyllodes, die schwarze Knte, der weisse Reiher, der Taucher, zu
zu erwähnen. Von Reptilien giebt es Krokodile in den Müudungen
rnhigfliessender Bäche und Flüsse und namentlich an den Ufern des
Kaiseriu-Augustaflnsses, Seeschildkröten bis zu 1 Vs Meter Länge und
Schlangen, deren grösste etwa 3 Meter lang ist. Vergiftungsfftlle
durch Schlangen sind im Gegensatz zum benachbarten Australien
noch nicht bekannt geworden. Der Fischreichthum der Flüsse und
der Meeresküsten ist ein sehr bedeutender und bildet für Fluss- uud
Meeresanwohner einen Huupttlieil der auimalisehcn Nahrung. Die
niedere Thierwelt ist sehr zahlreich vorhanden, ohne indessen hiu-
si'-htlich des Formeureichthnms an das tropische Amerika hiuanzu-
roichen.
In botanischer Beziehung ist Kaiser-Wilhelmsland ausserordent-
lich reich ausgestattet; die Pflanzenwelt ist eine wahrhaft tropisch
üppige, vielleicht zu üppige. Sowohl hinsichtlich der einzelnen Be-
standtheile, als auch durch die Art und Weise, wie letztere zusam-
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254
Die deutschen Kolonien.
mengestellt erscheinen, ist die Vegetation vielfach verschieden von
der benachbarten australischen. Dem Wald fehlen die Nadelhölzer
vollständig, er wird ausschliesslich aus Laubhölzern gebildet, unter
denen wieder die dicotyledonischen Bäume im Grossen und Ganzeu
vorherrschen. Kokospalmenhaine, kleine Wälder von Pandanus, der
niedlichen Fächerpalrae Licuala und der schlanken Euterpe sind ini
Norden häufiger als im Süden. Eine weitere Eigentümlichkeit des
Waldes ist der Mangel wirklicher Bestände einer Baumgattung, was
recht unbequem in das Gewicht fällt, wenn es gilt, eine bestimmte
Holzsorte zu schlagen. Die Stämme sind meist gerade gewachsen
und mitunter von staunenswerter Höhe und Dicke; zahlreiche
Schmarotzer, wie ßaphidophora, Pothos, einige Baumorchideen, Farru-
kräuter (Platyecrium, besonders schön) und die Mistel bedecken zum
Theil die Stämme mit einer letztere oft vollständig verhüllenden
Ernste, oder halten sich in den reich belaubten Baumkronen auf.
Dazu tritt eine grosse Reihe von schlingenden, kletternden und win-
denden Gewächsen, welche in allen nur erdenklichen Formen, von
der Bindfaden- bis zur Korkziehergestalt, und in allen möglichen
Anordnungen, bald am Boden sich hinwälzend, bald an den Stämmen
der Bäume emporkletternd, bald in schön geschwungenem Bogen von
Ast zu Ast, von Baum zu Baum sich biegend, bald wie ein Kletter-
tau aus der Baumkrone auf den Boden herabreichend, vorzufiuden
sind. Das Unterholz in den Wäldern ist meist sehr gering, da die
dichte Belaubung ihm Licht und Luft raubt. Der Boden der Wälder
ist kahl, ohne Grasbedeckung. Die Grasebene hat ihren Hauptver-
breitungsbezirk in der Tiefebeue, sie verschwindet gegen die Berge
hin und ist über einer Höhe von 1000 Metern wohl nur selten noch
zu finden. Das Sagodickicht tritt verhältnissmässig stark auf, da es
einen mehr oder weniger unter Wasser stehenden Boden voraussetzt.
Diese Bedingungen bieten z. B. die sehr häufig überschwemmten Ufer
des Kaiserin-Augustaflusses nahe bei der Mündung, weshalb dort
grosse Sagowälder vorhanden sind. Diese Wälder bilden ein wildes
unentwirrbares Chaos von lebenden und umgestürzten Palmen, so-
wie einigen grosse Feuchtigkeit liebenden Dicotyledonen.
Die Eingeborenen, echte Papua, 1 ) in Dörfern wohnend, sind im
*) Nachrichten über Kaiser-Wilhelmslund und über den Bismarck-Archipel
Heft 4. 1888. ln Kommission bei Asher & Co-, Berlin. Diese Nachrichten werden
von der Direktion herausgegeben und enthalten eine fortlaufende vortreffliche Ge-
schichte der Entwickelung des Schutzgebietes, was sowohl die Verwaltung, als die
Forschungen der Reisenden und Ergebnisse der Kulturen betrifft.
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Die deutxchen Kolonien.
255
Allgemeinen von kräftiger, muskulöser Gestalt, mittlerer Grösse,
ehokoladenbraoner Hautfarbe und reichem, krausem Haarwuchs.
Durch gewisse Verschiedenheiten in der Lebensweise, Ernährung,
Beschäftigung, in den Sitten u. s. w. haben diese Charaktere hier
uud da leichte Modifikationen erfahren. So ist bei den Bergvölkern
der Unterkörper besonders stark ausgebildet, während die Anwohner
des Kaiserin Augustaflusses einen starken Oberkörper, d. h. sehr
kräftige Brust und Arme, bei schwachen Beinen besitzen. Ara regel-
mässigsteu gebaut sind die Küstenbewohner. Im Haarwuchs machen
sich nur insofern Unterschiede geltend, als in einigen Gegenden
(Halzfeldthafen, Augustafluss, Neupommern) bärtige Eingeborene auf-
treten und das Haupthaar namentlich in Folge der ortsüblichen
Trachten bald sehr eng geringelt und dicht, bald etwas lockerer ist.
Die grösste Verschiedenheit weist die Gesichtsbildung der Einge-
borenen auf. Ein entschieden semitischer Gesichtstypus ist unter
den Eingeborenen von Hatzfeldthafen und dem oberen Augustafluss
zu finden; mehr an javanische Gesichtsbildung erinnern wieder an-
dere, und einige Anwohner des Sattelberges bei Finschhafen gleichen
im Gesichtsschnitt vollständig den Australnegern. Die Augen der
Eingeborenen liegen vollständig horizontal, die Nasenwurzel ist als
verhältnissmässig schmal zu bezeichnen. Die Frau ist etwas kleiner
und zierlicher gebaut als der Manu, unterscheidet sich sonst aber
nicht auffallend vom Manne. Die Kleidung der Eingeborenen ist
dem Klima entsprechend sehr eiufach. Am wenigsten komplizirt ist
sie in einigen Gegenden des nordöstlichen Neu-Mecklenburg, woselbst
Männer wie Frauen völlig nackt einhergeheu. Dagegen sind im Kaiser
Wilhelmsland niemals unbekleidete Frauen bemerkt worden; immer
tragen dieselben mindestens einen ans Gras hergestellten Lendenschurz.
Ueber eine Bedeckung der Hüftengegend gehen weder die Männer
noch die Frauen hinaus. Bedeutend mehr Aufmerksamkeit widmen
die Eingeborenen der Ausschmückung ihres Körpers und sie verwen-
den hierzu Armbänder, Fussriuge, dreieckig geformte Brustschmucke,
Muscheltheilo, Stirnbänder, Nasenpflöcke, Ohrringe uud Halsketten,
Blumen, nebst rother, gelber, schwarzer und weisser Farberde, Kokos-
nussöl, Haarnadel und Steckkamm, kurz alle die Schmuckstücke, welche
gleichwertig den bei unseren europäischen Damen gebräuchlichen
Schmuckstücken sind. Die Frauen erscheinen im Allgemeinen wenig
geschmückt. Eigentliche Waffen besitzen die Eingeborenen nur noch
im Bogen mit dem Pfeil und dem Speer. Die Steinkeule ist jetzt
schon sehr selten geworden. Die sogenannten Meuschenfänger sind
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256
l>ie deutschen Kolonien.
im Kaiser-Wilhelmsland unbekannt. Die Arbeitsinstrumente sind sehr
einfach und wirkungsvoll. So dient ihnen als Rasirmesscr ein Stück
Obsidian, eine Muschelschale, ein Kaden Bambusrohr und die Flaschen-
schcrbe. Als Filter zur Trennung des rohen Sagomehls von seinem
Spülwasser benutzen sie das Gewebe der Kokospalme; das Auswaschen
und Kneten des zerkleinerten Sago-Palmenmarkes nehmen sie in
einer trogförmig zusammengebundenen Palmenblattscheide vor. Gleich
einfach ist ihr Küchenmesser, es besteht aus einem länglichen Stück
Bambusrohr, dem sie durch sehr geschicktes Abziehen eines Theiles
der Gefässbündel eine gute Schneide geben. Gleich einfach verhalten
sie sich bezüglich der Nahrung, deren Erlangung, Zubereitung und
Verspeisung. Yam, Taro und Banane, an einigen Plätzen auch Brot-
frucht und Sago, sind die hauptsächlichsten vegetabilischen, Schwein,
llund nud Fisch die gebräuchlichsten animalischen Nahrungsmittel
der Eingeborenen. Gelegentlich stillen sie ihren Appetit auch mit
wilden Früchten, verzehren eine Schnecke, eine Schlange, den Leguan,
einen lliegenden Hund, einen Kuskus, eine Ratte, eine Schildkröte,
ein Huhn, alle mit gleichem Appetite. Yam, Taro, Banane und
Zuckerrohr, sowie llund, Schwein und Huhn werden von den Ein-
geborenen gezogen, alle übrigen Nahrungsmittel entnehmen sie der
Natur. Die Hauptgenussraittel sind Tabak und das Betelgemisch.
Getränke berauschender Natur sind ihnen unbekannt. In geistiger
Beziehung stehen die Eingeboreneu von Kaiser Wilhelmsland ziem-
lich hoch, wie die geschickte Verwendung von Naturprodukten, ihre
Industrie und Handel, sow ie ihr Verhalten im Verkehr mit den Weissen
bezeugt, ln industrieller Hinsicht sind namentlich die Bili-Bili-Ein-
wohner wegen ihrer wohlgeformten gebrannten Töpfe, die Maragun-
Leute wegen ihrer Holzschüsseln, die Rook- Insulaner wegen ihrer
prachtvollen Geflechte mit Kaurimuschelbesatz und viele Gegenden
des Bismarck -Archipels wegen der kunstvollen Maskenschuitzereieu
bekannt. Von religiösen Vorstellungen kennen sie nur die Furcht
vor einem höheren Wesen; Sonne, Mond, Sterne, Blitz und Donner
versehen sie mit dem Beiwort „abumtau“, dem der Begriff des Grossen.
Mächtigen innewohnt; dieselbe Bezeichnung geben sie sodann den ge-
schnitzten menschenähnlichen Holztiguren, welche fast in jedem Hause
anzutreffen sind, und in neuester Zeit haben sie den Begriff „abum-
tau“ auch auf den Weissen, welcher viel Perlen, Tuch und Eisen be-
sitzt, übertragen. Die Sprachenverschiedenheit ist sehr gross; fast
jedes Dorf hat eine andere Sprache. Dies ist für die Erforschung
des Landes recht hiuderlich, denn der Weisse. welcher nicht direkt
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Die deutschen Kolonien
257
mit dem Eingeborenen verkehren kann, darf sicher sein, von seinem
Dolmetscher hintergangen zu werden. Ein Zusammenhang irgend
eines der bis jetzt ans Kaiser-Wilhelmsland bekannten Dialekte mit
anderen Sprachen der Südsee, Australiens oder des Malayischen Ar-
chipels hat sieh bisher noch nicht feststellen lassen, wenn auch in
einigen der Dialekte Anklänge au das Malayische z. B. vorhanden sind.
Eine Schrift irgend welcher Art kennen die Eingeborenen nicht, was
immerhin angesichts ihrer Leistungen in der Schnitzkunst und in
dem Erfinden von gefälligen Mustern auffällig erscheint. Für Ver-
gnügungen sind die Eingeborenen äusserst zugänglich , deshalb ist der
Tanz, sowie das Jagen nnd Fischen mit dem Speer bei ihnen äusserst
beliebt. An den Tänzen, welche des Abends auf einem freien Platze
mitten im Dorfe abgehalten werden, nehmen nur die Männer und er-
wachsenen Knaben Theil, die Frauen begnügen sich mit der Rolle
der Zuschauer. Je nach der Oertlichkeit und der Bedeutung der
Festlichkeit erscheinen die Männer in mehr oder weniger verschieden-
artigem oder phantastischem Schmuck. Ihr Musikinstrument ist die
kleine Trommel. Auf dieser geben sie den Takt zu dem Gesänge
an. welcher von einem Vorsänger augestimmt nnd von den Umstehen-
den ausgeführt wird. Die Tänzer bilden entweder hinter einander
gestellt einen grossen Kreis oder zwei sich gegenüberstehenden Reihen,
zwischen denen zwei Solotänzer ihre Bewegungen ausführen. Der
eigentliche Tanz besteht in einem eigenthümlichen Verdrehen des
Kopfes, einem Vor- und Zurückbeugen des Oberkörpers, einer Reihe
von Kniebeugen, sowie gelegentlichem Vor-, Rückwärts- und Seit-
wärtsspringen. Auf die Beziehungen der Eingeborenen zu den Weissen
werden wir später noch zu sprechen kommen.
Die örtliche praktische Arbeit wurde durch die Errichtung von
Stationen begonnen, von denen auf Kaiser-Wilhelmsland Finschhafen
(5° 30' s. Br. 147° 50' ö. L.) die Zentrale ist. Die erste im Jahre
1885 dort angelangte Expedition, welche Malayen ans Soerabaya als
Arbeiter engagirt hatte, errichtete die ersten Gebäude auf einer kleinen
Insel im änsseren Hafen, Madang oder Holzinsel genannt. Von der
Insel, welche durch einen Steindamm mit dem Festlande verbunden
wurde, ging man auf das letztere über, auf welchem im Sommer 1887
bereits 16 Gebäude vorhanden waren, und zwar Wohnhäuser, eine
Speiseanstalt, ein Kulihaus, Lagerhäuser, Inventarienschuppen und
ein Hospital, ein Einwandernngshaus und weitere Lagerhäuser später
erbaut worden sind. Ferner wurde ein geeignetes Grundstück zum
Anbau von Gemüsen und später auch Kaffee erworben und ein Vieh-
Jibrbuch für DeuUcbe KoloDUlpolitlk. 17
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*258
Die deutschen Kolonien.
park für Rindvieh eingehegt. Bald aber zeigte sich, dass Finschhafen
sich für ausgedehnten Piantagenbau nicht besonders eignen würde, da das
Vorland zwischen der Küste und den in geringer Entfernung schroff auf-
steigenden Bergen nur schmal ist und der Korallenboden nachhaltige
Fruchtbarkeit nicht versprach. Demgemäss wird das Vorland mehr
als vorwiegend städtische Anlage zu verwerthen sein und wurde der
Plan zu einer solchen, welcher die Strassenzüge und die Theilung
des Bodens in Loose vorsah, ausgelegt. 1 )
Diese Beschränktheit des kultivirbaren Terrains führte dazu, an
der Langemakbucht einige Kilometer südlich, eine Nebenstation
Butaneng anzulegen, besonders um die Lebensmittel für die farbigen
Arbeiter zu ziehen. Die erste Niederlassung in Hatzfeldthafen
wurde ans Gründen der Sicherheit auf einer kleinen Insel Tschirimoi
eingerichtet, aber bald nach dem Festlande verlegt. Nach Klärung
des Buschlandes wurde ein Versuchsfeld für Tabak angelegt, auf
dessen Anbau man hier grosse Hoffnungen setzte. Eine voraus-
geschickte Probe nicht fermentirter Blätter der letzten Ernte, welche
zu Zigarren verarbeitet wurde, zeigte nach sachverständigen Gut-
achten werthvolle Eigenschaften eines guten Deckblattes. Es wurde
für Tabakplantagen ein ausgedehntes Terrain (etwa 600 ha) geeigneten
Bodens und die im Jahre 1888 neu angelegte Pflanzenstation
Stephansort an der Astrolabe-Bai bestimmt, wo eine Fläche von
etwa 500 ha zur Verfügung stand. Die Astrolabe-Bai bildet einen
ziemlich regelmässigen riesigen Halbkreis mit reich und schön be-
waldeten Ufern, von denen die freundlichen weissen Gebäulichkeiten der
Station Konstantinhafen auf der einen und der Missionsstation
Bogadjim (siehe über die Missionsthätigkeit Seite 57) auf der anderen
Seite weit in das Meer hinausleuchten. Zur Gründung der neuen Station
war das Gebiet in der Nähe der Missionsstation ausgewählt. Auf der
Station Konstantinhafen, an der gleichnamigen Bucht, ip dessen Nähe
1870/1871 der russische, jetzt gestorbene Naturforscher Miclucho
Maclay mehrere Monate zu wissenschaftlichen Zwecken verweilte, ist
eine Plantage von 8*/* h Fläche mit den nöthigen Gebäulichkeiten einge-
’) Heber die allgemeinen Bedingungen für die Ueberlassung von Grundstöcken
u. s. w. siehe Anhang: die Preise betragen laut einer Bekanntmachung des Landes-
hauptmann Kraetke vom Jahre 1S88 für alle Orte:
für ein Loos von '/io ba in der inneren Stadt |
für ein Loos von */» ba in der äusseren Stadt , zwischen 20—100 Mark.
für ein Loos von 1 ha ländliches Gebiet '
Die zur Auswahl gestellten Grundstücke liegen in den Bezirken der Stationen
Finschhafen, Konstantinhafen und Hatzfeldthafen.
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Die deutschen Kolonien.
259
richtet. Ausserdem wurde wie in Finsehbafen und anderwärts auch hier
eine Sägeeinriehtung aufgestellt. Eine andere Station Kelaua, westlich
vom Kap König Wilhelm, auf welcher der Anbau von Baumwolle
und Kokosplanzungen betrieben werden sollte, ist wegen des ungeeig-
neten Bodens wieder aufgegeben worden.
Int Bismarck - Archipel bestanden schon längere Jahre Nieder-
lassungen von deutschen Handelshäusern, vor allen das bekannte
Hamburger Haus J. C. GodefTroy & Sohn, welches auf der Insel
Mioko, die mit Neu-Lauenburg, Ulu und Utuan einen sicheren guten
Hafen einschliesst, eine Faktorei errichtete, jetzt die Agentur der
deutschen Handels- und Plantagen -Gesellschaft der Südsee. Diese
Agentur unterhält 10 Handelsstationen im Archipel und beschäftigt
mehrere Fahrzeuge zum Sammeln der Produkte. Die zweite Nieder-
lassung der Hamburger Firma Hernsheim & Co. auf Matupi, einem
Inselchen der Blanche -Bucht, ist ein gleich ansehnliches Etablisse-
ment, welches 12 — 18 Nebenstationen besitzt. Die dritte Haupt-
niederlassung bildet die Ralum-Plautation der Firma Thos Farrell
& Co. auf der Gazelle-Halbinsel, unweit der Blanche-Bucht gelegen,
wo ein Areal von 300 Acres (engl. Acker =1,6 Morgen) vornehm-
lich Baumwolle, mit etwa 200 Salomo - Insulanern bewirthsc haftet
wird. Nachstehende tabellarische Notizen geben ein ungefähres Bild
der Handelsbewegnng im Jahre 1885, indem wir zugleich bemerken,
dass die Export- Notizen eines einzelnen Jahres natürlich nicht
identisch mit dem thatsächlichen Geschftftsumsatz dei einzelnen Fir-
men ist, da die Lagerbestände am Anfänge und am Schlüsse des
Jahres nicht in Betracht gezogen sind :
A. Export.
Firma
Kopra
Werth
in
Ton- ! Europa
nen M
Schild-
patt,
Perl-
schalen
1 ii ver.se-
M
Beche
de
mer
.//
Raum
(sea 1
Pfund
wolle
sland)
Werth
in
Europa
M
Total
M
1. Agentur der Deutschen
Handels- u. Plantagen-
Gesellschaft in Mioko
2. Hernsheim u. Co. in
250
75 000
2 500
—
—
—
77 500
Matupi
3. Farrell u. Co. in Ra-
800
240 000
7 000
1 000
1
—
248 000
lum
500
150 000
12 S00
24 800
21 000
21 000
208 600
Total
1550 i
465 000
22 300
25 800
21 000
21 000
17*
534 100
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260
Die deutschen Kolonien
B. Import.
Tauschwaaren. Mandvorrath. Bauholz, Kohlen n. s. w.
1. Agentur der Deutschen Handels-
und Plantagen-Geaellschaft H 246 000. — (incl. 1200 Tonnen Kohlen).
2. Hernsheim u. Co 296000. — ( „ 1700 „ „ ),
3. Farrell u. Co , 145000.— ( „ 100 „ ),
Total M 687000. — (incl. 3000 Tonnen Kohlen).
Was den Ursprung der Waaren betrifft. so drängt der Import
mittels direkter Segelschiffe von Deutschland denjenigen von Austra-
lien zurück. In der That hat sich die deutsche Industrie den Markt
in der Südsee mehr und mehr erobert (nur in einem Hauptartikel,
bedruckten Kattunen, Prints, vermögen wir es mit Manchester nicht
aufzunehraen) und in dieser absoluten Konkurrenzfähigkeit dürfen
wir eine der sichersten Garantien für die Fortdauer unserer Haudels-
suprematie erblicken.
Im Bismarck-Archipel war zur Anlegung einer Station der Neu-
Guinea-Kompagnie Matupi der geeignetste Ort, aber der Erwerbung
stellten sich Schwierigkeiten entgegen. Herr v. Schleinitz wählte dann
die kleine Insel Kerawara, die südlichste Insel der Neu-Lauenburg-
Gruppe, wo auch eine Station errichtet wurde. Dieselbe soll wieder
aufgegeben werden, da der Hafen für Segelschiffe schwer zugänglich
ist und auf der Insel ausreichender Boden für umfassende Kultur-
versuche sich nicht findet. In Neu-Pommern, wo Herr v. Schleinitz
sehr fruchtbares Land entdeckt hatte, sollte auch mit der Anlage
einer Kaffee- Pflanzung begonnen werden, aber eine durch einen vul-
kanischen Ausbruch entstandene mächtige Fluthwelle überschwemmte
die Küste und der Stationsvorsteher von Below sowie der Stations-
beamte Hunstein fanden mit mehreren eingeborenen Arbeitern einen
jähen Tod.
Aus dem vorher Gesagten lässt sich schon ersehen, dass die
Gesellschaft mit grosser Energie unter Aufwendung mehrerer Mil-
lionen Mark an ihre Thätigkeit gegangen ist, nachdem sie sich da-
von überzeugt hatte, dass die aufgewendeten Kosten und Mühen sich
einst bezahlt machen würden. Das grösste Gewicht ist naturgemäss
auf die Hebung der Bodenschätze gelegt werden. Von den Nahrungs-
mitteln gedeihen sowohl die in den Tropen heimischen, als auch eine
grosse Anzahl europäischer Gemüse und Bodenfrüchte. Es hat sich dabei
gezeigt, dass das erstmalige Misslingen von Versuchen von deren Wieder-
holung nicht abschrecken darf. So ist z. B. der mit Kartoffeln an-
gestellte Anfangs missglückte Versuch in Finschhafen mit gutem
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Die deutschen Kolonien.
2H1
Erfolge wieder aufgenommen worden und ebenso haben sich Gurken
aus chinesischem Samen vorzüglich entwickelt, nachdem der euro-
päische Samen versagt hatte. Von Handclspflauzen sind Baumwolle
nnd Tabak mit Erfolg angebaut, die Kultur von Kaffee versucht wor-
den. Die Frage, welche andere tropische Gewächse ausser Baum-
wolle und Tabak auf den Bodenarten von Hatzfeldthafen und Kon-
stantinhafen angebaut werden können, hat nach genauer Untersuchung
der Bodenproben eine anerkannte Autorität, Herr Prof. Maercker in
Halle, dabin beantwortet, dass nach dem Nährstoffreichthum und der
mechanischen Beschaffenheit dieser Bodenarten er überhaupt kein
Gewächs wüsste, welches dort nicht angebaut werden könnte, wenn
die klimatischen Verhältnisse es zuliessen. Bedeutend ist, wie schon
hervorgehoben, der Holzreichthum des Landes, welcher in manchen
Gegenden, z. B. am Angusta-Fluss, leicht ansgebeutet und schon in
Australien verwerthet werden kann, und im Bismarck-Archipel die
Produktion der Kopra. Auch die Gewinnung des Sago, der Massoi-
rinde, aus welcher ein ätherisches Oel gewonnen wird, der Harze,
Phosphate auf Purdy-lsland, und an der Küste der Perlmnttersehaalen,
des Trepang wird sich vielleicht lohnen. Wie reichhaltig das Gebiet
an Naturprodukten ist, hat Dr. Finsch des Genaueren auseinander
gesetzt in einer sehr erschöpfenden Arbeit, auf welche wir die Leser
verweisen. *)
Die Hindernisse, welche einer schnellen wirthschattlicheu Ent-
wickelung des Schutzgebietes sich entgegenstellen, sind mehrfacher
Natur: sie liegen nicht in den natürlichen Verhältnissen des Bodens
oder des Klimas, sie bestehen vielmehr in der Entlegenheit des
Schutzgebietes vom europäischen Verkehr, in dem Mangel bereiter
und geschickter Arbeitskräfte und in der Erfüllung der Aufgaben,
welche die der Kompagnie übertragene staatliche Verwaltung stellt.
Zwischen Europa und dem nördlichen Australien besteht eine einzige
regelmässige Dampfschiffs-Linie, welche von der British India Steam
Navigation Company in London unterhalten wird und alle vier Wochen
ein Schiff gehen lässt, welches Cooktown an der Nordostküste von
Queensland anläuft. Von dort vermitteln die Dampfer der Gesell-
schaft, welche wir schon erwähnt haben, den Verkehr nach Finsch-
hafen in regelmässigen vierwöchentlichen Fahrten, was für Dampfer
geringerer Geschwindigkeit vier bis fünf Tage in Anspruch nimmt.
Die Beförderung von Frachten von Berlin nach Finschhafen bean-
') Ueber Naturprodukte der westlichen Südsee, besonders der deutschen Schutz-
gebiete. Deutsche Kolonialzeitung IV. Jahrgang. 17. Heft nnd f.
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262
Die deuteeben Kolonien.
spracht günstigen Falls 66 Tage, von Personen 56 Tage, von Briefen
45 Tage. Die Kosten des Schiffsverkehrs sind übermässig grosse,
da Kohlen und ein grosser Theil der Schiffsbedürfhisse aus Australien
beschafft werden müssen, so dass die Erwägung angebracht ist, ob
nicht eine direkte Verbindung zwischen dem Schutzgebiete und dem
Mntterlande hergestellt zn werden verdient. Der nächste australische
Hafen, nach welchem deutsche Dampfschiffe regelmässig fahren,
Sydney, ist rund 2500 Seemeilen, der nächste asiatische, Singapore,
rund 2300 Seemeilen von Finschhafen entfernt, so dass die eigenen
Schiffe der Kompagnie einen Anschluss dort nicht suchen können.
Sie ist der englischen Linie vollkommen überliefert, welche ihr Mo-
nopol ausnutzt und die Güter nach Belieben liegen lässt. Sowohl
in Hamburg, von wo die Sendungen nach London gehen, wie in
London und Cooktowu bedarf es der Vermittelung von Agenten,
woraus eine dreifache Belastung mit Spesen folgt. Alle Bemühungen,
durchgehende Konossemente von Cooktown nach Hamburg zu erhal-
ten. sind bisher wegen des entgegenstehenden Interesses der Zwisehen-
agentnren fruchtlos gewesen. Dazu kommt, dass in England die
Zollbehörde gegen den Transitverkehr mit wenig Rücksicht verfährt
und demselben durch Formalitäten, in neuerer Zeit besonders aus
Anlass des Markenschutzgesetzes, empfindliche Verzögerungen und
Kosten verursacht. Diese Schwierigkeiten des Verkehrs schrecken
aber auch die direkte Unternehmung von der Anlegung von Pflan-
zungen wie von der Ansiedelung ab und lassen das deutsche Kapital
lieber in tropischen Ländern unter fremder Herrschaft, wie in Su-
matra, Nord-Borneo, Anlage suchen, so dass es im Interesse der Ge-
sellschaft mit Freuden zu begrüssen wäre, wenn es sich ermöglichen
Hesse, eine direkte Linie, vielleicht über Niederländisch-Indien, her-
beizuführen.
Eine andere Schwierigkeit liegt in der Arbeiterfrage, da sich
die Eingeborenen von Kaiser-Wilhelmsland nur gelegentlich verwen-
den lassen. Zuverlässige aushaltende Arbeiter sind sie aber nie
gewesen. Meist kommen sie ganz plötzlich, Arbeit verlangend. Die-
selbe wird ihnen in Akkord gegeben; die ganze Familie und Ver-
wandtschaft arbeitet dann sehr rasch unter grossem Tumult das
gegebene Arbeitsquantum auf, nimmt den ausbedungenen Lohn in
Empfang und hält sich danach für lange Zeit, häufig auf Nimmer-
wiedersehen, von der Station fern. Vielfach ist es auch vorgekom-
men, dass sie einen zweitägigen Akkord nach dem ersten Tage ab-
brachen. wenn ihnen nicht am Abend desselben schon der halbe Lohn
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Oie deutschen Kolonien. 9g3
aasbezahlt wurde. Die Erfahrung hatte jedoch gelehrt, dass die
Eingeborenen, wenn ihnen der halbe Lohn am ersten Tage ausge-
bändigt wurde, am nächsten Tage nicht wiederzukommen pflegten;
deshalb wurde ihnen später um ersten Tage kein Lohn mehr gegeben,
was nun zur Folge hatte, dass die Eingeborenen, den am ersten Tage
verdienten Lohn im Stiche lassend, am nächsten Tage und überhaupt
nicht wiederkamen. Auf einigen Stationen, wie auf Butaueng, kom-
men sie aber regelmässig zur Arbeit.
Besser schlagen die Eingebornen aus dem Bismarck-Archipel und
von den Salomoinseln ein, die auf den Pflanzungen in Neupommern
mit Erfolg verwendet und von der Handels- und Plantagen -Gesell-
schaft auf den Plantagen in Samoa gebraucht werden. Auch für
die Station in Kaiser-Wilhelmsland sind Eingeborene aus Neupommern
und Neu-Mecklenbnrg angeworben worden und sie haben sich im
Allgemeinen anstellig, ausdauernd und fügsam erwiesen.
Um den mit beklagenswerten Missbräuchen verbundenen Ar-
beiterhandel zu steuern, hat die Reichsregiernng, welcher durch den
Kaiserlichen Schntzbrief Anordnungen zum Schutze der Eingeborenen
Vorbehalten sind, schon im Frühjahr 1885 durch den Kaiserlichen
Kommissar in Matupi in Verbindung mit dem Verbot der Zuführung
von Waffen u. s. w. verbieten lassen, dass Eingeborene zur Verwen-
dung als Arbeiter aus dem deutschen Schutzgebiet weggeführt werden,
ausgenommen für deutsche Plantagen (in Samoa) aus denjenigen
Theilen des Bismarck-Archipels, aus welchen dies bisher geschehen
und auch von diesen nur unter der Kontrolle deutscher Beamten.
