Skip to main content

Full text of "Koloniales Jahrbuch"

See other formats


Digitized by Google 




Digitized by Google 



Digitized by Google 




VrrUf*-ArchiT MBS. 



Berlin SW, Asl;:ini.siliiT Platz 0 


STÄHLERNE u. HÖLZERNE 
LOWRIES IN DEN NEUE- 
STEN KONSTRUKTIONEN. 

LA6ER in BERLIN 
u. BOCHUM. 


HERSTELLUNG VOLLSTÄN 
DIGER BAHNANLAGEN. 

PROSPEKTE «. KOSTEN- 
ANSCHLÄGE STEHEN TENDER-LOCOMOTIVEN 
GERN ZUR VERFÜGUNG. D % °/° # 


SCHLEPP 


BOCHUMER VEREIN für BERGBAU und GUSSSTAHL 
FABRIKATION in BOCHUM, Westfalen 

Gussstahlfabrikate für Eisenbahnen, Maschinen- 
bau und Artilleriebedarf. 

Special ität: Gussstahlfaconguss, als Gussstahlscheibenräder, 
Herzstücke, hydraul. Cylinder für Oel- und Schmiedepressen; ferner 

..flirfiWÄn,. Gussstahlgloi'ken, o 

Kirchenglocken. Stations- u. Fabrikglocken, 

.ZS Schaalenglocken 

für Uhren- und Signal-Apparate. • "ffr • . 

* Abtheilung: * 

Feld-, Forst- und Industrie -Bahnen aller Art 

VERTH KTKN^ — , JUR(H 

: 7 bTb-a A R.E, 


Das liegende wie das rollende Material 
für verlegbare Bahnen 

ist mit besonderer Berücksichtigung für die 

Ansfuhr bezw. Verschiffung; nach überseeischen Ländern 

angefertigt. Die Materialien werden so zerlegt, dass sie den 
geringsten Raum einnehmen. Auch können sie im Ankunfts- 
hafen bezw. Verwendungsort selbst durch ungeübte Hände in 
kürzester Zeit zusammengesetzt werden. 




Koloniales Jahrbueh. 

Heransgegeben 

von 

Gustav Meinecke. 


Erster Jahrgang. 

Da« Jahr 1888. 


Mit einer üebersiehtskarte der deutschen Kolonien. 



(I a r I ü e v m onus Ve r 1 a g. 
1889. 


Digitized by Google 




i 


H55?00 



VefUp'ArUiir 141), 


Digitized by Google 




Sr. Durchlaucht 


dem Fürsten 

Hermann zn Hohenlohe -Langenburg 


elirfurehtvnllst 


gewidmet 




vom Herausgeber. 


Digitized by Cirfogle 



Vorwort. 


Die immer mehr in die Breite und Tiefe gehende deutsche 
koloniale Thätigkeit, welche den Ueherblick über die ganze Materie 
erschwert, sowie die von Tag zu Tag zunehmende Wichtigkeit der 
Kolonialbestrebungen liesseu den Versuch angezeigt erscheinen, in 
kurzer Weise alles das zusammenzufasseu, was auf diesem Gebiete 
geschaffen worden ist oder die Jetztzeit bewegt. Der Herausgeber ist 
sich wohl bewusst, dass mancherlei fragmentarisch ist, da fast Alles 
noch im Entstehen begriffen ist uud die thätigen Kräfte nicht immer 
leicht erkannt werden, aber nach fünfjährige in Bestehen der offiziellen 
deutschen Kolonialpolitik ist es wohl angebracht, einen Rückblick auf 
das, was geschehen, zu werfen und von jetzt ab Jahr für Jahr die 
Fortschritte zu verfolgen. Wenn auch Rückschläge nicht haben aus- 
bleiben können, so sind die Freunde der deutschen Kolonialpolitik 
doch heute mehr als je von der Nothwendigkeit, auf dem einmal 
betretenen Pfade weiter fortzugehen, überzeugt und hoffen, dass mit 
der Zeit ihr Streben überall von Erfolg gekrönt sein wird. Da sich 
das Buch an alle Freunde der deutschen Kolonialpolitik wendet, war 
sowohl eine streng wissenschaftliche als auch erschöpfende Behand- 
lung des Stoffes ausgeschlossen. Das Resultat der geographischen 
Forschungen des Berichtjahres lag bei Abfassung des Buches noch 
nicht vollständig vor, so dass für diesen Jahrgang nur eine Ueber- 
sichtskarte beigegeben ist, welche den ersten Ansprüchen genügen 
dürfte. Im nächsten Bande werden wir aber, da die geographische 
Forschung bedeutende Fortschritte macht, Spezialkarten für die 
einzelnen Kolonien und Schutzgebiete beilegen. 

Möge dieses Buch nun auch seinerseits dazu beitragen, das 
Interesse an unseren kolonialen Besitzungen zu vertiefen. 

Berlin im Februar 1889. 

G. Meinecke 


Digitized by Google 



Inhaltsverzeichnis^ 


Seit« 

Strömlinge n in Afrika 1 — 20 

hie Mission in den deutschen Schutzgebieten. Von P. E. Wallroth 27—60 

i'eherseeische Waldwiithsrhaft. Von hr Utlo Kersten . ± * , . d — St* 

Deutsch-brasilianische Betrachtungen. Von C. Bolle 81 — 10$ 

her Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung des 

Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schuirgebiete .... 104—119 

Die Deutsche Kolonialgesellsehaft 120 — 132 

hie deutschen Kolonien: 

heutach-SndwHlafrifc » . . . *. . . . ; . . 133 — 1.5':» 

Das Kamerongebiet . . 160 — 180 

Das Togogebiet 180—189 

hentacb-Qstafrika . . . . . , , . , . , . , . . . J 6h - 230 

has Wituland ■ . . , . . , . , , , , . . . , , , 231—244 

Kaiser- Wilbelmslaml und der Ilismarck-Archipel 244 — 265 

has Schutzgebiet der Marschall-Inseln 265—271 

Literarisches . . , . . . . , . , , . , . . . , , . 272 - i'Tfi 

Anhang 277— 3lfi 

Register 317 — 320 


Digitized by Google 


Ström linsen in Afrika. 


9 

Mit überraschender Schnelligkeit hatte Deutschland innerhalb 
weniger Jahre ein gewaltiges koloniales Reich geschaffen, welches 
der Thätigkeit aller für die koloniale Idee begeisterten Männer einen 
grossen Spielraum eröffnete, und sich auch mit den Mächten, mit 
welchen es in Berührung kam, soweit auseinandergesetzt, dass die 
diplomatische grosse Arbeit als gethau angesehen werden konnte. Mit 
Frankreich, England, Portugal sind die entsprechenden Abmachungen ge- 
troffen, die Grenzen weit in das Innere hineingezogen, ein gemeinsames 
Zusammenwirken für gewisse Fälle verabredet, auf der Kongokonferenz 
sind neue völkerrechtliche Grundlagen geschaffen und die Vorbedin- 
gungen für eine gedeihliche Entw icklung festgesetzt. Wenn aber auch 
in der Theorie manches als vortheilhalt und zweckentsprechend erschien, 
so brachte die schaffende Praxis doch so vieles Neue und Unerwartete, 
dass das ideale Bild des deutschen Kolonialbesitzes bald vor der 
rauhen Wirklichkeit verblasste. Es schien, als ob der Groll, welcher 
über das Vorgehen Deutschlands bei anderen Nationen sich allmählich 
angesammelt hatte, nach Auswegen suchen wollte und, oft nicht im 
Stande, ernsthaft etwas zu unternehmen, sich in der Schaffung von 
allerlei hier oft empfindlich berührenden Hemmnissen gefiel. Die 
böse Absicht trat so oft zu Tage, dass die Suche nach den Schul- 
digen nicht schwer war. Aber nicht nur gegen Deutschland standen 
die rivalisirenden Mächte bald wieder in den Schranken, der Inter- 
essengegensatz zwischen den einzelnen Mächten zeitigte heftige diplo 
matische Kämpfe untereinander, welche noch immer, bald schwächer, 
bald heftiger fortdauern. Beginnen wir mit Südafrika. 

Nach der Ansicht bewährter Keuner Südafrikas scheinen sich 
in diesem gewaltigen Theile des Kontinentes, in dem Engländer, 
Buren, Deutsche, Portugiesen sowohl untereinander als mit deu ein- 
zelnen Stämmen der Eingeborenen in eine Berührung kommen, welche 

Jahrbuch für Deutlich? Kolonialpolitik. . 


Digitized by Google 



2 


Strömungen in Afrika. 


man oft als eine mindestens unfreundliche bezeichnen muss, Er- 
eignisse ernster Natur vorzubereiten, welche unsere Aufmerksamkeit 
in hohem Maasse verlangen. Denn seitdem Deutschland die Bahnen 
einer energischen Kolonialpolitik beschritten hat, sind wir auch dort 
aus den Reihen der mehr oder weniger betheiligten Zuschauer in die 
Arena eingetreten und müssen bei dem allgemeinen „scramble“, 
welcher jetzt in Afrika begonnen hat, uns nicht nur unserer Haut 
wehren, sondern unter Umständen auch vorgehen können. Es wird 
dies sogar zu einer Pflicht, deren Unterlassung die Schwierigkeiten 
unserer Lage noch vermehrt, wenn böser Wille und neidische Miss- 
gunst die Gegner zu immer neuen Angriffen aufstacheln, ln einem 
solchen Falle befindet sich augenblicklich Deutschland der englischen 
Verwaltung der Kapkolonie gegenüber, welche über das Festsitzen 
der Deutschen in Südwestafrika sich noch immer nicht beruhigen 
kann und mit dem alten Mittel der südafrikanischen englischen 
Politik, oder sogar der grossen englischen Politik — nämlich ge- 
legentlich die Eingeborenen gegen die Weissen aufznhetzen — in 
ausgiebiger Weise wirthschaftet. Um diese Verhältnisse zu würdigen, 
muss ein weuig weiter zurückgegriffen werden. 

Das Haus C. F. Lüderitz in Bremen hatte sich in Angra Pe- 
quena, der heutigen Lüderitzbucht, niedergelassen und einen Tausch- 
handel mit den Eingeborenen des Hinterlandes zu treiben beab- 
sichtigt. Die günstigste Zeit für das Geschäft in diesem Laude war 
schon vorbei, als Lüderitz sich dort niederliess. Ein paar Jahre 
lang hatte über die nördlich liegende Walfiscbbay ein so bedeu- 
tender Export von Produkten des Landes, Elfenbein, Häuten, 
Straussenfedem etc. stattgefundeu , dass das an und für sich an 
Handelsgegenständen arme Land — , wenn mau die gewaltigen 
Rindviehhecrden ausnimmt, deren Export sich aber bald als nicht 
mehr lohnend herausstellte, — gewissermassen ausgeplündert war. 
Es trat dann eine grosse Depression ein, von welcher sich heute 
auch das Land noch nicht erholt hat und unter welcher die 
Lüderitz’schen Geschäfte gelitten haben. Die Niederlassung bereitete 
wegen der Ausnahmestellung, welche sie genoss, den Kapstädtem 
nicht wenig Kummer. Noch grösseren Aerger aber empfanden sie, als 
sie erfuhren, dass Lüderitz, ehe er seine Niederlassung unternahm, 
sich des Schutzes des Deutschen Reiches vergewissert hatte, und es 
sich schliesslich herausstellte, dass sie in Folge ihrer eigenen schon 
früher bei der Behandlung der Klagen der im Hinterlande wohnenden 
Angehörigen der Rheinischen Missionsgesellschatt bewiesenen Gleich- 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


3 


gültigkeit und durcli das Ungeschick ihrer Diplomatie das Land vom 
Oranje- bis Knnenefluss verloren hatten. Nur Walfischbay war ihnen 
noch verblieben, welches für sie jedoch nur von einem geringen 
Werthe war. Als man in Kapstadt endlich eiugesehen hatte, dass 
man mit dem Faktum der deutschen Besitzergreifung zu rechnen 
habe, versuchte man auf die oben schon angedeutete Weise den 
Deutschen Schwierigkeiten zu bereiten. Seit längeren Jahren wüthen 
schon Kämpfe zwischen den Hereros und Namas, unter denen die 
deutschen Missionen schon zu der Zeit, als das Gebiet noch „no 
man's land“ war. sehr zu leiden gehabt hatten. Als nun mit dem 
Beginn der deutschen Schutzherrschaft diese Unruhen nicht gleich 
aufhörten, liefen sofort Reklamationen angeblich geschädigter Eng- 
länder ein, welche auch- ausserdem die Eingeborenen aufhetzten, so 
dass das Verhältnis zwischen Deutschen und Eingeborenen zeitweilig 
ein recht unerquickliches wurde. Die Missionare waren in einer 
womöglich noch schwierigeren Lage als vorher, und wenn sie auch in 
Person respektirt wurden, so wurden sie durch die fortgesetzten 
Viehdiebstähle und gereizten Eingeborenen nicht wenig geplagt. 
Unter diesen Umständen schien es bei der herrschenden Stimmung 
in Kapstadt selbstverständlich, dass die Annahme, Deutschland werde 
sich mit diesem schwer zu beruhigenden, ziemlich armen Lande nicht 
viel plagen, zu einer fixen Idee wurde, und die vorsichtige Sondirung 
des Reichskommissars Dr. Göring. ob die Kapregierung nicht Wal- 
fischbay gegen die in der Südostecke des deutschen Gebietes woh- 
nenden Bondelzwaarts austauschen wolle, in dieser Ueberzeugung 
von vornherein abgelehnt wurde. Es war dieses zu der Zeit, als < 
Charles Marvin ausführte, „dass der in Angra Pequena ausgeübte 
schattenhafte Schutz mit der Zeit auch verschwinden müsse, damit 
in Australafiika südlich vom Kap Frio an der Westküste und der 
Mündung des Flusses Sambesi an der Ostküste nur ein Staat, eine 
Flagge und ein Volk vorhanden sein möge“. Obwohl nun die Ent- 
deckung von Gold in dem deutschen Südwestafrika die Politiker in 
Kapstadt hätte davon überzeugen sollen, dass das Laud doch viel- 
leicht werthvoller für Deutschland sein würde, als sie aunahmen, so 
dauerten die Versuche der Ruhestörung doch fort und fanden einen festen 
Stützpunkt, als sich in diesem Frühjahr das Gerücht verbreitete. Einge- 
borene aus dem deutschen Gebiete wollten Walfischbay überfallen. Der 
Anlass dazu war einfach genug. Ein räuberischer Hottentotten-Häupt- 
ling, welcher jedoch nur gegen seine schwarzen Stammesfeinde in Fehde 
lag. Hendriek Witbooi, hatte seine Munition verschossen und gedachte 

1 * 


Digitized by Google 



4 


Strömungen in Afrika. 


sich in Waltischbay neu auszurüsten. Aber obwohl er au den bri- 
tischen Magistrat ein Schreiben voll tiefster Ehrerbietung richtete, 
und die formelle Versicherung gab, dass er gegen Weisse nichts iin 
Schilde führe, nnd auf Veranlassung des deutschen Polizeimeisters 
unverrichteter Sache wieder abzog. so genügte doch schon sein blosses 
Erscheinen, um die bittersten Klagen gegen die deutsche Regierung, 
in deren Gebiet Hendrick Witbooi wohnt, ertönen zu lassen. Im 
englischen ünterhause richtete sogar ein Mitglied an den Unter- 
staatssekretär für die Kolonien die Frage, oh die deutschen Behörden 
die nöthigen Schritte gethan hätten, um eine w irksame Ueberw achung 
der Eingeborenen des Schutzgebietes durchzuführen, insbesondere 
feindliche Angriffe gegen ausserhalb des Schutzgebietes liegende Be- 
zirke zu verhindern. Der Unterstaatssecretär ■antwortete ausweichend 
und schützte diplomatische Unterhandlungen mit der deutschen Re- 
gierung vor. Die Angst der paar Engländer in Waltischbay, welche, 
wie die Folge gelehrt hat, einfach lächerlich war, bot jedoch der 
Kapregierung die erwünschte Gelegenheit, nnnmehr zu zeigen, dass 
ihr das Wohl dieses Landes mehr am Herzen liege, als den Deut- 
schen. Es wurde sofort ein Kanonenboot mit 25 berittenen Kap- 
schützen nach Waltischbay beordert, welche Schanzen aufwarfen, 
ihr Feldgeschütz aussehifften und sich zum Kampfe bereit machten. 
Aber Sr. Maj. Kreuzer „Habicht“, welcher ebenfalls auf die ersten 
übertriebenen Gerüchte auf seiner Reise nach Norden den Hafen von 
Walfisehbay angelaufen hatte, fand nicht die geringste Unruhe und ging 
nach siebentägigem Aufenthalte am 1 . Mai wieder in See. Im Sommer 
wurde auch die von der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika 
in Kapstadt Angeworbene Schutztruppe in Waltischbay ausgeschifft, 
so dass dieselbe ihr Gewicht bei den Streitigkeiten zwischen den 
Eingeborenen, welche man wohl nicht zu tragisch nehmen darf, in 
die Wagschale werfen kann. Der Regierung der Kapkolonie aber 
bot sich eine gewünschte Gelegenheit, ihre Verdienste um die Auf- 
rechterhaltung der Ruhe in das rechte Licht zu stellen und der 
deutschen Regierung fast komisch klingende Vorwürfe zu machen. 
Noch in einer Sitzung des Kap-Parlamentes vom 21. Juni hat der 
Premierminister Sir Gordon Sprigg eine Gelegenheit wahrgenommen, 
seinem Aerger über die deutschen Erwerbungen in Südwestafrika 
freien Lauf zu lassen und auf dem Besitz von Waltischbay zu pochen, 
als ob dieser Hafen uns unumgänglich nöthig und es nicht möglich 
wäre, sollte das Vorkommen von Gold in Damaraland den Abbau 
Johnen, nach Sandwichhafen den Verkehr abzulcuken und dann 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


5 


Walfischbay lahmzulegen. Doch vielleicht lassen sich die Kapstädter 
durch die offiziöse Andeutung, Deutschland könnte es sich im Falle 
des Nachgebens der Engländer überlegen, ob es nicht für seine süd- 
westafrikanischen Besitzungen einem geplanten südafrikanischen Zoll- 
verein beitreten würde, eines besseren über ihre wirklichen Interessen 
belehren. Jedenfalls können sie überzeugt sein und ihre Politik 
darnach einrichten, dass der englischen Besitzausdehnung in Süd- 
westafrika eine unüberwindliche Schranke sich gegeuüberstellt. 

Leider ist auch der deutschen Ausdehnung nach Osten hin für 
einen grossen Theil eine Schranke gezogen, nachdem England da« 
Betschuanaland annektirt hatte und nach dem beiderseitigen Ueber- 
einkommeu als englisches Gebiet die in den Winkel des 20° öst- 
licher Länge (Greenwich) und des 22° südlicher Breite fallenden Land- 
striche erklärt wurden. Die Grenzfrage für das zwischen dem 20° 
südlicher Breite und der portugiesischen Grenzlinie liegende Gebiet 
ist nach Osten hin aber noch offen. Die Engländer nehmen gemeiniglich 
den 25° östlicher Länge als Grenze an, welcher angeblich das aus Furcht 
vor gemuthmaassten deutschen Bestrebungen unter englischen Schutz 
gestellte Reich Khamas von dem Gebiete der Rothen Nation 
scheidet, mit welcher die Deutschen Verträge geschlossen haben. 
Aber auch diese, den englischen Interessen sicher Rechnung tragende 
Grenzlinie genügt den Engländern nicht, sie soll weiter nach Westen 
geschoben werden bis zum Ngamisee, da englische Wünsche in die- 
ser Richtung laut geworden sind. Die ganze Angelegenheit ist aber 
nicht brennend, da diese Gebiete wohl noch für lange Zeit nicht der 
Kultur erschlossen werden dürften. England sucht sich nunmehr, 
nachdem es seinen Zweck, eine Schranke gegen die Deutschen auf- 
zubauen, erreicht hat, des Betschuanalandes zu entledigen und das- 
selbe der Kapkolonie zuzuwenden. 

In gewissem Sinne hat die britische Regierung dieses Land den 
Buren entrissen. Als nach der schmachvollen Niederlage der Eng- 
länder unter Sir George Collier am Majuba-IIügel die holländischen 
Farmer aus dem Transvaal in das Betschuanalaud zu „treken“ antingeu, 
sandte das englische Kolonialamt Sir Charles Warren aus, um den 
Bürgern der neugegründeten Buren-Republiken Stellaland und Goschen 
das Handwerk zu legen. Sie wurden auch zumeist ohne Schwierig- 
keit vertrieben, und vor etwa drei Jahren fand eine Theilung de« 
Landes statt. Unter dem Namen „britisches Betschuanaland“ wurde 
ein Theil, der südliche, als Kronkolonie dem Reiche einverleibt und 
direkt vom Kolonialamt aus verwaltet. Der Rest, der nach Norden 


Digitized by Google 



6 


Strömungen in Afrika. 


liegt, wurde auter britische Botinässigkeit gestellt. Eine kleine 
Polizeimacht genügte, um dieses ausgedehnte Gebiet in Ordnung zu 
halten. Nun haben aber die Vorgänge im Basutoland, das 1871 
ebenfalls an die Kapkolonie ausgeliefert wurde, 1880 aber im vollen 
Aufruhr stand und wieder direkt unter die britische Krone gestellt 
zu werden verlangte, das englische Publikum gegen die Kapkolonie 
misstrauisch gemacht und es haben sich in England gewichtige 
Stimmen dagegen erhoben, da die Kapkolonie sicher ihren Ver- 
pflichtungen nicht werde nachkommen können. Doch da die Land- 
nnd Goldspekulation des Kaplandes sich einmal dieses Gebiet aus- 
gesucht. hat, werden die warnenden Stimmen wohl in den Wind ge- 
redet sein. 

Die Engländer, wenigstens der grössere Theil der Nation, haben 
jetzt auch besonders Aspirationen auf der Ostküste, wo sie eine be- 
merkeuswerthe Rührigkeit entwickeln, sowohl politisch als wirth- 
schaftlich ihre Grenzen nach Norden zu schieben, bis zum Sambesi. 
Es treten augenblicklich Strömungen klar zu Tage, die „Angliede- 
rung“ des Zululaudes vollkommen durchzuführen, Transvaal ganz 
einzuengen und Portugal als eine quantite negligeable zu behandeln 
und einzuschüchtern. 

Das Zululand befindet sich noch immer in einem Zustande 
heftiger Gfthrung, und es schien eine Zeit, als ob ein allgemeiner 
Krieg unter Zulus und Engländern ansbrechen würde, wobei natür- 
lich wieder die Engländer Eingeborene gegen Eingeborene ansgespielt 
hätten. Nach der Unterwerfung des Königs Ketschwayo war es den 
Engländern als das Klügste erschienen, das Land unter dreizehn 
Herrscher zu vertheilen, damit keiner über den andern sich über- 
hebe. Mit Ausnahme eines gewissen Usibepu, welcher viel Gewalt 
au sich riss, blieben die Zaunkönige auch herzlich unbedeutend und 
unterwarfen sich dem später in Amt und Würde eingesetzten Ketsch- 
wayo. Aber Usibepu war nicht so leicht zu depossediren, er über- 
zog Ketschwayo mit Krieg uud setzte nach dessen Tode den Kampf 
gegen dessen Sohn Dinizulu fort, welcher die Buren des Transvaal 
zu Hülfe rief und sie mit grossen Landschenkungen bedachte, wo 
dieselben die „Neue Republik“ mit der Hauptstadt Vryheid grün- 
deten. Dinizulu bereute bald seine Freigebigkeit, die Engländer misch- 
ten sieh in die Sache, theilten das Zululand, dessen eines Drittel sie 
den Buren, ein anderes Dinizulu und ein anderes Usibepu zusprachen, 
und amiektirten schliesslich das ganze Land mit Ausnahme des 
Burenantheils, welcher sich zu Transvaal schlug. Die Engländer er- 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 7 

kannten mit sauersüsser Miene die Unabhängigkeit dieses Gebietes 
an, um nicht die Transvaaler bei den drohenden Konflikten mit den 
Zulus gegen sich zu haben. Aber es war der grosse Fehler began- 
gen, das Zululand, anstatt es in energischer Weise zu verwalten, 
dem Gouverneur von Natal zu unterstellen, einer Kolonie, welche 
höchstens 40 000 Weissen 400 000 Eingeborene, der Mehrzahl nach 
den Zulus angehörig, zählt. Seit dieser Zeit war Dinizulu Rebell 
und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die schwächliche englische 
Politik im Zululande, welche vornehmlich aus der Befürchtung, mit 
Transvaal in Konflikt zu kommen, und aus der Erkenntniss der eigenen 
geringen Machtmittel zu erklären ist, noch mancherlei bedenkliche 
Erscheinungen zeitigen wird. 

Denn der grosse Gegensatz zwischen Engländern und Buren, 
welcher sich in der Bildung des Oranje-Freistaates und der südafrika- 
nischen Republik verkörpert hat, besteht trotz aller Ableugnungen 
noch heutzutage ebenso mächtig als früher. Selbst in der Kapkolonie 
ist mit wenig Ausnahmen der Zwiespalt noch vorhanden, wenn auch 
die „Afrikander“ sich dort gemässigter zeigen. Die unfreundliche 
Stellung des Transvaal gegenüber der englischen Regierung ist leicht 
erklärlich, wenn man die Geschichte der Buren-Auswanderer über- 
blickt, welche, von den Engländern oft auf das Schmählichste be- 
trogen, erst durch die Schlacht am Majubaberge sich aus dem Banne 
Englands losmachen mussten. Aber wenn auch dadurch für eine 
Zeit die englischen Ansprüche vernichtet wurden, so brachte die Ent- 
deckung der Goldfelder und das kolossale Zuströmen von weissen 
Abenteurern neue Gefahren, da das Uebergewicht der Buren zu ver- 
schwinden drohte. 

Besonders gefährlich für die Buren ist der Umstand, dass das 
grosse Geschäft fast ganz in den Händen der Engländer liegt, da 
das fremde Kapital, mit Ausnahme des englischen und holländischen, 
bis jetzt vor Kapitalanlagen in Transvaal zurückschreckte. Doch hat 
sich in neuerer Zeit hierin ein Umschwung vollzogen, wie auch eine 
deutsche bedeutende Bank in Konkurrenz um eine Staatsbank mit 
einer holländischen getreten ist und die Entscheidung darüber mög- 
licherweise zu Gunsten des deutschen Unternehmens, welches die 
Sache viel grossartiger geplant hat als das holländische und die besten 
Garantien gähnten hat, ausfallen wird. Auch bei dem Unternehmen 
der Delagon-Bay-Eisenbalm, welche nach Pretoria geführt werden 
soll, ist deutsches Kapital interessirt, während die Minenkonzessionen 
sich in den Händen der Engländer befinden, welche ganz englische 


Digitized by Google 



8 


Strömungen in Afrika 


Städte geschaffen haben und vollkommen englische Distrikte her- 
steilen, um zu geeigneter Zeit eine Agitation für „Annexion“ der 
selben durch eine englische Kolonie einleiten zn köunen. Die Trans- 
vaaler fühlen sich anch hente noch ihres Besitzes durchaus nicht 
sicher und suchen sich, ans ihrer idyllischen, trägen Beschaulichkeit 
wieder einmal aufgerüttelt, gegen etwaige Uebergriffe zu schützen. 
Einmal geschieht dies u. A. neuerdings durch die Pflege der Aus- 
breitung der holländischen Sprache und gegen eine etwa wieder anzu- 
wendende Taktik der Engländer, mit den Eingeborenen gegen sie ge- 
meinsame Sache zu machen, durch geplante Verschärfung des Ge- 
setzes, nach welchen die Eingeborenen dort wohnen sollen, wo ihre 
Häuptlinge wohnen. Ueber diese sogenannten Lokationen würde dann 
ein Regiernngsbeamter die Aufsicht führen, wodurch eine Wieder- 
holung der schmachvollen früheren Vorgänge, dass nämlich die Eng- 
länder die Kaffem gegen die Buren bewaffneten, sehr erschwert 
werden dürfte. 

Diese politischen Schachzüge der Buren sind zwar nicht zn ver- 
achten. aber gegen die der Engländer, welche jetzt endgültig die Buren 
von der See abgeschnitten nnd ihrem Vordringen nach Norden ein 
Ziel gesetzt haben, können sie nicht aufkommen. Die jüngsten 
Ereignisse beweisen dies zur Genüge. Ein Artikel der am 27. Fe- 
bruar 1884 zu London Unterzeichneten Konvention lautet: „Die 

südafrikanische Republik darf keinerlei Vertrag eingehen mit irgend 
einem Staate oder einem Volke, ausser mit dem Oranje-Freistaat, 
auch nicht mit irgend einem Stamme der Eingeborenen im 
Osten oder Westen der Republik, bevor solcher nicht durch die 
Königin von England gutgeheissen ist.“ Der südafrikanischen 
Republik stand also nur noch der Weg nach Norden offen, wo 
die Engländer beim Abschluss der Konvention keine Interessen 
hatten. Die Situation änderte sich aber bald. Es ist von einer hollän- 
dischen Seite, welche uns nicht freundlich gesinnnt ist. behauptet 
worden, der englischen Regierung seien die Beweise in die Hände 
gefallen, dass die südafrikanische Republik, durch deutsche Intriguen 
verleitet, ihr Auge auf ein zukünftiges deutsches Protektorat geworfen 
hatte, und dass die Deutschen beabsichtigten, ihre Erwerbungen quer 
über den Kontinent bis zum Sambesi auszudebneu. Abgesehen da- 
von, dass nicht der geringste Beweis für das Vorhandensein einer 
solchen Absicht erbracht war, so standen ja schon die bestehenden 
Abgrenzungsverträge wie ein fester Damm einem solchen Beginnen ent- 
gegen. Jedenfalls wäre es nach der englischen Protektoratserklärung über 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


9 


Betschuaualand nud Khamas Reich, welch' letzteres im Nordwesten 
von Transvaal liegt, für die Deutschen äusserst schwierig gewesen, 
die Verbindung herzustellen. Doch soll die Möglichkeit, dass auch 
diese Annahme mitbestimmend für ein englisches Vorgehen nördlich 
des KrokodilHusses, der Grenze des Transvaal und Amandebele- oder 
Matebelereiches. gewesen sei, nicht ganz von der Hand gewiesen 
w erden. Bedeutender wirkte jedenfalls die Nachricht von Goldfunden 
in diesen Ländern, welche sofort die Abenteurer aller Nationen in 
helle Aufregung versetzte und die frühereu Mittheilungen unseres 
Landsmannes Manch und des englischen Reisenden Thomas Baines 
vollkommen bestätigte. Die alte viel bestrittene Behauptung, dass 
östlich von Sofala das Ophir Salomos zu suchen sei. gewann plötz- 
lich an Glaubwürdigkeit. Die Gefahr, dass abenteuernde Buren mit 
Lobengula, dem Herrscher des Amandebelereiches, in Verbindung 
treten und den Engländern znvorkommen könnten, lag nun um so näher, 
als die Buren schon einige Beziehungen mit Lobengula, dem Herrscher 
dieses Reiches, unterhielten. Um die Bewegungen der Engländer zu 
verschleiern, wurde eine schaurige Geschichte ersonnen, nach welcher 
Lobengula eine Anzahl von Eingeborenen, welche er einem englischen 
Jäger Selons znrBegleitung gegeben hatte. abermitdemVerbot nach Gold 
zu suchen, hatte niedermachen lassen, als sie dasselbe übertraten. 
Man hoffte durch solche Geschichten, welche sich bald als unwahr 
herausstellten, noch die Einwanderer so lange zurückzuhalten, bis das 
Gebiet den Engländern gesichert war, was dem englischen Kommissar im 
nördlichen Betschuanaland, J. S. Moffat. dem Sohne eines bekannten 
südafrikanischen Missionärs, nach mancherlei Mühen gelungen ist. 
Er hatte den Einfluss der Buren zu bekämpfen, welcher im Wachsen 
begriffen war. Entweder hatte nuu Lobengula den Abgesandten der 
Transvaaler. einen gewissen Commandeur Grobelaar, schon vorher ab- 
schlägig beschieden, oder nachdem er sich unter englisches Proteetorat 
gestellt hatte, jedenfalls wandte) sich Grobelaar nach Khamas Reich, 
vielleicht in der Absicht, dort Raum für neue Ansiedler zu gewinnen. 
Kaum aber war dies in Kapstadt bekannt geworden, als sofort die 
Klage wegen Grenzverletzung erhoben und die Transvaal-Regierung 
genöthigt wurde, zusammen mit einem englischen Commissar darüber 
eine Untersuchung einzuleiten, über deren Resultat noch nichts be- 
kannt ist. Die Sache wurde dadurch noch komplizirter. weil 
Grobelaar auf seiner Rückreise nach dem Transvaal mit einigen 
Khamas Streit bekam, in dessen Verlauf er so schwer verwundet 
wurde, dass er seinen Wunden erlag. Von englischer Seite ist diese 


Digitized by Copglc 



10 


Strömungen in Afrika. 


Angelegenheit als eine möglichst harmlose hingostellt worden, aber 
die Transvaaler sind anderer Meinung und wollen diesen Ueberfall 
mit den Plänen der Engländer in Verbindung bringen. Ob mit. Recht, 
oder Unrecht kann jetzt noch nicht benrtheilt werden. 

Jedenfalls steht Lobengula jetzt unter englischem Schutze. Wie 
lange er sich wohl dabei befinden wird, ist eine andere Frage, da 
er ein mächtiger, kriegerischer Herrscher, ist und bald die Schwäche 
der englischen Regierung durchschauen dürfte. Die Buren in Trans- 
vaal sind aber vollkommen isolirt. Der Wunsch, die englische 
Herrschaft bis zum Sambesi auszudehuen , wäre nun soweit er- 
füllt, wenn nicht auch in dieser Gegend die Portugiesen gewisse 
Rechte hätten, die nicht so leicht aus der Welt zu schaffen sind, 
denn dieses ganze grosse Gebiet bildet das Hinterland der portu- 
giesischen Besitzungen an der Küste. 

Während des englisch-deutschen Streites über die Besitzungen 
in Südwestafrika hatte Lord Derby, der Gouverneur des Kaplandes, 
erklärt, es sei nicht dem internationalen Gebrauche entsprechend, 
Territorien zu annektiren, welche unmittelbar an das bestehende 
deutsche Gebiet grenzten. Aber dieser Akt internationaler Höflich- 
keit war eine Ausnahme. Schwachen Nationen gegenüber ist die 
englische Politik stets eine äusserst rücksichtslose gewesen und hat 
die im Verkehr zwischen befreundeten Nationen übliche Ueber- 
lieferung nach Belieben über den Haufen geworfen, während andere Na- 
tionen dieselbe respektirten. Als im Tongogebiete Erwerbungen gemacht 
wurden, welche geographisch vielleicht zu dem Hinterlande der eng- 
lischen Küste gehörten, erhob sich sofort, in England ein grosses 
Geschrei darüber und das Deutsche Reich hat. soweit uns bekannt, 
diese Erwerbungen bis jetzt noch nicht allgemein anerkannt. Aber 
bei den Portugiesen liegt die Sache, nach englischer Anschauung, 
insofern anders, als die Portugiesen ja gar nicht im Stande sein 
sollen, diese Gebiete jemals der Kultur zu ersehliessen. 

Ein Körnchen Wahrheit ist in dieser Angabe, welche auch in 
Deutschland ihre Anhänger findet, sofern sie sich auf eine vergangene 
Zeit bezieht. Aber in der Neuzeit hat sich ein bemerkenswerther 
Umschwung vollzogen und die Portugiesen haben sich mit einer 
geradezu staunenswertheu Energie ans ihrem Schlummer erapor- 
gerafft. lu Afrika und Indien sind Eisenbahnen in einer Länge von 
163 km im Betriebe, 65 km im Baue begriffen und 524 km pro- 
jektirt, darunter die Mehrzahl in Angola und Mozambique. Die 
Einnahmen aus den Kolonien haben sich von 3 Millionen Mark in 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


11 


1856 auf 12 Millionen Mark in 1887 erhoben und die Lorbeeren 
eines Gania und Albuquerque lassen portugiesische Forscher 
nicht mehr ruhen. Diese Thätigkeit ist nicht zum Mindesten dem 
Vorgehen der Kougokonferenz in Berlin zuzuschreiben, welche über- 
aus befruchtend auf die koloniale Thätigkeit aller Länder gewirkt 
hat. Mit grosser Hartnäckigkeit, welche aus dem Bewusstsein seines 
guten Rechtes entspringt, hält Portugal an seinen Besitzungen fest; 
in diesem Gefühle hat es, ziemlich ohne Rücksicht auf das Gut 
englischer Unterthanen in der Tungiaffaire gehandelt und setzt es 
den Wünschen des englischen Kabinets, den Sambesi zu einer voll- 
kommen freien Wasserstrasse nach Analogie des Kongo und Niger 
zu machen, jetzt ein taubes Ohr entgegen. Wenn nämlich die 
Engländer jetzt dabei sind, ihre „Interessensphäre“ — ein völker- 
rechtlich noch etwas dunkles Wort — südlich des Sambesi zu be- 
gründen, so hatten sie nördlich davon schon früher eine solche 
geschaffen, durch Anlegung von Missions- und Handelsstatiouen am 
Nyassasee. Der Weg dorthin geht den Sambesi hinauf, über den 
Schire. Die Portugiesen, welche seit langen Zeiten im Besitze der 
Mündung des Sambesi sind, an dem sie mehrere Niederlassungen 
haben, haben nnu einen ad valorem Zoll tür Transitgüter erhoben, 
unter dem natürlich die englischen Missionen zu leiden hatten. Das 
Geschrei in England wuchs besonders nach der Beschlagnahme des 
englischen Dampfers „James Stevenson“ durch die Portugiesen, so 
dass Lord Salisbury im Parlamente den Wunsch, der früher einmal 
schon sogar seiner Erfüllung nahe gewesen war, aussprach, den Sam- 
besi zu einer freien Wasserstrasse zu machen. Es versteht sich 
von selbst, dass die eigentlichen Gründe für diese Anregung, die 
Macht der Portugisen zu unterbinden, nicht genannt wurden: es 
sollte durch den freien Verkehr nur der Sache der Zivilisation ein 
grosser Dienst geleistet werden, und da bei den Engländern in einer 
eigeuthümlichen, um nicht zu sagen glücklichen Weise die Inter- 
essen des Christenthums, der Zivilisation und des Handels verknüpft 
sind, so liess sich auch leicht diesem Vorgehen durch das Betonen 
der humanitären Beziehungen eine gewisse Rechtfertigung geben. 
Am Nyassasee nämlich hatten arabische Sklavenhändler die Missions- 
station Karonga angegriffen, später war ein englischer Konsularbe- 
amter von aufgereizten Eingeborenen gefangen genommen worden, 
und die Behauptung, dass aus portugiesischen Häfen noch immer viele 
Sklavenschiffe ausliefen, wurde deshalb mit stets wachsender Er- 
bitterung wiederholt. Obwohl aus kleinen portugiesischen Häfen an 


Digitized by Google 



12 


Strömungen in Afrika. 


der Ostküste noch heimlich arabische Dhans mit Sklaven anslaufen 
mögen, da au Schlupfwinkeln an der östlichen Küste kein Mangel 
ist, so war die Bedeutung dieses Handels in diesem Gebiete sicher 
sehr übertrieben. 

Die ungünstigen, nicht selten übelwollenden Berichte, die über 
den wirthschaftlichen Zustand und die staatliche Verwaltung der 
portugiesischen Colonien namentlich seitens der englischen Presse 
verbreitet werden, haben nun mehrfach den Glauben erweckt, dass jene 
Besitzungen dem Mutterlande keinen nennenswerthen Vortheil bringen 
und eher als ein Hinderniss für das Fortkommen desselben zu er- 
achten sind. Die kläglichen Budgetverhältnisse dieser Kolonien 
scheinen jene Ansicht zu bekräftigen, und es ist daher nicht zu ver- 
wundern. wenn schon wiederholt den Portugiesen nahegelegt worden 
ist. sich ihrer kostspieligen Kolonien gegen Entgelt zu entledigen. 
Dass diese Ansicht aber der Begründung entbehrt, beweisen die Ta- 
bellen über den Umfang des Kolonialwaarenhandels, sowie den 
Nutzen, den Portugal, speciell Lissabon, aus demselben zieht. 
Lissabon liefert den schlagendsten Beweis für den Vortheil, den der 
Besitz von Kolonien mit sich bringt, denn trotz der unleugbaren 
Misswirtschaft in den aussereuropäischen Besitzungen Portugals, 
und obwohl der Handel zwischen diesem und dem Mutterlande nur 
wenig staatlich begünstigt wird — zahlen doch alle aus den portu- 
giesischen überseeischen Provinzen ausgeführten Waaren ohne Rück- 
sicht auf das Bestimmungsland einen 3 — öprozentigen Ausfuhrzoll 
— hat sich Lissabon als ein Platz ersten Ranges für Kolonialwaaren 
behauptet. 

In Portugal denkt man also gar nicht daran, seine Rechte auf 
die Kolonien aufzugeben, wie dies auch aus einer Antwort hervor- 
geht, welche der portugiesische Minister des Auswärtigen, Herr de 
Barros Gomes, der geographischen Gesellschaft in Lissabon ertheilt hat, 
welche eine strenge Untersuchung über einige in Lourcnco Marques 
ausgebrochene Unruheu verlangte und dabei einige Anregungen für 
die Entwicklung von Portugiesisch-Südostafrika gab. 

Mit Bezug auf die in der englischen Presse hervorgetretene 
Neigung, die Delagoabay und das Hinterland von Portugiesisch-Ost- 
afrika für britischen Einfluss zu gewinnen, fiusserte sich der Minister 
wie folgt: 

Lassen wir uns nicht ?.u leicht dadurch erregen, dass irgend ein Publizist sich 
veranlasst siebt, über Lourenco Marques zu schreiben. Der schönste Hafen der 
ganzen afrikanischen Küste wird portugiesisch bleiben, weil zur Aufrechterhaltung 


Digitized by Google 



•Strömungen in Afrika. 


13 


unseres dortigen Besitzstandes gleichzeitig der sehr bestimmte Wille der Nation, 
die klaren Bestimmungen des internationalen Rechts, sowie die Treue und Loyalität 
der befreundeten und benachbarten Mächte mitwirken; ja, selbst die in mancher 
Hinsicht entgegengesetzten eigenen Interessen dieser Mächte werden letztere be- 
stimmen. die vorliegende Lösung der geschichtlichen Entwicklung gern jeder anderen 
Gestaltung der Dinge vorzuziehen, bei welcher die Entfaltung und Selbständigkeit 
des Handels leicht gefährdet sein könnte. Ebenso wie Lourenfo Marques den ge- 
räumigsten Zugangshafen Südafrikas bildet, so besitzt unser Gebiet von Mozambique 
neben seinem ausserordentlichen Mineral- und ßodeureichthum, sowie seiner zahl- 
reichen und erwiesenermaassen zur freien Arbeit bereitwilligen Bevölkerung, na- 
mentlich in dem Sambesi, dem Schire und andereu Nebenflüssen jenes Stromes, 
wie in dem grossen Nyassa-See die beste Strasse zum Eindringen in das Innere 
des Kontinents und in die äquatorialen Länder. Diese Lage bürdet uns Pflichten 
gegen alle Nationen auf, welche an der Entwicklung der christlichen und euro- 
päischen Zivilisation intereasirt sind. Die Last dieser Pflichten müssen wir bereit- 
willig hinnehmen. Wir müssen, ohne Zeit zu verlieren, die Eisenbahn von Lourengo 
Marques bis zur portugiesischen Grenze verlängern und mit der Regierung des 
Transvaal -taat es, dessen Interessen mit den unseren gemeinsam siud, ein offenes 
und ehrliches Einvernehmen hersteilen, welches zu einem unerlässlichen und billigen 
Uebereinkomraeu in der Tariffrage zwischen den beiden Unternehmungen führt 
und die Fortsetzung der Linie bis Pretoria ermöglicht. 

Diese Aeusserungen des Herrn de Barros Gomes wurden in der 
portugiesischen Presse ohne Unterschied der Parteistellung mit leb- 
hafter Genugthung hegrüsst, wie überhaupt die öffentliche Meinung 
in Portugal sich gegenwärtig mit keinem Gegenstaude eifriger be- 
schäftigt, als mit den Maassregeln zum Schutz und zur Entwicklung 
der überseeischen Besitzungen. In unserem Interesse muss es liegen, 
Portugal, welches int Allgemeinen seit einigen Jahren den deutschen 
kolonialen Interessen nicht feindlich gegenübersteht, gegen die Ueher- 
griffc Anderer, soweit es nur augeht, zu unterstützen. 

Es ist vorhin der Schwierigkeiten erwähnt worden welche 
arabische Sklavenhändler den kolonisatorischen Bestrebungen der 
Engländer am Nyassa entgegensetzen und damit schon die Frage 
gestreift, welche eine der brennendsten in Zentral- und Ostafrika ist, 
die arabische. 

Seit alten Zeiten schon linden wir Araber in Ostafrika, denn 
nur die schmale Mandebstrasse trennte Ostafrika von Arabien, und 
der Reichthum des Elfenbein und Gold produzirenden Landes, vor 
allem aber der Sklavenhandel veranlasste bald einen lebhaften 
Schiffsverkehr mit der asiatischen Halbinsel. Ueber die Wüste 
drangen mit dem Islam die Araber 1086 — 1097 in Boruu ein 
und nach Wadai, Darfnr und Kordofan gelangten sie im 13. Jahr- 
hundert, während es in Nubien noch im 14. Jahrhundert Christen 


Digitized by Google 



14 


Strömungen in Afrika. 


gegeben haben soll. Ein starker Strom hatte sich aber auch nach der 
Ostküste Afrikas gewendet, die rothen und schwarzen Völker be- 
kehrend und beherrschend und später Sultanate gründend, welche 
Macht genug hatten, die Europäer von den Küsten zu vertreiben. 

Nach einer Schätzung des Kardinals Lavigerie giebt es heute 
allein vom Sudan bis zum Nil mehr als seehszig Millionen Mohame- 
daner. Zwischen Sierra-Leone und Egypten ist sicher der Islam 
die einzige moralische und geistige Macht, welche die besten Ge- 
biete in Besitz genommen und ihren Stempel dein öffentlichen 
und religiösen Leben der Eingeborenen aufgedrückt hat, und zwar 
hier und dort in einer solchen Weise, dass der europäische Einfluss 
dagegen kaum anfkommen kann. Die fanatischen Sekten, welche 
in Nordafrika ihren Sitz haben, bieten ein zu gewaltiges Gegen- 
gewicht dar, und die mohamedanischen Missionare, die Hadschis, 
werden immer mehr zu gefährlichen Fanatikern. Die 90 bis 100 
Tausend Mekka-Pilger, welche sich alljährlich auf dem Berge Arafat 
zusammenfinden, vertreten ungefähr 170 Millionen Mohamedaner, 
unter welchen die Araber die fanatischsten sind. Diese Pilgerreise 
nach Mekka hat durchaus nicht nur einen religiösen Charakter, sie 
verfolgt einen ausgeprägten politischen und socialen Zweck, so dass 
inan sagen kann, an den heiligen mohamedanischen Stätten ver- 
sammelt sich alljährlich ein grosses Parlament, dessen Theilnehmer 
sich über die die muselmännische Welt beschäftigenden Tagesfrageu 
aussprechen und sich eine Vorstellung davon machen können, in wie 
weit der Islam in der zukünftigen Politik interessirt ist. Das 
Araberthum, welches sich noch zu grossen Dingen in Arabien wie 
Asien berufen glaubt, giebt hier den Ton an und fauatisirt die 
Pilger, welche den zu Hause gebliebenen Glaubensgenossen rait- 
theileu, was in Mekka verhandelt worden ist. Arabisch ist ferner 
die Literatursprache von Zentralafrika. Betrachtet mau dazu noch 
den Einfluss, welchen die Araber durch die Sklavenjagden und den 
Handel ausübeu, ihren scharfen sich bei jeder Gelegenheit üussernden 
Gegensatz zu dem Europäerthum, so sucht vielleicht Mancher, wel- 
cher die arabische Afterzivilisation durch eine höhere ersetzen 
möchte, vergebens nach den Mitteln und Wegen, welche eine Hand- 
habe bieten könnten, den Strom der biblischen gelben Rasse ein- 
zudämmen. Man muss bei Betrachtung dieser Fragen jedoch nicht 
aus den Augen verlieren, dass der arabische Einfluss nicht unange- 
fochten in Zentralafrika herrscht. Selbst nördlich von der Linie, 
welche sich vom Golf von Guinea nach den oberen Nil erstreckt. 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


15 


giebt es Stämme, welche nur theilweise zum Islam bekehrt sind, wie 
die Mandingos und Futa-Djallon, während einige Wnloff- und Bam- 
bara-Stämme mehr Heiden als Mohamedaner sind. Auch giebt es 
in der Nachbarschaft von Baghirmi eine ganze Reihe von heidnischen 
Stämmen. Dagegen ist in der Gegend der Quellen des Nils in den 
Staaten Uganda, Unjoro bis znm Tanganjika und selbst bis zu den 
Stanleyfällen, wo Tippu Tip ein höchst gefährlicher Nachbar für den 
Kongostaat geworden ist, weiter nach dem Süden bis zu den Terri- 
torien westlich vom Nyassa derjenige arabische Händler und Jäger 
thätig, welcher von Sansibar seinen Ausgang nimmt. Seine Agita- 
tion gegen die Europäer macht sich hier sehr fühlbar. Aber es 
giebt auch hier eine ganze Anzahl von Stämmen, welche die Araber 
weder unterjochen, noch zur Annahme des Islams haben zwingen 
können. So sind die Diuka, die Bari, die Niam-Niam u. s. w. 
noch Heiden, und selbst an der Ostküste Afrikas, wo die Araber 
hunderte von Jahren herrschen, finden sich viele heidnische Neger- 
stämme. 

Im egyptischen Sudan wurde der Gegensatz zwischen der 
europäischen Zivilisation und dem Araberthum, welches die Sudanesen 
zur Empörung drängte, zuerst brennend. Der Erfolg der Empörung 
war bekanntlich ein grosser. Die wegen ihrer Bestrebungen zur 
Unterdrückung des Sklavenhandels im Sudan sehr gehassten 
Engländer haben bald das Gebiet verloren und die greulichste 
Wirthschaft konnte ihm schauerliche Orgien feiern. Der Sklaven- 
handel, die Herzkrankheit Afrikas, blühte wieder auf, denn der egyp- 
tische Sudan kann noch Millionen schwarzer Sklaven gebrauchen. Nur 
Emin Pascha hat sich im südlichsten Gebiet der Aequatorialprovinz 
noch halten können, abgeschlossen von allem Verkehr mit der Aussen- 
welt und fast, von der Gnade der ihn umgebenden Negerfürsten ab- 
hängig. Ein seltsames Bild fürwahr! Ein deutscher namhafter Forscher 
im Herzen Afrikas für die ihm anvertraute Provinz sorgend, ihre Be- 
wohner auf eine höhere Stufe der Zivilisation unter den grössten 
Mühen und Entbehrungen hebend und den Gedanken weit von sich 
weisend, sich selbst zu retten und die ihm vertrauenden Menschen 
zu verlassen. Ein Beispiel fast antiker, einfacher Grösse, welches 
in unserer au solche Charakteren armen Zeit Jeden mit Bewunde- 
rung erfüllen muss. Die Bewegung, welche zu seiner Rettung in 
der zivilisirten Welt entstanden war, hatte auch Deutschland er- 
griffen, sodass bei diesem Gegenstände noch etwas länger verweilt 
werden muss. 


Digitized by Gd&gle 



16 


Strömungen in Afrika. 


Emin Pascha ist ein Deutscher, Namens Eduard Schnitzer, 
geboren am 28. März 1840 in Oppeln, von wo seine Familie be- 
reits 1842 nach Neisse verzog, wo seine hochbetagte Mutter und 
eine Schwester noch jetzt leben. Nachdem er das Gymnasium seiner 
Vaterstadt absolvirt, in Breslau und Berlin Medicin studirt und 
1864 promovirt hatte, trieb ihn die Sucht nach dem Unbekannten 
und seine Vorliebe für die Naturwissenschaften in die Fremde. Er 
ging nach der Türkei, wo er bei dem damaligen Vali Muschir Di- 
vitschi Ismael Hakki Pascha Aufnahme fand und mit diesem die 
verschiedenen Provinzen des weiten türkischen Reiches, Armenien, 
Syrien und Arabien bereiste. Im Jahre 1875 machte er eiuen Be- 
such in seine Heimath, jedoch trieb ihn seine Wanderlust bald 
wieder in die Fremde, und so befand er sich schon im Jahre 1876 
unter dem Namen Emin in Diensten der egyptischen Regierung, 
welche ihn dem Generalgouverneur des Sudans. Gordon Pascha, zur 
Verfügung stellte. 

In den Jahren 1863 bis 1876 hatte der englische Reisende Sir 
Samuel Baker zahlreiche Forschungs- und Jagdzüge am oberen Nil 
unternommen und daselbst die schrecklichen Sklavenjagden und die 
mit dem Sklavenhandel verbundenen Blutthaten kennen gelernt. Er 
unterbreitete infolgedessen dem Khedive von Egypten den Plan, 
jenen Theil des Sudans zu erobern. Diesem kamen Bakers Vor- 
schläge sehr gelegen; einmal rechnete er auf bedeutende Einnahmen, 
die ihm bei seiner verschwenderischen Lebensweise sehr willkommen 
sein mussten, dann aber hoffte er. sich durch die Vergrösserung 
seiner Macht demnächst von der türkischen Oberhoheit unab- 
hängig machen zu können. Im Herbst 1870 drang Baker bis Gon- 
dokoro am oberen Nil vor. Es gelaug ihm auf mehreren Zügen ins 
Innere den Sklavenhandel zu unterdrücken, drei Stationen im 
Sudan auzulegen, den kleinen despotischen Fürsten Furcht und 
Schrecken einzujagen und die Grundlagen staatlicher Einrichtungen 
herzustollen. Da indess die erhofften Einnahmen ansblieben, Bakers 
Unternehmungen vielmehr bereits 26 Millionen Francs verschlungen 
hatten, so fiel er bei dem Khedive in Ungnade: er wurde abbe- 
rufen und Gordon zu seinem Nachfolger bestimmt. Letzterer ver- 
waltete sein Amt mit Gerechtigkeit und Milde, fügte den drei be- 
reits bestehenden sieben weitere Stationen hinzu und dehnte seine 
Herrschaft 1500 Kilometer weit nach Süden aus, so dass ihm ein 
Gebiet 5*/a Mal so K ross als Deutschland unterstellt war. Bis zum 
Jahre 1876 hatten nur die arabischen Provinzen mit der Hauptstadt 


Digitized by Google 


Strömungen in Afrika. 


17 


Khartum eine eigene Organisation, die Gordon nun aueh auf die 
Negerprovinzen ausdehnte, zu deren Hauptstadt Lado bestimmt 
wurde. Emin Bey fungirte anfangs bei Gordon als Chefarzt und 
Verwalter der Vorrathsmagazine. Bald hatte dieser Emins ausser- 
gewöhnliche Fähigkeiten und vielseitige Begabung erkannt und be- 
traute ihn mit wichtigen Missionen nach Unjoro und Uganda. Als 
er dann im Jahre 1878 die ihm unterstellten Negerprovinzen in 
vier Bezirke theilte, ernannte er Emin zum Gouverneur von Hat-el- 
Estiva, der Südprovinz, während er die Verwaltung der drei anderen 
Bezirke Gessi Pascha, Lupton Bey und Slatin Bey übertrug. Nun- 
mehr wurde die Unterdrückung des Sklavenhandels mit grosser 
Energie in Angriff genommen, gegen 4000 arabische Händler wurden 
von Gordon aus dem Lande gejagt. Dieses thatkräftige Vorgehen 
rief aber bald gewaltige Gährung unter den Arabern hervor und es 
kam im Jahre 1879 zu einem Aufstand in der Provinz Bahr-el- 
Ghasal. Nach hartem Kampfe schlug Lupton Bey, der Gouverneur 
dieser Provinz, in Verbindung mit Gessi Pascha denselben nieder: 
als aber letzterer bald darauf nach Khartum marschiren wollte, 
wurde er durch ein merkwürdiges Naturereiguiss für längere Zeit 
abgeschnitten. Der Nil, welcher schon im oberen Laufe ein sehr 
geringes Gefälle und daher einen trägen Lauf hat, wird zeitweise 
durch angeschwemmte Ptlanzenmassen so vollständig verstopft, dass 
jeder Verkehr auf ihm unmöglich wird, ln eine solche Pflanzenbarre 
gelangte auch Gessi Pascha. Erst nach dreimonatlicher Reise war 
es ihm möglich, Khartum zu erreichen; 400 von seinen 500 Be- 
gleitern hatte er verloren, und er selbst starb kurze Zeit darauf in 
Folge der erduldeten übermenschlichen Strapazen. Gordon legte im 
Jahre 1879 sein Amt nieder und kehrte nach England zurück, um 
erst 5 Jahre später wieder auf demselben Schauplatz zu erscheinen. 

Im Jahre 1881 brachen neue Unruhen aus. Muhamed Achmed, 
welcher schon lange im Gerüche grosser Heiligkeit stand, forderte 
die Gouverneure des Sultans auf, ihn als Mahdi anzuerkenneu und 
sich ihm zu unterwerfen. Die egyptische Regierung nahm diese 
Bewegung anfangs zu leicht und stellte ihr völlig unzureichende 
Streitkräfte entgegen. Die Engländer, welche Egypten inzwischen 
besetzt hatten, schickten dem Mahdi 1883 eine grössere Truppen- 
abtheilung unter Hicks Pascha entgegen, die jedoch bei Obeid völlig 
geschlagen nnd niedergemetzelt wurde, so dass dem Mahdi der ganze 
Norden offen stand und Khartum selbst aufs äusserste bedroht war. 
In dieser Bedrängniss erschien Gordon wieder als der geeignete 

Jahrbuch für Deutsche Kolonial politik. 2 


Digitized by CoQglc 



18 


Strömungen in Afrika. 


Retter, mit wenig Begleitern ging er nach Khartum und Buchte die 
Bevölkerung durch einen allgemeinen Steuererlass und Freigabe des 
Sklavenhandels zu gewinnen, den Mahdi aber durch dessen Ernennung 
zum Emir von Kordofan zu besänftigen. Dieser jedoch war zu 
stolz, eine Würde als Geschenk anzunehmen, die er sich mit dem 
Schwerte erobern konnte, und rückte immer näher an Khartum 
heran. Da Gordon ohne Truppen nach Khartum gekommen war, so 
kam es nun vor allen Dingen darauf an, ihn mit Heeresmacht zu 
unterstützen; der zu diesem Zwecke mit 6000 Mann englischer 
Truppen abgesandte Wilson kam aber erst zwei Tage nach dem 
Falle Khartums und der Ermordung Gordons (27. Januar 1885) 
vor der Stadt an und kehrte unverrichteter Sache wieder um. Der 
egyptische Einfluss im Sudan war damit vernichtet. Lupton und 
Slatin Bey geriethen in die Gefangenschaft des Mahdi und sollen 
kürzlich der grausamen Behandlung erlegen sein. Der einzige, 
welcher sich noch behauptete, war Emin. 

Emin Pascha hatte von den geschilderten Vorgängen bisher 
nichts erfahren. Seit zwei Jahren hatte er keinen Dampfer nach 
Khartum absenden und keine Nachricht von dort erhalten können, 
da die Schaaren des Mahdi eine Scheidewand zwischen ihm und dem 
Norden bildeten. W T ie die übrigen Gouverneure , so hatte der 
Mahdistenführer Karamallah auch ihn aufgefordert, seine Provinz 
dem Mahdi zu übergeben ; er aber sah sich dadurch nur veranlasst, 
die entferntesten Stationen aufzugeben und diejenigen Plätze, welche 
er zu halten beabsichtigte, nach besten Kräften zu befestigen und 
zu vertheidigen. 1885 erhoben sich auch die Araber in seiner 
Provinz, jedoch gelang es ihm vorerst den Aufstand niederzuschlagen. 
Erst Ende 1885 erfuhr Emin, dass Khartum gefallen und Gordon 
getödtet sei, und da zugleich die Verproviantirung schwierig wurde, 
verlegte er seine Residenz vou Lado 2 Grad südlicher nach Wade- 
lai und gab alle Stationen, welche nicht in unmittelbarer Nähe des 
Nils lagen, auf. Alle Nachrichten konnten seitdem nur über Sansi- 
bar zu ihm gelangen. Seit dem Jahre 1885 weilten ■ noch zwei 
andere Europäer, der Italiener Casati und der kürzlich über Sansi- 
bar nach Europa zurückgekehrte Dr. Junker zeitweise bei Emin. 
In Europa war man um das Schicksal des letzteren bereits seit 
Jahren in banger Sorge. Ehe wir aber auf die zu seinen Gunsten 
unternommenen Befreiungsversuche eingehen, mögen einige Angaben 
über seine Thätigkeit und Verwaltung hier eine Stelle finden. Als 
er seine Provinz übernahm, befand sich dieselbe in Folge des Sklaven- 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


IS* 

handeis in der allertraui igsten Verfassung; es gelang ihm aber durch 
fortwährende Zöge durch das ihm unterstellte Gebiet das Vertrauen 
der Neger zu gewinnen und sie an Gehorsam und Thätigkeit zu 
gewöhnen. Er vermochte es durch sein vorzügliches Organisations- 
talent unter den allergrössten Schwierigkeiten Ruhe und Ordnung 
herzustellen und erzielte dadurch auf wirthschaftliehem Gebiete 
solche Erfolge, dass er bald einen erheblichen Reingewinn abliefem 
konnte, während die Verwaltung bisher grossartige Summen gekostet 
hatte. Unausgesetzt ist er für die Förderung des Handwerks und 
der Industrie thätig und unterstützt die Kultivirung des Landes 
durch Einführung und Akklimatisirung von Tabak, Baumwolle und 
anderen Pflanzen. Diesen Erfolgen auf praktischem Gebiete stehen 
seine wissenschaftlichen Leistungen ebenbürtig zur Seite. Unauf- 
hörlich beschäftigt er sich mit der Zusammenstellung von Vokabu- 
larien , mit kartographischen und anthropologischen Messungen, 
meteorologischen Beobachtungen und mit der Anlage botanischer 
und zoologischer Sammlungen. 