Durch Polizeiverordnung des Landeshauptmanns wurde die Ueber-
tretung dieses Verbots unter Strafe gestellt und auch auf die Salomo-
inseln ausgedehnt. Die Anwerbung der Eingeborenen als Arbeiter
wurde dadurch in eine festere Ordnung gebracht, dass sie durch
Verordnung des Landeshauptmanns unter Aufsicht gestellt und die
Einrichtung von Depots vorgesehen wurde. Dadurch wurden die
Rekrutirungen von Eingeborenen, welche früher häutig unter schweren
Gewalttätigkeiten ausgeführt wurden, verhütet und wurde Sicherheit
für eine menschliche und gerechte Behandlung gewährt, welche
auf die durch die früheren Vorgänge erbitterten Bewohner des Bismarck-
Archipels allmählich günstig einwirken wird. Das Verhalten der
Eingeborenen gegen die Ansiedler ist bisher zwar nicht gleichmässig,
aber doch überwiegend friedlich gewesen. Ernstere Konflikte haben
im Dezember 1886 im Huon-Golf und im Juli 1887 auf der Station
Hatzfeldthafen stattgefunden. Der erstere entstand dadurch, dass
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Die deutschen Kolonien.
ein Boot der „Samoa“, welches zu landen sieh ausehickte, mit Speer-
würfen angegriffen wurde, was zur Abbrennung einiger Hütten Ver-
anlassung gab. Bei Hatzfeldthafen griffen ohne erkennbare Veran-
lassung zahlreiche Eingeborene die in der Nähe der Station liegende
Tabakversuchsplantage an und verwundeten fünf der dort arbeitenden
Malayen, den einen davon tödtlich. die anderen schwer. Die Be-
strafung bestand auch hier, da die Thäter nicht zu erreichen waren,
in der Vernichtung von Häusern und Kanoes der Siedlungen, welche
den Angreifern gehörten, ln Hatzfeldthafen dauerte im Berichtjahr
das unfreundliche Verhalten der beiden Dörfer Dugumor und Tschiriar
derart fort, dass es nöthig geworden ist, die Station zu ihrem Schutze
mit einer über das eigentliche Statiousbedürfniss weit hinausgehenden
Zahl von Weissen zu besetzen. Auch im Bismark-Arehipel, auf der
Gazellen-llalbinsel. in Neupommeru, wo die Eingeborenen gegen
700 Sn iderge wehre in Besitz haben und sich ihrer zu bedienen
wissen, ist es zu Zusammenstössen gekommen. Der Kaiserliche
Richter Schmiele wurde nebst mehreren Begleitern auf einer Tour
nach Fort Weber von Eingeborenen angegriffen und erst nach drei-
tägigem fortwährenden Kampf mit den Eingeborenen gerettet. Sämmt-
liche Mitglieder der Expedition wurden verwundet. Auch der Stations-
vorsteher Graf J. Pfeil, der Neu-Mecklenburg in seinem südlichen
Theile durchquert hatte, verlor durch einen Ueberfall der Einge-
borenen einen Begleiter und sein Gepäck. Diese Vorkommnisse
mahnen zwar zur Vorsicht, aber ernstere Ungelegenheiten werden den
Ansiedlern kaum aus der Feindschaft der Eingeborenen erwachsen,
da letztere in viele einzelne Stämme zersplittert sind und unter-
einander sich fast fortwährend bekämpfen. Diese gegenseitige Feind-
schaft ist so gross, dass z. B. in Neu-Mecklenburg zu bestimmter
Jahreszeit verschiedene Stämme sich treffen und mehrere Tage mil
einander kämpfen. Wer am Ende der Zeit die meisten Leute ver-
loren hat, unterliegt. Der Sieger aber begräbt die eigenen Todten
und verspeist die feindlichen, da Kannibalismus dort uoch vor-
kommt.
Wenn es der Kompagnie gelungen sein wird, die sehr thenren
Malayen, welche übrigens aus Niederländisch-Indien nicht mehr aus-
geführt werden dürfen, durch die übrigen eingeborenen Arbeitskräfte
vollkommen zu ersetzen, die schnellere und billigere Verbindung mit
Europa herznstelleu, und die grossen Kosten des Verwaltnngsappa-
rates auf die eine oder andere Weise herabzumindern, so steht zu
hoffen, dass auch der deutsche l’Hanzer sich mehr als bisher dorthin
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Die deutschen Kolonien.
265
wenden werde. Es ist dies auch besonders deswegen zu wünschen, da die
Südsee einmal später noch einen wichtigen politischen Faktor abgeben
dürfte. Mit einigen Aenderungen mnss man das heute unterschreiben, was
Lorenz v. Stein im Jahre 1887 schrieb: „Die grosse Südsee ist eigent-
lich erst seit etwa zwanzig Jahren dem Völkerverkehr geöffnet, dem
Handelsverkehr gegenüber aber beginnt sie eigentlich erst jetzt Ge-
stalt zu gewinnen. Wir glauben nicht, dass irgend ein Volk auf
der Karte, ja in der Volksschule so gut Bescheid weiss auf dem
Stillen Ocean, wie das deutsche; wir haben seit etwa zwanzig Jahren
gesehen, wie statt des deutschen Volkes die einzelnen deutschen
Unternehmungen sich dort mit der ihnen eigenthümlichen Hartnäckig-
keit und geschickten Behandlung ihrer „Kundschaft“ in allen Ufer-
gebieten desselben Bahn gebrochen haben und wir wissen so gut wie
jeder Leser, mit welcher Energie sich das politische Deutschland
dort den unschätzbaren Besitz des Kaiser-Wilhelmslandes gewonnen
hat. Das Handelsleben der Welt entwickelt sich auf diesem Stillen
Meere allmählich zu Dimensionen, die in einem selbst in unserer
Zeit gewaltigen Grade zunehmen, und wieder begegnen wir hier der
spezifischen Thatsache, dass kühne und verständig durchge führt«'
Unternehmungen von einzelnen deutschen Handelsfirmen zwar von
der Regierung in ihrer Bedeutung gewürdigt und zum Thcil sogar
kräftig unterstützt, von der grossen Gesammtheit des deutschen
Volkes aber nicht verstanden und nur als „interessante“ Mittheilungen
betrachtet werden. Und dennoch müssen wir hier fordern, dass neben
der schulgerechten geographischen Kenntniss dieser ganzen maritimen
Erdhälfte sich auch eine öffentliche Meinung über die deutschen In-
teressen auf derselben bilde, wie die Engländer und Nordamerikaner
sie nicht bloss empfinden, sondern auf Grundlage ihrer historischen
Leistungen und ihrer künftigen Stellung auch bereits, und zwar
schon jetzt gerade gegenüber Deutschland, auch zu formuliren wissen.“
Das Schutzgebiet der Marschall-Inseln.
Die unter der Bezeichnung Mikronesien zusaramengefassten Gilbert-
Inseln, Marschall-Inseln und Karolinen bilden in geographischer und
ethnographischer Beziehung ein einheitliches Gebiet. Alle diese
Inseln sind mit wenigen Ausnahmen niedrige oder Lagnnen-Lnseln
mit einem Minimum bewohnbaren Landes. Auf den nördlichen
Marschall-Inseln ist der nöthige Humus zum Anbau der in der Südsee.
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Die deutschen Kolonien.
sonst heimischen Nährpflanzen, wie Bananen, Yams, Taro und Brod-
früchte vorhanden. Die südlichen Inseln sind dagegen, was die Er-
nährung der Bevölkerung anbetrifft, fast ausschliesslich auf die Kokos-
nuss, die Frucht des Pandanusbaumes und auf den Fischfang
angewiesen , da die Vegetation und Fauna eine ziemlich ärm-
liche ist.
Die Marschall-Inseln, das kleinste deutsche Schutzgebiet, etwa
zwischen dem 15. bis 4.° n. Br. und 160. bis 175.° ö. L. ge-
legen, umfassen über 40 kleinere Inseln, welche fast alle bewohnt
sind. Dieselben bilden zwei, von Nordwest nach Südost parallel
laufende Reihen, die Ralikinseln östlich und die Radakinseln westlich.
Der Gesammtflächeninhalt beträgt etwa 1500 englische Quadratraeilen,
die Gesammtbevölkerung wahrscheinlich gegen 10000. Die Inseln
sind ringförmige Atolls, und korallinischen Ursprungs. Jaluit ist die
bedeutendste und mit den besten Hafen versehene Insel ; ihre Lagune
ist acht englische Meilen breit und 20 lang, ihre Bevölkerung be-
ziffert sich auf etwa 1000 Seelen. (Siehe auch Seite 111.)
Die Bewohner sind Polynesier, ein nicht hässlicher, kleiner
Menschenschlag. Die Männer tragen das Haar gewöhnlich kurz-
geschnitten, die F'rauen scheiteln ihr Haar in der Mitte, so dass es
schlicht auf beide Schultern herabhängt. Die Männer sind in der
Regel tättowirt, ausserdem schmücken sich beide Geschlechter noch
auf mannigfache Weise. Auffallend ist der Schmuck der ausser-
ordentlich erweiterten Ohrläppchen, in denen sie Rollen vou Schild-
patt tragen. Das Kleid der Männer ist, wenn nicht europäische
Kleidung getragen wird, deren Verwendung mit der Verbreitung des
Christenthums (siehe Seite 59) zunimmt, ein aus ’/ 2 cm breiten,
gewöhnlich weissen, zuweilen aber auch schwarzen Baststreifen zu-
sammengesetzter Rock, welcher durch die Masse der verwendeten
dünnen Streifen eine erhebliche Dicke und Fülle erhält. Der Rock
ist so lang, dass er von der Taille bis zum Fussboden reicht, be-
deckt aber, in der ortsüblichen Weise auf den Körper gelegt, unter-
rockartig den Theil vom Magen bis zu den Knien. Die Kleidung
der Weiber, welche nur ebensoviel bedeckt wie die der Männer, be-
steht aus zwei schmalen Matten, von welchen eine vorn, die andere
hinten getragen wird. Diese feingelegten weissen Matten mit ein-
gewebten rothbraunen Figuren, gewöhnlich in Form einer breiten
Borte um den weissen Grund, werden in einfacher Weise nur von
oben und aussen in einen Gürtel eingesteckt so dass dieser unter
den Matten liegt und nicht sichtbar ist.
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Die deutschen Kolonien.
267
Es besteht Vielweiberei, doch können nur solche sich diesen
Luxus gestatten, welche mehrere Frauen ernähren können. Die
Stellung der Frauen auf den Südseeinseln ist eine ganz eigenthüm-
liche, denn wenn sie auch auf vielen Inseln nicht für voll angesehen
werden, so spielen sie doch überall durch die Ehe eine hervorragende
Rolle, ja es geht soweit, dass ein König zu Gunsten seines Sohnes
zurücktritt, sobald dieser eine Frau heirathet, welche edleres Blut
hat als seine Mutter.
Wie alle Südsee-Insulaner, lieben die Eingeborenen sehr den
Tanz, welcher durch die Gleichmässigkeit der komplizirten und
schwierigen Figuren, sowie die tadellose Durchführung stets die uu-
getheilteste Anerkennung der europäischen Zuschauer gefunden hat.
„Die Darsteller treten in zwei Reihen an. Die monotone Musik be-
ginnt, das Hin- und Herschwanken der dicken Unterröcke zeigt, dass
die Reihen in Bewegung kommen, die Stöcke der einen Partei
schlagen gegen die der andern und sollen wohl ein Fochten vor-
stellen, ohne es indess zu thun. weil die Tänzer, um keinen Fehler
zu machen, so angestrengt aufpassen müssen, dass die Verbildlichung
der Kraft und des Kampfes diesem Spiel versagt bleibt. Die Reihen
wandern mit tänzelndem, menuettartigem Schritt an einander vorbei,
passiren durcheinander durch, immer die Stöcke mit dem Gegner
kreuzend; die Bewegungen werden schneller, das Geklapper wird
stärker, die Stöcke werden durch die Beine, über den Kopf, von
einer Hand zur andern geworfen, vor der Brust und hinter dem
Rücken gekreuzt; von den beiden Reihen brechen so viele ab, um
eine dritte zu bilden und hiermit das Spiel verwickelter zu machen.
Kein Fehler kommt vor, die ganze Gruppe bewegt sich nach dem
Takte der Musik wie ein kunstvoll gearbeitetes Räderwerk, bückt
sich und streckt sich, geht vor- und rückwärts, schiebt sich durch-
einander durch, füllt wie mit einem Schlage die Zwischenräume mit
den Armen und Stöcken aus und macht sie ebenso plötzlich wieder
frei.“ 1 ) Die Insulaner sind auch geschickte Fischer und tüchtige
kühne Schiffer, die sich in ihren Doppelbooten aufs Meer hinaus-
wagen und die Fahrten nach fernen Inseln glücklich zurücklegen.
Schon im November 1878 batte Kapitän von Werner mit der
Ariadne die Marschall-Inseln besucht, der Hafen von Jaluit als Kohlen-
station für Deutschland gesichert und mit dem Häuptling Lebon
einen Freundschafts vertrag geschlossen. Bald darauf wurde in Jaluit
') Deutsche Kolonialzeitung. No. 15. 1888.
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Die deutschen Kolonien.
ein kaiserliches Konsulat errichtet und Herr Hernsheim zum Kon-
sulatsverweser ernannt. Bei dem Abkommen, welches England und
Deutschland im Frühjahr 1885 zur Abgrenzung ihrer Interessensphäre
in der Südsee trafen, wurden die Marschall-Inseln nebst den Karo-
linen dem Interessenkreise Deutschlands von England zugesprochen.
In Folge der wiederholten Aufforderung der interessirten Kaufleute
gab die kaiserliche Regierung bald darnach ihre Absicht zu er-
kennen, beide Archipele unter ihr Protektorat zu stellen, aber der
um die Karolinen entbrannte Streit mit Spanien, welchem schliesslich
die Inselgruppe zugesprochen wurde, verzögerte die Ausführung des
auf den Marschall-Inseln gerichteten Plaues ein wenig.
Auf telegraphische Weisung verliess das unter dem Kommando
des Kapitänlieutenaet Roetger stehende Kanonenboot Nautilus am
13. September 1885 Yokohama und erreichte am 13. Oktober Jaluit.
wo sich die Hauptagenturen der deutschen Handelshäuser, die von
Hernsheim & Ce. und die der deutschen Handels- und Plantageugesell-
schaft der Südsee und auch eine Niederlassung der englischen Firma
Uendersou. Macfarlane & Co. in Auckland, befanden. Es traf sich
gerade, dass die bedeutendsten Häuptlinge der Ralikinseln dem Häupt-
ling in Jaluit einen Besuch abstatteten, als der Nautilus eintraf, so
dass die Prozedur des Vertragschliessens und der Uebernahme der
Schutzherrschaft sich dadurch vereinfachte. Die Häuptlinge erklärten
ihre volle Bereitwilligkeit, sich der Schutzherrschaft des deutschen
Reiches zu unterwerfen und Unterzeichneten ain 15. Oktober den
vorbereiteten Schutzvertrag. Derselbe enthält sieben Paragraphen
des wesentlichen Inhalts, dass die Marschall-Inseln und die zur Ralik-
Kette gehörenden (unbedeutenden) Brown- und Providcnce- Inseln
künftig unter dem Schutze des deutschen Reiches ständen und es
keinem der Häuptlinge zustande, mit irgend einer anderen Macht
über Anbahnung eines Abhäugigkeitsverhältnisses zu unterhandeln.
Es wurde sodann in Jaluit die deutsche Flagge unter entsprechenden
Zeremonien gehisst, am 18. auf der Insel Milli, am 21. auf Arno,
am 22. auf Majaruk, und schliesslich auf Ebon, einer der bedeutendsten
Inseln der Gruppen. Am 1. November kehrte das Kanonenboot,
nachdem 19 Häuptlinge dem Schutzvertrage beigetreten waren, nach
Jaluit zurück.
Die Eingeborenen hatten mit Freude die Oberhoheit des Reiches
begrüsst, wie alle diejenigen, welche mit Einsicht dem Gange der
Ereignisse folgten, denn sie begrüssten damit eine für die Inseln
herannahende bessere Zeit, die Aussicht auf geordnete Verhältnisse.
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Die deutschen Kolonien.
269
auf Fortschritte in der Zivilisation nnd iu Folge deren auf eine
wachsende Produktions- und Konsumtionsfähigkeit.
Die Hauptproduktion der Marschallinseln ist die Kopra, der in
Stücke geschnittene und von der Sonne getrocknete Kern der Kokos-
nuss, welche im Jahre 1883 schon an 1400 Tonnen ergab. Der
ganze Handel basirt auf dieser Produktion ; von den Preiskonjunkturen,
denen dieser Artikel in Europa unterliegt, hängt die grössere oder
geringere Prosperität dieses Geschäftes ab: ausserdem wird etwas
Schildpatt und beehe-de-mer (Trepang, eine Gattung Holothurien.
welche getrocknet hauptsächlich nach China exportirt wird) gewonnen.
Im Austausch gegen Kopra werden den Eingeborenen europäische
und bezw. amerikanische Fabrikate angeboten. Die Haupt-Import-
artikel sind Baumwollenstoffe, Werkzeuge aller Art und Pro-
visionen.
Im Anschluss an die Besitzergreifung trat an die bereits schon
genannten deutschen Firmen die Frage heran, ob und unter welchen
Bedingungen sie nunmehr unter dem Schutze der deutschen Flagge
und der Oberhoheit des Reiches die Verwaltung der Inseln zu über-
nehmen bereit seien. Sie konnten sich der Erkenntniss nicht ver-
schliessen, dass sie beide vereint dem Reiche eine günstigere Stellung
gegenüber einnehmen würden und demselben zugleich bessere Garantie
für die Ausführung der zu übernehmenden Verpflichtungen bieten
könnten, und dass den Anforderungen der Reichsregierung und den
gemeinschaftlichen Interessen entsprechende Form dieser Vereinigung
in der Gründung einer Aktiengesellschaft liege. Sie entschlossen
sich deshalb, ihre auf den Marschall-, Karolinen- und Kingsmill-
Inseln eingerichteten Faktoreien mit allen Zweigniederlassungen,
Waarenbeständen, Schiffen. Grundstücken u. s. w. von ihren übrigen
Südsee-Unternehmungen abzuzweigen, diesen Besitz zusammenzu-
legen und denselben zu dem ihrem seitherigen Werthe entsprechen-
den Preise in eine zum Zwecke des betreffenden Geschäftsbetriebs
unter der Firma „Jaluit-Gesellsehaft“ mit einem Aktienkapital von
1,200,000 Mark zu begründende Gesellschaft einzubringen. Diese
Jaluit- Gesellschaft wurde am 31. Dezember 1887 mit dem Sitze in
Hamburg begründet. Das voll einbezahlte Grundkapital ist in 240
auf Inhaber lautende Aktien, jede zu 5000 Mark eingetheilt. Vor-
sitzender des Aufsichtsrathes ist Herr H. Robertson, dem ausserdem
noch die Herren Bense, J. C. Godeffroy, Th. Weber, R. Böker an-
gehören. Der Vorstand besteht aus den Herren F. Hernsheim und
F. Gerdgen.
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Die deutschen Kolonien.
Die Gesellschaft, deren Hauptagentur sich auf Jaluit befindet,
besitzt daselbst ausgedehnte Waaren-, Produkten- und Kohlenlager
(australische Kohlen und westfälische Presskohlen), Wohnhäuser,
Wirths- und Logirhäuser, Süsswasserreservoire, Gartenanlagen, Stal-
lungen für Vieh, Zimmermanns-, Schmiede- und Tischler-Werkstätten,
Leichterfahrzeuge, Bootsschuppen, Anlegebrücken. Gefängniss. Polizei-
Station, Lootsen-Station etc. — Von Jalnit aus werden sämmtliche
Stationen der Gesellschaft durch Vermittelung von 5 derselben ge-
hörigen Schiffen mit Waaren und allem Nöthigeii versorgt. Jalnit
ist Einklarirungshafen (port of entry) für das dentsche Schutzgebiet.
Sämmtliche Stationen der Gesellschaft sind auf eigenem Grund und
Boden erbaut mit Waaren-, Produkten- und Wohnhäusern, sowie
mit nöthigem ßootsmaterial etc. versehen. Dieselben sind im
deutschen Schutzgebiet der Marschall-Inseln: Jaluit, Ebon, Namurik,
Kiii, Milli, Arno, Majuru, Aurh, Maloelab, Mejit, Providence, Pleasant-
Island; auf den unter spanischer Herrschaft stehenden Karolinen-Inseln
in Kusai, Pingelap, Mokil, Ponape, Pakin, Ngatik, Nuknor, Lukunor
und Satoan (Mortlock- Inseln), Ruk, Lamotreck, Faroelap, Ifalik,
Ouleai, Jap; aut den bis jetzt noch unabhängigen Kingsmill-lnsel in
Butaritari, Apaiaug, Tarawa, Maraki, Maiana, Nanuti, Tapiteuea.
Die Gesellschaft ist auch berechtigt, andere Faktoreien oder
Plantagen in der Südsee zu erwerben oder zu begründen, und
bezweckt ferner die Ausbeutung der ihr von der Regierung über-
tragenen Privilegien. Nachdem die Jaluit-Gesellschaft am 21. Januar
1888 einen Vertrag mit den Vertretern der kaiserlichen Regierung
abgeschlossen hatte, und demselben am 29. Januar mittelst Kabinets-
ordre die Allerhöchste Genehmigung ertheilt worden war, ist auf
dem Gebiet unserer Kolonialpolitik insofern ein Novum geschaffen,
als die Verwaltung des Schutzgebietes der Marsehall-lnseln von Be-
amten der kaiserlichen Regierung geführt wird, und die Gesellschaft
lediglich die Kosten der Verwaltung trägt. Die Wahl dieser Form
einer Regierung erscheint als eine besonders glückliche, denn es
werden sich dadurch von vornherein die vielen Missstände vermeiden
lassen, welche ein ungenügender Verwaltungsapparat in den Händen
einer Privatgesellschaft, die zugleich Partei ist, mit sich bringen muss.
Die der Gesellschaft in Anbetracht der übernommenen Verwaltungs-
kosten ertheilten Privilegien, wonach sie Eigenthümerin aller herren-
losen Ländereien wurde und das alleinige Recht der Ausbeutung auf
Guano und der Fischerei auf Perlschalen erzielt, dürften, rationell
ausgebeutet, wohl geeignet sein, ihr recht lohnende Resultate zu
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Die deutschen Kolonien.
271
liefern. Diese Aussicht gründet sich auch darauf, dass die Un-
kosten, die durch die Vertretung auf den Inseln, die Einrichtung
und Erhaltung der Schiffsverbindungen, die Kontrolirungen etc.
den bei Weitem grössten Theil der Bruttoergebnisse absorbirten,
nunmehr durch die Vereinigung sehr wesentlich reduzirt werden;
auch dass die durch die Handels- und Plantagen-Gesellschaft der
Aktiengesellschaft zugeführte Insel Providence mit darauf angelegter
Kokosplantage bereits genügend abwirft, um mit ihrem Ertrage die
Bewirth8chaftung der Plantage bestreiten zu können, bis die ange-
pflanzten Palmen ertragsfähig werden und dann eine gute und regel-
mässige Einnahme abwerfen.
Der kaiserliche Kommissar, Dr. Sonnenschein, hat nebst einem
Sekretär seinen Sitz in Jalnit.
/
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Literatur
*
— Erinnerungen aus dem Missionsleben in Slid-Ost-Afrika 1859 — 1882.
Von A. Merensky. (Bielefeld und Leipzig. Verlag von Velhagen & Klasing.) Der
bekannte Verfasser, welcher sich um die deutsche Mission in Ostafrika sehr ver-
dient gemacht, bat dieses Buch aus der Erwägung geschrieben, dass es wünschens-
wert!) erscheine, von der Arbeit der Missionen auch in anderer Form Rechenschaft
zu geben, als es in amtlichen Berichten und Tagebüchern geschieht Man
muss ihm dankbar dafür sein, dass er grösseren Kreisen einen Einblick in das
innerste Wesen der deutschen Missionstbätigkeit in Ost-Afrika gegeben bat, denn
von den grossen Erfolgen der Berliner Mission dort wusste nur ein kleiner Kreis
Genaueres, zumal die Missionszeitschriften nicht sehr verbreitet sind. Am inter-
essantesten ist die Geschichte der Gründung von Hotschabelo und seines Gedeihens.
Wer die deutschen Missionen bei der Arbeit bewundern will, lese die Kapitel darüber.
Das Buch enthält ferner viele werthvolle Aufschlüsse über die Geschichte Transvaals,
d e englischen Bestrebungen und die Politik der Buren, über Sekuknni und die
ßiasuto, da Merensky als zeitweiliger Vertrauensmann der Buren und Sekukunis in
schwierigen Fragen oft genauen Einblick in die Verhältnisse nehmen konnte.
— Die tropische Agrikultur. Von Heinrich Sem ler (HinstorfTsche Hof-
buchhandlung, Wismar). Semler’s, des vielbeklagten, 1888 in Deutsch-Ostafrika ver-
storbenen Forschers, tropische Agrikultur ist die Frucht jahrelanger wissenschaft-
licher und praktischer Studien und Beobachtungen und jedem praktischen Kolonial-
politiker dringend zu empfehlen. Dass ein solches umfassendes dreibändiges
Handbuch der tropischen Agrikultur in der That ein Bedürfnis ist, dürfte von
keiner Seite bestritten werden. Den zahlreichen in Nord-, Süd- und Zentral-
Amerika, in Australien und anderen Tropenländern angesiedeiten deutschen
Pflanzern, welche bis jetzt vielfach auf die primitivste Art und Weise wirt-
schafteten, sowie den Leitern und Beamten der vielen deutschen Plantagen und
Faktoreien in den Tropenländern fehlt ein solches Werk schon lange, und als ein
hochwillkommenes Hilfsmittel wird es sich für die Zukunft erweisen, welche nach der
Erwerbung zahlreicher Küstengebiete in Ost- und Westafrika und auf Neu-Guinea
durch die deutsche Regieruug und durch Kolonialgesellschaften die Gründung
einer grossen Anzahl neuer Handelsniederlassungen und neuer Plantagen mit sieb
bringen wird. Wir dürfen darauf hinweisen, dass die gesammte europäische Lite-
ratur kein neueres Werk über diesen Gegenstand besitzt, welches denselben in
gleicher Vollständigkeit und erschöpfender Gründlichkeit wie das dreibändige Sem-
ler’scbe behandelt.
— Die Deutschen Im Auslande. Beiträge zur Kolonial- und Auswanderung.«
politik von J. Rethwisch. Selbstverlag des Verfassers. Das Buch ist mit viel
Fleiss und Umsicht zusammengestellt und ein schätzenswerther Beitrag zu der Be-
urt Heilung der Stellung der Deutschen in kolonialpolitischer Beziehung. Nach
einer Reihe orientirender Artikel werden die einzelnen Gebiete, in denen die
Deutschen sich befinden, eingehend behandelt und auf die Frage näher eingegangen,
was zu thun sei, um das Deutschthum im Auslande zu erhalten und zu fördern.
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Literatur.
273
Beachtenswerth sind auch die Kapitel, in denen die geistige Thätigkeit des Deutsch-
thums im Auslande, die deutschen Schulen und die deutsche Presse umfassend ge-
schildert werden und die mancherlei in umsichtiger Weise ans Licht Gesogene
enthalten.
— Deutsch- Afrika und seine Nachbarn im schwarzen Krdthei). Eine sehr
geschickte und hübsche Zusammenstellung von Naturschilderungen und abgerundeten
Charakterbildern, welche Dr. Johannes Baumgarten herausgegeben hat (Ferdinand
Dümmler's Verlag, Berlin). Das Buch ist recht geeignet, die geographische und
ethnographische Kenntniss unserer afrikanischen Kolonialgebiete in weiteren Kreisen
der Gebildeten zu verbreiten.
— Kongoland. Von Dr. Pechuel-Loesehe. (Hermann Costenoble, Jena.)
Dieses umfassende Werk ist einerseits eine Verteidigungsschrift gegen die Angriffe
der Partisane Stanleys, andererseits im zweiten Theil eine erschöpfende wissen-
schaftliche Darlegung der Lage des Kongostaates und der Verhältnisse dieses un-
geheuren und wichtigen Gebietes. Der Autor deckt schonungslos die früher ge-
machten Kehler auf, geht aber manchmal in seiner Kritik zu weit und lässt Objek-
tivität vermissen.
— Eine afrikanische Tropen-Insel. Von Dr. Oskar Baumann. Das Buch
(Verlag von Eduard Hölze!, Wien und Olmütz) giebt die genauesten Aufschlüsse
über Fernando Pbo und die Bube, die dortigen Eingeborenen, ist frisch geschrieben,
doch mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, und unentbehrlich für Jeden, der sich über
diese interessante, in mancher Beziehuug dem benachbarten deutschen Kamerun
ähnliche Insel unterrichten will.
— Die Afrikanische Konferenz und der Kongostaat. Von C. A. Patzig
(Heidelberg, Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung.) Der erste anerkenneuswerthe
Versuch, die Entwicklung und Resultate jener wichtigen Konferenz darzulegen.
— Das Hinterland von Walfisch bat und Angra i’equena. Von C. G. Büttner.
(Heidelberg, Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung.) Eine der besten Schilde-
rungen des deutschen Gebietes von Südwestafrika, da Büttner als Missionar Land
und Leute auf das genaueste kennen gelernt hat, und von patriotischem Geiste ge-
tragen.
— Anleitung zn wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, ln
Einzel - Abhandlungen. Herausgegeben von Dr. G. Neumayer, Direktor der
deutschen Seewarte. Zweite umgearheitete und vermehrte Auflage. (Berlin, Verlag
von Robert Oppenheim.) Dr. Neumayer’s Anleitung zu wissenschaftlichen Beob-
achtungen ist in und ausserhalb Deutschland kein fremdes Buch mehr, ln
den 14 Jahren, die seit ihrem Erscheinen vergangen sind, hat sie ihre Reise
über die Erde gemacht und ist überall da zu finden, wo man sich für die Er-
forschung der Erdoberfläche interessirt. Seit jener Zeit des Erscheinens der ersten
Auflage — Ende 1874 — bat sich sehr Vieles geändert, was auf die Neugestaltung
des Werkes einen Einfluss äussern musste. Wenn das erste Erscheinen des Werkes
in mehr oder minder unmittelbarem Zusammenhänge mit einem astronomischen Er-
eignisse, dessen Beobachtung es zu ermöglichen galt und das einen mehr idealen
Charakter hatte, gebracht werden konnte, so ist die zweite Auflage, sowohl hin-
sichtlich des Zeitpunktes des Erscheinens, als auch hinsichtlich der Umarbeitung,
welche das Werk erfahren, mehr von praktischen Erwägungen eingegeben worden.
Es bezieht sich das Gesagte, im Gegensatz zu der Beobachtung der Vorübergänge
der Venus vor der Sonnenscbeibe im Jahre 1874, welchem Ereignisse die „An-
leitung“ sogar einen besonderen Abschnitt widmete, auf die Kolonisations-Bestre-
bungen Deutschlands in unseren Tagen und die zweite Auflage des Werkes zu den-
selben. Bei der Umarbeitung ist denn auch diesen Gesichtspunkten insoferne
Rechnung getragen, als nun auf einzelne Gebiete von besonderer praktischer Trag-
weite ein grösserer Nachdruck gelegt wurde, als ehedem.
— Deutsche Kolonien mit besonderer Berücksichtigung der neuesten Er-
werbungen in Westafrika und Australien. Von Carl Emil Jung. (Leipzig: G. Freytag,
Prag: F. Tempsky.) Das Buch, 1885 erschienen, ist durch die Ereignisse theil-
weise überholt, aber noch heute besonders wegen seiner Aufschlüsse über die
deutschen Kolonien in nicht deutschen Ländern ganz lesbar.
Jahrbach für Deutsche Kolonialpolitik. 18
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Literatur.
— Der Beobachter. Allgemeine Anleitung zu Beobachtungen über Land
und Leute. Für Touristen, Exkursionisten und Forschuugsrei6eude. Von D. Kalt-
bruuner und E. Kollbrunner. (Verlag von J. Wurster dt Cie., Zürich.) In
einem starken Band ist hier den Exkursionisten und Touristen wie wissenschaft-
lichen Forschungsreisenden eine allgemeine Anleitung zu Beobachtungen über Land
und Leute gegeben. Besonders ist auf das systematische Fragenverzeichniss über
Reisebeobachtungen hinzuweisen, welches für Personen, die fremde Länder be-
wohnen oder bereisen, ein willkommenes Hülfsmittel sein dürfte, indem es die-
selben auf die IIau[itgesicbtspunktc der Beobachtung und Berichterstattung aufmerk-
sam macht.
— Tropische nnd nordamerikanische Waldwirtschaft nnd Holzkunde.
Von Heinrich Semler. (Verlag von Paul Parey, Berlin.) Der Verfasser hat hier
versucht, die Errungenschaften der modernen Forstwirtschaft und Forstwissen-
schaft, wie sie besonders im deutschen Vaterlande sich im Laufe dieses Jahr-
hunderts entwickelt haben, auf die Tropen und Nordamerika zu übertragen, da-
mit der dort noch immer herrschendeu gefährlichen Kaubwirthschaft endlich ein
wünschenswertes Ende bereitet werde zum Vorteile einer rationellen Kultur.
Semler ist ein Mann von grosser Erfahrung und bedeutenden Kenntnissen und
weniger Bucbgelehrter als Praktiker, wie seine oft geradezu genialen Vorschläge
beweisen. Besonders werthvoll wird das Buch durch die Beschreibungen und Ab-
bildungen der für die Holzbearbeitung angewendeten Maschinen.
— Kamerun. Von Dr. Bernhard Schwarz. (Leipzig, Verlag von Eduard
ßaldamus.) Der Verfasser gehört zu den Gelehrten, welche von der Regierung nach
Kamerun geschickt wurden, um möglicher Weise die Verbindung mit Adamaua
herzustellen. Schwarz versteht seine Erlebnisse in einer sehr anmuthenden
Weise zu schildern und lässt auf sich einwirken. Man bat bei der Lektüre
des Werkes stets den Eindruck der Ursprünglichkeit, was einen angenehmen
Gegensatz zu manchen anderen hochtrabenden, im Innern armseligen Reisewerken
bildet.
— Emin Pascha. Eine Sammlung von Reisebriefen und Berichten. Heraus-
gegeben von Dr. Georg Schweinfurth und Dr. Friedrich Ratzel. (Verlag von
F. A. Brockbaus, Leipzig.) Der Leser, welcher Emin Pascha als Forscher noch
nicht kennt, wird überrascht durch diese Rcisebriefe und Berichte, welche bis auf
die neuere Zeit fortgefährt sind und eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, ver-
bunden mit einem feinen Stilgefühl zeigon, die das Werk zu einem geradezu klassi-
schen machen. Wie die Arbeiten Nacbtigal's, Scbweinfurth’s u. a. wird es stets
einen ehrenvollen Rang behaupten, als das Werk eines dem Höchsten nachstehen-
den Forschers und edlen Menschenfreundes.