Wie schon vorher bemerkt, ist Emin Pascha nicht gesonnen, 
das ihm anvertraute Gebiet zu verlassen und nach Europa zurück- 
zukehren. Vielmehr hat er es in seinen Briefen wiederholt als 
Ehrenpflicht bezeichnet, seine Leute, welche ihm Jahre lang treu 
zur Seite gestandeu haben, nicht im Stiche zu lassen, sondern seine 
gefahrvolle Stellung nach wie vor zu behaupten. Auf Befreiung 
wartete also Emin nicht, wohl aber auf Unterstützung, die er am 
liebsten von seinen deutschen Landsleuten annähme, was er gleich- 
falls mehrfach in seinen Briefen ausgesprochen hat. Besonders er- 
wünscht müssten ihm Munition, Waffen und Kleider für seine zum 
Theil halbnackt einhergehenden Leute sein. Jahre sind vergangen, 
seit der Nothrnf, diese Ersatzstücke Emin zuzuführen, in Europa 
laut wurde und zur Ehre der Menschheit ist er nicht ungehört 
verhallt. Verschiedene Expeditionen sind ausgerüstet worden, um 
Emin Pascha Hülfe zu bringen. 

Die erste Expedition war diejenige des Dr. Fischer, welcher 
von Pangani aus im August 1885 vordrang, aber nur bis an den 
Baringosee gelangte. Wie wir aus neueren Mittheilungen wissen, 
war seine Hauptabsicht auf wissenschaftliche Forschungen gerichtet, 
und er selbst hat kaum gehofft, Emin noch am Leben zu finden. 
Seine Expedition war auch so bescheiden ausgerüstet, dass sie Emin 
Pascha wirksame Hülfe gar nicht hätte bringen können. In Kagei 
erhielt er die Nachricht von dem Tode des Königs von Uganda, 

2 * 


Digitized by Gc>9gle 


20 


Strömungen in Afrika. 


and der Thronbesteigung von dessen Sohn Mnanga, welcher seine Regie- 
rung damit einleitete, dass er sämmtliche Europäer tödten liess, ver- 
weigerte Dr. Fischer den Durchzug durch sein Gebiet, wie er auch 
später dem Dr. Junker bei seiner Rückkehr nach Europa die grössten 
Schwierigkeiten bereitete. Dr. Fischer versuchte nun durch das 
Land der Massai, östlich vom Viktoriasee, vorzudringen. Da es ihm 
aber an passenden Tauschobjekten für die Bewohner des Landes 
fehlte, nachdem die Massais ihn geplündert hatten, musste er auch 
diesen Plan aufgeben und an die Küste zurückgehen. Halbtodt 
langte er daselbst an und starb bald darauf in Berlin. 

Die zweite Expedition wurde auf Veranlassung der geographischen 
Gesellschaft in Wien von dem Professor Lenz im Februar 188fi 
unternommen. Er versuchte von Leopoldsville aus vorzudriugeu 
und wollte durch das Monbnttuland ziehen. Da aber der Sklaven- 
händler Tippu Tip seine Zusage der Gestellung von Trägern nicht hielt, 
ging Lenz kougoaufwärts über den Tanganjikasee quer durch das 
Seengebiet nach dem Nvassasee, über den Schirefluss, den Sambesi 
und Quilemane zurück. Seine Reise war äusserst ergiebig für die 
wissenschaftliche Erforschung Afrikas, Emin Pascha aber hat sie 
keine Hülfe gebracht. 

Inzwischen hatte Emin versucht, sich selbst zu helfen. Dem 
Dr. Junker war es mit Hülfe Tippu Tips, der für seine Unterstützung 
1500 Thaler erhielt, gelungen, durch Unjoro und Uganda nach 
Sansibar zu gelangen, und dieser überbrachte Briefe von Emin an 
Prof. Schweinfurth in Kairo, in welchen ersterer dringend um Unter- 
stützung bat. Während sich die egyptische Regierung erst nach 
langen Verhandlungen dazu bequemte, zur Unterstützung Emins 
400 000 Mark herzugeben, hatten unterdessen englische und sehot 
tische Kapitalisten 4 Millionen Mark zusammengebracht und den be- 
kannten und bewährten Afrikaforscher Stanley für eine Unternehmung 
zu Gunsten Emin Paschas gewonnen. Dieser begab sich im Februar 
1887 nach Sansibar und schloss einen Vertrag mit Tippu Tip, wo- 
nach ihn derselbe mit 600 Trägern versorgen und dafür zum Gou- 
verneur an den Stanley-Fällen ernannt werden sollte. Stanley nahm 
seinen Weg nicht durch Ostafrika, sondern umschiffte Afrika und 
drang vom Kongo aus vor. Dafür hatte er folgende Gründe: Der 
Weg von der Kougomündung stromaufwärts bietet keinerlei Hinder- 
nisse. Der Landweg, die Entfernung von der Mündung des Aru- 
wimi bis Wadelai, ist kürzer, als der Weg von der Ostküste. 
Der Weg führte angeblich durch Länder friedlicher und durchaus unge- 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


•21 


fährlicher Völker, während im Osten kriegerische Stämme, z. B. die 
Massai, leicht Schwierigkeiten verursachen können. Anfang Juni 
1887 erreichte Stanley die Mündung des Aruwimi, wo er den Mayor 
Barttelot mit dem grössten Tlieile des Gepäcks zurückliess. Tippu 
Tip begab sich auf seinen Posten, während Stanley sofort den 
Weitermarsch nach Wadelai antrat. Seitdem fehlen jede Nachrichten 
über den unerschrockenen Forscher. Höchst wahrscheinlich werden 
dieselben von den Arabern abgefangen und zurückgehalten. Sollte 
Stanley wirklich zu Emin Pascha gelangt sein, so muss man doch 
auch seine Expedition als gescheitert betrachten, denn Stanley allein 
kann Emin nicht wirksam unterstützen. Er brachte nur neue Kost- 
gänger. die mitgebrachten Vorräthe sind aber bei Barttelot zurück- 
geblieben und nach den neuesten Nachrichten in die Hände der 
Manvemas gefallen, welche auch den Major Barttelot, vermuthlich 
auf Anstiften Tippu Tips, ermordet haben. Stanley selbst scheint 
durch die Ernennung Tippu Tips zum Gouverneur der Station an 
den Stanley-Fällen einen schweren Fehler begangen und diesem für 
seine Sklavenjagden ein neues Wildrevier gegen Nordosten eröffnet 
zu haben. Wie die öffentliche Stimmung in Deutschland zur Hülfe- 
leistung für den bedrohten Forscher aufgeregt ist, wird später noch 
erwähnt werden. 

Die Gründung des Kougostaates war der erste Schlag, welcher 
gegpn das sklavenraubende Araberthum geführt wurde und die Araber 
wurden sich bald der Bedeutung dieses vorläufig nur geographischen 
staatlichen Begriffes, welcher aber auch ein hohes sittliches Prinzip 
\ erkörperte, für die Zukunft klar. Es lässt sich daraus die Stellung- 
nahme jenes Tippu Tip gegen die Stanley’sche Expedition zum 
Entsätze Emin Paschas am leichtesten erklären. Mit überlegener 
Schlauheit hat der Araber die nur zu vertrauensvollen Europäer in 
sein Garn gezogen und wird nun, im Besitze von Munition und 
Waffen, vorläufig allen Anstrengungen spotten, welche gemacht 
werden können, um seinem fluchbeladenen Treiben Einhalt zu 
thun. 

Der andere Gegenstoss gegen die Fortschritte der europäischen 
Gesittung fand fast zu gleicher Zeit am Nyassa, wie schon bemerkt, 
statt. Dort arbeiten seit dreizehn Jahren schottische Missiouare auf 
verschiedenen Missionsstationen, mit diesen im besten Einvernehmen 
stehend sind Beamte und Arbeiter der African Lake Company bemüht 
die um den See gelegenen Gebiete dem europäischen Handel zu er- 
schliessen. Mit praktischem Blick hat man von hier aus eine Han- 


Digitized by Google 



22 


Strömungen in Afrika. 


delsstrasse nach dem Tanganjika-See eröffnet, deren Bedeutung fin- 
den Verkehr Inner-Afrikas mit der europäischen Kulturwelt Jahr für 
Jahr im Zunehmen begriffen ist. 

Die Araber sind heute noch nicht aus ihren Stellungen vertrieben 
und die Stevenson-Strasse nach dem Tanganjika noch nicht frei, da 
die Kräfte der Engländer bisher zu schwach waren. 

Das Aufflackern des arabischen Fanatismus griff aber auch auf 
das deutsche Ostafrika über, wo am 16. August die deutseh-ostafrika- 
nische Gesellschaft vom Sultan von Sansibar die Verwaltung der Küste 
vom Rovuma bis Tanga übernahm und ein Aufstand losbrach, welcher, 
da wir diese Zeilen schreiben, noch in vollster Entwicklung ist. 
Obwohl man auch annehmen kann, dass Störungen lokaler Natur 
den Ausbruch des Aufstandes, welcher sich gegen den Sultan von 
Sansibar sowohl als auch gegen die ostafrikanische Gesellschaft 
richtet, veranlasst haben, so sind doch sicher die Araber Die- 
jenigen, welche den Aufstand organisirt haben. Darau, dass es ge- 
lingen wird, diesen Aufstand niederzuschlagen, zweifelt wohl Niemand, 
obwohl es viele Opfer kosten wird. Denn der Rath, welcher jetzt 
von den Feinden der Kolnnialpolitik gegeben wird, die ostafrika- 
nischen Kolonien (in welchen schon Millionen stecken) aufzugeben, 
kann kein ernsthaft gemeinter sein. 

Das Vordringen und Vorherrschen dieses nur Haudelsz wecke 
verfolgenden, nicht von religiösem Fanatismus durchtränkten Araber- 
thums zu verhindern, sind mehrere Vorschläge gemacht worden, 
welche augenblicklich noch der Diskussion unterliegen. Es gebührt 
der Ruhm, diese Frage in der neuen Zeit aufgefasst und agitatorisch 
ausgebeutet zu haben, dem französischen Kardinal Lavigerie, dessen Zög- 
linge sich am Tanganjika befinden und über das scheussliche Treiben der 
Araber ihm eingehende Berichte sandten, welche die Schilderungen 
Wissmanns und Reichards bestätigten. Er entwickelte auf einer 
Rundreise durch Belgien und England einen neuen Plan : eine inter- 
nationale, etwa 100 — 150 energische und kühne Männer umfassende 
Truppe zu schaffen und dieselbe im Herzen Afrikas, da, wo die 
Karawanenwege nach der Küste zu den Tanganjika schneiden, zu 
stationiren, und verlangte zur Ausführung seines Planes eine Million 
Francs. Unter den deutschen Katholiken, welche sich bislang für 
die dentsche Kolonialbewegung weniger interessirt hatten, hat der 
Appell des Kardinals lebhaften Beifall gefunden, welcher sich in der 
Gründung von Anti-Sklaverei- Gesellschaften äusserte, während die 
Protestanten anfänglich noch zurückhielten. 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


23 


An und für sich ist der Gedanke nicht zu verwerfen, denn eine 
solche bewaffnete Trappe, welche die Negerstämme gegen die Araber 
stärken könnte, scheint wohl im Stande, dem Sklavenraube auf ge- 
wissen Strecken Einhalt zu thun, doch konnte man die schwersten 
Befürchtungen nicht unterdrücken, dass gerade dann erst der blutigste 
Kampf in diesen Gegenden entbrennen würde, dessen Opfer nicht 
im Verhältnisse zu seinen Ergebnissen stehen würden, da der Sklaven- 
handel nur andere Wege einschlagen würde. 

Die Empörung über das Treiben der Sklavenhändler ergriff 
aber bald weitere Kreise, als sich unwiderleglich herausstellte, dass 
die luteressensolidarität die sklavenhandelnden und sklavenjagenden 
Araber zu einer festgefügten kulturfeindlichen Masse verdichtet hatte. 
Katholische und protestantische Männer veranstalteten in Köln am 27.0k- 
tober eine grosse Versammlung, welche folgende Resolution beschloss: 

1. Die Unterdrückung der afrikanischen Sklavenjagden mit ihren die Mensch- 
heit schändenden Greueln ist gemeinsame Pflicht und Aufgabe aller christ- 
lichen Staaten und die nothwendige Vorbedingung der wirklichen Aufhebung 
des Sklavenhandels. 

2. Wie Artikel 6 der Kongoakte alle Mächte zur Mitwirkung an der Unter- 
drückung der Sklaverei und zur Besseruug des Loses der Eingeborenen ver- 
bindet, so liegt insbesondere dem Kongostaat, England und Deutschland, 
welche von den arabischen Sklavenhändlern unmittelbar angegriffen und in 
ihren Interessen und nationalen Aufgaben verletzt sind, die Pflicht ob, unter 
gemeinsamer Verständigung den unvermeidlichen Kampf nachdrücklich aufzu- 
nehmen und durcbzuführen. 

3. Wir vertrauen, dass angesichts der in Ostafrika vor allem durch die ara- 
bischen Sklavenhändler henrorgcrufeneu aufständischen Bewegung die Ehre 
der deutschen Hagge und die deutschen Interessen von der Iteichsregierung 
wirksam gewahrt werden. 

4. Darf ein solches Vorgehen auf die einmütbige Unterstützung des deutschen 
Volkes ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses und der politischen 
Parteiung rechnen, so wird, dessen sind wir gewiss, auch die thatkräftige 
Mitwirkung des Reichstags demselben nicht fehlen. 

Ehe aber diese Kundgebung stattfand, waren auf Anregung 
Deutschlands schon Verhandlungen zwischen den Mächten darüber 
eingeleitet, wie dem schändlichen Sklavenhandel zu steuern sei. Die 
englische Presse zeigte sich seltsamer Weise nicht allzu willfährig, 
mit Deutschland an der ostafrikanischen Küste gegen den Sklaven- 
handel zu operiren. Jedes bewaffnete offensive Einschreiten auf 
dem Festlande wurde in derselben von der Hand gewiesen und 
vor einem gemeinsamen Vorgehen mit Deutschland in diesem letzteren 
Sinne gewarnt. Wenn auch die Fälle selten waren, wo Pressorgane 


Digitized by Google 



24 


Strömungen in Afrika. 


sich zu Advokaten der arabischen Sklavenhändler aufwarfen, welche 
dadurch zur Macht uud Ansehen gelangt sein sollten, dass sie den 
„Wilden“ Afrikas gegenüber die überlegenere Kultur des Islams 
darstellten, so sind sie doch werth, registrirt zu werden. 

Lord Salisbury erklärt sich, besonders aus Befürchtung, dass in 
Folge der Nichtantheilnahme Englands an diesem Werke die Unab- 
hängigkeit Sansibars gefährdet werden könnte, für ein gemeinsames 
Vorgehen mit Deutschland; auch die anderen in Ostafrika interessirten 
Staaten zeigten sich geneigt, an einer Blokade mitzuwirken und 
Fürst Bismarck konnte deshalb an den Vorsitzenden der Kölner 
Anti-Sklaven-Versammlung folgendes Telegramm gelangen lassen. 

Friedrichsruh, 6. November. 

Kw. Hochwohlgeboren danke ich verbindlichst für die mit dem gefälligen 
Schreiben vom 27. v. M. erfolgte Mittheilung der Beschlüsse, welche die 
unter Ihrem Vorsitz abgehalteue Versammlung in Köln im Sinne der Unter- 
drückung des Sklavenhandels und des Schutzes der deutschen Kulturarbeit 
in Afrika gefasst hat. Die Kaiserliche Regierung ist schon länger bemüht, 
eine Verständigung der betheiligten Mächte zum Zweck der Ergreifung wirk- 
samer Maassregelu gegen den Negerhandel Yorzuhereiten, und führt in diesem 
Sinne zunächst Verhandlungen mit der Königlich Orossbritannischen Regie- 
rung. Ich darf hoffen, dass dieselben in Kurzem die Grundlage bieten 
werden, um demnächst mit deu auf der Ostküste von Afrika betheiligten 
Regierungen von Italien und Portugal und mit den an der Kongoakte be- 
theiligten Mächten in Unterhandlung zu treten. v. Bismarck. 

Diese Unterhandlungen sind zur Zeit, da wir dies schreiben, 
noch in der Schwebe; an ihren Erfolg ist nicht zu zweifeln, da auch 
Frankreich, dessen Flagge von Sklavenhändlern vielfach missbraucht 
wird, seine bis jetzt aufrechterhaltene Weigerung, französische Schiffe 
von den Kreuzern durchsuchen zu lassen, angesichts einer von 
Deutschland und England genteiusam durchgeführten thatsächliehen 
Blokade, welcher das Verbot der Pulver- und Waffeneinfuhr voraus- 
zugehen hätte, an der ostafrikauischen Küste fallen lassen dürfte. 

Eine solche Blokude ist jedenfalls das wirksamste, wenn nicht 
das einzige Mittel, dem Sklavenhandel und indirekt dadurch zugleich 
dem Aufstande beizukommen. 

In Egypten, den Staaten am Mittelmeere und in Nordwest- 
afrika gehen die herrschenden Strömungen langsam in den Bahnen 
vor sich, welche sie schon seit längerer Zeit gerissen haben. Aber 
sobald wir wieder an der Westküste in die Tropen zurückkehren, 
beginnt der politische und wirtschaftliche Kampf aufs Neue. Die 
Franzosen suchen die Engländer aus Senegambien herauszudrängen, 
sich im Hinter'ande des englischen Lagos festzusetzeu, und die 


Digitized by Google 



Strömungen in Afrika. 


25 


Engländer sind am freien Niger thätig, alle anderen Nationen voll- 
ständig von dem Wettbewerbe im Handel auszuschliessen, indem sie 
gegen den Wortlaut und Sinn der Nigerakte eine Monopol wirthscbaft 
einrichten, übermässig hohe Zölle erheben, die eingeborenen Häupt- 
linge in ihre Gewalt zu bringen suchen und in einer schnöden 
Weise Recht und Gesetz verletzen. Der Niger und Benue sind die 
kolonialpolitischen Schmerzenskinder der Deutschen, wenn man sich 
so ausdrücken darf. Der Niger ist von deutscheu Reisenden häufig 
erforscht, der Benne besonders von Flegel, aber, obwohl Flegel 
handelspolitisch thätig war, haben doch die Engländer den Rahm 
abgeschöpft und durch Gründung der heutigen Royal Niger Company 
eine gewaltige Organisation geschaffen, gegen die der freie Händler 
nur mit den ungeheuersten Schwierigkeiten aukämpfen kann. Es 
bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Feld zu räumen. Was soll 
uns aber der Benue mit seinen reichen Hinterländern nützen, wenn 
die Engländer durch ein gerade wahnsinniges Zollsystem die Ein- 
und Ausfuhr lahm legen? Der Benue hat, da man von Kamerun 
aus schwer zu ihm gelangen kann, nur eine Bedeutung für den 
Handel, wenn der Niger frei ist. Im anderen Falle ist er für uns 
werthlos. Die englische Regierung hat sieh bislang um die Klagen 
der freien Händler nicht viel gekümmert, denn die Niger Company 
arbeitet vortrefflich ihren Plänen vor, welche, wie die „African 
Times“ es ziemlich deutlich aussprach, sich bis nach dem Tsadsee 
versteigern an dem erst Halt gemacht werden soll. Der Plan ist 
sicher ebenso grossartig in der Konzeption, als schwierig in der 
Ausführung, denn mit den dort wohnenden mohammedanischen Fürsten 
können die Engländer nicht so leicht umspringen wie mit den Dorf- 
häuptlingen schwacher Heidenstämme. Der mohammedanische Fa- 
natismus hat bekanntlich dem Vordrängen der Franzosen am Sene- 
gal mehr als einmal Schranken gesetzt, und noch heute sind dort, 
sogar ziemlich nahe an der Küste und den Forts, von fanatischen 
Muselmännern angestiftete Unruhen nichts Seltenes. 

Es ist dies in kurzen Umrissen ein Bild der verschiedenen 
Strömungen, welche mehr, als man gemeiniglich annimmt in realen 
Bedürfnissen des wirklichen Lebens ihren Ursprung haben. Unsere 
Handelskreise beherrscht dasselbe Streben wie die englischen: den 
Export auszndchnen, neue Absatzgebiete zu gewinnen und Deutsch- 
land die Stellung auf dem Weltmärkte zu erringen, welche ihm jetzt 
zukommt. Die politische Erstarkung Deutschlands, die Ausbildung 
seiner Seemacht, die Erwerbung eigener Kolonien, die Ausdehnung 


Digitized by Google 



•26 


Strömungen in Afrika. 


der Dampfschifflinien u. A. habeu entweder schon seiner Export- 
industrie einen gewaltigen Aufschwung verschafft oder lassen einen 
solchen sicher hoffen, dessen Bewahrung aber nur dann möglich sein 
wird, wenn mit klaren Augen die Situation überblickt wird, wenn 
der deutsche Handel in dem Sinne, wie es die Engländer thun, die 
durch deutsche Erforschungen eröffneten, durch eine kräftige deutsche 
Reichspolitik unterstützten günstigen Bedingungen voll und ganz 
ausnutzt. 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 

Von 

P. E. Wallroth. 

Viel früher, als das geeinigte Deutschland kraft des ausgedehnten 
deutschen Handels, der vaterländischen Stärke, der Seemacht und 
eines neuen inneren Triebes, aussereuropäische Länder in Besitz 
nahm, haben deutsche Missionare draussen in der Feme Land und 
Leute geistig erobert und auf eine bessere Lebensstufe erhoben. Je 
mehr nun deutsche Kultur und Ansiedelung in den seit 1884 er- 
worbenen überseeischen Ländern vorwärts dringt, je mehr es deutschem 
Fleiss und fester Ausdauer hoffentlich gelingen wird, nach und nach 
in den Kolonien Fuss zu fassen und Früchte zn ernten, desto 
eifriger auch muss es Deutschlands Bestreben sein, den Bewohnern 
jener Gegenden das Christentum zn geben. Die deutschen Missionare 
haben es an anderen Orten und auch schon in den jetzigen deutschen 
Kolonien gezeigt, dass sie sich ihrer Arbeit nicht zu schämen haben; 
(sei nur erinnert an die Rheinische Mission in Südwestafrika) 
und so liegt allerdings der Wunsch nahe, dass deutsche Missions- 
gesellschaften sich auch der deutschen Kolonien annehmen, soweit 
ihr bisheriges Arbeitsfeld es ihnen gestattet oder neue Mittel neue 
Wege bahnen. So handeln die Holländer in ihrer indischen Insel- 
welt, so arbeitet Frankreichs Missionar in französischen Kolonien, 
und auch englische Sendboten haben nicht ans Zufall englische 
Kolonialländer zur Thätigkeit ausgesucht. Allerdings ist das 
Christentum und seine Ausbreitung an kein bestimmtes Volk ge- 
bunden, es ist international, aber innerhalb der Nationen und Völker 
soll doch jedes Volk für sein eigen Hauswesen daheim und jenseits 
des Meeres auch religiös nicht zuletzt sorgen. Thatsächlich wurde 
auch von Männern wie Dr. Warneck, Dr. 0. Frick u. A. ein Auf- 


Digitized by Google 



28 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


ruf an das evangelische deutsche Volk im März 1886 zur Sammlung 
von ausserordentlichen Beiträgen für neue deutsche Missionen in 
deutschen Schutzgebieten erlassen, welcher 34000 M. ergab. 

Welche Missionsarbeit nun in den deutschen Schutzlftndern bis 
jetzt vornehmlich von Deutschen aber auch von anderen Glaubens- 
boten geschehen ist, möge das Folgende zeigen. Beginnen wir mit 
Afrika. 

Im deutschen Togo -Land an der Sklavenküste hat noch kein 
Missionar gewirkt, aber in sehr naher Nachbarschaft zu Keta (Quitta) 
auf dem schmalen Lagunenrand und im Krepe- und Ewe-Gebiet zu 
Anyako, Waya, Wegbe, Ho und Peki hat die norddeutsche 
Bremer Missionsgesellschaft seit vieleu Jahren, zuvor unter vielen 
Opfern, jetzt endlich mit Erfolg gearbeitet. Die Ewesprache, welche 
auch im Togoland bis zum Amutsufluss herrscht, wurde durch diese 
Missionare, besonders durch Schlegel, erforscht und zur Schriftsprache 
erhoben, mithin eine wichtige Vorarbeit für das Togogebiet gethan. 
Hätte die Bremer Gesellschaft die erforderlichen Mittel, würde sie 
herzlich gerne das deutsche Togoland mit in ihr Arbeitsnetz hinein- 
ziehen; 1 ) ihr Missionar E. Bürgi drang 1888 nach Agbaladome in 
Nodschie, nördlich von Togo, vor (Pet. geogr. Mitt. 1888, 233—236, 
Taf. 14). Uebrigens haben die Lyoner Katholiken von ihrer 

Station Ague, dicht an der Ostgrenze des deutschen Togogebietes, 
aus 1886 durch den Franzosen Baudin zu Atakpame nahe der 
Quelle des Amutsu eine Nebenstation gegründet. (Schon 1865 war 
der Bremer Missionar Ch. Hornberger nach Atakpame vorgedruugen.) 

Im Kamerungebiet begannen vor kurzem die Baseler Missio- 
nare ihre Arbeit, wo bis dahin englische Baptisten gewirkt hatten. 
Vorbereitend 1845 und thatsächlieb 1850 zog der ungemein begabte, 
frühere Maschinenbauer Alfred Saker von der Clarence-Station auf 
der Insel Fernando Po nach dem gegenüberliegenden Festland, wo 
eine Negerbevölkerung wohnte, welche durch den dreihundertjährigen 
Verkehr mit oft gewissenlosen Europäern nicht gebessert war. Beim 
Könige Aqua, einem Grossvater des heutigen gleichen Namens, liess 
er sich nieder, begann geduldig, aus den Eingeborenen Arbeiter 

') Ihr Missionsinspektor F. M. Zahu schreibt beim Ueberblick auf die 
50jährige Arbeit: „Die Kaufleute, die Staatsmänner aller Nationen, auch unseres 
deutschen Volkes, sind nach Westafrika gegangen. Llie ersten erworbenen deutschen 
Kolonien liegen irn verrufenen Westafrika, die eine in unserer Nähe, so dass wir 
nur stark genug geworden zu sein brauchen, um auch in ihr das Missionswerk zu 
treiben“. Allg. Missions-Ztschr. 1886, 417. 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


29 


heranzubilden, lehrte nach vielen vergeblichen Versuchen die Neger 
mancherlei Handwerk, u. a. auch die für die Oelversendung so wich- 
tige Böttcherei und für s Bauen die Ziegelbrennerei. Unter grofser 
Entbehrung lebte Saker mit seiner Frau oft nicht besser als die 
Neger; trotz schwerer Erkrankung seiner Gattin und des Kindes, 
trotz blutigen Thronstreites beim Ableben Aqua’s, trotz der Angst 
vor Hexerei seitens der Dualla arbeitete er vorwärts, erlernte die 
Duallasprache, ihre Worte erlauschend und mühsam sammelnd, 
ordneud. Auch verfafste er eine kleine Sprachlehre, ein Wörterbuch 
und begann die Bibel zu übersetzen. Erstaunen ergriff die Be- 
wohner, als eines Tages der weisse Lehrer in ihrer Sprache zu ihnen 
redete und so die grosse Scheidewand der Sprache zwischen ihnen 
und Saker niedersank. Er war Zimmermann, Schmied, Maurer, 
Ziegler zugleich; anfangs wussten die Neger mit den einfachsten 
Geräthen nichts auzufangen, aber einige junge Burschen lernten den 
Gebrauch, sodass neben dem bescheidenen Wohnhaus auch eine kleine 
Kapelle fertig gestellt wurde. Landwirthschaftliche Werkzeuge, wie 
Hacken, Spaten, eine bessere Bodenbearbeitung wurden von Saker 
eingeführt und durch reichlichere Ernten einem sonst oft drückenden 
Nahrungsmangel vorgebeugt. Auch sind die jetzt in dortiger Gegend 
üppig wachsenden Mangobäume von diesem Missionar ins Land ge- 
bracht; aber auch noch etwas Werthvolleros: Buchstaben und eine 
Druckerpresse. Er goss aus alten Schriftformen neue, war Ueber- 
setzer, Buchdrucker, Setzer, Binder in einer Person, hierin später 
von seiner Tochter unterstützt, und im November 1859 verliess der 
Psalter in der Duallasprache die Buchdruckerei, bald darauf ein 
kleines Gesangbuch und 1861 das Neue, 1872 das Alte Testament; 
beides allerdings in etwas übereilter Schnelle übersetzt, ohne dass 
Saker die Duallasprache völlig überwältigt hätte. Das Neue Testa- 
ment erschien 1872 vom alten Missionar verbessert und seiner 
Tochter herausgegebeu zum zweiten Mal. Natürlich war mit der 
Aufrichtung einer Druckerei die Errichtung einer Schule eng ver- 
bunden. 

Wie belohnte ihn der Negerstamm, seine Gemeinde? Nun zu- 
nächst bitterlich schlecht, anfangs mit Gleichgültigkeit, darauf, als 
einige bekehrt und getauft waren, mit Spott und Verfolgung, ver- 
suchter Brandstiftung und, Gottlob! vereitelter Vergiftung. Trotz 
alledem harrte Saker aus und zwar volle 33 Jahre, welche nur durch 
uothwendige Erholungsreisen nach England unterbrochen waren, da 
er oft unter dem Klimafieber zu leiden hatte. — An der anderen 


s 

Digitized by Google 



30 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten- 


Seite des Kamerunästuariums, jenseits des Mangrovesurapfes, int 
Isubu-Land. entstand die König-Williams-Stadt oder Bimbia, welche 
aber keine grosse Bedeutung erlangte. In John Aqua-Stadt, 
etwas nördlicher «als die erste Station, arbeitete der farbige Missionar 
Füller aus Jamaika, verlegte aber 1869 seine Thätigkeit auf das 
gegenüberliegende Hickory (Ekre) oder Mortonville. ln Bellstadt, 
unterhalb König Aqua-Stadt und dessen Kapelle Bethel, musste 
Saker's Schwiegersohn Q. W. Thomson schon wegen der Eifersucht 
Königs Bell 1866 die Arbeit beginnen, und auch andere Aussen- 
plätze, durch Hülfsarbeiter errichtet, entstanden: so Dido- Stadt, 
Malimba, Batanga und bei Hickory auf der Insel Dschibari und 
etwas nördlicher in Dibombari. 

Als die Ansiedelung Clarence auf Fernando Po, später von den 
Spaniern, welche ihre alten Ansprüche 1844 auf diese Insel plötzlich 
wieder geltend machten, S. Isabella genannt, 1858 durch ein spa- 
nisches Kriegsschiff besucht und von Jesuiten besetzt wurde, erfolgte 
ein Verbot des evangelischen Gottesdienstes, so dass Saker trotz 
mündlicher und schriftlicher Gegenvorstellung sich nach einem an- 
deren Platze umsehen musste. Er wählte an der gegenüber liegendeu 
Ambas-Bucht einen Ort, welchen er Victoria nannte, nachdem er 
ihn dem König William zu Bimbia abgekauft hatte, ln Folge langer 
diplomatischer Verhandlungen bezahlte Spanien für diese Vertreibung 
aus Clarence 30000 M. aus. Da aber die englische Regierung zur 
Uebersiedelung der Gemeiudcglieder von Clarence nach Victoria ein 
Kriegsschiff leider nur mit vierstündiger Einpackzeit zur Verfügung 
stellte und als durch die Ankunft der Spanier auf Fernando Po 
Geld ins Land kam, verliessen nur wenige Negerfamilien S. Isabella. 
England hat auch nie amtlich die Schutzherrschaft über das Victoriage- 
biet übernommen, so dass diese kleine Niederlassung durch eigene Kraft 
emporstreben musste. Langsam ging's vorwärts; doch wurde Victoria 
ein kleiner Zufluchtsort für die aus den benachbarten Stämmen, 
z. B. den Bakwiri, vertriebenen Leute und als der später so berühmt 
gewordene Comber als Missionar sich hier niederliess, kam mancher 
her, um auch leiblich durch dessen Arzueikunde Genesuug zu suchen. 

Wie neuerdings auch erfahrene Afrikareisende das Aufblühen 
des Kamerungebietes nicht von den verdorbenen Küstenbewohnern, 
sondern mit Uebergehung dieser Zwischenhändler durch Heran- 
ziehung der Inlandstämme erwarten, so wandten sich die Baptisten- 
missionare trotz vieler Eifersüchteleien der Küsteustärame dem 
Inland zu. Vor allem that dies Thomson, indem er, nicht 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


31 


den Wasserläufen folgend, ins Hochland ging uud etwas nördlich 
von Victoria in Bondschongo eine Missionsstation gründete. Die 
dem Dnalla ziemlich unähnliche, mehr dem Isubu verwandte Bakwiri- 
Sprache machte viel Not; doch konnte auch der Aussenplatz Ma- 
pandscha besetzt werden. 

T. J. Comber machte 1877 wichtige Entdeckungsreisen land- 
einwärts (nachdem vorher Thomson östlich zu dem Bakundustamm 
vorgedrungen war), entdeckte den Balombi ba kotta (oder Richards- 
See) und andere wichtige Punkte und die Folge war die Gründung 
der Station Bakundu ba Namwili nahe dem Mungo-Fluss. 

Als aber die Kongo-Missiou viele Kräfte beanspruchte und 
Deutschland im Kamerunland die Herrschaft übernahm, gingen einige 
der Baptistenmissionare von hier nach dem Kongo, uud trotz der 
nicht sehr erfreulichen Berichte wurde die Missionsgesellschaft 
zu Basel von verschiedenen Seiten, 1884 auch von der Bremer 
Missionsconferenz, gebeten, ihre Arbeit von der Goldküste nach 
Kamerun auszudehnen. Die Baseler Mission in Westafrika hat schon 
manche schöne Anerkennung seitens verschiedener Afrikareisender 
erhalten; Professor Dr. Buchholz lobte die Station Aburi (Ausland 
1880, 167) und Zöller meint: sie habe ausserordentlich Tüchtiges 
geleistet .... erziehe die Eingeborenen uicht blos zu den äusseren 
Formen der Religion, sondern auch zur Demuth und vor allem zur 
Arbeit. Aus den Handwerkerschulen dieser Mission seien fast alle 
jene Schmiede, Schreiner, Küfer u. s. w. hervorgegangen, die man 
heutigen Tages an der westafrikanischen Küste vorfindet (Strass- 
burger Post, erwähnt im Basel. Miss. Magaz. 1885, 420; vgl. auch 
J. Baumgarten: Die aussereuropäischen Völker 1885, S. 114). Vor 
der Uebernahme der Kamerunmission fragte Basel bei den englischen 
Baptisten an, warum diese jenes Arbeitsfeld aufgeben wollten. Da 
die Antwort deutlich und befriedigend erfolgte und auch verschiedene 
Missionsconferenzen in Strassburg, Karlsruhe, Stuttgart und Bern 
entschieden mit da! vorgingen, glaubte man in Basel die Sache nicht 
ablehnen zu können. Schon geraume Zeit vorher hatte eine römisch- 
katholische Mission in Paris auf ihre Anfrage beim Auswärtigen 
Amt des Deutschen Reiches um die Erlanbniss, sich im Kameruu- 
gebiet niederzulassen, wegen des französischen Charakters der Mission 
und weil sie einem in Deutschland verbotenen Orden angehörte, ab- 
schlägige Antwort erhalten. Am 1. Juni 1886 wandte sich die 
Baseler Missionsgesellschaft ans Kaiserliche Deutsche Auswärtige 
Amt und schon am 12. Juni traf zustimmeuder Bescheid aus Berliu 



32 


I>ie Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


ein. Nun begannen die näheren abschliessenden Verhandlungen mit 
der Baptisten - Missionsgesellschaft in London , welche zum End- 
ergebnis hatten: Die baptistische Missionsgesellschaft tritt ihre 

Missionsgebäude am Kamerun und in Victoria nebst den Aussen- 
stationen für 2000 £ = 40 00» i und das Victorialand um andere 
2000 £ an die Baseler Mission ab. Ein deutscher Privatmann galt 
1000 £ = 20000 <,>H und ward Miteigentümer des Victorialandes 
während ein deutscher Missionsfreund einen sehr bedeutenden Bei- 
trag zur weiteren Deckung der Kosten gab, so dass Basel 26000 £ 
(52000 „#) für die Gebäude und das Land zusammen ausgab. Es 
war nicht anders möglich, als dass das sehr grosse Victorialand mit 
übernommen werden musste. Als alles geordnet war, 1 ) trat Ende 
März 1887 die englische Baptistenmission die Ambas-Bucht mit 
der Victoria-Niederlassung förmlich an Basel und die deutschen 
Behörden in Kamerun ab, während England bis dahin laut Vertrag 
vom 7. Mai 1885 das Gebiet noch znrückbehalten hatte, bis obige 
Verständigung erfolgt wäre. Drei junge Missionare, Becher, Bizer 
und Dilger, nebst dem älteren Münz und dem erfahrenen Oekonomie- 
vcrwalter Leuze, fuhren 1886 nach Kamerun ab. Am 23. December 
1886 zu Bethel bei Aqua-Stadt augekommeu, starb Fr. Becher 
schon vier Tage später und Chr. Dilger am 26. Mai 1888. Bei 
den Eingeborenen fanden die Baseler freundliche Aufnahme, aber 
mit dem Schulbesuch und Unterricht, sowie der Gemeindezucht sah 
es nicht gut aus; ja es ist ollen zu bekennen, dass auch die sitt- 
lichen Zustände und die religiöse Erkenntniss beklagenswerth waren. 
Die Hauptgemeinde Bethel sagte sich von Basel los, so dass etwa 
nur 176 Christen auf den treu gebliebenen Missiousplätzen über- 
blieben, darunter 46 in Victoria. Nicht Lehrstreitigkeiten über die 
Taufe, wie man von einer Baptisten-Gemeinde erwarten konnte, 
nicht die Ueberführung aus der englisch-baptistischeu in die deutsch- 
evangelische Kirchenform machten grosse Schwierigkeiten, sondern 
die mangelnde Kirchenzucht in den dortigen Gemeinden, welche 
leider in den letzten Jahren nur von schwarzen Missionaren, z. B. 
Füller, bedient worden waren. Branntweinhandel war erlaubt und 
Saker’s Bemühungen um den Ackerbau sind vergessen. Um so 
ernster, nüchterner, kräftiger werden die Baseler au die schwere 

') Da aber das Besitzrecht der Baptisten an dem Grundbesitz bei Victoria, 
den sie um theures Geld an die Baseler Mission verkauft haben, nicht genau nach- 
weisbar ist, wird der Kaufpreis vorerst nicht ausbezahlt. (Baseler Miss. Mg 
1888 , 220 .) 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 33 

Arbeit gehen, möge Deutschland diese neue deutsche Mission nicht 
vergessen, mögen bald durch deutsche Kolonial- und Missionsarbeit 
aufgebaute und geförderte Niederlassungen am schönen Kamerun- 
gebirge und dem dortigen Flusse entstehen. Auch hier geht’s durch 
Nacht zum Licht. 

Im Na mal and, nördlich vom Oranjetluss, gründete der deutsche, 
aber im Dienste der Londoner Missionsgesellschaft stehende Schme- 
len, Jänicke’s Schüler, 1814 nach einer beschwerlichen Reise die 
Niederlassung Bethanien bei einer lauwarmen, guten Quelle und 
in einer verhältnissmässig anmuthigen Gegend am Goangib-Fluss. 
Hier lebte er, ein Hottentott den Hottentotten geworden, verheirathet 
mit einem bekehrten Hottentottenmädchen, in einem elenden Matten- 
haus wohnend, mit einem Fellkleid angethan, gleich den umwohnenden 
Heiden, aber auch mit Erfolg gesegnet. Doch eine längere Abwesen- 
heit des Missionars wurde von den mit ihm hergezogenen Orlam 
zur Unterdrückung der Nama benutzt und unser Schmelen musste 
nach zehnjährigem Werk, schöner Ernte, aber doch auch schmerz- 
lichen Enttäuschungen gen Komaggas, südlich vom Oranje, ziehen, 
wo er Theile des Neuen Testamentes in die schwere Namasprache 
übersetzte und 1848 starb. — Unterdess hatten die Londoner ihre 
Mission im Namaland an die Rheinische oder Barmer Missions- 
gesellschaft abgegeben, welche mit frischen Kräften ins Feld zog. 
Am 1. November 1842 traf der neue Barmer Sendbote Knudsen, 
von Geburt ein Norweger, auf Bethanien ein uud richtete das zer- 
fallene Schmelen'sche Wohnhaus wieder her: ein neues Leben be- 
gann, wie wenn nach langerDürre das Namaland durch erquickenden Re- 
gen plötzlich wunderbar schönen Blumenschmuck undGrün hervorbringt. 
Knudsen's Thatkraft und Eifer wirkte segensreich und seine Predigt 
gefiel. An Stelle eines minderjährigen Häuptlingkindes konnte er 
dessen Verwandten, seinen Täufling David Christian als Herrscher 
einsetzen: eine grofse Erweckung folgte, viele Erwachsene erhielten 
die Taufe: aber nach echtem unstätem Namnsinn ging das Blühen 
bald vorüber; es erfolgte ein Verwelken, ohne Frucht zu hinterlassen, 
und Knudsen erlebte manche bittere Erfahrung. Oestlich von Be- 
thanien am Grossen FischHuss wohnte ein aus dem Süden herauf- 
gezogener Orlamstamm des Paul Goliath, dessen Lehrer der alte 
Presbyter und Schmelen’s Schüler, Christoph Tibot, war. Im Jahre 
1843 kam Knudsen hierher und nannte, erfreut über die Gemeinde 
unter ihrem eingeborenen Leiter, diesen Platz mit den 300 Getauften 
nach einem norwegischen Gebirgsthal Gulbrandsdalen. Als aber 

Jahrbach für Deutsche Kolonialpolitik 3 


Digitized by Google 



84 Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 

Knudsen nordwärts bis nach Rehoboth den zerstreuten Gliedern seiner 
Bethanisehen Gemeinde nachgewaudert war und dann in der Kap- 
stadt Herbst 1846 ein Naina-Lesebueh und das Evangelium Lucae 
hatte drucken lassen, fand er, zurückgekehrt, in Bethanien grosse 
Oede und Dürre, geistige und wirkliche, vor, folgte deshalb einem 
Rufe nach Europa, von wo er 1849 mit einer Norwegerin verheirathet 
zurückkehrte. In die neuen Verhältnisse lebte er sich nicht wieder 
ein, der Häuptling begann Streit, die Gemeinde verweigerte die 
Kirchenzucht und am 11. Februar 1851 kehrte dieser begabte Nor- 
weger in sein nordisches Vaterland auf immer zurück. Während 
dessen war 1848 von Ebenezer im Kapland aus Samuel Hahn, 
unterwegs einem Wassermangel fast erliegend, nach Bethanien ge- 
zogen und versuchte nach erfolgtem reichlichen Regen den Landbau, 
um die herumziehenden Nama sesshaft zu machen und eine Hungers- 
noth zu verhindern. Am Fusse des Berges Grootbroekkaros setzte 
er unter dem Staunen der Nama einen Pflug in die Erde, desgleichen 
bei Ous (Aus) westlich von Bethanien; aber Frost und Hitze ver- 
darben die Saat und die Unachtsamkeit der Leute liess die reife 
Ernte an dem anderen Orte urnkommeu. Samuel Hahn arbeitete auch 
in Guldbrandsdalen oft über seine Kräfte, konnte hier auch 80 Er- 
wachsene taufen und erlebte viel mehr Freude als in Bethanien. 
Denn da gab’s Kummer und Verdruss; weisse Handelsleute hetzten die 
Eingeborenen gegen die Missionare auf, Krankheit in der Familie und 
eigene Schwäche lasteten auf Hahn, welcher an allen Gliedern gelähmt 
Knudsen scheiden, Branntwein und Schiesspulver in Bethanien ein- 
ziehen, dabei Orlam und Nama oft im Streite mit einander sah. 
Langsam genesen zog Hahn nach Guldbrandsdalen, verlegte aber 
von hier den Sitz dieser Gemeinde nach dem Grootbroekkaros-Berg, 
weil es hier besser war und nannte diese neue Niederlassung Ber- 
saba. Der Häuptling Paul Goliath folgte, mehr von der Gnade 
des Oberhäuptlings Kornelis Oasib (vom rotheu Volk) als auf freiem 
Besitze lebend. Denn Bersaba war den umwohnenden Heiden ein 
Dorn im Auge, ein ärgerliches Licht für ihre Finsterniss und selbst 
der christliche Paul Goliath, sowie der alte treue Presbyter Tibot 
erlagen fast der Versuchung, gleich den heidnischen Häuptlingen 
nordwärts zu ziehen, um die schönen Rinder des Damra zu stehlen. 
Mit Mühe hielt Samuel Hahn solcherlei Lockungen zurück und war 
froh, im August 1851 durch den Missionar Krönlein einen fleissigeu 
treuen Mitarbeiter und Nachfolger zu erhalten. Bis zum Mai 1852 
blieb er mit diesem zusammen auf Bersaba, half ihm sich eiuzu- 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 35 

richten, das Wohnhaus fertig zu bauen; dann verliess er das Ar- 
beitsfeld. Krönlein machte sich alsbald an die Erlernung der Nama- 
sprache, wozu er allerdings, abgesehen von Knudsen’s Lucasüber- 
setznng, kein anderes Üülfsmittel hatte, konnte aber allmählich den 
kleinen Katechismus, verschiedene biblische Geschichten und andere 
Schulbücher verfertigen. Mit der Schule ging es vorwärts, schwerer 
mit den Alten, welche nur allzu ungern ihre heidnischen Unsitten 
fahren liessen. Leider starb der aus Deutschland neu angekommene 
Matth. Gorth den ö. Januar 1853 am Fieber nach kaum viertel- 
jähriger Arbeit zn Koais (etwas nördlich von Bethanien), wo ihm 
der Häuptling David Christian nach anfänglicher Unschlüssigkeit 
dennoch als dem Missionar Bethaniens die Hand gereicht hatte. Für 
Gorth kam Krefft nach Bethanien, wo er bis 1878 thätig war. 
Anfangs entstanden viele Schwierigkeiten; die meisten Bethanier 
wareu ausserhalb der Station und wollten nicht nach dem Kirch- 
platze ziehen; doch als 1855 reichlicher Kegen das Land labte und 
die Wüste wunderbar schön prangte, zog eine Familie nach der 
andern und endlich der Häuptling selbst gen Bethanien und Krefft's 
Schule begann sich zu füllen. Am 26. Juni 1859 konnte die neue 
Kirche eingeweiht und das heilige Abendmahl mit 108 Gemeinde- 
mitgliedern gefeiert werden; 1862 begann die Gemeinde sogar 
Missionsbeiträge zu sammeln, aber in demselben Jahre erschienen 
vier böse Feinde: eine Masernepidemie, ein Landeslieber, Viehhunger- 
seuche und der letzte der schlechteste: Branntwein. Kupfersuchende 
Kapstadtbewohner verhandelten mit Kapitän David Christian und 
brachten ihn durch überreichlichen Branntweingenuss dem Tode 
nahe. Erst als 1867 der Is’ama-Damara- Kampf viel Unruhe durchs 
ganze Land verursachte, kam der Häuptling und der von ihm 
verführte Theil seines Volkes zur Besinnung, er näherte sich 
dem Missionar und suchte mit den nächsten Stämmen Frieden zu 
machen. 

ln Bersaba war der aus der Kapstadt mit seiner jungen Frau 
1853 heimgekehrte Krönlein mit herzlicher Freude empfangen wor- 
den; Gottesdienst und Schule begann von neuem, und als im Juni 
die Weide zu gering wurde und der Wandertrieb wieder die Nama 
ergriff, versuchte er durch Ackerbau und Gärtnerei die Leute fest- 
zuhalten. Er pflanzte Feigenbäume, Datteln und Mandeln und einige 
der Gemeindeglieder folgten wirklich dem Missionar, begannen den 
Boden nmzuptlügen, zn verbessern, Gärten zu graben, zu beptlanzen, 
um auch gleich dem Lehrer so schöne Melonen, Kürbisse und Früchte 

3* 


y 

Digitized by Google 



36 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


za erhalteu. Auch geistig wurde gesäet und gearbeitet; der Pres- 
byter Tibot und Häuptling Paul Goliath nebst eiuigen anderen 
Aeltesten blieben treue Mithelfer des Glaubens. Ja. David Christian 
von Bethanien und Paul Goliath von Bersaba schlossen ein Scliutz- 
und Trutzbündniss, um in den schweren kommenden Kriegsjahren 
einen Zufluchtsort und Rettungsplatz auf beiden befreundeten, auch 
kirchlich eng verbundenen Stationen zu erhalten. Am Pfingstfest 
1857 wurde in Bersaba die neuerbaute Kirche eingeweiht und neue 
Erweiterungspläne der Arbeit konnten von Krönlein ins Auge gefasst 
werden, umsomehr da er durch neu angekommene Gehülfen wie 
Eggert, Weber, Knauer, Schröder, Dubiel und Olpp nacheinander 
unterstützt wurde. Der alte Orlamhäuptling Kido Witbooi. einst in 
Pella nahe dem Oraugestrom, nun nördlich von Bersaba wohuend, 
hatte manchen Besuch der Bersabaer Missionare erhalten und wünschte 
nun. nach langem Sträuben endlich anderen Sinues geworden, die 
Gründung einer eigenen Niederlassung. Zum Weihnachtsfest 1863 
zog Knauer zu ihm. hielt in der kleinen Buschkirche Gottesdienst 
und gründete hier in Kachazus die neue Station Gibeon; er legte 
selbst einen Damm beim Quell zur Wassersammlung an und siedelte 
Ostern 1863 ganz auf den neuen Platz über, wo er seine Schule 
gleich mit 106 Kindern beginnen konnte. Aber Feindschaft erwuchs 
in dem Häuptlingssohn und Heidenfreund Klein Kido und 1864 ver- 
heerten die Pocken den Ort; dazu kamen Angriffe der nördlichen 
Namastämme, welche eines Tages von 40 Gibeoniten tapfer fern ge- 
halten wurden, aber später die Niederlassung sowie das Missionshaus 
plünderten und Alles verwüsteten. Schlimmer noch wurde es im 
September 1866, als Knauer für mehrere Wochen abwesend war: 
scheussliche Greueltbateu geschahen und der zurückgekehrte Missio- 
nar fand am 2. Oktober eine niedergebrannte Station vor, das Ge- 
treide niedergetreteu, alle Sachen, selbst seine Handschriften, frevent- 
lich unbrauchbar gemacht. Mit Mühe konnten Knauer und der Häupt- 
ling Witbooi dem Feinde nachsetzen und einige Hundert Hornvieh, 
Kleinvieh, paar Wagen mit Gütern beladen abjagen, fortgeschleppte 
Weiber und Kinder befreien. Gibeon und seine Gemeinde war zer- 
stört, versprengt, verwildert, das Vertrauen der Leute und ihre Liebe 
zum Missionar geschwunden. Etwas besser wurde es 1868, als der 
Glaubensbote Olpp anlangte, den greisen Kapitän als David Witbooi 
taufte und die Gemeinde aufs neue sich sammelte, Kirche und Schule 
besuchte und Gibeon von neuem anfbaute. 

Im Jahre 1866 gründete Missionar Johann Schröder die zweite 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


37 


Namastation, etwa zwölf Meilen südwestlich von Bersaba, unter dem 
Zeibstamme zu Zwart Morast, nach dem Kommerzienrath Keetmann, 
Präsidenten der Rheinischen Missionsgesellschaft, Keetmannshoop 
genannt, um damit ein 1850 gegebenes Versprechen Barmen’s ein- 
zulösen. Der Groll des hiermit anfangs unzufriedenen Kapitäns Zeib 
ward besiegt, ja der Häuptling half später selbst beim Kirchbau; 
das Gotteshaus konnte am 18. Juli 1869 eingeweiht werden. Oeffent- 
lieh bekannte Zeib vor der Festgemeinde den ihm und den Seinen 
durch die Mission bereiteten Segen und forderte sie auf, Gottes 
Wort sich anzuschliessen und treu zu bleiben. Die Zahl der Ge- 
tauften zu Ketmannshoop war 300, welche allerdings nach Schrö- 
ders Abberufung 1871 abnahm. Im Jahre 1874 musste Krönlein 
nach schwerer Krankheit und 28 jähriger Amtsführung zurücktreten 
und nicht vergeblich war seine Arbeit gewesen. Seine Nama-Ueber- 
setzung des Neuen Testamentes wurde auf Kosten der Britischen 
Bibelgesellschaft in Deutschland gedruckt ; sein Amt als Vorsitzender 
der Missionar-Konferenz war segensreich, seine Friedensliebe zeigte 
sich in Vermittelungen zwischen den Häuptlingen der andern drei 
Stationen und dem von Gibeon; er leitete die üebernahine der 
einzigen wesleyanisehen Nama-Station Warmbad, um so alle Nama- 
Orte der Rheinischen Mission einheitlich zuzutheilen. Dieser Platz, 
etwas nördlich vom Oranje gelegen, war anfangs Station der Lon- 
doner gewesen, ging ein, wurde aber 1834 auf Anregung des eng- 
lischen Beamten Nisbett von den Methodisten wieder aufgerichtet 
und Nisbett Bath genannt. 

Weniger erfreulich ist der Blick auf vier eingerichtete, aber 
bald wieder aufgegebene Missionsstationen, welche nördlich von Gross- 
Namaland lagen. Im waldbewachsenen Thale von Windhoek wurde 
am 6. Oktober 1842 Missionar Kleinschmidt von Jouker Afrikaner, 
dem nordwärts vorgedrungenen Orlamführer, bewillkommnet und auf- 
genommen. Bald kam der Sendbote Hugo Hahn aus Bethanien 
nach und so entstand hier die Station Elberfeld. Anfangs ging's 
gut; der christliche Häuptling sorgte für Ordnung und hielt Zucht ; 
aber 1844 kamen andere Glieder des Geschlechtes Afrikaner, Jun- 
kers Verwandte, und brachten aus dem damals noch wesleyanisehen 
Warmbad den Methodisten Haddy hierher und versprachen, sich mit 
Jonker gegen die feindlichen halbunterjochten Herero zu verbinden. 
Etwas südöstlich hatten schon um diese Zeit die Wesleyaner Tindall 
und Haddy versucht, auf Nausannabis, von ihnen Wesleyvale ge- 
nannt, eine Mission zu errichten, welche aber nur wenige Jahre 


Digitized by Google 



38 


Me Mission in ileu deutschen Schutzgebieten. 


bestand. Die Rheinischen Sendboten sahen in diesem entstehenden 
Rangstreit die Wurzeln neuer Verwickelungen und verliessen Wind- 
hoek, welches nun von deu Methodisten Con cordiaville geuannt 
wurde. Um diese Zeit zog Hugo Hahn, erst mit Kleinschmidt und 
dann allein nordwärts ins Herero- (oder Damara-) Land. Kleinschmidt 
aber ging zum Kamahäuptling Willem Zwartbooi. einem Schüler 
Si-hmelcn's, und gründete, unterstützt von dessen durch Schmelen 
getauften Frau Anatje und dem Bruder Kobus bei den heissen Quellen 
Annis am 11. Mai 1845 die Station Rehoboth. so geheissen nach 
Isaaks Brunnen (1. Moses 26. 22). Des Häuptlings Bruder Kobus 
und Vater Manasse wurden getauft, bald darauf viele andere Kama, 
1847 der alte Capitän Willem Zwartbooi selbst, und zu Pfingsten 
desselben Jahres konnte die Kirche eingeweiht werden. Bald darauf 
aber brach das Landesfieber verheerend aus; auch Kleinschmidt er- 
krankte schwer; genesen und 1848 durch den Mithelfer Vollmer 
unterstützt, sah er schweres Kriegs- und Sündenunheil herannahen. 
Oasib, welcher sich für den Oberhäuptling der Kama hielt, Zwart- 
booi, Amraal. Jonker — alle verfeindet: für kurze Zeit konnte der 
Engländer Galton Frieden stiften. Eine zweijährige Dürre zerstreute 
Rehoboth's Bewohner, Kirche und Schule wurden leer und Klein- 
schmidt musste mit seiner Familie nach der Kapstadt. Gewissenlose 
Händler, der Ankauf von verderblichem Branntwein, Pulver, leicht 
wieder zerrissene Kleider hatten die Kama arm gemacht und 1853 
fand Kleinschmidt bei seiner Rückkehr traurige Zustände vor. Die 
Gemeindemitglieder waren Räuber geworden, hatten ins Damaraland 
wiederholt Einfälle gemacht und selbst Kobus, des Häuptlings Bru- 
der, in der Taufe Johannes genannt, nahm nebst manchem Aeltesten 
hieran Theil. Willem selbst ergab sich dem Trunk, legte dicht bei 
der Kirche eine Branntweinbrennerei an und war nicht mehr die 
Stütze des Missionars. Weisse Kupfergräber säeteu Zwietracht, aber 
noch hielt eine kleine gläubige Schaar, darunter viele Frauen, Stand: 
ja 1857 hob sich die Schule, das neu erbaute Kirchlein konnte ge- 
weiht, 1862 ein schönes Pfingstfest gefeiert werden. Doch das Jahr 
1864 brachte neue Unruhe; es kam zwischen den Kama und Damara 
zu einem Gefechte, wobei die Rehobothiter deu Stammesgenossen 
nicht beistanden, und als die Kamahäuptlinge aufs neue heranzogeu. 
verliess Zwartbooi mit allen Leuten Rehoboth, und Kleinschmidt, 
welcher gerade seine 25jährige Amtsführung feierte und nach 
19jährigem Wirken diese Station ungern verliess, zog mit. Jan 
Jonker und Hendrik Zes überfieleu die Abrückenden. Kleinschmidt 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


39 


tl iichtete und kam todtmüde, gebrochenen Herzens bei Hugo Hahn 
in der Hererostation Otjimbingue an, in dessen Armen er am 
2. September 1864 starb. 

Aehnlich erging’« mit der von Vollmer 1853 errichteten Station 
Hoatchanas, südöstlich von Rehoboth, unter dem Rothen Volk des 
Häuptlings Oasib. Wohl ging Vollmer rüstig an’s Werk, pflanzte Gärten 
an, baute Häuser und Wasserleitungen, erlernte die Namasprache. 
richtete die Schule ein und vollendete im September 1862 das 
Kirchlein. Als er aber 1866 von einer Kapreise heimgekehrt Hoat- 
chanas wieder erblickte, war es öde und verwüstet. Der liederliche, 
wankelmfithige Häuptling Oasib, bald christlich, bald heidnisch ge- 
sinnt, zwang den Missionar, mit ihm auf den Raubzügen auszugehen. 
Als sie aber mitten unter Feinde geriethen, floh Oasib, und Vollmer 
sah sich von Feinden, aber auch von Getauften, umgeben, von wel- 
chen er gepflegt am 3. Februar 1867 starb nnd in einsamer Wüste 
begraben ward. 

Den Gottesdienst in Hoatchanas hatte auch Amraal, der beste 
unter den Häuptlingen,, öfters besucht, als 1850 die Wesleyaner 
seinen Wohnort Nausannabis oder Wesleyvale verlassen hatten. Nun 
bat er um einen rheinischen Missionar und erhielt Eggert, welcher 
von Wesleyvale nach dem nördlich und besser gelegenen hügeligen 
hübschen Platz Olifant Fontain oder Gobabis zog und hier eine 
Station gründete. Zu diesen guten Jagdgründen an den drei Quellen 
kamen eingeborene und europäische Jäger zusammen, um Löwen, 
Rhinozerosse, Elephanten, Gnus und Antilopen zu schiessen. 1863 
wurde eine die Buschkirche ersetzende neue eingeweiht und eine 
grosse Versammlung sämmtlicher Nama-Missionare gehalten, um be- 
sonders die Uebersetzungsarbeiten zu berathen. Wohl gedieh im 
Missiousgarten Korn und Gemüse, aber einer Pockenkrankheit er- 
lagen 130 Leute, darunter der treue, alte, ehrwürdige Häuptling 
Amraal. Das jüngere Geschlecht, verstärkt durch die Heidenpartei 
ans dem nahen Witvley, liebte Raub und Mord, aber nicht Gottes 
Wort. Bald erhoben sich die Damara (Herero) gegen die Orlam, nur 
mit Lebensgefahr entkam die Missionsfamilie sicherem Tode, Gobabis 
aber verfiel dem Gericht und wurde 1865 als Station aufgegeben. ') 

Noch schwereren Anfang hatte die Rheinische Mission im 
Damara- oder Herero-Lande, dem grossen vom Namagebiet 

') Leber die im englischen Walfischbay-Qebiet liegende Station Sehe pp - 
manusdorf vgl. L. v. Kohden: Geschichte der Rheinischen Missionsgesellschaft. 
1888. ID. Ausgabe. S. 216—221, 463 (Bannen). 


Digitized by Göogle 



40 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


nördlich gelegenen Wohnsitz des schwarzen, gleichfalls herumziehenden 
Ovaherero- oder Damara-Volkes, welches bettelhaft, prahlerisch, 
zänkisch, kindisch und andererseits stark, grausam, nicht unge- 
schickt ist. Als die ersten rheinischen Missionare hierher zogeu, 
wurden die Herero von den Nama geknechtet und unterjocht, so dass 
es nicht Wunder nimmt, dass der Missionsanfang sehr schwer war. 
Von Okahandja (Schmelen’s Verwachting) vertrieb die Dürre den 
Hugo Hahn noch im selbigen Jahre 1844 nach Otjikango (Neu- 
Baruien), wo Rath ihm 1845 zu Hülfe kam und 1847 in der neu 
erbauten Kirche nach schwerer Erlernung und Spracharbeit die erste 
Predigt in Otjiherero gehalten wurde. Für alle geistigen und be- 
sonders geistlichen Begriffe mussten erst Ausdrücke gesucht, ohne 
Buch, Lehrer, Anleitung musste der Sinn der fremden, halb ver- 
schluckten Wörter mühsam ermittelt und gauz allmählich der Sprachbau 
aufgefunden werden. Die Mühe der Missionare, ihre Anleitung zur 
Gärtnerei, besserem Haushalt u. s. w., die Sorge für Seele und 
Geist belohnten die Herero mit Stehlen und Rohheit. 1849 kam 
Kolbe hinzu ; vermittelst einer kleinen Presse wurden die nothwen- 
digsten übersetzten Lehrbücher gedruckt und 1849 konnte Rath das 
weiter westlich gelegene Otjimbingue errichten, 1850 Kolbe Oka- 
handja (Schmelenshoop-verwachting) aufs neue gründen. Aber jene 
schon oben erwähnten Kämpfe zwischen den gelben hottentottiseken 
Orlam und Nama und den schwarzen Herero oder Damara Hessen 
nichts gedeihen. Die zuletzt genannte Station wurde von Jonker 
bald wieder zerstört und als des Engländers Galton Ansehen und 
Friedensversuch geschwunden war, auch eine furchtbare Augeu- 
krankhcit 1852 die Missionare heimsnchte und bald darauf Rath 
von einem Namaränberhaufen auf Otjimbingue überfallen wurde und 
Sehöneberg das hart bedrängte Neu- Barmen verlassen musste, war 
1853 kein Missionar mehr in Hereroland. Doch schon im folgenden 
Jahre kehrte Rath nach Otjimbingue zurück und 1856 Hugo llahu 
nach Neu-Barmeu; aber das Land wurde von Bruderkriegen durch- 
wühlt und nordwärts dringende Nama, besonders Jonker, Hessen das 
Schlimmste befürchten. 

Erst nach 14 Jahren wurde ein Hereromädcheu. die erste Frucht 
der Damaramission, von Hahn 1858 getauft. In diese Zeit auch 
fallen die wichtigen Entdeckungsreisen ') der beiden Missionare Hugo 

') Vgl. l’etermann, geographische Mitth. 1858: 42, 175. 185,349. 1859: 295 
his 303. T»f. 11 106, 274. 1868: 259. Petermanu nannte llahu und Kath 1858, 
42 »die unermüdlichen Pioniere geographischer Entdeckungsreisen“. 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutseben Schutzgebieten. 


41 


Hahn und Rath ins Ovambo-Land bis zum KnneneHuss, welche auch 
bei den Fachgelehrten verdiente Beachtung gefunden haben. Im Früh- 
ling 1859 sah Rath auf der Rückreise von der Capstadt nach der 
Walfischbay durch Schuld der Mannschaft das Schiff scheitern und 
seine vier Kiuder nebst der Frau, eins nach dem andern, unter- 
gehen. Nach Otjirnbingue zurückgekehrt, fand er die Eindring- 
linge als Herren vor; so verliessen Rath und Hörnemann 1861 das 
Hereroland, und die Mission war nach 17 jähriger, anscheinend 
erfolgloser Arbeit aufgegeben. 

In dieser Zwischenzeit hielt der Bastard Daniel Clöte aus 
Klein-Naraaland die wenigen Hererochristen zusammen, und als der 
wilde Jonker 1861 auf Schmelenshoop in Kleinsehmidt’s Gegenwart 
gestorben war, atbmete Alles auf: aber statt des Löwen kamen 
Hyänen, statt Eines nun viele Gewaltherrscher. Die Damara (Herero) 
erhoben sich und siegten am 15. Juni 1863 bei Otjirnbingue, wunder- 
bar wurde der Missionar Kleinschmidt, welcher von Rehoboth aus 
diese Station mitverwaltete, beschützt. Nach der Besiegung der 
Afrikaner fasste II. Hahn neue Hoffnung, kam am 9. Januar 1864 
wieder ins Hereroland, übergab dem jungen Brineker Otjikango 
(Neu-Barmen) und siedelte sich, sowie seine Kolonisten auf Otjim- 
bingue an. Aus Deutschland waren nämlich verschiedene Hand- 
werker mitgekommen, um die Herero durch allerlei Haudarbeit zum 
geordneten Leben herauzubilden : Schmiede, Zimmerleute, Stellmacher. 
Es entstand ein frisches Sein und Treiben in dem von Hahn ange- 
kaufteu Gehöft des weggezogenen Kupferminenaufsehers Anderson; 
der Oberhäuptling (Ka) Maharero baute selbst mit an seinem Hause, 
Gärten wurden augelegt, die Schwarzen pflügten nnd säeten mit 
Eifer und Lust: die rohen Sitten nahmen etwas ab und der Gottes- 
dienst wurde auch von den Häuptlingen besser besucht. 1866 reiste 
Hugo Hahn, einer Einladung des Königs Tjikongo folgend, wiederum 
ins Ovambolaud, überliess aber dies neue grosse Werk den Finn- 
ländern, welche noch heute dort missioniren. Die Einweihung der 
neuen Kirche 1867, die Errichtung eines Eingebor- nen-Semiuares, 
das Augustine um, waren neue Freuden, die Taufen mehrten sich 
und in der Tagesschule waren etwa 60 Kinder. Aber die Nama 
rächten sich an den freigewordenen Herero, überüelen im September 
1865 Neu-Barmen, aber Jan Jonker hielt den bösen Hendrik Zes 
noch zurück, die Missionsfamilie zu tödten und das Christenthum 
ganz auszurotten. Schon sollte Neu-Barmeu aufgegeben werden, als 
der östliche Hauptstamm der Damara, die Ovambandjeru, von Go- 


Digitized by Google 



42 Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 

babis hierherzogen, und Missionar Brinker unter ihnen mit Erfolg 
arbeiten konnte. Aber neue Angriffe der Nama und Orlam 1868 
entvölkerten wiederum Otjimbingue, bis die Herero (Dainara) den 
Feinden eine bedeutende Niederlage befrachten und durch die Be- 
mühungen der Missionare der Friede nach siebenjährigem Kriege zu 
Stande kam. 

In dieser Friedenszeit 1870 wurden von den Rheinischen neuere 
Stationen im Hererolaud angelegt; so von Viehe in Okozondje am 
Omarurn (nachdem schon 1867 Böhm die Rehobothiter nach Ameib 
übergesiedelt hatte), von Diehl 1870 wiederum Sch melenshoop 
(Okahandja), von Irle in Otjosazu östlich davon; 1874 waren 
800 Herero getauft, im Norden kamen Otjozondjupa (Waterberg) 
und im Osten Otjizeva als neue Stationen hinzu und bis 1886 ist 
die Taufzahl auf über 2000 gestiegen. Allerdings kennen die Herero 
kaum die Dankbarkeit, auch verschwinden bei so jungen, eben erst 
aus dem tiefsten leiblichen und sittlichen Schmutz des Heideuthums 
emporgehobenen Gemeinden iu der verführerischen Umgebuug der 
heidnisch gebliebenen Volksgenossen die bösen Sitten, besonders 
Diebstahl, Unzucht, Götzeuopferessen u. s. w. nicht mit einem Male. 
Aber es geht vorwärts uud die Gemeindeältesten helfeu dabei treu- 
lich mit, christliche Sitte einzuführen, festzuhalten und das Christen- 
thum in die Umgegenden hinaus zu verbreiten. Die schmutzigen 
und oft so grausamen Gebräuche der Herero bei Geburt, Hochzeit 
und Begräbniss sind bei allen Getauften natürlich weggefallen, die 
christlichen Hochzeiten verlaufen in anständiger, hübscher Weise, 
und dem Leichnam wird das Rückgrat nicht mehr durchgehauen. 
Auch werden die Gemeinden daran gewöhnt, für Bau und Erhaltung 
von Kirche und Schule selbst zu sorgen, ebenso für den Unterhalt 
der Lehrer und Ankauf der nöthigsten Schulbücher. Jeder Getaufte 
kann lesen, hat sein Gesangbüchlein bei sich und nimmt es auf 
weiteren Wanderungen mit, so der Kunde des Christenthums Vor- 
schub leistend. Die schmutzige, schmierige, sonderbare Volkstracht 
mit den Fellbesätzen und eselohrähulichen Hauben wird von den Ge- 
tauften abgelegt. Es fehlt hier an Raum, auf die einzelnen Stationen 
der Rheinischen Mission im Herero- (Damara-) Lande näher einzu- 
gehen, doch sei noch erwähnt, dass der Sohn des Oberhäuptlings 
Willem (Ka) Mabarero sich zu den Missionaren hält, überhaupt die 
Kinder manche Alten zum Glauben heranziehen. 

Auf Otjozoudjüba an dem merkwürdigen quellspendeuden 
Waterberge wirkte von 1873 an Beiderbecke, welcher auch mit Sprach- 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutscheu Schutzgebieten. 


43 


arbeiten, Uebersetzungen ins Otjiherero sich um die Einführung des 
Uhristenthumes verdient, machte, 1880 aber wegen der heidnischen 
Herero nnd deren Rohheit diesen nordöstlichsten Platz aufgeben musste. 
Auf dem Wege von Otjizondjüba nach Okozondje nahe der letzteren 
Station errichtete Dannert 1876 Ombüro, welches durch die Hilfe 
des christlichen Häuptlings Salomo trefflich emporkam; leider aber 
fiel dieser treue Christ im Nama-Hererokrieg 1880 (v. Rhoden a. a. 0. 
S. 449—461). Die Erziehungsanstalt Augustineum zn Otjimbingue 
besonders durch die Freigebigkeit der Fürstin zu Lippe durch H. 
Hahn gegründet nnd erhalten, seit 1873 durch Büttner erweitert, 
soll nun nach Okahandja verlegt werden, dem Königssitz des (Ka) 
Maharero: um so mehr da dies bisherige Erziehungs-Gebäude gute 
Verwerthung fand und vom deutschen Regierungscommissar auge- 
kauft wurde. — Auch für die Bergdamra, früher vermuthlich Herren 
des Landes, nun aber elende, unterjochte, verachtete, den Pavianen 
gleich gerechnete Zerstreute im Damralande, ist christlich gesorgt 
worden, bis sie durch Kriege und grausame Verfolgungen bald ganz 
unterdrückt verschwinden. *) 

Die früher von Rehoboth von dort 1864 mit ihrem Missionar 
Kleinschmidt ins Damraland gezogenen Namahottentotten Zwartboois 
wurden 1867 von Böhm zum Theil auf Ameib gesammelt und 
christlich unterwiesen. Als aber 1880 der Nama-Hererokrieg nach 
zehnjähriger Unterbrechung von neuem begann, stellten sich die 
Zwartboois anf die Seite der gelben Nama und bekriegten die schwar- 
zen Damara. Am 12. Dezember 1880 erhielten aber die Nama bei 
Neu-Barmen eine schwere Niederlage, in welcher leider auch Wilhelm 
(Ka) Maharero Hel: ebenso bei Okahandja am 23. November 1881 
nnd erst Dr. Hugo Hahn, der alte Damaramissionar und später deutsche 
Pastor in der Kapstadt wurde 1882 ins Hereroland geschickt und 
vermittelte vorläufigen Frieden. Natürlich litten die Stationen 
Ameib, Otjimbingue und Neu-Barmen (Otjikango) schwer genug unter 
diesen Kämpfen, wenn auch die Missionare viele Werke der Bann- 
herzigkeit thaten und selbst die heidnischen Herero sich enger an 
die christlichen anschlossen, indem sie sagten: Wir haben erkannt, 
dass der Sieg von Gott kommt, und wollen ihn darum mit 
Euch bitten. Ueberhaupt zeigten die Getauften Muth, Entschlossen- 
heit, Ueberlegung, gegen Gefangene Schonung, wenn auch der alte 

') Heber den von (Ka) Maharero 1878—81 abgerissenen Versuch katholischer 
Missionare, vgl. v. Rhoden a. a. O. S. 44(>. Ausland 1S82, 237. Miss. Zeitschrift 
1882. 66 f. 


Digitized by Google 



44 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


Maharero sieb von den Gottesdiensten mehr ferner hielt und sieb 
nur aus den Christen eine Art Leibwache bildete, das Predigen 
duldete, ja die Missionare herbeirief. 

Seit jenem Frieden 1882 kämpften die Herero und Bastards 
von Rehoboth gemeinsam gegen Jan Jonker, aber seit Mitte 1884 
erhob sich im Orlambäuptling Hendrik Witbooi von Gibeou ein 
schlimmerer Feind. Er hielt sieb, aufgeregt durch einen muhamme- 
daniseben Malaien, für einen von Gott berufenen Heiland des Volkes, 
welcher den Herero den Frieden geben (d. h. aufzwingen!) solle; 
eigentlich aber erstrebte er gegen Paul Vister die Oberherrschaft 
übers Namaland, schaarte viele Anhänger und Raubgesindel um sich, 
zwang die Missionare zu Gottesdiensten, erlitt wohl eine Nieder- 
lage am 14. Oktober 1885 nahe bei Okahandja (Osona), blieb aber 
mächtig und mit Jubel begriissten die Missionare in diesem Wirr- 
warr die deutsche Schutzherrschaft über das Xama- und Damaraland. 
Vor einem Jahre zeigte sich im Tsoachaubfluss Gold: wie nun dieser 
Fund und wie die Machtenfaltung der deutschen Regierung im Damara- 
laude sich erweisen wird, muss die Zukunft lehren: mit der Selbst- 
ständigkeit des Herero scheint es angesichts der vordringendou 
Weissen, wie auch in anderen südafrikanischen Landen, vorbei zu 
sein. Die Rheinische Mission wird aber treu ihre Arbeit weiter 

führen, möge sie darin von richtiger Seite Kräftigung erfahren, sie 
hat dies verdient. Leber ihre Wirksamkeit hat Dr. Höpfner in 
den „Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“ 
(wiedergegeben im Globus, Band 44, S. 383) sehr anerkennend also 
geurtheilt: „Sie haben es verstanden durch nüchterne, selbstlose 
Arbeit ihrer Culturaufgabe gerecht zu werden . . . seit Anfang der 
sechziger Jahre hat das Christenthum Wurzel gefasst und sehou 
scheint es. als ob der Widerstand des Heidenthums schwächer zu wer- 
den anfäugt. Die Christen gewinnen im Volke mehr und mehr An- 
sehen . . . Kulturfortschritte bedeutender Art sind garnicht zu ver- 
kennen u. s. w.“ 

Zum Schluss noch ein rascher Ueberblick übers deutsche Xarna- 
land. Die .Missionsstation Gibeon ist vorläufig aufgegeben, andere 
wurden errichtet, so: Hoatchanas 1872 sammt der Xebenstation 
Hatsamas; ein Fortschritt zum Besseren war bemerkbar, aber 
durch Verarmung der Gemeinde, unsinnigen Einkauf von Kaffee, 
Branntwein u. dgl. und bei dem wetterwendischen Sinn der Nama 
wurde manches Gute erstickt. Das 1876 im Oktober durch Judt 
wieder besetzte Gobabis zeigte mehr Hoffahrt, als Heilsverlangen; 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


45 


gowissenlose Händler verführten das Volk durch Branntwein und 
1881 musste dieser Ort nach dem Kriege wieder aufgegeben werden. 
Rehoboth seit 1864 unbesetzt geblieben, wuchs 1871 durch heran- 
gezogene Bastardstämme und sich hier 1875 ansiedelnde weisse 
Händler aber auch an Branntweintrinkern. Doch hetheiligte es sieh 
1878 freigebig an der 50 jährigen Festfeier der Rheinischen Mission. 
Westlich von Gibeon ist 1878 Grootfontain durch Pabst gegrün- 
det worden, hielt sich aber nur bis 1883: Pabst zog nach Warmbad 
und 1885 an die Kalahari-Grenze, wo er zu Mier und Hass die 
Missionsstation Rietfontain einrichtete. Windhoek, Jan Jonker’s 
Sitz, verwaltete Schröder von 1871—1880. als auf (Ka) Maharero’s 
Befehl das Nama-Morden anfing und Windhoek von Herero zerstört 
wurde. Vergebens hatte 1876 der englische Commissar Palgrave auf 
Rehoboth Ruhe und Verträge vermitteln wollen, im Kriegsjahr 1880 
bis 1881 ging Alles wirr durcheinander. Nur in B ersah a und 
Bethanien gedieh kirchliches Leben zusehends: auch Hoatchauas 
wuchs, selbst Rehoboth, und die Zahl der Getauften im dünn be- 
völkerten Namaland ist trotz der Kämpfe und Unruhen auf fast 4000 
gestiegen. Vielleicht werden die Bewohner des nuu deutschen Nama- 
landes dureh Deutsche und Buren zur Arbeit angeregt und zeigen 
sich empfänglicher fürs Gotteswort als in der bisherigen wilden blu- 
tigen Freiheit; Unstätigkeit, Leichtsinn und Trägheit bleiben schlimme 
Feinde — doch das Christenthum hat schlimmere überwunden und 
auch hier rettet die deutsche Mission den noch empfänglichen Rest 
des gelben Namavolkes. — 

Für das jetzige deutsche Ostafrika hatte schon 1844 die 
englische kirchliche Missionsgesellschaft Sorge getragen und 
den aus Abessinien vertriebenen deutschen Sendboten Job. Ludwig 
Krapf (geb. am 11. Januar 1810 zu Derendingen bei Tübingen) 
dorthin gesandt, welcher in Folge eines Sturmes nicht geradewegs 
nach Sansibar, sondern 1844 den 3. Januar nach Momhas kam. Beim 
Tanafluss voriibersegelud schrieb er in sein Tagebuch: »Wie schade 
ist es doch, dass diese schönen Gegenden, die des Anbaues fähig 
sind und Holz genug haben, so unbewohnt gelassen werden! Doch 
die Zeit wird und muss kommen, wo der Strom der europäischen 
Völkerwanderung auch nach Ostafrika sich wenden wird.“ Er sah 
in diesem Fluss eine offene Thür fürs Evangelium und erhoffte Ko- 
lonisation der Gegenden von einer ihr folgenden Mission. Vierzig 
Jahre später wurde das Witu-Land am Tana deutsch! Krapfs Frau 
und ihr Kind starben als Beute des Fiebers und doch schrieb Krapf 


Digitized by Google 



46 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


glaubensvoll an jenem Grabe nach London: „Sagen Sie unseren 
Freunden, dass in einem einsamen Grabe an der ostafrikanischeu 
Küste ein Glied Ihrer Mission ruht. Ein Zeichen ist dies, dass Sie 
den Kampf mit diesem Welttheile begonnen haben, und da die Siege 
über die Gräber vieler ihrer Glieder dahinführt, können Sie um so 
mehr überzeugt sein: die Stunde naht, in welcher Sie berufen sind. 
Afrika von der Ostküste aus zu bekehren.“ Dreissig Jahre später 
wurde in nächster Nähe dieses Grabes die segensreiche Missions- 
station Frere Town zum Schutze armer geretteter Sklaven angelegt. 
In Joh. Rebmann, dem Württemberger Baseler Seminaristen, fand 
1846 der einsame Missionar einen treuen Geholfen und 1849 ebenso 
im Deutschen Ehrhardt; doch die kleine Niederlassung zu Rabbai 
Mpia. Rebmann's bescheidene Wohnung im nahen Kisilntini, die 
litterarischen Arbeiten, die Vollendung eines englisch-suaheli und 
Kinika- Wörterbuches 1847, sowie einiger Schulbücher, der Ueber- 
setzung des Kinika-Evangeliums St. Lucä, das treue Lehren u. s. w. 
wurden für viele Jahre nicht belohnt. Die Wanika blieben ver- 
schlossen und hart: nur ein Krüppel wurde getauft. Während Krapf 
1854 sich wieder nach Abessinien wandte, blieb Rebmann allein: 
aber KrapFs sprachliche Arbeiten wirkten auch noch von hier aus 
für jene Landschaft. Er verfasste ein Wörterbuvh und eine Sprach- 
lehre der grossen Galla, begann mit Isenberg ein Wörterbuch 
des Somali, verfasste ein Wörterbuch in der Engutnk Iloizob (Massai) 
Sprache und der verwandten Engntuk Eloikob, ebenso der Teita und 
Usambara-Länder. der Kikamba (Sprache von Ukambani) und der 
Kiuiassi (Sprache der Nyassa-Völker?), übersetzte ins Suaheli das 
ganze Neue Testament und einen Theil des ersten Buches Moses und ver- 
öffentlichte das allbekannte sechs ostafrikanische Sprachen umfassende 
Wörterbuch (Tübingen 1850). berühmt sind ja auch Krapf’s, Reb- 
mann’s und J. Ehrhardt’s geographische Verdienste, jene Karte von den 
Binnenseen Afrikas. Rebmann's Entdeckung des schneebedeckten Kili- 
mandscharo am 11. Mai 1848 und Krapf s Auffindung des Kenia nebst 
seinen Reisen in Usambara 1 ). Als durch die wilden Massai Reb- 
mann's Station zerstört und er nach Sansibar flüchten musste, fand 
er bei seiner Rückkehr mehr Empfänglichkeit, konnte die Station 

*) Näheres Petermaun geogr. Millh. 1856, 19 — 32, Tat. 1. 1858, 223. 1859. 

348, 431. 1878, 106. 1888, 177. 1855, 328. 1857, 275. 439. 441, 541. 1858. 

396 f., 401 f. 1859, 392, Tat. 15., 503. 1861, 124, 148, 233. 1864, 450, 451. 

454 f 1871, 149. 1883, 199. 1882, 103. 1855, 233. 1856, 19 f., 26, Taf. 1. 

1859, 392, 379. 1864, 419. 1867, Taf. 10 e. 1876, 267. 1877, 170 f. 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


47 


wieder herstellen und gleich darauf 1860 mehrere Eingeborene 
taufen. Mehrere Gefährten starben, aber Rebmann blieb am Platz, 
ein stiller Einsiedler, einsamer Held, begrub 1866 seine Frau, welche 
15 Jahre lang treu neben ihm gearbeitet hatte; blieb, als das eine Auge 
in Folge vieler Leiden erblindete, ja kehrte nicht heim aus Angst, 
sein Posten könne eingezogen werden und ging erst nach Europa, 
als das andere Auge vom Staar befallen wurde. Sein treuer Diener 
Isaak Nvando, ein getaufter Mnika, war ein Führer nach Europa. London 
und Württemberg, als Rebmanu Afrika im 30. Arbeitsjahr verliess 
und doch nur 20 Bekehrte seinen »Erfolg“ nennen konnte. Deutsch- 
land darf anf Krapf nnd Rebmann stolz sein; sie haben Ostafrika 
Jahrzehnte vor der deutschen Besitznahme geistig besetzt, waren im 
buchstäblichen Sinn, wenn auch Mombas jetzt nicht im deutschen, sondern 
im englischen Besitz liegt, die Vorkämpfer der Ostafrikanischen 
Gesellschaft. Ernteten sie auch nicht, so säeten sie aus, damit 
andere schnitten; durch ihre Anregung, ihr Rufen ist die Bahn ge- 
brochen. Au ihrer Hingebung, Selbstverleugnung können Missionare 
nnd Kolonisten für alle Zeit und für Ostafrika lernen. Auch Reh- 
mann hinterliess wissenschaftliche Arbeiten: Kinika- und Kiniassa- 
Sprach Wörterbücher, eine Suaheli-Uebersetzung des St. Lucä-Evauge- 
liums. Als 1864 das bekannte Baseler Missions-Magazin Speke's 
Nilquell-Reise besprach, schloss es den Bericht mit folgenden be- 
zeichnenden Worten: »Oder warum sollte nicht eine deutsche Flotte 
in Ostafrika die erste deutsehe Ansiedelung gründen, um den Weg 
ins Innere zu öffnen und offen zu erhalten?“ (Seite 446.) In Wahr- 
heit ging Deutschlands Geschichte auch von 1864, Alsen. nach 1884, 
Sansibar. — 

Der 1850 ans Afrika gesundheitshalber zurückgekehrte Krapf 
führte 1860 Sendboten der vereinigten methodistischen Frei- 
kirchen wieder nach Ostafrika und brachte, nachdem drei unter- 
wegs umgekehrt waren, den vierten, W’akefield, zu den Wanika, 
unter denen 16 Meilen nordwestlich von Mombas Ribe gegründet wurde. 
Im Jahr 1866 kam Charles New hinzu, bald darauf Butterw'orth, 
1870 Yates. Wichtige, auch geographisch bemerkenswerthe Reisen, 
New's Besteigung des Kilimandscharo (26. August 1871) bis zum 
Rande des ewigen Schnees u. s. w. unterbrachen die eigentliche 
Missionsarbeit, Zwar konnte in Usambara noch keine Mission 
begonnen werden, New’s Tod machte neue Unternehmungen fürs 
erste unmöglich, doch 50 Getaufte zu Ribe und eine durch den be- 
kannten Sir Bartle Frere stark befürwortete Anleitung der Einge- 


Digitized by Google 



48 


Oie Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


borcnen zum Landbau, und zu allerlei Handwerk gaben neuen Mutli. 
Am 21. April 1876 senkte der neue Missionar James S. Seden in 
Ribe zum ersten Male den Pflug in die Erde. Holzsägen, Strassen- 
bau, Steinebrechen, Ziegel- und Kalkbrennen, Zimmerarbeit und 
Hausbau der Eingeborenen unter Beaufsichtigung der Missionare 
schlossen sich hier au. Wakeßeld übersetzte und druckte allerlei 
Schulbücher und legte in dem bisher mohammedanischen Dörfchen 
Dschomvu zwischen Mombas und Kisilutini 1876 die zweite Station 
und sodann eine Aussenniederlassung in Duruma an. Später wurde 
zu Golbanti am Tanafluss die neueste gegründet, welche 1886 zwar 
160 Getaufte hatte, aber kürzlich durch die Massai zerstört wurde, 
wobei Missionar Houghton und Frau ermordet wurden. Doch wurde 
es durch W. H. Düring wieder aufgebaut. 

Auch Rebmann's und Krapfs Arbeit ist von der Church Mis- 
sionar}- Society in neuester Zeit weiter fortgesetzt: Price legte 
Frere Town au: ein Knecht des alten Rebmann, Alte Ngoa, gründete 
durch die Kinika-Uebersetzuug des Lucä-Evangeliums in Godoma 
auf sonderbare Weise eine Nebenstation, welche von Kisilutini aus 
Beaufsichtigung erhielt, Hier enstand auch das Sklavendorf Full a- 
doyo und Kamlikeni, geleitet von einem eingeborenen Pastoren, 
später von mohammedanischen Wasuaheli zerstört. Unter dem wil- 
den Gebirgsvolke der Taita geschah die Anlegung der Station Sa- 
galla und die Ausdehnung der Missionsarbeit nach Dschagga uud 
zum unbeständigen Häuptling Mandara von Mose hi. Wichtiger 
noch für Deutsch-Ostafrika ist die Anlegung der Missionsstationen 
seitens der genannten englischen Missionsgesellschaft gemäss Krapfs 
Plan von der Küste nach dem Ukerewe-See, da einige dieser Sta- 
tionen in dem eigentlichen deutschen Schutzgebiet liegen. Voraus- 
gesetzt sei die Entstehung und Fortsetzung der Victoria-Nyanza- 
Mission durch Stanley n. s. w. 1875 f. und erwähnt seien nur die 
uns hier angehenden Stationen. Auf Stanley’s Posaunenruf vom 15. 
November 1875 flössen in England grosse Summen zusammen und 
wie elektrisirt stimmten viele in den lluf ein: Nach Ostafrika und 
Uganda! Im Juni 1876 marschirte eine gut ausgerüstete Expedition, 
nachdem der Versuch, auf dem Wamifluss und dem Kiugani ins 
Innere zu gelangen, missglückt war, von der Sansibarküste landein- 
wärts. Ueber 400 Pagazi (Träger) und 90 Arbeiter waren ange- 
worbeu und die vier Abtheilungen drangen vor: die erste unter den 
Laieumissionaren O’Neill und Clark, die zweite unter Wilson und 
dem Schmied Robertson, die dritte unter Mackay und Hart- 


Digitized by Google 



I>i« Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


49 


well, die vierte unter dem Hauptbefehlshaber Lieutenant Smith 
und Dr. Shmith-Edinburg. Nach mancherlei Beschwerden wurde am 
24. August Mpwapwa im Hochland Usagara nabe dem Wamiquell 
erreicht und während ein Theil der Karawane weiter zum Uke- 
rewe zog, blieben zwei Missionare O’Neill und Clark hier, welche 
seitens des mohammedanischen Gouverneurs und des eingeborenen 
Häuptlings ein freundliches Entgegenkommen fanden, ln der Nähe 
eines kleinen Flusses auf einer Hohe vor dem 2000 Kuss empor 
ragenden mit Akazien bedeckten Gebirge, über den Höhlen des 
Löwen, Leoparden und der Hyänen im dichten Thalbuschwerk wurde 
auf gutem Baugrund das mitgebrachte Missionshäuschen errichtet. 
Neben einem Missionsarzt war später auch ein Laudwirth für Acker 
und Viehwirthschaft thütig. Bald konnte etwas nordöstlich die zweite 
Station Mamboia entstehen und halbwegs nach dem Ukerewe nahe 
dem 5 Grad südl. Breite Ujui, sowie dicht nordwestlich bei Mpwa- 
pwa der Aussenplatz Kisokwe. Am Grabe des Londoner Missions- 
inspektors Dr. Josef Mullens sammelte sich in Mpwapwa eine kleine 
Gemeinde und der hier verpflegte Afrikareisende Franzose Revoil 
lobt diese Niederlassung. 

Im Juli 1877 zog die Londoner Missionsgesellschaft an 
den Tanganjika, geleitet von Roger Priee. welcher den Ochsenwagen 
als Beförderungsmittel auch hier in Ostafrika einführte. Da 
aber die östlichste Station dieser Londoner Mission zu Urambo 
in Dniamwesi sich befindet, die deutsche Besitzung bis zum Tanganjika 
zwar der Gegenwart augehört, aber ihre Ausbeutung nach Zukunfts- 
musik klingt, brechen wir hier ab. — Ebenso verhielt es sich mit 
der Arbeit der schottischen Freikirche oder Liviugstouia am 
südlichen und westlichen Rande des Nyassa und auf dem Wege nach 
dem Tanganjika, sowie mit der Arbeit der Church of Scotland 
am Schirefluss. Von den Niederlassungen der englischen Uni- 
versitäten-Mission seien (abgesehen von denen auf Sansibar 
zu Sansibar. Mbuweni und Kiungaui, sowie den drei am 
Nvassasee) hier die vier Stationen in Usambara und die vier im 
Rovumaland näher erwähnt. Die Mission in Ostafrika war von 
dieser Gesellschaft schon 1859 — 62, in Folge der grossen Ent- 
deckungen Livingstone’s, unter Bischof Mackenzie vergeblich in 
Angriff genommen worden; das Ende war vielfacher Tod, Jammer, 
Noth. Aber von dem nicht aufgegebenen Unterstützungspunkt San- 
sibar aus wurde die der Insel Pemba gegenüberliegende Landschaft 
Usambara, nördlich vom Rufutluss, ins Auge gefasst und zu Ma- 

Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 4 


Digitized by CoOglc 



50 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


gila (Madschila) die Niederlassung gegründet und ein eisernes Haus 
aufgerichtet. Leider starben am Fieber zwei Missionare rasch 
nacheinander, 1873 waren nur zwei eingeborene Seminaristen thätig, 
doch zählte Magila 1882 bereits 200 Getaufte. Eine grosse Feuers- 
brunst richtete erheblichen Verlust an, aber ein Einfall der feind- 
lichen Massai konnte durch die tapfere Vermittelung der Missionare 
zurückgewiesen werden. Auch landwirthschaftlieh wuchs Magila, 
hier und in Misozwe wurde eine Kirche gebaut und bei Umba eine 
Aussenstation angelegt, von welcher sowie von Mkuzi erfreuliche 
Nachrichten eintreffen. 

Unter den wilden Stämmen des Rovumalandes sind die vier 
Stationen dieser englischen Universitäten-Mission: Mtna nahe dem 
Weltmeer, Newala nahe dem Rovumafluss, Masasi östlich davon, 
sowie Mlotelo (Chitangali). 1876 gründete Bischof Steere, welcher 
überhaupt der Universitäten-Mission neuen Aufschwung gab, etwa 
130 englische Meilen landeinwärts Massai mit 56 befreiten Sklaven 
aus Sansibar und zwei Missionaren. Im folgenden Jahre entstand 
Newala. Als 1882 Masasi von den wilden Magwangwara über- 
fallen nnd ausgeplündert worden war, dachte man daran, die Kolonie 
nach dem nahen Makende-Gebiet zu dem Häuptling Numanga zu 
verlegen. Aber schwer war es, sich von der schönen steinernen 
Kirche zu trennen und und 1885 meldete sich der Häuptling Matola 
zum Taufuuterricht, 

Auch Rom blieb nicht müssig: wie die Katholiken in den 
letzten Jahren nach Uganda und besonders auf Betrieb des Erz- 
bischofs Lavigerie nach dem Tanganjika-See vorgedrungen sind, so 
versuchten sie auch früher in Ostafrika den Glauben zu verbreiten. 
Klug wussten, nachdem die Jesuiten dies Missionsfeld abgelehnt 
hatten, bei ihrer Landung in Sansibar am 22. Dezember 1860 die 
katholischen Missionare von der Insel Reunion unter der An- 
führung des Fava sich mit dem damaligen Sultan Said Medschid zu 
verständigen, und bald wirkten die sogenannteu „schwarzen Väter“, 
die Brüder von der Gesellschaft des heiligen Geistes und 
des heiligen Herzens Mariä, gleichfalls von Reunion 1863 herüber- 
gekommen, in einem Krankenhaus und in Schulen. Zu Baga- 
moyo, dem Ausgangspunkt so vieler Afrikareisenden dicht am 
Kinganifluss, wurde 1869 eine Station eröffnet und durch den be- 
kannten Pater Horner eine Ackerbau-Colonie und ein Negerkinder- 
Erziehungshaus gegründet. Bald waren 50 kleinere und grössere 
Gebäude aufgeführt, um die 300 Kinder zu beherbergen, nnd durch 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


51 


einen furchtbaren Sturm im April 1872 verheert von neuem errichtet 
worden. Verschiedene Reisende, wie Cameron, auch Sir Bartle Frere 
1873, haben dieser Niederlassung, die wie zur Schau an jenem 
wichtigen Wanderwege liegt, ihre Anerkennung nicht versagt. Der 
unermüdliche Horner machte verschiedene wichtige Reisen landein- 
wärts und legte 1877 zu Monda in Nguru eine neue Station am 
schönen Flusse Kulula beim Häuptling Goeho an, welcher auch 
später der christlichen Lehre sich auschloss. Horner s Nachfolger 

Baur fügte als neue Station 1880 Mandera zwischen Bagamoyo 

und Monda, nahe dem Südbogen des Wami im W’adoe- Lande, 
hinzu und weihte sie dem heiligen Josef. Im Dezember 1883 

liess sich Pater Gommingenger nebst Gehülfen in Mrogoro, 
der Hauptstadt der Waseguha, nieder, welche in einem Thale 
am Flusse Serengere an der Karawanenstrasse schön und an- 

muthig gelegen ist. Trotzdem 1884 hier ein Brand und 1885 in 
Mandera ein Sturm arge Verwüstungen anrichtete, dehnte sich das 
Missionswerk doch aus, 1885 erfolgte die Anlegung der Station 
Tunungo, südlich von Mrogoro, und die Kreuzerhöhung auf dem 
nahen Berggipfel unter Gesang und Gebet. Uebrigeus hat diese 
ostafrikanische Mission, mit Einschluss Bagamoyo’s, und trotz ver- 
schiedener deutscher Mitarbeiter französisches Gepräge, wie denn 
auch die Pfleglinge zu Bagamoyo in der französischen Sprache unter- 
richtet werden. Doch ist kürzlich auch eine eigene katholische 
Missionsgesellschaft für Deutschafrika zusaramengetreten , die des 
St. Benedictas mit ihrem Missioushause St. Ottilien in Baiern, 
gegründet vom Benedietiner Pater Andreas Amrhein. Vom Beue- 
dietinerkloster Reichenbach in der Oberpfalz ist diese Anstalt ins 
Schloss Emming, eine halbe Stnnde von der Station Türkenfeld an 
der Müm hener-Buchloer Bahnlinie, verlegt. Während die Väter vom 
heiligen Geist das nördliche Gebiet behalten, ist diesen Benedictinern 
das südliche, nämlich das deutsche Schutzgebiet bis zum 7.° s. Br. 
zuertheilt. Die erste Missionsschaar, acht Brüder und vier Schwestern, 
verliessen am 11. November 1887 St. Ottilien und haben in Ost- 
afrika ihre Arbeit begonnen, nämlich zu Pugu, einer landwirt- 
schaftlichen deutschen Station, fünf Stunden von Dar-es-Salam 
entfernt, auf der Spitze eines ziemlich steil abfallenden, ewig grünen 
Berges in idyllischer Lage. 

Betrachten wir nun noch die evangelischen deutschen 
Missionen in Ostafrika, welche anlässlich der deutschen Schutz- 
herrschaft entstanden sind. Die vom Pfarrer Doll am 27. August 

4 * 


Digitized by Google 



52 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


1882 gegründete Mission zu Nenkirchen bei Mörs am Rhein zog 
sich von Calionb bei Kairo zurück und begann im März 1887 ihr 
Werk im deutschen Witu-Lande. Missionar Würtz fand bei dem 
Herrn Denhardt freundliche Aufmunterung und Vermittelung mit 
dem Witn-Sultan Achmed und im August 1887 kamen Missionar 
Weber und Frau an, so dass am 1. September 1887 nabe der eng- 
lischen methodistischen Station Golbanti am Tanafiuss zu Ngao unter 
den Wapokomo die erste Station errichtet werden konnte. Zuuäcbst 
ginge au das Ziegelstreichen und Brennen, um noch vor Beginn der 
Regenzeit nothwendig unter Dach zu sein Mit den anfangs trägen 
Ringeborenen ging es später besser vorwärts und am 11. März 1888 
wurde der Grundstein zum Missionshause gelegt. Während dieser 
Zeit kamen die beiden schwedischen Missionare Hedenstrehm und 
Bergmann durchgereist, erholten sich vom Fieber und fuhren dann 
weiter flussaufwärts, um den Weg zu den Borani-Galla zu suchen. 
Leider überfielen die feindlichen Somali am 27. März 1888 Ngao 
und nur mit genauer Noth entkamen eben vorher die Missionare auf 
den Muaunen (ausgehöhlten Baumstämmen) nach Golbanti, von einigen 
Wapokomo aufs treueste unterstützt. „Geräuschlos ging's hei hellem 
Mondschein den Tana hinab. Die Wapokomo-Männer standen zum 
Thcil am Ufer und begrüssten uns noch, fragten, ob wir auch wieder 
kämen. Vier Mann ruderten nns. Würtz ging in der Nacht wieder 
zurück, und nachdem er ein wenig geruht, begab er sich Montag 
Morgen mit sechs Wapokomo ans Einpacken und Einladen. Nach- 
mittags kam er in Golbauti an, welch eine Freude! einige Wapokomo 
halten sehr treu und tapfer aus und haben nicht das Vertrauen zu 
uns verloren, zumal Würtz sozusagen der letzte war, welcher das 
Dorf verliess. Am Dienstag, den 27. März Mittags, hatten die So- 
mali Ngao erreicht; nach kaum einer Stunde war schon das ganze 
Dorf verbrannt.“ — Am 15. April kehrten die Noukirchener Mis- 
sionare zurück und bauten Ngao wieder auf, das Missionshaus aber 
mit einer aus Korallensteinen erhöhten Grundmauer, da das Grund- 
wasser und der Regen die Fundamente untergräbt. Der dritte 
Glaubensbote ist unterdessen in Witu angekommen, um das Werk 
rüstig fortzusetzen. 

Als die erste deutsche Missionsniederlassung in Ostafrika ist 
Jimba (Dschimba). die Station der Baiern, bei Mombas zu nennen. 
Die vom Pfarrer M. Ittameier-Reiehenschwand 1885 gegründete 
evangelisch - lutherische Missionsgesellschaft für Ost- 
afrika in Baiern einigte sich mit der ihr sehr freundlich eut- 


Digitized by Google 



Die Mission in <ien deutschen Schutzgebieten. 53 

gegenkommeuden Churcb Missionare Society, welche, wie oben er- 
zählt, schon im Mombas-Gebiet missionirte, und Hess sich im Sep- 
tember 1886 zu Jim ha unter den Wakamba nieder und bald darauf 
in dem sechs Stunden landeinwärts an der Karawanenstrasse liegenden 
Mbungu Nach dem deutsch-englischen Vertrage vom 1. November 
1886 hinsichtlich der grossen Ländervertheilung Ostafrikas ist das 
Gebiet dieser Baierischen Mission leider in der englischen Interessen- 
sphäre geblieben; vielleicht zieht diese Mission es vor, ihre Arbeit 
ganz anf deutsches Gebiet zu verlegen, wozu leider bis jetzt keine 
Anstalten gemacht zu werden scheinen. Die baierischen Sendboten 
Bach und Hoffmanu hatten in Jimba 21 Eingeborene im christ- 
lichen Unterricht und erhielten vom nahe wohnenden englischen 
Missionar Binns ein Englisch- Kikambu- Wörterbuch von fast 2500 
Wörtern, das Werk Krapf s, von seiner eigenen Hand geschrieben, 
aber bis jetzt nngedmekt bei den Papieren der englischen Mombas- 
Mission liegend. (Die Wakamba sprechen eine dem Suaheli ver- 
wandte Mundart.) Unter dem Schatten eines Mkugu- Baumes ward 
Schule gehalten, und auch an den Männern hatten die Baiern Freude. 
Leider erkrankte im April 1887 Bach, genas zwar, konnte Ende 
Juli seine Braut nach Jimba holen, wurde aber aufs neue vom Fieber 
stark gepackt, reiste nach Europa und starb am Charfreitag, den 
30. März 1888 bei seinem Bruder in Gunzenhausen als das erste 
Opfer der deutschen ostafrikanischen Mission. Hofmann stand nun 
allein, hatte im September 1887 im sechs Stunden nordwestlich ge- 
legenen Mbungu eine zweite Niederlassung errichtet, sich eifrig ins 
Kikamba hineingearbeitet, die Wege aufgebessert, die Wakamba ge- 
lehrt, umgefallene Bäume vom Wege zu räumen, die Dornen abzu- 
hauen und andere grundlegende Arbeiten zu verrichteu. Nach Bach’s 
Tode ging Wen derlei n nach Ostafrika, so dass Hofmann nicht 
mehr zwischen Jimba und Mbungu hin und her reisen muss. In 
der ersteren Station wird der Gottesdienst gut besucht, die Leute 
lernten rasch das Singen und die Lieder der Rabbai-Missionsstation 
kamen gut zur Geltung. Auch übersetzte Hofmann eine kleine 
Zahl unserer geistlichen Lieder in die Sprache jener Schwarzen. 
Natürlich kann von Getauften nach so kurzer Arbeit an jenen Seelen 
noch nicht die Rede sein, and doch freuen sich die Missionare, dass 
die Eingeborenen grösstentheils nun sittsam gekleidet und, dem Bei- 
spiele der Sendboten folgend, gegen ihre leidenden Mitmenschen 
mitleidig und barmherzig sind. 

Unter der Inspektion des früheren rheinischen Herero-Missionars 


s 

Digitized by Google 



54 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


C. 6. Büttner, des erfahrenen Schilderers des deutschen Süd- 
westafrika , jetzigen Lehrers des Suaheli am praktischen morgen- 
ländischen Universitäts-Seminar zn Berlin, steht die am 15. April 
1886 zu Berlin gegründete evangelische Missionsgesell- 
schaft für Dentsch-Ostafrika. Ihre Zeitschrift: „Nachrichten 
aus der ostafrikanischen Mission“ unter Büttner s 1 ) Leitung the lt 
auch aus deu übrigen ostafrikanischen Missionen das Bemerkens- 
werthe mit. Als Zweck wird uns laut den Satzungen § 1 an- 
gegeben: 1. den in den Kolonien der deutsch-ostafrikanischen Ge- 
sellschaft wohnhaften Heiden das Evangelium zu verkündigen, 
2. den in jenen Gegenden wohnenden deutschen Brüdern die Wohl- 
thaten deutscher Seelsorge zn gewähren, 3. Krankenpflege zu üben, 
4. Einrichtungen von christlichen Schulen zu treffen. Schon am 
2. April 1887 konnte nach Verhandlungen mit dem Inspektor Rap- 
pard von der Chrischona-Missionsanstalt (bei Basel) der Chrisehona- 
Missionar Johann Jakob G reiner, aus seiner langjährigen Arbeit in 
Abessynien dnreh den Negus vertrieben, nebst seiner Frau und Nichte, 
Marie Fingerle, von Berlin ausgesandt werden. Bald folgte der in 
St. Chrischona auch schon in Abessynien mit Greiner arbeitende 
Abessynier Gobau Desta ihm nach, sowie zwei deutsche Diakonen 
Karpinski und 1888 Hüge. Zu Dar-es-Salam (Salaam) (Frie- 
denswohuung) war Greiner am 2. Juli 1887 angelangt, und kürzlich 
hiess es nach den Berichten des Reisenden Otto E. Ehlers: „Hier 
in Dar-es-Salam ist in kurzer Zeit ganz üeberra sehendes von Bru- 
der Greiner und seinen unermüdlichen Gehilfen geleistet worden. 
Umfangreiche Erdarbeiten sind aufgeführt. Wege angelegt, Felder 
mit Mhago bepflanzt, ein geräumiges Stallgebäude, sowie ein zier- 
liches Brunuenhäuschen bereits fertig gestellt, während das Missions- 
haus schnell seiner Vollendung entgegengeht.“ (Tägliche Rund- 
schau 1888, No. 218, S. 870.) Der anfangs im Anschluss an obige 
evangelische Missionsgesellschaft von der Freiin Frieda von Bülow 
und Gräfin Martha Pfeil gegründete und geleitete deutsch-nationale 
Frauenbund zwecks Pflege des Deutschthums in den deutschen Kolo- 
nien durch Errichtung von deutschen Kranken- und Heimathhäusern, 
Schulen, Kirchen und ähnlichen Pflanzstätten deutscher und christ- 
licher Kultur musste sich bei geflissentlicher Vermeidung der Worte 


>) Verfasser «los Hnlfshüchleins für den ersten Unterricht im .Suaheli. 
Leipzig (Weigel) und Herausgeber der Zeitschrift für afrikanische Sprach- 
wissenschaft. 


Digitized by Google 



Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


55 


„evangelisch“ und „christlich“ seit April 1887 von der obigen Ge- 
sellschaft ganz trennen. Kürzlich ist dieser Frauenbund unter dem 
veränderten Namen: „Deutscher Frauenverein für Kranken- 
pflege in den Kolonien“ und mit verbesserten Satzungen bei 
voller gegenseitiger Selbstständigkeit wieder mit der evangelichen 
Missionsgesellschaft für Deutschostafrika in nähere Verbindung ge- 
treten. Erfreulicherweise hatte die evangelische Missionsgesellschaft 
für Deutschostafrika den Gedanken der Krankenpflege ihren Satzun- 
gen gemäss kräftigst auszuführen gesucht und sandte am 30. Mai 
1887 die barmherzige Schwester Marie Rentsch, im Oktober auch 
Schwester Auguste Hertzer nach jenem Missionsfeld, ln Sansi- 
bar, dem geschichtlichen Ausgangspunkt aller ostafrikanischen Unter- 
nehmungen, ist nun trotz unerwarteter sonderbarer Störungen vor- 
läufig in einem gemietheten Hause ein deutsches Krankenheim ge- 
gründet worden, wobei der deutsche Consul Dr. Miehahelles sehr 
entgegenkommend und französischem Einflüsse gegenüber das deut- 
sche Interesse vertretend half. Beide Schwestern gehören dem Ber- 
liner Lazarus-Diakonissenhaus an und kleiden sich in dieser Tracht. 
Im Juli 1888 fuhren Missionar August Kraemer und die dritte 
Schwester Amalie Oberkobusch nach Ostafrika ab, wo in Dar- 
es-Salam der genannte deutsche Frauenverein eine Krankenpflege- 
station gründete; auch sind den Schwestern in Sansibar einige be- 
freite Sklavenkinder zur Erziehung übergeben. So berechtigt, will’s 
Gott, auch dies Missionswerk zu guten Hoffnungen, möge die Ueber- 
nahme der Zollverwaltung, Verwaltung und Rechtspflege an der ost- 
afrikanischen Küste seitens der deutschen Gesellschaft, laut Vertrag 
vom 15. August 1888 mit dem Sultan von Sansibar, ein neuer 
Schritt dem Ziele näher sein und auch die göttliche Reichssache 
fördern. — 

In deutsch Neuguinea oder Kaiser Wilhelm-Land haben 
zwei deutsche evangelische Gesellschaften die Arbeit begonnen. Als 
das Dampfschiff Papua der deutschen Neuguinea-Handelsgesellschaft 
Ende 1885 in der Torresstrasse scheiterte, musste einer der 
Schiffsreisenden, der baierische Neuendettelsauer Missionar Joh. 
Flierl in Nordaustralien warten. Schon seit 1878 im Dienst der 
Neuendettelsauer Missionsgesellschaft am Kilalpanina-See 
unter den Eingeborenen Australiens arbeitend, war er von dieser 
baierischen Gesellschaft und den deutschen Lutheranern Südaustra- 
liens ausersehen, nach Kaiser Wilhelms Land hinüberzuziehen. Wäh- 
rend dieser Wartezeit legte er auf der Ostküste der York-Halbinsel 


Digitized by Gttoglc 



56 


l)ie Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


nahe dem 15. Grad südl. Breite bei Cooktown in Elim am Cap Bed- 
ford mit Unterstützung der englischen Regierung eine Missionsstation 
für die Schwarzen an. fuhr aber, durch Meyer 1886 hier abgelöst, 
nach Deutsch-Neuguinea hinüber, wo er am 12. Juli 1886 landete 
und seitens des Landeshauptmanns Freiherrn von Schleinitz und 
seiner Beamten frenndlichst aufgenommen wurde. Nachdem Flierl 
ein Vierteljahr lang die Küste entlang gewandert, wohl 25 Dörfer 
mit 12 — 1500 Einwohnern besucht, daneben in Finschhafen sonn- 
täglich gepredigt und im Oktober 1886 im Neuendettelsauer Missionar 
Tremel einen Genossen erhalten hatte, gründeten sie beim kleinen 
DorfSimbang ein- und eine halbe Stunde südwestlich vom Finsch- 
hafen an der Langemakbucht die erste Statiou. Zunächst war es hier die 
Aufgabe, sich mit den Eingeborenen bekannt zu machen, ihre Jabim- 
Spraehe zu erforschen und durch sie die verwandte Saling oder Kai, 
welche von den landeinwärts wohnenden Saling gesprochen aber von 
den Küstenleuteu auch verstanden wird. Oefters litten die Missio- 
nare an schweren FieheranfiUlen. ja einmal versetzte ein beim Stehlen 
ertappter Eingeborener dem Flierl eine Wunde, welche aber nur leicht 
war. — 

Gleichzeitig hatte auch die R h e i n i s e h e M i s s i o ii s g e s e i I s c h a f t , 
welcher wir im Nama- und Damaraland begegnet sind, von einem 
Vertreter des Auswärtigen Amts im Oktober 1885 zu Bremen aus- 
drücklich dazu aufgefordert, beschlossen, auch in Deutsch Neuguinea 
zu arbeiten. Nach verschiedenen Verhandlungen 18*6 mit der Neu- 
guinea-Compagnie wurden zwei Rheinische Missionare, der bis- 
her auf der Insel Nias thatig gewesene Thomas und der im Herero- 
land arbeitende F. Eich nach jenem neuen Missionsfeld abgeordnet. 
Am 17. Februar 1887 langte Thomas in Finschhafen an, im Mai 
1887 Eich, vom Freiherm von Schleinitz wohlwollend empfangen, 
allerdings bald beide vom Fieber unsanft geschüttelt. Thomas hatte 
vor Eich's Ankunft die Umgegend des Coustantinhafens durchforscht 
und reiste nun mit Eich die Küste entlang nach dem Kaiserin- 
Augustafluss, welchen sie mit der wissenschaftlichen Expedition be- 
fahren. Darauf kehrten sie nach Hatzfeldhafen zurück, verliessen 
aber in Folge eines zwischen deu Kolonisten und den Eingeborenen 
ansgebrochenen Streites diese liegend und suchten September 1887 
den Constantinhafen auf. Während nun Thoma>. oft schwer krank, 
seinem Auftrag zufolge mit den eingesammelten Kenntnissen und 
Erfahrungen nach Europa zurückkehrte, langten kurz vor Weihuaehten 
in Simbang bei den Neuendettelsauer Missionaren zwei neue Glaubens- 


Digitized by Google 



Oie Mission in den deutschen Schutzgebieten. 57 

boten der Rheinischen Gesellschaft, Gustav Bergmann und Willi. 
Scheidt an, welche nach dem Fest den kranken Eich aufsuchten und 
mit ihm die Rheinische Missionsstation Bogadjim. dem Constantin- 
hafen gegenüber liegend, besetzten. Ein eichenes verkupfertes Boot, 
24 Fuss lang, ist von Mioko aus von der Rheinischen Mission auge- 
kauft, um bei jenen Küstenfahrten die unentbehrlichen Dienste zu 
tlmn. 

Auf der dem nordöstlichen Neuguinea nahe liegenden kleinen 
Insel Rook hatten die Katholiken und zwar Sendboten der Ma- 
risten-Kongrega tion von der jetzt englischen Insel Wondlark aus 
1848 eine Missionsniederlassung gegründet, doch starb Bischof Col- 
lomb schon am 2. Juli desselben Jahres auf jener Station, oald auch Mis- 
sionar Villien und der allein übrig gebliebene Fremont kehrte nun nach 
Woodlark zurück. Vier Jahre später fuhr der apostolische Präfekt 
Reina mit italienischen Helfern wiederum nach Rook, wo sie dus 
alte Missionshaus unversehrt vorfanden, aber durch Krankheit und 
allerlei Widerwärtigkeiten nach einigen Monaten zum zweiten und 
letzten Male vertrieben wurden. 

Nach Neu- Pommern (Neu-Britannien) und zu seinen wilden 
Bewohnern kamen auf dem Missionsschiff „John Wesley“ gemäss Be- 
schluss der australischen Konferenz der Wesley auischen Metho- 
disten, die Christen neu bekehrter Südseeinseln unter Anführung 
des erfahrenen Missionars George Brown, um das Evangelium 
auch hier zu verbreiten, obgleich der englische Statthalter der Fidschi- 
Inseln sie nicht zu diesen verrufenen Inseln ziehen lassen wollte 
Auf dem Inselchen Nen-Laueuburg (Duke of York) bei Port IIuu- 
ter zwischen den beiden grossen Inseln des Bismarck-Archipels 
wurde 1875 die Wesleyanische Missionsstation angelegt. Von hier 
aus besuchte Brown mit seinem kleinen Missionsdampfer die Küston- 
landschaften der grösseren Inseln und setzte an geeigneten Orten 
Lehrer ein, so auf der Gazellenhalbinsel an der Blancbebay im Nor- 
den Neu-Pommerns. zu Matupi, und etwas westlicher in Nodup. 
Im Jahre 1876 waren schon sechs Kirchlein gebaut, aber 1878 wur- 
den vier der braunen Lehrer überfallen, ermordet und aufgezehrt. 
Doch das Missionswerk wuchs auch unter diesen wilden Stämmen, 
wenn natürlich auch nur langsam: nach einigen Jahren gab es sieben 
getaufte junge Männer und andere standen im Taufunterricht. 1880 
gab es 32 und 1882 schon 215 mit nenn Kirchlein, mehreren Schulen 
und der Uebersetzung des Lukasevangeliums. Auf Neu-Pommcrn 
sind auf der Gazellenhalbinsel Kahakadai und Kinikuuan und 


/■ 

Digitized by Google 



58 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


auf Neu-Mecklenburg (früher Neu-lrland) Kalil und Topaia hin- 
zugekommen; im ganzen 20 Kirchen, 29 Schulen und fast 3000 ge- 
taufte Eingeborene. Kürzliclt vermachte ein Fräulein Black in Neu- 
südwales dieser Mission 300,000 M. Auch die Adroiralit&tsinseln 
sollen in Angriff genommen worden und seitens der Eingeborenen 
selbst wurden 1000 M. für die Mission geopfert. Trotz der Krank- 
heit der Missionare und trotzdem selbst die braunen Fidscbilehrer vom 
Fieber stark ergriffen wurden, schreitet das Werk vorwärts. Als 
George Brown vor einiger Zeit diese Insel verliess, gaben ihm 500 
Eingeborene bis zum Schiff das Geleit und entliessen ihn mit Ge- 
schenken und grosser Herzlichkeit. 

Auch die Katholiken, Missionare U. L. Frauen vom heiligen 
Herzen von Issoudün, Hessen sich 1883 auf der Nordküste der Ga- 
zellenhalbinsel nieder und zwar in Bertdni unter Navarre’s 
Leitung, aber als eine Feuersbrunst die Ansiedelung vernichtete, 
blieben Vlavollo und Malaguna 1884 als Missionsstationen übrig. 
Im Jahre 1886 ist seitens der Väter vom heiligen Herzen Jesn für 
die Südseemission zu Antwerpen ein eigenes Missionshaus gegründet, 
und auf der 32. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands 
zu Münster und auf der 33. zu Breslau ermahnte besonders der 
Zentrumsführer Dr. Windhorst an die Pflicht der deutschen Katho- 
liken, dies Missionswerk für die deutsche Südsee zu unterstützen. 

Des edlen englischen Bischofs Patteson Melanesische Mis- 
sion erreichte mit dem Missionsschiff „Südliches Kreuz“ noch vor 
dem Märtyrertod dieses Apostels Melanesiens (1871) die nnn deutsche 
Salomon-Insel Isabella, wo bis 1877 zwei Stationen Bungotu und 
das von Natur feste Tonga nebst mehreren Schulen entstanden; 
auch der Häuptling des letzteren Ortes, bekehrte sich und wurde 
ein eifriger Förderer des Evangeliums. Ein erbitterter Feind des 
göttlichen Wortes besonders der Predigt, der alte Häuptling auf 
dem Südende dieser Insel, starb, und mit ihm fiel ein bedeutendes 
Hinderniss hinweg. Und doch rief er sterbend aus: „Niemand soll 
zu meiner Todtenfeier getödtet, kein Fruchtbaum umgehauen, kein 
Haus niedergebrannt werdeu. Lasst die Leute nicht zur Kopfjagd 
ausziehen, alles dies ist nun vorbei!“ Ein Zeichen des dämmernden 
Gnadenlichtes und Gottesfriedeus! 1885 gab es auf Isabel drei 
evangelische Missionsstationen: Tega, Vulau und Boko mit 

8 eingeborenen Lehrern, 99 Schülern und 44 neu Getauften. Die 
übrigen deutschen Salomonsinseln: St. George, Choiseul, Shortland, 
Bougainville harren noch der Missionare. — Auf der kleinen St. 


Digitized by Google 


Die Mission in den deutschen Schutzgebieten. 


59 


George-Insel ist das Grab des katholischen apostolischen Viears 
Bischofs Epalle, welcher mit 13 Missionaren der Maristen - Congre- 
gation die Isabella -Insel 1845 untersuchte, aber am 16. Dezember 
dieses Jahres von den wilden, nach dem Bischofsring gierigen Ein- 
wohnern ermordet wurde. Die dann auf der nun englischen S. 
Christoval-Insel missionirenden Gefährten des Bischofs haben diese, 
wie die Insel Woodlark, 1856 ganz verlassen. 