— Der Sudan unter ägyptischer Herrschaft. Von Richard Buchta.
(Verlag von F. A. Brockhaus, Leipzig.) Dr. Wilhelm Junker hat auf seinen viel-
fachen Wanderungen in Afrika auch längere Zeit den Kämpfen im Sudan in Ge-
meinschaft mit Emin Pascha nahegestanden. Auf Grund seiner Tagebücher und
der sonstigen zumeist an Ort und Stelle gemachten Forschungen giebt Richard
Buchta hier zum ersten Mal eine zusammenhängende historische Schilderung der
Ereignisse, welche zu dem Mahdi-Aufstand im Sudan führten und eine so bedeutende
Macbtverscbiebung im Gefolge hatten. Das Werk bietet eine willkommene Ergänzung
des eben erwähnten über Emin Pascha, besonders für den, welcher die historische
Entwickelung der Sudanländer verfolgen will.
— Im Herzen der Haussa-I, ander. Bericht über die Robert Ed. Flegel’scbe
Niger-Benue-Expedition von Paul Staudinger. (Berlin, Ad. Landsberger.) Das
Werk eines verdienstvollen Afrikareisenden liegt vor uns, dem wir unsere Aner-
kennung nicht versagen können. Die Flegd’sche Expedition hat seiner Zeit das
Interesse der gebildeten Welt in hohem Grade gefesselt. Aus den Mitgliedern der
Expedition wurde Staudiuger gewählt, um die Rob. Flegel mitgegebenen Geschenke
und Briefe des Kaiser Wilhelm 1. an die Sultane von Sokoto und Gandu zu über-
bringen. Hier lesen wir, unter welchen Anstrengungen, mit welchen Gefahren und
Entbehrungen diese Reise durch noch unerforschte Gebiete verknüpft war. Mag
der Verfasser nur das von ihm durchzogene Land schildern, mag er von den raffi-
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Literatur.
275
nirten, kulturell vorgeschrittenen Hausse oder von den Füllte reden, immer folgen
wir mit reger Spannung dem Autor, dessen scharfe Beobachtungsgabe sich mit
einer oft humorvollen Auffassung gefahrvoller Situationen und einem glänzenden
Stil vereint. Die Kapitel über Pflanzen. Tbiere, klimatische und ethnographische
Verhältnisse der von ihm durchwanderten Gebiete, wie die über Kleidung und In-
dustrie der Eingeborenen, enthalten eine Fülle von Beobachtungen, welche ein
reiches und vollkommen neues Material zum Studium afrikanischer Zustände dar-
bieten.
— Deutsche Kolonialgesrblchte. Von Max v. Koschit zky. (Leipzig, Ver-
lag von Eduard Baldamus.) Eine erste, zweibändige, grundlegende Arbeit, welche,
sieb durchschnittlich auf guten Quellen stützend, Jedem zu empfehlen ist, der sich
mit diesem tiegenstand nur irgendwie beschäftigt
— Die Kolonialreiche und Kolonisationsobjekte der Gegenwart. Von
Dr. Emil Deckert. (Leipzig, Verlag von Eduard Baldamus.) Der Herausgeber
des „Globus“, dessen Begabung besonders auf handelsgeographiscbein Gebiete liegt,
giebt hier eine L’ebersicht über alle Kolonialgebiete der Erde, welche, obwohl
skizzenhaft und oft einseitig, wie z. B bei Benrtbeilung der portugiesischen kolo-
nialeu Thätigkeit, doch fast immer die entscheidenden Momente in das rechte
Licht stellt
— Jahrbuch der Naturwissenschaften. Dritter Jahrgang: 1887 bis 1888-
Herausgegeben von Dr. Max Wildermann. (Freiburg im Breisgau, Herder’sche
Buchhandlung.) Das Jahrbuch enthält die hervorragendsten Fortschritte auf den
Gebieten der Physik, Chemie und chemischen Technologie, Mechanik, Astronomie
und mathematische Geographie, Meteorologie und physikalische Geographie, Zoo-
logie und Botanik, Forst- und Landwirtschaft, Mineralogie und Geologie, Anthropo-
logie und Urgeschichte. Gesundheitspflege, Medizin und Physiologie, Länder- und
Völkerkunde, Handel, Industrie und Verkehr. Wer die Errungenschaften des natur-
wissenschaftlichen Fortschrittes von Jahr zu Jahr in zusammenfassender und leicht-
verständlicher Weise kennen lernen will, der thut sehr wohl daran, sich Wilder-
manns Jahrbuch anzuschaffen
— K lössei. die südafrikanischen Republiken (Buren-Freistaaten). Geschichte
und Land der Buren für Deutschlands Export und Auswanderung. Sach zuver-
lässigen und amtlichen Quellen des Keichsamts des Innern bearbeitet. (Leipzig,
Verlag von E. H. Mayer 1888.) Bei unseren steigenden Handelsbeziehungen zu den
Burenfreistaaten, welche auch als Auswanderungsziel vielleicht einst nicht ohne Be
deutung sein »erden, ist es von hohem Interesse sowohl über ihre Geschichte, die
Beschaffenheit des Landes und der Bewohner und die bestehenden Verträge genau
informirt zu sein. Es ist hier alles zusammengestellt, was den Exporteur sowohl
als den Nationalökonom interessiren dürfte-
— Vom Banann zum Kloinwo. Von Dr. mod. Willy Wolff. (Oldenburg
und Leipzig 1889. Schulze’sche Hofbuchhandlung.) Der Verfasser war ein Mit-
glied der von der afrikanischen Gesellschaft im Jahre 1884 nach Afrika zur Er-
forschung des südlichen Kongobeckens hinausgesandten Expedition und erzählt iu einer
sehr frischen, lebendigen, oft humorvollen Weise seine Reiseerlebnisse bis zum Ku-
ango-Flusse Den Zweck der Schrift, den Leser in die Schwierigkeiten einzuweihen,
mit denen die Organisation einer derartigen Expedition zu kämpfen hat, und die
Neger uns menschlich näher zu bringeu, hat der Verfasser vollkommen erreicht,
das Büchlein ist eine schätzenswerthe Bereicherung unserer afrikanischen Literatur.
— Das Kelsen in nnd nach Nordamerika und den Tropenlttndern. Von
H. Semler. (Wismar, HinstorfTscbe Hofhuchhandlung.) Das Reisen ist eine Kunst,
welche nur durch lange Uebung und oft genug unter allerlei Verlusten erlangt
wird. MaD thut deshalb immer gut, einem bewährten Führer sich anzuvertrauen,
zumal wenn die Reise über See geht. Das vorliegende Handbuch ist aber auch
sehr beaebtenswerth als Studium für alle diejenigen, welche sich über die Bedin-
gungen unterrichten wollen, unter denen sie in den Tropen ihr Leben einzu-
richten haben, ob sie nun auf einer Handelsstation sitzen, oder Reisen unternehmen
wollen.
18 *
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276
Literatur.
— Die natürlichen Pflanzenfamlllen nebst ihren Gattungen und wichtigen
Arten insbesondere den Nutzpflanzen. Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender
Fachgelehrten bearbeitet von Prof. A. Kn gl er und Prof. K. Frankl. Leipzig.
(Verlag von Wilhelm Engelroann, Leipzig). Von diesem umfassenden Werke,
welches nach streng wissenschaftlichen Grundsätzen und von anerkannten Autoritäten
hearbeitet, ein Gesammtbild der Pflanzenwelt in systematischer und dabei doch allge-
mein verständlicher Weise zur Darstellung bringen soll, sind bis jetzt 28 Liefe-
rungen erschienen. Das Werk, welches sehr gut illustrirt ist, wird auch einiger-
maassen gebildeten Laien eine Fülle von Anregung und Belehrung bieten, nicht
zum Mindesten Kolonisten in den Tropen, wenn sie nach l'eberwindung der An-
fangsschwierigkeiten daran gehen, genauer in die sie umgebende Pflanzenwelt ein-
zudringen.
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Anhang.
Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
Vom 15. März 1S88.
§ 1. Die Schutzgewalt in den deutschen Schutzgebieten übt der Kaiser iin
Namen des Reichs aus.
§ 2. Das bürgerliche Recht, das Strafrecht, das gerichtliche Verfahren einschliess-
lich der Gerichtsverfassung bestimmen sich für die Schutzgebiete nach den Vorschriften
des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 — Reichs-Gesetzbl.
S. 197 — , welches, soweit nicht nachstehend ein Anderes vorgeschrieben ist, mit
der Maassgabe Anwendung findet, dass an Stelle des Konsuls der vom Reichskanzler
zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte und an Stelle des Konsular-
gerichts das nach Maassgabe der Bestimmungen über das letztere zusammengesetzte
Gericht des Schutzgebietes tritt.
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird durch Kaiserliche Verordnung festgesetzt.
§ 3. Durch Kaiserliche Verordnung kann:
1. bestimmt werden, dass in den Schutzgebieten auch andere als die im § 1
Absatz 2 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Personen der
Gerichtsbarkeit unterliegen;
2. eine von den nach § 2 dieses Gesetzes maassgebenden Vorschriften ab-
weichende Regelung der Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen einschliesslich
des Bergwerkseigenthums erfolgen;
3. in Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetz-
buchs für das Deutsche Reich sind, Üefängniss bis zu einem Jahre, Haft, Geldstrafe
und Einziehung einzelner Gegenstände angedroht werden ;
4. vorgeschrieben werden, dass in Strafsachen
a) die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft eintritt,
b) eine Voruntersuchung stattfindet, deren Regelung der Verordnung Vorbe-
halten bleibt,
c) der § 9 Absatz 1 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit keine
Anwendung findet:
5. die Bestimmung des § 232 der Strafprocessordnung mit der Maassgabe
erweitert werden, dass dem Gericht die Ermächtigung, den Angeklagten von der
Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, nur für solche
Fälle ertheilt werden darf, in welchen nach dem Ermessen des Gerichts voraus-
sichtlich keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geld-
strafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht;
6. angeordnet werden, dass in Strafsachen, wenn der Beschluss über die Er-
öffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstände bat, welche zur Zu-
ständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§ 74, 75 des Gericbts-
»erfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört, in der Hauptverhandlung eine
Zuziehung von Beisitzern nicht erforderlich ist;
7. die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden
Sachen den Gerichten der Schutzgebiete in der Weise übertragen werden, dass für
diese Sachen, soweit nicht auf Grund der No. 3 etwas Anderes bestimmt wird, die
Vorschriften Anwendung finden, welche für die im § 28 des Gesetzes über die
Konsnlargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten;
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Anhang.
8. an Stelle der Enthauptung eine andere, eine Schärfung nicht enthaltende
Art der Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet werden:
9. als Berufungs- und Beschwerdegericht ein Konsulargericbt oder ein Ge-
richtshof im Schutzgebiet bestimmt und über die Zusammensetzung des letzteren
Gerichtshofes, sowie über das Verfahren in Berufungs- und Beschwerdesacben,
welche vor einem dieser Gerichte zu verhandeln sind, mit der Maassgabe Anordnung
getroffen werden, dass das Gericht mindestens aus einem Vorsitzenden und vier
Beisitzern bestehen muss;
10. für die Zustellungen, die Zwangsvollstreckung und das Kostenwesen die
Anwendung einfacherer Bestimmungen vorgeschrieben werden;
11. insoweit die Kosten der Rechtspflege von einer mit einem Kaiserlichen
Schutzbriefe versehenen Kolonialgesellscbaft zu bestreiten sind, bestimmt werden,
dass die Vorschrift im § 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit ausser
Anwendung bleibt;
12. die Verlängerung aller zur Geltendmachung vou Rechten und zur Erfüllung
von Pflichten gesetzlich festgestellten Fristen angeordnet werden.
§ 4. Itas Gesetz, betreffend die Eheschlicssung und die Beurkundung des Per-
sonenstandes von Reichsangebörigen im Auslände, vom 4. Mai 1870 (Bundrs-
Gesetzbl. S. 599) findet für die Schutzgebiete mit der Maassgabe Anwendung, dass
dasselbe durch Kaiserliche Verordnung auch auf andere Personen als auf Reicbs-
angehörige ausgedehnt werden kann und an Stelle des Konsuls der von dem Reichs-
kanzler zur Eheschliessung und zur Beurkundung des Personenstandes ermächtigte
Beamte tritt.
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.
§ 5. Die Befugnisse, welche den deutschen Konsuln im Auslände nach anderen
als den beiden im | 2 und § 4 bezeichneten Gesetzen zustehen, können durch den
Reichskanzler Beamten in den Schutzgebieten übertragen werden.
§ 6. Ausländern, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen, sowie Ein-
geborenen kann durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem Reichskauzler
verliehen werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, diese Befugniss einem anderen
Kaiserlichen Beamten zu übertragen.
Auf die Naturalisation und das durch dieselbe begründete Verbältniss der
Reichsangehörigkeit Anden die Bestimmungen des Gesetzes über die Erwerbung und
den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom I. Juni 1870 (Bundes-
Gesetzbl. S. 355), sowie Artikel 3 der Reichsverfassnng und § 4 des Wahlgesetzes
für den Deutschen Reichstag, vom 31. Mai 1869 (Bundes Gesetzbl. S. 145) ent-
sprechende Anweudung.
Im Sinne des $ 21 des bezeichneten Gesetzes, sowie bei Anwendung des
Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes-
Gesetzbl. S. 119) gelten die Schutzgebiete als Inland.
§ 7. Durch Kaiserliche Verordnung können Eingeborene der Schutzgebiete in
Beziehung auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (Gesetz, betreffend die Natio-
nalität der KauffahMeischiffe und ihre Befugniss zur Führung der Bundesflagge,
vom 22. October 1867, Rundes-Gcsetzbl. S. 35) den Reichsangebörigen gleichge-
stellt werden.
Die Führung der Reichsflagge in Folge der Verleihung dieses Rechts hat
nicht die Wirkung, dass das betreffende Schiff als deutsches Seefahrzeug im Siune
des § 1 Absatz 1 No. 1 und § 2 Absatz 1 des Gesetzes, betreffend die Unfall-
versicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschifffahrt betheiligter Personen,
vom 18. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 329) gilt.
§ 8. Deutschen Koloniaigesellschaften, welche die Kolonisation der deutschen
Schutzgebiete, insbesondere den Erwerb nnd die Verwerthung von Grundbesitz, den
Betrieb von Land- oder Plantagenwirthschaft, den Betrieb von Bergbau, irewerb-
lichen Unternehmungen und Handelsgesellschaften in denselben zum ausschliess-
lichen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet
oder in den deutschen Schutzgebieten haben, oder denen durch Kaiserliche Schutz-
briefe die Ausübung von Hoheitsrechten in den deutschen Schutzgebieten übertragen
ist, kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Geseilschaftsvertraga
(Statuts) durch Beschluss des Bundesraths die Fähigkeit beigelegt werden, unter
ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigentimm und andere dingliche Rechte an
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279
Grundstücken in erwerben. Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen
und verklagt zu werden. In solchem Falle haftet den Gläubigern für alle Ver-
bindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das Vermögen derselben.
Der Beschluss des Bnndesraths und im Auszuge der Gesellschaftsvertrag sind
durch den „Reichs-Anzeiger* zu veröffentlichen.
§ 9. Der Gesellschaftsvertrag hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten:
1. über den Erwerb und Verluat der Mitgliedschaft;
2. über die Vertretung der Gesellschaft Dritten gegenüber;
3. über die Befugnisse der die Gesellschaft leitenden und der die Leitung
beaufsichtigenden Organe derselben;
4. über die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder;
5. über die Jahresrechnung und Yertheilung des Gewinns;
6. über die Auflösung der Gesellschaft und die nach derselben eintretende
Vermögensvertheilung.
§ 10. Deutsche Kolonialgesellschaften, welche die im § 8 erwähnte Fähigkeit
durch Beschluss des Bundesraths erhalten haben, unterstehen der Aufsicht des
Reichskanzlers. Die einzelnen Befugnisse desselben sind in den Gesellschafts-
vertrag aufzunehmen.
§ 11. Der Reichskanzler hat die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen
Anordnungen zu erlassen.
Der Reichskanzler ist befugt, für die Schutzgebiete oder für einzelne Theile
derselben polizeiliche und sonstige, die Verwaltung betreffende Vorschriften zu er-
lassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniss bis zu drei Monaten,
Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen.
Die Ausübung der Befugniss zum Erlasse von Ausfühmngshestimmungen
(Absatz 1) und von Verordnungen der im Absatz 2 bezeiebneten Art kann vom
Reichskanzler der mit einem Kaiserlichen Schutzbriefe für das betreffende Schutz-
gebiet versehenen Kolonialgesellschaft, sowie den Beamten des Schutzgebiets über-
tragen werden.
Verordnung, betreffend das Bergwesen und die Gewinnung von Gold
und Edelsteinen im südwestafrikanisehen Schutzgebiet
Vom 25. März 1888.
Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc.,
verordnen für das südwestafrik»nische Schutzgebiet auf Grund des § 1 und des § 3
Ziffer 2 und 3 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz-
gebiete (Reichs-Gesctzbl. 1888, S. 75), im Namen des Reichs, was folgt:
I. Allgemeine Bestimmungen.
§ 1. Auf diejenigen Mineralien, welche wegen ihres Gehaltes an Metallen, Schwefel,
Alaun, Vitriol und Salpeter veiwendbar sind, ferner auf Edelsteine, Graphit sowie
Bitumen in festem und in flüssigem Zustande, steht innerhalb des südwestafrikanischen
Schutzgebietes der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika das Bergregal
unter Aufsicht des Reichs zu.
§ 2. Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Aufsuchung und Gewinnung der vorbe-
nannten Mineralien nach Maassgabe der hierüber ergehenden Bestimmungen zu ge-
statten und letztere bei eigenen Unternehmungen zu befolgen.
| 3. Für alle die Erwerbung und die Ausübung des Bergwerkseigenthums be-
treffenden Angelegenheiten müssen Personen, welche nicht in dem Schutzgebiet ihren
Wohnsitz oder Aufenthalt haben, einen im Schutzgebiet sich dauernd aufhaltenden
Vertreter bestellen und denselben der Bergbehörde bezeichnen.
Das Gleiche gilt für Gesellschaften, welche im Schutzgebiet nicht ihren Sitz
haben, und für Mitbetheiligte, welche nicht eine Gesellschaft bilden, deren Vertretung
gesetzlich geregelt ist.
Wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, so ist die Bergbehörde befugt, den
Vertreter zu bestellen.
$ 4. Die zurZeit des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden Gerechtsame
auf die Gewinnung von Mineralien der im § 1 bezeichneten Art, welche von Dritten
vor dem Erlass der Verfügung des stellvertretenden Kaiserlichen Kommissars für
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Anhang
da« südwestafrikaniscbe Schutzgebiet vom 19. April 1886 rechtsgültig erworben
sind, werden durch die im § 1 genannte Bestimmung nicht berührt.
Die Grenzen der Gebiete, auf welchen solche Rechte Dritter bestehen, sind
festzuatellen.
§ 5. Die nach §4 Berechtigten haben mit der Ausbeutung ihrer Gerechtsame
innerhalb zweier Jahre vom Erlass dieser Verordnung an zu beginnen. Ist bis zutn
Ablauf dieser Frist ein ordnungsmässiger Betrieb zur Ausbeutung der erlangten
Gerechtsame überhaupt nicht oder nicht in einer dem Ilmfang derselben entsprechen-
den Weise im Gange, so sind die Gerechtsame erloschen.
II. Die Aufsuchung und Gewinnung von Gold, Golderzen und Edel-
steinen.
§ 6. Kür die Aufsuchung und Gewinnung von Gold, Golderzen und Edel-
steinen tinden die nachfolgenden Bestimmungen Anwendung:
§ 7. Das Schürfen ist nur in denjenigen Theilen des Schutzgebietes gestattet,
welche von der Bergbehörde im Einverstüudniss mit dem Kaiserlichen Kommissar
durch öffentliche Bekanntmachung für den Bergbau eröffnet werden.
§ 8. Die Sebürferlaubuiss wird von der Bergbehörde nach ihrem Ermessen, und
zwar für die Dauer von sechs Monaten ertheilt. Für dieselbe ist monatlich von der
Ertheilung ab im Voraus eine Gebühr von zehn Mark zu entrichten. Wird die
Gebühr nicht bei der Fälligkeit gezahlt, so ist die Scbürferlaubniss erloschen. Die
Ertheilung der Schürferlaubniss, sowie das Erlöschen derselben ist von der Berg-
behörde öffentlich bekannt zu machen.
§ 9. Für jeden der nach § 7 dem Schürfen eröffneten Gebietstheile wird ein
Schürfregister geführt. In dasselbe ist einzutragen:
1. das Datum der Ertheilung der Schürferlaubniss, sowie des Ablaufs derselben,
2. der Name des Berechtigten und dessen etwaiger Rechtsnachfolger,
3. das Erlöschen der Schürferlaubniss.
Die Eintragung ist unter fortlaufender Nummer nach der Zeitfolge der Er-
theiluug zu bewirken.
lieber die Ertheilung der Schürferlaubniss wird dem Berechtigten ein Scbürf-
schein ausgefertigt.
§ 10. Die Schürferlaubniss ist nur mit Genehmigung der Bergbehörde über-
tragbar. Für die Genehmigung ist eine besondere Gebühr von zwanzig Mark zu
entrichten.
§11. Die Schürferlaubniss giebt dem Inhaber das Recht, in dem Gebietstheile,
für welchen sie ertheilt ist, auf einer von ihm zu wählenden kreisförmigen Fläche,
deren Durchmesser ein Kilometer nicht überschreiten darf, zu schürfen und dabei
Andere von dem Schürfen auf dieser Fläche auszuschliesseu. Vor Beginn der Schürf-
arbeiten hat der Schürfer die von ihm gewählte Bodenfläcbe durch ein im Mittel-
punkt derelben aufgestelltes Merkmal zu bezeichnen, auf welchem sein Name und
die Registernummer seiner Schürferlaubniss anzugeben sind. Das Merkmal muss
mindens ein Kilometer von dem Merkmal des nächsten Schürfgebietes entfernt sein,
sofern die Bergbehörde nicht eine geringere Entfernung gestattet.
§ 12. Der Schürfer ist berechtigt, das von ihm gewählte Schürfgebiet zu
wechseln.
§ 13. An öffentlichen Plätzen, Wegen, Strassen und Friedhöfen darf nicht
geschürft werden.
Auf anderen Grundstücken ist das Schürfen unstatthaft, wenn nach der Ent-
scheidung der Bergbehörde überwiegende Gründe des allgemeinen Interesses ent-
gegenstehen.
§ 14. Unter Gebäuden und in einem Umkreise um dieselben bis zu fünfzig
Meter, sowie in eingefriedigten üodenfläcben darf nur geschürft werden, wenn der
Grundbesitzer seine Genehmigung dazu ertheilt hat.
§ 15. Der Schürfer ist berechtigt, während der Dauer seiner Schürferlaubniss nach
Anweisung der Bergbehörde und vorbehaltlich der dem Grundeigenthümer etwa zu
gewährenden Entschädigung eine Bodenfläcke von höchstens zwei Hektar zur Er-
richtung der erforderlichen Baulichkeiten uud zum Weiden von Zugthieren und Vieh
zu benutzen. Grundstücke, auf welchen das Schürfen untersagt ist, dürfen hierzu
nicht gewählt werden
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281
§ 16. Der Schürfer, welcher einen Fund macht, hat der Bergbehörde hiervon
unverzüglich Anzeige zu erstatten. Letztere hat die Anzeige öffentlich bekannt zu
machen und gleichzeitig eine Liste (Vorrechtsregister) zur Eintragung Derjenigen
aufzulegen, welche sich zur Betheiligung an der Ausbeutung des Fundgebietes an-
melden. Die Eintragung hat die Namen der Angemeldeten nach der Zeitfolge der
Anmeldung, sowie die Zahl der Felder zu enthalten, welche sie erwerben wollen.
Inter gleichzeitig eingehenden Anmeldungen entscheidet mangels anderer Verein-
barung das Loos.
§ 17. Für die Eintragung in das Vorrechtsregister ist eine Gebühr von zwanzig
Mark für jedes Feld zu entrichten, auf welches ein Vorrecht in Anspruch ge-
nommen wird.
§ 18. Auf die im § 16 bezeichnete Anzeige hat die Bergbehörde den Fund mit
thunlicbster Beschleunigung festzustellen. Ergiebt sich das gefundene Mineral in
abbauwürdiger Menge, so hat sie das die Fundstelle umschliessende Gebiet unter
näherer Beschreibung der Grenzen desselben für ein öffentliches Grubengebiet zu
erklären. Diese Erklärung ist öffentlich bekannt zu machen.
§19. Bei der nach §18 zu erlassenden Bekanntmachung hat die Bergbehörde die
Grösse der in dem öffentlichen Grubengebiet zu verleihenden Felder anzugebeu.
Die Grösse eines Feldes darf bei dem Bergbau auf Gold zwei Hektar und
bei dem Bergbau auf Edelsteine ein Hektar nicht überschreiten. Die Felder sollen,
soweit nicht örtliche Verhältnisse eine andere Gestaltung bedingen, die Form eines
Rechtecks haben, dessen Langseiten die doppelte Länge der Schmalseiten nicht
überschreiten.
Innerhalb der festgesetzten Grenzen geht das Abbaurecht senkrecht in die
ewige Teufe.
§ 20. Beschliesst die Bergbehörde, die im § 18 bezeichnete Erklärung nicht
abzugeben, so hat sie den Finder davon zu benachrichtigen.
§ 21. Mit der im § 18 bezeichneten Bekanntmachung erlöschen alle, auf dem
öffentlichen Grubengebiet erworbenen Schürfbercchtigungen.
§ 22. Die Verleihung eines Feldes gewährt dem Beliebenen die ausschliessliche
Befugnis«, auf demselben das in der Verleihungsurkunde benannte Mineral aufzu-
suchen und zu gewinnen, sowie alle hierzu erforderlichen Vorrichtungen unter und
über Tage zu treffen.
§ 23. Ausserdem hat der Beliehene die Befugnisa, im freien Felde, sowie im Felde
anderer Beliehener Hülfsbaue anzulegen, sofern letztere die Entwässerung und Lüf-
tung (Wasser- und Wetterlösung) oder den vortheilhafteren Betrieb des Bergwerks,
für welches die Anlage gemacht werden soll, bezwecken und der eigene Bergbau
des Anderen dadurch weder gestört Doch gefährdet, oder aber für allen Schaden,
welchen der llülfsbau dem belasteten Bergwerk zufügt, voller Ersatz geleistet wird.
§ 24. Die Verleihung ist bei der Bergbehörde nachzusuchen. Das Verleihungs-
gesuch muss enthalten:
1. den Namen dessen, für den die Verleihung nacbgesucht wird,
2. die Bezeichnung des Materials,
3. die Zahl der begehrten Felder,
4. die Lage derselben.
Für eine Mehrzahl von Feldern soll in der Kegel die Verleihung in der Weise
erfolgen, dass sämmtliche Felder in ununterbrochenem Zusammenhang stehen.
§ 25. Im öffentlichen Grubengebiet steht ein Vonecht auf die Verleihung
von Feldern
1. dem Finder,
2. dem Eigenthümer eingefriedigter Bodenflächen,
3. der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika,
4. den in das Vorrechtsregister (§ 16) Eingetragenen
in der hier bezeichneten Reihenfolge zu.
§ 26. Das Vorrecht des Finders besteht in dem Anspruch auf fünf innerhalb
seines Schürfgebiets belegeue Felder.
§ 27. Der Eigenthümer eingefriedigter Bodenflächen, welche in das öffentliche
Grubengebiet einbezogen sind, hat das Vorrecht, dass ihm für je fünf Hektar dieser
Bodeuflächen ein von ihm auszuwählendes, auf denselben belegcnes Feld verliehen
wird. Im Ganzen kann er nicht mehr als zehn Felder beanspruchen.
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Anhang
§ 28. Da» Vorrecht der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika be-
steht in dem Anspruch auf sehn Felder.
§ 29. Das Vorrecht des in das Vorrechtsregister Eingetragenen wird durch
die Anzahl der für ihn vorgeraerkten Felder bestimmt. Für die Rangordnung der
einzelnen Vorrechte ist die Reihenfolge der Eintragungen maassgebend.
§ 30. Den im § 25 bezeicbneten Bevorrechtigten ist von der Bergbehörde eine Frist
zu bestimmen, binnen welcher sie zur Vermeidung des Verlustes ihres Vorrechts
das Yerleihungsgcsuch nuzub’ringen haben. Die Bestimmung der Frist erfolgt für
den Finder sofort nach Erlass der im § 18 vorgesehenen Bekanntmachung, für jeden
der übrigen Betheiligten nach Erledigung der Ansprüche seiner Vormänner.
An Stelle des im vorstehenden Absatz bezeichneten Verfahrens kann durch
die Bergbehörde allen Bevorrechtigten oder einem Tbeile derselben ein Termin zur
Anbringung der Verleibungsgesuche und zur Verhandlung derselben anberaumt
werden. Die Versäumung des Termins hat den Verlust des Vorrechts zur Folge ;
jedoch ist ein vorher angebrachtes Verleihungsgesuch insoweit zu berücksichtigen,
als die begehrten Felder nicht von Vorraünncrn in Anspruch genommen werden. In
der Laduug zum Termin ist auf diese Folgen des Ausbleibens hinzuweisen.
§ 31. Das Vorrechtsregister ist zu schliessen, sobald die Ansprüche der in
dasselbe Eingetragenen erledigt sind.
Die Verleihung von Feldern auf dem Theil de* öffentlichen Grubengebiets,
welcher nach Schliessung des Vorrechtsregisters übrig bleibt, bestimmt sieb nach dem
Zeitpunkt, in welchem das Verleihungsgesuch bei der Bergbehörde eingebt. Bei
gleichzeitig eingegangeuen Verleibuugsgesuchcn entscheidet mangels anderweitiger
Vereinbarung das Loos.
§ 32. Es werden Verleihungsregister geführt. In dieselben sind einzutragen:
1. das Datum des Verleibuugsgesuchs und der Verleihung,
2. die Bezeichnung des Miuerals, für welches die Verleihung erfolgt ist,
3. die Lage des Feldes,
4. der Name des Belieheneu,
5. der Anspruch, auf Grund dessen die Verleihung erfolgt ist,
G. der Betrag der zu zahlenden Abgabe (§ 34),
7. der Ucbergang des Feldes auf einen anderen Berechtigten,
8. das Erlöschen der Verleihung.
Die Eintragungen sind unter fortlaufender Nummer zu bewirken, lieber die
Verleihung wird eine Urkunde ausgestellt. Die Verleihung, sowie das Erlöschen
derselben ist von der Bergbehörde öffentlich bekaunt zu machen.
§ 33. Für die Eintragung der Verleihung eines jeden Feldes ist eine Gebühr von
fünf Mark und für die Eintragung des Uebergangs auf einen anderen Berechtigten
eine Gebühr von zehn Mark zu entrichten.
§ 34. Für jedes Feld ist von dem Tage der Verleihung an eine von der Berg-
behörde zu bestimmende, sechszig Mark für den Monat nicht übersteigende Abgabe
im Voraus zu entrichten. Witd die Abgabe nicht bei der Fälligkeit gezahlt, so
ist die Verleihung erloschen.
§ 35. Der Finder, der Grundeigenthümer und die deutsche Kolonialgesellschaft
für Südwest-Afrika sind bezüglich der ihnen verliehenen Felder von der Abgabe
des § 34 befreit,
§ 36. Die verliehenen Felder müssen auf Kosten des Beliehenen innerhalb
eines Monats durch Zeichen nach Anweisung der Bergbehörde abgegrenzt werden.
Auf den Grenzzeicben ist der Name der Beliehenen sowie die Registernummer der
Verleihung kenntlich zu machen.
§ 37. Der Belieben* muss mit dem Betrieb innerhalb zweier Jahre, von dem
Tage der Verleihung an, beginnen.
§ 38. Der Betrieb darf auf nicht länger als ein Jahr unterbrochen werden.
§ 39. Wird die in den §§ 37 und 38 vorgesehene Frist, sowie eine zweite von der
Bergbehörde festzusetzende und auf höchstens sechs Monate zu beniessende Frist
von dem Berechtigten überschritten, so erklärt die Bergbehörde die Verleihung für
erloschen.
Die Vorschriften der §§ 37 bis 39 finden auf die Betriebe der deutschen
Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika keine Anwendung.
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Anhang.
283
§ 40. Die im § 15 dem Schürfer gewährte Berechtigung findet auf den Be-
liehenen entsprechende Anwendung.