Die am 15. Oktober 1885 der deutschen Schutzherrschaft unter- 
stellten Marschall - Inseln, welche aus den beiden Inselketten 
Ralik und Ratak bestehen, sind das Missionsfeld der American 
Board (einer von Boston ans geleiteten grossen kongregationalistischen 
Mission) in Verbindung mit der Hawaiischen Evangelischen 
Gesellschaft, Auf der südlichsten Insel Ebon, einer echten La- 
gunenriffgruppe , wurden schon 1856 die ersten Anfänge begonnen: 
des Königs Schwester befreundete sich mit der Missionarsfamilie 
und als 1857 das neue Missionsschiff „Momingstar“ diese Insel 
wieder berührte, wurden die Missionare freundlichst begrüsst. Bald 
konnte Snow mit Hülfe hawaiischer Genossen hier jahrelang wirken 
und bis 1870 waren auch die andereu Inseln: Namerik, Jaluit, 
Mille oder Milli, Majuro (Arrowsmith) mit Stationen be- 
setzt. Zwar versuchte auf letzterer Insel der Oberhäuptling die 
Missionsfamilie zu vergiften, doch andere Häuptlinge beschützten sie, 
und von den 391 Einwohnern Namerik’s waren 348 im Taufunter- 
richt. Langsamer ging's auf .Jaluit vorwärts, doch wuchs die Ge- 
meinde der etwa 500 starken Einwohnerzahl auf 83. Später kamen 
als neue Missionspunkte die Inseln Arno und Maloelab oder Mal- 
wonlap sammt Aur hinzu und bald sind die Marschallbewohner 
fast alle bekleidet und gesittet. „Es war ein erhebender Anblick, 
fünf lnselhäuptlinge mit den anderen Abendmahlsgästen am Altar 
zu sehen “ Hatte auch die Mission auf Arno und Majuro (Meidschuro) 
mit bedeutenden Schwierigkeiten zu kämpfen, so sind letztere Inseln 
wieder aufs neue mit Missionaren besetzt, Jaluit ist nun zum grossen 
Theil christianisirt und die Einwohner von Namerik, Mille und Ebou, 
dem Mittelpunkt dieses ganzen Missionswerkes, sind nun sämmtlich 
Christen. Durch den Missionsarzt Pease ist das Neue Testament 
in die Marschallsprache übersetzt und gedruckt. Auch Ailing- 
labelab nebst den nahen Wojai (Ujae), Lai (Lae), Kwojelien 
(Kwajalein) und Likieb sind neue Stationsinseln. Das Annual Re- 
port of the American Board of Commissioners for foreign Missions 
1887 sagt S. 134: „The missionaries speak in favorable terms of 


Digitized by Google 



HO I»ic Mission in den deutschen Schutzgebieten. 

the German occupation and of the influence of the governor aud his 
ofüeial authority. Thus far missionary work has been favored and 
opportnnity given for its extension tbrough this exercise of German 
power.“ — — 

Wie inan natürlich nicht von einem Schulkind verlangen kann, 
dass es nach den ersten fünf Unterrichtsstunden viel gelernt habe, 
so darf man auch nicht von Naturvölkern verlangen, dass sie in 5 
oder 15 Jahren viel Christenthnm gelernt oder erfahren haben. Im 
Leben der Völker ist ein Jahr weniger, als im Leben eines Menschen 
eine Stunde. — Wie die Kolonialarbeit ein Geduldswerk ist und 
unmöglich innerhalb 5 oder 25 Jahren überraschende Erfolge auf- 
weisen kann, so ist es noch viel mehr mit dem Missionswerk. Vo r 
Gott sind tausend Jahre wie ein Tag; wir aber wollen auch lur 
unsere neuen deutschen überseeischen Besitzungen wirken und sie 
mit Gottes Wort versorgen, so lange es Tag ist. Möge das Missions- 
werk durch obige Darstellung allen deutschen Kolonialfreunden warm 
ans Herz gelegt worden sein. 


Digitized by Google 



Ueberseeisclie Waldwirtschaft. 

Von 

Dr. Otto Kenten. 

* 

lu den meisten Kolonialgebieten, sofern sie nicht vorzugsweise 
für Bergbau oder Viehzucht geeignet sind, hat man es hauptsächlich 
mit der Erzeugung von Getreide, Kolonialwaaren, Tabak, Pflanzenfasern 
und dergl. zu thun, aber nur selten wird sich eine Möglichkeit zur 
V erwerthung von Wäldern bieten. Von den jetzigen deutschen Ko- 
lonien kann wohl nur Neu-Guinea, vermöge seines Waldreichthums, 
in Betracht kommen: dagegen giebt es manche andere, dem deut- 
schen Unternehmungsgeist offenstehende Länder, wie z. B. das süd- 
liche Chile und einige Landstriche Mittelamerikas, in denen der Holz- 
reichthum so erheblich ist, dass recht gut an eine gewinnbringende 
' erwerthung gedacht werden kann, ln den meisten Fällen liegen 
nun dort wie auch in Neu-Guinea die Verhältnisse so, dass nur die 
kostbarsten Hölzer gewonnen werden können, weil nur diese die 
theure Fracht nach Europa vertragen: in Folge dessen lässt man die 
in grösserer Menge vorhandenen geringwerthigen Holzarten gewöhn- 
lich verkommen, sodass unter solchen Umstünden nur von einer 
Wald Verwüstung, aber nicht von einer vernünftigen Wald- 
wirtschaft gesprochen werden kann. 

W irklicher überseeischer Forstbetrieb in europäischem Sinne ist 
nur in ganz vereinzelten Fällen möglich, namentlich wenn die ge- 
wonnenen Hölzer sich im Lande selbst verwerten lassen; 
dann aber kanu derselbe unter Umständen überaus lohnend werden, 
wie nachfolgendes Beispiel aus Südafrika zeigt, welches wahrschein- 
lich auch für andere überseeische Länder in mehrfacher Hinsicht nütz- 
liche Winke bieten wird. 

In Südafrika liegen die Verhältnisse allerdings ganz besonders günstig 
für die Ausbeutung der w enigen dort noch vorhandenen Wälder, denn fast 


Digitized by Google 



62 


Ueborseeisctae W&ldwirthscbaft. 


überall sind entweder die früheren Holzbestünde in unsinniger Weise 
vernichtet worden, oder es herrscht von Natur ans ein grosser Man- 
gel an Holz . sodass eine bedeutende Zufuhr von skandinavischen 
und nordamerikanisehen Hölzern nöthig ist, um den starken Bedarf 
jener wirtschaftlich ziemlich hoch entwickelten Länder zu decken. 
Ausserdem sind die südafrikanischen Wälder, von deren Ausbeutung 
hier die Rede sein soll, zumeist nahe der Küste gelegen, wodurch die 
Abfuhr nach den Hauptholzmärkten sehr bequem und billig wird. 
Das in Südafrika gewonnene Holz hat demnach vor dem fremden 
nahezu den vollen Betrag der überseeischen Kracht voraus, welche 
wohl auf 30 Mark für den Kubikmeter veranschlagt werden 
darf, d. i. mindestens doppelt soviel wie der Holzwerth in den euro- 
päischen Produktionsgebieten selbst beträgt. 

Hierzu kommt noch die beträchtliche Entwicklung der 
südafrikanischen Eisenbahnen, welche nicht nur selbst einen 
sehr starken Bedarf an Schwellen, Wagen u. dergl. haben, sondern 
,-aaoh die Weiterbeförderung der gangbarsten Hölzer (Balken, Bretter 
u'dgl.) nach dem von Waldungen fast ganz entblössten Inneren, be- 
sonders nach den Gold- und Diamantenfeldern , auf bequeme Weise 
ermöglichen. 

Ueberaus günstig ist auch der Umstand, dass die Kapregierung 
schon sehr werthvolle Vorarbeiten betr. der Waldungen bei Knysna 
und King Wiiliamstown geliefert hat, sodass die dort gewonnenen 
Erfahrungen au anderen ähnlich gelegenen Punkten ohne Weiteres 
benutzt werdeu können. Da nun einer der grössten südafrikanischen 
Wälder, der Ekossawald in Pondoland (südlich von der engl. Kron- 
kolonie Natal gelegen) vor Kurzem in den Besitz einer deutschen 
Gesellschaft übergegangen ist, welche damit beschäftigt ist, die forst- 
männische Ausnutzung desselben in Angriff zn nehmen, so wird es 
nicht ohne Interesse sein, diesen eigenartigen Zweig überseeischen 
Wirthschaftsbetriebes, welcher eine ausserordentlich hohe und dau- 
ernde Rente zu liefern verspricht, etwas näher in Augenschein zu 
nehmen. 

Von grosser Wichtigkeit für die Verwerthung jener im Pondoland 
gelegenen Waldungen ist es, dass die hauptsächlichsten der dort 
wachsenden Nutzhölzer bereits hinlänglich aus den Berichten der 
k apländischen Forstverwaltung 1 ), denen wir hier folgen, sowie 
aus Mittheilungen von Reisenden und Ansiedlern bekannt sind. 

*) Im ,,Official Handbook“ der Oapc-Colony für 1886, und hiernach im 
Heriebt III. des Südafrikanischen Vereins. 


Digitized by Google 



Ueberseeische Waldwirtschaft. 


63 


Es kommen vor Allem einige Nadelhölzer in Betracht, welche 
etwa die Hälfte des ganzen Baumbestandes der südafrikanischen 
Wälder liefern; dieselben gehören der dem Taxus verwandten 
Gattung Podocarpus an und liefern das sogenannte Gelbholz, wel- 
ches im Allgemeinen unserm Fichten-, Tannen- und Kiefernholz 
entspricht und zu denselben Zwecken wie dieses verwendet wird, 
jedoch etw as feiner gefügt und von hübscherer Farbe ist. Man unter- 
scheidet hauptsächlich drei Arteu, das echte und das Outeniqua- sowie 
das unechte Gelbholz (Podocarpus latifoliux , elongatus und pruinosus ), 
von denen letzteres nur in den östlichen Waldungen, nicht aber auch 
in dem Knysnawalde vorzukommon scheint. Die „Outeniqua“ er- 
reicht einen grösseren Umfang als irgend ein anderer Baum der Ko- 
lonie; seine Krone ist massig, oft 60 Fuss im Durchmesser, 
sein Stamm kurz und gegabelt. Das echte Gclbholz hingegen 
hat einen verhältnissmässig dünnen Blätterschmuck und eilte grössere 
Länge des Stammes. Das Holz dieser zwei Arten lässt sich schwer 
unterscheiden, denn beides ist hellbräunlich gelb, leicht und von 
gleichartigem Gefüge; die Riude hingegen ist beim „echten 1 von 
weisslicher Farbe und faserig, bei der Outeniqua aber fast schwarz, 
dünn und geschuppt. Die grössten Outeniquas messen 30 Fuss im 
Umfang und gegen 80 in der Höhe; das „echte“ aber, das manch- 
mal mit einem Stamm von 50 Fuss Länge angetroffen wird, über- 
schreitet nicht den Durchmesser von 6 Fuss. Beide Arten haben 
den gleichen Handelswerth und können als die Tannen oder Kiefern 
der Kolonie angesehen werden. 

Die wirtschaftliche Verwendung des Gelbholzes ist 
ziemlich verschiedenartig. Die Dielen, Decken, Thorwege und 
Fensterrahmen manches Hanses in der Kolonie wurden aus diesem 
Holz gefertigt, und es giebt zahlreiche Beispiele, dass sie über 
100 Jahre dem Einfluss der Witterung getrotzt haben. Ebenso sind 
einige der Pfähle, welche für den Bau des alten Dammes in Knysna 
verwendet wurden, 20 Jahre lang unversehrt und unberührt von 
dem schädlichen Holzbohrwurm geblieben: anderseits jedoch weiss 
man, dass Schwellen von Gelbholz schon im zweiten Jahre zu ver- 
rotten antingen. Eine so rasche Zersetzung ist indessen die Folge 
von ungeeigneter Behandlung; durch zuverlässige Mittheilungen ist 
festgestellt worden, dass vieles von dem Holz, welches unbefriedi- 
gende Resultate ergeben hat, im Frühjahre, nachdem der Saft auf- 
gestiegeu, gefällt und grün verarbeitet wurde, in eineiu Falle sogar, 
dass grünes, im Sommer gefälltes Holz mit Theer überzogen worden 


Digitized by Google 



64 l'eberaeeische Waldwirthsi-haft. 

— eine Behandlung, welche auch das beste europäische Holz nicht 
verträgt. 

Auch zu Eisenbahnschwellen lässt sich das Gelbholz ver- 
wenden. fm Jahre 1877 wurden in England 24 solche Schwellen 
versuchsweise mit Kreosot getränkt und dann im Kapland auf der 
Hauptlinie verlegt. Zur Probe wurden im Jahre 1883 fünf heraus- 
genommen und gut befunden; die übrigen, halb Outeniqna und halb 
Echtes, sind noch in der Erde. Weitere Versuche, von den Herren 
J. Blandt & Co. in Cardiff (Süd-Wales) im Jahre 1883 angestellt, 
beweisen, dass das Gelbholz schnell Kreosot anfnimmt und den 
Erschütterungen, denen die Eisenbahnschwellen ausgesetzt sind, 
besser zu widerstehen vermag als die baltische Fichte (Kiefer?), 
welche jetzt hauptsächlich in Verwendung ist. Der Erfolg dieser 
Versuche bestimmte die Regierung. Sagemühlen zn kaufen und einen 
Kreosotimngs-Apparat bei Knysna zn errichten, der im Stande wäre, 
die ganze Kolonie mit Schwellen zu versorgen. Ebenso sind Versuche 
gemacht worden, Gelbholz durch imprügnirung mit Chlorzink zn 
schützen, ein Verfahren, das besonders in Holland (auch in Deutsch- 
land !) mit grossem Erfolge vorgenommen wird. Das Ergebniss 
dieser umfassenden Versuche wird mit grosser Spannung erwartet : 
gelingen sie, so wird die baltische Schwelle aus der Kapkolonie ver- 
schwinden, denn die südafrikanischen Waldungen werden im Stande 
sein, den Bedarf der jetzt bestehenden Linien zu decken, und für die 
Zukunft erwartet man. dass andere Hftlzer, besonders Eiseuholz, zu 
gleichem Zweck verwendbar sind. Die Bestellungen des Jahres 1886 
werden auf 80000 Schwellen geschätzt. Die Summen, welche 
bisher für den Ankauf der Bahnschwellen nach ausserhalb gingen, 
betrugen 1660 000 Mark im Jahre 1883 und 880 000 Mark im 
Jahre 1884. 

Eine andere sehr werthvolle Conifere ist die Bergcvpresse 
oder Ceder (Widdringtonia juniperoitiesj , welche in den im Winter 
mit Schnee bedeckten Bergen von Clanwilliam im Westen der Kap- 
kolouie wächst. Früher war der ganze Bergabhang mit diesen 
Bäumen bestanden, aber Brände und der ungehemmte Gebrauch 
der Axt haben diese wertbvolle Waldung sehr gelichtet. Sir John 
Alexander berichtet, dass im Jahre 1836 ein Baum von 36 Fuss 
l'mfang gefällt wurde, welcher 1000 Fuss Bretter lieferte d. i. etwa 
2,5 Festmeter Holz, wenn die Bretter 1 Zoll dick und 12 Zoll breit ge- 
rechnet werden. In der Kirche zu Clanwilliam und in zahlreichen 
Wohnhäusern dort ist alles innere Holzwerk aus dem Cedernholz der 


Digitized by Google 



Uelierseeische Waldwirtschaft. 


65 


benachbarten Berge hergestellt, welches von derselben Güte wie das- 
jenige der biblischen „Gedern des Libanon“ sein soll. Die Züchtung 
dieses Baumes aus Samen ist in den Regierungs -Baumschulen des 
Kaplandes erfolgreich betrieben worden. 

Auch einige südeuropäische Kiefernarten, die einzigen hier 
gedeihenden eigentlichen Nadelhölzer, sind in der Kapkolonie 
verbreitet, nämlich Pinus insu/m s. welche in tirahamstown mit 
Erfolg eingeführt ist, Pinus pinaster (die Strandkiefer Frankreichs) 
und Pinus pinea (die Steinkiefer Italiens), und nirgends gedeihen 
sie so gut wie auf der Kap-Halbinsel. Beide Arten säen sich selbst 
leicht aus, and an günstigen Plätzen unter alten Bäumen wachsen 
junge Kiefern wie Gras hervor. Die Nadelholz wälder, welche sich 
in dem fruchtbaren Landstrich an den südöstlichen Abhängen des 
Tafelberges befinden, bilden einen bemerkenswerthen Zug in der 
Landschaft. Kapstadt nebst Vorstädten wird mit Feuerung aus 

diesen Pflanzungen versorgt, und das Holz, obgleich von ausge- 
zeichneter Beschaffenheit, wild kaum zu anderen Zwecken benutzt. 

Eine zweite Gruppe bilden Stink- und Niessholz. Das 
werthvollste Nutzholz der Knysna -Wälder ist unzweifelhaft das 
Stinkholz ( Oreodaphne buttata ); etwa der fünfte Theil des zum 
Fällen bestimmten Holzes dieser Wälder besteht aus ihm. In seinem 
Wüchse zeigt es bemerkenswerthe Aehnlichkeit mit dem indischen 
(Burmah-) Teakholz. Es pflanzt sich mit Leichtigkeit aus Samen 
und Schösslingen fort, ob es sich aber zur Anzucht in Baumschulen 
eignet, ist noch nicht festgestellt. Sein Wuchs ist. rasch, vielleicht 
schneller als der jedes anderen Baumes der Kolonie; oft bilden sechs 
Jahresringe die Dicke eines englischen Zolles. Man unterscheidet 
drei deutliche Abarten von Stinkholz, weisses, geflecktes und schwar- 
zes. Frisch verarbeitet, haucht das Holz einen unangenehmen Geruch 
aus, der sich aber schnell verliert. 

Das Stinkholz ist hauptsächlich zu Bauzwecken, namentlich 
zum Wagenbau verwendet worden. Die schwarze Abart wird von 
Kunsttischlern hochgeschätzt: sie nimmt eine ausgezeichnete Politur 
an, hat eine wellenförmige Aederung und ist im Allgemeinen dem 
Wallnussholz nicht unähnlich. Zu Eisenbahnschwellen ver- 
arbeitet, hat sich das Stinkholz 10—12 Jahre in der Erde gut ge- 
halten, aber jetzt ist es für diesen Zweck zu theuer geworden. Die 
für die Stämme erzielten hohen Preise und die früher verhältuiss- 
mässig so niedrige Gebühr für das Fällen führte natürlich zu einem 
grossen Handel mit dieser Holzart, unter Vernachlässigung der an- 

Jahrbuch für Deutsche Kolouialpolitik. 5 


Digitized by Google 



66 Ueberseeische Walilwiitbscbafl. 

deren Arten and zum Nacbtheil der Wälder; das Stinkholz verschwand 
schnell, und im Jahre 1883 musste die Fällgebühr auf 1 Schilling 
für den Kubikfnss (35,32 Mark für den Kubikmeter) erhöht werden, 
was mehr ist, als für irgend eine andere Holzart bezahlt wird. 
Man hofft, das Stinkholz auch zur Anfertigung von Eisenbahn- 
wagen verwenden und so die Einfuhr dieses beträchtlichen Artikels 
in Zukunft vermeiden zu können, soweit Holzarbeit dabei in Betracht 
kommt. Die Menge des im Jahre 1885 fällbaren Stinkholzes aus 
den vermessenen Theilen der Knysna- und Tsitsikamma-Wälder betrug 
65 500 Cubikfuss (rund 1850 Festmeter) im Kapstadt-Werthe von 
230 000 Mark d. i. 1 Festmeter für etwa 125 Mark! 

Am wichtigsten für die östlichen Wälder ist das Niessholz, 

( Pteroxylov utüe). Auf seiner Westgrenze, im Amatola-Gebirge, ist 
es wahrscheinlich im Aussterben begriffen, während es irn Osten bis 
Natal vorkommt, wo es sogar noch besser als in der Kapkolonie 
gedeihen soll, ln der letzteren, im engeren Sinne, findet man Niess- 
holz und Stinkholz fast nirgends zusammen, denn die Knysna- 
Wälder besitzen kein Niessholz und die von Amatola kein Stink- 
holz, mit Ausnahme einiger kleinen Exemplare, welche jedoch als 
botanische Seltenheiten angesehen werden können, ln den Wäldern 
des Transkei-Gebietes hingegen wachsen beide dicht bei einander, 
was auf ein Zusammentreffen verschiedener klimatischer Verhältnisse 
schliessen lässt, welche beiden Arten gleich günstig sind. 

Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit ist das Niessholz dem Jar- 
rah- und Kamphorholz sowie dem amerikanischen Greenbeartholz 
zur Seite zu stellen. Die Wogenbrecher von Port Elisabeth, 
wo die Angriffe des Bohrwurms (Teredo navalis) ausnahmsweise 
bösartig sind, haben 20 Jahre lang ungeschädigt im Wasser ge- 
standen. Das Kernholz dieses Baumes giebt die haltbarsten Zaun- 
pfähle, da es nicht von der weissen Ameise angegriffen wird; viele 
Pfähle, welche von den ersten Kolonisten hier eingesetzt wurden, 
sind bis zum heutigen Tage gesund geblieben. Leider ist die Zu- 
fuhr starken Holzes jetzt sehr vermindert. Um sein Aussterben zu 
verhindern, ist das Fällen jetzt untersagt, und da der natürliche 
Nachwuchs überall reichlich ist, so steht zu erwarten, dass bei sorg- 
fältiger Bewirthschaftung diese für wirtschaftliche Zwecke so nütz- 
liche Holzart bald wieder in genügender Menge zu haben sein wird. 

In nächster Linie stehen nun Harthölzer zu Schnitzereien. 
Unter ihnen ist das kostbarste das Buchsbaumholz, welches haupt- 
sächlich in den Küstenwäldern vorkommt, die sich entweder an 


Digitized by Google 



lieberseeische Waldwirtschaft. 


67 


der See oder längs der Thäler der grossen Flüsse iu der Nähe der 
Küste hinziehen. Bis jetzt hat man das Bachsbaumholz erst in der 
südöstlichsten Ecke der Kolonie, in der Gegend von East-London, 
gefunden. Die ganze Fläche erstreckt sich nicht über 15 bis 16 
englische Quadratmeilen (etwa 4000 Hektar), wovon die Hälfte in 
den Händen von Privateigenthümern ist. 

Im Allgemeinen übersteigt der Durchmesser des südafrikanischen 
Bnchsbaumholzes selten einen Fuss hei einer Länge des Stammes 
bis zu ‘20 Fuss. Es ist annäherungsweise eine Berechnung der Masse 
des Bnchsbaumholzes gemacht worden, welches in den Kronwfildern 
von Fort Pato und Fort Grey enthalten ist, und man hat gefunden, 
dass sie zusammen 361 400 Kubikfuss (etwa 10 000 Festmeter) ver- 
wendbaren Holzes verschiedener Stärke, neben einem grossen natür- 
lichen Nachwuchs jüngerer Stämme, enthalten. Wenn man nun annimmt, 
dass 35 Kubikfuss ein Tonnengewicht (rund 1000 Kilo) ansmachen, so 
kann man den zur Zeit nutzbaren Vorrath dieser Wälder ungefähr 
auf 10 000 Tonnen berechnen, und dies würde bei einem Preise von 
200 Mark ') für die nach England gelieferte Tonne einen Werth von 
2 Millionen Mark ausmachen. Nimmt man aber an, dass behufs Er- 
haltung eines gleichmässigen natürlichen Nachwuchses alljährlich nur 
der vierzigste Theil des Vorraths gefällt wird, so könnte vermittelst 
dieses Holzes allein eine Rente von 50 000 Mark jährlich ans die- 
sen zwei kleinen Forsten erzielt werden: die gesammte Fläche, auf 
welcher Bnchsbaumholz gedeiht, würde mehr als den doppelten Be- 
trag ergeben. 

Man unterscheidet zwei Arten kapländisches Buehsbanmholz 
(Cape Box), das Kamassi, welches in Knysna wächst, und das 
hauptsächlich im Osten vorkommende Gala-Gala; man hofft, dass 
diese beiden Hölzer zusammen dem kolonialen Bedarfe an Harthölzern 
genügen und ausserdem einen Ueberschuss für den europäischen 
Markt liefern werden. 

Um zu untersuchen, inwiefern das Kamassi und andere süd- 
afrikanische Harthölzer zu feinen Holzarbeiten geeignet sind, 
w urden s. Zt, bei Gelegenheit der Kdinburger Forstausstellung Quer- 
schnitte von 1 Zoll Dicke daraus hergerichtet und an die Herren C. 
und A. Jung, Holzschneider in Ludgate-Circus, gesendet, deren Be- 
richt nachstehend folgt: 


*) Bis vor Kurzem noch ist von diesem edlen Malerin! die I.asl (Karron- 
ladung?) für 5 Schilling auf dem Markte von East-I.ondon verkauft worden! 

5* 


Digitized by Google 



68 


t'ebprseeisobe Waldwirthscbtft. 


Kamassi (Gonioma Kamassi) ist geeignet, für die feinsten tech- 
nischen Schnitzereien, z. B. MaschinentheUe aller Art, nnd ebenso 
für gewöhnliche Holzschnitte: 

Quar (Euclea undulata) ist nahezu gleich dem Kamassi-Holz und 
ganz passend für gewöhnliche Holzschnitte: 

Red Wood ( Oehna arljorea ), sehr passend für gröbere Holzschnitte 
und ausgezeichnet für Typen: 

Salie Wood (Budcüeia salviaefolia) sowie Saffraan ( Elwodencbon 
croceum) sind vorzüglich für grosse Holztypen, für „Posters“ 
und gröbere Holzschneidearbeit im Allgemeinen geeignet: 
White P ear ( Pterocelastrus rostralus) ist ein gutes Holz für alle 
grösseren Arbeiten in Holzschnitt, Typen, „Posters“ u. s. w. 

Von dem Gala-Gala, das wahrscheinlich werthvoller als alle 
anderen Arten ist, waren leider keine Proben beigegeben worden. 

Alle in dieserListe erwähnten Hölzer, mit Ausnahmedes „Saffraan“, 
sind unter zwei Fuss dick: wenige derselben überschreiten zwölf Zoll 
im Durchmesser. Da ihr geringer Durchmesser indessen wahrschein- 
lich nicht gegen ihre nutzbringende Verwendung zu Holzschneidereien 
und technischen Gegenständen wie z. B. Weberschiffchen. Rollschuh- 
rädern u. dergl. sprechen würde, so ist zu erwarten, dass weitere 
Versuche dazu führen werden, die Ausfuhr dieser werthvollen Hölzer, 
welche einen so guten Ersatz für die immer mehr abnehmende Er- 
zeugung des echten Buchsbau mholzes bieten, in Gang zu bringen. 
Eine Schätzung der Menge dieser schwächeren Hölzer ist jetzt nicht 
möglich, da alle Bäume unter 12 Zoll Durchmesser, weuu sie für 
den Verkauf bestimmt sind, ohne Unterschied als Pfähle (poles) be- 
zeichnet werden. Ihre Menge ist übrigens beträchtlich, und man 
beabsichtigt, künftig die einzelnen Arten für sich anszählen zu lassen. 

Eine andere Gruppe Harthölzer bilden das Eisenholz und Assegai- 
holz u. s. w. Das schwarze Eisenholz (Olea laarifolia), zu den 
Jasminacecn gehörig, macht ungefähr den sechsten Theil der Bestände 
in den Knysna- und Tsitsikamma-Forsten aus: es ist ausserordentlich 
hart, schwer und schwierig zu bearbeiten, nimmt aber eine ausge- 
zeichnete Politur an und ist eigenthümlich gezeichnet. Sein wirt- 
schaftlicher Verbrauch in der Kolonie ist ein geringer, hauptsächlich 
zur Möbel- und Wagenfabrikatiou und zu Pfählen. Weitere geeignete 
Verwendungen wären sehr erwünscht, zumal auch die Wälder durch 
die Entfernung einer Menge scblagreifen Holzes, welches jetzt nutzlos 
verrottet, sehr gewinnen würden. 


Digitized by Google 



l'eberseeische Waldwirtschaft. 


69 


Ausgewählte Blöcke könnte« wahrscheinlich mit Vortheil aus- 
geführt werden, da sie sich gut zur Anfertigung von technischen Gegen- 
ständen, Maschinenträgern n. dergl., welche ein hartes, schweres, 
dichtkörniges Holz erfordern, eignen würden. 

Von den anderen Knysna- Waldbäumen erreichen keine den Um- 
fang der schon beschriebenen; sie sind zumeist hart, zähe, dicht- 
gelügt und werden ebenfalls hauptsächlich zur Herstellung von Kar- 
ren, Wagen, ländlichen Werkzeugen sowie zu Hausrath und Pfählen 
verwendet. Znr Knnsttischlerei sind mehrere Kapland-Hölzer 
brauchbar, namentlich Hard Pear. Wild Olive, K ersehout, 
Essenhout, Red und White Eis, die sich auch zur Ausfuhr eig- 
nen würden. Vor allem aber sind sie zur Verwendung in der Ko- 
lonie selbst, namentlich beim Wagen bau, ganz vorzüglich, da sie 
diejenige Zähigkeit und Elasticitüt, besitzen, welche nöthig ist, um 
die beständigen Stösse bei der Beförderung auf den zumeist schlech- 
ten Wegen auszuhalten. Trotz des Wettbewerbs der Eisenbahnen 
wird noch immer eine grosse Anzahl dieser dem südlichen Afrika 
eigenthümlichen Karren, mit festem oder zusammenschlagbarem Ver- 
deck, gefertigt, und was Stärke, Haltbarkeit und Bequemlichkeit beim 
Reisen betrifft, sind sie nochnicht vondenamerikanischenNaohahtnungon 
erreicht worden, welche ihnen den Rang ablaufen wollten. Wagen 
werden gewöhnlich in der heissen Jahreszeit gebaut und sind danu 
im Stande, der grössten Trockenheit zu widerstehen. 

Von den sonst noch in unserer „Uebersicht der wichtigsten 
Nutzhölzer“ enthaltenen Bäume giebt der Bericht der kaplän- 
discheu Forstverwaltung keine nähere Beschreibung: dagegen be- 
schäftigt er sich eingehend mit einigen wichtigen, aus anderen 
Welttheileu stammenden Nutzhölzern. 1 ) 

Als der am besten im Kaplande eingewöhnte Baum ist wohl 
die Eiche ( Quercus pedunaäata, Stieleiche), zu betrachten, welche 
von den frühesten holländischen Ansiedlern cingeführt wurde. Dieser 
Baum ist jetzt in allen gemässigten Theileu der Kolonie heimisch, 
obgleich das Klima hier viel wärmer ist als in seiner europäischen 
Heimath; er trägt regelmässig und reichlich Früchte und pflanzt sich 
von selbst durch Sämlinge fort, auch lässt er sich ohne besondere 
Sorgfalt mit Erfolg verpflanzen. In vielen Städten der westlichen 
Distrikte sind Strassen mit Eichen bepflanzt. In Stellenbosch und in 
Paarl haben sie eine stattliche Höhe erreicht, und der kühle Schatten, 
den ihre Riesenäste gewähren, ist die Freude der Ortsbewohner so- 

*) Vgl. Grundzüge der Flora von S üdafri ka (Leipzig, Quandl & Händel). 


Digitized by Google 



70 


Ueberseeische Waldwirtschaft. 


wie ein bleibendes Denkmal der Fürsorge des Gouverneurs Van der 
Stell, der sie pflanzte. Kapstadt hat ebenfalls seine schattige Eichen- 
allee, welche bereits vor ungefähr 200 Jahren gepflanzt wurde und 
gegenwärtig etwas in Verfall gerathen ist; ihre Wiederherstellung 
ist von der Forstabtheilung in die Hand genommen, welche die Summe 
von 8000 Mark für das Ergänzen und Beschneiden dieser Bäume be- 
willigt erhalten hat. 

In den kapländischen Regierungs- Baumschulen, die ganz vorzüg- 
lich eingerichtet sein sollen, legt man auch auf den Jarrahbaum 
(Eucalyptus marginata ) und auf den Kamphorbaum (Laurus 
catnphora) grossen Werth, die ebenfalls eingeführt sind. 

Ausserordentliche Wichtigkeit haben einige australische Bäume 
erlangt, namentlich der Blaugummibanm (Eucalyptus globulu.s). 
Derselbe wurde zuerst im Jahre 1828 im Kaplande eingefürbt. Auf 
der Insel Mauritius zog Sir Lowry Cole während seiner Statthalter- 
schaft dort. Eucalyptus-Pflanzen aus australischem Samen, und bei 
seiner Versetzung nach Kapstadt (im obenerwähnten Jahre) brachte 
er eine Anzahl Sämlinge mit. Nur sieben derselben Überstunden die 
Reise und wurden in den Garten des Gouverneurs gepflanzt; von 
diesen leben noch zwei, welche jetzt 58 Jahre alt sind. Der grösste 
derselben hat (drei Fuss über der Erde) 19 Fnss im Umfang, seine 
Höhe indessen beträgt nicht über 95 Fuss, da der heftige Wind sein 
Wachsthum nach oben gehindert hat, was auch bei allen anderen 
Bäumen hier der Fall ist. 

Jetzt ist der Blaugummibaum allerwärts in Südafrika verbreitet, 
besonders auch in Natal. Das Wachsthum desselben ist ein fabelhaft 
schnelles, und die Erträgnisse, welche er bringt, kommen euro- 
päischen Forstleuten fast unglaublich vor. So wurde im Jahre 1886 
in Worcester, etwa 100 englische Meilen von Kapstadt, eine An- 
pflanzung von Blaugummibänmen zu Feuerungszwecken gemacht. 
Die verwendete Fläche beträgt 80 Acker (32 Hektar), und enthält 
ungefähr 40 000 wohlgewachsene Stämme, von denen viele jetzt, 
nach 10 Jahren. 6chon 5'/2 ^ nti8 Umfang haben, während alle fast 
100 Fuss hoch sind! Der jährliche Ertrag wird auf 11 Tonnen 
trockenen Holzes auf den englischen Acker (27 500 Kilo auf den 
Hektar!) veranschlagt. In den Baumschulen zu Tokai auf den Ab- 
hängen des Tafelberges zieht man nicht weniger als 33 Arten Euca- 
lyptus neben 20 Arten Nadelhölzern und mohr als 90 Arten anderer 
aussertropischer Bäume. 

Ebenfalls aus Australien eingeführt ist eine Akazienart, die 


Digitized by Google 



Ueberseeische Waldwirtschaft. 


71 


B) ack Wattle ( Acacia saligna ), die nirgendwo eine geeignetere Hei- 
math gefunden haben könnte. Die zuerst gepflanzten Bäume waren 
im Jahre 1886 erst acht Jahre alt, doch hatten einige von ihnen 
einen Fnss hoch über dem Boden, wo der Baum anfängt sich zu 
verzweigen, bereits 5 Fass Umfang! Selbstausgesäete Pflänzchen ver- 
breiten sich schnell und werden in ein paar Jahren die ganze Fläche 
bedeckt haben. Diese Akazienart ist in mannigfacher Hinsicht sehr 
werthvoll ; zn Feuerungszwecken ist sie der Fichte oder Kiefer gleich, 
und ihre Rinde wird von den Gerbern hochgeschätzt, welche für die 
Tonne im trockenen Zustande 150 Mark zahlen. Der Tannin-Gehalt 
der hier gepflanzten Wattle ist noch nicht festgestellt worden, aber 
man glaubt, dass er dem des australischen Baumes, der sich auf 30 
Procent beläuft, nicht nachsteht. Mit der Zeit wurde auch die Auf- 
merksamkeit der Privatunternehmer auf diese Akazie gelenkt, welche 
dem steigenden Bedürfniss nach Gerbmaterial Genüge zu leisten ver- 
spricht. Ausser ihr ist die Acacia gUtucopiiylla sehr verbreitet, und 
auch Acacia mdanoxybn ist mit Erfolg eingeführt worden. 

Nachstehende Zusammenstellung umfasst sämmtliche, in dem 
mehrerwähnten Bericht der kapländischen Forstverwaltung aufge- 
führten Nutzhölzer, der besseren Uebersicht wegen in Gruppen ge- 
ordnet, die allerdings keine wissenschaftliche Grundlage haben, jedoch 
das Auffinden des für praktische Zwecke Brauchbaren wesentlich 
erleichtern. Es ist ausser dem Namen auch das Vorkommen 
des Holzes näher bezeichnet und bei einer grösseren Anzahl derselben 
auch das Eigengewicht (in Klammer) angegeben. 

Uebersicht der wichtigsten Nutzhölzer Südafrikas. 

Kn. — aus den westlichen Wäldern (von Knysua und Tsitsikamma) 

— K. W. aus den östlichen Wäldern (von King Williamstown und Amatola) 
. . I . . . , anderswo heimisch oder eingeführt. 

Oie Zahlen in Klammer, z. B. (864), bezeichnen das Gewicht eines Cubik- 
meters in Kilogrammen. 


Heimath. j 

Botanischer Name. 

Englischer (bei. holländischer etc.) und 
deutscher Name. 



! 

A. Nadelhölzer. 

Kn. | 

K.W. 

1 

i 

«0 

1 

„Opreoht“ Yellowwood, echtes Oelbbolz 
(560) 

Kn. 

K.W. 

* eknußitus 

Outeniqua Yellowwood, Ouleniqua-Gelb- 

holz (576) 

— : 

K.W. 

* pnunosus 

Bastard Yellowwood, unechtes Gelbholz 


Digitized by Google 



72 


l'eberseeische Waldwirtschaft. 


Heiiuath. 


Kn 


Kd. 


Kn. 

Kn. 

Kn. 


Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 

Kn. 


B o t a n i s r li e r N a i 


Englischer (bez. holländischer etc.l nre 1 
deutacher Name. 


Widdringtoniajunipcroides Berg-Cypress oder Cedar, Bergcypresse 

(bei Clanwilliam) 

l'mux pinaster [ Strandkiefer (aus Frankreich?) 

» pintu Steinkiefer, Pinie (aus Italien?) 

. insiynix I (aus Südeuropa?) 

K. Stinkholz und Verwandte 


K.W. 

K.W. 

K.W. 


Oreodaphne buUata 
Cettis rhamnifolia 
Brabejum stellatifoliuu 
Iteroxylon utile 


Stinkwood, Stinkholz (864) 

Kamdeboo Stinkwood, Kaindebu-Stinkbolz 
Red- oder Bitler-Almond, rothes Stinkholr. 
Sueezewood. Nieasholz 


('. Buchsbnuni und Hölzer zur Schnitzerei. 


— ( ionionui Kamasei 


K.W. 


sp. 


K.W. Ochiui urborra 


K.W. ? 

K.W. 
K.W. 
K.W. ? 
K.W. 
K.W. 

K. W. 

! K.W. 
K.W. 
K. W. 

K.W. 

K.W. 

K.W. 

K.W. 

K.W. 


Eucirii undulato 
„ lanceolata 
, xp 

Buddleia xalriaefolia 
Elacodendron croceum 
Pteroctlastrus rostratux 


Kamassi (Cape Box), kaplandiscber Buchs- 
baum (928) 

Gala-Gala (Cape Box 1 kapländisehcr 
Bucbsbaum 

I Cape Plane (Ue«l Wood) kapländische 
Platane (Kothholz) 
rothes Ebenholz? 

Quar, Raute (1008) | Kbeuholz- 
Guarri, Guarri | Arten? 

Red Currant. rothe Johannisbeere? 

Salie Wood, Salieholz 
Saffraau, Safranholz (864' 
s. unter D. 


II. Eisenholz und andere Harthölzer. 


Curtisia fayinea 
Xanthoxylon Capense 
Vepris lanceolata 
Olea laurifolia 
„ favtolata 
. verrucosa 
Olin>:a Capensix 
Scalopia Ecklonii 
„ Zeyheri 
Pttrocelastrus rostrat ux 
. variabilis 


1 K.W. 


Assegar, Assegaibolz (1056) 

Knobwood, Knolenbolz 
White Ironwood, weisses Eisenholz (1136) 
Black Ironwood, schwarzes Eisenholz (1024) 
Bastard Ironwood. unechtes Eisenholz 
Olyvenhout (Wild Olive), wilde Olive (1152) 
Hard Pear, hartes Bimholz (1088) 

Red Pear. rothes Birubaumbolz 
Tborn Pear. dorniges Birnbamnholz 
White Pear, weisser Birnbaum (816) 
Kersebout (Candlewood), Kcrzenbauui 
(Kirschbaum?) (1088) 

Wild l.emon, wilde l.imone 
ausserdem Jarrahbolz und Kamphorbolz (s. unter F.) 

E. Sonstige, nach bekannten Biiumen benannte Hölzer. 


[K.W Qrumilia cymosa (?) 


Atherstonm decussata 


— I K.W. 




Kojatenhout oder Cape Teak, kapländi- 
sche« Teakholz 

Natal Mahogauy, Blinkbar or Wild Peach, 
Natal-Mahagoni oder wilde Pfirsiche 


Digitized by Google 





Ueberseeische 

Waldwirtschaft 73 

Heimat h. 

Botanischer Name. 

Englischer (bez. holländischer etc.) und 
deutscher Name. 

— 

K.W. 

1 Calodendron Capenge 

Wild Ghestnut, wilde Kastanie 

Kd. 

K.W. 

f 

1 

r 

ßeukenhout, Buchenholz (752) 

Kn. 

K. W. 

Eckebergia Capensis 

Essenhout (Cape Ash), kapl. Esche (768) 

Kn. 

— 

\Platylophus tri/oltatus 

Wit Eis (White Alder), weisse Erle (608) 

Kn. 

— 

Ptectonia Mundtiana 

Klip Eis (Rock Alder), Klippen-Erle (880) 

Kn. 

K.W 

Cununia Capensis 

Red Eis (Red Alder), rothe Erle (752) 

— 

K. W. 

Harpephyllum Caffrum 

Kafir Plum, Kaffer-Pflaume 

Kn. 


1 Nuxia floribunda Vlier (Wild Eider), wilder Holunder (752). 

F. Eilige wohnte NutzholzbUume. 



Qutrc.us pedunculata 

Stieleiche (aus Südenropa?) 

• ■ 


Eucalyptus globulus 

Blue Gum, Blaugummibauni und 

. • 


„ marginata 

Jarrahhaum (aus Australien) 

- • 


Acacia saligna 

Black Waltle (aus Australien) 



„ glaucopAylla 

Kamphorbaum (aus Ostasien?) 



„ melanoxylon 

(aus Australien) 



Laurus camphora 

" *1 



ausserdem die unter A. aufgeführten Pinus-Arien. 

0. Nach Farben benannte und sonstige Nutzhölzer. 

Kn. 

_ 

Mimusops oborata 

Melkbout (Milk Wood), Milchholz (1088, 

— 

K.W. 

Sideroxylon inerme 

White Milkwood, weisses Milcbholz 

— 

K. W. 

? ? 

Red „ rothes 

Kn. 

— 

? ? 

White Wood, Weissholz (768) 

Kn. 

— 

? ? 

Zwarthout, Schwarzbolz (1088) 

Kn. 

K.W. 

Poyena tucula 

Swart Bast (Black Bark), Schwarzrinden- 
holz (880) 

— 

K.W. j 

Jlippobromus alata 

Paardepis, or Foul Leafwood, Faul blatthol 1 

— 

K.W. j 

Schotia latifoUa 

Boerbone (Boerboon), Bauern höhne? 

— 

K.W. i 

HnlUria tUipticu 

Septee, Septihnlz 

Kn. 


Celastrus acuminutus 

Zyhast (sog. Baummörder) (1024) 

Kn. 

- ; 

Protea sp. 

Terblanz, eine Protea-Art 

Kn.? 

K.W.? 

Uakea Üuavrobns 

(Proteacee ?) 


Nach vorstehender Zusammenstellung kommen 15 Nutzholzbäume 
in beiden Waldgebieteu zugleich vor, während 13 Arten als nur in 
den westlichen Wäldern (bei Knysna) und 19 Arten als nur in 
den östlichen Wäldern (bei King Williams-Town) vorkommend 
aufgeführt sind. Es darf deshalb angenommen werden, dass in den 
noch weiter östlich gelegenen subtropischen Waldungen vonPondo- 
land, deren genauere Erforschung jetzt durch die deutsche Pondolaud- 
Geseilschaft in Angriff genommeu worden ist, mindestens 12 — 15 
hier noch nicht erwähnte Nutzholz-Arten augetroffen werden. 

Dass in diesen Urwäldern von Pondoland, die mau zusanimen- 
fassen kann unter dem Namen Ekossawald, den der grösste der- 


Digitized by Google 



74 


Ueberseeische Waldwirtschaft. 


selben führt, die hauptsächlichsten Nutzhölzer des Kaplandes nicht 
fehlen, lässt sich schon von vornherein schliessen aus der geogra- 
phischen Lage und den klimatischen Verhältnissen, die hier der be- 
trächtlichen Regenmenge wegen sehr günstig sind; es wird dies aber 
auch unwiderleglich bewiesen durch die Berichte der gegen Ende 
1887 von der „Deutschen Pondoland- Gesellschaft“ ausgesendeten, 
aus den tüchtigsten Kräften bestehenden Untersuchungs-Expe- 
dition, dessen eines Mitglied, der durch seine Reisen in Südafrika 
und am Kongo vortheilhaft bekannte Herr Franz Hertwig 1 ), jetzt 
in Berlin weilt; derselbe führt in der Kolonialzeitung von den Nutz 
hölzern des Ekossawaldes auf: die Riesenbäume des Gelbholzes, 
welche oft über 2 Meter im Durchmesser haben, die ebenfalls sehr 
starken Stinkholzbäume, das Assegaiholz, Eisenholz, Niess- 
holz und andere. 

Ebenso schreibt der durch mehrjährigen Aufenthalt in Südafrika 
mit den dortigen Verhältnissen vertraute Botaniker der Pondoland- 
Expedition, Herr Dr. med. Franz Bachmann (s. No. 25 der D. 
Kol.-Z. vom 23. Juni 1888: Ein Ritt durch den Ekossawald), 
dessen Rückkehr nach Deutschland binnen Kurzem zu erwarten ist: 
„Sehr in die Augen fällt von den übrigen Bäumen besondere der 
Gelbholzbaum (zur Familie der Taxusgewächse gehörig), der im 
Wuchs eine entfernte Aehnlichkeit mit unserer Kiefer (Pinus «Z- 
vestrin) hat, während die dunkelgrünen Blätter nicht nadelförmig 
sind, sondern mehr die Form von Weidenblättern haben.“ Und 
weiterhin sagt er, was ebenfalls nur auf das Gelbholz bezogen werden 
kann: „Die höchsten Bäume, die wir sahen, schätzten wir auf 80 Fuss, 
doch sollen Stämme von 100 bis 120 Fuss Vorkommen; die dicksten, 
die uns zu Gesicht kamen, maassen 6 Fuss im Durchmesser, doch 
giebt es bedeutend stärkere. Die meisten Stämme siud schön gerade, 
weil sie nicht von einseitigen Winden im Wachsthum beeinflusst 
werden“. 

Der jetzigeStationsvorsteher der Deutschen Pondoland-Gesellschaft, 
Herr Conrad Beyrich (von Hans aus Landwirth, ebenfalls auf 
Reisen in Südafrika erprobt) welcher erst vor Kurzem den Ekossa- 
wald und die benachbarten Forsten nach allen Richtungen durch- 
streift hat. berichtet über die dort von ihm gesehenen Nutzholzbäume: 

*) Von ihm wurde veröffentlicht: Der wirtschaftliche W erth von Pondo- 
land in No. 26 der D. Kol.-Ztg. vom 30. Juni 1888, und im Decemberheft (1888) 
von Petermann’s „Geograph. Mittheilungen“ : Das Küstengebiet von Natal und 
Pondoland in seiner wirtschaftlichen Entwickelung. 


Digitized by Google 



Ueberseeiscbe Waldwirtschaft. 


75 


„Das Gelbholz (Kaffername Namkoba) ist das am häufigsten 
vertretene Holz der grösseren Wälder. Die Bänme erheben ihre 
Kronen (d. h. wohl bis zmn Beginn der ersten Aeste) 30 — 40 Fuss 
hoch; schöne schlanke, hohe, fast astlose Bänme, meistentheils von 
2 — 3 Fass Durchmesser, sind in den fippigen Waldungen zahlreich. 
Die Blätter gleichen in ihrer Form denen eines Oelbanmes. breiten 
sich büschelförmig nach allen «Seiten der Zweige und geben eine 
buschige Krone, ähnlich der der Nadelhölzer. Das Ni essholz 
(Umtata) mit eichenartigen Blättern, ist sehr geschätzt, denn es ist 
sehr hart und änsserst widerstandsfähig gegen dio Einwirkungen der 
Luft sowie des Wassers: es fault nicht und wird auch von den Insekten 
gemieden.“ 

„Das Eisenholz ist von feiner Strnctnr und grosser Festig- 
keit und Härte: eine Sorte ist weiss (Umsimbiti), die andere wird später 
schwarz (Umzani) und wird deshalb mehr geschätzt. Das Lanzen- 
oder Assegaiholz (Umhiebe, Blätter myrtenartig) ist weiss und 
von grosser Härte: das Stinkholz (Kamdebn, mit grossen lorbeer- 
artigen Blättern) ähnelt an Farbe dem Nussbaumholz und wird sehr 
gesucht für Gewehrkolben, feine Tischlerarbeiten, Stöcke u. dergl. 
Das Milchholz (rothes und weisses) ist sehr dauerhaft und gilt, 
besonders beim Wagenbau, für ebenso werthvoll als Stinkholz. Die 
südafrikanische Esche (Umyanti) ist besser und dichter als Gelbholz 
und wird für Dielungsplanken empfohlen, während die sogenannte 
Erle beim Wagenbau zu Deichsel bäumen etc. Verwendung findet. 
Auch mehrere Akazienarten liefern geschätztes Holz, besonders 
eine mit hoher flacher Krone, die bei 2 Fuss Dicke 20 Fuss hoch 
wird und, ausser zur Steilmacherei, für Maschinen walzen. Dach- 
schindeln und zur Holzkohlenbereitung benutzt wird.“ 

„Der Kafferbaum oder Red Peartree (Umsinz) ist mit seinen 
weitleuchtenden ebereschrothen Blüthentrauben bei beginnender Regen- 
zeit eine Zierde des Landes: sein Holz wird ebenso wie das der 
wilden Olive und des Tambutibaumes vielfach verwendet. Das 
südafrikanische B uchsbaumh olz kommt hauptsächlich landeinwärts 
vor und ist zu allen Holzschnitzarbeiten verwendbar; in der Kap- 
kolonie soll es in den letzten Jahren ein Exportartikel gewordeu 
sein. Das sogenannte Ebenholz (Humganzi) hat dunkelgraue 
Farbe, ist aber hier selten, während das gelbe Safranholz. dessen 
Rinde als Gerberlohe dient, häutig ist.“ 

„Es giebt noch eine weitere Anzahl Nutzhölzer hier, doch 
hatte ich noch nicht Gelegenheit, sie kennen zn lernen, auch 


Digitized by Google 



76 


L'eherseeiscbe Waldwirtschaft. 


sind sie jedenfalls nicht von derselben Bedeutung wie die oben- 
genannten.“ 

Ueber die allgemeine Beschaffenheit der Waldungen von 
Dentseh-Pondoland berichtet Hr. Beyrich: „Dieser Wald stellt einen 
ganz bedeutenden Schatz dar. Die Flusssenkungen und Felsen- 
becken des Küstengebietes sind häufig mit mehr oder weniger grossen 
Waldungen bestanden. Zu den grösseren gehört der sog. Ekossabusch 
nebst denjenigen, welche nahe bei und am St. Johnsfluss auf der von 
uns erworbenen Seite sich hinziehen. Diese Waldungen bergen 
Bäume, zum Theil Baumriesen mit kostbarem Nutzholz. Die hiesigen 
Wälder haben zumeist den Charakter herrlichen Urwaldes; mächtige 
Lianen schlingen sich an den Bäumen hinauf, oder hängen in geraden 
langen Strängen, belaubt oder nnbelaubt, scheinbar herab, sodass mim 
sich wundert, wie sie so gerade diese Höhe erreichen konnten, bis 
die jüngeren, in der Luft schwebenden und sich gegenseitig umschlin- 
genden Ranken den Vorgang begreiflich machen. Tiefer Schatten 
herrscht in dem Wald, und wo nicht dichtes Gestrüpp oder Schlingpflan- 
zen oder Grasvegetation vorhanden, bedeckt den Boden ein Teppich 
von kriechendem Blattmoos. An sumpfigen Stellen bilden die Baum- 
wurzeln ein in der Luft schwebendes wildes Gewebe, und in der 
Höhe wölbt sich ein grossartig schöner Waldesdom.“ 

Aber nicht nur der Naturfreund ist entzückt von diesen herr- 
lichen Waldungen: auch der kalt rechnende praktische Geschäfts- 
mann kann sie mit hoher Befriedigung durchmustern. Der Werth 
des Ekossawaldes lässt sich, mit Zugrundelegung sehr vorsichtiger 
Annahmen, nüheruugsweise wie folgt schätzen: 

Nach einer uns vorliegenden rohen Kartenskizze bedeckt der 
Ekossawald eine Fläche von weit über 15 000 Hektar, so dass es 
statthaft sein wird für einen ungefähren Ueberschlag 10 000 Hektar 
in Rechnung zu ziehen. Nach den Angaben der kapländischen 
Forstverwaltung scheint es, dass in Südafrika bei dem ausserordent- 
lich schnellen Wachsthum der meisten Bäume eine Uratriebszeit von 
durchschnittlich 50 Jahren als angemessen zu betrachten ist; es 
würden demgemäss, sobald die Entwickelung des Betriebes dies ge- 
stattet, jährlich 200 Hektar abgeholzt und wieder aufgeforstet wer- 
den können. Da es sich um einen Urwald handelt, in welchem Stämme 
von 6 — 8 Fuss Durchmesser Vorkommen, die oft über 50 Fuss empor- 
steigen, ehe die Astbilduug beginnt, so wird es zulässig sein, die 
Holzmasse auf jedem Hektar ebenso gross anzunehmen wie die auf 
einem vorzüglichen deutschen Waldboden (z. B. in Thüringen. Sachsen 


Digitized by Google 



Ueberseeische Waklwirthscbaft. 


77 


und Württemberg), wo ungefähr 400 Festmeter Derbholz auf einen 
Hektar Abtriebsfläehe gewonnen werden; dies würde also eine jähr- 
lich schlagbare Holzmasse von 80000 Festmetern ergeben. 

Die A bfnhrverhältnisse sind, soweit die znr Verfügung stehen- 
den Berichte and Karten dies erkennen lassen, ansserordentlich 
günstige, da der südlichste Theil jenes Waldes kaum eine halbe 
deutsche Meile von dem schiffbaren St. Johns- oder Um- 
simvubu-Flusse, der am besten geeignete Ablageplatz an demselben 
aber ebenfalls nicht weiter vom Hafen (der Flussmündung, dem St 
Johns-Hafen) am Indischen Ocean entfernt ist Die Anfuhr dos 
Holzes zur Ablage dürfte sich hauptsächlich mittelst Wald- 
eisenbahn ermöglichen lassen, doch kann Genaueres hierüber erst 
nach sorgfältiger Untersuchung an Ort und Stelle bestimmt werden. 

Da der grösste Theil des im Ekossawald zu gewinnenden Holzes 
in Südafrika selbst zu verwerthen ist. so kommt in nächster 
Linie die Verschiffung nach den Absatzhäfen in Betracht, ln 
dieser Beziehung nun ist die Lage jenes Holzhafens eine äusserst vor- 
theilhafte, weil vipr grössere Eisenbahnlinien, die für ihren 
Schwellenbedarf hauptsächlich auf baltische und nordamerikanische 
Hölzer angewiesen sind, nur */ 2 bis 1V 2 Tage Dampferfahrt vom 
St. Johnsfluss entfernt liegen und zumeist in Gegenden des Inneren 
führen, welche wegen ihrer grossen Holzarmuth bekannt sind und 
deswegen ebenfalls ausländische Hölzer bedürfen. Diese Hafen sind 
im Süden: 

1. East London, in etwa 30 deutschen Meilen Entfernung, mit der 

300 Kilometer langen Eisenbahnlinie nach Aliwal-North, sowie 

2. Port Alfred und Port Elisabeth, in nicht ganz der doppelten 

Entfernung gelegen, mit Eisenbahnen von zusammen 1000 Kilo- 
meter Länge nach Kimberley, Graaf Reinet etc. 

Hieran schliessen sich nördlich vom St. Johnsfluss: 

3. Der Hafen von Durban, wiederum 30 deutsche Meilen entfernt, 

mit der 200 Kilometer langen Eisenbahn nach Ladysmith, 
welche jetzt um etwa 100 Kilometer bis nach Newcastle ver- 
längert wird, und 

4. Lorenzo Marques (Delagoabay), in kaum 100 deutschen Meilen 

Entfernung mit der kurzen Eisenbahnstrecke bis znr Transvaal- 
grenze, für deren Verlängerung bis Pretoria (über 350 Kilo- 
meter) sieh ein deutsch-holländisches Konsortium gebildet hat. 
Bemerkt zu werden verdient, dass alle diese Häfen allwöchent- 
lich von den grossen Europa-Dampfern angelaufen werden und so 


Digitized by Cfoogle 



78 


lleberseeische Waldwirtschaft. 


auch die Möglichkeit zum Export der werthvolleren Hölzer (rothes 
Ebenholz, Eisenholz, Buchsbaum und dergl.) bieten. 

Die Hauptverwendungsarten der Hölzer des Ekossawaldes wür- 
den für den südafrikanischen Bedarf die Folgenden sein: 

1. zu Bahnschwellen für die genannten Eisenbahnen (s. oben 
die Versuche der Kapkolonie in dieser Hinsicht); 

2. zu Balken, Brettern und fertigen Holzhäusern für die 
genannten Hafenstädte und ihr Hinterland, die Gold- und Diamanten 
felder; 

3. znm Bau von Or.bsenwagen . Booten und kleinen 
Schiffen, für welch letzteren Zweck das Lund in der Nähe des 
Ablageplatzes am L'msimvubu die beste Gelegenheit bietet; 

4. zu Fassdauben (Stäbeu) für die Weinbaudistrikte des Kap- 
landes, welche bis jetzt zum grössten Theil auf die europäische Ein- 
fuhr angewiesen waren, trotz des guten Gedeihens von Eichen und 
anderen gerbstoffhaltigen spaltbaren Hölzern. 

Eine Nebennntzung würde der Verkauf von Brennholz und 
Holzkohlen bieten. , 

Hierzu kommen für den Export nach Europa: 

5. verschiedene Harthölzer, zur Verwendung für Holz- 
schnitzereien, Maschinentheile und dergleichen, sowie einige beson- 
ders schöne Holzarten für die Kunsttischlerei; 

6. die anscheinend in grosser Menge und schönster Form vor- 
handenen Schirm- und Spazierstöcke und Stockgriffe, welche 
am besten von einem besonderen Sachverständigen zu sammeln und 
zu versenden sein würden. 

Ausserdem würden noch, ebenfalls durch geeignete Fachleute, zu 
sammeln sein: 

Harze, Gummi, Färb- und Gerbstoffe (durch einen Dro- 
guisten), Flecht- und Faserstoffe für die Textil- und Papier- 
industrie, und Früchte, Samen und Zierpflanzen für Import- 
gärtnereien und Samenhandlungen. 

Soviel sich jetzt erkennen lässt, würde es wohl das Vortheil- 
hafteste sein, wenn eine besondere, fachmännisch geleitete und mit 
Benutzung der neuesten Hilfsmittel zu betreibende Waldausbeu- 
tungs-Gesellschaft sich bildete, welcher die Besitzerin des Landes 
den Abtrieb des Waldes unter billigen Bedingungen überlassen könnte, 
während sie selbst die Wiederaufforstung sowie die Sicherung des 
Seetransportes nach oben genannten Häfen übernähme. Bei solcher 
Einrichtung würde das erforderliche Betriebskapital ein sehr geringes 


Digitized by Google 



Uebers«eiscbe Waldwirtschaft. 70 

sein, sodass eine hohe and dauernde Rente mit Bestimmtheit zu 
erwarten ist, wenn wir, was gewiss bei der Holzarmuth Südafrikas 
nicht viel ist, den Werth eines Festmeters Holz (jährlich 80 000 Fm. 
zu fällen!) zu nur 10 Mark annehmen, während eingeführte Hölzer 
(s. oben) schon durch dio Seefracht allein vielleicht mehrfach theurer 
zu stehen kommen 

Die sehr wichtige Arbeiterfrage liegt auch, wenn man nicht 
mit allzugrosser Ueberstürzung vorgeht, sehr günstig, denn die im 
Pondolande in grösserer Anzahl wohnenden Grikwa sind jetzt schon 
tüchtige Waldfäller und Holzarbeiter; ausserdem sind geschickte 
norwegische Zimmerleute in Pondoland und Natal vorhanden, welche 
gern eine dauernde Stellung in europäischen Diensten annehmeu 
w ürden, und ebenso wäre zur Zeit der Hauptarbeit gewiss auch auf 
die Hilfeleistung der von der „ Deutschen Pondoland-Gesellschaft“ 
anzusiedelnden Kolonisten zu rechnen, welche jedenfalls sehr glücklich 
sein werden, im Anfang sowohl wie auch später in der landwirth- 
Bchaftlichen Ruhezeit, einen Nebenverdienst zu haben. 

Bei dieser Sachlage ist es kaum zu bezweifeln, dass deutsche 
Unternehmer, so ängstlich sie sonst auch sind, die Ausbeutung jener 
jetzt in deutschem Besitze befindlichen Waldungen des Pondolandes 
mit aller Energie und Umsicht in die Hand nehmen werden, sodass 
vielleicht schon im nächsten Jahre Mittheilungen über die ersten 
Einrichtungsarbeiten gemacht werden können. Da zuverlässige Be- 
richte von Seiten der Pondoland-Expedition zur Geuüge vorliegen, 
so kann die Bewirthschaftung nach Ankunft der von hier anszusen- 
denden Fachleute mit Hilfe der in Südafrika vorhandenen Hilfs- 
kräfte, Aufseher und Arbeiter, sofort beginnen. 

Zuerst muss an Ort und Stelle bestimmt werden, welche Schläge 
in Angriff zu nehmen sind und welches Erträgniss vom Hektar 
zu erwarten ist (durch Auszählen, Ausmessen etc. der einzelnen 
Stämme). Bei Eintritt der geeigneten Jahreszeit (April bis August) kann 
sodann mit dem Fällen derjenigen Bäume begonnen werden, welche 
eincstheils am leichtesten zu verwerthen sind oder anderntheils dem 
jungen Nachwuchs am meisten im Wege stehen. Gleichzeitig müssen 
von geeigneten Leuten Wege angelegt oder in Staud gesetzt. Trans- 
portmittel (Waldeisenbahu!) fertiggestellt und Absatzgebiete 
erschlossen werden. Nach Beendigung der Fällzeit hätte ein 
Forstbeamter mit der Vermessung und Eintheilung des Waldes 
fortzufahren, sowie mit Anlegung von Pflanzschulen zu beginnen 
und den Wald auf andere verwerthbare Produkte (Samen, Rinden, 


Digitized by Google 



80 


lieberae«ische Waldwirtschaft. 


Hane u. s. w.) zu untersuchen. Endlich sollte auch ein Garten* 
verständiger zur Hand sein, uro alle für Europa brauchbaren 
Zierpflanzen zu sammeln und zu versenden, sowie der Vertreter 
einer Droguenhandlung nnd einer Stockfabrik, der die zu 
Spazierstöcken, Schirmgriffen n. s. w. geeigneten Hölzer ausznwählen 
hätte. 

Selbstverständlich müsste schon von vornherein auch eine grössere 
Schneidemühle in Gang gesetzt werden, für welche in der ersten 
Zeit der Umsimvubu die Betriebskraft liefern würde. Einrichtungen für 
Wagenbau, Herstellung von Fassdauben (Stäbe) n. dgl. würden 
später zu beschaffen sein, falls mau nicht diese Betriebe den An- 
siedlern überlassen will. 

Auf solche Art würde hinnen Kurzem eine grossartige Ent- 
faltung deutscher Erwerbsthätigkeit in jenem schönen und 
durchaus gesunden Küstenlande zu erwarten sein, welche auch 
den deutschen Ackerbauern sehr zu Statten kommen würde, 
für deren Ansiedelung die wichtigsten Vorbereitungsarbeiten jetzt 
in Angriff genommen werden sollen. Und wenn auf diese Weise 
die wirthschaftliehe und nationale Entwickelung hier schneller er- 
folgt als in anderen Ansiedelungsgebieten, so wird dies wesentlich 
der soviel versprechenden, nach gründlicher deutscher Art zu be- 
treibenden überseeischen Waldwirtschaft zu verdanken sein. 


Digitized by Google 



Deutacli>bra8iliaiii$che Betrachtungen. 

Von 

C. Bolle, Rio de Janeiro. 

~ W~ 

I. 

Der Titel mag eine lange Abhandlung erwarten lassen können, 
wenigstens wenn von einem allgemeinen Standpunkte ans die ver- 
schiedenen Beziehungen, in denen Brasilien und Deutschland zu 
einander stehen, nach entsprechender Disposition der Betrachtung 
unterzogen werden sollten. Indessen wird eine erschöpfende Be- 
handlung des Stoffes keineswegs beabsichtigt, sondern es sollen nur 
einige Hauptpunkte beleuchtet werden. Gewöhnlich dreht sich die 
Berichterstattung, wie sie über brasilianische Verhältnisse nach 
Deutschland geliefert wird, entweder oberflächlich um die Allgemein- 
lage des südamerikanischen Kaiserreichs, oder um die Sonderlage 
einzelner Handelsplätze, Provinzen oder Regionen, oder aber um die 
Verhältnisse des hiesigen Deutschtbums, wobei individuelle, lokale, 
regionale oder provinziale Standpunkte mehr oder weniger deutlich 
zur Geltung gelangten; aber von Rio, dem politischen und wirtb- 
sehaftlicheu Herzen des Reiches aus wird es möglich sein, in viel 
allgemeingültigerer Weise die Wechselbeziehungen zur Anschauung 
zu bringen, welche einesteils mit dem Auslande, anderntheils zwischen 
Rio und den Provinzen bestehen. Schon mancher brasilienfreundliche 
Plan, manches projektirte Unternehmen ist in Deutschland, unver- 
mutet und ganz entgegengesetzt seinem vielverheissenden Entstehen, 
zu W'asser zerronnen, wenn man gar zu sehr sich auf die Berück- 
sichtigung regionaler Faktoren verliess und den innigen Zusammen- 
hang vergass, in dem sie zu gegebenen anderen Verhältnissen standen, 
die ihren Einfluss vom Herzen des Reiches her in entscheidender 
Weise geltend machten. Für manche Vorgänge fehlten und fehlen 

Jahrbuch für Deutsche Kolomalpolitik 6 


Digitized by Google 



82 


beutsch-brasili&niscbe Betrachtungen. 


dem Uneingeweihten und dem Kenner nur eines Theiles , nach dem 
er das Ganze benrtheilen zu können glaubt, jegliche Grundlagen zur 
Erklärung, zum richtigen Begreifen von Möglichkeiten, die man für 
Unmöglichkeiten hielt und hält und wohl gar mit voller Ueberzeugung 
in den Bereich der Fabel verwies, wenn man davon etwas hörte. 
Wer nur einzelne Gliedmaassen oder nur das Herz eines Körpers 
kennt, ist damit noch nicht befähigt, anf die Leistungsfähigkeit 
dieser Körper, die charakteristischen Bewegungen seiner Theile und 
die Behandlung, die man dem Ganzen angedeihen lassen muss, um 
von demselben eine bestimmte Thätigkeitsäusserung irgend eines 
Gliedes zu erlangen, zu schliessen. Sollen nun die Beziehungen 
dargelegt werden, in denen zwei unabhängige Körper, zwei Sonder- 
organisationen zu einander stehen, so wird ein klares Bild davon 
nur geliefert werden können, indem man die wirklichen oder ver- 
meintlichen Interessen der fremden Organisation, sowie den sie be- 
herrschenden Geist und seine Aeusserungen überall mit in Betracht 
zieht, wo sie die Anknüpfung einer Beziehung mit anderen entweder 
selbst sucht oder aber die dargebotene bereitwillig annimmt. 

Die Ausdehnung eines derartigen Themas liegt auf der Hand. 
Da nur ein relativ kurzer Aufsatz geliefert werden soll, findet eine 
gewisse Lückenhaftigkeit und Einseitigkeit ihre natürliche Erklärung. 

Fassen wir die kommerziellen Beziehungen von Rio mit dem 
Auslande einerseits und den Provinzen andererseits ins Auge, so 
wird anzuerkennen sein, dass hier bereits sichere Geleise die Wege 
kenntlich machen, welche der Handel nimmt. Derselbe ist mit 
Deutschland so bedeutend geworden, dass man in Rio die Gründung 
einer deutschen Bank als den Umständen entsprechend erkannt hat. 

Im Allgemeinen kann man annehmen, dass der Rio-Handel für 
sich allein ungefähr gleich gross ist, wie der Handel aller 20 Pro- 
vinzen zusammengenommen. Die Riozahlen doppelt genommen er- 
geben also den ungefähren Brasilhandel. Schon dies allein erweist 
die Präponderanz der Landeshauptstadt, die also nicht nur in poli- 
tischer und administrativer Beziehung, sondern auch in wirtschaft- 
licher sich als der Mittelpunkt des ganzen nationalen Lebens ans- 
weist Wenn bei einem Lande von der Grösse Brasiliens die Ver- 
bindungen mit allen Reichstbeilen nicht gleich gut noch gleich 
lebhaft sind, so liegt das in natürlichen Verhältnissen begründet. 
Die Entstehung partikularistiseher Färbung bei getrennten Gebieten 
abweichenden Klimas und abweichender Produktion war um so 
leichter, je grösser die Abgeschlossenheit war, und je länger sie 


Digitized by Google 



l>eutsch -brasilianische Betrachtungen. 83 

dauerte; aber die Abhängigkeit von der Landeshauptstadt trat noch 
jedesmal um so deutlicher zu Tage, je leichtere Verkehrsverbindungen 
geschaffen wurden, entlegene oder abgeschlossene Regionen der Aerm- 
lichkeit entreissend und belebend. Es machte das die Bewohner 
zunächst nur noch stolzer und selbstbewusster; der Lokalpatriotismus, 
schon vorher entwickelt, trieb seine Blüthen: die wirtschaftliche 
und politische Abhängigkeit entzog sich dem oberflächlichen Blicke; 
und mancher schon baute Pläne, die an ein Hörensagen oder einen 
regionalen Volksglauben anschlossen, nicht aber dem den Dingen 
innewohnenden Werthe entsprachen. Rechnet man hinzu, dass der 
Produktenhandel selten einen geradlinigen oder direkten Weg vom 
Erzeugungsplatze zum Hauptkonsum- oder Hauptexportmarkte nimmt, 
sondern sich an Zwischenstapelplätzen zunächst in der Hand einiger 
wenigen sammelt, so wird ein regional angehauchter Volksgeist sich 
um so selbstbewusster äussern und über den Werth seiner ver- 
meintlichen Sondervorzüge und Eigenthümlichkeiten täuschen können, 
je indirekter und damit äusserlich unmerklicher die Abhängigkeit 
in der man wirklich steht, ist. Das kommerzielle Bild ist ganz dem 
politischen und administrativen gleich. Das Volk sieht zunächst nur 
seine Lokalchefs, über denen die Chefs der Distrikte stehen; diese 
wiederum hängen von Provinzialchefs ab, welche ihrerseits endlich 
in mehr oder minder grosser Abhängigkeit zu den Machthabern der 
politischen Zentralgewalt in der Landeshauptstadt stehen. Es fehlt 
kein Glied in der Kette, wenn auch nicht jeder ihr Ende sieht. — 

Die offizielle Statistik giebt den überseeischen Verkehr mit dem 
Auslande für den Hafen Rio im Jahre 1 886/87 (1. Juli bis 30. Juni) 
folgendermaassen an: 

Werth des Exportes 110 524 Contos 

. . , 102 842 „ 

Zusammen 213 36(> Centos. 1 ) 

Rechnet man den internationalen Gesammtverkehr der Provinzen 
gleich ebensoviel, so erhält man einen Brasilhandel im Werthe von 
ungefähr 420 bis 430 Tausend Contos. Die Bevölkerung des Reichs 
wird heute offiziöserseits auf 13 — 14 Millionen geschätzt, es kommen 
also von diesem Handelsverkehre höchstens etwa 33 $ auf den Kopf 
der Bevölkerung, lieber den interprovinzialen Verkehr liegen nur 
lückenhafte offizielle Angaben vor. Offiziöserseits wird derselbe auf 
weniger als 400000 Contos und zusammen mit dem internationalen 

') 1 Conto = 1 : 000 mil reis = i : 000 S = 1 : 000 $ 000 reis. 1 * (mil 
reis) = etwa 2 Mark. 1 Conto = etwa 2000 Mark. 

6 * 


Digitized by Google 



84 


Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


Handel auf etwa 800 000 Contoe geschätzt. Das würde einer ver- 
einten produktiven und konsumirenden Jahresbethfttigung jedes Mit- 
gliedes der Bevölkerung im Werthe von 61 $ entsprechen, d. h. es 
würde mit der Hälfte dieser Summe als Produzent und dann als 
Konsument auftreten. Die Sache ist nicht denkbar. Der inter- 
munizipale Handel, sowie der zwischen Stadt und Land, fehlt in der 
Schätzung; und die Summe ist jedenfalls höher. Dennoch bleiben 
die gebotenen Zahlenwerthe charakteristisch für die Verhältnisse. 
Die brasilianischen Volkswirthschaftler trauen zum Theil selbst ihrem 
Volke (besonders den ländlichen Klassen) keine grössere Produktions- 
and Handelsbethätigung zu. 

Hier wird der Punkt sein, an die bereits erwähnte regionale 
Abgeschlossenheit vieler grösserer und kleinerer Reichstheile anzu- 
schliessen. Die Ausbildung regionaler Eigenthümlichkeiten stand in 
naher Beziehung zu dem mangelhaften und schwachen Handelsver- 
kehre. Die Tropennatur liefert leicht die nöthigsten Lebensmittel; 
zum Schutze gegen die Witterung genügt ein offener Rancho, (Dach, 
welches auf einer Seite am Boden und auf der andereu auf Pfählen 
ruht); an Kleidung und Luxusartikel stellt erfahrungsgemäss eine 
Bevölkerung, die annähernd ausserhalb des Verkehrs mit der MiL 
weit steht, nur die allerbescheidensten oder gar keine Ansprüche; 
und es dürfte ungefähr der Wahrheit entsprechen, wenn behauptet 
wird, dass die Hälfte der Bevölkerung Brasiliens nichts produzirt 
und arbeitet, was irgend einen Handelswerth hätte, während von der 
anderen Hälfte die Kinder und die meisten Weiber, d. i. mindestens 
zwei Drittel aus der Klasse der Producenten zu streichen sind, aus- 
genommen die Sklaven, von denen Mann, Weib und Kind arbeiten 
müssen, ln der Blüthezeit der Sklaverei mag es vielleicht 1 Va Mil- 
lionen (höchstens) arbeitsfähiger Sklaven gegeben haben, heute ist 
ihre Zahl nach officiöser Schätzung auf Million herabgesunken. 
Ihre Verminderung hat eine wirtschaftliche Krise zur Folge gehabt, 
weil die Sklaven nicht daran gewöhnt waren Bedürfnisse zu haben, 
also auch nicht nöthig hatten zu ihrer Befriedigung Geld zu ver- 
dienen. d. i. zu arbeiten. Wenn sie dennoch grösstentheils auch 
nach der Freilassung fortfahren zu arbeiten, so geschieht das, weil 
sie die Bedürfnisse, von denen sie vorher zu sehen Gelegenheit 
hatten, dass andere Leute sie befriedigen zu müssen glaubten, nun 
theilweise selbst erwarben 

Immerhin aber ist ein in tierischer Verkommenheit gehaltenes 
Geschlecht wenig zu Kulturarbeiten geeignet. Nur ein freier Arbeits- 


Digitized by Google 



l)euUcb-brasilianische Betrachtungen. 


85 


stand konnte die Lücken füllen und, falls er zahlreich genug war 
die wirtschaftliche Blüthe des Landes voranbringen. Aber die 
brasilianische Landbevölkerung soll zum grösseren Theil erst noch 
für die Arbeit, deren sie während der Blüthe der Sklaverei syste- 
matisch entwöhnt worden war, neugewonnen werden; und nur euro- 
päische Einwanderer vermögen eine wirkliche Kulturarbeit zu leisten. 
Das kam zuerst in den Provinzen Rio Grande do Sul und Santa 
Cathariua zu einer relativ schwachen Anerkennung, die noch schwächer 
in den Provinzen Parana und Espirito Santo, wenn auch immerbiu 
sporadisch nachweisbar war, bis endlich in neuester Zeit die Provinz 
Säo Paulo energisch die Einwanderungspropaganda auf ihre Fahne 
schrieb und wirklich bedeutende Erfolge errang. 

Wie die wirtschaftliche Bedeutung, welche Brasilien für Deutsch- 
land hat, in gleichem Verhältnisse zur Entwickelung des Verkehre 
und Produktenaustausches zwischen beiden Ländern steht, d. h. um 
so grösser werden kann, je geeigneter sie sind gegenseitige Bedürf- 
nisse nach Waarenbezug zu befriedigen; so wird auch als Ziel der 
deutschen Auswanderung Brasilien eine Bedeutung haben, welche im 
genauen Verhältnisse zum Gedeihen der Einwanderer und Kolonisten 
steht Kommt der deutsche Bauer hier gut fort, so wird er das 
Land suchen, stehen aber seinem Gedeihen zu grosse Hindernisse 
entgegen, so wird er günstigere Länder vorziehen. Daran ändern 
alle guten Wünsche, die man so oft gehegt bat, Brasiliens Produc- 
tion uud Handelsverkehr mit Deutschland möchten durch das Ein- 
greifen und Wirken deutscher Kulturarbeit immer mehr gefördert 
werden, nichts; denn nur die Gunst der Verhältnisse zieht die Ein- 
wanderung nach der neuen Welt, und wo diese Gunst entweder nicht 
vorhanden oder nicht auszunutzen gestattet ist, lassen die malerisch- 
sten Gefilde den praktischen Laudmann ebenso kalt, als handelte es 
sich um die Eisgefilde Grönlands oder den Wüstensand der Sahara. 
Die moralische Wirkung des v. d. Heydt’schen Rescriptes war un- 
streitig eine ebenso grosse als für die brasilianischen Südprovinzen 
ungerechte, aber es ist dadurch in jenen Jahren, als die Kolonienbe- 
siedeluug mit freien Kleingrundbesitzern noch aufrichtig von der Re- 
gierung in relativ grossem Maasstabe erstrebt wurde, weder ein 
ziemlich starker Zuzug deutscher Landbebauer verhindert worden, 
noch auch würde später diese schon in recht erfreulicher Weise un- 
gebahnte Einwanderung ins Stocken gerathen sein, wenn die brasilia- 
nischen Staatsmänner das anfänglich noch recht fehlerhafte System 
zweckentsprechend verbessert hätten, statt aus Verdruss über partielle 


Digitized by Gpogle 



86 


Ileutsch- brasilianische Betrachtungen. 


Misserfolge das Kind mit dem Bade ausznschütten und die begonnene 
Kolonisationsarbeit ganz zn unterbrechen. Und eröffnete man heute 
an irgend welchen geeigneten Plätzen, von Rio Grande do Sul im 
Süden an bis nördlich hinauf nach Minas und Südbahia, d. h. da, 
wo bereits ein Kern deutscher Bauernansiedelungen durch materielle 
Blüthe von der natürlichen Gunst der Verhältnisse Kunde giebt, den 
auswandernngslustigen Landleuten Deutschlands die Aussicht auf 
sicheren Erwerb von Grundbesitz, auf Rechtsschutz und muthmaasslich 
gutes Gedeihen, so würden sie sofort wieder herzuströmen wie einst. 

Die Klage gegen das v. d. Heydt'sche Reskript war und ist 
berechtigt und unberechtigt zu gleicher Zeit; berechtigt, weil es sich 
auch gegen die Südprovinzen richtete, wo der deutsche Bauer gedieh; 
unberechtigt, weil man seine Ausserk raftsetzung später selbst zu 
einem Zeitpunkte verlangte, als die brasilianische Regierung über- 
zeugende Beweise der Abneigung gegen die fernere Entwickelung 
des Kleingrundbesitzerstandes im allgemeinen und des deutschen im 
besonderen gegeben hatte. Darauf konnte die Regierung Preussens 
unmöglich mit Aufhebung der ferneren moralischen Wirkungen eines 
Reskriptes antworten, das zu viel weniger schlimmer Zeit in Gel- 
tung gestanden hatte. Die Sache wurde von dem Zeitpunkte au fast 
unmöglich, an welchem die brasilianische Regierung die gegründeten 
Kolonien, junge wie alte, so schnell wie möglich zu emanzipiren be- 
gann und so wenig neue Vorkehrungen zur Ansiedelung der Ein- 
wanderer traf, dass selbst die grössten Brasilienfreunde eingestanden : 
es ist wohl noch möglich, in dieser oder jener Provinz, jährlich 
einige hundert Kolonistenfarailien relativ günstig zu plaziren, nicht 
aber einige Tausend. Letztere Zahl sah man bereits als Massenein- 
wanderung an. deren Unterbringung für absolut unmöglich erklärt 
wurde. Das war die Ansicht der besten Landeskenner über die Ein- 
wanderer-Aufnahmefähigkeit eines Reiches von der Grösse Europas, 
gesegnet mit den fruchtbarsten Fluren und dem herrlichsten Klima der 
Welt, aber nur von 10 Millionen Menschen bewohnt, von denen P/j 
Millionen Sklaven und 200 000 Einwanderer fast allein die produ- 
cirenden Kräfte stellten. Der Mangel an diesen, vereint mit dem 
Vorhandensein reicher Naturschätze, die nur des sie hebenden Armes 
harren, um zur Verwerthung zn gelangen, begründen überall in neuen 
Ländern das Bedürfniss nach Einwanderung. Dieses Bedürfniss ge- 
langte in Brasilien zur Anerkennung, als man in Rio Grande do Sul, 
Santa Catharina, Espirito Santo und andere Provinzen zahlreiche 
Kolonien gründeten. Leider blieb die Anerkennung stets eine mehr 


Digitized by Google 



Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


87 


theoretische als praktische, denn es fehlte in leitenden Kreisen am 
rechten Ernste znr Anwendung eines rationellen Kolonisationssystems 
und zur Verbesserung der Mängel des in Kraft stehenden. Mau 
kolonisirte, weil einige einflussreiche Politiker es wollten, und man 
gab sogar ziemlich viel Geld dafür aus; aber gleichzeitig übertrug 
man die Leitung der Kolonien nicht oder nur ausnahmsweise an 
Fachbeamte und sah die Besetzung der dem Dienste entsprechenden 
Posten hauptsächlich als günstige Versorgung politischer Günst- 
linge an. Wo, wie in Brasilien, die Interessen der Parteipolitik für 
das ganze Verwaltungswesen maassgebend sind, reicht die theoretische 
Anerkennung eines Bedürfnisses nicht aus. um Maassnahmen hervor- 
zurnfen, welche auf praktische Erfolge abzielen. Scheinmaassregeln 
haben keine Wirkung, und es spricht für die natürlichen Vorzüge, 
die Brasilien dem Kolonisten bietet, wenn trotz aller Misswirthschaft, 
trotz aller begangenen Fehler die Kolonien dennoch schliesslich so 
zu gedeihen vermochten, wie dies als Thatsacbe vor aller Augen 
liegt. Dass unter der Herrschaft eines Systems, das man nicht 
anders denn als vollständige Systemlosigkeit charakterisiren kann, die 
Misserfolge gelegentlich nicht ausblieben; dass diese Misserfolge be- 
rechtigte Klagen und unliebsames Geschrei hervorriefen ist klar, 
und es kam ein Zeitpunkt, zu dem man entweder zu einem ratio- 
nellen System übergehen oder die Sache ganz fallen lassen musste. 
Man entschied sich für das letztere um so leichter und lieber, als 
man am Sitze der administrativen und legislativen Zentralgewalt 
der Sache der Kolonisation an und für sich nur sekundäre Wichtig- 
keit beilegte. 

Die wirthschaftliche Bedeutung, welche Brasilien im Weltver- 
kehre erlangt hatte, beruhte auf der Grundlage einer fast ausschliess- 
lich aus Sklavenarbeit resultirenden Produktion. Im engen Zusammen- 
hänge mit dieser Erscheinung stand das ganze nationale Leben. Nur der 
Sklave that körperliche Arbeit, der Freie im allgemeinen nicht. Die 
Sklavenbesitzer bildeten eine feudale Kaste, deren materielle Glücks- 
umstände ihnen politischen, administrativen und selbst juridischen 
Einfluss verliehen, und zwar in so hohem Grade, dass die Interessen 
des Staates oder der Allgemeinen in den Interessen der Pflanzer 
nahezu vollständig auf- und untergingen. Das ganze Verwaltungs- 
nnd Rechtswesen, Gewohnheiten, Volkssitten und Gebräuche, ja selbst 
die nur aus rivalisirenden Cliquen ohne Devise oder erkennbare sitt- 
liche Ziele bestehende Parteienbildung waren so vollständig den Inter- 
essen der herrschenden feudalen Klasse angepasst, und das freie 


Digitized by Google 



88 


Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


Landvolk war gleichzeitig so schütz-, rechts- und besitzlos oder so ab- 
hängig von den Brosamen, die von des Pflanzers Tisch fielen, dass 
der selbstarbeitende Bauer mit seinen Ansprüchen anf Rechtsschutz 
und eine Verwaltung, die seine Interessen wahrnimmt, eigentlich in 
den Rahmen dieses Bildes gar nicht hineinpasste. Sein Stand hat 
sich denn auch nirgends entwickelt, ausser, wo er in kompakter Masse 
aufzutreten vermochte, d. h. wo noch keine sklavenbalteuden Pflanzer 
zur Alleinherrschaft gelangt waren. In den Urwäldern von Rio 
Grande, S. Catharina und Espirito Santo vermochte das Bauernge- 
sc.hlecht sich noch kräftig zu entwickeln, in den dazwischen liegen- 
den Provinzen Rio und S. Paulo und in Minas vermochte es gegen 
die Uebermacht des Grossgrundbesitzes nicht aufzukommen (von sehr 
vereinzelten Ausnahmen abgesehen). 

Da die fendale Klasse das Parlament beherrscht, die Ministerien 
stürzt und neubildet nnd die legislative Gewalt in Händen hat, so 
begreift sich leicht, dass die Kolonisation, als man sie noch begün- 
stigte, sich beim Feudalismus für alle begangenen Fehler nnd Sünden 
zu bedanken hatte; und als man der Kolonisation den Garaus machte, 
merkten die politischen Machthaber nicht, dass sie einen grossen 
wirthsehaftlichen Fehler begingen, weil sie eben das Landesinteresse 
mit den Interessen der Pflanzer und Sklavenhalter identitizirten. Diese 
aber liess es vollständig kalt, ob die menschenleeren Urwälder in Rio 
Grande und S. Catharina bevölkert wurden oder nicht. Die theo- 
retische Anerkennung, dass für die neue Welt die Einwanderung 
eine wirthschaftliche Nothwendigkeit sei, hatte also, wie gesagt, 
durch die Kolonisationsära ihren vorübergehenden Ausdruck gefunden, 
ist aber erst heute zur mehr praktischen Bethätigung geworden, 
nachdem die Sklavenhalter durch die Emanzipation sich bei der 
Grundlage ihres Wohlstandes, der Sklaverei, bedroht sehen und das 
Bedürfniss nach Arbeitskräften durch den Import europäischer Ar- 
beiter zu decken versuchen müssen. Damit bat aber die Einwande- 
rung, wie man sie heute anlockt, einen ganz anderen Charakter ge- 
wannen als die frühere. Dieser Charakter entspricht durchaus der 
Lage der Verhältnisse, d. i. der Alleinherrschaft des feudalen Ele- 
mentes und der ausschliesslichen Berücksichtigung seiner Interessen, 
die für den Gang der Regierungs- und Verwaltnngsgeschäfte maass- 
gebend sind. Nie war die Einwanderung nach Brasilien so stark 
wie im Jahre 1887, in welchem über 50 000 Immigranten anlangten; 
aber die Einwanderung, wie sie noch vor zehn oder zwölf Jahren 
herkam. unterscheidet sich von der heutigen bedeutend. Heute will 


Digitized by Google 



heutsch-brasilianische Betrachtungen. 89 

man nicht kolonisiren. sondern die abnehmenden Sklaven durch Lohn- 
arbeiter ersetzen. 

Ist dies der Hauptzweck der Einwanderungspropaganda, welche 
die Regierung unter dem Zwang der Umstände geschickt auf indi- 
rektem Wege in Europa organisirt, hat. so muss die charakteristische 
Veränderung der Situation auch eine von der früheren verschiedene 
Einwanderung erzeugt haben. Znr Zeit der Kolonieengründnng kam 
der deutsche Bauer her; heute, d. i. in der Periode des Arbeiter- 
importes, langen die Schaaren der italienischen Akkordarbeiter an. 
Vermeidet man es, abweichende Einzelheiten in Betracht zu ziehen, 
und vergegenwärtigt man sich nur den Allgemeineindrnok des Ein- 
wanderungsbildes von heute und früher, so hat man damit die 
Grundcharakterzüge der Situation annähernd richtig gewonnen. Dies 
zugegeben, fällt jede Berechtigung hin, die Gunst der Verhältnisse 
schon heute als für deutsche Einwanderung wiedergekehrt zu er- 
klären. Es wird indessen hinzugefügt werden dürfen, dass Anzeichen 
einer bevorstehenden Besserung der Verhältnisse vorliegen, wovon 
z. B. die Kontraktemeuerung, welche den in Dona Franeisca koloni- 
sirenden Hamburger Verein betrifft, Zeugniss ablegt, so vereinzelt 
dieser erste Schritt zu wiederkehrender Begünstigung des Klein- 
grundbesitzes auch ist. Erwähnt man nun noch die Existenz einiger 
wenigen sehr kostspieligen, aber sehr lässig arbeitenden offiziellen Ver- 
messungskomraissionen, welche seit Abschluss der eigentlichen Koloni- 
sationsära im Jahre 1878/79 diewenigeuanlangendenAckerbauerfamilien 
zu lokalisireu haben, was in einer Weise geschieht, die eine zahl- 
reiche Bauerneiuwanderung ansschliesst, so ist damit das Gebiet der 
offiziellen Kolonisationsthätigkeit skizzirt. Eine deutsche Bauem- 
einwanderung von vielleicht jährlich 2000 Seelen mag noch immer 
relativ günstig in Rio Grande, Santa Catharina. Paranä und Espirito 
Santo plazirt werden können. Deutsche Handwerker und Leute mit 
Vermögen haben unter der Ungunst der Verhältnisse natürlich nicht 
zu leiden, sobald es ihnen gelingt, ein günstiges Bethätigungsfeld 
ausfindig zu machen; sie aber kommen hier weniger in Betracht, 
da der Landrnann das Element hoher wirtschaftlicher Bedeutung ist, 
welches den Grundstock, das Hauptkontingent für jede Landes- 
besiedelung zu stellen hat. Die private Kolonisationsthätigkeit end- 
lich nimmt, wo sie nicht, wie in Dona Franeisca, durch staatliche 
Subvention erleichtert wird, naturgemäss den Charakter der Land- 
spekulation an, die deswegen indessen keineswegs verdächtig zu sein 
braucht: im Gegentheil sind viele Privatkolonieen viel schneller und 


Digitized by Google 



90 


Ueutsch-brrnsilianiscbe Betrachtnagen. 


besser vorangekommen als die Staatskolonieen. Die blühendste 
nnd grösste aller Privatkolonieen ist Säo Lonrengo in Rio Grande 
do Sul. 

Geht aus dem Gesagten die ziemlich geringe Bedeutung hervor, 
welche heute Brasilien als Ziel deutscher Auswanderung hat, so 
wird deshalb doch die wirthschaftliche Bedeutung nicht unterschätzt 
werden dürfen, welche Brasilien trotzdem für Deutschland erlangt 
hat. Die offizielle Statistik liefert über den Handelsverkehr des 
Hafens Rio mit dem Auslande folgende Daten (wir erwähnen nur 
die bedeutendsten Länder), welche das Jahr 1886/87 betreffen: 
Herkunft oder Ziel der 


Waarenwerthe. (Werthe in Gontos.) 

Export % Import % 

Vereinigte Staaten .... 62 912 = ca. 57 % 8 845 = ca. 8 , 6 ° o 

Deutschland 13 914= , 12,6 , 13 002= „ 12,6 „ 

Grossbritannien 9 123= „ 8,3 , 43 758= , 42, s „ 

Frankreich 8 294= „ 7,s , 12 840= , 12,« „ 

Oesterreich 4 837 = , 4« , 193 = „ 0,ie , 

Belgien 2 627 = , 2,« „ 5 859 = , 5,j „ 

Argentinien 2 571 = . 2.j , 3 109= „ 3,o „ 

Portugal 1 553 = , 1 ^ , 6 904 = . 6,7 „ 

Italien 1 522= - I 4 „ 987= . 0,m, 

Uruguay 782 = - 0,7 , 4 621 = , 4.» „ 

Indo-China — = - 0a> „ 1 013 = , l«o - 

Canal (!?) 1 299=, — . - - 

etc. etc. etc. 


Alle zusammen 110524 Contos 102 842 Contos. 

ln Bezug auf den Waarenaustausch übertreffen die Export- 
werthe die Importwerthe um 7 682 Contos. Nimmt man für das 
ganze Reich ein gleiches Verbältniss als ungefähr richtig an, so würde 
man etwa 15 000 Contos erhalten. Das mag auf den ersten Blick 
ziemlich günstig erscheinen, verwandelt sich aber sofort in ein De- 
fizit, sobald man den Austausch von Geldwerthen mit in den Kreis 
der Betrachtung hineinziebt. Im allgemeinen kann man sagen, dass 
das Kapital eher die Neigung hat, sich aus Brasilien vor Kurs- 
schwankungen und möglicher Entwerthung zurückzuziehen, als ein- 
zuströmen, um rentable Anlage zu suchen. Aber die Flucht der 
Privatkapitalien allein kann das Plus der Handelsbilanz nur wenig 
schwächen, aus dem einfachen Grunde, weil sie nur relativ sehr 
schwach vorhanden oder aber sehr schwer flüssig zu machen sind. 
Das Defizit im internationalen Werthenverkehr resultirt aus anderen 
Erscheinungen, welche sich ziemlich direkt auf die innerpolitischen 


Digitized by Google 



Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


91 


Misshandlungen als Erzengangsursachen zurückführen lassen, unter 
denen das wirtschaftliche Leben der Nation leidet. 

Sieht man sich die Budgetdelizits an, welche in den letzten 
Jahren ungefähr je 30 000 Contos betrugen, so wird der Uneinge- 
weihte theoretisch leicht zu dem Glauben veranlasst werden können, 
die Ausgleichung des Defizits sei eigentlich nur eine Kapitalanlage, 
die sich früher oder später rentiren werde; denn es wird durch 
Bahnbauten und Zinsgarantieen für wirtschaftlich scheinbar wichtige 
Unternehmungen veranlasst, wenigstens znm grössten Theile. Wenn 
man also dementsprechend ausländische Kapitalien lieh, so hatte 
dies zur Voraussetzung, dass die Förderung der wirtschaftlichen 
Verhältnisse erhöhte Produktion und erhöhten Volkswohlstand schaf- 
fen , wodurch mindestens ein Ausgleich erzielt werden müsste. 
Welches kann aber dieser Ausgleich in einem Lande sein, das seine 
Eisenbahnen und Zuckerfabriken mit fremdem Kapitale baut? Jeden- 
falls wird er doch darin bestehen müssen, dass man lieferungsfahiger 
in Bezug auf Landesprodukte wird, und diese erhöhte Liefernngs- 
fähigkeit wird einen Gewinn begründen müssen, der im Verhiiltniss 
zu den Zinsen steht, die man zu zahlen hat. Die Schulden müsseu 
durch den Ertrag vermehrten Waarenabsatzes bezahlt werden, denn 
im andern Falle würde man grössere Ausgaben als Einnahmen von 
dem Geschäfte haben. Leider trifft dieser ungesunde Zustand auf 
Brasilien zu, denn das Reich verausgabt (nach dem Voranschläge für 
1888) jährlich: 

an Zinsen für auswärtige Anleihe 16 322 Contos 

„ Zinsgarantie für Eisenbahnen 8 205 „ 

„ „ „ Zuckerfabriken .... 300 „ 

zusammen 24 827 Contos. 

Das Plus des Waareu Verkehrs betrug . . . 15 000 Contos 

Unterbilanz im internationalen Werthenverkehr 9 827 Contos. 

Die Kapitalanlage ist also unrentabel gewesen. Man arbeitet 
seit Jahrzehnten mit Schaden. Diese Thatsaehe findet im inter- 
nationalen Wechselverkehr darin ihren Ausdruck, dass der Kurs des 
brasilianischen Papiergeldes stetig fällt, so lange die Regierung ihren 
Zinsverbindlichkeiten durch Wechselrimessen von den nationalen 
Geldmärkten aus uachzukommen versucht oder gezwungen ist. So- 
bald sie jedoch sich in London Kredit verschafft, was natürlich früher 
oder später unter der Form einer neuen auswärtigen Anleihe be- 
glichen werden muss, und nun nicht mehr als Wechselkäufer auf den 


Digitized by Google 



92 


I leutseh -brasilianische Betrachtungen. 


nationalen Geldmärkten anftritt, wendet sich der Werthenverkehr 
momentan wieder zu Gunsten Brasiliens. Die Erscheinung findet 
alsdann in steigendem Wechselkurse ihren Ausdruck. Die Bedeutung 
dieses Verhältnisses kann aber nur sein, dass man darauf ange- 
wiesen ist, die Zinsen für die gemachten Schulden durch neue Schul- 
den zu bezahlen, soll nicht mit der Zeit eine vollständige Ent- 
wertbung der brasilianischen Valuta eiutreten. Augenblicklich ist 
der Kurs in flottem Steigen begriffen, weil man Kredit in Europa 
gefunden hat. 

Der Rückschluss auf die vielgewünschte Anlage deutschen Ka- 
pitals in Brasilien ergiebt sich theoretisch von selbst. Man würde 
dasselbe den unberechenbaren Werthschwankungeu des Brasilgeldes 
aussetzen, sobald man nicht die altbewährte Praxis der gewitzigten 
Engländer nachahmt. d. h. zunächst eine Garantie gegen die Kapital- 
entwerthung sucht und erst nach ihrer Auffindung das Unternehmen 
wagt. Von einer bedingungslosen Einströmung europäischen Kapitals 
nach Brasilien kann begreiflicherweise keine Rede sein: und die her- 
gelangenden Kapitalwerthe nehmen die Form der Warenlieferung 
an, bei der die Preise in Uebereinstimmung mit dem Kurse schwan- 
ken: oder es sind blosse, in Brasilien zu bestimmten Spekulationen 
eröfl'nete Geldkredite; oder aber Anleihen an das Land zu festem 
Goldkurse, resp. unter der Form der Zinsgarantie zur Anlage kom- 
mende Kapitalien u. s. w. Auswärtiges Kapital kann auf den bra- 
silianischen Kurs spekuliren oder in Diensten des internationalen 
Wechselverkehrs mit Erfolg arbeiten, nicht aber ohne staatliche 
Garantie eine bleibend sichere Anlage im Lande selbst finden. 

Ein theoretisch berechtigter Einwand hiergegen ergiebt sich von 
selbst, nämlich in Bezug auf den Erwerb von Immobilien. Ein 
gutes Stadtgrundstück, eine günstig gelegene Kaffeepflanzung, billig 
erstandenes Kolonieland u. dergl. mehr sichern allerdings mehr oder 
weniger das darauf verwandte Kapital und zeigen wohl gar mit der 
Zeit eine Zunahme des Kaufwerthes; es wird hierbei aber einen 
grossen Unterschied begründen, ob der Besitzer mit seinem Kapital 
einwandert, oder ob er in Europa bleiben und dort die Rente ver- 
zehren will. Im letzten Falle ist diese Rente der W 7 erthschwankung 
unterworfen, und nur im ersten Falle hat er Gelegenheit, von der 
Erscheinung zu profitiren, dass der brasilianische Geldkurs haupt- 
sächlich internationale Bedeutung hat und für den internen Verkehr 
kaum merklich in Betracht kommt. Die Lebensmittel nationaler 
Herkunft, die Hausmiethen u. dergl. waren zum Kurse von 17 d. 


Digitized by Google 



deutsch -brasilianische Betrachtungen. 


93 


ebenso billig oder theuer wie heute zum Kurse von 25 d,, und nur 
die in den internationalen Verkehr eintretenden Waaren stehen in 
Bezug auf ihre Preise in begreiflicher Beziehung zum Kurse. Der 
Schluss ergiebt sich von selbst. — Der Einwanderer, der Kolonist, 
der in Brasilien eine dauernde Heimath sucht, kann mit der nöthigen 
Umsicht den internen Werth seines Capitals sicher stellen; der im 
Auslande verbleibende Kapitalist aber sieht seine Rente vom Wechsel- 
kurse abhängig und kann für die besten und leichtverkäuflichsten 
Immobilien nur auf einen internen Handelswerth rechnen, der sofort 
eine Veränderung erleiden kann, falls das Kapital wieder in Be- 
ziehung zum internationalen Kurse tritt (z. B. bei beabsichtigter 
oder benöthigter Liquidirung und Zurückziehung des Kapitals). 

Einem solchen Risiko setzt sich im allgemeinen das Kapital 
nicht aus, und für eine Einwanderung von Kapitalisten bietet Bra- 
silien des Anziehenden zu wenig. Der Geschäftsmann und der Ver- 
gnügungsreisende schlagen hier vorübergehend ihr Quartier auf; und 
es bleibt nur derjenige, dessen Interessen ihn dauernd binden. Von 
Kapitalein Wanderung ist, nicht die Rede; wohl aber ergiebt sich von 
selbst, dass im Lande gelungener Kapitalerwerb bei dem Ausländer 
den Wunsch zeitigt, sich damit nach der Heimath zurückzuziehen, 
deren gesellschaftliche und kulturelle Genüsse er vielleicht lange 
entbehrt hat. Alle diese Umstände aber sind wohl geeignet, das 
Defizit Brasiliens im internationalen Geldverkehre noch zu er- 
höhen. 

Der Grund, weshalb das in den Bahnen und Zuckerfabriken 
steckende Anlagekapital nicht rentlrt, sei nur kurz erwähnt. Die 
Bahnbanteu entsprachen entweder nicht den Bedürfnissen der Allge- 
meinheit, sondern nur den Interessen innerpolitischer Grössen von 
Einfluss: oder sie waren das Mittel zum Zweck der Bereicherung 
der Konzessionäre. Die Zinsgarantien ermöglichten meistens einen 
möglichst grossen Kapitalverbrauch für möglichst schlechte Anlagen. 
Es wurden Bahnen in Wüsten hineingebaut und Zuckerfabriken ge- 
gründet, die nach veraltetem System unrentabel arbeiteten; ja es 
wurden sogar Fabrikeinrichtungen für ausschweifende Preise erworben, 
die man bereits in Aegypten als unbrauchbar zurückgewiesen hatte. 
Verwaltung und Fiskalisation wurden innerpolitischen Günstlingen 
an vertraut, Laien, die nichts oder wenig verstanden; und überall, 
wo es anging, schuf inan ein übermässig zahlreiches Beamtenheer, 
das für gute Bezahlung möglichst viel faullenzte. Die Staatsbahnen . 
waren besonders gut geeignet, zahlreichen Schützlingen Anstellung und 


/ 

Digitized by Google 



94 Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 

Brod zu schäften. Die Interessen des Publicums wurden vernach- 
lässigt. Die Frachtpreise glichen Prohibitivmaassregeln gegen die 
Produktion oder doch gegen den Transport und die Verwerthung der 
Produkte, so dass viele billiger vom Auslande als per Bahn ans dem 
Innern bezogen wurden. Kurz, die Unfähigkeit einer Verwaltung, 
bei der nicht Fachwissen, noch Fachtüchtigkeit, noch Pflichtenerfüllung, 
sondern iunerpolitische Konnexion die Anstellung und die Beförderung 
der Beamten zu höheren Posten begründete, zeigte sieh in hellstem 
Lichte — so hellem, dass sie überall statistisch nachweisbar ist. 
Selbst die Ausbeutung einer Goldgrube läuft zum Schaden des Unter- 
nehmers aus, wenn die Angestellten faullenzen oder den Ertrag selbst 
aufbrauchen: um wie viel mehr wird es mit theilweise unpraktischen 
und schlechtgeplanten Anlagen der Fall sein, die nicht im Interesse 
des Staats, sondern nach Maassgabe des Interesses einer winzigen 
ihn beherrschenden politischen Kaste gebaut wurden und unterhalten 
und verwaltet werden. 

Von den Privilegien, die jede heilsame Konkurrenz ausschliessen, 
und anderen Uebelständen mag geschwiegen werden. Es dürfte der 
Beweis erbracht sein, dass es in der Praxis gesammelte Erfahrung 
war, was die Engländer bestimmt hat, Brasilien gegenüber den Grund- 
satz zur Geltung zu bringen: „kein Geld ohne Garantie; mit dieser 
mögt ihr wirthschaften, wie ihr wollt.“ Dieser dem Staat und seinen 
Behörden gegenüber zur Anwendung gelangende Grundsatz verhin- 
derte die Engländer natürlich nicht von sicherer Position aus alle 
Vortheile wahrzunehmen, welche der internationale Verkehr zur Aus- 
beutung darbot. Aus der oben angeführten Tabelle über Ausfuhr 
und Einfuhr des Hafens Rio tritt uns der Beweis dafür überzeugend 
entgegen. 

42 I /a 0 o des gesammten Imports stammen aus England, das sich 
aber am Bezug brasilianischer Produkte nur mit der winzigen Zahl 
von 8,s °/ 0 betheiligt. Nun wird allerdings zu bemerken sein, dass 
die gauze offizielle Handelsstatistik fehlerhaft ist. Die Herkunft der 
Waaren wird in Brasilien nicht je nach den Productionsländern ge- 
bucht, sondern nach den letzten Verschiffungshäfen. Sehr schlecht 
kommt Deutschland weg, sowohl was den Import, als was den Export 
betrifft, denn seine nach Brasilien gehenden Producte werden auch 
in englischen, belgischen und französischen Häfen vielfach verschifft, 
je nachdem es Konvenienz und Billigkeit der Frachtgelegenheit mit 
sich bringt, und ebenso geht der brasilianische Export oft über die 
Häfen anderer Länder nach Deutschland, dessen Bedeutung für Bra- 


Digitized by Google 



I>eutsfh-l>rasilianische Betrachtuugeu. 


95 


silien also grösser ist, als die oben gegebenen Zahlen andenten; 
am schlechtesten indessen fährt die Schweiz, welche für die brasi- 
lianischen Statistiker überhaupt nicht vorhanden ist, obwohl Waareu 
Schweizer Herkunft häufig genug auf dem Rio-Markte angetroffen 
werden. Umgekehrt ist der Handel mit Grossbritannien, ganz be- 
sonders aber der mit Frankreich und Belgien nicht so gross, wie 
diese fehlerhafte Statistik ihn ansetzt. Wir haben es also in jedem 
Falle nur mit Annäherungswerthen zu thun, doch auch diese sind 
lehrreich. Betrachten wir uns, welche Länder wir wollen, so finden 
wir bei allen, mit einer einzigen Ausnahme, dass Export und Import 
ganz ungewöhnliche Unterschiede anfweisen. Die Vereinigten Staaten 
beziehen 57 % des Exports, liefern aber nur 8, 6 % des Imports. 
Grossbritannien wurde bereits erwähnt. Frankreich bezieht nur 7 1 / 2 °/o 
des Exports, liefert aber 1 2,4 °/ 0 des Imports. Bei Oesterreich ist 
das Verhältniss wie 4.4:0,1g; bei Belgien wie 2,4: 5,7; bei Argen- 
tinien wie 2,g : 3; bei Portugal wie 1,4:6,75 bei Italien wie 1,4:0,9g: 
bei Uruguay wie 0,7 = 4^: und bei Indo-China wie 0:1. Was man 
sich von dem letztgenannten Thee- und Reislieferanten unter dem ge- 
wählten Namen für eine geographische Vorstellung macht, dürfte über 
Zweifel vielleicht nicht durchaus erhaben sein; und dass man den 
„Canal“ als Ziel von Exportwaaren aufführt, ist eine einem lang- 
jährigen Usus entsprechende charakteristische Eigentümlichkeit der 
brasilianischen Statistik, die damit alle diejenigen in Verzweiflung 
zu setzen pflegt, welche ein bestimmtes Land, nicht eine halb unbe- 
stimmte Richtung in Erfahrung zu bringen suchen. 

Wenn von Waarenaustansch zwischen zwei Ländern die Rede 
ist, so wird das internationale Ideal desselben jedenfalls darin be- 
stehen, dass jedes vom andern ebensoviel empfängt, wie es ihm liefert. 
Keins der soeben genannten Länder entspricht diesem Ideale, nur 
das nicht erwähnte Deutschland kann darauf Anspruch machen; 
allerdings weniger vom deutschen Standpunkte aus, denn es bezieht 
um 900 Contos (1 800 000 M.) mehr als es liefert; voll und ganz 
aber vom brasilianischen Standpunkte aus, denn es betheiligt sich in 
gleicher Proportion sowohl am Exporte wie am Importe. In Bezug 
auf beide nimmt es mit 12,4% des Gesammthandels Theil. Es kann 
dies als Beweis dafür aufgefasst werden, dass die Verkehrsbedürf- 
nisse beider Länder mit einander sich nahezu haarscharf decken. 

Was die quantitative Bedeutung betrifft, so ist Deutschland 
sowohl in Bezug auf den Export wie auf den Import das zweitwich- 
tigste Land, d. h. es hat in jeder Branche den zweithöchsten Werth. 


Digitized by Google 



96 


Deutsch -brasilianische Betrachtungen. 


Die Rio-Zone liefert ihm besondere Kaffee, welches Produkt im Jahre 
1886/87 folgende Werthe repräsentirte: 

Enthülster Kaffee .... 12 969 Contos 

Kaffee in easquinha . . . 482 „ 

» » cöeo 445 „ 

Zusammen 13 896 Contos 

Da die Gesammtlieferung 13 914 Contos wertbet. so bleibt für 
die anderen Produkte nicht viel übrig. Die Schuld liegt hauptsäch- 
lich an den brasilianischen Verkehrsverhältnissen, durch welche die 
meisten der zahlreichen Landesprodukte von den Weltmärkten ab- 
geschlossen werden, da der Produzent die Transportkosten nicht er- 
schwingen kann. Immerhin mag als sich entwickelnde Produktion 
das vegetabilische Wachs erwähnt werden, das im Werthe von 11 
Contos über Rio nach Deutschland zur Verschiffung kam. Hehr ge- 
ring war die Ausfuhr von Minas-Tabak, nämlich nur im Werthe von 
1 : 113 $. Aguardente werthete 1 : 372 •$. Die genannten und an- 
dere Producte dürften unter gewissen Voraussetzungen einer bedeu- 
tenden Entwickelung fähig sein. 

Wer den Produktenreichthum Brasiliens kennt, wird sowohl über 
die geringe Mannigfaltigkeit der zum Export gelangenden Produkte, 
als auch über die ungemein schwachen Exportquautitäten staunen 
müssen. Es sind Produkte die Hülle und Fülle da, welche ihrer 
Natur nach in den internationalen Verkehr eintreten könnten; aber 
die politischen und administrativen Missstände sind so gross, dass sie 
der Ausbeutung und Verwerthung der Naturreichthümer hindernd im 
Wege stehen und in den Hafenstädten überall fremde Waaren das 
Feld behaupten, welche aus dem Innern ebenso gut geliefert werden 
könnten, wenn nicht das Transportwesen zu kostspielig arbeitete, 
sowie interprovinziale und munizipale Zölle und Abgaben nebst ad- 
ministrativen Chikanen aller Art die Produkte derartig belasteten, 
dass ihre rentable Verwerthung nahezu unmöglich wird Nur solche 
Produkte, welche auf den Weltmärkten eine ganz ausnahmsweise 
günstige Position haben, wie z. B. der Kaffee und im Norden der 
Kautschuk, vermögen mit Erfolg am Welthandel Theil zu nehmen. 
So kann die Rio-Zone z. B. an Deutschland beute eigentlich nur 
Kaffee liefern, der ganze übrige Export dorthin nähert sich der Zahl 
Null. In wiefern ausser den schon angegebenen Missständen auch 
noch die Agrargesetzgebung an diesem Missverhältnisse Schuld ist, 
mag späterer Beleuchtung überlassen bleiben. Jedenfalls tritt ein 


Digitized by Google 



Deutsch -brasilianische Betrachtungen. 


97 


mächtiger Gegensatz za Tage, wenn wir mit der Einseitigkeit des 
Exportes die Mannigfaltigkeit des deutschen Importes vergleichen, 
der ein Beispiel dafür bietet, wie lieferungsfiihig ein Land werden 
kann, in dem das Ziel der Verwaltung auf Förderung der wirt- 
schaftlichen Blüthe gerichtet ist und jede Politik nebst ihr ent- 
sprechender Parteienbildung nur unter der Voraussetzung Anerkennung 
geuiesst und möglich ist, dass damit dem Allgemeinwohl gedient 
werde. 

Die hauptsächlichsten Importwaaren, welche Deutschland iui 
Jahre 1886/87 auf den Rio-Markt geliefert hat. sind folgende: 


Felle und Häute 160 Contos 

Fleisch, Fische und Konserven in Oel 713 „ 

Früchte, Gemüse, Mehl und Zerealien 466 „ 

Sträucber, Bäume und lebende Pflanzen 344 „ 

Vegetabilische Säfte 457 „ 

Wohlriechende und Farbstoffe 183 „ 

Chemische und pharmazeutische Produkte .... 419 „ 

Holz 342 „ 

Baumwolle 3171 „ 

Wolle 2406 „ 

Linnen 511 „ 

Seide 205 „ 

Papier 698 „ 

Steine und erdige Substanzen 183 „ 

Steingut und Glas 289 „ 

Gold, Silber, Platin, Kupfer und Kupferlegiruugen, 

Blei, Zinn, Zink etc 241 „ 

Eisen und Stuhl 322 „ 

Waffen 131 „ 

Musikinstrumente 165 „ 

u. s. w. u. s. w. 


Wenn wir den Import von Fellen, Früchten, Pflanzen, vegeta- 
bilischen Säften, wohlriechenden Essenzen, Holz u. dergl. mehr ins 
Auge fassen, so schwebt einem jeden sicherlich die Frage auf den 
Lippen: und wie viel liefert die Rio-Zone von allen diesen bei ihr 
so ganz anders gearteten Sachen nach Deutschland? — Nichts, oder 
so gut wie nichts. Nicht als ob nicht das Bedürfniss eines Aus- 
tausches vorhanden wäre; nein, die Sache rentirt nur nicht in Bra- 
silien, nnd audere tropische Länder haben es übernommen, diesen 
Konsumszweig Deutschlands zu befriedigen. 

Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 7 


Digitized by Google 



98 


Deutsch -brasilianische Betrachtungen. 


Fassen wir den Verkehr Oesterreichs mit Brasilien ins Auge, 
so wird das Bild ein ähnliches sein, ausser dass der direkte Import 
österreichischer Waaren nach dem Rio-Markte erst in der Entwicke- 
lung begriffen ist, während der direkte Export sich bereits ent- 
wickelt hat. Von den 4837 Contos des nach Oesterreich gehenden 
Rio-Exportes entfallen 4822 Contos auf den Artikel Kaffee und 15 
Contos auf behaarte Felle. Ein Kommentar ist überflüssig. Dagegen 
zeigt der Import Mannigfaltigkeit. 

Der Rio-Markt. bezog im Jahre 1886/87 aus Oesterreich unter 
anderem: 

Früchte, Gemüse, Mehl und Zerealien . 162 Contos 

Vegetabilische Säfte 3 „ 

Holz 1 */s » 

Papier 8 „ 

Steingut und Glas . 1 „ 

Eisen und Stahl 1 1 '/a „ 

Musikinstrumente 5 „ 

u. s. w. u. s. w. 

An der Schweiz hat die brasilianische Zollbehörde leider einen 
statistischen Mord begangen, indem sie dieselbe aus der Liste der 
Verkehrsländer strich. Das Verhältniss des Produktenaustausches ist 
in Bezug auf sie jedoch ganz dasselbe wie in Bezug auf Deutsch- 
land und Oesterreich. Die Reihe der Länder mit deutschredender 
Bevölkerung ist somit erschöpft, und die übrigen können hier nur 
insoweit interessireu, als dem Ziele unseres Themas entspricht. 

Oft ist im allgemeiiigültigen Sinne der Satz aufgestellt worden, 
dass der Verkehr eines neuen Landes in gleichem Verhältnisse sich 
nach anderen Ländern richte, wie es von diesem Einwanderer und 
Bewohner empfangen hat. Nun ist richtig, dass der europäische 
Kaufmann, der in Brasilien ein Geschäft gründet, möglichst bei den 
ihm von früher her bekannten Bezugsquellen europäischer Waaren 
bleiben wird; auch die Masse des eingewanderteu Volkes wird am 
liebsten bei den alten Konsums-Gewohnheiten bleiben; und endlich 
wird umgekehrt der brasilianische Exporteur mit Hilfe der ihm ge- 
läufigen Verbindungen seine Artikel auf die auswärtigen Märkte zu 
bringen suchen. Das alles wirkt aber nur unter der Voraussetzung 
im tSinne einer Bestätigung des angedeuteten Satzes, dass eingewan- 
derte Kaufleute und Volk aus einem Laude stammen, welches so- 
wohl konsurn- wie lieferungsfähig ist. 


Digitized by Google 



1 »putsch- brasiliauische Betrachtungen. 


99 


Brasilien ist hauptsächlich von Portugiesen bevölkert worden, 
aber der Export nach Portugal beträgt nur 1 , / 2 Tausend Contos, d. 
h. das Mutterland ist nicht konsumfahig. Es verbraucht für sich 
und sein Hinterland Spanien diese wahrhafte Bagatelle von l*/ s Tau- 
send Contos an Kaffee (Spanien bezieht direkt nur die geringfügige 
Quantität Kaffee, welche dem Werthe von 247 Contos entspricht). 

Dagegen stellen sich die von Portugal nach Rio kommenden Import- 
werthe günstiger, nämlich auf annähernd 7,000 Contos. Sehen wir 
uns die hauptsächlichsten Importwaaren an. 

Es sind: 

Häute und Felle 103 Contos 

Fleisch, Fische und Konserven in Oel 316 „ 

Früchte, Gemüse, Mehl, Zerealien . 525 „ 

Vegetabilische Säfte 4,947 „ 

Sträucher, Bäume und lebende Pflanzen 418 r 

Chemische und pharmazeutische 

Produkte 233 „ 

Stroh, Gras, Fasern 111 „ 

u. s. w. geringere Summen. 

Was liefert also Portugal hauptsächlich? Portwein — denn dar- 
auf werden die „vegetabilischen Säfte“ wohl im allgemeinen hinaus- 
laufen. Von den eigentlichen Industrieprodukten, Manufakturen 
u. s. w., ist nichts Nennenswerthes zu entdecken; und selbst die 
portugiesischen Pflastersteine (als brasilianisches Nationalprodukt aus 
bereits bekannten Gründen sehr kostspielig) scheinen der Konkurrenz 
ihrer aus Hamburg kommenden Kollegen nicht gewachsen zu sein. 

Welche wirtbschaftlichen Fortschritte kann Brasilien von einem 
Mntterlande zu machen lernen, das in der Reihe der importirenden 
Nationen nicht nur nicht die erste und bedeutendste Stelle zu be- 
haupten und zu bewahren gewusst hat, sondern zum 5. (schreibe: 

„fünften“) Range herabgesunken ist. Die Vereinigten Staaten, 

Deutschland, Grossbritannien und Frankreich stehen sämmtlich höher. 

Unter den 13 Millionen Portugiesischredenden Brasiliens befin- 
den sich einige Hunderttausend Italiener, unter der wenig zahlreichen 
Fremdenbevölkerung der am stärksten vertretene Stamm, aber der 
Export Rios nach Italien ist bescheiden (l'/ 3 Tausend Contos) und 
der Import von dorther noch bescheidener (987 Contos). Italien 
konsumirte 1886/87 für 1 */ 2 Tausend Contos Kaffee, der Rest der 
Ausfuhr dorthin ist nicht der Rede werth gewesen. Unter den aus 
Italien bezogenen Waaren sind erwähnenswerth : 

H 552P° 

Digitized by Google 



100 


Deutsch- brasilianische Betrachtungen. 


Fleisch, Fische und Konserven in Oel 162 Contos 
Früchte, Gemüse, mehlige Stolle und 

Zerealien 245 „ 

Vegetabilische Säfte 110 „ 

n. s. w. kleinere Summen 

Die zweitstärkste Nationalität unter der Fremdenbevölkernng 
sind die Deutschen und wenn durch sie der Konsum deutscher Pro- 
dukte in gleich günstiger Weise befördert worden ist (was sich sta- 
tistisch sicher nachweisen lässt), wie der Export nach Deutschland, 
so liegt dies ebeu au der Leistung»- und Konsumfäbigkeit der über- 
seeischen Heimath, welche mit Hilfe ihrer ausgewanderten Kanfleute, 
Handwerker und Kolonisten immer zahlreichere Verbindungen in Bra- 
silien anzuknüpfeu, die Güte der deutschen Waare zur Geltung zu 
bringen und den Riesenkampf gegen die Fraukomanie siegreich auf 
kommerziellem Felde auszufechten vermocht hat, so dass in Bezug 
auf den Brasil-Export Frankreich heute zum vierten, und in Bezug 
auf den Import zum dritten Range herabgesunken ist. Ohne die 
kulturelle üeberlegenheit des deutschen Einwanderers anderen Rassen 
gegenüber wäre dieser Erfolg unmöglich gewesen: und diese kulturelle 
üeberlegenheit hindert ihn auch, die ihm von den Pflanzern angebotene 
Rolle eines Lohnarbeiters auzunehmen; da er ja weiss, dass er in 
andern Ländern der neuen Welt ein freier Mann auf eigenem Be- 
sitze werden kann. Die Freipassagen der brasilianischen Regierung 
locken ihn also nicht, denn er ist sich eben bewusst eine bedeuten- 
dere Rolle spielen zu können, als man ihm in den Kaffeedistrikten 
Brasiliens znmuthet. 

Endlich wäre noch der Verkehr des südamerikanischen Kaiser- 
reiches mit seinem Nachbar Uruguay zu erwähnen. Bei diesem 
Punkte finden wir einen natürlichen Uebergang zum zweiten Theile 
unseres Themas, der mehr den Provinzen und dem in ihnen leben- 
den Deutschthume gewidmet sein soll; denn bei den Beziehungen zu 
Uruguay tritt der mächtige Einfluss dieser Republik auf Handel und 
Wandel in der Provinz Rio Grande do Sul, der schönen Heimath 
vieler Deutschredenden, in hervorragender Weise zu Tage. 

Der Rio-Export nach Uruguay ist ein unbedeutender, nur den 
Werth von 782 Contos umfassender, wovon 480 Contos auf den Ar- 
tikel Kaffee und 190 Contos auf den Tabak entfallen. Ausserdem 
wäre höchstens noch die Ausfuhr von Gold- und Silbermünzen im 
Werthe von 45 Contos zu erwähnen. Wenn man die günstige ma- 
ritime oder geographische Lage von Rio ins Auge fasst, sollte man 


Digitized by Google 



Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


101 


meinen, von diesem Punkte aus müsste die kommerzielle Beherr- 
schung der ganzen südlicher gelegenen Ostküste Südamerikas eine 
Kleinigkeit sein; leider ist das nicht nur nicht der Fall, sondern es 
tritt sogar die umgekehrte Erscheinung zu Tage, dass Montevideo 
einen Theil des Kaiserreichs, sei es nun offen auf ehrlichem Wege 
oder mit Hilfe eines wohlorganisirten Schleichhandels, beherrscht. 
Die brasilianischen Staatsmänner gehen so vollständig in innerer 
Politik unter, dass ihnen für Fragen wirtschaftlichen Interesses Sinn 
und Verständniss fehlen. Man schlage eiueni Rio-Hause vor, einen Tran- 
sithandel mit europäischen Waaren nach dem La Plata zu organisiren, 
und es wird die Sache sofort nicht nur für unrentabel, sondern für 
unmöglich erklären. Das brasilianische Verwaltungswesen mit Hafen- 
und Zollbehörden ist nicht darauf eingerichtet, dass jemand aus der 
erwähnten Gunst der geographischen Lage Rios Vortheil ziehen 
könnte, gegenüber den viel praktischer regierten Orientalen (Be- 
wohnern von Uruguay) und Argentinien. Dieser Theil des Themas 
ist also abgeschlossen. 