§ 41. Auf den im § 16 bezeichneten Grundstücken erfolgt die Verleihung
eines Feldes sowie die Gestattung der Anlage eines Uülfsbaues vorbehaltlich der
Verpflichtung des ßeliehenen für allen Schaden, welcher dem Grundeigentum durch
den Bergwerksbetrieb zugefügt wird, vollständigen Ersatz zu leisten.
III. Die Bergbehörde und das Verfahren in Bergwerksachen.
§ 42. Für das Schutzgebiet wird eine Bergbehörde bestellt, welche unter
der Oberaufsicht des Kaiserlichen Kommissars die Verwaltung führt.
Die Mitglieder der Bergbehörde werden von der deutschen Kolonialgesellschaft
für Südwest-Afrika mit Genehmigung des Reichskanzlers ernannt und sind auf Ver-
langen desselben zu entlassen.
§ 43. Der Bergbehörde liegt insbesondere ob:
1. die in dieser Verordnung genannten Register zu führen (§§ 9, 16 und 32);
2. die in dieser Verordnung bezeichneten Gebühren, Abgaben und Steuern
zu erheben (§§ 8, 10, 17, 33, 34, 49, 50):
3. die Entschädigungen festzusetzen, welche dem Eigenthümer der im § 14
bezeichneten Grundstöcke nach Maassgabe dieser Verordnung (§§ 15, 40 und 41)
zu leisten sind;
4. alle bei Anwendung dieser Verordnung entstehenden Streitigkeiten ein-
schliesslich derjenigen, welche die im § 4 bezeichneten Gerechtsame betreffen, zu
entscheiden:
5. die polizeiliche Beaufsichtigung des Bergbaues in dem ganzen Schutzgebiet
zu führen:
6. die Grenzen der im § 4 bezeichneten Gebiete zu bestimmen und im
Falle des § 5 das Erlöschen der Rechte Dritter zu erklären und bekannt zu machen.
§ 44. Für jedes öffentliche Grubengebiet wird ein Grubenausschuss gebildet,
welcher aus Vertretern der mit Feldern Beliehenen und der Eigenthümer von ein-
gefriedigten Grundstücken, welche in dem öffentlichen Grubengebiet belegen siud,
bestehen soll.
Die Zusammensetzung des Grubenausscbusses und das Verfahren vor demselben
wird durch Verfügung des Kaiserlichen Kommissars für das Schutzgebiet bestimmt.
§ 45. Der Grubenausschuss ist verpflichtet, der Bergbehörde, sowie dem
Kaiserlichen Kommissar für das Schutzgebiet über alle, das öffentliche Grubengebiet
betreffenden Verhältnisse Aufschluss zu geben.
Vor Festsetzung der Entschädigungen in Gemässheit des § 43 Ziffer 3 ist
der Grubenausschuss, wenn ein solcher gebildet ist, gutachtlich zu hören. Imgleichen
soll eine vorherige Anhörung desselben erfolgen, wenn für das öffentliche Gruben-
gebiet Verordnungen über die Wasserbenutzung und über Maassregeln zur Auf-
rechterhaltung der öffentlichen Ordnung erlassen werden.
§ 46. Beschwerden gegen Entscheidungen der Bergbehörde sind an den
Kaiserlichen Kommissar für das Schutzgebiet zu richten, welcher über dieselben
endgültig entscheidet.
IV. Strafbestimmungen.
§ 47. Mit Geldstrafe bis zu viertausend Mark oder mit Gcfängniss bis zu
vier Monaten wird bestraft:
1 wer unbefugt auf die im § 1 dieser Verordnung bezeichneten Mineralien
Schürf- und Gewinnungsarbeiten treibt;
2. wer unbefugt ein Schürfmerkmal aufstellt:
3. »er die im § 16 dieser Verordnung vorgeschriebene Anzeige von einem
Funde unterlässt.
§ 48. Der Schürfer, welcher wider besseres Wissen bei der Bergbehörde die
unwahre Anzeige, dass er Gold gefunden habe, erstattet, wird mit Geldstrafe bis
zu zweitausend Mark oder mit Gefängniss bis zu drei Monaten gestraft.
V. Schlussbestimmungen.
§ 49. Die im § 4 bezeichneten Berechtigten haben einen Betrag von sechs
Procent des Werthes der auf ihren Gebieten erfolgten Förderung der im § 1 be-
zeiebneten Mineralien als Kostenbeitrag für die Bergverwaltung zu zahlen. Dieser
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Anhang.
Betrag kann von der Bergbehörde mit Zustimmung des Kaiserlichen Kommissars bis
zu zehn Procent erhöht werden.
lieber die Förderung ist von den Berechtigten Buch zu fahren. Die Einsicht
in die Bücher ist der Bergbehörde jederzeit gestattet.
§ 50. Der Bergbau, welcher auf Grund einer nach Maass.'abe dieser Verordnung
erfolgten Verleihung betrieben wird, kann von der deutschen Kolonialgesellschaft für
Südwest- Afrika mit einer Steuer bis zu fünf Procent des Werthes der Förderung belegt
werden. In diesem Falle kommt Absatz 2 des vorigen Paragraphen zur Anwendung.
§ 51. Die Einnahmen aus den in dieser Verordnung genannten Gebühren.
Abgaben und Steuern werden zur Bestreitung der durch die Bcrgverwaltung ent-
stehenden Kosten verwandt.
Nach Ablauf von fünf Jahren kann der Reichskanzler bestimmen, dass von
dem jährlichen Ueberschusse, welcher nach Bestreitung der vorerwähnten Kosten
verbleibt, Beträge bis zur Höbe von fünfundzwanzig Procent zum allgemeinen
Nutzen des Schutzgebiet» und insbesondere zu den Kosten der vom Reich geführten
Verwaltung verwandt werden, soweit die sonstigen Einnahmen des Reichs aus dem
Schutzgebiet zur Bestreitung dieser Verwaltungskosten nicht ausreichen.
f 52. Dem Reich steht ein Vorkaufsrecht auf das in dein Schutzgebiet ge-
fundene Gold zu.
§ 53. Die öffentlichen Bekanntmachungen der Bergbehörde erfolgen in ortsüb-
licher Weise und jedenfalls durch Anheftung an die dafür am Amtssitze bestimmte Tafel.
§ 54. Die in Gemässheit der Verordnung, betreffend die Recbtsverhätnisse
in dem südwestafrikanischen Schutzgebiet, vom 21. December 1887 (Reichs-Gesetzbl.
S. 535) bezüglich der bergrechtlichen Verhältnisse maassgebenden Bestimmungen
finden fortau keine Anwendung.
§ 55. Die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen Bestimmungen
werden von dem Reichskanzler erlassen.
Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung im Reichs-Gesetz-
blatt in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigeuhändigen Unterschrift und beigedmektem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Gharlottenburg, den 25. März 1888. Friedrich.
(L. S.) von Bismarck.
Gesetz, betreffend die Zurückbeförderung der Hinterbliebenen
im Auslande angestellter Reichsbeamten und Personen
des Soldatenstandes.
Vom 1. April 1888.
Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc.,
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des ßundesraths und
des Reichstages, was folgt:
Artikel I.
Die im § 8 des Gesetzes, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate etc.,
vom 8. November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 137) enthaltene Bestimmung, wonach
die Familien der Bemfskonsuln, wenn letztere während ihrer Amtsdauer sterbeu,
auf Bundeskosten in die Heimath zurückbefördert werden, wird auf die Hinter-
bliebenen summtlicher aus der Reichskasse besoldeten pensionsberechtigten Reichs-
beamten und Personen des Soldatenstandes, deren dienstlicher Wohnsitz sieb im
Auslande befindet, ausgedehnt.
Ausgenommen bleiben die Hinterbliebenen solcher Reicbsbeamten, welche in
Grenzorten oder in dem Zollgebiet angeschlossenen ausländischen Gebietstheilen
angestcllt sind.
Artikel 2.
Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1888 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Gharlottenburg, den 1. April 1888. Friedrich.
(I.. S.) von Bismarck.
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Anhang.
285
Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten
von Kamerun und Togo.
Vom 2. Juli 1888.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc.,
verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutscheu
Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888, S. 75), im Namen des Reichs, was folgt:
| 1. Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (Reichs-
Gesetzbl. S. 197) tritt für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo in Gemässheit
des § 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete,
mit den in dieser Verordnung vorhergesehenen Abänderungen vom 1. October 1888
in Kraft.
§ 2. Der Gerichtsbarkeit (§ 1) unterliegen alle Personen, welche in dein Schutz-
gebiete wohnen oder sich aufhalten, oder bezüglich derer, hiervon abgesehen, ein
Gerichtsstand innerhalb des Schutzgebietes nach den zur Geltung kommenden Ge-
setzen begründet ist, die Eingeborenen jedoch nur, soweit sie dieser Gerichtsbarkeit
besonders unterstellt werden.
§ 3. Der Gouverneur von Kamerun bestimmt mit Genehmigung des Reichskanzlers,
wer als Eingeborener im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist und inwieweit
auch Eingeborene der Gerichtsbarkeit (§ 1) zu unterstellen sind.
§ 4. Für das Schutzgebiet von Kamerun wird in Kamerun und für das
Schutzgebiet von Togo wird in Togo eine Gerichtsbehörde erster Instanz errichtet.
§ 5. Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird an Stelle des Reichsgerichts
(Gesetz über die Konsulargerichlsbarkeit §§ 18, 3G, 43) für die Schutzgebiete eine
Gerichtsbehörde in Kamerun errichtet, welche aus dem zur Ausübung der Gerichts-
barkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten als Vorsitzenden und vier Bei-
sitzern besteht.
Auf die Beisitzer und den Gerichtsschreiber finden die Vorschriften in § G
Absatz 2, §§ 7, 8 und 10 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit ent-
sprechende Anwendung.
§ 6. Die Zustellungen werden ausschliesslich durch den zur Ausübung der Ge-
richtsbarkeit ermächtigten Beamten veranlasst.
Derselbe hat dafür zu sorgen, dass die innerhalb des Schutzgebiets, in welchem
die Gerichtsbehörde ihren Sitz hat, zu bewirkenden Zustellungen mit der nach den
vorhandenen Mitteln möglichen Sicherheit erfolgen. Er erlässt die hierfür erforder-
lichen Anordnungen und überwacht deren Befolgung.
Zustellungen ausserhalb des Schutzgebiets erfolgen im Wege des Ersuchens.
5 7. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den Gerichts-
behörden in den Schutzgebieten alle Entscheidungen, einschliesslich der auf Grund
einer mündlichen Verhandlung ergebenden, von Amtswegen zuzustellen. Diese
Vorschrift findet auch auf die Zustellung der Zahluugs- und Vollstreckungsbefehle
an den Schuldner, sowie der Pfändungs- und Ueberweisungsbeschiüsse an den
Schuldner und den Drittschuldner Anwendung.
Für Beschlüsse, welche lediglich die Process- oder Sachleitung, einschliesslich
der Bestimmung und Aenderung von Terminen betreffen, genügt die Verkündung.
Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke kann in allen Fällen durch
den Gerichtsschreiber erfolgen.
Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt oder der Lauf der Verjährung
oder einer Frist unterbrochen werden, so treten die Wirkungen der Zustellung
bereits mit der Einreichung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Gerichts-
behörde ein, sofern die Zustellung demnächst bewirkt wird.
Bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Ladung kann die Gerichts-
behörde anordnen, dass eine Einrückung in öffentliche Blätter nicht erforderlich sei.
Wohnt eine Partei ausserhalb des Schutzgebiets, in welchem die Gerichts-
behörde ihren Sitz hat, so kann, falls sie nicht einen daselbst wohnhaften Process-
bevollmächtigten bestellt hat, angeordnet werden, dass sie eine daselbst wohnhafte
Person zum Empfang der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese
Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Der Zustellungsbevoll-
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Anhang.
mäehtigte ist bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei
vorher dem Gegner einen Schriftsatz zustellen lässt, in diesem zu benennen. Ge-
schieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen
Henennung durch Anheftung an die Gerichtstafel bewirkt werden.
Der Nachweis über die erfolgte Zustellung ist zu den Oerichtsakten zu bringen.
§8. In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz findet in bür-
gerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Concurssachen und in den zur streitigen Gerichtsbar-
keit nicht gehörenden Angelegenheiten der § 16 des Gesetzes über die Konsular-
gerichtsbarkeit mit der Maassgabe Anwendung, dass die Entscheidung über da-.
Rechtsmittel der Rcschwerde unter Mitwirkung der Beisitzer erfolgt, wenn die au-
gefochtenc Entscheidung unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen ist.
In dem Verfahren zweiter Instanz ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte
nicht geboten und findet der § 269 der Civilprocessordnung keine Anwendung.
Die Vorschriften in §§ 464 und 468 der Civilprocessordnung gelten auch für
das Verfahren zweiter Instanz.
§ 9. Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet erfolgt ausschliesslich durch den
zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten. Der Bei-
bringung einer vollstreckbaren Ausferiigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von
dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde erster Instanz im Schutzgebiete zu er-
theilen sein würde.
Der Beamte kann nach Anordnung der Zwangsvollstreckung mit der Aus-
führung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu ver-
fahren haben.
§ 10. Vollstreckbare Ausfertigungen dürfen von dem Gerichtsschreiber nur
auf Auordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten er-
theilt werden.
§ II. In Strafsachen findet die Hauptverhandlung ohne Zuziebuug von
Beisitzern statt, wenn der Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine
Handlung zum Gegenstände hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder
zu den in den §§ 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bczeichnelen Vergehen
gehört.
§ 12. Der Angeklagte kann auf seinen Antrag oder von Amtswegen wegen
grosser Entfernung seines Aufenthaltsorts oder wegen sonstiger Hindernisse von
der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hsuptverhaudlung entbunden werden,
wenn nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde voraussichtlich keine andere Strafe
als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, oder Geldstrafe oder Einziehung, allein
oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht.
§ 13 Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte ge-
hörenden Sachen wird für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo der Gerichts-
behörde erster Instanz in Kamerun übertragen.
Für diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im § 28
des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichueten Strafsachen gelten.
§ 14. In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz finden in
Strafsachen die §§ 23 und 29 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit An-
wendung, der § 23 mit der im § 8 Absatz 1 bezeichueten Maassgabe.
Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt.
Der nicht aut freiem Fuss befindliche Angeklagte hat Anspruch auf An-
wesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte des Berufungsgerichts
befindet.
In den im § 13 Absatz 1 bezeichneten Sachen ist die Vertheidigung auch in
der Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist die Anwesenheit
des Vcrtheidigers erforderlich ; der § 145 der Strafprocessorduung findet Anwendung.
Im übrigen verbleibt es bei den Vorschriften im § 40 des Gesetzes über die
Konsulargerichtsbarkeit
§ 15. Die Todesstrafe ist durch Erschicssen oder Erhängen zu Vollstreckern
Der Gouverneur von Kamerun bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten
in dem einzelnen Falle stattzufinden hat.
§ 16. In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden
das Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für
Zeugen und Sachverständige, sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung.
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287
Die Vorschriften, welche an Stelle der bezeichnten Gesetze zu treten haben,
werden von dem Reichskanzler erlassen.
§ 17. Der Kigenthuroserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke
regelt sich, soweit nicht in dieser Verordnung abweichende Bestimmungen getroffen
sind, nach den Vorschriften des preussischen Rechts, insbesondere des Gesetzes
über den Eigenthnmserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Berg-
werke und selbstständigen Gerechtigkeiten vom 5. Mai 1872 (Gesetz-Samml. S. 433).
§ 18. Die Auflassungserklärungen des eingetragenen Eigentümers und des
neuen Erwerbers {§ 2 des Gesetzes über den Eigentbumserwerb vom 5. Mai 1872)
können auch schriftlich erfolgen. Eine gleichzeitige Abgabe beider Erklärungen ist
nicht erforderlich.
§ 19. Die auf die Grundschuld und auf das Bergwerkseigenthum bezüglichen
Vorschriften des Gesetzes über den Eigenthumserwerb, sowie die Grundbuchordnung
vom 5. Mai 1872 bleiben ausser Anwendung.
Die an Stelle der letzteren zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen
V orschriftcn werden vom Reichskanzler erlassen.
§ 20. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Grundstücke der Ein-
geborenen keine Anwendung. Jedoch bleiben Grundstücke, welche in das Grund-
buch eingetragen sind, den Bestimmmungen der §§ 17 bis 19 unterworfen, auch
wenn sie in das Eigenthum eines Eingeborenen übergehen.
§ 21. Die Voraussetzungen für den Erwerb von Grundstücken durch Ver-
träge mit den Eingeborenen oder durch Besitzergreifung »on herrenlosem Land
werden mit Genehmigung des Reichskanzlers von dem Gouverneur von Kamerun
festgestellt.
Die Eintragung der in dieser Weise erworbenen Grundstücke erfolgt auf Grund
einer über den Eigenthumserwerb crtheilten Bescheinigung des obersten Beamten
des Schutzgebiets oder eines von diesem hierzu bevollmächtigten anderen Beamten.
Urkundlich unter Unserer Höcbsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Marmor- Palais, den 2. Juli 1888.
(L. S.) Wilhelm.
von Bismarck.
Dienstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit in den
Schutzgebieten von Kamerun und Togo.
Zur Ausführung der Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in
den Schutzgebieten von Kamerun und Togo wird Folgendes bestimmt:
§ 1. Personen, welche der Gerichtsbarkeit unterliegen- (Zu den
§§ 2, 3 der Kaiserlichen Verordnung vom 2. Juli 1888.) Die Gerichtsbarkeit in
den Schutzgebieten von Kamerun und Togo erstreckt sich nach zwei Richtungen
auf einen weiteren Kreis von Personen, als die Konsulargerichtsbarkeit. Der ersteren
sind unterworfen:
1. nicht nur Reichsangehörige und Schutzgenossen, sondern auch Ausländer;
ausgenommen sind nur Eingeborene (vgl. Verordnung vom 2. Juli 1888 § 3), so-
weit sie nicht durch die von dem Gouverneur mit Genehmignng des Reichskanzlers
zu treffenden Bestimmungen der Gerichtsbarkeit unterstellt werden;
2. nicht nur alle Personen , welche im Schutzgebiet wohnen oder sieb dort
aufhalten, sondern auch solche Personen, hinsichtlich deren, ohne dass sie dort
Wohnsitz oder Aufenthalt haben, ein Gerichtsstand nach den zur Geltung kommenden
Gesetzen begründet ist (z. B. in den Fällen der §§ 24, 29, 31, 32 der Civilprocess-
ordnung).
§ 2. Gerichtsbehörden. (Zu §5 des Gesetzes über die Konsulargerichts-
barkeit; §§ 2, 3 No. 9 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen
Schutzgebiete; §§ 4, 5 der Verordnung vom 2. Juli 1888.)
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Anhang
1. Die Gerichtsbehörden erster Instanz haben in den von ihnen ansgehendeu
Schriftstücken,
a) sofern es sich um Geschäfte bandelt, welche unter Zuziehung der Beisitzer
erledigt werden, die Bezeichnung als
„Kaiserliches Gericht des Schutzgebietes von Kamerun“ bezw. -von Togo“
b) sofern es sich um Geschäfte handelt, welche von dem zur Ausübung der
Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ohne Zuziehung von Beisitzern erledigt
werden, die Bezeichnung als
„Kaiserlicher Itichter des Schutzgebietes von Kamerun“ bezw. „von Togo“
anzuwenden.
2. Die Gerichtsbehörde zweiter Instanz hat in den von ihr ausgehenden
Schriftstücken
a) in den unter la bezeicbneten Fällen (Verordnung vom 2. Juli 1888 § 8
Absatz I, § 14 Absatz 1) die Bezeichnung als
„Kaiserliches Obergericht der Schutzgebiete von Kamerun und Togo“
b) in den unter 1 b bezeicbneten Fällen die Bezeichnung als
„Kaiserlicher Oberrichter der Schutzgebiete von Kamerun und Togo“
anzuwenden.
3. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit sind ermächtigt :
a) für die Gerichtsbehörde erster Instanz in Kamerun der Kanzler in Kamerun,
b) für die Gerichtsbehörde erster Instanz in Togo der Kaiserliche Kommissar
in Togo,
c) für die Gerichtsbehörde zweiter Instanz der Gouverneur von Kamerun.
Für den Fall der Behinderung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit er-
mächtigten Beamten gilt der zur allgemeinen Vertretung desselben durch Anordnung
des Reichskanzlers berufene Beamte auch als zur Ausübung der Gerichtsbarkeit
ermächtigt. Es ist jedoch zu beachten, dass in der höheren Instanz kein Richter
mitwirken darf, welcher in der unteren Instauz bei Erlassung der angefochtenen
Entscheidung betheiligt war (Civilprocessordnung § 41 No. G, Strafprocessordnung
§ 23 Absatz 1).
Für den Fall , dass aus diesem Grund oder aus sonstigen Ursachen der all-
gemeine Vertreter des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten an
der Vertretung behindert ist, ist ein ausserordentlicher Vertreter zu bestellen. Die
Bestellung erfolgt durch den Gouverneur von Kamerun.
4. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten
führen die Dienstaufsicht über die bei der betreffenden Gerichtsbehörde angestellten
Beamten und regeln die Vertretung derselben im Falle der Behinderung.
Die Dienstaufsicht über die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz
ermächtigten Beamten wird durch den Gouverneur von Kamerun geübt. Die von
den ersteren erlassenen allgemeinen Anordnungen, insbesondere über Zustellungen
und Zwangsvollstreckungen, sind dem Gouverneur mitzutheilen. Derselbe kann die
getroffenen Bestimmungen aufheben oder abändern, sowie selbst allgemeine An-
ordnungen des Gezeichneten Inhalts auch für die Gerichtsbehörden erster Instanz
erlassen.
ü. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten sind befugt,
geeigneten Personen die Erledigung einzelner zu ihrer Zuständigkeit gehöriger Ge-
schäfte dauernd oder in bestimmten Fällen zu übertragen. Diese Befugniss erstreckt
sich nicht auf die Urtheilsfällung, die Entscheidung über Durchsuchungen und Be-
schlagnahmen und Verhaftungen, sowie auf die Ernennung und Beeidigung der
Beisitzer und die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. — Im Falle einer dauernden
L'ebertragung ist die beauftragte Person mittels Handschlags au Eidesstatt zur ge-
treulicben Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten. Die dauernde Ueber-
tragung hindert den Beamten nicht, jederzeit Geschäfte der betreffenden Art selbst
wahrzunehmen.
Der Beauftragte handelt im Namen der Gerichtsbehörde; derselbe ist in den
betreffenden Schriftstücken als an Stelle des Beamten bandelnd zu bezeichnen.
6. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten sind befugt,
die Abhaltung von Gerichtstagen ausserhalb des Amtssitzes der Gerichtsbehörde
anzuordnen.
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289
§ 3. Beisitzer. (Zu den >t§ 7 bis 9 des Gesetzes über die Konsular-
gericbtsbarkeit.)
1. Die Worte, weiche der Vorsitzende bei der Beeidigung der Beisitzer an
die zu Beeidigenden zu richten hat, lauten:
„Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten
eines Beisitzers des Kaiserlichen Gerichts des Schutzgebiets von
(des Kaiserlichen Obergerichts der Schutzgebiete von Kamerun und Togo)
getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen
abzugeben.“
2. Die auf Ernennung und Beeidigung der Beisitzer und deren Stellvertreter
sich beziehenden Verhandlungen und Protokolle sind zu besonderen Acten zn nehmen.
3. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten haben Namen,
Stand und Staatsangehörigkeit der von ihnen ernannten Beisitzer und Stellvertreter
dem Reichskanzler anzuzeigen.
§ 4. Gerichtsschreiber. (Zu § 10 des Gesetzes über die Konsular-
gerichtsbarkeit,)
1. Als Gerichtsschreiber ist eine hierzu geeignete Person, welche am Amts-
sitz des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten wohnen muss,
von dem Letzteren zu bestellen.
2. Der Gerichtsschreiber hat vor seinem Amtsantritt einen Eid dahin zu leisten:
„Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten
eines Gerichtsschreibers getreulich zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“
3. In dem Kalle, dass die Erledigung einzelner zur Zuständigkeit des zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten gehörenden Geschäfte einer
anderen Person übertragen wird (§ 2 No. 5), kann dieser auch die Bestellung des
bei Erledigung des Geschäfts zuzuziehenden Gerichtsschreibers aufgetragen werden.
Im Falle der dauernden Bestellung eines solchen Gerichtsscbreibers ist derselbe
mittels Handschlags au Eidesstatt zur getreulichen Erfüllung seiner Obliegenheiten
zu verpflichten.
§ 5. Rechtsanwälte. (Zu § 11 des Gesetzes über die Konsulargerichts-
bar k eit)
1. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten haben ein
Verzeichniss der von ihnen zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassenen Per-
sonen zu führen.
2. Die Bedingungen der Zulassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft sind
dem Ermessen des Beamten überlassen. Der Besitz der Reichsangehörigkeit ist nicht
erforderlich. Wenn geeignete Personen mit juristischer Vorbildung nicht vorhanden
sind, kann der Beamte unter Umständen auch aus anderen Berufsklassen zuver-
lässige Personen, welche die nötbige Geschäftskenntniss besitzen, zur Ausübung
der Rechtsanwaltschaft zulassen. Eine Beeidigung der Rechtsanwälte findet
nicht statt.
§ 6. Zustellungen. (Zu den §§ 6, 7 der Verordnung vom 2. Juli 1388).
1. ln dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden der Schutzgebiete erfolgen
die Zustellungen sümmtlieh auf Veranlassung der Gerichtsbehörde.
Dies gilt sowohl von Zustellungen von Amtswegen ('s. No. 2) als von solchen
auf Betreiben der Parteien (s. No. 3). Der Unterschied zwischen beiden Arten
von Zustellungen beruht lediglich darin, dass die letzteren nur dann von der
Gerichtsbehörde veranlasst werden, wenn die Partei einen auf die Bewirkung der
Zustellung gerichteten Antrag gestellt hat, während es bei Zustellungen von Amts-
wegen eines solchen Parteiantrags nicht bedarf. Zu dem Antrag einer Partei auf
Bewirkung der Zustellung genügt, abgesehen von dem Gesuch um Bewilligung
einer öffentlichen Zustellung (§ 187 der Civilprocessordnnng), eine mündliche Er-
klärung. Ist das zuzustellende Schriftstück ein Schriftsatz oder eine sonstige von
der Partei ausgehende Erklärung, so hat die Gerichtsbehörde nach Einreichung des
Schriftstücks auch ohne ausdrücklichen Parteiantrag für die Zustellung Sorge zu
tragen, wenn aus dem Inhalt des Schriftstücks hervorgeht, dass und wem es zuge-
stellt werden soll.
2. Von Amtswegen erfolgen:
A) in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: die Zustellung der Abschrift der Be-
rufungsschrift an die Gegenpartei, sowie die Zustellung aller gerichtlichen Ent-
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 19
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290
Anhang.
Scheidungen, nicht btos (wie nach § 294 Abs. 3 der Civilprocessordnung) der nicht
verkündeten, sondern auch der verkündeten (§ 7 Abs. 1 der Verordnung), insbe-
sondere auch der Urtbeile. Ebenso «erden Zahlungs- und Vollstreckungsbefehle
dem Gläubiger und dem Schuldner, und Beschlösse, durch welche eine Forderung
gepfändet oder überwiesen wird, dem Gläubiger, dem Schuldner und dem Dritt-
schuldner von Amtswegen zugestellt (Verordnung vom 2. Juli 1888, § 7 Abs. 1)
Ausgenommen sind nur:
a) Beschlüsse, welche lediglich die Process- und Sachleitung einschliesslich der
Bestimmung und Aenderung von Terminen betreffen, insbesondere auch Beweis-
scblüsse (§ 7 Abs. 2 der Verordnung); bei diesen genügt die Verkündung, und
zwar ohne Rücksicht auf die Anwesenheit der Parteien bei derselben;
b) Arrestbefeble; die Zustellung derselben an den Gläubiger erfolgt zwar
ebenfalls von Amtswegen (§ 294 Abs. 3, § 809 Abs. 2 der Oivilprocessorduung), die
Zustelluug an den Schuldner dagegen findet nur auf Antrag des Gläubigers statt
($ 802 Abs. 2 daselbst), damit nicht durch vorzeitige Bek&nntgebung des ver-
fügten Arrestes an den Schuldner die demnächstige Vollstreckung des Arrestes iu
ihrem Erfolge gefährdet werde. Dieses Interesse des Gläubigers fällt jedoch weg,
wenn derselbe mit dein Antrag auf Erlass des Arrestbefehls zugleich die Voll-
streckung desselben, z. B. durch Bezeichnung des Arrestgegenstandes (der zu pfän-
denden beweglichen Sachen oder Forderungen etc.) beantragt. In diesem Falle ist
anzunehmen, dass mit dem Antrag auf Erlass des Arrestbefehls auch die Zu-
stellung desselben beantragt sei, und demzufolge mit dem Arrestbefehl zugleich die
Zustellung desselben und die betreffende Vollstreckungsmaassregel zu verfugen.
B. in Strafsachen: alle Zustellungen mit Ausnahme der Zeugenladungen im
Falle des § 219 der Slrafprocessordnung;
C. im Concursverfahren : alle Zustellungen (§ 66 Abs. 2 der Ooncursordnung);
D. in Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit: alle vom Gericht
ausgehenden Zustellungen; jedoch ist hier eine förmliche Zustellung nur nothwendig,
insofern es (z. B. wegen Beginnes einer Frist u. dgl.) einer Beurkundung der Zu-
stellung bedarf (§ 1 Abs. 1 des preussischen Ausführungsgesetzes zur Civilprocess-
ordnung).
3. Auf Betreiben der Parteien erfolgen:
A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Zustellung von Schriftsätzen Seitens
einer Partei an die andere mit Ausnahme der Berufungsschrift (vgl. No. 2 A)
und die Zustellung von Arrestbefehlen an den Schuldner (vgl. No. 2 A b);
B. in Strafsachen: die Zustellung von Zeugenladungen im Falle des § 219
der Strafprocessordnung.
4. Auch in den Schutzgebieten besteht die Zustellung, wenn eine Ausfertigung
zngestellt werden soll, in deren Uebergabe, in den übrigen Fällen in der Uebergabe
einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks (§ 136 Abs. 1 der
Civilprncessordnung). Die Beglaubigung kann aber hier in allen Fällen (nicht, wie
nach § 156 Abs. 2 der Civilprocessordnung, nur bei Zustellungen von Amtswegen)
durch den Gericbtsschreiber erfolgen (§ 7 Abs. 3 der Verordnung). Dor Gerichts-
schreiber hat bei Zustellungen auf Betreiben der Parteien die erforderlichen Ab-
schriften (§ 155 der Civilprocessordnung) auf Verlangen auch anzufertigen.
5. Die Vorschriften über die Person, an welche die Zustellung zu erfolgen
hat (§§ 157 bis 164 der Civilprocessordnung), sind auch in den Schutzgebieten zu
beachten; jedoch tritt an Stelle der §§ 160, 161 der § 7 Abs. 6 der Verordnung.
6. Die §§ 165 bis 181 der Civilprocessordnung finden in den Schutzgebieten
keine Anwendung. An ihre Stelle treten die Anordnungen, welche von dem zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten gemäss § 6 der Verordnung
erlassen werden (vgl. § 2 No. 4). Diese Anordnungen können für eine einseine
Zustellung mit Rücksicht auf die Umstände des Falls besonders oder allgemein für
alle Fälle, in denen nicht etwas Abweichendes bestimmt wird, getroffen werden.
Dieselben können sich beziehen auf die Personen, durch welche die Zustellungen
zu bewerkstelligen sind, und die Uebermittelung der Aufträge an dieselben: auf
Ort und Zeit der Zustellungen; auf diejenigen Personen, welchen an Stelle des
Empfängers das zuzustellende Schriftstück bezw. die Abschrift desselben übergeben
werden darf, wenn der Empfänger nicht angetroffen wird; auf das Verfahren, nenn
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Auhaug.
291
keine Person angetroffen wird, an welche die Uebergabe bewirkt werden kann; auf
den Nachweis der erfolgten Zustellung. Ein solcher Nachweis ist stets schriftlich
zu den Akten zu bringen (§ 7 Abs. 7 der Verordnung). Bei den Anordnungen be-
züglich der Form dieses Nachweises ist zu beachten, dass durch den letzteren fest-
gestellt werden muss, welches Schriftstück in Ausfertigung oder Abschrift über-
geben ist.
7. Zustellungen, welche in einer bei einer Gerichtsbehörde in den Schutz-
gebieten anhängigen Recbtsangelegenheit erforderlich werden, aber ausserhalb des
Schutzgebietes, in welchem die Gerichtsbehörde ihren Sit/, hat, zu bewirken sind,
erfolgen im Wege des Ersuchens (§ 6 Abs. 3 der Verordnung).