Der Rio-Impnrt aus Uruguay ist sechsmal grösser als der 
Fixport, denn jener beträgt 4,621 Contos. Die hauptsächlichsten 
Importwaaren sind: 

Fleisch, Fische, Konserven in Oel . 2,272 Contos 

F'rüchte, Gemüse, Mehlfrüchte, Zere- 

alien 393 „ 

Gold, Silber, Platin, Kupfer und 

Kupferlegirungen 1,865 „ 

Sträueher, Bäume u. lebende Pflanzen 17 „ 

Lebende und ausgestopfte Thiere . 52 „ 

u. s. w. u. s.w. 

Der von dorther kommende Import nimmt also bereits einen 
beinahe europäischen Anstrich an, wenn auch das Hauptimport- 
produkt, die cantf svcca, jenes grässlichste aller in der Well 
existirenden Lebensmittel ist, das in höheren Culturstaaten weder pro- 
duzirt noch konsumirt wird. Die Orientalen sind in Bezug auf dasselbe 
entschieden Konkurrenten der Riograudenser, ihrer nördlichen bra- 
silianischen Nachbarn, welche mit ihrer unglücklichen Barre als 
einzigen vorhandenen Wasserweg zu ihrem Seehafen Rio Grande dn 
Sul so übel daran sind, dass Schifffahrt und Verkehr gefährlich, 
periodenweise unmöglich und als Gesammtergebniss übermässig kost- 
spielig sind. Da ist denn die Konkurrenz gegen sie eine leichte 


Digitized by Google 



102 


Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


Sache, woran selbst der kürzlich von Brasilien erhöhte Importzoll 
an! came secca nicht viel geändert hat. 

Sind die brasilianischen Importzölle also gegen ein konkurrirendes 
Produkt nicht wirksam, so sind sie um so vortheilhafter für Uruguay 
in Bezug auf eine Reihe anderer Produkte, welche die kleine Repu- 
blik selbst wenig belastet, so dass dieselben mit grossem Profit über 
die Grenze nach Rio Grande do Sul geschmuggelt werden können, 
was in grossem Maassstabe geschieht. Dagegen hat die Einführung 
eines Spezialtarifs für die südlichste Provinz wenig geändert, da die 
Zollermässigungen nicht genügend waren und in Folge der Gefähr- 
lichkeit der Barre die Waaren noch durch hohe Schiffsfrachten be- 
lastet werden. Der legitime Haudel von Rio Grande do Sul, der 
grosseutheils in deutschen Händen ist, leidet begreiflicherweise 
schwer unter solchen Zuständen ; aber es ist ihm bis jetzt nicht 
gelungen, den Ausbau der Barre und eine gute Grenzbewachung 
gegen den Schmuggel durchznsetzen. Was geht die iunerpolitischen 
Machthaber der Handel an, dessen Pflicht das Erlegen von Abgaben 
ist, und dessen Recht auf Schutz in der Form von Selbstschutz ge- 
wahrt werden mag, wenn sich dazu ein Weg findeu lässt. Giebt es 
eiuen solchen Weg nicht, oder ist er nur mit Hilfe der Verwaltungs- 
behörden betretbar, dann — lassen wir jede Hoffnung schwinden, wer 
diesem Schicksal anheimfiel. 

Im Herzen des Reichs ist alle politische und administrative 
Gewalt zentralisirt. Die Phrase vom Patriotismus ist in den gesetz- 
gebenden Körperschaften stereotyp; aus Patriotismus vernichtete man 
die Verwaltungsmoral und die Zuverlässigkeit des Rechtsweseus. aus 
Patriotismus baute mau Eisenbahnen und Zuckerfabriken in der ein- 
gangs beschriebenen Weise, aus Patriotismus verhinderte man die 
Entwickelung des ländlichen Mittelstandes und schuf ein Volk mit 
30 000 Grossgrundbesitzern, 20 000 Advocaten und 10 Millionen 
Proletariern; aus Patriotismus bestiehlt man sogar den Staat. 

Die schlechteste aller Regierungsformen ist die Oligarchie, und 
in Brasilien wechseln zwei innerpolitische Oligarchiegrnppen sich in 
der unumschränkten Beherrschung des Landes, aller seiner Beamten 
und seiner Einkünfte ab. Was bedarf es noch weiterer Erläuterungen, 
warum es hier so schwer ist, irgend ein Unternehmen in Gang zu 
bringen, dem die Gunst sich politischen Wind zu machen nicht zu- 
fiel; aber eine Besserung der Verhätnisse ist deswegen keineswegs 
ausgeschlossen. Der Brasilianer zeigt sich so, wie er ist, aus po- 
litischer Gewohnheit; Bosheit dagegen liegt nicht im Volkscharakter. 


Digitized by Google 



Deutsch-brasilianische Betrachtungen. 


103 


Das bewies der Gang der Abolition, die man seit Jahren mit 
anerkennenswerthem Idealismus gefördert hatte. Mit der Aufhebung 
der Sklaverei sind aber die Säulen, auf denen das ganze innerpolitische 
System ruht, ins Wanken gekommen, denn der Feudalismus verliert 
die Grundlage unter den Füssen, die ihm seine unzeitgemässe 
Existenz und Entwickelung ermöglichte. Die Abolition ist daher als 
der erfreuliche Anfang einer Reformbewegung zu hegrüssen , die 
zwar zunächst nur soziale Bedeutung hat, deren Gang aber natur- 
gemäss einen volkswirthschaftlichen Weg nehmen muss, sobald mau 
erkennt, dass mit einer Gesetzgebung und einem Verwaltungssysteme, 
das für Sklavenhalter berechnet war, sich ein Volk nicht mehr 
regieren lässt, in dem die Sklavenhalter nicht mehr „die Nation“ 
sein können, weil keine mehr existiren. 


Digitized by Google 



Der Antheil der deutschen Kriegsflotte 
an der kolonialen Bewegung des Jahres 1887/88 
innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 

* 

Die Deutsche Kriegsmarine hat an der kolonialen Entwickelung 
des Jahres 1887/88 insofern regen Antheil genommen, als sie das 
deutsche Ansiedlerthum jenseit des Meeres mit ihrer Flagge da deckte, 
wo ihm Gefahr drohte, dass sie dadurch das Gefühl der nationalen Zu- 
sammengehörigkeit in demselben kräftigte, ihm einen festeren Rückhalt 
im Ausland gab, und dazu beitrug, das Ansehen des Reiches in 
•erneu Ländern und fremden Meeren zu heben und zu befestigen. 

In erster Linie war das aus der Kreuzerfregatte Bismarck und 
den Kreuzerkorvetten Carola, Olga und Sophie gebildete Kreuzer- 
geschwader dazu berufen, den Erwerbsinteressen der deutschen 
Schutz- und Kolonialgebiete seinen Schutz zu leihen. 

Schon in den Sommermonaten des Jahres 1887 war die genannte 
Flottenabtheilung von Sansibar kommend, in den Gewässern von 
Samoa eingetroffen, und hatte sich sogleich nach Apia begeben, wo 
in Folge der Gewaltthätigkeiten des Königs Malietoa ein Zustand der 
Rechts- und Gesetzlosigkeit eingetreten war, der die dort ansässigen 
Deutschen in Gefahr für Leben und Besitz brachte. Zum Schutze 
der Fremden und des fremden Eigenthumes, wurde von den Schiffen, 
nachdem sich König Malietoa geweigert, die geforderte Gcnngthuung 
zu gewähren, ein starkes Detachement Matrosen gelandet, und die 
Umgebung des Regierungsgebäudes in der Hauptstadt Mulinu besetzt. 
Dank dieser Anordnungen und der Stationirung einer Sicherheits- 
wache auf dem Grundstück des deutschen Ilospitales, legte sich die 
Aufregung in der Bewohnerschaft. Die Korvette Carola erhielt als- 
dann die Anweisung, mit zehn an Bord genommenen samoanischen 
Häuptlingen die Küstenplätze der Insel Upolu und Tutuila zu be- 
suchen, und die Proklamation, durch welche König Tamasese aner- 


Digitized by Google 



Der Antheil der deutschen Kriegsflotte etc. 10 j 

kannt wurde, sowie eine erste Kundgebung desselben zu verbreiten. 
Mit dieser in kürzester Frist durchgeführten Maassregel war der 
Anarchie, die unter dem bisherigen Regime herrschte, ein Ziel 
gesetzt und der Bevölkerung die lang entbehrte Ruhe und Sicherheit 
zurückgegeben. 

Das längere Verweilen des Kreuzergeschwaders in den Gewässern 
von Samoa hat dazu beigetragen wenigstens für eine gewisse Zeit 
die Erwerbsinteressen der fremden Ansiedler dort, zu schützen, und 
der Bevölkerung die Ueberlegenheit der deutschen Flottenabtbeilung 
einzuprägen. Nach Einsetzung des Häuptlings Tamasese in die 
Regierungsgewalt, und nach Ordnung der staatlichen Verhältnisse, 
wurden die drei Schiffe Olga, Carola und Sophie dazu verwendet, 
diejenigen Ortschaften auf den Inseln zu paziüziren, bezüglich da 
die Ordnung herzustellen, wo sich die Bewohner gegen die neue 
Regierung von Samoa auflehnten, oder wo es sonst zu Ausschrei- 
tungen und Gewaltthätigkeiten gegen Besitz und Leben deutscher 
Reichsangehöriger gekommen war. Auf einer dieser Fahrten hatte 
namentlich die Korvette Sophie Anlass zum Einschreiten gegen einen 
empörerischen Stamm, der sich weigerte, die neue Ordnung der 
Diuge anzuerkennen, und dessen Angehörige sich an Deutschen ver- 
griffen hatten. Gegen Ende des Jahres 1887 begab sich das Kreuzer- 
geschwader, nachdem die ihm gestellte Aufgabe gelöst war, nach 
Ostasien und trat dann von Singapore aus die Reise nach Sansibar 
an, während Olga zunächst in der Südsee zurückblieb, im Juni d. J. 
aber auch die Heimkehr antrat, und, ebenfalls über Singapore, den 
Cours nach Sansibar nahm, wo sich die C’orvette dem inzwischen 
daselbst versammelten Geschwader anschloss. Anfang August d. J. 
befand sich dasselbe, und zwar zu jener Zeit bestehend aus den 
Korvetten Leipzig (Flaggschiff), Carola. Sophie, Olga in Gewässern 
von Sansibar. Im Laufe der Monate August und September traten 
verschiedene Veränderungen bei dem Kreuzergeschwader ein. Die 
Korvette Carola verliess Anfang September auf Ordre Sansibar und be- 
gab nach sich Kapstadt. Die Korvette Olga verliess das Geschwader am 
19. September d. J., um der ihr ertheilten Segelordre gemäss, zur 
Verstärkung der auf der australischen Station weilenden beiden Fahr- 
zeuge nach Samoa abzugehen. Das Schiff hat am 1. November 
Batavia verlassen. 

In den Gewässern von Sansibar befanden sich daher, als der 
Aufstand in Ostafrika ausbrach, nur die beiden Korvetten Leipzig 
und Sophie und der Kreuzer Möwe. Alle drei haben in die dort 


Digitized by Gopgle 



106 Der Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung 

stattgefundenen Kämpfe wacker eingegriffen und den deutschen An- 
siedlern an mehreren Stellen nach Kräften Hülfe und Beistand ge- 
leistet. Ihrem rechtzeitigen Erscheinen ist es namentlich zu danken, 
dass wenigstens einige der gewonnenen Küstenplätze von deu Deut- 
schen gehalten wurden und in der Gewalt des Sultans von Sansibar 
blieben. Das erste Schiff, welches zum Gefecht gegen die enipöri- 
schen Stürme kam, war die Möwe. Dieselbe hatte sich in den 
ersten Tagen des September nach Tanga begeben, um das von der 
Mandabucht hier erwartete Kreuzer-Geschwader aufzusuchen. Das 
höchst zweideutige Verhalten des Wali den Deutschen in Tanga gegen- 
über. sowie die drohende Haltung der Bewohner bestimmte den Vor- 
stand der deutschen Station, die Hülfe des Kreuzers in Anspruch zu 
nehmen, welcher in Folge dessen am Abend des 5. September vor 
dem Ort erschien und eine Jolle an Land setzte, nm Proviant für 
die Besatzung zu besorgen. Da das Boot bei der Annäherung an 
das Ufer mit scharfen Schüssen empfangen wnrde. kehrte es unver- 
richteter Sache wieder zu dem Schiffe zurück. Am nächsten Morgen 
sandte der Kommandant den Dampfkutter nach der Küste hiuiiber. 
um sich über die Sachlage zu unterrichten. Kaum war derselbe im 
Bereich der Schussweite, als von neuem von den Eingeborenen auf 
die Insassen geschossen wnrde, zugleich überbrachten einige deutsche 
Beamte, die einen Nachen bestiegen hatten, um sich an Bord der 
Möwe zu begeben, die Nachricht, dass die Bevölkerung eine drohende 
Haltung annehme. In Folge dessen wurden nunmehr Kutter und Jolle 
mit einigen vierzig Mann besetzt und unter Führung eines Offiziers 
am Laude ausgeschifft, während die Schiffsgeschütze ein Granatfeuer 
gegen die Aufständischen cröffneten. Die sich schnell in eine 
Schützenlinie auflösende Matrosenabtheilung postirte sich zunächst 
hinter einer Erhöhung am Strande, etwa 250 Meter vom Feinde ent- 
fernt. Als der letztere trotz der von Bord gesandten Granaten das 
Gewehrfeuer aus Snider-Büchsen mit Explosionsgeschosseu weiter 
unterhielt und auf einer Anhöhe, auf welcher das Haus des Wali 
stand, eine Kanone nach dem Schiff gerichtet wurde, liess der Führer 
der Matrosen den Hügel stürmen und warf mittels heftigen Schnell- 
feuers die Araber zurück. Bei der darauf angestellten Durchsuchung 
der Häuser, aus denen geschossen worden, wurden zehn Eingeborene 
getödtet, die sich mit bewaffneter Hand widersetzt hatten. Der Wali 
konnte nicht ausfindig gemacht werden; er war mit den Arabern 
landeinwärts geflüchtet und kehrte auch nach der Abfahrt der Möwe 
nicht zurück. 


Digitized by Google 



des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 


107 


Nachdem sich die Landungsabtheilung au Bord der Möwe zurück- 
gezogen hatte, verliess diese den Hafen, nm ihre zwei Verwundeten 
nach Sansibar zu überführen. 

Am 7. September kam Admiral Deinhardt mit den Schilfen 
Leipzig und Olga nach Tanga, wohin sich auch die Möwe wieder 
begab. Der Geschwaderchef beschloss, in der folgenden Nacht einen 
neuen Versuch zur Aufhebung des rebellischen Wali machen zu lassen. 
Letzterer war indess bereits entflohen. Am 24. September musste 
die Korvette Leipzig der von den Aufständischen angegriffenen 
deutschen Niederlassung in Bagamoyo Hülfe bringen. Auf die vom 
Lande her gegebenen Nothsignale sandte die Leipzig in Böten ein 
Lardungsdetachement nach dem Ort, das vom Strande her heftig 
beschossen wurde. Die Korvette erwiderte dieses Feuer mit ihren 
Geschützen, während die Mannschaften, nachdem sie gelandet, die 
Rebellen in die Stadt zurücktrieben, wo sich ein lebhaftes Strassen- 
gefecht entwickelte. Die Araber verliessen dieselbe und zogen sich 
in Unordnung landeinwärts zurück, gegen Hundert Todte und Ver- 
wundete auf dem Platze lassend. Darauf begab sich das Landungs- 
detachement wieder an Bord des Flaggschiffes, bis auf einen Offizier 
und 30 Mann, die am Lande zum Schutz der Station verbliebeu. 

Am 1. November bombardirte die deutsche Corvette Sophie 
das nördlich von Bagamoyo gelegene Dorf Whindi, dessen Einwohner 
den Aufständischen in Bagamoyo Waffen, Munition und bewaffnete 
Sklaven geliefert hatten. Dann landete eine Abtheilung Matrosen 
und äscherte das Dorf ein. 

ln der Zwischenzeit stationirten die genannten Schiffe, zu denen 
am 6. November noch die aus Kapstadt zurückkehrende Carola 
stiess, an den am meisten vom Aufstand bedrohten Hafenorten, um 
durch ihr Auftreten die fanatisirten Eingeborenen in Schach zu halten. 
Noch nicht aufgeklärt ist allerdings, wie es geschehen konnte, dass 
fast im Angesicht der vor Kiloa ankernden Möwe die dort stationirten 
Beamten der Deutsch-Ostafrikanisehen Gesellschaft ermordet werden 
konnten. 

Auf Grund des zwischen Deutschland und England getroffenen 
Abkommens, dem Sklavenhandel und der Waffeneinfuhr durch eine 
Absperrung von der Seeseite her ein Ende zu machen, wurden die 
in Ostafrika versammelten Schiffe im Laufe des Monats Dezember 
zum Blokadedienst herangezogen. 

Nach dem Uebereinkommen vom 2. Dezember soll zunächst Eng- 
land in dem unter seine Interessensphäre gestellten Theil der ost- 


Digitized by Google 



108 l>er Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung 


afrikanischen Rüste von Kipini bis zum Umbe and Deutschland in dem 
durch den Vertrag der Deutsch-Ostafrikanisehen Gesellschaft mit dem 
Sultan von Sansibar der deutschen Zollverwaltung überlassenen Küsten- 
saum von Tanga im Norden bis hinab zur Grenze der portugiesischen 
Besitzungen südlich von Kiloa eine strenge Blokade durchführen, 
um den Sklavenschmuggel zur See zu verhüten. Unter allerlei 
Vorbehalten scheint sich Frankreich in seiner Eigenschaft als Schutz- 
macht über einen Theil von Madagaskar der deutsch-englischen Aktion 
anschliessen zu wollen. Das gleiche geschah von seiten Portu- 
gals, von dessen ostafrikanischer Küste noch immer ab und zu 
Sklaven ausgeführt werden. England will seine Kontrole noch weiter 
ausdehnen bis Snakim, sodass die ganze Ostküste von Afrika, über 
welche bisher die arabischen Händler schwarze Menschenwaare aus 
dem Innern verfrachtet haben, fortan unter Blokade der Kreuzer der 
europäischen Seemächte gestellt erscheint 

Wie schon gesagt, sind deutscherseits zunächst die unter dem 
Befehl des Contreadmirals Deinhardt bereits in den Gewässern von 
Sansibar befindliche Kreuzerfregatte Leipzig, die Kreuzerkorvette 
Carola, Sophie und der Kreuzer Möwe zum Blokiren bestimmt. Zu diesen 
werden in nächster Zeit hinzutreteu der Kreuzer Schwalbe und der 
Aviso Pfeil, sodass etwa Ende des Jahres sechs deutsche Kriegsschiffe 
in der Blokadelinie standeu. Der Aviso Blitz soll uachfolgen. 

Die einen besonderen Schiffstyp repräsentireuden Kreuzerfregatte 
Leipzig ist mit einer artilleristischen Armirung und einer numerisch 
genügenden Besatzung versehen, um den Kampf mit kleineren Schlacht- 
schiffen aufzunehmeu und um mit ihren Batterien grösseren Bombarde- 
mentsaufgaben entsprechen zu können. Die „Leipzig“ führt zwölf 
1 7 cm - Geschütze , von denen zehn in der Batterie und zwei auf 
dem Oberdeck installirt sind, welch letztere vermöge der eingezoge- 
nen Formen des Vorder- und Hintertheiles des Schiffes direkt vor- 
aus oder rückwärts zu feuern vermögen. Um dem Schiff’ die Fähig- 
keit zu geben, ohne Benutzung der Dampfkraft unter Segel zu kreuzen 
und längere Reisen zu rückz ulegen, hat dasselbe grosse Volischiffstake- 
lung. Leipzig hat eine Geschwindigkeit von 15 Knoten in der 
Stunde und führt Proviant auf drei Monate und Wasser auf vier 
Wochen, das jedoch durch den an Bord befindlichen Destillirapparat 
immer ergänzt werden kann, mit sich. Die Besatzung besteht aus 
434 Mann. 

Die Korvette Carola ist ebenso wie ihr Schwesterschiff, die 
Korvette Sophie, nach dem Zellensystem gebaut und hat eine Ein- 


Digitized by Google 



des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 


109 


theilung in wasserdichte Schotte, um bei einem Leck ein vorzeitiges 
Sinken za verhüten. Die Bestückung besteht bei beiden in acht 
15 cm - Stahlkanonen aaf Deck (auf jeder Seite vier) zwei 8 cm- 
Geschützen im Bug und zwei Jagdgeschützen kleineren Kalibers im 
Heck. Die Maschinen sollen den beiden Schiften 14 Knoten Fahr- 
geschwindigkeit geben. Beide Corvetten können Proviant auf zwei 
Monate und Wasser auf 15 Tage mit sich führen. Die Besatzung 
jeder derselben zählt 267 Mann. Der Kreuzer Schwalbe führt 
acht 10 cm - Kanonen neuester Construction und ausserdem noch 
einige Mitrailleusen. Er ist ein sehr flinkes, manövrirfähiges Schiff 
von ungefähr 1200 Tons Deplacement und 1500 Pferdekräften. Die 
beiden Maschinen sollen dem Kreuzer eiue Geschwindigkeit von 14 
Knoten geben. Schwalbe ist der Bestimmung als Statiousschiff 
entsprechend, für den Aufenthalt in tropischen Kliraaten eingerichtet 
und nach dem Compositesystem erbaut. Die Besatzung zählt 1 14 Köpfe. 

Der Kreuzer Möwe ist ein eisernes Kanonenboot von kleineren 
Dimensionen als Schwalbe, sein Deplacement beträgt nur 848 Tons. 
Bewehrt ist er mit einer 15 cm-Mantelkanone nnd mit vier 12 cm- 
Kingkanonen: bemannt ist er mit 128 Matrosen. 

Die beiden Avisos Pfeil und Blitz, bei deren Bau grosse 
Fahrgeschwindigkeit und Beweglichkeit in erster Linie stand, sind 
artilleristisch weniger stark ausgerüstet. Sie führen beide ein aut 
der Back aufgestelltes, direkt feuerndes 12*/2 cm -Geschütz, das 
nahezu den ganzen Horizont bestreichen kann. Auf dem Achterdeck 
sind ausserdem zwei 8 Cmtr. Kanonen in Gelenklafetten plaeirt. Be- 
setzt sind die Avisos mit je 128 Mann. Das Material, aus dem der 
Festigkeit des Baues wegen der Schiffskörper hergestellt wurde, ist 
Flusseisen. 

Fasst man die vorstehend aufgeführteu Schiffe zusammen, so 
stellen dieselben eine Gesammtmacht von ungefähr 60 Geschützen 
und 1466 Mann dar. Selbstverständlich musste bei der Zusammen- 
setzung des Blokadegeschwaders, namentlich auf Schiffe mit geringem 
Tiefgang. Rücksicht genommen werden, deren eine zu dergleichen 
Operationen verwendete Flottenabtheilung nicht entrathen kann. Gerade 
vor der Küste des ostafrikanischen Festlandes breiten sich an vielen 
Stellen Korallenbänke aus, welche Fahrzeugen von grösserem Tief- 
gang die Annäherung an das Land erschweren und unmöglich machen, 
während andererseits ein Aussetzen von Böten durch diese Hindernisse 
sehr gefährdet ist. Es dürfte diese Küstenbeschaffenheit auch einer der 
Gründe gewesen sein, welcher die Aktion der Möwe vor Kiloa lähmte. 


Digitized by Google 



110 Der Anthei! der deutschen Kriegsflotte au der kolonialen Bewegung 

Von den beiden Fahrzeugen, welche in den Jahren 1887/88 die 
australische Station besetzt hielten, nahm nächst dem Kreuzer 
Albatross, der Aviso Adler die deutschen Interessen nachdrück- 
lich unter seinen Schutz und trug dazu bei, in der Bevölkerung der 
deutschen Schutzgebiete und unter den Vertretern der dort sich ge- 
deihlich entwickelnden deutschen Erwerbsinteressen, das Vertrauen 
zu dem kräftigen Arm der vaterländischen Seemacht zu heben. 
Der Beginn der verdienstlichen Thätigkeit des genannten Schiffes 
unter seinem Führer Korvetten - Kapitain von Wietersheim, mit 
einer Besatzung von 4 Offizieren, 130 Mann, fällt noch in das Ende 
des Jahres 1886. Der Adler war am 2. November 1886 von den 
Salotnonsinseln, auf denen er damals nach Erklärung des deutschen 
Protektorats die Flagge gehisst hatte, in Matupi (in der Blanchebai, 
Neu-Britannien) angekommen, von dort am 21. November nördlich 
nach der Insel Nusa (vor der Nordwestspitze von Neu-Irland gelegen) 
abgegaugen, hatte dann die isolirten und sehr wenig bekannten 
Anachoreteninseln besucht, und war gegen Weihnachten auf der 
Station Finschhafen (in Kaiser Wilhelrasland) eingetrolfen. Auf seinen 
Kreuzfahrten im Bismarck-Archipel erledigte der Aviso den Auftrag, 
die Bewohner des Dorfes Capsn an der Nordküste der Insel Neu- 
Mcckleuburg (Neu-Irland) für die Ermordung eines deutschen Händ- 
lers und die Beraubung und Niederbrennung einer dem Hause Herns- 
heim & Co. gehörigen Faktorei zu züchtigen. Da die Insulaner sich 
weigerten, die Mörder auszuliefern, hatte der Adler eine Abtheilnng 
von 60 Mann gelandet, welche trotz der grossen Schwierigkeit, die 
das Klima und die Bodenverhältnisse, namentlich ein fast undurch- 
dringlicher Wald, dem Einschreiten entgegensetzten, die Frevler streng 
bestrafte und mehrere der gut bewaffneten und aus Hinterhalten 
heraus Widerstand leistenden Eiugeboreuen tödtete. Während der 
etwa 14 Tage dauernden Expedition in das Innere der Insel, bei der 
die Mannschaft wiederholt achtstündige Tagesmärsche in derTropen- 
hitzo zurückzulegen hatte, w urde dieselbe mehrere Male von den auf 
der niedrigsten Stufe der Gesittung stehenden Wilden mit Snider- 
büchsen und mit Pfeilen beschossen. Der Aviso bewarf während 
der Abwesenheit des Landesdetachements die von den räuberischen 
Stämmen bewohnten Ortschaften, soweit dieselben vom Meere aus 
erreichbar waren. 

Der Kreuzer Albatross unternahm vor Verlassen der austra- 
lischen Station eine Kekognoszirungsfahrt durch das Schutzgebiet 
der Marschallinscln, mit dem Heichskommissar Dr. Knappe an Bord. 


Digitized by Google 



des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 111 

Bei derselben gelang es, einige nähere Informationen über die Natur 
und die wirthschaftlichen Verhältnisse dieses kleinsten der deutschen 
Protektoratsbezirke einzuziehen, in welchem die Handels- und Plan- 
tagengesellschaft der Südsee und die Firma Robertson & Hörns- 
heim seit längerer Zeit Handelsstationen angelegt haben. 

Der gesammte Marschall-Archipel besteht aus etwa 30 soge- 
nannten Atollen, d. h. ringförmigen Korallenbänken, auf welchen 
sich wiederum mehrere Inseln gebildet haben. Letztere sind in 
jedem Atoll besonders benannt, ihre Namen sind den Eingeborenen 
auch bekannt, für den Europäer würde es unwichtig sein, die Namen 
dieser einzelnen Inseln festzusetzen und sich dieselben anzueignen. 
Der Eingeborene benennt das Atoll nach der wichtigsten der auf ihm 
liegenden Insel. Neben dem einheimischen Namen besitzen die Atolle 
noch einen fremdländischen, welchen ihnen die Seefahrer der ver- 
schiedenen Nationen gegeben haben. 

Die auf dem Korallenriff sich erhebenden Inseln sind selten über 
6 m hoch, auf den nördlichen Atollen trifft man höhere Inseln. Die 
Vegetation ist sehr gering, und besteht vornehmlich aus der Cocos- 
palrne, dem Pandanus und Brodfruchtbaum und hin und wieder 
einem Melonenbaum. Der Bodeu ist mit Buschwerk, Schlingge- 
wächsen aller Art bedeckt; auch wächst die Taropflanze und auf 
den nördlicheren Inseln die Arrowroot in grosser Menge. 

Von Blumen wächst eine schöne kaktusartige Pflanze, welche eine 
der Lilie ähnliche weisse stark riechende Blüthe trägt. Diese Blüthe 
und die Blüthe desMeloneubaums nehmen die Eingeborenen als Schmuck 
in das Haar, um den Hals und in die Ohrlappen. Der Fremde 
zieht auf eingeführter Erde Kürbisse, Gurkeu, Gemüse und einige 
Blumensorten, auch gedeiht bei richtiger Behandlung die Banane, 
wenn auch spärlich. 

Die einheimische Thierwelt besteht aus einer kleinen Eidechse, 
Land- und Wasserkrabben Von Vögeln kommt eine Art Regen- 
pfeifer und Strandläufer, jedoch nur in geringer Anzahl, vor. 

Eingeführt sind Schweine, Hühner, Enten, Hunde, Katzen, auch 
sind Ratten auf den Inseln zu treffen. Die Thiere verwildern sehr; 
das Fleisch der Hühner, Enten und Schweine hat einen etwas süss- 
lichen Geschmack, da die Thiere hauptsächlich mit Cocosnussabfällon 
gefüttert werden. 

Durch die Missionare ist den Eingeborenen ein wenig Lesen 
und Schreiben beigebracht, und die Sprache wird dem Laute 
nach in lateinischen Buchstaben niedergeschrieben. Eine Folge und 


Digitized by Google 



112 Uer Antheil der deutschen Kriegsflotte au der kolonialen Bewegung 

Nachtheil der Lautschrift zeigt sich häufig darin, dass Eigennamen. 
Benennungen u. s. w. sehr oft verschieden auf dem Papier nieder- 
geschrieben werden, da sie dem einen anders klingen als dem andern. 
Als Geld ist der Dollar und englische Schilling im Umlauf, das ein- 
heimische Geld ist eigentlich die Cocosnuss bezw. die aus dieser 
gewonnene Kopra. Wenn man die Bevölkerung der Marschall-Inselu 
klassifiziren will, so sind zwei Hauptklassen zu unterscheiden: die 
Besitzlosen und die Besitzenden. Die Besitzenden oder Häuptlinge 
sind, je nach Grösse ihres Besitzes, kleine oder grosse Häuptlinge. 
Aus den grossen Häuptlingen, die grösstentheils unter einander eine 
gewisse Verwandtschaft auffinden können, geht schliesslich der König 
oder mächtigste Häuptling hervor. Die Häuptlinge haben das Recht, 
mehrere Frauen zu halten ; der besitzlose Eingeborene darf nur eine 
Frau zur Zeit haben und darf nie die Frau eines Häuptlings nehmen, 
während umgekehrt der Häuptling sich jederzeit die Frau des Besitzlosen 
aneignen kann. Auch kann eine einer Hänptlingsfamilie ungehörige 
Frau einen Besitzlosen zu ihrem Manne erwählen und erhebt ihn 
gleichzeitig dann zu ihrem Stande empor. Ihr Vermögen geht nach 
ihrem Tode auf ihre Kinder, jedoch nie auf den Mann über. So 
willkürlich meistens mit den Frauen verfahren wird, so haben sie 
doch dadurch einen grossen Einfluss, dass die Erbfolge eine weib- 
liche ist. Ebenso wie die Frauen ihr Vermögen nur ihren Kindern 
vererben, so werden letztere auch nur durch ihre Mütter hochgeboren. 
Für die Rangstufe eines Kindes entscheidet stets der Stand, dem 
die Mutter angehört. Ist die Mutter eine Häuptlingsfrau, so ist das 
Kind ebenfalls Häuptling u. s. w. Der Besitzlose muss im Allge- 
meinen sechs Monate im .Fahre für den Besitzenden arbeiten, d. h. 
die Oocosnüsse von den Bäumen des Besitzenden einernten. Dafür 
giebt ihm der Besitzende ein Stück seines Landes, auf dem er sich 
seine Hütte bauen und dessen Erzeugnisse (Brodfrucht, Pandanus. 
Taro) er zum Lebensunterhalt nehmen kann. Nur die auf diesem 
Stück Land stehenden Gocoebäume gehören dem Besitzlosen nicht. 
Während der übrigen sechs Monate des Jahres schlägt der Besitz- 
lose die Cocosnüsse für sich selbst ab. muss aber hiervon seinem 
Häuptling hin und wieder noch Abgaben liefern. Der König oder 
erste Häuptling einer oder mehrerer Inseln geht aus den reicheren 
Häuptlingen dieser Insel oder Inseln hervor. Er ist gewöhnlich der 
reichste, der den grössten Grundbesitz und somit das meiste Anrecht auf 
die Insel hat. Durch den grössten Grundbesitz ist ihm in Folge 
des oben erklärten Verhältnisses die grösste Macht gegeben. Ver- 


Digitized by Google 



des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 


113 


steht er es ferner, sieh einen Anhang unter den anderen grossen 
Häuptlingen zu verschaffen, dieselben von sieh abhängig zu machen, 
so ist er sicher in seiner Stellung. Ueberwirft er sieh jedoch mit 
einem oder einigen grösseren Häuptlingen der Insel, oder erwirbt 
ein anderer Häuptling durch Geschenke oder Versprechungen eben- 
falls einen grossen Anhang, so versucht Letzterer, den ersteren 
Häuptling aus seiner Stelluug zu verdrängen. Auf diese Weise 
kommt es oft zu Streitigkeiten. Die Erfolge der Missiousbestre- 
bungen auf den Marschall-lnseln sind sehr zweifelhafte. Die weissen 
Mi ssionare, welche die Mission auf den Inseln eingerichtet haben, 
sind von dort fortgezogen und nach anderen Inseln der Südsee ge- 
gangen. Sie haben ihre Thätigkeit Eingeborenen überlassen. Etwa 
7,o der Gesainmtbevolkerung ist zum Christenthum bekehrt, d. h. 
die Eingeborenen haben gelernt, Gebete und Sprüche in fremder 
uud auch wohl eigener Sprache herzusagen, ohne dass sie den Sinn 
davon verstehen. Die Missionare haben den Bekehrten auch mitunter 
Predigten in der Landessprache gehalten, obgleich das Gerücht geht, 
dass sie sehr wenig von letzterer verstanden haben: eiue Bibelüber- 
setzung in der Landessprache ist bis jetzt noch nicht herausgckommen. 
Für das Seelenheil der Eingeborenen haben die Missionare bisher 
verhältnissmässig wenig gethan. 

Die Rundfahrt, des Albatross durch das Schutzgebiet der 
Marschallinselu gab auch den entsandten Offizieren und Beamten 
Gelegenheit, einige Auskunft über die dortigen Arbeiterverhältnisse 
zu gewinnen, welche die Ausbeutung der an Cocospalmeu so reichen 
Inselgruppe bisher hindern und erschweren. Nach einen, kurzen 
Aufenthalt auf Jaluit, der Hauptiusel, die nunmehr auch den Sitz 
der neu begründeten Jaluitgesellschaft abgiebt, nahm der Kreuzer 
den Weg nach Australien über N'eu-Britanuien , und trat dann über 
Brisbane, Sidney, Cooktown und Batavia die Rückreise nach der 
Heimath an, woselbst er im April d. J. eiutraf. 

An Stelle des in die lleiinath zurückgekehrten Kreuzer 
Albatross, trat das Kanonenboot Eber im Frühjahr d. J. dem 
Aviso Adler an die Seite. Beide Schiffe haben seit dem Monat 
April die Samoagruppe nicht verlassen, uui bei dem unsichern, in 
jedem Augenblick von inneren Parteikämpfen und von Aufständen 
bedrohten staatlichen Regiment, zum Schutz und zur Verteidigung 
der dort ansässigen Deutschen und der dortigen Kulturanlagen zur 
Hand zu sein. Ihr Hauptstationspunkt war demnach Apia, die 
Hauptstadt des Reiches Samoa, woselbst bekanntlich die deutsche 

■Uhrbuch für Deutsch* Kolonialpolitik. $ 


Digitized by Google 



] 14 Der Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung 


Handels- und Plantagengesellschaft der Siidsee ausgedehnten Plan- 
tagenbau und Handel mit Kopra, Baumwolle und einigen tropise,hen 
Nntzptlan/.en treibt. 

Das Königreich Samoa ist eine Schöpfung der Diplomatie oder 
vielmehr der Vertreter Deutschlands. Englands und der Vereinigten 
Staaten, die den Auftrag hatten. Einrichtungen zu treffen, um dem 
Jahre langen Kriegführen ein Ende zu machen. Diese Bestrebungen 
sind indess nicht nur nicht von Erfolg gekrönt gewesen, sie haben im 
Gegentbeil dazu beigetragen, einen Zustand dauernder Verwirrung 
hervorzurufen. 

Unglücklicher Weise haben die politischen Angelegenheiten von 
Samoa ein sehr grosses praktisches Interesse für viele Engländer und 
für viele Deutsche. Das Klima und die Fruchtbarkeit der Inseln 
lockten seit langer Zeit viele Ansiedler und Händler an. Deutsche 
Kauflente genossen eine Art Monopol und sie besitzen noch heute 
einen grossen Theil eines Handels, der, wenn auch nicht sehr be- 
deutend, doch lohnend ist. Nach dem parlamentarischen Be- 
richte vom vorigen Jahre kamen auf das Jahr 1885 92 deutsche 
Schiffe mit 19 896 Tonnen und 35 britische Schiffe mit 3799 Tonnen. 
Ein- und Ausfuhr für deutsche Rechnung belief sich auf 119 000Pfd. 
Sterling, für die britische auf 10 IKK) Pfd. Sterling. Der Handel, 
welcher früher sich auf den Austausch von billigem Calico, Eisen- 
waaren und Tabak gegen Cocosuussöl oder Kopra beschränkte, ist 
neuerdings bedeutend erweitert durch die Ausdehnungen der Pflanzungen, 
und diese befinden sich ausschliesslich in deutschen Häudeu. In der 
Geschichte dieser Industrieen liegt das Geheimuiss der Wichtigkeit 
von Samoa für Deutschland und England. Im Jahre 1K69 wüthete 
ein Krieg auf Upolu. Die einheimischen Kämpfer verlangten Feuer- 
waffen und deutsche Händler konnten sie liefern, wollten sie aber 
nur für Land hergebeu und darauf wurde der Landerwerb zu einem 
wahren Fieber. In den Jahren 1869 bis 1872 wechselten etwa 
100 100 Acres den Besitzer. Viel Land kam bei dieser Gelegenheit 
in die Hände des weissen Mannes und zwar auf einem Wege, der 
mit Unrecht als Kauf bezeichnet wird. 

Es leben gegenwärtig in der Samoagruppe 127 Deutsche, 62 
Engländer, 26 Amerikaner, 17 Franzosen und 13 Chinesen. 

Apia, der Haupthandelsplatz derselben ist zugleich der Zentral- 
punkt des deutschen Handels und der deutschen Interessen in der 
ganzen Südsee. Von dem ganzen Areal dieser Inseln, d. h. von 
3000 Quadratkilometern sind über 600 Quadratkilometer durch uu- 


Digitized by Google 



des Jahres 1887/86 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 115 

antastbare Besitztitel deutsches Eigeuthum und werden seit 188:» 
von deutschen Pflanzern kultivirt. Produkte dieser Pflanzungen siud 
vor allem Kopra und Baumwolle, und neuerdings auch Kaftee. Die 
Pflanzungen haben ausserdem Versuchsstationen für Kakao, Ipeca- 
cuauha und Chinchona errichtet, und versprechen sich auch von diesen 
den besten Erfolg. Die Plantagen werden durch 1100 importirte 
Melanesier bearbeitet, für deren Zivilisirnng der mehrjährige Aufent- 
halt auf den Samoainseln unter der humanen Aufsicht deutscher 
Pflanzer von grösserem Nutzen ist als zwanzigjähriges Singen und 
Beten mit englischen Missionaren. Vier Fünftel des gesummten Im- 
ports nnd Exports ferner sind in den Händen deutscher Firmen; es 
residirt in Apia ein deutscher Generalkonsul, der sich aber in der Muni- 
zipalität von Apia den Engländern und Amerikanern gegenüber, die 
weder rechtsgiltige Besitztitel noch Pflanzungen, noch irgendwie 
andere uennenswerthe Interessen in der Samoagruppe haben, in einer 
wenig beneidenswerthen nnd von den Launen der Konsuln der ge- 
nannten Mächte abhängigen Stellung befindet, da diese Herren statt 
der durch die Konvention gebotenen Zustimmung der drei Konsuln 
zu Beschlüssen nnd Magistratswahlen, ohne Weiteres durch Beseiti- 
gung dieses Passus Stimmenmehrheit eingeführt haben, wodurch der 
deutsche Generalkonsul, trotz der überwiegenden Anzahl der Deutschen 
und trotzdem diese fast vier Fünftel der gesammten Steuern auf- 
zubringeu haben, bei allen Beschlüssen und Wahlen überstimmt 
wird. 

Der grösste kaufmännische Betrieb, der in der westlichen Süd- 
see seine Stätte hat, ist, wie schon gesagt worden, die deutsche 
Handels- und Plantagengesellschaft. 

Samoa steht in Beziehung auf die Produktion von Kopra weit 
hinter Tonga zurück. Es giebt hier keinen Zwang einer Regierung, 
welcher die Bedürfnisse der Bevölkerung steigerte und dieselbe zur 
Zahlung ernsthafter Steuern anhielte. Die augenblickliche Produktion 
wird auf *2000 bis 3000 Tonnen geschätzt. Davon haben im Jahre 
1885 die Handels- und Plantagengesellschaft 1975 Tonnen, H. M. 
Rüge & Co. 662 Tonnen exportirt. Das Geschäft war ausschliesslich 
in den Händen dieser beiden deutscheu Firmen. 

Der Plantagenbetrieb auf Samoa wird von der Hauptageutur 
der Gesellschaft in Apia geleitet. Auf den sechs Pflanzungen sind 
fünf Verwalter und vier Aufseher angestellt. Für das ärztliche Be- 
diirfniss sorgt ein angestellter Arzt, welcher in Apia wohnhaft ist 
und die Pflanzungen regelmassig zu besuchen hat. Von der früheren 

s* 


Digitized by Google 



1 16 Der Antheil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung 


Verwaltung waren vielfach Nichtdeutsche augestellt, worden, insbe- 
sondere Engländer. Auch der jetzige Arzt ist ein Engländer. Bei 
Vakanzen werden von jetzt ab nur noch Deutsche angestellt. 

Den Dienst auf der ostafrikanischen Station versahen im Vorjahr 
die beiden Kreuzer Möwe und Nautilus. Das letzgeuaunte Schiff Ver- 
liese indess kurz vor Eintreffen des Kreuzergeseh waders die Küste 
von Sansibar und trat über Mozambique, Natal und Kapstadt die Reise 
in die Heimath an, woselbst es vor Kurzem wieder eingetroffen. Der 
Kreuzer Möwe, welcher bereits seit dem Jahre 188 ß in den ostafrika- 
nisehen Gewässern stationirt, und speziell mit der Vertretung der dort 
cngagirten deutschen Interessen betraut ist, hat, wie schon erwähnt, 
der Entwickelung der kolonisatorischen Aktion, sowie der Ausbreitung 
und Befestigung des deutschen Einflusses in Ostafrika wesentliche 
Dienste geleistet. Ueberall da zur Stelle wo es galt, schwebenden 
Verhandlungen Nachdruck zu leihen und Akte der Staatspolizei mit 
der entsprechenden Würde zur Ausführung zu bringen, oder die 
Pflichten äusserer Repräsentation zu üben, stattete das genannte 
Schiff allen vom europäischen Handels- und Schiffahrtsverkehr be- 
rührten, oder in territorial-politischer Beziehung ein Interesse ge- 
währenden Küstenpunkte Besuche ab und zeigte wiederholt, die Flagge 
in verschiedenen Häfen der Somali- und Suaheliküste, ausserdem 
aber auch in den grossen Plätzen der portugiesischen und britischen 
Kolonien an der Ost- und Südküste Afrika’s. Wiederholte Exkur- 
sionen nach Aden gaben der Möwe auch Gelegenheit zu Besuchen 
einiger in neuerer Zeit vielgenannter Häfen des Rothen Meeres, 
namentlich Suakins, Djeddah's, Massauah's. Ueber die Theilnabme 
der Möwe an der Bekämpfung des Aufstandes ist vorher schon 
berichtet worden. 

Der westafrikanischeu Station waren im Vorjahr der Kreuzer 
Habicht und das Kanonenboot Cyclop zugetheiit. Beide bewegten 
sich an der Küste und zwar meist in der Nähe der deutschen Schutz- 
gebiete, um den dort eingesetzten Behörden und dem Ansiedlerthum 
einen kräftigen Rückhalt gegenüber den zu Ausschreitungen und 
Gewalttätigkeiten geneigten Stämmen einiger Küstengebiete zu ge- 
währen. Auf Requisition der Kolonialbehörde in Kamerun musste im 
Juli v. J. eine Expedition den Kamcrunfluss aufwärts befahren, um 
gegen die Stämme einzuschreiten, welche den direkten Verkehr der 
Eingeborenen aus dem Hinterlande mit den Küstenbewohnern ge- 
waltsam verhindern, um selbst den Vortheil aus dem Zwischenhandel 
zu ziehen. Die Energie und Strenge, mit welcher die deutsche Expe- 


Digitized by Google 



des Jahres 1887/88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. 117 

dition vorgegangen, hat nicht verfehlt, einen bemerkenawerthen Ein- 
druck auf die gestimmte Bevölkerung in Kamerun zu machen und 
die Neigung derjenigen Elemente, welche sich als Zwischenhändler 
sesshaft machen wollen, um von dem Ertrage ihrer Gewaltthat und 
List Nutzen zu ziehen, etwas einzuschüchtern. Ausserdem zeigten 
beide Fahrzeuge die deutsche Flagge in den Hafen plätzen der benach- 
barten spanischen, belgischen und portugiesischen Kolonien. Diese 
Kreuzerfahrten boten Gelegenheit zu einigen Informationen über die 
Handels- und politischen, sowie über die wirthschaftlichen Verhält- 
nisse der den westafrikanischen Schutgebieten zunächst liegenden 
europäischen Kolonien, denen auf Grund von Mittheilungen der 
afrikanischen Presse nachstehendes hier entnommen sei, welches 
obwohl erst in zweiter Linie zu dieser Aufgabe in Beziehung steht, 
doch von allgemeinem Interesse ist: 

An der westafrikanischen Küste betiuden sieb, abgesehen von den deutschen 
Niederlassungen, Kolonien verschiedener europäischer Staaten, von denen namentlich 
die Franzosen am Senegal, die Engländer in Senegambien, Sierra Leona und an 
der Goldküste, die Portugiesen in Xicder-Guinea in Betracht kommen. Ueberblick 
man die Verhältnisse in den Kolooien, so zeigt sich ein sehr wesentlicher Unter- 
schied zwischen denselben. Am Senegal ofTenhart sich abermals der schon so oft 
hervorgehobene Mangel au Kolonisationstalent seitens der Franzosen. Obwohl sich 
die dortige Kolonie doch schon seit längerer Zeit in deren Besitz befindet und man 
daselbst sehr beträchtliche Summen aufgewendet hat, so bleiben doch die erzielten 
Ergebnisse hinter allen Erwartungen zurück. Es ist wohl richtig, dass das Klima mehr 
als anderswo die Entwickelung erschwert, auch sind die Beziehungen zu den Ein- 
geborenen vielfach schwieriger und wirken sehr lähmend auf die Konsolidirung der 
Kolonien ein; nichtsdestoweniger jedoch steht die Thatsache fest, dass der ganze 
Besitz und zwar wohl für lange hinaus ein passiver ist und man weder auf dem 
Gebiet der ßodencultur, noch auf jenem des Handels weit über die ersten Anfänge 
hinausgekommen ist. Es wird vielfach als ein Fehler bezeichnet, dass man in den 
Einrichtungen der Kolonie allzusehr dem Vorbilde der im Mutterlunde bestehenden 
Institutionen gefolgt sei, ungeachtet die Eingeborenen nicht im entferntesten reif 
für volle Gleichberechtigung und für den Genuss wahrhaft freiheitlicher Einrich- 
tungen sind. Obwohl die Regierung in der Kolonie allerlei Anstalten, wie 
Schulen, Spitäler, Kirchen, Korrektionshfiuser u. dgl. geschaffen hat, machen die 
Eingeborenen davon kaum Gebrauch und bleiben fest ihren althergebrachten Ge- 
wohnheiten. sowie auch dem ihnen vielmehr zusagenden Islam treu. Die Weissen 
sehen mit unzufriedenen Augen die Gleichberechtigung mit den Eingeborenen, 
welche es ihnen auch nicht wenig erschwert, eine führende Rolle zu spielen, was 
doch für das Emporkommen der Kolonie eine geradezu unerlässliche Bedingung ist. 
Entschieden mangelt aber auch auf Seite der Weissen ein energisches Verhalten. 
Der Beobachter gewinnt allwärts den Eindruck einer gewissen Oberflächlichkeit und 
Schlaffheit, dabei scheint die ganze Kolonialverwaltung auf einem sehr breiten und 
komplizirten Fusse eingerichtet zu sein und mit beträchtlicher Schwerfälligkeit zu 
arbeiten. Ein weiterer nicht vortheilhaftcr Umstand besteht auch in der starken 


Digitized by Google 



118 Der Anthcil der deutschen Kriegsflotte an der kolonialen Bewegung 


Belastung der Kolonien mit Steuern und Abgaben aller Art und in der Einbehung 
hoher Zölle. Mau hat zu diesen Maassregeln hauptsächlich aus dein (iruDde ge- 
griffen, um das Kolonialhudget des Mutterlandes einigermaassen zu entlasten, aber 
fiir die Entnickelung des Senegalgebietes kann man darin kaum einen Vortheil er- 
kennen. f>ie grossen Ideen, welche auf die Erbauung eines Eisenbahnnetzes hin- 
ausliefen. sind theils aufgegeben, theils haben sie eine andere Richtung genommen. 
Man wollte nämlich früher die Bahn von l>akar nach St. Louis bis zum Niger ver- 
längern, während man jetzt von einer Schienenverbindung zwischen Senegambien 
und Algerien träumt, obwohl allem Anscheine nach auch die Kealisirung dieser Idee 
Schwierigkeiten begegnen muss, welche kaum im Verhältnisse zu den möglichen 
\ nrtheilen stehen dürften. Itie bisherigen Ergebnisse am Senegal wirken sicherlich 
nicht erinuthigend. I>ic Erinnerung an den einstigen Gouverneur, General Faid- 
herbe, wird immer noch am Senegal hochgehalten, weil er in richtiger Erkenntnis« 
der Sachlage mit aller Energie vorging und die Kolonie ihm ihre besten Einrich- 
tungen verdankt. — Dieselben Erscheinungen wie am Senegal finden sich in der 
französischen Niederlassung am Gabun, von wo der ganze Handel sich übrigen' 
nach der Insel Elobey gezogen hat. weil auf letzterer die hohen Abgaben entfallen. — 
\ ergleicht man nun mit diesen die Zustände in den britischen Kolonien, so kann 
man sieh kaum der lleherzeugung versehliessen, das« die Ursache der am Senegal 
wahrgenommenen Erscheinungen doch in dem verschiedenen Verhalten der Engländer 
und Franzosen und in den Kigentbümlichkeiten des beiderseitigen Nationalcharaklers 
zu suchen sei. In den englischen Niederlassungen gewinnt man dagegen fast immer 
den Eindruck von Ordnung und von einer oftmals fast an Pedanterie streifenden 
Genauigkeit. Strassen und Häuser sind in gutem Zustande erhalten, für Bepflan- 
zung und Kanalisirung ist thunlichst Sorge getragen : die öffentlichen Organe treten 
fest und stramm auf und machen durchweg den Eindruck gewissenhafter Pflicht- 
erfüllung. Dieses Vorbild übt auch einen wohlthätigen Eindruck auf alle Schwarzen 
aus und die im untergeordneten Dienste der Koluuialregierung verwendeten Neger 
sind sichtlich bemüht, ihren Obliegenheiten mit demselben Ernste und der gleichen 
Genauigkeit nachzukommen. Aber auch die ganze Verwaltung ist einfacher und 
zweckmässiger organisirt als jene im Senegalgebiete. Darum sind auch die Finanz- 
verbältnisse in den britischen Kolonien viel günstiger und die letzteren bedürfen 
keines Zuschusses vom Mutterlande. Wohl werden auch in den englischen Kolo- 
nien hohe Abgaben und Zölle erhoben, aber man versteht es dort doch wieder viel 
besser, die Interessen des Handels zu fördern und demselben, als dem eigentlich 
belebenden Elemente der Kolonie, jeglichen Vorschub zu leisten. Auch in Bezug 
auf die Rechtspflege trägt man den eigenthümhehen Verhältnissen mehr Rechnung 
und erhielt auch bessere Resultate als die Franzosen, welche in der völligen Gleich- 
stellung der W'eissen mit den Eingeborenen zu weit gingeu und dadurch das An- 
sehen ihrer Gerichtshöfe nur geschädigt haben. Freilich hieton den Engländern die 
Verhältnisse zu den Hinterländern mancherlei Schwierigkeiten dar, was insbesondere 
in Bezug auf die Asehantis gilt, bei denen grosse Abneigung gegen den britischen 
Namen herrscht und die kommerziellen Beziehungen wesentlich zurückgingen. Da- 
durch ist auch die Bedeutung von Cape Coast Castle als Handelsplatz sehr gesunken. 
Aeera gewinnt dagegen mehr an Wichtigkeit; in erster Linie unter den britischen 
Niederlassungen steht jedoch Lagos, trotzdem dessen navigatorisehe Verhältnisse den 
Schiffsveikehr erschweren und den Transport der Waaren vertheuern. Auch 
am Niger ist der Einfluss der Engländer bedeutend, und das Bestreben nach Er- 


Digitized by Google 



des Jahres 1887 88 innerhalb der deutschen Schutzgebiete. ]19 

Weiterung und Consolidirung desselben ein überaus reges. Es ist ihnen dort auch 
gelungen, das eine oder andere französische und deutsche Etablissement zum Ein- 
stellen seiner Tbätigkeit zu bestimmen. Per Handel auf dem Niger nimmt wie bekannt 
immer grössere Pimensinnen au und Dampfer verkehren schon weit hinauf auf dem Flusse, 
welcher fast gänzlich von einer einzigen euglischen Handelsgesellschaft, Royal Niger 
Company, welche über zwei Millionen Pfund Sterling verfügt, monopolisirt ist. — Per 
spanische Besitz auf Fernando Po ist in kommerzieller Beziehung von gar keiner 
Bedeutung: die Regierung verhält sich in Bezug auf die Förderung dieser Kolonie 
sehr passiv. — Auch die Portugiesen haben sich bisher nicht um die Entwickelung 
ihres Besitzes in Oher-Ouinea viel gekümmert, so dass daselbst allseitig die Spuren 
von Verwahrlosung zu finden sind. Erst in jüngster Zeit, wohl angetrieben durch 
die allgemeine Bewegung, welche sich längs der ganzen westafrikanischen Küste 
geltend macht, scheint die portugiesische Regierung grössere Tbätigkeit entfalten zu 
wollen, und es dürfte auch der dermalige General-Gouverneur der Mann sein, um 
mehr Bewegung und Lebeu in die seiner Leitung anvertraute Kolonie zu bringen. 
Pie Schwierigkeiten, denen der Handel in Westafrika begegnet, sind sehr bedeutende, 
vor allem schon wegen der hohen Zölle, die fast überall die Waarenbewegung be- 
lasten und beim Import 30, 50, ja auch 100% des Werthes betragen, wobei meist 
ein grosser Unterschied gemacht wird, ob die Waare nationaler Provenienz — aus dem 
Mutterlande der Kolonie — sei oder nicht. Per Export ist zwar in der Regel, aber 
doch viel niedriger bedacht und überschreitet der Zollsatz für denselben selten 10° o 
ad valorem. Schwerer noch als die Zölle fallen die grossen Kapitalien ins Gewicht, 
welche der Handelsbetrieb mit Hinblick auf die obwaltenden eigenthümlichen Ver- 
hältnisse erfordert. Freilich vermag man auch dort unter Umständen sehr erhebliche 
Gewinne zu realisiren, doch gehört hierzu neben viel Glück, auch viel Umsicht, ge- 
naueste Kenntnisse aller einzelnen Bediugungen. eingehende Berücksichtigung des 
lokalen Bedürfnisses und eine unermüdliche Tbätigkeit. Nur wer über grosse 
Mittel verfügt, hat angesichts der lebhaften und steigenden Konkurrenz die Chance 
Meister zu bleiben. Parum beruht aber auch ein hauptsächliches Moment des Er- 
folges in der Geschicklichkeit der leitenden Persönlichkeiten viel mehr als dies an 
anderen Orten der Fall ist. Hier führt nicht allein specnlative Berechnung und 
richtiger Kalkül zum Ziel, sondern hier hängt auch viel von dem scharfen Bück für 
•Nebenuinstinde und von der geschickten Behandlung der Eingeborenen ab. Darum 
spielen mehrere grosse Gesellschaften und Firmen die leitende Rolle an der west- 
afrikanischen Küste. Die wichtigsten derselben seien hier genaunt: Es sind die 
Royal Niger Company, London; die Congo and Central -Africa Company, London; 
die Compagnie du Senegal et de la cöte occideutale d’Afrique, Marseille, Daumas 
Berard & Comp., Paris; Nieuwe Afrikanische Handels- Vermootschap, Rotterdam; 
die Hamburger Firmen: Woermann, Gaiser, Witt und Busch. 


Digitized by Google 



Die Deutsche Kolonialgesellschaft. 

* 

Unter den Vereinigungen, welche sich die Förderung der kolo- 
nialen Bestrebungen durch Belehrung und thatkrüftiges Handeln an- 
gelegen sein lassen, nimmt die Deutsche Kolonialgesellschaft sowohl 
durch die Zahl als durch die hervorragende soziale, wissenschaftliche 
politische und kommerzielle Stellung vieler ihrer Mitglieder den ersten 
Hang ein. Sie ist entstanden aus der Verschmelzung des Deutschen 
Kolonialvereins und der Gesellschaft für deutsche Kolonisation, welche 
infolge eines Beschlusses beider Vereine am 19. Dezember 1887 er- 
folgte. Der deutsche Kolonialverein, die weitaus stärkste Vereinigung, 
konnte seine Geschichte bereits bis auf das Jahr 1882 zurückführen, 
in welchem sich auf eine Aufforderung Sr. Durchlaucht des Fürsteu 
zu Hohenlohe-Langenburg in Frankfurt ein Kern für die Förderung 
der kolonialen Bestrebungen bildete. Einstimmig wurde auf einer 
am 26. August desselben Jahres abgehaltenen Versammlung be- 
schlossen. einen Verein zu bilden, dessen Aufgabe es wäre: 

.das Verständnis!) der Nothwcndigkeit, die nationale Arbeit dem Gebiete der 
Kolonisation zuzuwenden, in immer weitere Kreise zu tragen, 
für die darauf gerichteten, in unserem Vaterlande bisher getrennt auftreten- 
den Hestrebungen einen Mittelpunkt zu bilden, 
eine practische Lösung der Kolonialfrage anzubahnen, 
und zunächst die Errichtung von Haudelsstationcn als Ausgangspunkt für 
grössere Unternehmungen zu fördern.“ 

Um diesen Kern schaartc sich bald eine ansehnliche Zahl be- 
deutender, von nationaler Begeisterung getragener Männer ans allen 
Parteien und der Verein dehnte schnell seine Agitation über ganz 
Deutschland aus, gründete lokale Organisationen und gewann eine 
achtunggebietende Stellung, obwohl es nicht an Gegnern fehlte und 
es zweifelhaft war, ob derselbe jemals die staatliche Macht zur 
Unterstützung kolonialer Unternehmungen linden würde, nachdem in der 
Samoavorlage die Politik der verbündeten Staaten im Reichstag eine 


Digitized by Google 



Die Deutsche Kolonialgesellschaft. 


121 


Niederlage erlitten hatte. Lud wenn auch der Gedanke, dass das 
Deutsche Reich eine Kolonialentwickelung brauche, um sowohl dein stetig 
nach den Vereinigten Staaten von Amerika fliessenden, dem Vaterlande 
zum grössten Theil verloren gehenden Auswandererstrom ein neues 
Bett zu geben, als auch durch eine Eigenproduktion tropischer 
Erzeugnisse uns unabhängig vom Anslande zu machen und da- 
durch direkt den Volkswohlstand zu heben, mit einem Wort: 
das deutsche Wirtschaftsgebiet zu erweitern, schon vielfach ausge- 
sprochen war, so wurde die Nothwendigkeit deutscher Kolonien und 
einer nationalen Regelung der Auswanderung noch lange nicht allge- 
mein anerkannt. Der Verein musste naturgemüss sein Schwergewicht 
auf die Agitation legen, vorbereitend und anfklärend wirken, des 
Augenblicks harrend, wo mit dem Eingreifen der staatlichen Macht 
eine neue Gestaltung der Dinge einsetzte, aber auch mit der Reichs- 
regierung Fühlung nehmen. Wir wolleu hier auf die mannigfachen, 
in dem ersten Jahre auftauchenden Projekte, welche sich meisten- 
teils mit Südamerika beschäftigten und für die Beurteilung dieser 
Lander von grosser Wichtigkeit waren, nicht näher eingehen, da 
durch die Erwerbung des Hauses Lüderitz in Angra Pequena, die 
Frage der Postdampfer-Subventionen, der wirtschaftliche Interessen- 
kampf im Kongogebiet und die Stellungnahme Deutschlands, die Auf- 
merksamkeit auf die Vorgänge in Afrika gelenkt wurde, wo infolge 
des berühmten Telegrammes der Fürsten Bismarck vom 24. April 
1884 an den deutschen Konsul in Kapstadt es bald aller Welt be- 
kannt wurde, dass die deutsche Reichspolitik gewillt sei, Unter- 
nehmungen der Deutschen im Auslande unter den Schutz des 
Reiches zu stellen. — Die Vorlage der verbündeten Regierungen 
über die Dampfersubventioneu fiel jedoch in dem Reichstag, obwohl 
Fürst Bismarck auf eine Anfrage des Dr. Hammacher, eines Mit- 
gliedes des Kolonialvereins, in der Budgetkommission selbst erklärt 
hatte, dass die Vorlage im Zusammenhänge stehe mit der übersee- 
ischen Politik der Reichsregierung überhaupt, und der Kolonial verein 
hatte seine Anstrengungen zu verdoppeln, um auch seinerseits dazu 
beizutragen, eine wahre nationale, einmüthige Begeisterung für die 
volle Unterstützung der Reichsregiernng nach dieser Richtung hin 
überall im Vaterlande zu erwecken. Bald folgten die Flaggen- 
hissnngen in Togoland und Kamerun und für den Verein erwuchsen 
eine Menge neuer Aufgaben. Da die erworbenen Länder, vielleicht 
mit Ausnahme von Öüdwestafrika, bald als untauglich für eine Aus- 
wanderung von Ackerbauern in grossem Maassstabe sich herausstellten, 


Digitized by Google 



122 I>ie Deutsche Kolonialgesellschaft. 

so galt es. Unternehmungen ins Leben za rnfen und zu unterstützen, 
welche durch die Anlage von Pflanzungen oder Ausdehnung des 
Handels die Reichthümer des Bodens ansbeuten konnten, und auf 
die bevorstehende Gesetzgebung über koloniale Angelegenheiten einen 
Einfluss zu gewinnen, aber auch die Förderung deutscher Interessen 
in Südamerika nicht aus den Augen zu verlieren und auch für die 
bald darauf folgenden Neuerwerbungen des Deutschen Reiches in der 
Südsee die Flamme der Begeisterung zu nähren. Wenn nun auch 
die Erkenntniss der Unmöglichkeit, in den ueuerworhenen deutschen 
Gebieten Ackerbaukolonien sogleich anlegen zu können, einen kleinen 
Rückschlag mit sich brachte, so war doch die Zahl der Mitglieder 
zu Anfang des .Jahres 1885 bis über 10 000 angeschwollen, so dass 
es für nothwendig erachtet wurde, den Sitz der Gesehäftsieitung 
nach Berlin zu verlegen, wo sich bereits eine neue Kolonialvereini- 
gung, die Gesellschaft für deutsche Kolonisation befand. Dieselbe 
war den Wünschen der Herren Dr. Carl Peters und Graf Belir- 
ßandelin entsprungen, die Kolonialbewegung sobald als möglich zu 
Thaten überzuleiten, und hatte sich am 28. März 1884 konstituirt 
Die grundlegenden Punkte der Satzungen der Gesellschaft hatten 
folgenden Wortlaut: 

I. Zweck der Gesellschaft: Begründung von deutschen Ackerbau- und llan- 
delskolonien, und zwar: 

1. Beschaffung eines entsprechenden Kolonisationskapitals; 

2. Auffindung und Krwerhuug geeigneter Kolonisationsdistrikte; 

3. Kililenkung der deutschen Einwanderung in diese Gebiete 

Ein Gegensatz zu den in den Kreisen des Kolonialvereins herr- 
schenden Gesichtspunkten ist leicht heranszufiuden. znmal in den 
weiteren Bestimmungen der Satzungen Alles auf eiue energische 
Aktion vorbereitet war. Ueber das Ziel derseilien war man noch im 
Unklaren : es wurden ebenfalls Projekte in Südamerika geplant, alter 
schliesslich wieder fallen gelassen, bis man die Wünsche auf Afrika 
vereinigte und zuerst im Hinterlande der portugiesischen Besitzungen 
in Sfidostafrika festen Fnss fassen wollte. Das Projekt wurde aber 
im letzten Augenblick aufgegeben und dafür die Erwerbung eines 
Sansibar gegenüberliegenden Gebietes auf dem afrikanischen Fest- 
lande beschlossen, wohin unter Führung des Herrn Dr. Peters eine Ex- 
pedition aufbrach, welche bald als ersten Erfolg den am 23. November 
1884 mit dem Häuptling von Ngurn abgeschlossenen Vertrag verzeich- 
nen konnte, dem in rascher Reihenfolge sich andere anschlossen, so 
dass die anfänglich vielbekämpfte Gesellschaft schnell an Bedeutung 


Digitized by Google 



Die Deutsche Kolonialeesellschaft. 


123 


und Mitgliederzahl znnahm, und sowohl die Deutsch-Ostafrikauische 
Gesellschaft als auch den „Allgemeinen deutschen Verband“, welch 
letzterer den Zweck verfolgt, sowohl die wirthschaftlichen Bande die 
das deutsche Volksthum auf der Erde umspannen, zu stärken, als 
auch den kulturellen und geistigen Zusammenhang desselben zu be- 
festigen. aus sich heraus schaden konnte. Das Verhältuiss zwischen 
dem Kolonial verein und der Gesellschaft für deutsche Kolonisation 
war nicht frei von Missklüngen. obwohl schliesslich der beiderseitige 
gute Wille die der immer nothwendiger werdenden Vereinigung sich 
entgegenstellendeu Schwierigkeiten überwand. Während sieh natnr- 
gemäss die Anstrengungen der Gesellschaft für deutsche Kolonisation 
auf die Entwickelnug Ostafrikas und die Propaganda dafür richteten, 
verfolgte zu dieser Zeit der Kolonialverein seine umfassendere Auf- 
gabe, die Fragen der Auswanderung zu stndiren und Auswanderern 
durch di«* Errichtung eines Auskunftsbüreau mit Rath beizustehen, die 
Verhältnisse Brasiliens zu untersuchen, die Bestrebungen Flegels im 
Niger- und Bennegebiet zu unterstützen, die Erwerbung in Witu 
dnrchzuführen und überall fördernd einzugreifen, wo es notli that. 
Es liegt auf der Hand, dass ein intimes Zusammenarbeiten der beiden 
Vereine, welches in der Form von Delegirtenkonferenzen versucht, 
aber als wenig dienlich wieder anfgegeben worden war, zur Förde- 
rung der allgemeinen Sache immmer dringlicher wurde, da die Be- 
strebungen im grossen und ganzen doch dasselbe Ziel verfolgten, wie 
sich besonders aus den im Herbst 1887 von beiden Vereinigungen 
erlassenen Petitionen für Herstellung und Subvention einer nach 
Sansibar resp. nach einem südlicher liegenden Hafen einzurichtenden 
Dampferlinie ergab. Durch die Verschmelzung, deren Herbeiführung 
unter allerlei Schwierigkeiten endlich gelang, wurden mehr als 
16000 Männer, deren Zahl fortdauernd im Steigen begriffen ist, unter 
derselben F’ahne vereinigt. Die neuen Satzungen definiren die Zwecke 
der Gesellschaft folgendermassen : 

1. die nationale Arbeit der deutschen Kolonisation zu/uwciideii und die 
Erkenntnis» der Nothwen 'igkeit derselben in immer weitere Kreise 
zu tragen ; 

2. die praktische I.ösung kolonialer Frage zu fördern; 

3. deutsch-nationale Kolonisationsunteruehmungen auzuregeti und zu unter- 
stützen; 

4. auf die geeignete I.ösung der mit der deutschen Auswanderung zusammen- 
hängenden Kragen hinzuwirken; 

5. den wirthschaftlichen und geistigen Zusammenhang der Deutschen im 
Auslande mit dem Vaterlande zu erhalten und zu kräftigen; 


Digitized by Google 



124 


Die Deutsche Kolonialgesellschaft. 


(i. für alle auf diese Ziele gerichteten, in unserem Vaterlande getrenut auf- 
tretenden Bestrebungen einen Mittelnunkt zu bilden. 

Um ihr Programm zu verwirklichen, besitzt die Kolonial- 
gesellschaft ein Gencral-Büreau , welches unter der Leitung eines 
Generalsekretärs, des Herrn Dr. Bokemeyer, steht, die „Deutsche 
C’olonialzeitung“, mit einer Auflage von 18 500 und dann besonders 
in ihren weit über 100 Abtheilungen, deren bedeutendste in Berlin, 
Dresden. Karlsruhe, Frankfurt a. M., Hannover sind, eine Reihe von 
rührigen Gliedern, welche in Wechselwirkung mit dem Präsidium, Aus- 
schuss, Vorstand und Büreau der Gesellschaft stehen und auch mehr- 
fach ein eigenes Leben bethätigen. Es ist hier nicht nöthig. auf ein- 
zelne Bestimmungen der Satzungen einzugehen, auch nicht auf die bis 
zur ordentlichen Hauptversammlung des Jahres 1889 geltenden Ueber- 
gangsbestimmungen, da die Gliederung sich wenig von der bei solchen 
Vereinigungen, welche neben wissenschaftlicher Belehrung auch 
agitatorische Zwecke verfolgen, üblichen unterscheidet. Der Präsident 
der Gesellschaft ist Se. Durchlaucht der Fürst Hermann zu Hohen- 
lohe- Langenburg, der zweite Präsident Herr Dr. Carl Peters. Der 
Ausschuss ist jetzt gebildet aus den Herren: Landtagsabgeordneter 
Dr. Arendt, Kaufmann FL Amhold, Generalsecretär Bueck. Bezirks- 
geologe Dr. Ebert, Reichstags- und Landtagsabgeordneter Dr. Kam- 
macher, Staatsminister von Hofmann, Wirkt. Geh. Oberregierungs- 
rath a. D. Körte, Premierlieutenant a. D. Kurella, Fabrikdirector 
Dr. Martins, Director im Reichspostamt Sachse, Rittergutsbesitzer 
Dr. Schröder, Professor Dr. Schweinfurth, Oberbürgermeister a. D. 
Weber, Geueralmajor v. Teichmann-Logischen. 

Das Berichtsjahr setzte verhältnissmässig ruhig ein, da neue 
Fragen nicht aufgetaucht waren, die Fortführung der Verschmelzung 
der einzelnen Abtheilungen eine grosse geschäftliche innere Thätigkeit 
erforderte, und es nicht opportun erschien, in der Frage der Dampfer- 
subvention weiter vorzugehen, bis die wichtige, von Vielen in ihrer 
Bedeutung leider nicht genügend gewürdigte Entwicklung der Rechts- 
verhältnisse in den deutschen Schutzgebieten, welche sich besonders 
Professor Freiherr von Stengel, Dr. Kammacher und Oberbürgermeister 
a. D. Weber schon früher hatten angelegen sein lassen, in den Vorder- 
grund trat. 

In dem Reichstage fand die erste kolonialpolitische Debatte am 
4. Februar statt, als der Gesetzentwurf wegen Abänderung des Ge- 
setzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete 
vom 17. April 1886 zur Berathung stand und sogleich die ganze 


Digitized by Google 



Die Deutsche Kolonialgesellschaft. 


12 » 


Tragweite der in Hede stehenden Materie und das Bedürfnis» neuer 
Reehtsformen für Erwerbsgesellschaften enthüllte. Für manche 
Unternehmungen kolonialerArt sind die Vorschriften des Aktiengesetzes 
über die Aufstellung der Bilanz. Kontrole der Geschäftsführung n. s. \v. 
schon w egen der Entfernung des Betriebes vom Sitz des Geschäftes kaum 
zu erfüllen, und die von Erwerbsgesellschaften anderer Natur wegen der 
Haftbarkeit mit dem ganzen Vermögen wenig verlockend, sodass diese 
Berathnngen, an w elchen sich besonders die Abgeordneten Meyer (Jena) 
nnd Dr. Kammacher betheiligten, ein weitergehendes Interesse gewannen 
und auch zu eingehenden Untersuchungen in den Kreisen der Behörden 
und Kaufmannschaft, welche noch nicht abgeschlossen sind, Ver- 
anlassung gaben. Das Gesetz vom 15 März 1888 ist ein wesentlicher 
Fortschritt in der Entwicklung unseres Kolonialrechtes, da die recht- 
liche Möglichkeit nunmehr vorliegt, für koloniale Gesellschaften freiere 
Formen zu wählen und denselben durch Beschluss des Bundesraths 
Korporationsrechte zu erwirken. 

Die in Folge des Hinscheidens des Kaisers Wilhelm 1. ein- 
tretende Trauerzeit verhinderte ein Auf leben der Agitation, welche 
sonst durch wissenschaftliche und populäre Vorträge unterstützt 
wurde, und die Vorstandssitzung vom 14. April brachte wenig neue 
Gesichtspunkte. Es wurde in derselben beschlossen, die Organisation 
der Gesellschaft zu grösserer, frnchtbringer Thfttigkeit durch Ent- 
wicklung des Auskunftswesens, für welches der alte Kolonial verein 
ein Auskunftsbürean besessen hatte, zn erweitern, und die alten 
Wünsche der einheitlichen Regelung der Auswandererfrage durch 
ein Heiehsgesetz , der Aufhebung des v. d. Heydtschen Reskriptes 
wenigstens für Südbrasilien wieder erneuert. Es tauchte auf dieser 
Vorstandssitzung ein Antrag der Abtheilung Nürnberg auf, welcher 
bald eine praktische Gestalt gewinnen sollte. Derselbe war des 
Inhalts, dass alle Deutsche, welche für praktische koloniale Aufgaben 
Herz und Sinn hätten, mit der Frage sich beschäftigen möchten, in 
welcher Weise Emin Pascha in seiner bedrängten Lage am oberen 
Nil Hülfe gebracht werden könne. In eindringlichen Worten be- 
zeichnete die Abtheilung Nürnberg die Lösung dieser Frage als eine 
deutsche Aufgabe und liess au-serdem durchblicken, dass auch prak- 
tische und nützliche Zwecke hierbei erreichbar schienen Als Er- 
gänzung deutete der zweite Präsident, Herr Dr. Carl Peters, schon 
damals einen Plan zur Durchführung dieses Gedankens an. Dem 
Anträge ward von verschiedenen Seiten lebhafte Befürwortung zu 
Theil. Indessen fehlte es auch nicht an Einwendungen, und es 


Digitized by Google 



126 


Oie Deutsche Kolonialgesellscbaft. 


wurde beschlossen, den Antrag dem Ausschüsse zu näherer Prüfung 
zu überweisen. Der Ausschuss hatte in seiuen späteren Berathungen 
sich nun die Fragen vorzulegen, ob es anzuerkennen sei, dass es im 
nationalen Interesse liege, Eiuin Pascha von deutscher Seite Hilfe 
zu bringen, ob von der geplanten Expedition ein Erfolg für den 
Hauptzweck wie auch für die deutschen Kolonialbestrebnngen über- 
haupt zu erhoffen wäre, und inwieweit sich die Deutsche Kolonial- 
gesellschaft hei der Ausführung des Planes zu betheiligen habe. Die 
bejahende Antwort auf die beiden ersten Fragen war bald gefunden 
und hinsicln lieh des letzten Punktes war nur eine Meinung, «lass die 
Deutsche Kolonialgesellschaft als solche an der Ausrüstung und 
Leitung einer deutschen Expedition sich unmittelbar nicht zu be- 
theiligeu habe, da sie mit einem solchen Schritt ans dem Rahmen 
ihrer Satzungen heraustreten würde. Wohl aber war man allerseits 
geneigt, einer zu diesem Zweck sich bildenden Unternehmung die 
Unterstützung des Vereins zu gewähren. Deshalb hatte der Ausschuss 
beschlossen, einen hierauf gerichteten Antrag bei dem Vorstande der 
Gesellschaft zu stellen. Da die Vorstandssitzung in Weimar in Folge 
der über unser Vaterland gekommenen tief-schmerzlichen Trauer im 
Juni ausfallen musste, konnte jeuer Antrag damals nicht ein- 
gebracht werden. Inzwischen aber war bereits ein provisorisches 
Einin Pascha-Komite zusammengetreten, und da von sachkundiger 
.Seite ein schnelles Handeln als das Wichtigste bei der ganzen Sache 
wiederholt auf das dringendste bezeichnet wurde, erhob der Ausschuss 
zur Vermeidung bedenklichen Zeitverlustes jenen Antrag selbst zum 
Beschluss. Die Vorstandssitzung, welche zu Wiesbaden unter dem 
Vorsitz des Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg am 11. September abge- 
halteu wurde, stand unter dem Zeichen dieses Beschlusses. In warmer 
und überzeugender Weise vertrat der Director im Reichspostanit 
Sachse in längerer Rede diesen Antrag und eine Resolution wurde 
angeuommeu, nach welcher der Vorstand der Deutscheu Kolonial- 
gesellschaft es für eiu im nationalen Interesse wüusehenswerthes 
Unternehmen erklärte, durch Verschiebung deutscher Stationen im 
deutschen ostafrikanischen Interessengebiete nach dem Ukerewe-See 
und weiter, über den Albert-Nyanza, eine Verbindung mit Emin 
Pascha (Dr. Eduard Schnitzer) in Wadelai herzustellen, und sich bereit 
erklärte, eine zu solchem Zwecke sich bildende Gesellschaft nach 
besten Kräften zu unterstützen. 

In einer Tags darauf folgenden Sitzung des Vorstandes 
und der Vorstände der Abteilungen wurde das Emiu-Pascha- 


Digitized by Google 



Die Deutsche Kolonialgesellschaft. 


127 


K"tnitö definitiv knnstituirt und Herr Dr. Carl Peters als Vor- 
sitzender, Staatsminister von Hofmann als erster Stellvertreter, Dr. 
Schröder-Poggelow als zweiter Stellvertreter, Dr. Arendt als Schrift- 
führer and K. v. d. Heydt als Schatzmeister erwählt. Das Koniite 
begann sofort die umfassendste Agitation, die bisher mit grossem Er- 
folge privatim eingeleitet gewesen war, und veröffentlichte folgenden 
Aufruf: 1 ) 

*) Die Unterzeichner de» Aufrufes waren: Hermann Kürst zu llobenlohe- 
Langen borg, Langenhurg. W. Kürst zu Wied, Neuwied Hermann Prinz 
von Solms- Braunfe Is, Braunfels. Ackermann, (ieheimer Hofrath, M. d. K. 
und der sechs. Ständevcrsammlung, Dresden. Dr. Arendt, M. d. A., Berlin, .Schrift- 
führer. Graf Arnim-M uskan, M. d. R., Muskau. von Balan, Landrath. M. d. 
A„ Schlawe. Dr. Kritz Becker. Worms. Graf Behr-Bandelin, Kammerherr 
Seiner Majestät des Kaisers, Bandeliu. v. Below, Kideikomtnissbesilzer, Major a D., 
M. d. A., Saleske. v. Bennigsen, Oberpräsident, M. d. R., Hannover. Dr. Boke- 
meyer, Generalsekretär, Berlin. H. Bueck, Generalsekretär, Berlin. Dr. M. 
Busse, Bergrath, Dortmund. Dr. H. v. Campe, Hannover. Christophersen, 
M. d. A., Schleswig-Holstein. Clauss, Fabrikbesitzer, M. d. R. und der sächs. 
Stündeversammlung, Chemnitz. K. Cornelius. Mitglied des Vorstandes der Deut- 
schen KolonialgesellS' baft für .Südwestafrika, Berlin, v. Cranach, Regierungs- 
prisident, Hannover. Dr. Crede, Hofrath, Dresden. Professor Credner, Leipzig, 
von Cuny, Geheimer Justizrath, M. d. R., M. d. A., Berlin. Graf v. Douglas, 
M. d. A., Ascherslcben. von Drigalski, Generallieutenant a. D., Berlin, von 
Dziembowsky, M. d. A„ Schloss Meseritz. Dr. tbeol. K. Kabri, Godesberg. 
I)r. T. Kabri, Berlin. Professor Dr. Kriedborg, M. d. A., Halle. L. Friede- 
richsen, Hamburg. Dr. Gerlich, Landrath, Jl d. A., Schwetz (Westpreussen). 
Graf Hue de Grais, Geheimer Regietungsratb, M. d, A.. Berlin. Dr. Grimm, 
Ministerialpräsident a. D., Karlsruhe. Gross, Rechtsanwalt, Pforzheim. Dr 
Rudolf Grosse, Strassburg >. K. Guilleaume, Köln. K. Günther, Kotn- 
merzienratli, Diesden. Graf v. Hacke, Kontreadiniral a. D., Berlin. Dr. Uuniet, 
Landrath, M. d. A., Mors. Bansen, Landrath. M. d. A., Tonderu. Herwig, 
Vizepräsident, M. d. A., Berlin. Hessler, Regiemugshaumeister, Erfurt. Karl 
von der Heydt, Bankier, Elbeifeld, Schatzmeister. Hohrecht, Staatsminister, 
M. d A., M. d. R., Berlin, von Hufmaiin, Staatsminister, Berlin, Erster stellver- 
tretender Präsident. Jaekel, Landesdirektor, M. d. A., Dauzig. Dr. Inner, 
Köuigl Archivar, Hannover. Kaapcke, Gutsbesitzer, M. d. A., Ostpreussen. von 
Kardorff, M. d. R, Wahnitz (Schlesien). Kennemann, Rittergutsbesitzer, M. 
d. A., Klenka (Prov. Posen). Kressmann, Major a. D., Karlsruhe. K. A. Krupp, 
Gebeimer Kommerzienrath, Essen. Eugen Laugen, Geheimer Kommerzienrath, 
Köln. Baron von L&ugcrmann-Erlettkamp, M. d. A„ Lubin (Provinz Posen). 
Dr. M. Li ude man u, Bremen. Livouius, Vizeadmiral a. D., Berlin. Lucas, 
Assessors.!)., Direktor der Deutsch-Ostafrikaniscbeu Gesellschaft, Berlin. Lucius, 
Geheimer Kommerzienrath, M. d. A., Erfurt. Lückhoff, Fabrikant, M. d. A., 
Schlesien. Maercker, Lieutenant, Slrassburg i. E. Dr. Mehnert, Vorsitzender 
d, landw. Kredit«, i. K. S., Dresden. G. Meinecke, Redakteur, Berlin. Meister, 
Rittergutsbesitzer, M. d. A., Säugerau bei Tboru. Freiherr von Minnigerode, 


Digitized by Google 



128 


Die Deutsche Kolonialgesellscbaft. 


Der Aufstand des Mahdi im Sudan hat die ersteu Ansätze europäischer 
Gesittung am oberen Nil vernichtet; die Kulturwelt sieht mit Schrecken die 
Gräuel einer zügellosen Sklavenwirt hschaft sich immer weiter ausbreiten. Die 
Kunde, dass unser deutscher Landsmann Dr. Eduard Schnitzer, Einin Pascha, 
die ihm von der ägyptischen Regierung auvertrauteu äquatorialen Provinzen im 
Süden des Sudan gegen den mahdistischen Ansturm zu behaupten vermochte, 
und mit seinen Truppen dort ein letztes Bollwerk europäischer Kultur festbält, 
hat in Europa die Hoffnung wachgerufen, dass Emin Paschas Provinzen den Aus- 
gangspunkt für die Zivilisirung Mittelafrikas abzugehen vermögen. Mit reichen 
Mitteln zog Stanley im englischen Aufträge aus. um die Verbindung mit Emin 
Pascha herzustellen, seine Expedition muss leider als fehlgeschlagen gelten. 

Emin Pascha aber bedarf dringend der Hilfe; seine Briefe melden, dass 
seine Munition, seine Vorräthe zu Ende gehen. Soll unser hei lenmüthiger Lands- 
maun ohne Unterstützung gelassen, dem Untergänge überliefert, soll seine mit 
deutscher Thntkraft der Kultur gewonnene Provinz der Barbarei anheimfallen? 
Die Versuche, vom Kongo aus Emin zu erreichen, sind gescheitert, von Ostafrika 
aber führt der beste und sicherste Weg zum oberen Nil, und hier ist deutsches 
Gebiet, das die sichersten Ausgangs- und Stützpunkte für eine Emin Pascha- 
Expedition abgiebt Das deutsche Volk ist berufen, dem Deutschen Dr. Schnitzer 
Hilfe zu bringen. Diese Hilfe aber muss, wenn sie nicht zu spät kommen soll, 

M. d. A. Rositten. Graf von Mirbach-Sorquitten, M. d. R., Sorquitten. 
Muhl, Amtsrichter, M. d. A., Segeberg (Holstein), zur Nedden, Landrath, M. 
d. A., Marienburg (Nassau). Neubarth, Gutsbesitzer, M. d. A., Wünschcndorf 
(Provinz Sachsen). F. A. Neubauer, Geheimer Kommerzienrath, Magdeburg. 
Niethammer, Kommerzienrath, M. d. R. und der sächs. Ständeversammlung, Krebs- 
siein (Sachsen). Hugo Oppenheim, Bankier, in Firma Robert Warschauer it Ko., 
Berlin. W. O’Swald A Ko., Hamburg, v. Palezieux, Major, Weimar. Dr. Carl 
Peters, Berlin, Prä-ident, v. Pilgrim, Regierungspräsident, M. d. A-, Minden. 
Dr. Ritter, Generaldirektor, Waldenburg in Schlesien. Gerhard Roblfs, General- 
konsul, Weimar. K. von Roeder, Oberzeremonienmeister, Berlin. Rumpff, 
Fabrikbesitzer, M. d. A., Schloss Aprath (Rbeinprovinz). Sachse, Direktor im 
Reichspostamt, Berlin. G. Schaeffer, M. d. A., Görlitz. Dr. Scheffer, Ober- 
regierungsratb, M. d. A., M. d. R., Schlochau (Westpreussen). Schmidt, M. d. A., 
Sangerhausen. Schreiber, M. d. A-, Wolkramshausen bei Nordhauseu. Dr. 
Schroeder, Rittergutsbc-itzer, Poggelow. Zweiter stellvertr. Päsident. Scbultz- 
Lupitz, M. d. A., M. d. R. in Lupitz (Provinz Sachsen), von Schwarzkopf. 
M. d. A., Neustadt in Hannover. Professor Dr. Schweinfurth, Kairo. Simon, 
Geheimer Regierungsrath a. D., Berlin, von Steinrük, Landrath, M. d. A., M. d. R., 
Seelow. Stengel, M. d. A., Stassfurt. v. Steun, Rittmeister, Berlin, v. Teieh- 
rnann- Logischen, Generalmajor, Berlin. E. v. Tiedemann, M. d. A., ßomst 
(Provinz Posen . Tramm, M. d. A., Hannover. G. Truppei, Rudolstadt. Frei- 
herr vou Tücher, Regierungsrath, Nürnberg. von Uechtritz-Steinkirch, 
Kammergericbtsralh, M. d. A., Berlin .1. Ulrich, M. d. K., Pfungstadt (Grossh. 
Hessen). Vopelius, M. d. A., Sulzbach (Rheinprovinz). J. Wagner, Gymnasial- 
lehrer, Berlin. Wessel, Landrath, M. d. A., Stuhin (Westpreussen). Wettich, 
Stadtältester, M. d. A., Havelberg. Dr. Wibel, Wiesbaden. G. Witlenbrinck, 
Gymnasiallehrer, Burgsteiufurt. Wissmann, Premierlieutenant a. D., Berlin. 


Digitized by Google 



l)ie Deutsche Kolonialgesellschaft. 


129 


ungesäumt erfolgen. Das deutsche Emiu Pascha-Komitee wendet sich deshalb an 
die Nation uui werkthätige Unterstützung. Möge Jeder zu seinem Theil zur 
Ausführung eines Unternehmens beitragen, welches nicht nur unsere überseeische 
Machtstellung fördern und dem deutschen Handel neue Bahnen öffnen soll, son- 
dern vor allem bestimmt ist, einer Ehrenpflicht zu genügen, die uns dem kühnen 
deutschen Pioniere gegenüber obliegt. Namhafte Summen sind dem Komitee 
bereits zugeflossen ; um aber ungesäumt zur Durchführung der Expedition schreiten 
zu können, bedarf es der schleunigsten allgemeinen opferfreudigen Betheiligung 
weiter Kreise.“ 

Die Sammlungen nahmen, wie wir gleich noch in diesem Zusammenhänge 
hier erwähnen wollen, einen sehr erfreulichen Fortgang und das Komitee konnte 
schon beabsichtigen, im Oktober mit den Vorbereitungen zur Expedition, deren 
Vorhut Herr Premierlieutenant Wissmann, deren Hauptmacht Herr Dr. Peters führen 
sollte, zu beginnen, als der Aufstand in Deutsch-Ostafrika grössere Dimensionen armahm 
und bald seine ganze Thätigkeit lähmte. In dem Komitee selbst traten mehrere 
Strömungen zu Tage, eine Partei wünschte, dass die Expedition auf alle Fälle 
durch Deutscb-Ostafrika gehen solle, während die andere dem Weg über Witu, 
welchen Herr Premierlieutenant Wissmann vorschlug, besonders mit Rücksicht auf 
die schnelle Hilfeleistung, den Vorzug gab. Auf der Hauptversammlung der 
Deutschen Kolonialgesellschaft am 22. November zu Berlin kamen diese verschie- 
denen Anschauungen zur Besprechung und es wurde eine Resolution des Inhalts 
gefasst, dass es nothwendig sei, dass die Expedition zur Hilfeleistung für Kmin 
Pascha in kürzester Zeit und auf dem nächsten Wege zum Ziele gelangen möge. 
Am 25. November fand eine Sitzung des Gesammtkomitees statt, welches folgenden 
Antrag des Ausschusses einstimmig annahm: 

„Dem Herrn Premierlieutenant Wissmann wird aus dem Emin Pascha-Fonds 
eine vom Ausschuss zu bestimmende Summe zur Verfügung gestellt, um alsbald 
den ersten Theil der Emin Pascha-Expedition vorzubereiten und ins Werk zu 
setzen. Herr Wissmann soll ersucht werden, sich sobald als möglich nach Ost- 
afrika zu hegeben, die Verhältnisse au Ort und Stelle zu studiren und, je nach 
dem Ergebnisse dieser Prüfung, die Wahl seiner Route zu treffen. Als wünschens- 
werth sind bezeichnet, dass, wenn es ohne nnverhältnissmässig grossen Zeitverlust 
thunlich ist, der Weg durch das deutsch-ostafrikanische Gebiet genommen werde. 
Herr Dr. Peters soll ersucht werden, auch die Ausführung des von ihm über- 
nommenen Theiles der Expedition baldmöglichst vorzubereiten und ins Werk 
zu setzen.“ 

Damit schien die; Emin Pascha-Angelegenheit ans dem Stadium 
des Wartens herausgehoben , in die richtigen Bahnen gelenkt und 
Wissmann bereitete sielt zu der Reise vor, als gegen Ende des Jahres 
dunkle Gerüchte von Stanley und Emin Pascha, aber diesmal hoff- 
nungsvoller Natur, verlauteten, welche den Abgang der Expedition 
wieder in Frage stellten. 

Auf der Vorstandssitzung in Wiesbaden wurde, um nach dieser 
Abschweifung wieder auf das Thema zurüekzukommen , auch noch 
folgende Resolution angenommen, welehe sich gegen die Prätensionen 
der Royal Niger Company richtete: 

Jahrbuch für Deutliche Kvloni&lpolitik. 9 


Digitized by Google 



130 


Die Deutsche KolonialgesdUchaft. 


„Der Vorstand billigt die Maassnahmen und Proteste, welche durch das Prä- 
sidium und den Ausschuss in dem Kall Hönigsben? zur Abwehr englischer Ver- 
gewaltigung, sowie der von der Royal Niger Company auf dem Niger und Benue 
eingeleiteten Monopolbestrebungen veranlasst worden sind, und 

in Erwägung, dass die Ausbreitung des deutschen Handels in den beregten 
Gebieten zum Schutze unserer Interessen unerlässlich sei — , 
iu Erwägung ferner, dass unser Handel nach den uingezogencn Informationen 
anscheinend lohnend einsetzen und dadurch die Erforschung der Binnen- 
länder, sowie die Ausbreitung deutsch-christlicher Kultur in Mittel-West- 
afrika am wirksamsten unterstützen könne — 
und in Erwägung endlich, dass ein Unternehmen, welches vom Benue aus 
das Hinterland von Kamerun erschliessen und die Küste gewinnen wollte, 
mehr Aussicht auf Erfolg verspreche, als die bisherigen Bemühungen 
gehabt haben, welche von der Küste aus zur Erschliessung des Hinter- 
landes gemacht wurden — 

beauftragt der Vorstand den Ausschuss, der Bildung einer sich konstituirenden 
Niger-Benue-Handelsgesellschaft nach besten Kräften Unterstützung zu leiben. 

Auch wurde eine Resolution zu Gunsten des aus der früheren 
Gesellschaft für deutsche Colonisation entstandenen „Deutschen Frauen- 
vereins für Krankenpflege in den Kolonien“ angenommen, welcher 
die Förderung der Krankenpflege in den deutschen Kolonien durch 
Anlage von Samariterstationen und deren Unterhaltung mit Pflege- 
kräften, Heilmitteln, Instrumenten u. s. w. und die Förderung jeder 
Missionsthätigkeit in den deutschen Kolonialgebieten, welche die Lin- 
derung von Nothständen der eingewanderten und eingeborenen Be- 
völkerung im Auge hat, sich zum Ziel gesetzt hat. 

Die schon vorhin erwähnte, zu Berlin stattgehabte Hauptver- 
sammlung vom ‘22. November stand unter dem Zeichen der Ernin 
Pascha-Bewegung und ist ihr Antheil an der Gestaltung der- 
selben schon angedeutet. Auch die Fragen der Sklaverei und des 
Sklavenhandels wurden auf derselben behandelt und folgende, vom 
Vorstande eingebrachte Resolution angenommen: 

Die Hauptversammlung erachtet es als Aufgabe der Deutschen Kolonial- 
gesellschaft , sowohl im humanitären wie im kolonial-wirthschaftlichen Interesse 
für die Unterdrückung des afrikanischen Sklavenhandels einzutreten. Sie beauf- 
tragt den Vorstand und den geschäftsfübrenden Ausschuss der Gesellschaft: die 
allgemeine Theilnabme in Deutschland für die bezeichnet« Angelegenheit in 
weiteren Kreisen anzuregen und lebendig zu erhalten, die darauf gerichteten 
deutschen Bestrebungen zusammenzuf&ssen, mit ausländischen, den gleichen Zweck 
verfolgenden Vereinigungen in Verbindung zu treten und alle Schritte zu thun, 
welche auf die Aufhebung des afrikanischen Sklavenhandels hinzuwirken geeignet 
erscheinen. 

Eine andere, von Herrn Dr. Hammacher befürwortete, ange- 


Digitized by Google 



Die Deutsche Kolonialgesellschaft. 


131 


nommene Resolution, welche sich auf die eminent wichtige Frage 
der Auswanderung bezog, hatte folgenden Wortlaut: 

1. Es liegt im Interesse Deutschlands, dass die deutsche Auswanderung 
sich nach solchen Ländern wendet, in denen neben der Aussicht aut ein gutes 
wirthschaftlicbes und geistiges Fortkommen die Verhältnisse für die Erhaltung 
des Deutschlhums der Einwanderer und der Beziehungen derselben zu Deutsch- 
land die meisten Garantien bilden. 2. Es ist deshalb zu beklagen, dass das für 
das Königreich Preussen bestehende Ministerial-Reskript vom 3. November 1859 
die Auswanderung nach den südlichen Provinzen Brasiliens (Rio Grande do Sul 
und Sta. Cathanna), in welchen diese Vorbedingungen eines für die Aufnahme 
von Deutschen geeigneten Gebietes erfabrungsgemäss vorliegen, gehemmt hat 
und fortwährend hemmt. 3. Die Deutsche Kolomalgesellschaft hat die Pflicht, 
dahin zu wirken, dass solche Hindernisse einer den Gesammtinteressen Deutsch- 
lands entsprechenden Richtung der deutschen Auswanderung beseitigt werden, 
überhaupt aber durch Belehrung und duich weitere Entwickelung ihres Au«kunfls- 
bureaus innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen die Auswanderung ira 
deutsch-nationalen Interesse zu beeinflussen. Insbesondere liegt es ihr ob, die 
Bildung geeigneter Kolonisations-Unternehmungen zu fördern und die Tbätigkeit 
derselben zu unterstützen. 4. Es ist Aufgabe der Deutschen Kolonialgesellschaft, 
den Erlass eines die Thätigkeit wie den Geschäftsbetrieb der Auswanderungs- 
Unternehmer und Auswanderungsagenten im Deutschen Reiche einheitlich ord- 
net den Rcichsgesetzes anzustreben. 

Die grösste und schwierigste Aufgabe, die deutsche Auswanderung 
in Gebiete zu lenkeu, welche neben der begründeten Aussicht auf 
eine gesicherte Zukunft des Auswandernden dafür bürgen, dass 
deutsche Sprache und Sitte bewahrt und somit um so leichter auch 
die wirtschaftliche und geistige Zusammengehörigkeit der Aus- 
wandernden mit dem Vaterlande gewahrt und gefestigt bleibe, harrt 
noch ihrer Lösung. Wenn es der Kolonialgesellschaft gelingt, die 
jetzt plan- und ziellose Auswanderung zu organisiren, wird sie sich 
ein bleibendes Verdienst um das Vaterland erworbeü haben. Wir 
wollen das Beste für die Arbeiten in dieser Beziehung hoffen, denn 
die Erkenntniss der Bedeutung dieser Fragen hat sich im Inlande 
sowohl als im Auslände durchgerungen. 

Schon hei Beginn der Bewegung hatte sich gezeigt, dass die 
im Auslande augesiedelten Deutschen schneller und tiefer als 
Viele daheim die Bedeutung zu erfassen vermochten, welche die 
kolonialpolitischen Unternehmungen der Gegenwart für die Wohlfahrt 
der Gesammtheit haben müssen. Die Gesellschaft erfreute sich daher 
stets einer kräftigen Unterstützung von den im Auslande lebenden 
Deutschen, welche in stetig steigeuder Zahl zur Lösung ihrer grossen 
Aufgaben in patriotischer Weise mitwirken. Oft genug, wenn in der 
Heimath der grosse nationale Gedanke, in welchem der bewährte 

9* 


Digitized by Google 



132 


Oie Deutsche Kolonialgesellscbaft. 


Leiter unserer auswärtigen Politik das Werk unternommen hatte, 
durch kleinliche Gesichtspunkte kurzsichtiger Parteipolitik getrübt 
zu werden drohte, ist durch den Hinweis auf die Zustimmung und 
begeisterte Theilnahme der Deutschen im Auslande grossherzigeren 
Anschauungen zum Durchbruch verholfen worden. Wenn die Ge- 
sellschaft bei ihrem gemeinnützigen Wirken und ihren, der Gcsammt- 
heit der Nation geltenden Arbeiten auch fernerhin bei den Deutschen 
im Auslande, soweit sie sich noch als Deutsche fühlen, eine that- 
kräftige Unterstützung findet, wird die energische Inangriffnahme und 
Behandlung der Auswanderungsfrage im Verein mit anderen, den 
Bestrebungen günstig gesinnten hiesigen Faktoren, vielleicht bald ins 
Werk gesetzt werden können. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 

Deutsch-Södwestafrika. 

Obwohl der Name Angra Pequena von der Kolonialgesellschaft 
für Südwestafrika in Lüderitzbafen umgewandelt ist. um den muthigen 
bei der Erforschung des Landes umgekommeneu deutschen Pionier 
zu ehren, so hat sich doch im Volke der portugiesische Name 
erhalten, und mit ihm verbindet sich noch immer die Vorstellung 
von dem Anbrechen einer neuen Zeit. Und in der That muss Jeder, 
welcher die Kolonialentwickelung verfolgt, immer wieder auf diesen 
kleinen Ort zurückkommen, welcher vor nunmehr fünf Jahren plötzlich 
aus dem Nichts emportauchend, eine nicht unbedeutende Popularität 
erlangte. F. A. E. Lüderitz war der unternehmende Bremer Kauf- 
mann, welcher die Niederlassung in Angra Pequena gründete, um 
Handel und Viehzucht im Inuern zu treiben, wo durch die lang- 
jährigen Bestrebungen der Rheinischen Missionsgesellschaft die Ein- 
geborenen schon auf eine höhere Kulturstufe gebracht worden waren. 
Im Sommer 1882 hatte er schon die ersten Schritte gethan, um das 
Terrain sondiren zu lassen, und am 16. November 1882 dem Aus- 
wärtigen Amte Folgendes vorgetragen: 

.Ich beabsichtige io nächster Zeit ein Schiff mit assortirter Ladung, 
hauptsächlich deutscher Haaren, nach der Südwestküste Afrikas zu senden, 
und zwar nach einem Platze zwischen 22 und 28 Grad südlicher Breite, 
welcher noch im Besitze eingeborener Herrscher ist. 

Einen, die dortigen Verhältnisse kennenden Superkargo sende ich mit, 
um die Ladung zu verkaufen und zugleich einen Platz an oder in der Nähe 
der Küste auszusuchen, der für die Anlage einer bleibenden Faktorei ge- 
eignet ist. 

L'in dies unter möglichst günstigen Verhältnissen für mich bewerkstelligen 
zu können, gebe ich dem Superkargo Vollmacht, in meinem Namen Kontrakte 
mit einem oder mehreren der dortigen Machthaber abzuschliessen, welche 
dahin lauten sollen, dass dieselben mir gegen einen jährlich von mir zu 
zahlenden Tribut den Alleinhandel in ihrem Lande gestatten und das alleinige 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


134 


Kesitzrecbt auf die, zur Anlage der Faktoreien und Pflanzungen, oder auch 
Strausseufarmen, nöthigen Ländereien einräumen. Um in einem solchen 
Hesitze nicht gestört zu werden, wünsche ich denselben sofort bei Abschluss 
der Kontrakte unter den Schutz der deutschen Reichsflagge zu stellen und 
gestatte mir die gehorsamste Kitte, mich geneigtest benachrichtigen zu 
wollen, ob und unter welchen Bedingungen dieser Schutz mir gewährt wer- 
den kann.“ 

ln Vertretung; des Reichskanzlers wandte sich Graf v. Hatzfeldt 
am 4. Febrnar 1882 an den damaligen Geschäftsträger in London, 
Grafen v Bismarck-Schönhausen, indem er ihm hiervon Mittheilung 
machte und den Wunsch aussprach, er möchte die englische Re- 
gierung über ihre Absichten sondiren, obwohl an sich nichts im 
Wege stände, dem betreffenden Unternehmen den Schutz der Kaiser- 
lichen Regierung zu gewähren. Das englische Foreign Office, welches 
der Angelegenheit offenbar keine grössere Wichtigkeit beimass, als 
den Klagen der Rheinischen Missionsgesellschaft in den Jahren vor- 
her, t heilte darauf mit, dass es erst den Platz der Niederlassung 
zu wissen wünschte, um zn einer Ansicht darüber zu gelangen, ob 
die englischen Behörden im Nothfalle einen Schutz gewähren könnten. 
Während diese Korrespondenz vor sich ging, hatte Herr Lüderitz, 
welcher vom Auswärtigen Amte eine für seine Zwecke ausreichende 
Antwort erhalten hatte, die Vorbereitungen soweit beendet, dass er 
das zur Expedition ausgerüstete Schiff „Tilly“ nach Kapstadt ab- 
sandte, welches von dort nach Angra Pequena fuhr. Dasselbe langte 
mit der Expedition, an deren Spitze Herr Vogelsang stand, am 
April Abends in der Bai von Angra Pequena an, und legte sich 
am 10. in der Robertbai vor Anker. Die Theilnehmer der Expe- 
dition rekognoszirten das Land, welches trostlos und öde war, da 
der breite Dünenstreifen der Küste durchaus der Vegetation und des 
Trinkwassers entbehrte. Ein paar Hottentotten und englische Robben- 
fänger, welche auf den den Hafen schützenden Inseln ihrem Erwerbe 
oblagen, waren die einzigen Menschen in dieser Einöde. Man begann, 
die Ladung zn löschen, die Zelte aufzuschlagen und die nöthigen 
Arbeiten des Hausbaues zu verrichten. Der Beherrscher des Landes, 
Kapitän Josef Frederiek in Bethanien, zeigte sich bereit, Land ab- 
zutreten, und der Kaufkontrakt über das Land au der Küste von Angra 
Pequena in der Ausdehnung von zehn deutschen Quadratmeilen mit 
allen Hoheitsrechten wurde in niederländischer Sprache abgefasst und | 
am 1. Mai 1883 unterzeichnet. Damit war der erste erfolgreiche 
Schritt geschehen, welcher der deutschen Kolonialbewegung einen 
mächtigen Impuls geben sollte. Bald hörte man mehr von dieser \ 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


135 


Niederlassung, als ein englisches Kriegsschiff, die „Boadicea“ dort 
sich über die Lage vergewissern wollte, aber bereits die „Carola“ 
vorfand, deren Commandant die Engländer sehr höflich aber be- 
stimmt darüber anfklärte, dass ihr Schiff sich in deutschen Ge- 
wässern befinde. I>ie „Boadicea“ fuhr uaeh Kapstadt zurück, wo 
sich der Kapländer bald eine gelinde Raserei darüber bemächtigte, 
dass die Deutschen es gewagt hätten, vor ihren Thoren sich fest- 
zusetzen. Es folgte eine sehr lebhafte Korrespondenz über die Rechts- 
titel dieser Gegend zwischen der Kapregiernng , dem englischen 
Kolonialminister und dem Auswärtigen Amte, welche Jeder, der sich 
für Kolonialgeschichte im engeren Sinne interessirt, in den in der 
Anmerkung angesehenen Werken nachlesen möge. 1 ) 

Während die einen immer schärferen Ton annehmende Korrespon- 
denz ihren Fortgang nahm, hatte der Bevollmächtigte des Herrn Lü- 
deritz, Heinrich Vogelsang, am 25. August zu der Bai von Angra 
Pequena noch den übrigen Theil der Küste vom OraujeHuss aufwärts 
bis zum 26. Grad südlicher Breite nebst 20 geographische Meilen 
Landesfläche von jedem Punkt der Küste ans gekauft. Um aber der 
fortdauernden Agitation der Kapregiernng, welche sehr bedenkliche 
Mittel bei ihren Bestrebungen, ältere Rechte ausfindig und geltend 
zu machen, gegen die Deutschen anwandte, die Spitze abzubrechen, 
wurde das Kanonenboot „Nautilus“ nach Angra Pequena beordert. 
Der Bericht des Korvetten-Kapitän Aschenborn vom 27. Januar 1884 
über die Lage von Angra Pequena ist in einem Weissbuch 2 ) veröffent- 
licht worden und wir lassen ihn hier folgen, weil er heute noch für 
die Beurtheilnug der Verhältnisse von Interesse ist: 

.Der Hafen von Angra Pequena ist ein sehr guter. Schiffe von geringem 
Tiefgang, wie S. M. Kanonenboot „Nautilus“ und die hier an der Küste 
verkehrenden Schooner können bequem nördlich und südlich von der Penguin- 
Insel einlaufen und zwischen dieser Insel und der Niederlassuug ankern. 
Grössere Schiffe (Korvetten) müssen etwas südlicher beim Robert Harbour 
ankern, wo sie gegen die hier herrschenden südlichen Winde und die 
draussen stehende Dünung guten Schutz finden. Die Bucht ist durch die 
vorliegenden Inseln fast nach allen Richtungen geschützt, besitzt einen guten 
Ankergrund und scheint mir deshalb bei Weitem der beste Hafen an der 
ganzen südlichen Westküste von Afrika, vielleicht mit Ausnahme der Sal- 
danha- Bucht. Die genannten Inseln schützen den inneuhafen auch gegen 
die ausserhalb derselben fortwährend stehende Dünung, so dass das Wasser 

') Deutsche Kolonialgeschichte. Von Ma* von Koschitzky, Theil II. 
Leipzig. Verlag von Paul Frohberg 1887. 

*) Weissbuch. Vorgelegt dem Deutschen Reichstage in der 1. Session der 
t>. Legislaturperiode. Erster Theil. Berlin. Carl Heymanns Verlag 1885. 


Digitized by Google 



136 


Die deutschen Kolonien. 


des Hafens ruhig und glatt und das Landen an den sandigen Stellen leicht 
und bequem ist. Im Innenhafen liegt nur ein der Schifffahrt hinderlicher 
Felsen: der Tiger Kock, an der Nordostseite von Penguin Island; um den- 
selben ist aber tiefes Wasser und muss er nur durch eine Baake, auch bei 
Hochwasser, bei dem er unter der Oberfläche liegt, bemerkbar gemacht 
werden, um seine Gefährlichkeit zu verlieren. Das Klima ist ein gutes zu 
nennen, weil der Temperaturwechsel nur ein geringer ist und Flussmündungen 
oder Sümpfe nicht vorhanden sind. Die höchste dort von den Deutschen 
beobachtete Wärme betrug 34° Keaumur. Die Hitze belästigt wenig, da fast 
fortwährend ein frischer Südwest- bis Südwind webt, der von der See kom- 
mend kühlend wirkt. Das Wasser hat in Folge des kühlen nördlichen 
Küstenstroms nur eine Temperatur von 17,5° Celsius. Die Inseln waren, 
wie ihre Namen sagen, früher nur von Pinguinen und Robben bewohnt, 
jetzt befinden sieb einige Hütten der Arbeiter auf denselben, welche den 
Guano einsammeln. Verschiedene Arten von Seevögeln nisten noch in 
Mengen dort, doch soll die Guanoentnahme in zwei Jahren wegen Mangels 
an Stoff ihr Knde erreichen. Die Buchten des Hafens enthalten eine An- 
zahl von Fischen. Der Mineralreichthum des Landes soll ein grosser sein 
und wird in den, im Bereich der Kolonie und nördlich von derselben lie- 
genden Bergen mit Erfolg nach Kupfer, Silber und Gold gegraben. Herr 
Lüderitz bst die in der Nähe von Angra Pequena gefundenen Mineralien 
gesammelt, uuter ihnen sind verschiedene Metalle. Eisen z. B. fanden wir 
in kleinen reinen Stücken in der Felseumasse der Berge eingesprengt und 
konnten diese Eisenstückchen taschenvoll sammeln. Dm dem Wassermaugel 
abzubelfen, sollen Versuche mit artesischen oder abessinischen Brunnen an- 
gestellt werden und hofft Herr Lüderitz dazu die Hilfe eines aus der 
Kap-Kolonie erwarteten berühmten Quellenfinders. Auch plant er die Anlage 
einer Kohlenstation, da es häufig passiren soll, dass Dampfern vor dem Er- 
reichen von Kapstadt die Kohlen ausgehen. Nach Allem, was ich gesehen 
und gehört habe, geht nun das von mir verlangte Gutachten dahin: dass 
das von der Firma F. A. Lüderitz in Bremen im Hafen von Angra Pe- 
quena ins Werk gesetzte Handelsunternehmen gut gegründet und erfolgreich 
ist und dasselbe wuchsen und gedeihen wird, besonders wenn der Versuch, 
Brunnen anzulegen, gelingt. Das Fehlen des Wassers ist der Hauptmangel.* 

Anfang des Jahres 18«4 kehrte Lüderitz nach Bremen zurück, 
und legte dem Auswärtigen Amte die Situation klar dar, welches 
nach genommener Einsicht die vollste Ueherzeugung von der Unanfecht- 
barkeit der Lüderitzschen Besitztitel gewann und gegen die englischen 
kapländischen Machinationen nunmehr energisch einschritt. Am 24. April 
1884 ging vom Fürsten Bismarck folgendes Telegramm au den deut- 
schen Konsul in Kapstadt Lippert. welches die öffentliche Protektorats- 
erklärung des Deutschen Reiches bedeutet: 

Nach Mittheilungen des Herrn Lüderitz zweifeln die Kolonialbehörden, 
ob seine Erwerbungen nördlich vom Oranje-Fluss auf deutschen Schutz An- 
spruch haben. Sie wollen amtlich erklören. dass er und seine Niederlassungen 
unter dem Schutze des Reiches stehen. (gez.) von Bismarck. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


137 


Vou dieser Depesche wurde gleichzeitig der englischen Regierung 
Mittheilung gemacht, welche sich in der sehr unangenehmen Lage 
befand, in einer ihr ziemlich gleichgültigen Sache aus politischen 
Interessen für die Kap-Regierung energisch eintreten zu sollen und 
sich einem entschlossenen, zielbewussten Gegner gegenüberbefand. 
Sie war ihrer Aufgabe keineswegs gewachsen und beschränkte sich 
bald auf eine sehr matte Vprtheidigung, sucht nach Ausflüchten und 
Gründen die, ganze Angelegenheit zu verschleppen. Das Auswärtige 
Amt wurde aber des weiteren Hinziehens müde und Fi'i rst Bismarck 
sandte am 10. Juni folgende mit äusserster Klarheit und Präzision 
abgefasste Instruktion an den Grafen Münster, welche zu den grund- 
legenden Aktenstücken gehftrt und der nochmaligen Wiedergabe 
werth ist: 

„Nuchdera vermehrte Aufragen deutscher Unterthanen, namentlich han- 
seatischer, ob sie bei ihren afrikanischen Unternehmungen auf den Schutz 
des Reichs rechnen könnten, zu Anfang des vorigen Jahres an mich heran- 
getreten waren, ist es zunächst mein Bestreben gewesen, zu verhüten, dass 
wir, bei pfliebtmässiger Leistung dieses Schutzes, mit bestehenden oder auch 
nur behaupteten Rechten anderer Nationen in Kollision geriethen. Es lag 
mir daran, dies sicher zu stellen, ohne unnöthiger Weise Befürchtungen 
über unsere Intentionen, oder die Neigung letzteren zuvorzu kommen, hervor- 
zurufen. Ich habe deshalb die erste Anfrage, welche durch die Kaiserliche 
an die englische Regierung gerichtet wurde, in die Form gekleidet: ob 
England in der Lage sei, deutschen Ansiedelungen in Südafrika Schutz zu 
gewähren. Ich war mir dabei bewusst, dass England ohne neue, bisher 
nicht vorhandene Einrichtungen zu trefTen, in dieser Lage nicht sei. Es war 
mir aber erwünscht, die eigene Erklärung Englands darüber bei den Acten zu 
haben. Diese fiel, wie Euerer Excellenz bekannt, verneinend aus (Bericht vom 
26. Februar 1883). Durch Krankheit verhindert, dieses Geschäft im Auge zu be- 
halten, bin ich erst im Herbst vorigen Jahres durch erneute Mahnungen der 
betheiligteu Deutschen veranlasst worden, auf der Basis jener ersten von 
England erhaltenen Auskunft die Sondirungen darüber, ob wir bei Berück- 
sichtigung der ßremischeu Wünsche auf englischen Widerstand stossen 
würden, in der schonenden Form fortzusetzen, dass wir die englische Re- 
gierung fragten, ob sie glaube, an den Küstenstrichen zwischen dem Oranje- 
fluss und den portugiesischen Besitzungen , mit Ausnahme der Walflsch- 
Bai, rechtliche Ansprüche zu haben, worauf sich dieselben gründeten und 
welche Mittel eventuell in jeuen Landstrichen vorhanden wären, um deutschen 
Ansiedlern Schutz daselbst zu gewähreu. Es war uns dabei nicht unbekannt, 
dass England über solche Mittel auf jenen Küstenstrichen auch gegenwärtig 
nicht verfügt, sogar nicht einmal in der Waltisch-Bai, wo meines Wissens 
nur drei Engländer im Aufträge der Regierung vorhanden sind. 

Meine Absicht bei diesen Sondirungen war dahin gerichtet, das amtliche 
Auerkenntniss, dass jene Küstenstriche in europäischem Sinne res nullins 
seien, von England zu erlangen, ohne dass irgend ein Schatten von Hiss- 


S 


Digitized by Google 



138 


Die deutschen Kolonien. 


trauen oder Verletzung auf einer der beiden Seiten entstände. Meine Ab- 
sicht war, Gewissheit und Anerkenntniss von England darüber zu erhalten, 
dass England bisher keine nachweislichen Rechtsansprüche oder Besitztitel 
in jenen Küstenstrichen hinter sich habe. Diese von uns gestellte Frage 
konnte von England in acht Tagen und ohne Rückfrage am Kap erschöpfend 
beantwortet werden; es handelt sich nur um eine Erklärung über den da- 
maligen rechtlich nachweisbaren Besitzstand Englands. Diese einfache 
Frage ist von England dadurch komplizirt worden, dass I,ord Granville 
und Lord Derby sie so aufgefasst haben, als hätten wir gefragt, ob es 
England vielleicht konvenire, jetzt und in Zukunft noch etwas Anderes 
als die Walfisch- Bai auf jenen Küstenstrichen sich anzueignen. Eine Rück- 
frage bei der Kap-Regierung und ein Abwarten der dortigen Ministerkrise 
wurde für die britische Regierung nur ein Bedürfnis, wenn sie sich darüber 
vergewissern wollte, ob England oder dessen Provinz, die Kap- Kolonie, 
vielleicht noch Lust hätte, sich neue Küstenstriche in jener Gegend an- 
zueignen. • 

Zur Beantwortung unserer Frage hätte eine einfache Durchsicht der 
Register der früheren englischen Besitzergreifungen genügt: diese Register 
aber scbliessen nördlich vom Oranjefluss die ganze Küste nach Abzug der 
Walfisch- Bai ans 

Dies ist der Punkt, auf welchem wir meinem Gefühl nach von England 
nicht auf dem Fusse der Gleichheit behandelt worden sind. Dieses Gefühl 
wird verstärkt durch die Erklärungen, welche verschiedene englische Staats- 
männer in dem Sinne abgegeben haben, dass einmal die Nähe der eng- 
lischen Besitzungen England ein legitimes Recht gebe, Ansiedelungen 
anderer Nationen zu hindern, dass also England gegen die Nachbarschaft 
anderer Nationen die Monroe-Doktrin in Afrika geltend macht und dass ferner 
die englische Regierung, immer in der Voraussetzung, dass jene Landstriche 
re.« nullius seien, zwar der von England abhängigen Kap-Kolonie das Recht 
der Besitzergreifung dieser herrenlosen Länder einräumt, jeder andern Nation 
und in specie uns das Recht dazu bestreitet. 

Ich habe gestern die gleiche Frage mit Lord Ampthill besprochen und 
ihm dabei gesagt . dass das Deutsche Rekh seinen Angehörigen den Schutz 
ihrer Unternehmungen und Erwerbungen auch in Afrika nicht versagen könne, 
<la«s ich die Unternehmer, welche den Schutz des Reichs in überseeischen 
Ländern anrufen, auch nicht auf englischen Schutz anweisen könne, da wo 
bisher englische Herrschaft nicht Platz gegriffen bat, und wo deutsche Kauf- 
leute. in der Ueberzeugung. unter die ßotmässigkeit keiner anderen euro- 
päischen Macht zu treten, sich angesiedelt haben, ihnen nicht zumuthen 
könne, sich in Betreff ihrer Erwerbungen aus deutschen Unterthanen in eng- 
lische zu verwandeln. 

Meine Ansicht geht nach wie vor dahin, dass ein Kolonialsystem nach 
Analogie des heutigen englischen mit Garnisonen, Gouverneurs und Beamten 
des Mutterlandes für uns nicht angezeigt sei, aus Gründen, welche in unseren 
inneren Einrichtungen und Verhältnissen liegen, dass das Reich aber nicht 
umhin könne, seinen Schutz, soweit seine Kräfte reichen, auch auf solche 
Handelsunternehmungen deutscher Unterthanen zu erstrecken, welche mit 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


139 


Landerwerb verbunden sind. Ich habe mich auf die Analogie der englisch- 
ostindischen Kompagnie in ihrem ersten Anfänge berufen. Die darauf von 
I/Ord Amptbill an mich gerichtete Frage, ob wir soweit geben würden, den 
ßetheiligten ein Royal Charter zu bewilligen, habe ich bejaht. Euer Ex- 
cellenz wollen aus Vorstehendem die Richtung für Ihre Haltung in Be- 
sprechungen mit Lord Granville entnehmen. 

Unser Verhalten muss darauf gerichtet sein, in Deutschland den Eindruck 
7.11 verhüten, als ob wir dem in der That aufrichtig vorhandenen Wunsche 
des guten Einvernehmens mit England vitale Interessen Deutschlands opfern 
könnten. (gez.) von Bismarck.“ 

Die Kapkolonie raffte sich, nachdem sie anf dem diplomatischen 
Gebiete jämmerlich geschlagen war, endlich zu einer praktischen That 
anf und wollte nördlich vom 26. Breitengrade, wo sich die Walfischbai 
als unbestritten englisches Territorium befand, annektirend Vorgehen, 
alter die deutsche Regierung war diesen Bestrebungen zuvorgekommen. 
Am 7. August 1884 wurde in Angra Pequena unter Salut von 
21 Kanonenschüssen an Bord der Korvette „Elisabeth“ nnd der 
Korvette „Leipzig“ die deutsche Flagge gehisst. An demselben 
Tage erliess die Kapregierang eine Proklamation, welche die Annexion 
der Wallischbai an die Kapkolonie aussprach nnd folgende Grenzen 
des Territoriums festsetzte: Im Süden eine Linie, die von einem 
Punkt an der Küste 15 englische Meilen südlich von Pelican Point bis 
Scbeppmamisdorp geht; im Osten eine Linie, die von Schepomannsdorp 
bis zu dem Roribank führt, das Plateau einschliesst und von da bis 
10 englische Meilen landeinwärts von der Mündung des Swakop- 
Flusses geht, im Norden die letzten 10 Meilen des Swakop-Flusses, 
im Westen das Meer. Es sind dies die gültig anerkannten Grenzen. 