8. Das Ersuchen ist zu richten;
a) bezüglich einer im Deutschen Reiche zu bewirkenden Zustellung: an den
Gerichtsschreiber des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Zustellung ausgeführt
werden soll (§ 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes);
b) bezüglich einer in einem anderen deutschen Schutzgebiet oder im Bezirk
eines deutschen Konsulargerichts zu bewirkenden Zustellung an die Gerichtsbehörde
des betreffenden Schutzgebietes bezw. an den betreffenden Konsul; hiernach ist
insbesondere auch dann zu verfahren, wenn von einer der Gerichtsbehörden im
Schutzgebiet von Kamerun eine Zustellung im Schutzgebiet von Togo oder von
der Gerichtsbehörde des letzteren Schutzgebietes eine Zustellung im Schutzgebiet
von Kamerun zu veranlassen ist;
c) bezüglich einer in einem ausländischen Staate zu bewirkenden Zustellung
an die in §§ 182 bis 181 der Civilprocessordnung bezeichneten Behörden uud
Beamten.
9. Die öffentliche Zustellung erfolgt in den bei den Gerichtsbehörden der
Schutzgebiete anhängigen Rechtsangelegenbeiten nach den Vorschriften in §§ 186
bis 189 der Civilprocessordnung. jedoch kann die Gerichtsbehörde bei Bewilligung
der öffentlichen Zustellung einer Ladung anordnen, dass eine Einrückung in öffent-
liche Blätter nicht erforderlich sei (§ 7 Abs. 5 der Verordnung,), ln einem solchen
Falle gilt die Ladung als sugestellt, wenn seit der Anheftung des Schriftstücks
an die Gerichtstafel zwei Wochen verstrichen sind (§ 189 Ab«. 2 der Civilprocess-
ordnung).
10. Die in § 190 der Civilprocessordnung bezüglich des Eintritts der Wir-
kungen der Zustellung für Zustellungen mittelst Ersuchens anderer Behörden oder
Beamten und für öffentliche Zustellungen gegebene Vorschrift ist durch § 7 Abs. 4
der Verordnung auf alle Zustellungen ausgedehnt, welche in den bei den Gerichts-
behörden der Schutzgebiete anhängigen Rechtsangelegenheiten auf Betreiben der
Parteien erfolgen.
11. Im Schutzgebiete zu bewirkende Zustellungen in einer bei einem deutschen
Gericht anhängigen Rechtsangelegenheit erfolgen auf Ersuchen desselben durch die
Gerichtsbehörde erster Instanz in der in No. 4 bis 6 bezeichneten Weise. Der zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte hat auf Grund des Nachweises
der Zustellung (vgl. No. 6) das in § 185 Abs. 2 der Civilprocessordnung bezeich-
nete Zustellungszeugniss auszustellen und nur dieses, nicht auch den Nachweis
oder die sonst etwa bei der Gerichtsbehörde entstandenen Acten, dem ersuchenden
Gerichte zu übersenden.
§ 7. Zwangsvollstreckungen. (Zu den §§ 9, 10 der Verordnung vom
2. Juli 1888.)
1. Aus welchen Titeln eine Zwangsvollstreckung stattfindet, unter welchen
Voraussetzungen insbesondere von den Gerichtsbehörden in den Scbulzgebieien er-
lassene Urtheile vollstreckbar sind, bestimmt sich nach §§ 644 bis 661, 702 der
Civilprocessordnung.
2. Die Ertheilung der vollstreckbaren Ausfertigung (Civilprocessordnung
§§ 662 ff.) einer von einer Gerichtsbehörde der Schutzgebiete erlassenen Entschei-
dung, eines von derselben abgeschlossenen Vergleichs oder einer von derselben
aufgenommenen Urkunde der in § 702 No. 5 der Civilprocessordnung bezeichneten
Art kann erforderlich werden, wenn die Parteien dieselbe zum Zwecke einer Zwangs-
vollstreckung ausserhalb des Schutzgebiets (s. unten No. 10, 11) beantragen.
Die Krtbeilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt nach Maassgabe der
§§ 662 bis 670 der Civilprocessordnung jedoch in allen Fällen (nicht blos in denen
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Anhang.
der §§ 666, 669) nur auf Anordnung de» zur Ausübung der Gerichtsbarkeit er-
mächtigten Beamten (§ 10 der Verordnung).
3. Die Zwangsvollstreckung innerhalb eines jeden der beiden Schutzgebiete
ist in allen Fällen Sache der Gerichtsbehörde erster Instanz. Die Zwangsvollstreckung
wird von dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten angeordnet
(§ 9 der Verordnung).
4. Der Gläubiger, welcher eine Zwangsvollstreckung iin Schutzgebiet bean-
tragt, hat den Titel, aus welchem dieselbe erfolgen soll, nur dann vorzulegen, wenn
sich der Titel nicht in den Acten der Gerichtsbehörde (No. 3) befindet.
Die Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung liegt dem Gläubiger nicht
ob, soweit diese Ausfertigung von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde
(No. 3) zu ertheilen sein würde (§ 9 Abs. 1 der Verordnung). Die Beibringung
ist danach insbesondere erforderlich, wenn zur Zeit der Stellung des Antrags der
Rechtsstreit noch bei dem Obergericht in Kamerun anhängig ist (§ 662 Abs. 2 der
Civilproeessordnung).
5. In den Fällen, in welchen der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung
nicht beizubringen hat (No. 4 Abs. 2), darf die Zwangsvollstreckung nur unter
denselben Voraussetzungen angeordnet werden, unter welchen nach §§ 664, 065
der Civilproeessordnung die Krtheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zulässig
ist. Auf die Anordnung der Zwangsvollstreckung finden die Vorschriften über
Anhörung des Schuldners, über die Klage auf Krtheilung der Vollstreckungsclauscl,
über die Einwendungen gegen die letztere, über die Bemerkung der erfolgten E •
theilung auf der Urschrift des Unheils (§§ 666 bis 668, 670 der Civilproeessordnung)
entsprechende Anwendung.
6. Die Vorschriften über den Beginn der Zwangsvollstreckung (§§ 671 bis
673 der Civilproeessordnung) finden auf Zwangsvollstreckungen in den Schutz-
gebieten mit der Maassgabe Anwendung, dass in den in No. 5 bezeichneten Fällen
au Stelle der Vollstreckungsclausel (§ 671 a. a. 0.) die Anordnung der Zwangs-
vollstreckung tritt.
7. In den Schutzgebieten erfolgt die Ausführung der Zwangsvollstreckung auch
in den Fällen, in welchen sie nach der Civilproeessordnung den Gerichtsvollziehern
zugewieseu ist, durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ;
derselbe kann mit der Ausführung audere Personen beauftragen, welche nach seinen
Anweisungen zu verfahren haben (§ 9 Abs. 2 der Verordnung). Der Auftrag ist
schriftlich zu ertheilen. Der schriftliche Auftrag tritt bei Anwendung der Vorschriften
der §§ 675 bis 677 der Civilproeessordnung an die Stelle der vollstreckbaren Aus-
fertigung. Die Vorschriften der §§ 678 bis 683 kommen nicht zur Anwendung:
an ihre Stelle treten die Anweisungen, welche der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit
ermächtigte Beamte den mit der Auslührung der Zwangsvollstreckung beauftragten
Personen ertheilt hat. Bei Krtheilung dieser Anweisung ist dafür Sorge zu tragen,
dass über jede Vollstreckungshandlung eiue schriftliche Nachricht zu den Acten ge-
bracht wird.
8. Die mit der Ausführung der Zwangsvollstreckung beauftragte Person (No. 7)
bat die in der Civilprocesshandlung (§§ 712, 713, 716, 720 bis 725, 727, 746, 751,
769 bis 771, 777) dem Gerichtsvollzieher zugewiesenen Befugnisse und Obliegen-
heiten, soweit nicht durch die ihr ertbeilten Anweisungen (No. 7) etwas Anderes
bestimmt wird.
9. Auf die in den §§ 730, 739 und 744 der Civilproeessordnung vorgesehenen
Zustellungen bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in Forderungen
und andere Vermögensrechte finden die §§ 6, 7 (vgl. insbesondere § 7 Abs. 1) der
Verordnung und § 6 dieser Anweisung Anwendung. Im Falle de» § 739 Ab». 3
sind die Erklärungen des Drittschuldners stets an die Gerichtsbehörde zu richten.
10. Soll im Deutschen Reich eine Zwangsvollstreckung auf Grund einer in
den Schutzgebieten erlassenen Entscheidung oder einer dort aufgenommenen voll-
streckbaren Urkunde erfolgen, so hat der Gläubiger sich eine vollstreckbare Aus-
fertigung des Titels ertheilen zu lassen (vgl. No. 1, 2) und auf Grund derselben
die Zwangsvollstreckung selbst zu betreiben. Ein Ersuchen an deutsche Gerichte
Seitens der Gerichtsbehörde des Schutzgebietes findet nicht statt. Jedoch kann,
soweit die Zwangsvollstreckung durch einen deutschen Gerichtsvollzieher zu be-
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wirken ist, der Gläubiger zur Beauftragung desselben sieb der Vermittelung der
Gerichtsbehörde bedienen, welche ihrerseits den Auftrag unter Beifügung der voll-
streckbaren Ausfertigung dem Gerichtsschreiber desjenigen Amtsgerichts übersendet,
in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll (§ 674 Abs. 2 der Civilprocess-
ordnung; § 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes).
11. Soll die Zwangsvollstreckung aus einem der in No. 10 bezeichneteu Titel
in einem anderen deutschen Schutzgebiet erfolgen, so hat die Gerichtsbehörde
erster Instanz auf Antrag des Gläubigers die Gerichtsbehörde des betreffenden
Schutzgebietes um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen (§ 700 Abs. 2 der Civil-
processordnung). Diese Bestimmung findet auch im Verhältniss der Schutzgebiete
von Kamerun und Togo zu einander Anwendung.
In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Zwangsvollstreckung im Bezirk
eines deutschen Konsulargerichts erfolgen soll; jedoch ist dem an den Konsul zu
richtenden Ersuchungsschreiben eine vollstreckbare Ausfertigung beizufügen. *
12. Mit der Zwangsvollstreckung, welche aus einem der iu No. 10 bezeichneteu
Titel in einem ausländischen Staat erfolgen soll, hat die Gerichtsbehörde sich nicht
zu befassen, deren Betrieb vielmehr dem Gläubiger zu überlassen.
13. Ersucht ein deutsches Gericht gemäss § 700 Abs. 2 der Civilprocess-
ordnung um Bewirkung einer Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet, so ist dieselbe
auf Grund des Ersuchens anzuordnen, ohne dass die Vollstreckbarkeit nachzupnifen
ist. Die Vollstreckung erfolgt in der in No. 7 bis 9 bezeichneteu Weise.
§ 8. Bestimmungen für Strafsachen. (Zu den §§ 1 1 bis 15 der Ver-
ordnung vom 2. Juli 1888 und §21 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit.)
1. Die Verfügung, durch welche der Angeklagte vom Erscheinen in der
Hauptverhandlung entbunden wird (§ 12 der Verordnung) kann, wenn sie von
Amtswegen erfolgt oder ein bezüglicher Antrag von dem Beschuldigten schon vorher
gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Hauptverhandlung
an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Ausübung der
Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten erlassen Derselbe hat dabei zu prüfen, ob
die im § 12 der Verordnung bezeichncten Voraussetzungen vorliegen. Erscheint in
der Hauptverbandlung nach Ansicht des Gerichts die Verhängung einer höheren
Strafe als der im § 12 bestimmten angezeigt, so muss die Verhandlung vertagt
und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vorgeführt
werden.
Unter allen Umständen muss, wenn ohne die Anwesenheit des vom Eischeinen
entbundenen Angeklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche
Vernehmung nicht schon im Vorverfahren erfolgt ist, durch einen ersuchten oder
beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung vernommen weiden
(Strafprocessordnung § 232 Abs. 2, 3). Nötigenfalls ist diese Vernehmung nach
Maassgabe des § 2 No. 5 dieser Anweisung einer anderen geeigneten Person zu
übertragen. Für das im § 231 der Strafprocessordnung vorgesehene Ungehorsams-
verfahren bedarf es hingegen einer vorgängigen richterlichen Vernehmung des An-
geklagten nicht.
2. das Verfahren in den durch § 13 der Verordnung für beide Schutzgebiete
dem Gericht erster Instanz in Kamerun übertragenen Schwurgerichtssachen regelt
sich nach den Vorschriften, welche für die im § 28 des Gesetzes über die Konsular-
gerichtsbarkeit bezeichneteu Strafsachen gelten. Es findet daher auch der § 9 des
bezeichneteu Gesetzes Anwendung, wonach in dem Falle, dass die Zuziehung von
vier Beisitzern nicht ausführbar ist, die Zuziehung von zwei Beisitzern genügen
soll. Dieser Fall wird auch dann als gegeben anzusehen sein, wenn in Folge der
Zuziehung von vier Beisitzern in erster Instanz nach Lage der Verhältnisse keine
ausreichende Zahl von Beisitzern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungs-
instanz verwendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 5 der Verordnung) eine Ver-
minderung der Zahl von vier Beisitzern unter keinen Umständen gestattet ist, die
Personen aber, welche in erster Instanz als Beisitzer mitgewirkt haben, von der
Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind.
3. ln Schwurgericbtssacben muss der Angeklagte sowohl in der ersten, als
in der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprocessordnung § 140 Abs. 1,
Verordnung vom 2. Juli 1888 § 14 Abs. 4). In diesen Sachen und ebenso in
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den Fällen, in welchen nach § 140 Aba. 2 der Sirafprocessordnung die Vertheidi-
(Hing eine nothwendige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Vertheidiger noch
nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald das Haupt-
verfabren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der Rechtsanwalt-
schaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer Gerichts-
eingesessener zu bestellen.
4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den
§§ 36 bis 40 des Gesetzes ober die Konsulargericbtsbarkeit und in den §§ 5 und
14 der Verordnung vom 2. Juli 1888 etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften
des dritten Abschnitts im dritten Buch der Strafprorestordnung Anwendung. Da
die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht stattfindet, so erfolgt im Falle der
Einlegung der Berufung die (Jebersendung der Acten (Strafprocessordnung § 362
Gesetz über die Konsulargericbtsbarkeit § 39) unmittelbar an das Obergericbt.
• 5. Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Strafprocessordnung vor Er
hebung der Privatklage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muss, dass die
Sübne erfolglos versucht worden, ist für diesen Vergleichsversucb der zur Ausübung
der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe kann mit der Vor-
nahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen.
Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termine
nicht, so wird angenommen, dass er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen
wolle. — Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann
nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termine erschienen ist. Kommt
im Termin ein Vergleich zu Stande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen.
§ 9. Kostenwesen. (Zu § 16 der Verordnung vom 2. Juli 1888.)
1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprocessordnung, die Concurs-
ordnung oder die Strafprocessordnung Anwendung finden, werden die wirklich auf-
gewendeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen,
sowie die Tagegelder und Reisekosten der Gerichtsbeamten werden in jedem ein-
zelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben festgesetzt.
Ausserdem werden in den bezeichnten Rechtssachen Gebühren nach Maass-
gahe des angebängtm Tarifs erhoben.
Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher haare Auslagen
verbunden sind, kann, in Strafsachen jedoch nur, soweit os sich um das Verfahren
anf erhobene Privatklage bandelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung
der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der
Zwangsvollstreckung (§ 7 No. 7 dieser Anweisung) kann in allen Fällen von der
vorgängigen Zahlung eines solchen Vorschusses abhängig gemacht werden.
In bürgerlichen Recbtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit
es sich um ein gebührenpflichtiges Verfahren handelt, der Antragsteller zur Zahlung
eines entsprechenden Gebührenvorscbusses verpflichtet werden.
Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist Derjenige, weichem
durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegl sind, oder
welcher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben
mitgetheilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners
ist derjenige, welcher das Verfahren beantragt hat, Schuldner der entstandenen
Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschiessender Beträge
(Abs. 3 und 4) bleibt bestehen, wenn auch die Kosten des Verfahrens einem An-
deren auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind.
2. In den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht
gehören, werden vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Absätzen, Kosten
nur nach Maassgabe der Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Gebühren und
Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, vom 1. Juli 1872 (Reichs-
Gesetzbl. S. 245) erhoben.
Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der gesetzlichen Vormundschaft, ist von
dem Kapitalbetrag des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormundschaft
erstreckt, insofern dasselbe über 150 M beträgt, zn erheben:
a) von je 50 .// des Betrages bis zn 300 .<5f,
h) von je 100 M des Mehrbetrages bis zu 600 M,
c) von je 150 .// des Mehrbetrages bis zu 1500 M,
d) von je 300 M des Mehrbetrages 50 Pfennige.
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295
3. Der Ansatz der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde
der Instanz.
Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichtsbehörden
erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt.
§ 10. Geschäftsgang.
1. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
2. Jeder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit von dem Reichskanzler ermächtigte
Beamte hat demselben am Schluss des Geschäftsjahres eine Geschäftsübersicht ein-
zureichen. Die Berichte der Gerichtsbehörden erster Instanz sind durch Vermitte-
lung des Gouverneurs von Kamerun einzureichen.
3. Der Geschäftsverkehr mit Behörden und Beamten ausserhalb des Schutzgebietes
erfolgt ausschliesslich durch die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten.
§ II. Besondere Bestimmung für das Schutzgebiet von Kamerun.
In dem Schutzgebiet von Kamerun bedürfen die Anordnungen des zur Ausübung
der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten der Zustimmung des Gou-
verneurs, soweit sie betreffen:
1. die dauernde Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte auf andere
Personen (§ 2 No. 5);
2. die Ernennung von Beisitzern (§ 3);
3. die Bestellung und Entlassung von ständigen Gerichtsschreibern (§ 4);
4. die Zulassung von Rechtsanwälten (§ 5);
5. die allgemeine Beauftragung von Personen mit der Vornahme von Sübne-
versucben (f 8 No. 5).
Berlin, den 7. Juli 1888. Der Reichskanzler.
In Vertretung: Graf Bismarck.
A nlage.
Tarif für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechts-
streitigkeiten, Conenrssaohen und Strafsachen.
I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten.
Eine Gebühr wird erhoben:
1. für das Verfahren in erster Instanz;
2. für das Verfahren in der Berufungsinstanz:
3 für die Ausführung der Zwangsvollstreckung.
Die Erhebung der Gebühr erfolgt nach dem Wertbe des Streitgegenstandes,
im Palle der No. 3 nach dem Werthe des zur Zwangsvollstreckung stehenden An-
spruches. Kür die Wertbsberechnung sind die Vorschriften der Civilprocessordnung
§§ 8 bis 9 und der Concursordnung § 136 maassgebend. Bei nicht vermögens-
rechtlicben Ansprüchen wird der Werth zu 2000 UP, ausnahmsweise niedriger oder
höher, jedoch nicht unter 200 M und nicht über 50 000 .// angenommen.
1. Verfahren in erster Instanz.
A. Soweit das Verfahren durch Endurtbeil erledigt ist, werden erhoben:
a) von einem Streitgegenstand bis zum Betrage von 150 M einschliesslich —
von jeder Mark 10 ,t&;
b) von dem Mehrbeträge bis zu 1500 M einschliesslich — von jeder Mark 5 ij;
c) von dem Mehrbeträge — von jeder Mark l »4-
Die im vorhergehenden Absätze bezeichneten Sätze ermässigen sich auf die
Hälfte, wenn die Erledigung durch Versäumnissurtheil oder durch ein auf Grund
Anerkenntnisses oder Verzichts erlas-enes Unheil erfolgt ist.
B. Soweit nach Erhebung der Klage das Verfahren in anderer Weise erledigt
ist, wird die Gebühr nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über
die in No. I A, Schlussabsatz, bezeichneten Sätze hinaus, bestimmt.
2. Verfahren in der Berufungsinstanz.
A. Soweit das Verfahren durch Endurtbeil erledigt ist, wird die um ein
Viertheil erhöbt« Gebühr unter 1 A erhoben.
B. Soweit nach Zustellung der Beiufungsschrift das Verfahren in anderer
Weise erledigt ist, findet die Vorschrift unter 1 B mit der Maassgabe Anwendung,
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Anhang.
dass die Gebühr nicht die 11 m ein Vierthei! erhöhten Sätze unter 1 A, Schluss*
ahsatz, übersteigen darf.
3. Ausführung der Zwangsvollstreckung.
Für das Verfahren von dem Beginn der Ausführung einer Zwangsvollstreckung
(§ 7 No. 7 dieser Anweisung) bis zu der durch die betreffende Handlung und die
aus ihr sieb ersehenden weiteren Vollstreckungshandlungen zu erlangenden Be-
friedigung des Gläubigers wird die Gebühr unter 1 A, Schlussabsatz, erhoben.
Die Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über
die Hälfte der im vorhergehenden Absatz bezeichneten Sätze, bestimmt, soweit das
Verfahren :
a) durch Zurücknahme des Antrags oder durch Leistung an die Person,
welche die Zwangsvollstreckung ausführt, erledigt, oder
b) zufolge der Vorschrift des § 691 der Civilprocessordnung eingestellt oder
beschränkt und demnächst nicht fortgesetzt, oder
c) wegen Mangels eines geeigneten Gegenstandes ohne Erfolg geblieben ist.
II. Concnrssachen.
Kür das Concursverfahren wird erhoben:
1. wenn dasselbe auf Grund der Scblussvertteilung aufgehoben ist, die Ge-
bühr unter I 2 A,
2. wenn dasselbe auf Grund eines Zwangsvergleichs aufgehoben, oder wenn
es eingestellt ist. die Hälfte dieser Gebühr.
Die Gebühr wird nach dem Betrage der Aktivmasse erhoben. Auf die Werths-
festsetzung findet der § 3 der Civilprocessordnung entsprechende Anwendung.
III. Strafsachen.
I Für das Verfahren auf erhobene Privatklage werden in erster Instanz erhoben:
a) wenn das Verfahren vor Beginn der Hauptverbandlung erledigt ist 10 .//,
b) wenn nach Beginn der Hauptverhandlung Einstellung des Ver-
fahrens erfolgt ist 20 .//,
c) wenn ausser dem Falle unter b) die Instanz durch Urtbeil been-
digt ist 50 M.
Dieselben Sätze sind für die Berufungsinstanz zu erbeben.
2. In anderen Strafsachen wird nach rechtskräftig erkannter Strafe eine Gebühr
für das gesammtc Verfahren einschliesslich der Berufungsinstanz erhoben. Der
Betrag der Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über
500 . f/, festgesetzt.
Verfügung des Reichskanzlers, betreffend die Führung der Grund-
bücher und das Verfahren in Grundbuchsaehen in den Schutzgebieten
von Kamerun und Togo.
Für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo wird auf Grand des § 19 der
Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von
Kamerun und Togo, vom 2. Juli d. J. (Reichs- Gesetzbl. S. 211) das Folgende verfügt:
1. Einrichtung der Grundbücher.
§ 1. Für jedes der beiden Schutzgebiete wird ein Grundbuch angelegt, in
welches die durch Nichteingeborene erworbenen Grundstücke eingetragen werden.
§ 2. Die tirundbücher werden nach dem Formular in Anlage A 1 ) eingerichtet
jedes Grundstück erhält ein eigenes Grundbuchblatt. Es kann jedoch für
mehrere in demselben Gruudbuchbezirk liegende Grundstücke desselben Eigen-
tümers ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt angelegt werden, wenn daraus nach
dem Ermessen der Grundbucbbebörde keine Verwirrung zu besorgen ist.
Die Grundbuchblätter eines Grandbuchs erhalten fortlaufende Nummern nach
dem Zeitpunkt der Anlegung.
§ 3. Jedes Grundbuchblatt besteht aus einem Titel und drei Abtbeilungen.
*) Ueber die Anlagen cfr. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in
den Schutzgebieten von Kamerun und Togo etc. Carl Heymanns Verlag. Berlin.
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Anhang.
297
Der Titel giebt in der ersten Hauptspalte an:
1. Die Bezeichnung des Grundstücks nach Lage und Begrenzung, nach seinem
etwaigen besonderen Namen und sonstigen Kennzeichen unter Bezugnahme auf die
bei den Grundacten befindliche Karte (§§ 21, 36), sowie thunlichst die Kigenschaft
des Grundstücks nach Kultur und Art der Benutzung;
2. die Grösse des Grundstücks.
Die für die Bezeichnung des Grundstücks nach dem Steuerbuch bestimmte
Unterspalte ist vorläufig noch offen zu lassen.
Sind mehrere Grundstücke in demselben Grundbuchhlatt vereinigt, so sind
dieselben unter fortlaufenden Nummern gesondert in der ersten Hauptspalte auf-
zuführen.
Hie zweite Hauptspalte ist zu Abschreibungen bestimmt.
§ 4. In die erste Spalte der ersten Abtbeilung ist einzutragen:
der Eigentümer nach Vor- und Zunamen, nach Stand, Gewerbe oder
anderen unterscheidendeu Merkmalen, Wohnort oder Aufenthaltsort; eine
juristische Person nach ihrer gesetzlichen oder in der Verleihungsurkunde
enthaltenen Benennung: eine Handelsgesellschaft. Aktiengesellschaft und
Genossenschaft unter ihrer Firma und Bezeichnung des Orts, wo sie ihren
Sitz hat;
in die zweite Spalte:
das Datum der Eintragung, der Kechtsgrund derselben (Auflassung,
Testament, Erbbescheinigung, Bescheinigung des obersten Beamten nach
§ 21 Abs. 2 der Verordnung vom 2. Juli 1888 u. dgl. m.), sowie die
Vermerke über Zuschreibungen ;
in die dritte Spalte:
auf Antrag des Eigentbümers der Erwerbspreis oder die Schätzung des
Werths nach einer öffentlichen Taze und bei Gebäuden die Feuer-
versicherungssumme mit Angabe des Tages der Versicherung.
§ 5. In die erste Hauptspalte der zweiten Abtheilung werden eingetragen:
1. dauernde Lasten und wiederkehrende Geld- und Naturalleistungen, welche
auf einem privatrechtlichen Titel beruhen:
2. die Beschränkungen des Eigenthums und des Verfügungsrechts des Eigen-
tümers.
ln die zweite Hauptspalte .Veränderungen“ werden alle Veränderungen ein-
getragen, welche die in der ersten Hauptspalte vermerkten Rechte und Beschrän-
kungen erleiden.
Ist ein in der ersten Hauptspalte eingetragenes Recht aufgehoben , so erfolgt
die Löschung in der Hauptspalte .Löschungen“ ; die Löschung einer Veränderung
wird unter der zweiten Hauptspalte in der Nebenspalte .Löschungen“ bewirkt.
§ 6. In die erste Hauptspalte der dritten Abtheilung werden die Hypotheken
eingetragen.
ln die zweite Hauptspalte »Veränderungen“ sind alle Veränderungen (Ueber-
tragungen, Verpfändungen etc.) der in der ersten Hauptspalte eingetragenen Posten
sowie etwaige Beschränkungen des Verfügungsrechts über dieselben zu vermerken.
Die Nebenspalte »Löschungen“ in der zweiten Hauptspalte ist für die Löschung
der Veränderungen, die Hauptspalte .Löschungen“ zur Löschung der in der ersten
Hauptspalte eingetragenen Posten bestimmt.
§ 7. Für jedes Grundbuchblatt werden besondere Gruudacten gehalten.
§ 8. Die Einsicht der Grundbücher und Grundacten ist Jedem gestattet,
welcher nach dem Ermessen des Vorstehers der Grundbuckbebörde ein rechtliches
Interesse dabei bat.
II. Zuständigkeit und Verfahren.
§ 9. Die Bearbeitung der Grundbuchsachen gehört zur Zuständigkeit der mit der
Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten (Grundbuchrichter).
§ 10. Der Grundbuchrichter verfährt, soweit nicht etwas Anderes vorge-
schrieben ist, nur auf Antrag.
Die Anträge werden mündlich bei dem Grundbuchrichter angebracht oder
schriftlich eingereicht. Mündliche Anträge auf Eintragungen oder Löschungen sind
von dem Grundbuchrichter aufzunehtnen.
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Anhang.
§ 11. Schriftliche, zu einer Eintragung oder Löschung erforderlichen Anträge
und Urkunden, sowie die Vollmachten von Personen, welche als Bevollmächtigte
Anträge stellen oder Erklärungen abgeben, müssen gerichtlich oder notariell aufge-
uomtnen oder beglaubigt sein. Jedoch bedürfen schriftliche Anträge, welchen die
beglaubigten Urkunden beiliegen, in denen die Betheiligten die beantragte Ein-
tragung oder Löschung schon bewilligt haben, keiner besonderen Beglaubigung.
Der Aufnahme eines besonderen Protokolls über die Beglaubigung oder der
Zuziehung von Zeugen bedarf es nicht.
§ 12. Urkunden und Anträge der öffentlichen Behörden der Schutzgebiete,
des Reichs oder eines Bundesstaats bedürfen, wenn sie ordnungsmässig unter-
schrieben und untersiegelt sind, keiner Beglaubigung.
§ 13. Sind die zur Eintragung oder Löschung erforderlichen Urkunden oder
Vollmachten von einer ausländischen Behörde ausgestellt oder beglaubigt, und ist
die Befugniss dieser Behörde zur Ausstellung öffentlicher Urkunden nicht dnrch
.Staatsverträge des Lteuischen Reichs verbürgt, oder sonst dem Grundbucbamt be-
kannt, so muss die Befugniss der ausländischen Behörde zur Aufnahme des Actes
und deren Unterschrift auf gesandtscbaftlichem oder konsularischem Wege festge-
stellt werden.
§ 14. Die Anträge sowohl als die Urkunden sind genau mit dem Zeitpunkt
des Einganges bei der Grundbuchbehörde zu versehen.
Dieselben bleiben, soweit nicht etwas Anderes vorgesebrieben ist, in Urschrift
oder in beglaubigter Abschrift bei den Grundacten.
§ 15. Die Verfügungen auf die Anträge sind vom Grundbuchrichter zu
erlassen.
Die auf Grund der Verfügungen vorzunehmenden Eintragungen könueu von
dem Gerichtsschreiber als Gruudbuchführer ausgeführt werden, ln diesem Falle soll
die Verfügung den Inhalt der Eintragung wörtlich augeben.
§ IR. Bei allen Einschreibungen in das Grundbuch ist der Tag der Ein-
schreibung anzugeben', die in die zweite und dritte Abtbeilung einzutragenden
Posten sind in jeder Abtheilung mit fortlaufenden Nummern zu versehen. Die
Einschreibungen sind im Grundbuch von dem Grundbuchrichter und, sofern sie
von dem Grundbuchführer vorgenommen sind, auch von diesem zu unterzeichnen.
§ 17. Der Grundbucbrichter hat die Rechtsgültigkeit der vollzogenen Auf-
lassung. Eintragungs- oder Löscbungsbewilligung nach Form und Inhalt zu prüfen.
Ergiebt die Prüfung für die beantragte Eintragung oder Löschung ein Hin-
demiss, so bat der Grundbuchrichter dasselbe dem Antragsteller bekannt zu machen.
§ 18. Bei mehreren Eintragungsgesuehen für dasselbe Grundstück erfolgt
die Eintragung in der durch den Zeitpunkt der Vorlegung der Gesuche bei der
Grundbuchbehörde bestimmten Reihenfolge und aus gleichzeitig vorgelegten Ge-
suchen zu gleichem Recht, wenn nicht in denselben eine andere Reihenfolge be-
stimmt ist.
Werden mehrere Auflassungserklärungen desselben Eigentümers zu Gunsten
verschiedener Personen vorgelegt, bevor auf eine derselben eine Eintragung erfolgt
ist, so unterbleibt die Eintragung bis zur Erledigung des Widerspruches.
§ 19. In den Fällen, in welchen der Erwerb des Eigenthums an Grund-
stücken eine Auflassungserklärung des bisher eingetragenen Eigenthümers nicht
voraussetzt, kann der Eigentümer von dem Grundbuchrichter durch Geldstrafen
bis zu je 150 .// zur Eintragung seines Eigenthums angehalten werden, wenn ein
dinglich oder zu einer Eintragung Berechtigter dieselbe beantragt.
Bestreitet der angebliche Eigentümer die Thatsachen, welche zur Begründung
des Antrages geltend gemacht sind, so ist der Antragsteller auf den Prozessweg zu
verweisen.
§ 20. Die Eintragung des Eigenthümers ist dem bisher eingetragenen Eigen-
tümer und den aus dem Grundbuch ersichtlichen dinglich Berechtigten bekannt
zu machen.
§ 21. Wenn ein Grundstück, welches von einem eingetragenen Grundstück
abgezweigt werden soll, auf ein anderes Blatt zu übertragen ist, so muss das ein-
zutragende Grundstück nach den im § 3 bestimmten Merkmalen unter Beifügung
einer, die Lage und Grösse des Grundstücks in beglaubigter Form ergebenden
Karte bezeichnet werden.
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Anhang.
299
§ 22. Soll die Abtretung einer Hypothek im Grundbuch eingetragen werden,
so ist mit der Abtretungserklärung die Hypothekenurkunde vorzulegen.
Die Abtretungserklärung muss den Namen des einzutr&genden Erwerbers der
Hypothek enthalten. Der Annahmeerklärung desselben bedarf es nicht.
Die Eintragung der Abtretung wird auf der Hypotbekenurkunde vermerkt und
dieser Vermerk mit der Unterschrift und dem Siegel der Grundbuchbehürde ver-
sehen.
§ 23. Erfolgt eine Theilabtretung, so ist von der Hypothekenurkunde eine
gerichtlich oder notariell beglaubigte Abschrift anzufertigen und zugleich auf die
Haupturkunde der Vermerk, welcher Theil der Hypothek abgetreten, und auf die
beglaubigte Abschrift der Vermerk, für wen und über welchen Theil derselben die
Abschrift gefertigt ist, zu setzen.
Soll die Theilabtretung eingetragen werden, so sind die Uaupturkunde und
die beglaubigte Abschrift der Grundbuchbehörde vorzulegen und ist die Eintragung
der Abtretung gemäss § 22 auf beiden Urkunden und ausserdem neben dem Ein-
tragungsvermerk auf der Haupturkunde zu vermerken:
Noch gültig auf (mit Angabe der Summe).
§ 24. Die Vorschriften des § 22 finden entsprechende Anwendung, wenn
eine Hypothek auf andere Weise erworben, oder wenn sie verpfändet wird.
§ 25. Vormerkungen werden in der ersten Hanptspalte der zweiten Ab-
tbeilung eingetragen, wenn durch dieselben das Recht eines Erwerbers auf Auf-
lassung oder auf Eintragung eines Eigenth umsüberganges oder auf ein in diese
Abtheilung einzutragendes Recht, — in der ersten Hauptspalte der dritten Ab-
theilung, wenn durch sie das Recht auf eine Hypothek gesichert vrerden soll.
ln gleicher Weise ist bei Vormerkungen zur Sicherung der Löschung einge-
tragener Rechte zu verfahren.
Die endgültige Eintragung an der Stelle einer Vormerkung erfolgt mit Be-
willigung dessen, gegen welchen die Vormerkung gerichtet war, oder auf Vorlegung
einer rechtskräftigen, richterlichen Entscheidung, durch welche derselbe zur Be-
willigung der Eintragung oder zur Bestellung des Rechts verurtbeilt ist.
§ 26. Die Löschung der Eintragungen in der zweiten und dritten Abtheilung
darf, sofern nicht die Löschung von Amtswegen vorgesebrieben ist, nur auf Antrag
des im Grundbuch eingetragenen Eigentbümers des Grundstücks oder auf Ersuchen
einer zuständigen Behörde erfolgen.
§ 27. Zur Begründung des Löschungsantrages einer in der zweiten Ab-
tbeilung eingetragenen Last genügt die von dem Eigenthümer vorzulegende Löschungs-
hewilligung des eingetragenen Berechtigten oder dessen Rechtsnachfolgers.
§ 28 Zur Begründung des Antrages des Eigentümers, eine Hypothek zu
löschen, gehört entweder
1. die von dem Gläubiger eitheilte Quittung oder Löschunssbewilligung, oder
2. der Nachweis der rechtskräftigen Verurtheilung des Gläubigers, die Löschung
zu bewilligen, oder
3. der Nachweis der eingetretenen Vereinigung (Konfusion oder Konsolidation).
Mit dem Anträge muss die über die Eintragung ausgefertigte Urkunde oder
das rechtskräftige Erkenntniss, durch welches die Urkunde nach erfolgtem Aufgebot
für kraftlos erklärt worden ist, vorgelegt werden.
§ 29. Die Löschung einer Post wird von der Grundbuch-Behörde auf der
Urkunde vermerkt.
Bei Löschung der ganzen Post wird ausserdem die Urkunde durch Zerschneiden
vernichtet.
Bei der Löschung eines Theils der Post wird der zu löschende Theil von
dem ausgeworfenen Geldbetrag abgeschrieben und diese Theillüschung auf der
Urkunde vermerkt.
§ 30. Eine aus Versehen des Grundbucbamts gelöschte oder bei Ab- und
Umschreibungen nicht übertragene Post ist auf Verlangen des Gläubigers oder von
Amtswegen mit ihrem früheren Vorrecht wieder einzutragen. Diese Wiederein-
tragung wirkt jedoch nicht zum Nachtheil Derjenigen, die nach der Löschung Rechte
an dem Grundstück oder auf eine der gelöschten gleich- oder nachstehende Post
in redlichem Glauben erworben haben.
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Anhang.
UI. Von derBilduug der Urkunden über Eintragungen im Grundbuch.
§ 81. Der Eigentümer kann jederzeit eine beglaubigte Abschrift des voll-
ständigen Grundbuchblatts seines Grundstücks, oder des Titels und der ersten Ab-
theilung verlangen.
§ 32. Ueher die Eintragung einer Vormerkung über Eintragungen in der
zweiten, Veränderungen und Löschungen in der zweiten und dritten Abtheilung
erhallen die Betheiligten und die Behörde, welche die Eintragung nachgesucht hat,
von der Grundbuchbehörde eine Benachrichtigung, welche die Eintragungsformel wört-
lich enthält. Zu den Betheiligten gehört immer der eingetragene Kigenthümer.
§ 38. Ueber die Eintragungen der Hypotheken werden Hypothekenbriefe
ausgefertigt. Mit dem Hypothekenbrief wird die Schuldurkunde durch Schnur und
Siegel verbunden.
Ein Verzicht auf die Ausfertigung des Hypothekenbriefs ist zulässig. In
diesem Kall erhalten die Kigenthümer und der Gläubiger eine Benachrichtigung
nach Vorschrift des § 32.
§ 34. Der Hypothekenbrief besteht aus der Ueberschrift, dem vollständigen
Eintragungsvermerk detjenigen Post, für welche er ausgefertigt wird, den für die
Prüfung der Sicherheit der Post erheblichen Nachrichten aus dem Grundbuchblalt
und der Unterschrift der Grundbuchbehörde mit Datum und Siegel.
Derselbe wird nach Formular B ausgefertigt.
§ 35. Die bei einer Hypothek eingetragenen Veränderungen und Löschungen
werden von der Grundbucbbehörde auf dem Hypothekenbrief unter Beifügung des
Siegels vermerkt.
IV. Schlussbestuninungeu.
§ 36. Die erste Anlegung des Grundbuchblatts erfolgt auf Antrag des Eigen-
thümers. Derselbe kann zur Stellung des Antrags nur in den Fällen des § 13
dieser Verfügung angehaUen werden.
In dem Antrag ist das eiuzutragende Grundstück nach den in § 8 besimmten
Merkmalen zu bezeichnen.
Dem Antrag ist ausser den zur Begründung des behaupteten Eigenthums
dienenden Urkunden eine Karte beizufügen, welche in beglaubigter Form die Lage
und Begrenzung des Grundstücks veranschaulichen und von einem die Grösse und
Beschaffenheit des Grundstücks sowie die auf demselben aufgerichteten Grenzzeicben
ergebenden Vermessungsprotokoll begleitet sein muss.
§ 37. Ist die Vermessung des Grundstücks und die Aufnahme einer Karte
zur Zeit unausführbar, so kann die Eintragung auch ohne Karte und Vermessungs-
protokoll vorgenommen werden, falls das Grundstück so genau bezeichnet wird, dass
über die Lage und die Grenzen desselben kein Zweifel besteht.
Verfügungen eines Rechtsnachfolgers des zuerst eingetragenen Eigentümers
über das Grundstück oder Theile desselben können nur eingetragen werdeu, wenn
die Karte oder das Vermessungsprotokoll über den Gegenstand der Verfügung
nacbgebracht sind.
§ 38. Die Kosten für die Bearbeitung der Grundbuchsachen werden nach
dem beigefügten Tarif erhoben.
| 39. Diese Verfügung tritt gleichzeitig mit der Kaiserlichen Verordnung,
betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo,
vom 2. Juli 1883 in Kraft.
Berlin, den 7. Juli 1888. Der Reichskanzler.
ln Vertretung: Graf Bismarck.
Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten
in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc.,
verordnen im Namen des Reichs für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo,
was folgt:
Artikel 1.
Das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reicbsbeamten vom 31. März
1873 (Reiehs-Gesetzb!. S. 61) nebst den dasselbe abändernden und ergänzenden
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Gesetzen vom 21. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 80) und vom 31. Mai 1887
'Reichs-Gesetzbl. S. 211), sowie das Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Wittwen
und Waisen der Reichsbeainten der Civilverwaltung, vom 20. April 1881 (Reichs-
Gesetzbl. S. 85) nebst dem Abänderungsgesetze vom 5. März 1888 (Reichs-Gesetzbl.
S. 65) finden, soweit nicht in den nachfolgenden Artikeln ein Anderes bestimmt
ist, auf die Rechtsverhältnisse der Beamten der Schutzgebiete von Kamerun und
Togo, welche ihr Diensteinkommen aus den Fonds dieser Schutzgebiete beziehen,
mit der Maassgabe entsprechende Anwendung, dass, wo in jenen Gesetzen von dem
Reich, dem Reichsdienst, den Reichsfonds oder anderen Einrichtungen des Reichs
die Rede ist, das betreffende Schutzgebiet und dessen entsprechende Einrichtungen
zu verstehen sind.
Artikel 2.
Im Falle des § 66 Absatz l des Gesetzes vom 31. März 1873 erfolgt die
• Entscheidung über die Versetzung eiues Beamten in den Ruhestand durch den Kaiser.
Artikel 3.
Die Befugnisse, welche nach den im Artikel 1 bezeicbneten Gesetzen der
obersten Reichsbehörde zustehen, werden, Soweit nicht durch diese Verordnung ein
Anderes bestimmt ist, durch den Reichskanzler ausgeübt.
Ingleichen erfolgen die in § 5 Absatz 1, §§ 18, 39, 52 und § 68 Absats 2
des Gesetzes vom 31. März 1873 sowie in § 1 des Gesetzes vom 31. Mai 1887
vorgesehenen Bestimmungen und Entscheidungen ausschliesslich durch den Reichs-
kanzler.
Die nach § 66 Absatz 2 des Gesetzes vom 31. März 1873 von dem Reichs-
kanzler zu treffende Entscheidung ist endgültig.
Artikel 4.
Der Reichskanzler bestimmt, inwieweit einem in den Ruhestand oder in den
einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten die Kosten des Umzugs nach dem
innerhalb des Reichs von demselben gewählten Wohnorte zu gewähren sind.
Artikel 5.
Die auf das Disciplinarverfabren bezüglichen Bestimmungen in §§ 84 bis 124
des Gesetzes vom 31. März 1873 bleiben ausser Anwendung.
Die Entscheidung über die Entfernung eines Beamten aus dem Amt erfolgt,
falls derselbe eine Kaiserliche Bestallung erhalten hat, durch den Kaiser, andern-
falls dnrch den Gouverneur von Kamerun.
Vor der Entscheidung ist der Beamte zu hören und der Thatbestand unter
Berücksichtigung der von dem Beamten geltend gemachten Entlastungsmomente
festzustellen.
Gegen die Entscheidung des Gouverneurs findet Beschwerde an den Reichs-
kanzler statt. Dieselbe ist bei dem Gouverneur anzumelden ; die Frist zur An-
meldung beträgt drei Monate. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.
Artikel 6.
Die in § 127, § 128 Absatz 2, § 131 des Gesetzes vom 31. März 1873 der
obersten Reichsbehörde übertragenen Befugnisse werden von dem obersteu Beamten
in dem Schutzgebiet ausgeübt. Gegen die Entscheidung findet Beschwerde an den
Reichskanzler statt. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Potsdam, den 3. August 1888. Wilhelm.
(L. S.) Graf Bismarck
Verordnung, betreffend die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen
im Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc.,
verordnen im Namen des Reichs, was folgt:
Der Ncu-Guinea-Kompagnie wird unbeschadet der Bestimmung im § 2 der
Kaiserlichen Verordnung vom 5. Juni 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 187) für ihr Schutz-
gebiet die Ausübung der Gerichtsoarkeit über die Eingeborenen bis zum Ablauf
des Jahres 1897 übertragen.
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302
Anhang.
Der Reichskanzler hat die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen
Vorschriften zu treffen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Marmor- Palais, den 7. Juli 1888- Wilhelm, I. R.
(L. S.) Graf Bismarck.
Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse im Schutzgebiet der
Neu-Guinea-Kompagnie.
Vom 13. Juli 1888.
Wir W ilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preuasen etc ,
verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen
Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888, S. 75), für das Schutzgebiet der Neu-Guinea-
Kompagnie in Ergänzung der Verordnung vom 5. Juni 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 187),
was folgt:
§ 1. ln bürgerlichen Kechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den
Gerichtsbehörden des Schutzgebiets alle Entscheidungen, einschliesslich der auf
Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden, von Amtswegen zuzustellen. Diese
Vorschrift findet auch auf die Zustellung der Zahlung»- und Volistre> kungsbefehle
an den Schuldner, sowie der Pfändung»- und Ucberweisungsbeschlüssc an den
Schuldner und den Drittschuldner Anwendung. Für Beschlüsse, welche ausschliess-
lich die Process- oder Sachleitung, einschliesslich der Bestimmung oder Aenderung
von Terminen betreffen, genügt die Verkündung.
§ 2. Der § 7 Absatz 1 der Verordnung vom 5. Juni 1886 wird durch fol-
gende Bestimmung ersetzt:
Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet erfolgt ausschliesslich durch die zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten. Der Bei-
bringung einer vollstreckbaren Ausfertigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von
dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde, durch welche die Zwangsvollstreckung
zu erfolgen hat, zu ertheilen sein würde.
§ 3. Zu Strafsachen findet die Hauptversammlung ohne die Zuziebuug von
Beisitzern statt, wenn der Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine
Handlung zum Gegenstand hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder
zu dem in den §§ 74, 76 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergeben
gehört.
§ 4. Der Angeklagte kann auf seinen Antrag oder von Amtswegen wegen
grosser Entfernung seines Aufenthaltsorts oder wegen sonstiger Hindernisse von
der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden,
wenn nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde voraussichtlich keine andere Strafe
als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, oder Geldstrafe oder Einziehung, allein
oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht.
§ 5. Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte ge-
hörenden Sachen wird für jeden der im Schutzgebiet gebildeten Gericbtsbezirke
der Gerichtsbehörde erster Instanz übertragen.
Für diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im
§ 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten.
§ 6. Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird für das Schutzgebiet an
Stelle des Reichsgerichts und des deutschen Konsulargerichts in Apia (Gesetz über
die Konsulargerichtsbarkeit §§ 18, 36, 43, Verordnung vom 5. Juni 1886 § 4) eine
Gerichtsbehörde zweiter Instanz am Sitze des Landeshauptmanns errichtet welche
aus dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten
als Vorsitzenden und vier Beisitzern besteht.
Auf die Beisitzer und den Gericbtsschreiber finden die Vorschriften im $ 6
Absatz 2, §§ 7, 8, 10 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit entsprechende
Anwendung.
Der § 4 der Verordnung vom 5. Juni 1886 tritt ausser Kraft.
§ 7. In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz nehmen in
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Concurssachen und in den zur streitigen Ge-
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Anhang
303
richtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten die Beisitzer nur an der mündlichen
Verhandlung, sowie an den im Laufe oder auf ßrund derselben ergebenden Ent-
scheidungen Theil. Jedoch erfolgt die Entscheidung über das Rechtsmittel der
Beschwerde unter Mitwirkung der Beisitzer, wenn die angefochtene Entscheidung
unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen ist.
ln dem Verfahren zweiter Instanz ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte
nicht geboten und findet der § 269 der Cirilprocessordnung keine Anwendung.
Die Vorschriften in §§ 464 und 468 der Cirilprocessordnung gelten auch für
das Verfahren in zweiter Instanz.
§ 8. In Strafsachen findet vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz in Bezug
auf die Zuziehung der Beisitzer die Vorschrift des § 30 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes mit der oben im § 7 Absatz 1 bezeichneten Maassgabe Anwendung.
Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht, ohne hierbei durch
Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.
Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt.
Der nicht auf freiem Fussc befindliche Angeklagte bat Anspruch auf An-
wesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte de« Berufungsgerichts
befindet.
In den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen ist die Ver-
teidigung auch in der zweiten Instanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist
die Anwesenheit des Vertbeidigers erforderlich; der § 145 der Strafprocessordnung
findet Anwendung.
Im übrigen verbleibt es bei den Vorschriften im § 40 des Gesetzes über dis
Konsulargerichtsbarkeit.
§ 9. Die Todesstrafe ist dnrch Erschiessen oder Erhängen zu vollstrecken.
Der Landeshauptmann bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten in
dem einzelnen Falle stattzufinden hat.
§ 10. In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiet finde«
das Gericbtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für
Zeugen und Sachverständige , sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung. Die
Vorschriften, welche an Stelle der bezeichneten Gesetze zu treten haben, werden
von dem Reichskanzler erlassen.
Der § 9 der Verordnung vom 5. Juni 1886 tritt ausser Kraft.
§11. Der § 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bleibt ausser
Anwendung; Geldstrafen fliessen ebenso, wie die Gericbtskosten , zur Kasse der
Neu-Ouinea-Kompagnie.
§ 12. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1889 in Kraft.
Die in diesem Zeitpunkt bei dem Reichsgericht oder dem deutschen Konsular-
gericht in Apia anhängigen ßerufungs- und Beschwerdesachen werden nach den
bisherigen Vorschriften erledigt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben S. M. Yacht „Alexandria“, den 13. Juli 1888.
<L. S.) Wilhelm.
Graf von Bismarck.
DieBstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit im
Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie.
Zur Ausführung der Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbarkeit im
Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, welche durch das Gesetz vom 15. März 1888
und die Kaiserliche Verordnung vom 13. Juli 1888 getroffen sind, wird in Er-
gänzung der Dienstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit, vom
1. November 1886 Folgendes bestimmt:
§ 1. Gerichtsbehörden. (Zu § 6 der Kaiserlichen Verordnung vom
13. Juli 1888 und Abschnitt III der Dienstanweisung vom 1. November 1886.)
Die Nummern 1 und 2 im Abschnitt III der Dienstanweisung vom 1. No-
vember 1886 werden durch nachstehende Bestimmungen ersetzt;
1. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ist der Landeshaupt-
mann ermächtigt, soweit nicht bei Genehmigung der Ernennung desselben durch
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Anbang.
304
den Reichskanzler etwas anderes bestimmt wird. Die Gerichtsbarkeit erster Instanz
wird von den übrigen durch den Reichskanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit
ermächtigten Beamten wahrgenommen.
Der Landeshauptmann ist befugt:
a) bei Erlass polizeilicher Vorschriften für das gesammte Schutzgebiet oder
für einen Theil desselben gegen die Nichtbefolgung der Vorschriften Gefängnis«
bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzu-
droben. (Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete § 1 1
Absatz 2, 3, K.-G.-Bl. 1888 S. 75):
b) über die Abgrenzung der Bezirke der Gerichtsbehörden erster Instanz, über
die Vertbeilung der Geschäfte unter mehrere für denselben Bezirk zur Ausübung
der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte sowie über die Amtssitze der Beamten Be-
stimmung zu treffen;
c) die Dienstaufsicht über die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster
Instanz ermächtigten Beamten zu führen und denselben für den Kall der Verhin-
derung Vertreter zu bestellen;
d) die Abhaltung von Gerichtstagen ausserhalb der Amtssitze auzuordnen;
e) allgemeine Anordnungen über Ausführung von Zustellungen nach Maassgabe
des § 5 der Kaiserlichen Verordnung vom 5. Juni 1886 zu erlassen.
Für den Fall der Verhinderung des Landeshauptmanns ist demselben zur
Ausübung der Gerichtsbarkeit und der sonstigen, in dieser Anweisung ihm über-
tragenen Befugnisse durch die Neu-Guinea-Kompagnie mit Genehmigung des Reichs-
kanzlers ein Vertreter zu bestellen. Zu beachten ist, dass in der höheren Instanz
kein Richter mitwirken darf, welcher in der unteren Instanz bei Erlassung der
angefochtenen Entscheidung betbeiligt war (Civilprocessordnung $ 41 No. 6, Straf-
processordnung § 23 Absatz 1), Für den Fall, dass aus diesem Grunde oder aus
sonstigen Ursachen der ordentliche Vertreter des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit
zweiter Instanz ermächtigten Beamten an der Vertretung behindert ist, ist ein
ausserordentlicher Vertreter zu bestellen. Die Bestellung erfolgt durch den Landes-
hauptmann oder den ordentlichen Vertreter desselben.
Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten
führen die Dienstaufsicht über die bei der betreffenden Gerichtsbehörde angestellten
Beamten und regeln die Vertretung derselben im Falle der Behinderung.
2. Die Gerichtsbehörden erster Instanz haben in den von ihnen ausgehenden
Schriftstücken,
a) sofern es sich um Geschäfte handelt, welche unter Zuziehung der Beisitzer
erledigt werden, die Bezeichnung als „Kaiserliches Gericht des Schutzgebietes der
Neu-Guinea-Kompagnie“,
b) sofern es sieb um Geschäfte handelt, welche von dem zur Ausübung der
Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ohne Zuziehung von Beisitzern erledigt
werden, die Bezeichnung als
„Kaiserlicher Richter des Schutzgebietes der Neu-Guinea-Kompagnie“
anzuwenden.
2 a. Die Gerichtsbehörde zweiter Instanz bat in den von ihr ausgehenden
Schriftstücken
a) in den unter 2a bezeichneten Fällen (Verordnung vom 13. Juli 1888
§ 7 Absatz 1, § 8 Absatz 1) die Bezeichnung als „Kaiserliches Ober-
gericht des Schutzgebietes der Neu-Guinea-Kompagnie“,
b) in den unter 2b bezeichneten Fällen die Bezeichnung als „Kaiserlicher
Oberrichter des Schutzgebiets der Neu-Guinea-Kompagnie'
anzuwenden.
§ 2. Gerichlsschreiber. (Zu Abschnitt V der Dienstanweisung vom
1. November 1886.)
Falls von dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten die
Erledigung einzelner zu seiner Zuständigkeit gehörenden Geschäfte einer anderen
Person übertragen wird (Abschnitt 111 No. 4 der Dienstanweisung vom 1. November
1886), kann dieser auch die Bestellung des bei Erledigung des Geschäftes zuzu-
ziehenden Gerichtsscbreibers aufgetragen werden.
S 3. Zustellungen. (Zu § 1 der Kaiserlichen Verordnung vom 13. Juli 1888
und Abschnitt VII der Dienstanweisung vom 1. November 1886.)
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Anhang.
305
Im Abschnitt VII der Dienstanweisung vom I. November 1886 wird No. 2 A
folgendermaassen abgeändert :
2. Vou Amtswegen erfolgen:
A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: die Zustellung der Abschrift der Be-
rufungsschrift an die Gegenpartei, sowie die Zustellung aller gerichtlichen Ent-
scheidungen nicbt bloss (wie nach § 294 Absatz 3 der Civil Prozessordnung) der
nicht verkündeten, sondern auch der verkündeten, insbesondere auch der Urtheile.
Ebenso werden Zahlunga- und Vollstreckungsbefehle dem Gläubiger und dem
Schuldner und Beschlüsse, durch welche eine Forderung gepfändet oder überwiesen
wird, dem Gläubiger, dem Schuldner und dem Drittschuldner von Amtswegen zuge-
stellt (Verordnung vom 13- Juli 1888 § 1).
Ausgenommen sind nur:
a) Beschlüsse, welche lediglich die Process- und Sachleitung einschliesslich
der Bestimmung und Aenderung von Terminen betreffen, insbesondere auch Beweis-
beschlüsse (§ 1 der Verordnung vom 13. Juli 1888); bei diesen genügt die Ver-
kündung, und zwar ohne Rücksicht auf die Anwesenheit der Parteien bei derselben:
b) Arrestbefehle; die Zustellung derselben an den Gläubiger erfolgt zwar
ebenfalls von Amtswegen (§ 294 Absatz 3, § 809 Absatz 2 der Civiiprocessordnung);
die Zustellung an den Schuldner dagegen findet nur auf Antrag des Gläubigers
statt (§ 802 Absatz 2 daselbst), damit nicht durch vorzeitige Bekanntmachung des
verfügten Arrestes an den Schuldner die demnächstige Vollstreckung des Arrestes
in ihrem Erfolge gefährdet werde. Dieses Interesse des Gläubigers fällt jedoch
weg, wenn derselbe mit dem Antrag auf Erlass des Arrestbefebls zugleich die
Vollstreckung desselben, z. B. durch Bezeichnung des Arreslgegenstandes (der zu
pfändenden beweglichen Sachen oder Forderungen u. s. w.) beantragt. In diesem
Fall ist anzunehmen, dass mit dem Antrag auf Erlass des Arrestbefehls auch die
Zustellung desselben beantragt sei, und demzufolge mit dem Arrestbefehl zugleich
die Zustellung desselben und die betreffende Vollstreckungsmaassregel zu verfügen.
Ingleichen wird die No. 3A im Abschnitt VII der bezeichneten Dienstan-
weisung folgendst maassen abgeändert:
3. Auf Betreiben der Parteien erfolgen:
A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Zustellung von Schriftsätzen Seitens
einer Partei an die andere mit Ausnahme der Berufungsschrift (vgl. No. 2A) und
die Zustellung von Arrestbefehlen an den Schuldner (vergl. No. 2 Ab).
§4. Zwangsvollstreckungen. (Zu § 2 der Kaiserlichen Verordnung
vom 13. Juli 1888 und Abschnitt VIII der Dienstanweisung vom 1. November 1886).
Die Bestimmungen No. 2 bis 4 des Abschnitts VIII der Dienstanweisung
vom 1. November 188G werden durch nachstehende Vorschriften ersetzt:
2. Die Ertheilung der vollstreckbaren Ausfertigung (Civiiprocessordnung
§§ 662 ff.) einer von einer Gerichtsbehörde des Schutzgebietes erlassenen Ent-
scheidung, eines vor derselben abgeschlossenen Vergleichs oder einer von derselben
aufgeuommenen Urkunde der in § 702 No. •'> der Civiiprocessordnung bezeichneten
Art kann, abgesehen von den unter No. 4 bezeichneten Fällen, erforderlich werden,
wenn die Parteien dieselbe zum Zweck einer Zwangsvollstreckung ausserhalb des
Schutzgebietes (s. unten No. 10, 11) beantragen.
Die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt nach Maassgabe der
!;§ 662 bis 670 der Civiiprocessordnung, jedoch in allen Fällen (nicht bloss in denen
der §§ 666, 669) nur auf Anordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermäch-
tigten Beamten (§ 8 der Verordnung vom 5. Juni 1886).
3. Die Zwangsvollstreckung innerhalb des Schutzgebietes ist in allen Fällen
Sache der Gerichtsbehörden erster Instanz Die Zwangsvollstreckung wird von dem
betreffenden, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten
angeordnet (§ 2 der Verordnung vom 13 Juli 1888).
4. Der Gläubiger, welcher eine Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet bean-
tragt, hat den Titel, aus welchem dieselbe erfolgen soll, nur dann vorzulegen, wenn
sich der Titel nicht in den Acten der Gerichtsbehörde, an welche der Antrag ge-
richtet wird, befindet.
Die Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung liegt dem Gläubiger nicbt
ob, soweit diese Ausfertigung voo dem Gerichtsschreiber der bezeichneten Gerichts-
behörde zu ertheilen sein würde (§ 2 der Verordnung vom 13. Jnli 1888). Die
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpoltttk. 20
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306
Anhang.
Beibringung ist danach insbesondere erforderlich, wenn zur Zeit der Stellung des
Antrags der Rechtsstreit noch bei dem Obergericht des Schutzgebietes anhängig ist
(§ 662 Absatz 2 der Civilprocessordnung) oder wenn derselbe bei einer anderen
Gerichtsbehörde erster Instanz des Schutzgebietes anhängig war.
4a. In den Fällen, in welchen der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung
nicht beizubringen hat (No. 4 Absatz 2), darf die Zwangsvollstreckung nur unter
denselben Voraussetzungen angeordnet werden, unter welchen nach §§ 664, 665
der Civilprocessordnung die Ertbeilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zulässig
ist. Auf die Anordnung der Zwangsvollstreckung finden die Vorschriften über
Anhörung des Schuldners, über die Klage auf Ertbeilung der Vollstreckungsklausel,
über Einwendungen gegen die letztere, über die Bemerkung der erfolgten Ertheilung
auf der Urschrift des Urtheils (§§ 666 bis 668, 670 der Civilprocessordnung) ent-
sprechende Anwendung.
§ 5. Bestimmungen für Strafsachen. (Zu §§ 4, 5 und 8 der Kaiser-
lichen Verordnung vom 13. Juli 1888).
1. Die Verfügung, durch welche der Angeklagte vom Erscheinen in der Haupt -
verbandluug entbunden wird (§ 4 der Verordnung vom 13. Juli 1888), kann, wenn
sie von Amtswegen erfolgt oder ein bezüglicher Antrag von dem Beschuldigten
schon vorher gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Haupt-
verhandlung an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Aus-
übung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten erlassen. Derselbe hat dabei zu
prüfen, ob die im § 4 der Verordnung bezeichneten Voraussetzungen vorliegen.
Erscheint in der Hauptverhandlung nach Ansicht des Gerichts die Verhängung einer
höheren Strafe, als der im $ 4 bestimmten, angezeigt, so muss die Verhandlung
vertagt und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vor-
gefülirt werden.
Unter allen Umständen muss, wenn ohne die Anwesenheit des vom Erscheinen
entbundenen Angeklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche
Vernehmung nicht schon im Vorverfahren erfolgt ist, durch einen ersuchten oder
beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung vernommen werden
(Strafprocessordnung § 232 Abs. 2, 3). Nötigenfalls ist diese Vernehmung nach
Maassgabe des Abschnitts III No. 4 der Dienstanweisung vom 1. November 1886
einer anderen geeigneten Person zu übertragen. Für das im § 231 der Straf-
processordnung vorgesehene Gontumacialverfahren bedarf es hingegen einer vor-
gängigen richterlichen Vernehmung des Angeklagten nicht.
2. Das Verfahren in den durch § 5 der Verordnung vom 13. Juli 1888 den
Gerichten erster Instanz übertragenen Schwurgerichtssachen regelt sich uach deu
Vorschriften, welche für die im $ 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit
bezeichneten Strafsachen gelten. Es findet daher auch der § 9 des bezeichneten
Gesetzes Anwendung, wonach in dem Falle, dass die Zuziehung von vier Beisitzern
nicht ausführbar ist, die Zuziehung von zwei Beisitzern genügen soll. Dieser Fall
wird auch dann als gegeben anzusehen sein, wenn in Folge der Zuziehung von
vier Beisitzern in erster Instanz nach Lage der Verhältnisse keine ausreichende
Zahl von Beisitzern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungsinstanz ver-
wendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 6 der Verordnung vom 13. Juli 1888)
eine Reduction der Zahl von vier Beisitzern unter keinen Umständen gestattet, die
Personen aber, welche in erster Instanz als Beisitzer mitgewirkt haben, von der
Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind.
3. ln Schwurgerichtssachen muss der Angeklagte sowohl in der ersten, als in
der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprocessordnung § 140 Absatz 1,
Verordnung vom 13. Juli 1888 § 8 Absatz 5). ln diesen Sachen und ebenso in
den sonstigen Fällen, in welchen nach § 140 Absatz 2 der Strafprocessordnung die
Vertheidigung eine nothweudige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Ver-
theidiger noch nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald
das Hauptverfabren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der
Rechtsanwaltschaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer
Oerichtseingesessener zu bestellen.
4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den
§§ 36 bis 40 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit und in den §§ 6 und 8
der Verordnung vom 13. Juli 1888 etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften
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Anbang.
307
des dritten Abschnitts im dritten Buche der Strafprozessordnung Anwendung. I)a
die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht statttindct, so erfolgt im Falle der
Einlegung der Berufung die Uebersendung der Acten (Strafprozessordnung § 362,
Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit $ 39) unmittelbar an das Obergericht.
§ 6. Kostenwesen. (Zu § 10 der Kaiserlichen Verordnung vom IS. Juli 1888.)
1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprocessordnung, die Concurs-
ordnung oder die Strafprocessordnung Anwendung finden, werden die wirklich auf-
gewondeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen
werden in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben
festgesetzt, die Tagegelder und Reisekosten der Gericbtabeamten nach den für deren
Höhe geltenden allgemeinen Bestimmungen.
Ausserdem werden in den bezeichnten Rechtssachen Gebühren nach Maass-
gabe des angehängten Tarifs erhoben.
Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher baare Auslagen
verbunden sind, kann, in Strafsachen jedoch nur, soweit es sich um das Verfahren
auf erhobene Privatklage handelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung
der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der
Zwangsvollstreckung kann in allen Fällen von der vorgängigen Zahlung eines solchen
Vorschusses abhängig gemacht werden.
In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit
es sich um gebührenpflichtiges Verfahren bandelt, der Antragsteller zur Zahlung
eines entsprechenden Gebührenvorschusses verpflichtet werden.
Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist Derjenige, welchem
durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind, oder
weicher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben
mitgetbeilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners
ist Derjenige, welcher das Verfahren beantragt bat, Schuldner der entstandenen
Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschiessender Beträge
(Absatz 3 und 4) bleibt bestehen, wenn auch die Kosten des Verfahrens einem
Anderen auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind.
2. ln den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht ge-
hören, werden vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Absätzen, Kosten
nur nach Maassgabe der Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Gebühren und
Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs vom I. Juli 1872 (Reichs-Gesetz-
blatt Seite 245), erhoben.
Bezüglich der Erhebung von Gebühren für die auf Grund des Gesetzes vom
4. Mai 1870 über die Eheschliessung und die Beurkundung des Personenstandes
vorzunehmenden Geschäfte bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen (Ver-
ordnung der Direktion der Neu -Guinea-Kompagnie vom 12. November 1886 Ver-
ordnungsblatt Seite 54).
Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der gesetzlichen Vormundschaft, ist von
dem Kapitalbetrag des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormund-
schaft erstreckt, insofern dasselbe über 150 M beträgt, zu erheben:
a. von je 50 M des Betrages bis zu 300 M,
b. von je 100 Jl des Mehrbetrages bis zu 600 .//,
c. von je 150 M des Mehrbetrages zu 1500 M,
d. von je 300 des Mehrbetrages
fünfzig Pfennige.
3. Der Ansatz der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde
der Instanz. Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichts-
behörden erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt.
4. Auf die beim Inkrafttreten dieser Anweisung anhängigen Rechtssachen
finden die bisherigen Vorschriften über die Gerichtskosten bis zum Beginn eines
nach den neuen Vorschriften gebührenpflichtigen, selbständigen Abschnittes des
Verfahrens Anwendung.
§ 7. Diese Dienstanweisung tritt gleichzeitig mit der Kaiserlichen Verordnung
vom 13. Juli 1883 in Kraft.
Berlin, den 3. August 1888. Der Reichskanzler.
In Vertretung: Graf von Bismarck.
20 *
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308
Anhang.
Anlage zu § 6 No. 1.
Tarif für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechtestreitig-
keiten, Concurss&ohen und Strafsachen.
I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten.
Eine Gebühr wird erhoben:
1. für das Verfahren in erster Instanz;
2. für das Verfahren in der Berufungsinstanz:
3. für die Ausführung der Zwangsvollstreckung.
Die Erhebung der Gebühren erfolgt nach dem Werthe des Streitgegenstandes,
im Falle der No. 3 nach dem Werthe des zur Zwangsvollstreckung stehenden
Anspruchs. Für die Werthsherechnuug sind die Vorschriften der Civilprocess-
ordnung §§ 3 bis 9 und der Concursordnung § 136 massgebend. Bei nicht ver-
mögensrechtlichen Ansprüchen wird der Werth des Streitgegenstandes zu 2000 .//,
ausnahmsweise niedriger oder höher, jedoch nicht unter 200 M und nicht über
50 000 M angenommen.
1. Verfahren in erster Instanz.
A. Soweit das Verfahren durch Endurtheil eiledigt ist, werden erhoben:
a) von einem Streitgegenstände bis zum Betrage von 150 M einschliesslich
von jeder Mark 10 -4.
b) von dem Mehrbeträge bis zu 1500 M einschliesslich von jeder Mark 5 4,
e) von dem Mehrbeträge von jeder Mark I 4
Die im vorhergehenden Absatz bezeichneten Sätze ermässigen sich auf die
Hälfte, wenn die Erledigung durch Versäumuissurtbeil oder durch ein auf Grund
Anerkenntnisses oder Verzichts erlassenes Urtheil erfolgt ist.
B. Soweit nach Erhebung der Klage das Verfahren in anderer Weise erledigt
ist, wird die Gebühr nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über
die in No. 1 A, Schlussabsatz bezeicbneten Sätze hinaus bestimmt.
2. Verfahren in der Berufungsinstanz.
A. Soweit das Verfahren durch Endurtheil erledigt ist, wird die um ein
Viertbeil erhöhte Gebühr unter 1 A erhoben.
B. Soweit nach Zustellung der Berufungsschrift das Verfahren in anderer
Weise erledigt ist, findet die Vorschrift unter I B mit der Maassgabe Anwendung,
dass die Gebühr nicht die um ein Viertheil erhöhten Sätze unter 1 A. Scblussabsatz,
übersteigen darf.
3. Ausführung der Zwangsvollstreckung.
Für das Verfahren von dem Beginn der Ausführung einer Zwangsvollstreckung
bis zu der durch die betreffende Handlung und der aus ihr sich ergebenden weiteren
Vollstreskungsverhandlungen zu erlangenden Befriedigung des Gläubigers wird die
Gebühr unter 1 A, Schlussabsatz, erhoben.
Die Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über die
Hälfte der im vorhergehenden Absätze bezeichneten Sätze, bestimmt, soweit das Verfahren
a) durch Zurücknahme des Antrags oder durch Leistung an die Person, welche
die Zwangsvollstreckung ausführt, erledigt, oder
b) zufolge der Vorschrift des § 691 der Civil processordnung eingestellt oder
beschränkt und demnächst nicht fortgesetzt oder
c) wegen Mangels eines geeigneten Gegenstandes ohne Erfolg geblieben ist.
II. Concttrssachen.
Für das Concursverfahreu wird erhoben:
1. wenn dasselbe auf Grund der Schlussvertheilung aufgehoben ist,
die Gebühr unter I 2A,
2. wenn dasselbe auf Grund eines Zwangsvergleichs aufgehoben, oder wenn
es eingestellt ist, die Hälfte dieser Gebühr.
Die Gebühr wird nach dem Betrage der Activmasse erhoben. Auf die Werths-
festsetzung findet der § 3 der Civilprocessordnung entsprechende Anwendung.
III. Strafsachen.
1. Für das Verfahren auf erhobene Privatklage werden in erster Instanz erhoben:
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Anhang. 309
a) wenn das Verfahren vor Beginn der Hauptverhsndlung erledigt ist 10.//:
b) wenn nach Beginn der Hauptverhandlung Einstellung des Ver-
fahrens erfolgt ist 20 M \
c) wenn ausser dem Falle unter b die Instant durch Urtheil be-
endigt ist 50 . // ;
Dieselben S&tze sind für die Berufungsinstanz tu erheben.
2. ln anderen Strafsachen wird nach rechtskräftig erkannter Strafe eine Ge-
bühr für das gesammte Verfahren erhoben.
Der Betrag der Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch
nicht über 500 M festgesetzt
Allgemeine Bedingungen fflr die l’eberlassnng von Grundstöcken an Ansiedler
im Schutzgebiet der Jieu-Gnlnea-Kompagnie.
$ 1. Die zu überlassenden Grundstücke t heilen sich:
a) In städtische d. h. Grundstücke im Herelch von Flüchen, welche zur Bildung einer
städtischen Ortschaft bestimmt und dafür nbgegrenzt sind;
b) in ländliche Grundstücke, welche nussnrbalb eines solchen Bereiches liegen.
§ 2. Von den Grundstücken sind entweder Karieu vorhanden, welche nach den Vor-
schriften der Grundbuchordnuug vom 30. Juli 1887 aufgenommeu sind, oder die Grundstücke sind
hinsichtlich ihrer Lage and Ausdehnung durch Beschreibung und örtliche Begrenzung genau be-
zeichnet
§ 3. ln jeder Station im Schutzgebiet, in deren Bezirk znr Ueberlassnng bestimmte Grund-
stücke sich befinden, wird ein Verzeichnis» dieser Grundstücke mit den erforderlichen Angaben
zur Einsicht offen gelegt.
§ 4. Die znr Answahl gestellten Grundstücke werden überlassen:
a) zum Eigenthum durch anmittelbaren Hanf;
b) in Zeitpacht auf fünf Jahre, mit der Berechtigung für den Pächter, das ausgewählte
Grundstück jederzeit vor Ablauf der Pachtzeit gegen einen im Voraus bestimmten
Preis käuflich zu übernehmen;
c) in Zeitpacht ohue Berechtigung zum Ankauf.
In aem offen za legenden Verzeichnis» ($ 3) wird zu jedem Grundstück angegeben, zu
welchem der vorbezeichneten Rechte die I'eberlassung erfolgt.
Städtische Grundstück** werden in der Regel nur nach den Bestimmungen zu a überlassen.
Bei der obigen Zeitbestimmung ist unter Jahr das Kalenderjahr verstanden. Da» laufende
Jahr, ln welchem die Peberlassung statttlndet, wird iu die Pachtdauer nicht eingerechnet
§ 5. Der Antrag auf rebcrlassung eines Grundstücks ist an den Landeshauptmann oder
an den Stationsvorsteher, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, zu richten und zwar unter Be-
nutzung de» Schema A. B oder C 1 ). je nachdem das Grandstürk nach den Bestimmungen des
$ 4 litt, a, b. oder c. überlassbar ist.
$ 6. Der Antragsteller ist verpflichtet, bei Einreichung des Antrages (§ 5) zu zahlen:
a) im Falle des Ankaufs f§ 4a) ein Zehntel des Kaufpreises aLs Kaution .
b) im Falle der Pacht mit Berecbtiguug zum Ankauf (§ 4 b) den ein Zehntel des fest-
gesetzten Kaufpreises betragenden Pachtzins für das folgende Kalendeijahr und den
auf das laufende Jahr nach Verhältnis» der Zeit entfallenden Tbeilbetrag desselben,
sowie die Vermessungsgebühr;
c) im Falle der Zeitpacht ohne Berechtigung zum Ankauf ($ 4 c) den Pachtzins für das
folgende Kalenderjahr und den auf das laufende Jahr nach Verhältnis» der Zeit ent-
fallenden Tbeilbetrag desselben.
Die Zahlungen sind an die Kasse der Gentralstatlon in Finschhafen oder an die Kaase der
betreffenden örtlichen Station zu leisten.
$ 7. Der I^andeshauptmanii oder der dazu ermächtigte Stationsvorsteher befindet über die
Annahme und Ablehnung des Antrages. Im Falle der Ablehnung, für welche Gründe nicht an-
gegeben zu werden brauchen, wird der eingezahlte Betrag (§ ) mit dem ablehnenden Bescheide
zurückgezablt Im Falle der Annahme wird dieselbe nach dem, dem Anträge entsprechenden
Schema D, E oder F bestätigt.
Die Bestätigung bildet in Verbindung mit dem Anträge den Vertrag zwischen dem Au
Siedler ond der Kompagnie über das überlassene Grundstück. Durch die Bestätigung erhält der
Antragsteller zugleich die Erlaubnis», das darin bezeichnet« Grundstück in Besitz za nehmen.
§ h. ln jedem Falle ist der Landeshauptmann befugt, Grundstücke vor Bestätigung eines
Antrages zur Pacht oder zum Verkauf öffentlich zu versteigern. Der Meistbietende tritt dann an
Stelle des Antragstellers.
§ 3. Bei Annahme des Kaufantrages (§ 4a) ist der volle Kaufpreis unter Anrechnung der
Kaution, sowie die Vermessungsgebühr binnen acht Tagen nach Ankündigung der Bestätigung
und gegen Aushändigung dir letzteren zu entrichten, widrigenfalls die Kaution verfallen ist und
der Antrag als erledigt angesehen wird.
Wenn der Kaufpreis (§ 4a und b) mehr als .tt 600 beträgt, so Ist dem Käufer gestattet,
statt des vollen Betrages die Hälfte desselben einzuzahlen uud den Rest in jährlichen Katen von
wenigstens ein Zehntel abzutragen. Die Raten sind am 31. Dezember jeden Jahres fällig. Mit
ihnen sind Ziusen von 5% fürs Jahr von dem bis dahin rückständigen Kaufgelde zu entrichten.
Die Verzinsung des Restkaufgeldes, welches im Grundbuche einzutragen ist, beginnt mit dem
, ) Siebe für diese uud die später genannten Anlagen Heft l der „ Nachrichten über Kaiser
Wllhelmsland und den Bismarck- Archipel* 1888. Herausgegeben von der Neu-Guinea-Kompagnie.
Kommissionsverlag von A. Asher & Ko. zn Berlin.
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310
Anhang.
Kalendurmonat, in welchem der Kaufen trag bestätigt wird, im Falle des Kaufes nach voran-
gegangener Pacht (§ 4b) mit dem Kalenderjahre, in welchem die Pachtzahlung aufbört.
$ 10. Sobald der Kaufpreis voll oder in dem nach $ 9 zulässigen Falle zur Hälfte be-
richtigt ist, erfolgt die Auflassung des Grundstückes an den Käufer.
$ 11. Die Stempelkosten der Verträge, die Kosten der Unterhaltung von Grenzsteinen
oder audercu Grenzzeichen, sowie die Kosten der Auflassung eines Grundstücks und der noth-
wendig werdenden Eintragungen im Grandbuche sind von dem Pächter bezw. dem Käufer
zu tragen.
Die zu zahlenden Vermessuogsgebühren werdeu nach dem anliegenden Tarif (G) berechnet,
nud zwar nach den Sätzen unter L. wenn das Grundstück vermessen und kartirt ist (§ 36 der
Grundbnchordnnng vom 30. Juli 1887), nach den Sätzen unter II.. wenn das Grundstück nur hin-
sichtlich seiner Lage und Ausdehnung durch Beschreibung und örtliche Begrenzung bezeichnet
ist (§ 39 der Giuuabnchordnnng vom SO. Juli 1887).
§ 12. Weder für die Beschaffenheit noch für die Berechnung der Fl&cheugrösse, mit
welcher ein verpachtetes oder verkauftes Grundstück übergeben wird, leistet die Kompagnie
Gewähr: diese Berechnung bleibt ma&ssgebeud für die Abwickelung des Pacht- oder Kaufvertrages,
auch weun bei der späteren Vermessung eines Grundstücks Abweichungen sich heraussteilen.
§ 13. Die Pachtzins« sind am 31. März des laufenden Jahres fällig, für welches sie zu
entrichten sind.
§ 14. Wenn der Pächter eines Grundstücks seine Zahlungsverpflichtungen (§ 13) nicht
pünktlich erfüllt, so ist die Kompagnie berechtigt, ihn der Pacht ohne Weiteres zu entsetzen
und fällt alsdann das Pachtgrundstück ln dem Stande, in welchem cs sich befindet, d. h. mit
allen Gebäuden, Anpflanzungen und sonstigen von dem Pächter gemachten Anlagen ohne Ent-
schädigung an die Kompagnie zorück.
Die Folgen des Verzuges kann er dadurch abwenden, dass er binnen drei Monaten den
fällig gewesenen Betrag nebst einem Strafgeld entrichtet, welches für jeden bis zur Zahlung ab-
laufenden Monat ein Zwanzigstel des fälligen Pachtzinses beträgt.
Für Theile eines Monats wird das Strafgeld nach Verhältnis» der abgelaufenen Zeit be-
rechnet.
§ 15. Die Rechte ans einem Pachtverträge können an Dritte nur mit Genehmigung des
Landeshauptmanns oder des dazu ermächtigten Stationsvorstehers abgetreten werden.
§ 16. Ausgeschlossen von dem Verfügungsrecbt des Pächters sowie des Eigenthümers sind
edle Steine, Metalle, gediegen und als Erze, Schwefel. Kohle. Steiusals und andere nutzbare
Mineralien, Guano. Phosphate, Mineralöle, Sool- und andere Mineralquellen, sowie Marmorbrüche,
welche sich auf oder in dem verpachteten oder verkauften Grundstücke befinden. Das Recht des
Ansuchens und der Ausbeutung derselben steht ausschliesslich der Neu-Guinea-Kompagnie oder
den von ihr dazu Ermächtigten zu.
Pachter sowie Elgenthfimer sind verpflichtet, die Vornahme von Untersuchungen und Ver-
suchen zum Zwecke der Ermittelung solcher Bodenschätze jederzeit den Beamten oder Bevoll-
mächtigten der Neu-Guinea-Kompaguie gegen Ersatz des wirklichen anmittelbaren Schadens,
welcher an der Bodenoberfläche dadurch entstehen möchte, zu gestatten. Auch ist die Neu-
Guinea-Kompagnie befugt, jederzeit gegen angemessene Entschädigung die Rückgabe von solchen
Thellen eines Grundstücks zn verlangen, welche zur Untersuchung oder zur Ausbeutung der ge-
nannten Bodenschätze, sowie zur Wegführung der Produkte nach der Feststellung des Landes-
hauptmanns für noihweudig erachtet werden.
§ 17. Die Neu-Guinea-Kompagnie behält sich alle als schiffbar erklärten Ströme und
Flüsse nebst einem 50m breiten Streifen des Uferlandes, auch einen gleich breiten Landstreifen
(von der Hochwassergrenze gemessen) der Meeresküste entlang, vor.
Den Pächtern oder Eigenthümern der an solche Uferstreifen anstossendeu Grundstücke
wird die Benutzung des vorliegenden Uferiandes gegen besondere Vergütung jedoch unter Vor-
behalt jederzeitigeu Widerrufes gestattet
Die Benutzung anderer Wasscrläufe als Betriebskraft für Triebwerke sowie die Anleguug
von Stauwerken aller Art in denselben uud von Ableitungen aus denselben bedürfeu besonderer
Genehmigung. Das Holzflössen auf solchen Wasserläufen sowie die Mitbenutzung des Uferiandes
zu diesem Zwecke muss nach Bestimmung der Landesverwaitung ohne Entschädigung von den
Pächtern oder Eigenthümern der Ufergruudstücke gestattet werden.
§ 18. Die Kcu-Guiuea-Kompagnie behält sich bis zur gesetzlichen Regelung der Frage das
Recht vor, das zu Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Telegraphenanlageti uud anderen derartigen
öffentlichen Einrichtungen nach der Feststellung des Landeshauptmannes erforderliche Land gegen
Entschädigung des Pächters oder Eigenthümers für den wirklich entstandenen Schaden zn rück-
zunehmen.
Sie behält sich ferner das Recht vor, auf verpachteten oder verkauften Grundstücken
jederzeit Steine, Lehm, Kies, Sand und anderes Material zum Bau oder zur Instandhaltung von
Anlagen der im vorstehenden Absatz bezeichneten Art ohue Vergütung des entnommenen Mate
rials, jedoch unter Vergütung des durch die Entnahme entstandenen wirklichen unmittelbaren
Schadens, zu entnehmen oder durch Bevollmächtigte entnehmen zu lassen.
$ 19. Pächter und Eigen thümer haben sich den Anordnungen zu unterwerfen, welche in
Betreff des Fällens von Bäumen auf bestimmten Flächen oder von bestimmten Arten solcher
Bäume im Interesse der Waldschonung oder der öffentlichen Gesundheitspflege von der Landes-
verwaltuug erlassen werden möchten
Der Pächter eines Grundstücks darf Bäume auf dem gepachteten Grundstück nicht fällen
oder zerstören ansscr zu baulichen Anlagen auf demselben, zum häuslichen Bedarf oder zur
Klärung des in unmittelbare Bebauung zu nehmenden Bodens. Der Umfang, ln welchem dies
geschehen darf, ist an die Genehmigung der Verwaltung gebunden.
§ 20. Die in den §§ 10, 17, 18 und 19 erwähnten Beschränkungen und Verpflichtungen
werden im Grundbuch mit dem l'ebergange des Eigeuthums auf den Käufer eingetragen, wenn
dies nicht vorher bereits geschehen ist.
$ 21. Wenn ein verpachtetes Grundstück nach Ablauf des Pachtvertrages an die Kom
S agnie zurückfällt, so wird ermittelt, ob und in welchem Umfange eine Verbesserung desselben
urch Herstellung vou Gebäuden, Einfriedungen und sonstigeu baulichen Anlagen stattgefuuden
Anhang.
311
bat and welcbeu Werth dieselben besitzen. Die Kompagnie hat die Wahl, ob idle die als Ver-
besserung erachteten baulichen Anlagen anf dem Grundstücke belassen und dem abgehenden
Pächter desselben den ermittelten Werth vergüten will, oder ob den Berechtigten die Wegnahme
derselben gestattet werden soll.
§ 22. Die Feststellung der Entschädigung, welche in den Fällen des § 16 Absatz 2 und
des | 18 zu leisten ist, sowie die Feststellung der bei Rückgcwähr eines Pachtgrundstückes ($20)
als Verbesserung zu erachtenden baulichen Anlagen und des Werthe» derselben, sowie des Um
fanges, in welchem deren Weguahme xn gestatten ist erfolgt nach Untersuchung und Abschätzung
durcii Sachverständige, von deueu jeder Theil Einen ernennt endgiltig durch den Landes-
hauptmann.
t 23. ln Betreff der Beschäftigung von Eingeborenen des Schutzgebietes als Arbeiter,
ezügllch der Entnahme von solchen Arbeitern aus den Arbeiter-Depots der Kompagnie
ist der Ansiedler den Bestimmungen unterworfen, welche die Landesverwallung darüber erlässt
$ 24. Jeder Ansiedler, welcher einen Pacht- oder Kaufvertrag auf Grund dieser Bedin-
gungen eingeht, oder dessen Bevollmächtigter, ist verpflichtet, dem Stationsvorsteher des Bezirkes,
in welchem das in dem Vertrage bezeichnete Grundstück liegt eine Postadresse im Schutzgebiet
zu bezeichnen, au welche postlagernd alle Zustellungen Seitens der Verwaltung im Schutzgebiet
welche das Grundstück betreffen, wirksam gerichtet werden können. Wird die Bezeichnung der
Adresse unterlassen, so ist die Verwaltung berechtigt, ihre Zustellungen postlagernd bei dem
Postamt desjenigen Bezirks zu adressiren. in welchem das Grundstück liegt
Berlin, 15. Februar» 1888.
Neu- Guinea -Kompagnie.
Die Direktion.
Verordnung betreffend die Anwerbung nnd Ausführung von Klngeborenen
des Sehntzgebletes der Nen-Onlnen-Kompagnle als Arbeiter.
Für die Anwerbung nnd Ausführung von Eingeborenen als Arbeiter, soweit dieselben nach
den bestehenden Verordnungen unter Kontrolle zulässig sind, gelten die folgenden Vorschriften:
§ 1. Die Anwerbung von Eingeborenen, welche als Arbeiter aus einem Tbeile des Schutz-
gebietes nach einem anderen Theile desselben über See verbracht werden sollen, darf nur durch
Schiffskapitäne oder Agenten, welche im Dienst der Neu-Guinea-Kotnpagnie stehen oder vou ihr
beauftragt sind, oder weiche vou dem Landeshauptmann dazu die Erlaubniss erhalten haben,
innerhalb der Grenzen dieser Erlaubnis» geschehen.
$ 2. Eingeborene, welche als Arbeiter nach deutschen Plantagen ausserhalb des Schutz-
gebiets ausgeführt werden, können durch Agenten der dazu Berechtigten in deu Tbeilen des Bis-
marck-Archipels, wo dies bisher geschehen und auf den Salomonsinseln augeworben werden;
jedoch bedürfeu die Agenten der Erlaubniss des Landeshauptmanns.
§ 8. Die nach Maassgabe des § 1 angeworbenen Arbeiter werden von dem Anwerbeplatz
in eines der von der Neu Guioea-Kompagnie angelegten und unterhaltenen Depots gebracht, welches
der Landeshauptmann dafür bezeichnet und dürfen nur von dort unter den von der Verwaltung
zu bestimmenden Bedingungen an private Arbeitgeber abgegeben und ihrer Bestimmung zuge-
führt werden.
Für die nach Maassgabe des § 2 angeworbenen Arbeiter können die zur Ausführung Be-
rechtigten besondere Depots anlegen, in welchen die Arbeiter vor der Verschiffung gesammelt
und bewahrt werden.
Arbeiter, welche nach Ablauf des Vertrages zurückgebracht werden, sind, bevor sie an die
Auwerbestelle oder Ihre Heimath abgeliefert werden, zunächst dem Depöt vorznführen. an welches
sie vor UeberfÜhruug an den Bestimmungsort gebracht waren.
§ 4. Die Beförderung der in $ 1 bexeichneten Arbeiter nach und von dem Depöt (§ 3)
darf nur auf Schiffen der Neu-Gulnea-Kompagnie oder auf solchen Schiffen anderer Rheder, welche
von dem Landeshauptmann die Ermächtigung dazu erhalten, erfolgen.
Arbeiter, welche nach Maassgabe des | 2 ausgerührt werden, dürfen von den dazu Be-
rechtigten auf eigenen oder gecharterten Schiffen von dem Anwerbeplatz nach dem Depöt der
Berechtigten und von dort nach dem Anwerbeplatz zurück befördert werden.
§ 5. Das Gesuch um Erlaubnis.« zur Anwerbung von Arbeitern (§ 1 und 2) ist auf eine
bestimmte Anzahl derselben und für einen oder mehrere bestimmte Distrikte oder Tbeile der
Küste, in welchen die Anwerbung beabsichtigt wird, zu richten. Sie wird schriftlich ertheilt.
Die darin bestimmten Grenzen dürfen nicht überschritten werden.
§ 6. Der Erlaubnisschein wird ertheilt, wenn
a) nachgewiesen wird, dass die anzuwerbenden Arbeiter für eine Beschäftigung im
Schutzgebiet oder für eiue dazu berechtigte deutsche Plantage ausserhalb desselben
bestimmt sind;
b) im Falle der Anwerbung mittels Schiffes dargethan wird, dass das Schiff sich in
gutem Seezustande befindet, für Arbeitertranspoit geeignet ist uud einen für die an
zuwerbende Anzahl Arbeiter genügenden Raum besitzt, ancb den für dieselbe genü-
genden Vorrath von Lebeusmitteln. Frischwasser und Arzneimitteln an Bord hat;
c) im Falle des $ 2 ausserdem erwieseu wird, dass aus dem Bezirke des Bismarck-
Archipels. in welchem Arbeiter geworben werden sollen. Eingeborene als Arbeiter
schon vor dem 21. August 1885 nach deutschen Plantagen ausserhalb des Schutz-
gebietes ausgeführt worden sind.
§ 7. Die Erlaubniss kann, auch wenn die in I 6 bezelchneten Bedingungen erfüllt sind,
für solche Distrikte verweigert werden, in welchen das Entstehen von Konflikten mit den Ein-
geborenen durch die Auwerbung zu besorgen ist Sie darf zurückgenommen werdeu. wenn der
Schiffaführer oder der sonstige Agent bezw. deren Gehilfen sich bei der Anwerbung oder im Zu-
sammenhänge damit einer Uebertretung der darüber gegebenen Vorschriften, einer schlechten Be-
handlung der Eingeborenen oder einer sonstigen strafgesetzlich unerlaubten Handlung in Bezug
anf das Anwerbungsgeschäft oder gegen die Eingeborenen im Anwerbebezirk schuldig gemacht habe n
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312
Anhang.
Die Zurücknahme der Erlaubnis steht dem Landeshauptmann zu; in dringenden Fällen
kann sie von dem Vorsteher der 8tation, zn dessen Bezirk der Anwerbungsbereich gehört vor-
behaltlich des Rekurses an den Landeshauptmann, ausgesprochen werden.
§ 8. AU» selbstständige Arbeiter dürfen nur gesunde Leute angeworben werden, welche
ausreichend körperlich entwickelt und nicht in Folge höheren Alters gebrechlich sind.
Personen, welche diesen Anforderungen nicht genügen, dürfen nur dann angeworben wer-
den, wenn sie zu einer angeworbenen Familie gehören und ihreu Unterhalt von dieser erhalten,
vorausgesetzt, dass sie nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden.
Darüber, ob ein Eingeborener anwerbefahig ist oder uicht entscheidet der Stationsvorsteher.
§ 9. Die Daner des Vertrages darf drei Jahre nicht übersteigen. Die Vertragszeit ist von
dem Tage der Ankunft an dem Bestimmungsort an zu rechnen bis zu dem Tage der Einschiffung
behufs der Rückbeförderung, ln dem Vertrage ist der Bestimmungsort der Arbeiter anzugeben
und auszaspreeben :
a) dass die tägliche Arbeitszeit nach Sonnenaufgang beginnt und mit Sonnenuntergang
endet, von einer zweistündigen Pause für die Mittagsmahlzeit und Erholung zu unter-
brechen ist und dass die Arbeitsdauer im GanzeD zehn Stnnden nicht übersteigen darf;
b) das» an Sonntagen nicht gearbeitet wird, es sei denn, dass Sonntagsarbeit im Wege
der Disziplinarstrafe verhängt worden ist ;
c) dass von dem Tage der Anwerbuug an ein bestimmtes Monatslohn nach den Bestim-
mungen des Vertrages entweder in baaretn Geld« oder in Handelswaaren zu den an
dem Bestimmungsorte üblichen I^adenpreisen gewährt und dass zwei Drittel dieses
Lohues erst nach Ablauf der Dienstzeit unter Aufsicht der Ortsbehörde bezw. des
deutschen Konsulat» ausgezahlt werden;
d) dass den Arbeitern die nöthige Behausung. Kost und ärztliche Pflege einschliesslich
der Arznei frei geliefert werde in Gemässheit der an Ort und Stelle geltenden Be-
stimmungen der Behördeu oder des deutschen Konsulats;
e) dsss sie nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses frei nach ihrer Hcimath zurfick-
befördert werden, dass sie jedoch nicht das Recht haben, die rechtzeitige Ileimbeför
deruog zurückzuweisen.
§ 10. Uaber jede Anwerbung eines oder mehrerer Arbeiter au einem Ort ist eine Ver-
trags Verhandlung aufzunehmen, welche die in $ 9 bezeichnet«!! Bestimmungen enthalten muss.
Zusätze zn denselben sind gestattet, soweit sie nicht im Widerspruch damit oder mit bestehenden
obrigkeitlichen Verordnungen steheu.
Diese Verhandlung Ist von dem Anwerber und dem oder den Angeworbenen, sowie von
zwei der deutschen oder englischen Sprache und Schrift kundigen Zengen als richtig zu bezeugen.
Eine Verlängerung des Vertrages bis zur Dauer vou weiteren drei Jahren ist zulässig,
wenn Arbeiter und Arbeitgeber darüber einverstanden sind. Die Verhandlung darüber ist vou
dem Stationsvorsteher des Bezirks, ausserhalb des Schutzgebietes von dem zuständigen deutschen
Konsulate, aufzunehmen. Bezüglich etwaiger Zusätze gelten die Bestimmungen des ersten Ab-
satzes dieses §. Abschrift der Verhandlung ist vou den Aufnahmestellen dem Stationsvorsteher
des Bezirks, in welchem die Anwerbung stattgefundeu hat, zn übersenden.
f 12. Die höchste Zahl der Arbeiter, welche einem Schiffe nach ausserhalb des Schutz-
gebietes (§ 2) auszuführen gestattet ist, bestimmt sich danach, dass unter Deck für jeden ange
worhenen Artleiter ein Flächenraum von 1 Quadratmeter (= 10* engl Quadratfuss) and ein Luft-
raum von Lao Kubikmeter (= 55 engl. Kubikfuss) vorhanden sein muss.
Für Schiffe, welche Arbeiter nur innerhalb des .Schatzgebietes befördern (| 1). darf unter
der Voraussetzung, dass sie einen durch Sonnen- und Rcgeusegel gut geschützten Deckraum
habeu, dieser Deckraum, soweit er nicht zn den Schiffsmanövern gebraucht wird, als Flächen-
rauro mit in Rechnung gezogen werden; für jeden daneben unter Deck für die Arbeiter vorhan-
denen bezw. bestimmten Quadratmeter Fläche muss jedoch ein Luftraum von Lu Kubikmeter
vorhanden sein.
| 15. Für die gestattete Anzahl Arbeiter muss ein Arbeiterschiff die nach Folgendem su
bestimmenden Mengen von Nahrungsmitteln guter Beschaffenheit und Frischwasser an Bord haben.
Für jeden Arbeiter sind zn rechnen:
als Tagesration: 900 g Reis und
1500 Y ams und
4 1 Frisch wasser.
ausserdem per Woche an zwei oder drei Togen auszugeben:
750 g Salzfleisch oder gedörrte oder gesalzene Fische, sowie tiü g Tabak und eine
Thonpfeife.
An Steile des Reis können in gleicher Gewichtsmenge gegeben werden: Brot, Korn, frische
Kokosnuss und Maismehl; anderes Mehl in */a der Gewichtsmenge ; anstelle der Y'ama in gleicher
Gewichtsmenge: Kartofleln and ähnliche, in der Südsee übliche Feldfrüchte.
Vou diesen Rationen müssen je nach der Entfernung de» Bestimmungsortes des Schiffes
vorhanden sein, mindestens:
a) Während des Nord -West- Monsuns: (Januar -März inkL) falls das Reiseziel des Schiffes
ost- oder südwärts liegt, für je 50 Seemeilen der Entfernung eine Tagesration per
Arbeit* rkopf ;
b) während des Südost -Passat» und der Uebergangszeit (April -Dezember inkL) wenn
das Reiseziel ost- oder südwärts liegt, für je 25 Seemeilen eine Ration per Kopf;
c) während des Nord -West- Monsuns und der Uebergangszeit (November— Mai inkL).
falls das Reiseziel west- oder nordwärts liegt, für je 25 Seemeilen eine Ration per Kopf:
d) während des Süd oet- Passats (Juni — Oktober inkl.) falls das Reiseziel west- oder nord-
wärts liegt, für je 50 Seemeilen eine Ration per Kopf.
Fällt ein Theil der Reise des Schiffes in eine der vorstehend genannten Jahreszeiten, ein
anderer Theil in die folgende, so gilt die längere Ausrüstungsfrist für die ganze Reise.
§ 14. Ausser dem nach § 18 erforderlichen Proviant und Wasser müssen die Schiffe mit
auskömmlichen Arzneimitteln versehen sein und darunter müssen sich, abgesehen vou den für
die Schiffsbesatzung erforderlichen resp. vorgeschriebenen Arzueimitteln, unter Zugrundelegung
der nach § 18 zn berechnenden Ausrüstungsdauer mindestens an Bord befinden:
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Anhand-
313
Anneien und Krankenartikel
lu>pf
wChe
l— lif
über- 1
baupt 1
er
Köpfe
Woche
16— sSTlClpfe
über- per
haupt Woche
51 - 1<?
über-
haupt
er
l Köpfe
per
Woche
Chinicum snlfurlcum {oder an
deres Chininsalz)
0. n K
—
—
—
Opiumtinctnr .
0, „
—
— :
—
Bittersalz
i*
-
_
_
_
_
_
Salizin re. reine
so K
—
—
so *
—
60 (
Cognac ...........
—
200 s
—
400 ..
_
750 ..
Jodoform
10 g
1
, 10 .,
'20 ..
Sublimat (Hydr. blcblor corros.)
in t g Pulvern
—
20 „
—
_
to „
20 „
Vaseline
—
50 „
1
*25 ..
50 „
Antiseptische Wand watte ....
—
2T*0 „
—
_
125 ».
—
250 „
Gewöhnliche geleimte Watte .
—
SOU ..
—
— 1
150
—
300
Heftpflaster auf Segeltuch, drei
Finger breit
—
15 cm
—
—
10 cm
*20 cm
Grüne oder andere Seife ....
—
500 K
—
—
250 g
500 x
Karbolsaurer Kalk
1 kg
5 kft
_
1« kg
Fieberthermometer
l Stck.
1 Stck.
1 Stck.
Dreieckige Verbandtücher ....
_
3 ..
_
e „
12
Nessel, Cali co oder appr Gaze
ln Stick
—
10 m
_
15 m
Flanell-Leibbinden.
1 Stck
5 stck.
10 Stck
1 Sc beer« zu Verbandzeug . . .
—
—
1 Salben spatel
—
—
—
| —
“
—
Zolltarif des Schutzgebiete der Nen-fi ul nea- Kompagnie.
s
E
a
Maassstab der Verzollung.
Zollsatz
£
*
4
A. Zollpflichtig« Wioroi b«l 4«r Klefehr
j
1
2
Biere jeder Art, auch Meth \
Apfelwein und sonstige Obstweine / * * * *
die Flasche bis zu 75 Centiliter
die grössere Flasche
-
10
bi» zu 150
—
20
3
Weine, soweit sie nicht unter No. 4 fallen ,
die Flasche bi» zu 75 ,
die grössere Flasche
-
20
bi» zu 150 ,
—
40
4
Sfl**welne (iDlbeeoudere MiIm», H*d*lra,
M«r»«l». Sherry, Portwein. Tokeyer. Rüster-
Ausbruch. Schaumwein.*) un.l »rnlere schwere
Weine (»nätretoche. eriechtschc. sictllsche.
afrikanische)
die Flasche bl* zu 75 Centiliter
die grössere Flasche
■
40
bis zu 150
—
80
5
Branntweine und Liqueor** jeder Art alle
sonstige« alkoholischen Getränke, welche
nicht unter 1—4 zu rechnen sind, alle Spl
rit Hosen oder Spirituosen enthaltenden
Mischungen . die zur Bereitung von Ge
trinken verwendet werden können . .
die Flasche oder Krake
bis zu 50 Centiliter
—
40
die grössere , . 75 .
-
60
. . 100
—
So
. . . . 150
1
20
6
In Spirituosen eingemachte Früchte ....
die Flasche oder Kruke
bi» zu 50 Centiliter
—
20
die grössere „ . 75 ,
—
30
. . 100
—
40
. . 150
60
Anmerkung: ad 1-6. Di« Verpackung muss in der Regel in Kisten mit einer Flaschen»
oder Krukenzahl. die durch 12 aufgcht, geschehe«.
Anmerkung ad 1 i Die Einfuhr, anders als in Flaschen bis zu 150 Centillter Inhalt,
darf nicht statt!! öden.
Anmerkung ad 5. Die Einfuhr, anders als in Flaschen oder Kruken bis zu 150 Centillter
Inhalt, darf nicht stattftnden. Die in geringeren Menge« eingehenden medizinischen Spirituosen
sind von der Verzollung ausgenommen.
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314
Anfang.
C. KiRfthrrerbote.
1 Opium, ausser xu medicinlschen Zwecken.
2 Waffen , Munition und Sprengstoffe , ausser
zum persönlichen Bedarf für Nicht-Ein-
geborene.
Der Vertrag zwischen dem Snltnn von Sansibar nnd der Dentsch-Ostafri-
kanlschen Gesellschaft.
Artikel I. Seine Hohe» der Sultan übertrfgt der DeuUcb Ost*frtkaui*chen , Gesellschaft
alle Gewalt, welche Ihm auf dem Festlande (Mrima) und in Seinen Territorien und Dependenzen
südlich vom Urobafluss zusteht, und Er überlässt und überglebt derselben die gesamnite Verwal-
tung dieser Gebiete. Die Verwaltung soll von der Gesellschaft im Namen Seiner Hoheit und
unter Seiner Flagge, sowie unter Wahrung Seiner Sooveränetitarechte geführt werden. Es ver-
steht sich hierbei jedoch, dass die Gesellschaft für alle Angelegenheiten und für die gesummte
Verwaltung der in diese Abtretung (concession) eingeschlossenen Gebiete Seiner Hoheit verant-
wortlich ist und dass Seiner Hoheit dem Sultan weder aus den damit verbundenen Ausgaben,
noch aus Krieg und Diya (Blutgeld) noch aus hiermit in Zusammenhang stehenden Ansprüchen
Verbindlichkeiten erwachsen sollen und dass Er zu einer Regelung dieser Angelegenheiten nicht
herangezogen werden darf. Niemaud ausser der Gesellschaft soll das Recht haben, offeimione
Ländereien auf dem Festlande oder sonstwo in den Gebieteu, Besitzungen und Dependenzen deiner
Hoheit innerhalb der oben genannten Grenzen zu kaufen, es sei denn, dass der Lrwerb durch
Vermittelung der Gesellschaft, wie jetzt durch Vermittelung Seiner Hoheit geschieht Der Snltan
gewährt der Gesellschaft auch die Befugnis?-, von der Bevölkerung des Festlandes innerhMb der
bezeichneten Gebietsgrenzeu 8teuern zn erbeben. Seine Hoheit willijrt ferner ein, alle Akte und
Handlungen, welche erforderlich sind, um die Bestimmuugen dieses V ertragi-s zur Ausführung zu
bringen, vorzunehmeu nnd der Gesellschaft mit Seiner gauzen Autorität und Macht zu helfen und
beizusteheu, damit die gewährten Rechte und Gewalten sichergestellt werden. Die vertrag-
schließenden Theile sind ferner darüber einig, dass der Inhalt der folgenden Artikel de* * ertrage»
die Rechte, welche von Seiner Hoheit den Untertanen oder Bürgern von Deutschland. F rimk-
reich, Großbritannien, von den Vereinigten Staaten von Amerika oder anderen mit Seiner Honelt
in Vertragsverhiltnissen stehenden Mächteu bewilligt sind, in keiner Weise beeinträchtigen oder
schmälern soll: ebensowenig sollen die Verpflichtungen berührt werden, welche Seiner Honett In
Folge Seines Beitrittes zur Generalakte der Berliner Konferenz auferlegt sind oder auferlegt
werden mögen. , „ .
Artikel II. Seine Hoheit ermächtigt die Gesellschaft, vorbehaltlich der unten vorgesehenen
Ausnahmen, in Seinem Namen und an Seiner Statt überall ln den obenbezeichneteu Gebiets-
grenzen Beamte für die Verwaltung Seiner Besitzungen zu bestellen; die erforderliche Anzahl
von I'nterboamten zu ernenuen ; Gesetze für die gedachten Gebiete zu erlassen; Gerichtshöfe ein-
zurichten und überhaupt alle Maassnahmen zu treffen, welche zum Schutz der unter ihrer Regie-
rung »tehendeu Gebiete und Interessen nothwendig sind. Seine Hoheit ermächtigt die Gesellschaft
ferner, Vertrage mit Ihm unterstehenden oder auderen Häuptlingen der Eingeborenen zu srnliessen.
und sollen solche Verträge und Abmachungen in denjenigen Fällen, in welchen sie im Nameu
Seiner Hoheit abgeschlossen werden, von Ihm ratiflzirt und bestätigt werden, eine Hoheit willigt
auch ein, abgesehen von Seinen Privatländereieu und Schambas, alle die Grundgerechtsame. welche
Ihm auf dem Festlande von Afrika inuerhalb der oben bezeichneten Grenzen zustehen, der ‘ Gj-
Seilschaft abzntreten und ihr alle Forts und nicht im Gebrauch befindlichen öffentlichen oebäuae
zu übergeben, sofern Er sie nicht für Seinen Privat gebrauch zurückzubehalten wünscht. Ein Ver-
zeichnis» solcher Gebäude, Pflanzungen oder Besitzungen soll aufgestellt und von Seiner Hoheit
nnd der Gesellschaft genehmigt werden. Ferner ermächtigt Er die Gesellschaft, all** noch ment
in Besitz genommene Land zu erwerben und Bestimmungen über die Okkupation von solchem
Land zu treffen ; lokale sowie andere Steuern, Abgaben und Zölle au «zu sch reiben uud zn erhebe u
nnd alle Maassnahmen zu treffen, welche zur Einrichtung und Unterhaltung der \ erwaltung, der
Streitkräfte, des Justizwesens, zur Anlage und Verbesserung der Wege oder Wasserstrassen oder
anderer Öffentlicher Arbeiten, sei es für Verteidigung» oder sonstige Zwecke, zur Zahlung von
Schulden und von Zinsen des aufgewendeten Kapitals nothwendig sind. Die Richter solleu vou
der Gesellschaft vorbehaltlich der Zustimmung des Sultans bestellt, alle .Kadis* dagegen sollen
vou Seiner Hoheit ernannt werden. ... 0 ~
In den von Ureinwohnern besiedelten Landstrichen ist die Rechtspflege Sache ®er Gesell-
schaft und ihrer Beamten. Die Gehälter der Gouverneure und aller anderen Beamten iu den von
der Gesellschaft in Besitz genommenen und verwalteten Territorien solleu von derselben bezahlt
Artikel 111. Seine Hoheit gewährt der Gesellschaft das Recht, überall innerhalb der durch
diesen Vertrag bezeichneten Gebietsgrenzen Handel zu treiben, Eigenthum zu haben, Gebäude zu
errichten und mit Zustimmung der Eigentümer Ländereien oder Häuser durch Kauf oder sonstige*
Rerhtsgpschäft zu erwerben.
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Anhang.
Mb
Artikel TV. Seine Hoheit ertheilt der Gesellschaft das besondere und ausschliessliche
Recht und die Befugnis», Vorschriften für den Handel und Verkehr, die Schifffahrt auf Fl Assen
und Seeen, die Kontrole der Fischerei, den Bau von Wegen. Strassen und Eisenbahnen. Kaukien
und Telegrapheu zu erlassen und hierfür Zölle und Abgaben zu erheben. Insoweit Seine Hoheit
nicht Verpflichtungen gegen die anderen Mächte eiugegangeu ist, überträgt Er der Gesellschaft
ferner die Befugnis», die Einfuhr von Waaren, Waffen, Munition, berauschenden Getränken jeg-
licher Art und allen anderen Gütern, welche nach ihrer Ansicht der Öffentlichen Ordnung oder
Sittlichkeit schädlich sind, zu beaufsichtigen oder zu verhindern. Es versteht sich indessen, dass
bei Ausübung dieser Privilegien und Befugnisse die Verträge, welche zwischen Seiner Hoheit und
anderen Mächten abgeschlossen sind, beobachtet werden solleu.
Artikel V. Seine Hoheit ermächtigt die Gesellschaft, in Seinem Namen alle Hilfen,
welche an den Flussmündungen oder an anderen Stellen Seiuer oben bezeichneteti Besitzungen
gelegen sind, in Besitz zu nehmen, und Er verleiht ihr das Recht, Zollhäuser zu errichten und
von Schiffen, Gütern u. s. w.. welche in den Häfen ankommen oder ans deuselben abgehen. Ab-
gaben zu erheben und alle zur Verfolgung des Schmuggels erforderlichen Maassregeln zu treffeu,
jedoch sollen auch hier in allen Fällen die Bestimmungen der oben genannten Verträge ge-
wahrt bleiben.
Artikel VI. Seine Hoheit verleiht der Gesellschaft das ausschliessliche Recht, in allen
Theilen der Territorien Seiner Hoheit innerhalb der oben bezeichneten Gebietagrenzeu Blei.
Kohlen Eisen. Kupfer, Zinn, Gold, Silber, Edelsteine, sonstige Metalle nml Mineralien, sowie Mi-
neralöle aller Art aufzusuchen und zu gewinnen, hierauf bezügliche Verordnungen zu erlassen
und die gedachten Bergwerksrechte zu verpachten oder zu überweisen; ebenso soll die Gesellschaft
allein berechtigt sein, mit den gewonnenen Metallcu n. s. w., frei von Stenern nud Abgaben,
Handel zu treiben. Nur an Seine Hoheit hat die Gesellschaft eine massige Abgabe (royalty) für
Mineralien zu entrichten; dieselbe soll 5 Prozent des ersten Preises der Artikel, von welchem die
für Gewinnung des Minerals aufgew endeten Kosten in Abzug gebracht sind, nicht übersteigen und
später zwischen dem Snltan und der Gesellschaft vereinbart werden. Auch wird der Gesellschaft
da» Recht eingerflumt, alle Waldbäume, sonstiges Holz, sowie Materialien aller Art für die vor-
genannten Arbeiten wie auch zum Haudelsbetriebe zn benutzen. Da» Bau- und Bre.unholz in-
dessen. welche» unter dein Namen „Burti“ bekannt ist, darf «nf dem Festlande auch von Anderen,
wie bisher, geschlagen werden, fall» sie hierfür die mit der Gesellschaft zn vereinbarenden Ab-
gaben bezahlen; solche Abgaben sollen jedoch nicht für Holz gefordert werden, welches für den
Gebrauch Seiner Hoheit gefällt wird.
Artikel VIL Seine Hoheit gewährt der Gesellschaft das Recht, in Seiuen obenerwähnten
Territorien ein oder mehrere Bankinstitute mit dem ausschliesslichen Privileg der Notenausgabe
einzurichten.
Artikel V11J. Alle zuvor genannten Befugnisse und Privilegien sollen verliehen werden
und der Gesellschaft zur Verfolgung ihrer Zwecke und Ziele zustehen für die Zelt von fünfzig (50)
Jahren, welche vou dem Tage der Unterzeichnung dieses Vertrage» zn lanfeu beginnt. Mit dem
Ablauf der bezeichneten Zelt fallen alle öffentlichen Werke, Gebäude u. s. w. au den Sultan. Seine
Erben oder Nachfolger zu eluem Schätzungswert)!« zurück, welcher auf Verlangen von beiderseits
bestellten Taxatoren festzusetzeu ist.
Artikel IX. Seine Hoheit gewährt der Gesellschaft die „Regle“ oder Pacht der Zölle in
sämratllchen Häfen de» oben bezeichneten Thells Seiner Territorien für eine gleiche Zeitperiode,
wie die vorher erwähntet» anderen Rechte fconcessions). und zwar unter den folgenden Bedingungen:
Beim Beginn ihrer Verwaltung zahlt die Gesellschaft Seiner Hoheit einen Vorschuss von
fünfzigtausend (50000) Rupien in baar: dieser Betrag ist in gleichen Monatsraten binnen der
ersten sechs Monate zurückzuerstatten. Im ersten Jahre liefert die Gesellschaft am Ende eines
jeden Monats enrrmäiseber Zeitrechnung den gauzeu Betrag der in den oben bezeichneten Terri-
torien erhobenen Ein- uud Ausfuhrzölle an Seine Hoheit ab. Abgezogen wird nur eine gewisse
Summe für die Ausgaben, welche durch die Zollerhebung erwachsen. Diese Ausgaben dürfen die
Snmme von einhundert und siebenzigtauseud (170 000) Kopien in dem ersten Jahre nicht über
steigen, und wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, durch ihre Bücher uaehzuweisen. das*
sie in Wirklickkeit die oben erwähnte Summe verausgabt hat, so hat sie an Seine Hoheit auch
die Differenz zwischen ihren wirklichen Ausgaben und dem Betrage von 170 000 Rupien zu zahlen.
Der einzige Nutzen, welchen die Gesellschaft im ersten Jahre haben »oll. besteht in einer Kom-
missionsgebühr von fünf (5) Prozent der au Seine Hoheit gezahlten Nettoeinkünfte.
Auf Gruud der im ersten Jahre gemachten Erfahrungen soll die Durchschnitts» nimm-, welche
von der Gesellschaft jährlich an Seine Hoheit zn zahlen ist, festgesetzt werden; die Gesellschaft
soll jedoch das Recht haben, am Ende eines jeden dritten Jahres auf Grund der in deu letzten
drei Jahren erzielten Ergebnisse, welche durch ihre Bücher nachzuweisen sind, in neue l uter
Handlungen mit Seiner Hoheit eiuzutreten, um die Durchsrhnittssuimuc zn revidireu nud neu
festzusetzen. Seine Hoheit ist berechtigt, einen Beamten zu bestellen, welcher die Zolleiunahmen
in den Häfen de» hier in Betracht kommenden Gebietes zu kontroliren hat.
Ferner versteht es sich, dass Seine Hoheit von keinem Zweige de» Handels den Zoll zum
zweiten Male beanspruchen darf. Der Gesellschaft steht daher das Recht zu. über die ZoUbfJUBUttl
Seiner Hoheit in Sansibar zn diesem Behuf eine Kontrole auszuübeu uud die Rückvergütung aller
Zollbeträge zn verlangen, welche künftighin etwa von der Einfuhr nach den in diesem Vertrage
(conces&ion) bezeichneten Häfen oder von der Ausfuhr au» denselben direkt an Seine Hoheit be
zahlt werden. Die Gesellschaft verspricht ferner Seiner Hoheit fünfzig (50) Prozent von dem weiteren
Reineinkommen zu zahlen, welche» Ihr aus den Zollabgaben der hier in Rede stehenden Hafen
zoflicssen wird; Selnp Hoheit übertragt der (resellsebaft alle Rechte au den Tcrritorialgewä.%*ern,
welche innerhalb der oben bezeichneten Grenzen Seiues Gebiete» liegen oder zu denselben ge
hören, insbesondere soll sie die Befugnis» haben, die Beförderung, die Durchfahr, das Landen
und Verschiffen von Waaren und Produkten Innerhalb der genannten Gewässer durch Küsten-
wächter in Lande und zu Wasser zu beaufsichtigen nud zu koutroliren.
Artikel X. In Anbetracht der Konzessionen, Befugnisse und Privilegien, welche der Ge-
sellschaft im Vorstehenden eingeräumt sind, sichert dieselbe dem Snltan die Zahlung der Divi-
dende von zwanzig f20) Anteilscheinen der Deutsch* Mafrikanisrhen Gesellschaft zu je zehn-
tausend (10000; Mark, das heisst dl« Zahluug der Dividende eine» Kapitalbetrage» von ungefähr
Anhang.
316
zehntausend (10000) Pfand Sterling zu; die*« Zusicherung soll Ihm den Anspruch auf den einem
solchen Antbeil au dem GesellschaftsvertnOgen zukommenden Theil demjenigen Reingewinn* geben,
welcher ausweislich der Bücher der Gesellschaft vorhanden ist, nachdem Zinsen in Hohe von
acht (8) Prozent auf da* eingezahlte Kapital der Antheilscheinbesltzer bezahlt worden sind.
Artikel XI. Die Deut«ch-Ostafrikanische Gesellschaft soll alle liechte. Privilegien. Ab
gabenfrelheiten ond Vort belle geniessen. welche anderen Gesellschaften oder Personen eingeräurat
sind oder künftighin eingeräumt werden, denen für einen anderen Theil des Herrsebergebietes
Seiner Hoheit ähnliche Rechte wie in diesem Vertrage gewährten übertragen sind oder übertragen
werden tnOgen.
Artikel XII. Die im Vorstehenden bezeiebneten Rechte (concessions) erstrecken sich nicht
auf die Besitzungen Seiner Hoheit auf den Inseln von Sansibar und Pemba noch auf Seine Terri-
torien nördlich des (Jmbaflusse*. und cs versteht sich, dass alle Öffentlichen, richterlichen oder
Regie nmgsbefugnisse und Funktionen, welche der Gesellschaft in diesem Vertrage übertragen
sind, von derselben nur im Namen und unter der Autorität des Sultans von Sansibar ausgeübr
werden sollen.
Artikel XUI. Beide Theile sind darüber einig, das* die hier in Rede stehenden Rechts-
übertragungen (cunoessious) uud die denselben entsprechenden Verpflichtungen, sowie sie im Vor-
stehenden dargelegt sind, für beide Theile. ihre Krocn uud Rechtsnachfolger für den vereinbarten
Zeitraum von fü»f«i£ (50) Jahren bindend sein sollen.
Artikel XIV. Seine Hoheit ist bereit, di« im Vorstehenden bezeiebneten Zolle. Lande
reien und Gebäude der Dcutsch-Ostafrikanlschen Gesellschaft au einem von ihr zu wählenden
Tage nach dem fünfzehnten (15.) August eintausend achthundert achtundachtzig (1888) sn über-
tragen.
Artikel XV. Der gegenwärtige Vertrag ist in vier Abschriften ausgefertigt worden, von
denen zwei in englischer und zwei in arabischer Sprache abgefasst sind.
Alle dies« Abschriften haben denselben Sinn: sollten gleichwohl später Meinungsver
schiede »beiten über die richtige Auslegung des eugliscben und arabischen Textes der einen oder
der anderen der Vertragsbestimmungen entstehen, so soll die englische Abschrift als die maass-
gebende betrachtet werden.
Zur Beglaubigung dessen haben Seine Hoheit Seyyid Khalifa ben Said und Dr. G. Micha
helles diesen Vertrag gezeichnet und demselben ihre Siegel angeheftet
Geschehen in Sansibar den aebtnndzwanzigsten Tag des April in dem Jahre unsere* Herrn
1888 (eintausend achthundert achtuudachtzlg), entsprechend dem »echszehuten Scbaban eintausend
dreihundert nnd fünf der Hedschra.
(Folgen l'nterscbriften und Siegel.)
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Register.
A.
Abgrenzung des südwestafrikamschen
Schutzgebietes lfLL
Acacia saligna 1L
Achmed, Sultan 2, 232 IT.
Afrikander ~L
Ameib 43.
American Board 52.
Angra Pequena(Lüderitzbucht) 2, 133, 133.
Antisklaverei-Bewegung 23, IW. 218, 225
Antrag Windthorst 2 25
Apia 1 14.
Araber, Aufstand 22. 106, 2ÜH fT.
— Ausbreitung derselben Li,
Arbeiterfrage in Pondoland 22,
— in Brasilien 84.
— in Ostafrika 422,
— in der Südsee 262, 31 1.
Atolle 1 10.
Auswanderung nach Brasilien 86, 131.
B.
Bagamoyo 50, 265,
Baker, Sir Samuel 18.
Baptisten, englische 30.
Barros, (lomes de 12.
Baseler Missionsgesellschaft 28, 31,
Bastards 44.
Basutoland 11.
Batanga-Expedition Lfifi.
Baumwolle 239. 2 6 1.
Baumann, Oscar 176, 222 .
Bergbehörde 151.
Berggesetz für Deutsch-Süd wes tafrika 151.
Bersaba 38.
Bethanien 33.
Betschuanaland 5, 140.
Bismarck, Fürst 24, 218, 228,
Bismarck-Archipel 241 ff.
Bismarckburg 183.
Blaugummibaum 20.
Blokade 24, 1ÖL. 220.
Bodengestalt Südwestafrikas LAL
Bogadjim 57, 258.
Bondelzwaarts 3,
British India Stcam Navigation 2lLL
Brüder von der Gesellschaft des heiligen
Geistes 50
Buchsbaumholz 67, 15.
Buren 5, 154.
Busch iri 223.
Butaueng 249.
C.
Ceder 64,
Church Missionary Society 48,
11 .
Dar-es-Salaaui 54, 215, 224,
Delagoabay-Eisenbahn 2.
Denhardt. Gebrüder 235
Deutsch - afrikanische Minengesellschaft
LOL
Deutsches Kmin Pascha- Komitee 121.
Deutscher Frauenverein für Kranken-
pflege in den Kolonien 5a, 130.^
Deutsche Handels- und Plantagen-Gesell-
schaft der Südsee 1 13. 244, 268.
Deutsche Kolonialgesellschaft, die 120 fl.
— für Südwestafrika 9. 146.
Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft 22,
192. 124 IT.
Deutsch -ostafrikanische Plantageugesell-
scbaft 198.
Deutsche Pflanzergesellschaft 1S2,_
Deutsche Pomloland-Gesellschaft 14,
Deutsche Togogesellschaft 182.
Deutsch-westafrikauische Kompagnie 1 52 .
Deutsche Witugesellschaft 235fT
Dominikus 133.
Duallas 29, 168.
Kiscnholz, schwarzes 68, 15
Ekossawald 62, 73, 176.
Elberfeld 32.
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318
Reinster.
Elephantiasi' 243.
Emin Pascha 13.
Emin Pascha-Unternehmen 126. 1 2'.t.
Englische Kolonisation in Westafrika 1 18.
Evangelisch - lutherische Missionsgesell-
schaft für Ostafrika 32.
Evangelische Missionsgesellscbaft für
Deutsch-Ostafrika 52.
Ewe 187.
Export aus Ostafrika 200.
— nach Kamerun 1 74.
— nach Brasilien 92,
— aus der Südsee 259.
F.
Fernando Po ^0, 177.
Finnische Missionen 41.
Finsch, Dr. 244.
Finschhafen 1 10. 249. 257.
Francois, v. 183.
Französische Kolonisation 11.7,
Free Church of Scotland 42.
Fumo Rakari 943.
Gelbholz 63.
Gesellschaft für deutsche Kolonisation
1 22. 182.
Gesetze und Verordnungen 277 ff.
Gibeou 36, 4L
Gobabis 39, 4L
GodefTroy & Sohn 1hl.
Goring, I »r. 3, 137.
Golbanti 48,
Gold US, 233.
Gordon Pascha 12,
Gordon Sprigg L
Grobelaar Fall 9,
Gründung des Kolonialvereins 120.
U.
Hahn, Samuel 2L
Hansemann, v. 244.
Hatzfeldthafeu 249. 238.
Hawaiische Evangelische Gesellschaft 39.
Herero 3, 39, LLö ff.
Hernsbeim & Co. 258. 268.
Heydt’sches Reskript, v. d. 86, 1 23.
Hoachanas 32.
Hohenlohe, Fürst zu 120. 237.
Hollnrag, Dr. 250.
Horner 2Ü.
L
Import nach Kamerun 174.
Inder in Ostafrika 992. ‘*40.
Instruktion au den Grafen Münster 137.
Jaiuit 111, 267.
•laluit-Gesellsehaft 113. 269 ff.
K.
Kaffee 177, 260.
Kaiser- Wilhelinsland 244 ff.
Kaiserin- Augustafluss 250.
Kamaherero 40, 133.
Kamerun 116 ff.
Kameruner I.and- und Plantagen-Gesell-
schaft 116.
Kapparlament 4, 139.
Katholische Missionsgesellscbaft für
Deutsch-Ostafrika 5L
Kautschuk 176, 242.
Kerawara 249, 269.
Keetmannshoop 37.
Khamas Reich 2,
Khartum 17.
Kiloa 216.
Kisslutini 36.
Klimatisches 143. 179, 188,241,243, 251.
Knutson 33,
Knysna 62.
Kongoakte 219.
Konstantinhafen 249. 258.
Konvention zwischen Engländern und
Buren 8.
| Kopra 114, 175, 201, 259, 262.
: Krätke. I.andeshauptmann 248.
Krapf 43,
Krönlein 33, 37.
Kund 163.
L.
[.amu 233. 240.
Lavigerie 22.
Lenz, Prof. 26.
Lewa 22L
Lewis, R. 136.
Lindi 2I3ff
Literatur 27 2 ff.
Lobengula 2.
Londoner Missionsgesellschaft 42,
j I.üderitz, C. F. 2, 1 33.
I.upton Bey LL
M.
Magila 36.
Mahdi 12,
Mamboia 42.
Manda 238.
Mandera 3L
Marine, deutsche 1 04. 220.
Maristen-Kongregation 57.
Marschall-lnseln 111. 263 ff.
Marvin, Charles 3.
Massai 30.
Matthews 207 ff.
Matupi 32.
Methodisten 37.
Michahelies, (ieneralkousul 263 ff.
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Register.
319
Mikindaui 2 LS ff.
Mission U. L. Frauen von Issoudün 58.
M’lapa lfi£L
Moffat 3.
Monda 5JL
Mohamedanismus unter Negerstämmen UL
Mwapwa 49.
H.
Nachtigal, Dr. 160. 180.
Nam&s 3» 33.
Neu -Barmen 41.
Neuendetteisauer Missionsgesellschaft 55.
Neue Republik (L
Neu-Guinea-Kotnpagnie 247 ff
Neukircliner Mission 52.
Ngao 22.
Niessholz Sfi.
Niger-Benue 25, 130.
Norddeutsche Missionsgesellschaft 28.
Nyassa-See U, 21.
0.
Okahandya 40, 187.
Otyimbingue 40, 157.
Ovamboland 41 .
P.
Pangani 209 fT.
Papua 254.
Patteson, Bischof 58.
Peters, Dr. 122. 190.
Petersen IhK,
Pinusarten 68.
Polynesier 266.
Pondoland 73, 16.
Portugiesische Kolonien 10, 119.
Postdampfer-Subvention 121.
Protektoratserkllrungen in Südwestafrika
136.
Pugus 51, 223.
R.
Rebmann ÜL
Reichstag 124. 228
Rehoboth 38, 44, 48.
Rheinische Missionsgesellacbaft 2, 33, 56.
Rietfontain 48.
Rio- Handel 82.
Royal Niger Company 28.
S,
Saker, Alfred 28.
Salomo-Inseln 247.
Samoa lOär H3, 263
Satzungen der Neu -Guinea -Kompagnie
Satzungen der Deutsch - Ostafrikanischen
Gesellschaft 195.
i
Satzungen der deutschen Kolonialgesell-
schaft 123.
Scbutzbrief der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft 191.
— der Neu- Guinea- Kompagnie 248.
Schutzvertrag mit Kamaharero 185.
Simbang 56.
Sklaverei, Brasiliens 84.
Sklavenhandel, afrikanischer 13.
Stanley 20.
Stationen der Deutsch - ostafrikauischen
Gesellschaft 199.
Stellaland 5.
Stinkholz n3.
Suahelis 201. 243.
Südwestafrikanisches Goldsyndikat 249.
T.
Tabakbau 178, 198, 261.
Tabakbau-Gesellschaft Kamerun 178.
Tänze der Eingeborenen 257, 267.
Tanga 166, 214 ff.
Tappenbeck 163.
Teusz 176.
Tippu Tip 2L
Tonga 1 15.
Transvaal 2.
C.
Uebereinkommen über Interessensphären
HO, 193, 245.
1'gaiida 28.
Univerritiers' Mission 49.
Usambara 41).
Usibepu 6.
V.
Vereinigte methodistische Freikirche 42.
Vertrag zwischen dem Sultan von Sansi-
bar und der ostafr. Gesellschaft 314.
Verträge in Südwestafrika 139
Victoria 30, 162.
Vorlage der Reicbsregiening 220.
W.
Walfischbay 2, 139.
Warmbad 32.
Warren 5.
Waterberg 49.
Whindi 107, 223.
Wissmann 129. 227.
Wittbooi, Hendrick 3.
Wjtuland 52. 231 ff.
Woermann, C. F. 160.
Wolf, Dr. 183.
/,.
Zululand 6.
Zwischenhandel in Kamerun 169.
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Gedruckt bei Julius Sitten Md in Berlin W.
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THB NEW YORK PUBLIC LIBRARY
REFBRBNCB DBPARTMBNT
Tbi» book m undcr no ciroumstanoe« to be
takco from the Building
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