Die deutsche Regierung hatte aber noch einem anderen Schiffe, 
dem Kanonenboot „Wolf“, den Auftrag gegeben , die ganze Küste 
nördlich von Lüderitzland bis zur portugiesischen Grenze in Besitz zu 
nehmen, ausschliesslich der Walfischbai. Am 12. August, erfolgte die 
Flaggenhissung in Sandwichhafen, welche an anderen Punkten der Küste, 
bei Kap Cross, Kap Frio nnd an der Spencerbai vor sich ging. Die 
Deutschen hatten kurz darauf auch im Hererolande mit Unterstützung 
der Rheinischen Mission Verträge mit den eingeborenen Häuptlingen 
geschlossen, vorerst mit Piet Heibib. welcher sein Küstengebiet vom 
26. bis 22.“ ö. L. , nebst einem Gebiet von 20 geographischen 
Meilen von der Küste landeinwärts ahtrat und sich nnter die Hoheit 
des Deutschen Reiches stellte. Wie in den früheren Vertrügen 
wnrden auch in diesem alle Rechte Dritter Vorbehalten. Hiermit 
war die de facto Annexion des grossen Küstengebietes vollendet, es 


Digitized by Google 



140 


Die deutschen Kolonien. 


hlieb nur noch übrig, irn Innern mit den Häuptlingen Verträge ab- 
zuschliessen , besonders mit Maharero, dem Häuptling der Hereros, 
und die Grenzen nach Osten und Norden hin festzusetzen. General- 
Konsul Nachtigal erschien daher auf der Bildfliiche, um die Unter- 
handlungen der Deutschen und Missionare mit den eingeborenen 
Häuptlingen zu unterstützen. Maharero, von den Engländern auf- 
gereizt, hatte sich nämlich durchaus abgeneigt gezeigt, mit den 
Deutschen zu unterhandeln, während die Bastards in Rehobot und 
andere kleine Häuptlinge sich unter den Schutz des Deutschen 
Reiches gestellt hatten. Sogar der Häuptling Manasse von 
Hoachauas, dessen Gebiet im Süden bis zum Tscbamob-Flusse, im 
Osten bis Betschuaua-Land. im Nordosten bis zum Nganii-See, im 
Norden bis zum Okawango-Fluss. im Nordwesten bis Owambo-Land 
reicht, richtete ein Protektoratsgesuch an den deutschen Kaiser, 
welchem natürlich Folge gegeben wurde. Am 28. Oktober 1884 
schloss der Kapitän des Gross-Namalundes Josef von Bethanien nach 
einigen Verhandlungen mit Dr. Nachtigal einen Schutz- und Freund- 
schaftsvertrag mit dem Deutschen Reich. Dr. Nachtigal stellte dann 
am 28. November die Abtretung Piet Heibibs tiuter das Protektorat 
des Deutschen Reiches. Mehr Mühe machte es, den ersten Häuptling 
der Herero, Maharero, zu gewinnen, da besonders die kapländische 
Regierung durch Palgrave sehr gegen die Deutschen wühlte. Die 
englische Regierung ertrug dagegen das Unvermeidliche mit leid- 
lichem Geschick und suchte nur als Westgrenze ihrer Besitzungen 
das Betschuaualaud zu retten und als Grenze dafür den 20.° fest- 
zusetzen. Endlich am 21. Oktober wurde der Vertrag zwischen Dr. 
Göring, dem ernannten deutschen Reichskommissar für das südwestafri- 
kanische Schutzgebiet, und Maberero geschlossen, und damit im Grossen 
und Ganzen die Reihe der Erwerbungen vorläufig beendet, da nach 
Osten hin England durch Erwerbung des Betschuanalandes und Khamas 
Reich eine Grenze gezogen hatte. Als englische Westgrenze für das 
britische Territorium wurde der 20.° 0. L., der 22.° s. Br. als 
äusserste Nordgrenze bezeichnet. Es ist mehrfach beklagt wor- 
den, dass Deutschland so bereitwillig auf die englische Forderung 
einging, welche der Furcht vor einer etwaigen Vereinigung Deutsch- 
lands mit der Transvaal-Republik ihre Entstehung verdankte, alter 
mau möge auch bedenken, dass zur Zeit Deutschland das Mögliche 
erreicht hatte und es sicher im Interesse eines freundnachbarlichen 
Zusammenwirkens war. wenn auch Deutschland seinerseits nicht das 
Aeusserste versuchen wollte, zumal die Wurzeln seiner Macht in 


Digitized by Google 



Die lieutschen Kolonie». 


141 


dem Schutzgebiete selbst doch recht schwache waren. Mit Por- 
tugal wurde später ein Abkommen dahin abgeschlossen, dass die 
Grenzlinie dem Laufe des Onnene aufwärts bis zum zweiten Kata- 
rakt im Chelle- oder C'annagebirge folgt, um in gerader Richtung 
den Cnbango zu erreichen. Diesen entlang geht sie bis zum Ort 
Andora und alsdann dem Parallelbreitengrad folgend, bis zum 
Sambesi, den sie bei den Mololofftllen erreicht. Wie schon früher 
bemerkt, ist die Ausdehnung der deutschen Grenze nördlich vom 
22.° nach Osten hin noch unsicher. 

Das Gebiet enthält annähernd 1 Million Kilometer Flächeninhalt. 
Das Land steigt vom Meere allmählich an, bis es in etwa 200 — 300 km 
Entfernung eine Höhe von 1000 — 1100 m erreicht, lieber die 
Bodengestalt schreibt Dr. Pechuel-Loesche: 

„Den grössten Theil des Raumes nehmen ausgedehnte, 
ziemlich ebenmässige Hochflächen ein. Aus ihnen ragen Hauf- 
werke von Felsblöcken sowie massige Kuppen und Spitzen 
oder auch breit hingelagerte Berge hervor, die sich regellos 
nur wenige Meter oder einige Hundert und ausnahmsweise bis 
vielleicht 1000 m über ihre Umgebung erheben. In der Regel 
treten sie vereinzelt auf, hier und dort auch in Gruppen und 
Reihen. Wirklich gebirgige Gegenden sind selten und von 
verhältnissmässig geringem Umfange. Die Abflussrinnen durch- 
ziehen das obere Mittelland wie ein flach verlaufendes riesiges 
Geäder von nackten Sandstreifen. Je weiter westwärts, desto 
tiefer haben sie sich durch den Schutt in das Grundgebirge 
eingeschnitten, so dass ihre Betten inmitten vielgestaltiger 
Felseneinöden 50—200 m unter den benachbarten Hochflächen 
liegen. Aehnliche Verhältnisse scheinen im Kaoko vorzn- 
kommen. Im Grossnamaland führen keine nennenswerthen 
Abflussrinnen zum Meere. Dagegen haben die ostwärts und 
dann südwärts zum OranjeHuss ableitenden, besonders der grosse 
Fischfluss, viele Strecken ihrer Betten ebenfalls tief ausgefurcht. 
Die ungeheueren Gebiete östlich von der Wasserscheide sind 
einförmiger gebildet. Dort, dehnen sich endlose Ebenen, denen 
Landmarken in Gestalt auffälliger Erhöhungen (Kuppen, Spitzen) 
fast gänzlich fehlen. Sie senken sich so allmählich, dass der 
Ngamisee — an der Nordgrenze der Kalahari — in ungefähr 
900 m, una weiter nordostwärts, jenseits einer flachen Land- 
schwelle, welche die Tschobesümpfe von Ngami trennt, 
die Gebiete am Sambesi in etwa kOO m Höhe liegen. Die 


s 

Digitized by Google 



14 _> 


Die deutschen Kolonien. 


Südhälfte der Kalahari ist massig nach dem Oranjefluss ab- 
gedacht. Den Küstenstrich des Grossnamalandes bedecken 
Düneureihen in bedeutender Breite vom änssersten Süden bis 
zunt Kuisib. Längs der Waltischbai bilden sie nur uoch einen 
schmalen Gürtel und enden am Tsoachaub. Jenseits desselben 
wo die Küste schroffer wird, sollen nur noch am Strande 
vereinzelte und unbedeutende Sandweheu Vorkommen. *) Das 
Grundgerüst des Bodens bilden Urgesteine: Gneisse, Granit, 
Basalt, auf denen Sandsteine ruhen. Das Urgestein tritt 
fast überall zu Tage, vielfach zertrümmert und Schutt bildend: 
Im nächsten Hinterlande der Wallischbai, in der Wüste 
Namib, wie überhaupt im ganzen Küstengebiete des Mittel- 
landes liegt der Schutt frei zu Tage und ist durch mancherlei 
Bindemittel tennenähulich fest verkittet. Weiter binnenwärts. 
wo mehr Regen fällt, die Temperaturunterschiede jäher wech- 
seln, ist er allenthalben zu feinerem Grus und endlich zu einem 
sandigen, mürben und durchlässigen Erdreich verwittert, das von 
Regengüssen verschwemmt, während derTrockenzeit an derOber- 
fläche zu einer glatten harten Schicht zusammenbäckt. Diese wird, 
wo weidendes Vieh umherzieht, von desseu Hufen gewöhnlich zer- 
stört und in Staub verwandelt. Das Erdreich der binnenwärts 
von den Schuttwüsteu sich dehnenden besser beregneteu Hoch- 
flächen ist etwa einem leichten Roggenboden gleichzuachten. 
Es scheint mehr oder minder mit Saud und Grus gemischt, 
bis weit in das Innere hinein (Omaheke und Kalahari) sowie 
südwärts im Grossuamalaude und nordwärts im Kaokofelde vor- 
zukommen. Nach dem Ambolaude hin bis zum Cunene (Ueber- 
schwemmuugsgebiete) geht es in einen weichen schwarzen 
Boden über, der freilich auf weiten Strecken mit losem Sande 
überlagert ist. Ost- und südwärts von dort, nach dem 
Nganiigebiet hin, dehnen sich grösstentheils Sandfelder, die 
strichweise von trostloser Beschaffenheit sind: das soge- 
nannte grosse Durstfeld. Nicht besser beschaffen sind die 
Gegenden au den Tschobesümpfeu bis zum Sambesi und die 
östlich vom Ngamisee liegenden. Von Grossuamaland sind 
wiederum die westlichen Gegenden grösstentheils unter 
Flugsandmassen begraben, welche mehr als hundert Kilo- 
meter weit vom Meere landeinwärts vorgedrungen sind. 

*) Deutsche Kolonialieituui; 188S, No. 32. 


Digitized by Google 



, Die deutschen Kolonien. 


14a 


Eineu vortreffliche» Ackerbodeu, aus wohlgemisehtem und, wo 
nicht Sehlickschiebteu auf- oder zwischengelagert sind, gut 
zu bearbeitendem Schwemmlande bestehend, bieten die Ufer- 
leisten, hier und dort auch die Betten der Wasserläufe ini 
Mittellande dar. Freilich ist dabei nicht an fette Auengeläude 
zu denken, die ununterbrochen die Abflussrinnen umsäumen. 
Das zunächst anbaufähige Land tindet sich vielmehr allenthalben 
in Abschnitten vertheilt, die vorherrschend eineu bis fünf Hek- 
tar, manchmal auch zwanzig bis fünfzig Hektar gross sein 
mögen, ln den westlichen, tief ausgefurchten Flussthäleru liegt 
es stückweise eingeschaltet zwischen dem Bett und den zu den 
Hochflächen einleiten Felseneinöden; in den oberen Gebieten, 
wo die Hinnen noch in flach abgedachten Geläuden verlaufen, 
sind die Grenzen nicht so scharf gezogen. Dort wird der Um- 
fang der zusammenhängend bewirthsehaftbaren Felder haupt- 
sächlich von den Wassermengen abhängen, die man zur Be- 
rieselung beschaffen kann. Leider verarmt dieses wirklich gute 
Land, wo es nicht gepflegt wird, immer schneller, je mehr 
gegenwärtig die schützende Vegetation schwindet. Aus dem 
nämlichen Grunde erstickt es in den westlichen Flussthälern all- 
mählich unter dem von den Höhen herabgewehten Flugsande, 
sodass seine Ausdehnung nicht überall sicher zu bestimmen ist.“ 
Im Grossen und Ganzen dürfte das Gebiet dem westlichen Theile 
von Transvaal und Betschuanaland ähneln, mit dem es mancherlei 
Uebereinstimmendes hat. Was das Klima anbetrifft, so ist es intensiv 
trocken und grosse Temperaturdifferenzen , welche bis ‘200 R. be- 
tragen, kommen häutig vor. ln den Sommermonaten hat man am 
Tage etwa 30°, so dass im Zelte die Stearinkerzen schmelzen, in 
der Nacht 20°. ln den Wiutermonaten (Mai, Juni, Juli) wechselt 
die Wärme von 20° bis zu einer Kälte Nachts, welche das Wasser 
im Zelte gefrieren lässt. Doch ist die Hitze gut zu ertragen wegen 
ihrer Trockenheit, der Schweiss verdunstet schnell, und man hat sich 
nur vor unmittelbarer Sonnenbestrahlung zu hüten, wozu ein Sonnen- 
schirm ausreicht. Das Klima ist als Trockenklima gesund, Fieber 
kommen selten vor. Au den Küsten mässigen sich die Temperatur- 
gegensätze, monatelang ist häutig kein Wölkchen am Himmel zu 
sehen, aber wenn Niederschläge einmal kommen, dann sind sie 
heftig. Das ganze Land steht unter dem Einflüsse von zwei sehr 
beständigen Luftströmen, von denen im Sommer der eine aus den 
Tropenräumen des NO. feuchte und warme Luft, der andere aus SW. 


/ 


Digitized by Google 



144 


Die deutschen Kolonien. 


trockene kohle Luft bringt. Wo beide Strömungen auf einander 
treffen, entstehen Gewitter von erschreckender Heftigkeit. Gewöhnlich 
ist es dann Morgens warm, gegen Mittag schwül, aus SW. kommen 
Wolken, und plötzlich bricht der Platzregen los und überschwemmt 
binnen kurzer Zeit das Land bis zur Kniehöhe, wovon allerdings 
nach wenigen Stunden nichts mehr zu merken ist. Diese tropischen 
Gewitterregen sind am häutigsten im Innern, seltener an der Küste, 
wo deshalb auch weniger Quellen sind. Im Winter dagegen ist das 
Innere trocken, während der Küstenstrich unter dem Einfluss von 
Stanbwiuden, aber auch von andauernden Nebelregen steht, den wir 
als subtropisch bezeichnen würden. Aber auch diese Nebel nützen der 
Vegetation so wenig, wie das in den Gegenden, wo Regen fällt, herab- 
strömende Wasser, da es nicht tief in den steinhart getrockneten Boden 
eindringt, verdunstet, oder in Folge der bedeutenden Neigung vieler 
Flüsse, deren Rinnsale es eine kurze Zeit füllt, abläuft und sich 
allmählich im Boden verliert. Perennirende Gewässer hat daher das 
deutsche Schutzgebiet mit Ausnahme der Grenzflüsse und einiger dem 
Ngamisee zugehörender Bäche nicht aufzuweisen. Für mehrere 
Missionsstationen liefern ständige Quellen das nothwendige Wasser 
für Menschen und Vieh und zur Berieselung kleiner Gärten. Es 
giebt eine Anzahl von stagnirender Wasseransammlungen, sogenannte 
Vleys, und die charakteristischen Wasserbänke, welche oft lange Zeit 
mit Wasser angefüllt sind und auf deren Inhalt die Bewohner oft 
angewiesen sind. Die Grundwasservorräthe sind im Allgemeinen 
nicht reichlich, mit wenigen Ausnahmen liegen sie sehr tief und nur 
nach besonders ergiebigen Regenzeiten steigen sie etwas. Dieses 
sparsame Vorkommen von Wasser und die Schwierigkeit seiner Ge- 
winnung ist eines der grössten Hindernisse für die Erschliessung des 
Gebietes. Die Vegetation ist naturgemäss eine spärliche, zum gröss- 
ten Theil \on den Regenverhältnissen abhängig. Pechuel-Loesche 
nimmt an, dass von hundert Theilen des Schutzgebietes vier Theile 
Wüste sind, ein Theil mit Grundwasservegetation und die übrigen 
fünfundneunzig mit Regenvegetation bestanden sind. „Diese überwiegt 
jedenfalls in solchem Maasse, dass sie den Vegetationscharacter des 
Landes bestimmt: Das deutsche Schutzgebiet ist eine Stranchsteppe, 
die im Süden mehr zur dürftigen Grassteppe, im Norden zur Baum- 
steppe übergeht.“ Die Gegend der Regen vetation zeigen niedrige 
Sträucher und Gräser, der Grundwasservegetatiou eine beschränkte 
Anzahl von Bäumen an, welche aber nirgends enggeschlossen stehen, 
und meistentheils zu der Gattung Acacia gehören. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


145 


Die Thierwelt ist etwas reicher als die Pflanzenwelt, aber durch 
die beständigen Nachstellungen sehr vermindert, einige Spezies sind 
hier und da ansgerottet. Elephanten, Büffel, Flusspferde sind wohl nur 
noch im nördlichen und nordöstlichen Ende des Schutzgebietes zu 
finden und die Antilopen, welche in einer Unzahl von Arten ver- 
treten sind, nicht mehr in jener staunenerregenden Fülle, welche 
früher Reisende schilderten, da, wie gesagt, ein wahres Raabsystem 
einige Jahre vor der Annexion Platz gegriffen hatte, so dass der 
Reichthum, welchen die Natur seit Jahrhunderten aufgebaut hatte, 
in wenigen Jahren ruchlos zerstört wurde. Von Ranbthieren sind 
Löwen. Leoparden und Hyänen zu erwähnen, ferner von Einhufern 
Zebras und Quaggas, von Vögeln besonders die Strausse, welche 
noch häufiger angetroflen werden, und die Trappen. Die Tsetsefliege, 
deren Stich den Hausthieren den Tod bringt, ist in einigen Strichen 
vorkommend, doch nicht so häufig, dass sie der Rindviehzucht be- 
deutenden Abbruch thäte. Besonders reich ist das Schutzge- 
biet an Rindvieh, welches in der That den einzigen Reichthum der 
Eingeborenen, besonders der Herero, bildet. Rinder, Schaafe und 
Ziegen gedeihen ausgezeichnet in dem Schutzgebiete und die Ein- 
geborenen besitzen grosse Heerden davon. 

Das südwestafrikanische Schutzgebiet ist sehr diinn bevölkert; 
im Norden wohnen die Ambostamme, welche weitaus die Mehrzahl 
bilden, in dem mittleren Gebiet die dunkelhäutigen Herero, dann im 
südlichen Theile die Nama (Hottentotten), Bergdamara, Busch- 
männer, Bastards, Bondolzwaarts, die Mischlinge ans Europäern und 
Namas, und im Nordosteu einige wenig bekannte Stämme. 

Das Unternehmen des Herrn Lüderitz in AngraPequena hatte unter 
den gegebenen Verhältnissen mit manchen Schwierigkeiten zu kämpfen, 
da das wasserarme Hinterland wenig bewohnt war und die Einge- 
borenen wenig Bedürfnisse hatten. Er war bald zu der Ueberzengnng 
gelangt, dass nur durch Ausbeute der vorhandenen Erzlager das Unter- 
nehmen gewinnbringend werden dürfte und beeilte sich, das Hinterland 
auf Erzlager untersuchen zu lassen. Dass das Land an Kupfer reich war, 
stand ausser Frage, aber bei dem damaligen niedrigen Stande dieses 
Metalls hätte eine Ausbeute nicht gelohnt, zumal dieTransportschwierig- 
keiten durch den wasserlosen Dünengürtel eine übermässige Ver- 
theueruug herbeigeführt hätten. Schon im August 1884 ging eine 
Expedition von Fachleuten nach Angra Pequena ab, um das Land 
auf seinen Bodenwerth zn prüfen, hatte aber wenig Erfreuliches 
zu berichten. Auch die Versuche, im Hinterland die genügenden 

Jahrbuch für Dciit&cbe Kolonialpolitik. 10 


Digitized by Google 



146 


Die deutschen Kolonien. 


Mengen Wasser zu finden, schlugen fehl. In Aus ist der Versuch 
nicht ganz missglückt, an anderen Stellen sind grosse Summen und 
viel Arbeit anfgewendet worden, ohne den gewünschten Erfolg zu 
haben, sei es, dass die Unternehmer au falschen Stellen suchten oder 
nicht tief genug gruben. In trockenen Flussbetten ist die Suche 
nach Wasser ohne Zweifel am einfachsten und vernünftigsten. Man 
hat da erst durch eine Sandschicht und dann durch eine 2 — 6 Fuss 
tiefe verwitterte Steinschicht zu arbeiten und wird dann meist Wasser 
anf der zweiten harten Schicht vorfinden; ist diese aber noch porös, so 
muss auch sie durchdrungen werden, ehe man hoffen darf, an das 
richtige Reservoir zu gelangen; man wird dann aber gewöhnlich 
reichlich Wasser finden und auch sehr reines, frei von Salzen. Das 
Rationellste ist jedenfalls, Wasser in Thälern zu suchen. Die meisten 
Thäler haben eine mehr oder wenig tiefe Alluvialschicht, die auf einer 
nicht porösen Steinschicht ruht. Sind beide Seiten eines solchen Thaies 
von gleicher Höhe, so muss das Wasser in der Mitte gesucht werden, ist 
die eine Seite steiler als die andere, so werden die Wasseradern an 
der steileren Seite liegen. Quellen findet man selten am oberen 
Ende des Thaies, viel häufiger trifft man sie da an, wo sekundär 
Thäler einschneiden. Die geeignetste Stelle ist diejenige, die am 
weitesten vom Kreuzungspunkt der Thäler selbst, aber an der nie- 
drigsten Stelle liegt, gerade an solchen Stellen, wo das wenigste 
Wasser an der Oberfläche sich ansammelt. In manchen Fällen 
würde es sich vielleicht lohnen, den Rand des Querthaies zu ver- 
suchen, gerade wo es in das Hauptthai einläuft. Um aber genau 
den Strom des Grundwassers zu finden, bedurfte es sicher ein- 
gehender Studien, welche damals nicht gemacht werden konnten. 
In Angra Pequena selbst, für welches Trinkwasser aus Kapstadt ge- 
holt werden musste, hat man sich durch die Anlage von Süsswasser- 
Kondensatoren zu helfen gewusst, welche mit Glasdächern versehen 
sind und mit Seewasser gefüllt werden. Durch die Einwirkung der 
Sonne verdunstet das Wasser, kondensirt sich bei abnehmender Tem- 
peratur an der inneren Fläche des Glasdaches und wird durch Rinnen 
abgeführt, die am unteren Dachrande angebracht sind. 

Das Unternehmen des Herrn Lüderitz war so grossartig angelegt 
gewesen, dass er sich gezwungen sali, seine Rechte an eine Gesell- 
schaft zu veräussern. Es trat ein Konsortium zusammen, welches 
Lüderitz pekuniär entlastete, nnd als „Deutsche Kolonialgesellschaft 
für Südwestafrika“ am 13. April durch allerhöchste Kabinets-Ordre 
ihr Statut genehmigt erhielt. Nach §. 1 hat die Gesellschaft den 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


147 


Zweck, die von Herrn F. A. E. Lüderitz erworbenen, unter dem 
Schutze des Deutschen Reichs stehende Ländereien und Rechte käuf- 
lich zu übernehmen und durch andere Erwerbungen zu erweitern, 
die Grundbesitzungen und Bergwerksberechtigungen durch Expeditionen 
und Untersuchungen zu erforschen, industrielle und Handels-Unter- 
nehmungen, sowie deutsche Ansiedelungen vorzubereiten, gewerbliche 
Anlagen aller Art dortselbst zu machen und zu betreiben oder durch 
Andere betreiben zu lassen und das Privateigenthum zu verwertheu, 
und endlich die Ausübung sämmtlicher Hoheitsrechte zu überwachen, 
soweit solche der Gesellschaft für ihre Gebiete übertragen werden sollten. 
Zur Zeit der Gründung bestand das Vermögen der Gesellschaft aus 
800 000 M. (die Einlage 1000 M.), wurde aber bald auf 2 000 000 M. 
erhöht. Die Aufsicht über die Gesellschaft wird von dem Königl. 
Preussischen Ministerium für Haudel und Gewerbe und des Innern 
geführt. Als Präsidium des Verwaltungsrathes wurden gewählt: Se. 
Durchlaucht der Herzog von Ujest, sowie die Herren Reichstags- 
und Landtagsabgeordneter Dr. Hammacher und Geh. Kommerzien- 
rath Schwabach. 

An die Gesellschaft, deren patriotisches Vorgehen die höchste 
Anerkennung verdient, trat nuu die wichtige Aufgabe heran, den sich 
in einer Breite von 20 geographischen Meilen (nur im Hinterland 
der Walfischbay ist noch ein grösseres Territorium erworben) aus- 
dehnenden Küstenstrich wirthsehaftlich nutzbar zu machen, welches 
sowohl durch die Ausbeutung der Mineralschätze, als durch Ackerbau 
und Handel möglich erschien. Es wurden noch einige kostspielige Ex- 
peditionen abgeschickt, welche aber nur Ungünstiges berichteten. 
Die von Herrn F. A. E. Lüderitz übernommenen Minen und andere 
Grundrechte erwiesen sich als wenig werthvoll, der Ackerbau nur 
im beschränkten Maasse (häufig erst nach Anlage von Fangdämmen) 
möglich und der Haudel im Gebiete der Gesellschaft nur unbedeu- 
tend, so dass ihre Thätigkeit bald ziemlich brach lag. Sie erwarb 
noch einige Mineukouzessionen im Hererolaude, führte eine neue 
Bezeichnung des Landes ein (vom Oranje- bis zum Swakopflusse 
„Deutsch-Namaland“ und für den nördlichen Theil vom Swakopfluss 
bis zur portugiesischen Grenze „Deutsch-Damaraland“), aber unterliess 
es wegen der grossen Kosten um einen kaiserlichen Schutzbrief eiu- 
znkommen. Dagegen bescheinigte ihr der Reichskanzler als Aufsichts- 
behörde, dass die Gesellschaft in Gemässheit der von ihr geschlos- 
senen Verträge seitens der Häuptlinge nicht blos private, sondern 
öffentliche Rechte erworben habe, deren Ausübung unter dem Schutze 

io* 


Digitized by 


Google 



148 


Die deutschen Kolonien. 


des Deutscheu Reiches späteren Abmachungen Vorbehalten bleibe, 
und ferner, dass die von Reichswegen beabsichtigte Erhebung von 
Zöllen und Abgaben auf die Gesellschaft übergehen solle, sobald die- 
selbe in die unmittelbare Staatsverwaltung des Gebietes einzutreten 
in der Lage sei. Als ein die Entwicklung besonders des Berg- 
wesens, auf das man von Anfang an die grössten Hoffnungen gesetzt 
hatte, hinderndes Moment war noch die Anwendung des preussisehen 
Berggesetzes vom 24. .Juni 1865 auf diese unkultivirten Gebiete an- 
zusehen. was von vornherein lähmend wirken musste. 

Es hatte schon früher verlautet, dass nach der ganzen Konfiguration 
des Landes die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen von Gold spreche, 
aber die abgesandten Expeditionen hatten trotz grösster Mühe nichts 
linden können. Da wandten sich einige australische Goldgräber, unter 
der Anführung eines John Stevens, dessen in den Kupferminen vor 
langen Jahren beschäftigt gewesener Vater Riffgold entdeckt haben 
wollte, an die Gesellschaft, um die Erlaubnis nachzusuchen, auf 
eigene Kosteu unter den in anderen Golddistrikten üblichen Bedin- 
gungen in einem bestimmten Bezirk auf Edelmetalle und edle Steine 
zu schürfen. Mit den Goldgräbern wurde am 23. Juli 1887 in Kap- 
stadt ein Abkommen getroffen, wonach denselben die Erlaubniss zum 
Aufsuchen von Gold und Edelsteinen ertheilt und für den Fall, dass 
sie edle Metalle oder Steine in lohnender Menge („in payable quan- 
tities“) entdeckten, das Recht eingeräumt wurde, 8 Claims (s. g. Pro- 
spectors-Claims) von je 250 englischen Yards im Geviert auszu- 
suchen und als Eigenthum zu behalten. Sie konnten diese Claims 
solange ohne Zahlung einer Gebühr (licence) bearbeiten, als sie nach 
dem Vertrag die bona fiele Eigenthümer dieser Claims blieben. In 
Bezug auf den Minenbezirk, Minenbetrieb etc. unterwarfen sich die 
Diggers den Anordnungen des Reichskommissars, unbeschadet ihres 
Rechts auf die erwähnten Claims. Durch ein weiteres Uebereinkommen 
vom 25. Juli 1887 wurde unter Hinzuziehung des Andreas Ohlsson 
in Kapstadt unter der Gesellschaft und den fünf australischen Gold- 
gräbern ein Syndikat — das s. g. „Australian-Prospecting-Syndicate“ 
— zum Zwecke der gemeinsamen Ausbeutung der etwaigen Funde der 
Diggers gebildet. Auf dieses Syndikat gingen die Rechte der Diggers, 
insbesondere das Recht der Prospectors-claims, in der Weise über, 
dass an der Gesammtheit: der claims betheiligt, sein sollten: A. Ohlsson 
(welcher die Kosten der Expedition übernahm) mit -/ 8 . die Gesell- 
schaft mit 7 g und jeder der fünf Diggers mit 1 j e . Die Diggers 
reisten am 23. Juli 1887 von Kapstadt nach der Walfischbay, be- 


Digitized by Google 



t>ie deutschen Kolonien. 


149 


gaben sieh von (ia ins Innere und schlugen sehr bald bei der alten 
Pot-Mine auf einer Insel im Flussbett des Swakop ein goldhaltiges 
Quarzriff an. Das Goldvorkommen wurde durch den Reichskommissar, 
welcher sich an Ort und Stelle begab und durch mehrere Zeugen 
festgestellt. 

Eine Probe des gefundenen Golderzes gelangte hierher und wurde 
bei amtlicher Untersuchung als sehr reich erkannt. Obwohl man nun 
annehmen konnte, dass nur ausgesucht goldhaltige Proben hergeschickt 
waren, was die Abbanfähigkeit der Minen keineswegs sicherte, trat 
doch bald ein gelindes Goldtieber ein, ein an und für sich voll- 
kommen begreiflicher Zustand, da die Znkunft der Kolonie wesentlich 
von der Frage abhing, ob der Bergbau in lohnender Weise betrieben 
werden konnte. Aus den Kreisen der Gesellschaft bildete sich bald 
das „Süd westafrikanische Gold-Syndikat“, welches ein erhebliches 
Kapital daran setzte, um im deutschen Schutzgebiet Untersuchungen 
und Schürfungen auf Mineralschätze vorzunehmen, Verleihungen auf 
Abbau von Gold- und Edelsteinfeldern und Bergwerkseigenthum 
zu erwerben, wirtschaftliche Einrichtungen, welche mit der Ge- 
winnung von Gold Zusammenhängen, vorzubereiten, in eigenen Betrieb 
zu nehmen oder zu veränssern und wieder Gesellschaften zu bilden, 
welche einzelne oder sämmtliche Vennügensobjekte des Syndikats 
übernehmen sollten. Das Syndikat entsandte Ende März eine unter 
Führung des Herrn Dr. Gürich stehende bergmännische Expedition 
nach Südwestafrika. Von anderer Seite aber wurden ebenfalls Unter- 
nehmungen auf Bergbau ins Leben gerufen. Das Mitglied des Ver- 
waltungsrathes der Gesellschaft. Herr L. v. Lilienthal, hatte von den 
australischen Diggers und A. Ohlsson in Kapstadt einige Anteile 
an dem oben erwähnten „Anstralian-Prospecting-Syndicate“ erworben 
und schickte ebenfalls mehrere Personen nach Südwestafrika. Auch 
ein Ingenieur Scheidweiler, welcher schon früher Minenrechte von 
Maharero erworben hatte, begab sich angeblich im Aufträge eines 
Kölner Syndikats nach dem Gebiete. Diese Expeditionen waren recht 
geräuschlos in Szene gesetzt, sehr im Gegensätze zu einer sich bil- 
denden „Deutsch-Afrikanischen Minengesellschaft“, welche im schlimm- 
sten Reklamestvl besonders in Börsenzeitungon wirtschaftete. Sie 
hatte sich das Gutachten eines Geographen verschafft, welcher 
in demselben Grossartiges lieferte, als er schrieb, man habe aller- 
dings vielfach die bedeutenden Erträgnisse der südafrikanischen Gold- 
felder angezweifelt, indess durch die feststehende Thatsache, dass 
die Gesellschaften fast allgemein hohe Dividenden zahlten, dürfte das 


Digitized by Google 



150 


Die deutschen Kolonien. 


als nicht berechtigt hingestellt werden. „So zahlt von zwei Gesell- 
schaften in Kiraberley die eine 3 Prozent monatlich und im letzten 
Jahre 42 Prozent, die andere 20 Prozent per Anno, die de Beers- 
Mine giebt 20 Prozent, eine in Bultfoutein 24 Prozent“. Das Gutachten 
des Geographen, welcher leider hier Diamanten- mit Goldminen ver- 
wechselt hatte, wurde noch durch den Prospekt der kapitalsuchenden 
Gesellschaft übertrumpft, in dem es hiess: „Ausserdem aber sollen die 
Expeditionen der deutsch-afrikanischen Minengesellschaft ihre Auf- 
merksamkeit nicht bloss auf das Vorkommen von Gold richten, son- 
dern auch von Edelsteinen. Es ist schon jetzt konstatirt, dass 
in Südwestafrika Diamanten gefunden sind. Es hat sich 
nämlich herausgestellt, dass dort ganz ähnliche Bodenformationen 
wie in dem eigentlichen Diamantenlande, in Westgriqualand sich vor- 
tinden. Die Diamanten werden dort nämlich in Felsenkesseln vul- 
kanischer Natur, die mit blanem festem Thon ausgefüllt sind, gefun- 
den, und solche vulkanische Felsenkessel finden sich auch in Süd- 
westafrika. Wie überaus reichhaltig solche Diamantenkessel sind, 
geht daraus hervor, dass einem einzigen solcher Felsenkessel in West- 
griquaiande in dem Colesbey-Kopje von 1871 — 1886 für 400 Millionen 
Mark Diamanten entnommen sind, die nach Abzug aller Unkosten 
einen Reingewinn von 140 Millionen Mark ergeben haben. In dem 
Diamantengebiet Südafrikas bestehen bereits 20 grosse englische 
Aktiengesellschaften mit einem Aktienkapital von ca. 300 Millionen 
Mark, welche sehr bedeutende Gewinne erzielt haben.“ Diese offen- 
baren Uebertreibnngen — denn in Südwestafrika war bis dato noch 
kein Diamant gefunden, obwohl der blaue Thon auch dort vorkommt 
— zeigten einen ziemlich hohen Fiebergrad an und es war sehr gut, 
dass die kältere Natur des Nordländers solchen Phantasien nicht leicht 
zugänglich ist, denn wenn die Erwartungen zu hoch geschraubt wurden, 
hätte der Rückschlag die ganze koloniale Bewegung empfindlich ge- 
troffen. In einem hohen Grade wünschenswert!! war es allerdings, 
dass die Hoffnungen sich verwirklichten, aber es war in dem Stadium, 
in welchem sich die Angelegenheit im Frühjahr befand, jeden- 
falls nicht angebracht, das grosse Publikum zur Betheiligung an Berg- 
werksunternehmnngen in Südwestafrika heranzulocken zn suchen. 
Diese Minengesellschaft schickte Herrn Dr. Schwarz mit einem Ingenieur 
nach Damaraland, so dass dort bald eine lebhafte Bewegung entstand, 
zumal die verschiedenen Parteien, zu denen sich auch Engländer aus 
Kapstadt gesellten, einander vorzukommen suchten. Genaueres ist 
über die Entdeckungen dieser Gesellschaften hierher noch nicht gelangt, 


Digitized by Google 



Die deutscheu Kolouieu. 


151 


obwohl die Bergbehörde iti Otyimbingue, dem Sitze des Reichskom- 
missars, bereits im Juli ihre Thätigkeit damit begonnen hatte, dass 
sie das erste Schürfgebiet eröffnete. Dasselbe ist im Norden durch 
den Omaruru-, ira Süden durch den Kuisip-Fluss, im Westen durch 
das englische Waltischbay-Gebiet und die Meeresküste, im Osten durch 
den Weg von Okozoudye nach Otyimbingue und den sogenannten 
Minenweg von Otyimbingue bis zum Kuisip begrenzt. Infolge der 
Freigabe des Bergbaues auf diesem Gebiet waren bis zum 9. August 
25 Gesuche um Ertheilung von Schürfseheineu bei dem Bergamt ein- 
gegangen, welche das erste regelmässige Einkommen der Kolonial- 
gesellschaft während ihres Bestehens bildeten. 

Im Frühling des Jahres wurden auch die gegen die Ein- 
führung des preussischen Berggesetzes erhobenen Bedenken in der 
Hauptsache beseitigt, in Folge der durch das Reichsgesetz ain 
15. März 1888 ermöglichten Regelung der Bergwerksverhältnisse 
und durch die auf Grund dessen erfolgte Kaiserliche Verordnung 
vom 25. März 1888, betreffend das Bergwesen und die Gewinnung 
von Gold und Edelsteinen (siehe Anhang). 

Die gesetzliche Regelung des Bergwesens wurde durch kom- 
missarische Verhandlungen vorbereitet, an welchen Vertreter des 
Auswärtigen Amts, des Reichsjustizamts und der obersten preussi- 
schen Bergbehörde, sowie, Namens der Gesellschaft, im besonderen 
Aufträge des Verwaltungsraths Herr Dr. jur. Hammacher und drei 
Vorstandsmitglieder theilnahmeu. Auch der damals in Berlin an- 
wesende Kaiserliche Kommissar für das südwestafrikauische Schutz- 
gebiet, Herr Dr. Göring, betheiligte sich au den Berathungen. Die 
Verhandlungen führten zu einer vollständigen Einigung über die- 
jenigen Vorschriften, welche den Inhalt der Allerhöchsten Verordnung 
vom 25. März 1888 bilden. Durch diese Verordnung ist der Ge- 
sellschaft das Bergregal auf alle für den Bergbau in Betracht kom- 
menden Mineralien eingeräumt. Das Regal beschränkt sich nicht 
auf diejenigen Gebietstheile , in welchen die Gesellschaft bereits 
Eigeuthum oder Bergwerksgerechtsame erworben hatte, sondern es 
erstreckt sich darüber hinaus auf den ganzen Umfang des südwest- 
afrikanischen Schutzgebiets. Der Bergbau ist freigegeben. Die Ge- 
sellschaft hat als Regal-Inhaberin nicht allein das Bergwesen zu 
verwalten, sondern sie hat auch Anspruch auf gewisse Gebühren, 
Abgaben und Steuern gegenüber denjenigen, welche Bergbau treiben, 
und ausserdem ein Vorrecht auf die Verleihung von Feldern, so oft 
eine abbauwürdige Fundstelle erschlossen wird, ln Gemässheit des 


Digitized by Google 



152 


l>ie deutschen Kolonien. 


§ 42 der Verordnung wurde von der Gesellschaft nun eine Bergbehörde 
unter dem Namen „Bergamt der Deutschen Kolonial-Gesellsehaft 
für Südwest-Afrika“ mit dem Sitz in Otyimbingue errichtet, welches 
vorläufig aus zwei Mitgliedern besteht und mit den nöthigen Instru- 
menten und sonstigen Geschäfts-Üteusilien ausgestattet ist. Der 
erste Beamte. „Berghauptmann“, ist der Berginspektor Frielinghaus. 

Zur Wahrung der Autorität der Bergbehörde und Erhaltung 
der Ordnung beim Bergbau, sowie im bürgerlichen Leben überhaupt, 
war auch die Aufstellung einer bewaffneten Macht nothwendig ge- 
worden. denn die Streitigkeiten derEingeborenen unter einander nuhinen 
kein Ende. Die Gesellschaft hat deshalb nach einem im Einverständ- 
nisse mit dem Herrn Reichskommissar entworfenen und von dem Herrn 
Reichskanzler gebilligten Organisationsplau eine Schutztruppe vor- 
läufig für die Zeit bis zum 31. März 1889 errichtet, welche zunächst 
dem Oberbefehl des Reichskommissars unterstellt ist. Sie sollte vor- 
läufig aus 7 Führern (2 Offizieren und 5 Unteroffizieren) und 
aus 20 Mann Eingeborenen bestehen, militärisch organisirt, beritten 
und uniformirt seiu und als Kern für eine grössere, aus Eingeborenen 
zu bildende bewaffnete Macht dienen, für welche sich das Material 
zur Genüge findet, obwohl es in Folge des ungebundenen Charakters 
der Eingeborenen nicht das beste ist. 

Die Kolonialgesellschaft, deren Vorstand die Herren Direktor 
F. Cornelius. Staatsminister v. Hofmann und Oberbürgermeister a. D. 
Weber bilden, bat ferner noch in Otyimbingue einen kaufmännischen 
Vertreter in der Person des Herrn C. Franken und in der Lüderitz- 
bucht einen früheren Landwirth C. Hermann, der neben der Ver- 
waltung der Station Anpflanzungs versuche und meteorologische Beob- 
achtungen zu macdien hat, wozu die deutsche Seewarte Instruktionen 
und Formulare lieferte. Ausserdem wollte der letztere im Hinter- 
lande, welches geeigneten Boden für die Wollschafzucht enthält, dort 
Versuche damit anstellen. 

Für die Ausbreitung des Handels in dem Schutzgebiet hat sich auch 
die Deutsch- Westafrikanische Kompagnie gebildet, deren erste Handels- 
expeditionen jedoch in Folge der Unkenntnis» der Ansprüche der 
Eingeborenen, welche in der Mehrzahl nicht mehr rohe Wilde sind, 
sondern schon eine Anzahl Bedürluisse haben, nicht den gewünschten 
Erfolg hatten. Da Geld im Lande wenig kursirt, und die Einge- 
borenen nur Vieh zum Austausch besitzen, dessen Ausfuhr nach 
Kapstadt nicht mehr lohnt, beschloss die Kompagnie, den Yieh- 
reichtlmm des Landes durch Anlage einer Schlächterei auszubeuten. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


153 


Sie hut im September 1887 die zur Errichtung einer Export-Schläch- 
terei erforderlichen Gebäude nebst den für den Betrieb nöthigou Ein- 
richtungen. sowie das entsprechende Personal in einein eigenen Schiffe 
nach Südwestafrika abgesendet, nachdem ihr von der Kolonial- 
gesellschaft. mit Genehmigung des Verwaltungsraths, die Zusage 
ertbeilt tvar. dass sie der Kompagnie ein von ihr auszuwählendes 
Grundstück an der Küste in der Ausdehnung von 4 — 5 ha auf 
zwanzig Jahre unter gewissen Bedingungen pachtweise überlassen 
würden. Von dieser Zusage hat die Deutsch-Westafrikanische Kom- 
pagnie Gebrauch gemacht, indem sie durch ihre Abgesandten einen 
Platz in Sandwich-Hafen, dem besten deutschen Hafen an der Küste 
des Schutzgebietes, zur Aufstellung der Schlächterei-Gebäude aus- 
wählen liess, welche im August d. J. in Betrieb gesetzt wurden. 
Die Haupt-Handelsstation ist in dem Hafen von Waifiscbbay einge- 
richtet. da vornehmlich von dort ans der Verkehr nach dem Innern 
des Landes und eine regelmässige Verbindung mit der Kapstadt statt- 
findet, während eine zweite Handelsstation im Inneru des Landes im 
Thale des Swakopflnsses eingerichtet werden soll, üeber den Gang 
des Handelsgeschäfts sprechen sich die Bevollmächtigten der Kompagnie 
in Afrika sehr befriedigend aus, doch wird die Schlächterei mit 
manchen Schwierigkeiten wegen der schlechten Wege nach Sandwich- 
hafen zu kämpfen haben. Der Verbrauch von deutschen Erzeug- 
nissen ist schon jetzt ein sehr ansehnlicher und wird sich in Folge 
der Goldfunde im Innern des Landes noch um Vieles heben. 

Ein anderes Konsortium, welches im Begriffe ist, sich zu bilden, 
will an einer günstigen Stelle des Hinterlandes Ackerbau treiben und 
auch später versuchen, einige deutsche Ackerbauer dort anzusiedeln, 
wo eine künstliche Bewässerung durchführbar ist, besonders am Orauje- 
fluss, in einer Gegend, welche allerdings zur deutschen Interessen- 
sphäre gehört, aber noch nicht unter deutschem Schutze steht. Bis 
jetzt haben sich nur einige Deutsche entschlossen, ihr Glück als 
Ackerbauer oder Viehzüchter hier zu versuchen, einmal weil die 
Eingeborenen nur schwer zur Arbeit zu bewegen nnd die Absatz- 
verhältnisse in Folge der schlechten Verbindung nach der Küste 
sehr ungünstige sind. Es sind hier zu erwähnen die Unternehmungen 
der Herren Dominikus in Stolzenfels, in der äussersten südöstlichen 
Ecke der deutschen Interessensphäre, und Petersen im Thale von 
Ausenkjer. Grössere Ausiedlungen werden aber hier kaum entstehen 
können, da die fruchtbaren Uferlcisten nur schmale sind. Für alle 
diese Unternehmungen bilden auch die Transportverhältnisse schwer 


Digitized by Google 



154 


Die deutschen Kolonien. 


zu überwindende Schwierigkeiten. Vielleicht liegt es im Interesse der 
Regierung, die Buren, welche allerdings mehr Viehzüchter als Acker- 
bauer sind, in ihr Gebiet hinüberzuziehen. Eine Bureu-Kolonie im 
Nordosten, deren Führer Jordan aber mit den Eingeborenen Streit 
bekam und getödtet wurde, Upingtonia, hat sich unter deutschen 
Schutz gestellt, doch weiss man nichts Genaueres über ihre Fort- 
schritte; andere Buren werden sicher, wenn erst einmal die von den 
Engländern geübte Abschreckungstheorie nicht mehr verfängt, in das 
Schutzgebiet hineinrückeu. 

Aus der dem Reichstag vorgelegteu Denkschrift, betr. die finan- 
zielle Verwaltung der drei westafrikanischen Schutzgebiete, entnehmen 
wir, dass ein Beitrag des Reiches zur Bestreitung der Verwaltungs- 
ausgaben im südwestafrikanischen Schutzgebiete noch erforderlich ist 
für das nächste Etatsjahr. Bezüglich des Verwendungszweckes der in 
Frage kommenden Gesammtsumme von 102000 Mk. wird bemerkt: „Als 
Amtssitz für den kaiserlichen Kommissar ist seiner Zeit Otiymbiugue 
im Hererolande gewählt worden, weil dieser nördliche Theil des 
Schutzgebietes wirtschaftlich die grössere Bedeutung hat. Der 
Kommissar konnte jedoch von Otvimbingue aus auf die Gestaltung 
der Verhältnisse in dem südlichen Theile des Schutzgebietes, dem 
Namalande, in Folge der grossen Entfernungen bisher keinen ge- 
nügenden Einfluss ansüben. Eine Handhabung der Gerichtsbarkeit 
und Polizei, soweit sie Sache des Kommissars ist, war unmöglich. 
Die friedlichen und deutschfreundlichen Häuptlinge des Nama- 
landes konnten in ihren Bemühungen zur Aufrechterhaltung der Ord- 
nung nicht unterstützt werden. Unter diesen Umständen ist die 
baldige Stationirung eines vom Reichskommissar ressortireudeu Be- 
amten im Namalande Bedürfuiss. Des weiteren muss in beiden 
Theilen des Schutzgebietes auf eine Vermehrung der Polizeimacht 
Bedacht genommen werden. Die deutschfreundlichen eingeborenen 
Streitkräfte werden mit Hülfe geeigneter, dem deutschen Unteroffizier- 
staude zu entnehmender Instrukteure zweckmässig zu organisireu, 
sowie mit Waffen und Munition zu versehen sein.“ 

Ein energisches Auftreten der deutschen Macht erscheint um 
so gebotener, als einige eingeborene Häuptlinge nicht übel Lust 
zeigten, die Deutschen als eine quautitö n6gligeable zu behan- 
deln. So lauge nur wenig Deutsche im Laude waren, küm- 
merten sich die Herero wenig um sie, aber als im Sommer eiue 
grössere Anzahl nach Otyimbingue kamen, wurden sie um ihre 
Selbstständigkeit besorgt und unzufrieden. Auch die verschiedenen 


Digitized by Google 



Oie deutschen Kolonien. 


155 


Prospektors werden die Hereros inkommodirt haben, so dass eine 
tiefe Missstimmung gegen die Deutschen Platz griff, zumal letztere 
die ersten gegen die Viehdiebstähle und Angriffe der Narnas wegen 
ihrer geringen Macht nicht schützen konnten. Maharero, watikel- 
raüthig wie nur irgend ein afrikanischer Negerhäuptling, angereizt 
durch die Gebrüder Lewis, zwei Engländer, welche schon vor der 
deutschen Protektoratserklärung alle Minenkonzessionen im Herero- 
land erhalten haben wollten, widerrief seine feierlich bekräftigten 
Abmachungen mit dem Reichskommissar zu Gunsten der Engländer, 
so dass ein vollständiger Stillstand in der Arbeit der Bergbehörde 
eintrat, und der Reichskommissar es für das Gcrathenste hielt, vor- 
läufig Otyimbingue zu verlassen. 

Die Engländer hatten, als sie einsahen, dass Maharero all- 
mählich deutschfeindlich wurde, lange gewühlt, um einen Umschwung 
zu Gunsten einer englischen Besitzergreifung herbeizuführen. 

Mit Maharero hatte das Reich, vertreten durch den Reichs- 
kommissar Herrn Dr. Göring und den ehemaligen Missionar im 
Damaralande, Herrn Pastor Büttner, wie schon erwähnt, unterm 
21. Oktober 1885 einen Schutz- und Freuudschafts vertrag abge- 
schlossen, dessen wesentliche Bestimmungen folgende sind: 

1. Maharero bittet Seine Majestät den Deutschen Kaiser, die Schutzherrschaft 
über ihn und sein Volk zu übernehmen. Seine Majestät der Deutsche Kaiser nimmt 
dieses Gesuch an und sichert dem Maharero seinen Allerhöchsten Schutz zu. 

2. Maharero verpflichtet sich, sein Land oder Tbeile desselben nicht an eine 
andere Nation oder Angehörige derselben ohne Zustimmung Sr. Majestät des 
Deutschen Kaisers abzutreten, noch Verträge mit anderen Regierungen abzu- 
schliessen ohne jene Zustimmung. Dagegen will Se. Majestät der Deutsche Kaiser 
die von anderen Nationen oder Angehörigen derselben mit Oberhäuptliugen und 
Häuptlingen der Hereros früher abgeschlossenen und zu Recht bestehenden Verträge 
respektiren. 

3. Der Oberhäuptling sichert allen deutschen Staatsangehörigen und Schutz- 
genossen für den Umfang des von ihm beherrschten Gebiets den vollständigsten 
Schutz der Person und des Kigenthums zu, sowie das Recht und die Freiheit, in 
seinem Lande zu reisen, daselbst Wohnsitz zu nehmen, Handel und Gewerbe zu 
treiben. Die deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen sollen in Mabareros 
Gebiet die bestehenden Sitten und Gebräuche respektiren, nichts thuti, was gegen 
die deutschen Strafgesetze verstossen würde, und diejenigen Steuern und Abgaben 
entrichten, welche bisher üblich waren. 

Dagegen verpflichtet sich Maharero, in dieser Beziehung keinem Angehörigen 
einer anderen Nation grössere Rechte und Vergünstigungen zu gewähren, als den 
deutschen Staatsangehörigen. 

4 Rechtsstreitigkeiten zwischen Hereros unter sich, sowie die von ihnen 
gegeneinander verübten Vergehen und Verbrechen unterliegen der Gerichtsbarkeit 


Digitized by Google 



156 


Die deutschen Kolonien 


der Lancieshäuptlinge. Dagegen sind die ira Heierolande sich aufhaltenden deutschen 
Staatsangehörigen und Schutzgenossen bei Rechtsstreitigkeiten unter sich, sowie in 
Bezug auf von ihnen gegeneinander begangene Verbrechen und Vergehen der 
deutschen Jurisdiktion unterworfen. Die Feststellung der Gerichtsbarkeit in Bezug 
auf Rechtsstreitigkeiten zwischen deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen 
einerseits und Hereros andererseits, sowie bei Vergehen und Verbrechen von 
deutschen Staatsangehörigen und Schutzgenossen gegen Herero» oder umgekehrt 
bleibt einer besonderen Vereinbarung zwischen der deutschen Regierung und den 
Hererobäuptliugen Vorbehalten. Bis eine solche Vereinbarung getroffen sein wird, 
sollen vorkouiniende Rechtsfälle der hezeichneten Art von dem Kaiserlicheu Korn 
missar oder dessen Stellvertreter unter Zuziehung eines Rathsmitgliedes entschieden 
werden. 

In demselben Monat, in welchem dieser Vertrag zum Abschluss 
kam — Oktober 1885 — verlieh 1 ) Maharero verschiedenen Personen 
das Recht, in seinem Lande nach Minen zu Sachen und, falls solche 
gefunden werden, dieselben zu bearbeiten. Diese Berechtigungen, 
mit Ausnahme der an deu Ingenieur Scheidweiler aus Köln er- 
theilteu Konzession, sind später auf die Koionialgesellschaft für 
Südwestafrika übergegangen. Von einer an R. Lewis gegebenen 
Generalkonzession auf Minenbetricb im ganzen Hererolande war hei 
den damaligen Verhandlungen mit keiner Silbe die Rede. Erst im 
Oktober 1886 ward eine solche, angeblich schon unterm 9. September 
1885 vollzogene Konzessionsurkunde, welche dem Lewis auf 20 Jahre 
das ausschliessliche Recht auf Bergbau im Damaralande verleiht, 
dem Reichskommissar in Abschrift vorgelegt worden. Maharero 
leugnete auf Befragen, eine derartige Urkunde vollzogen zu haben: 
er sprach nur von zwei bestimmten Minen: Otavi-Mine und Ebony- 
(oder Palgrave-) Mine, auf deren Betrieb R. Lewis ein Recht besitze, 
und er Unterzeichnete auf Verlangen des Reichskommissars unterm 
14. September 1887 folgende Erklärung: 

„Nachdem ich durch den Kaiserlich Deutschen Kommissar für 
das südwestafrikanische Schutzgebiet, Herrn Dr. Gering, erfahren 
habe, dass der grösste Theil der von mir seiner Zeit an Deutsche 
verliehenen Minenkonzessionen auf die Deutsche Kolonialgesellschaft 
für Südwestafrika in Berlin übergegangen und dass diese auch in 
der Lage ist, eine Ausbeutung der Minen in Angrift’ zu nehmen, 
so erkläre ich hiermit alle Konzessionen, welche mit den dieser 
Gesellschaft ertheilten oder auf sie übergegangenen in Widerspruch 
stehen, für nichtig. Ich nehme ausdrücklich davon aus die Ebony- 
und die Otavimine, welche ich für eine gewisse Zeitdauer dem 

*) Deutsche Kolonialzeitung. No. 3. 1 S8'J. 


Digitized by Google 



I>ie deutschen Kolonien. 


157 


Händler R. Lewis verliehen habe. Die gesetzliche Regulirung des 
gesammten Minenwesens in meinem Lande überlasse ich der 
dentsehen Regierung.“ 

Die Erklärung ist in der Urschrift mit den Handzeichen Maha- 
reros und seiner Rathsleute , sowie der Zeugen W ilhelm und Diehl 
versehen. 

Unterm “25. März 1888 erliess Kaiser Friedrich die Verordnung, 
betr. das Bergwesen und die Gewinnung von Gold und Edelsteinen 
im südwestafrikanischen Schutzgebiet, durch welche das Bergregal 
in diesem Schutzgebiete der Deutschen Kolonialgesellschaft für Süd- 
westafrika eingeräumt wird. In § 4 dieser Verordnung ist ein Vor- 
behalt zu Gunsten der schon früher erworbenen Bergwerksgerechtsame 
dritter Personen gemacht. Die Grenzen der Gebiete, auf welchen 
solche Rechte Dritter bestehen, sollen durch die Bergbehörde fest- 
gestellt werden. Streitigkeiten über solche Gerechtsame sind von 
der Bergbehörde und in zweiter Instanz durch den Reiehskommissar 
zu entscheiden. 

Die Bergbehörde ist, wie schon erwähnt, im letzten Sommer in 
Otyimbigue eingesetzt worden, und es wäre die Sache des Lewis gewesen, 
wenn er aus seiner angeblichen Generalkonzession Ansprüche auf 
ausschliesslichen Bergwerksbetrieb im Damaralande herleiten wollte, 
diese Ansprüche vor der Bergbehörde und in höherer Instanz vor 
dem deutschen Reichskommissar geltend zu machen. Statt dieses 
gesetzliche Verfahren eiuzuhalten, begab sich Lewis nach der Kap- 
kolonie, bildete dort eine oder mehrere Gesellschaften znr Aus- 
beutung seiner Generalkonzession (angeblich mit einem Kapital von 
400 000 Pfd. Sterling), und mit den ihm hierdurch zur Verfügung 
gestellten Geldmitteln gelang es ihm, nach seiner Rückkehr zu 
Maharero diesen ganz für sich und gegen die deutsche Schntz- 
herrsehaft zu gewinnen. 

Auf den 80. Oktober v. J. wurde eine Versammlung nach 
Okahandya berufen, bei welcher es. wie der Verlauf gezeigt hat. 
von vornherein darauf abgesehen war, nicht bloss in Bezug auf den 
Bergbau, sondern auch in allen übrigen Beziehungen der deutschen 
Schutzherrschaft im Damaralande ein Ende zu machen und den 
alten Plan des englischen Protektorats zur Ausführung zu bringen. 
An dieser Versammlung nahmen von deutscher Seite Theil: der 
Reichskommissar Dr. Göring, der Bevollmächtigte der Deutschen 
Kolonialgesellschaft für Südwestafrika Karl Franken, der Führer 
der Sclmtztrnppe Lieutenant von Quitzow und die Missionare Diehl 


Digitized by Google 



158 


Die deutschen Kolonien. 


und Eich, beide stationirt zu Okahandya; von Engländern waren 
erschienen Robert Lewis mit sieben Genossen; von den Hereros der 
Oberhäuptling Maharero mit seinen Rathsleuten, mehreren Unter- 
häuptlingen und einer zahlreichen Schaar Eingeborener. Auf die 
Einzelheiten der t heil weise sehr verworrenen Verhandlung einzu- 
gehen, lohnt nicht. Es genügt, die Hauptpunkte herauszuheben. 
Herr Dr. Göring stellte von vornherein fest, dass er nicht als Ver- 
treter der Kolonialgesellschaft oder irgend eines Bergwerksberechtigten 
erschienen sei, sondern als Vertreter Sr. Majestät des Deutschen 
Kaisers. In den Bergwerksangelegeuheiten habe er nach dem Gesetz 
als Richter zu entscheiden, stehe also den von verschiedenen Seiten 
erhobenen Ansprüchen unparteiisch gegenüber. Es wurde dann über 
die verschiedenen, von Maharero ertheilten Konzessionen hin- und 
hergesprochen. Lewis brachte ausser seiner Generalminenkonzession 
noch eine bis dahin unbekannte, ihm angeblich von Maharero eben- 
falls unterm 9. September 1885 ausgestellte Vollmacht („ Power of 
Attorney“) vor, wodurch er zur Ausübung aller Hoheitsrechte des 
Oberhäuptlings ermächtigt, also mit anderen Worten zum Regenten 
des Landes ernannt wäre und zugleich den Auftrag erhalten hätte, 
das Protektorat Ihrer Majestät der Königin von England über Da- 
maraiaud uachzusuchen. Maharero suchte die von ihm an deutsche 
Staatsangehörige ertheilten Konzessionen dadurch als bedeutungslos 
hinzustellen, dass dieselben — was nicht wahr ist — nur das Recht 
zum Suchen von Mineralien verliehen hätten, während der Betrieb 
des Bergbaus von seiner weiteren Erlaubniss abhängig geblieben 
wäre. Auf die von deutscher Seite an ihn gerichteten Fragen über 
die Bedeutung seiner Nichtigkeitserklärung vom 14. September 1887 
gab er ausweichende Antworten und verliess dann die Versammlung, 
die damit schloss, dass die anwesenden Hereros unter Führung von 
Lewis und Genossen sich von dem mit dem Deutschen Reich ab 
geschlossenen Schutz- und Freundschaftsvertrag lossagten und nicht 
nur die dem Lewis ertheilte General konzession, sondern auch die 
Vollmacht Mahareros, welche Lewis zum Regenten einsetzt und ihm 
die Verhandlung wegen Einführung der englischen Schutzherrschaft 
überträgt, als zu Recht bestehend anerkannten. 

• In Folge dieser Verhandlung und der sich daran knüpfenden 
feindseligen Haltung der Hereros, welche sich unter andern darin 
zeigte, dass die Fortsetzung eines von der Kolonialgesellschaft be- 
gonnenen Hausbaues in Otyimbingue durch den dortigen Uuterhäupt- 
ling verhindert wurde, beschlossen der deutsche Reichskommissar 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


159 


und die Beamten der Gesellschaft, um einer noch schlimmeren 
Wendung der Dinge vorzubeugen, das Hererogebiet einstweilen zu 
verlassen. Sie begaben sich zunächst nach der Waltischbav. Ein 
Verzicht auf die Rechte, welche in dem Schutzvertrag vom 
21. Oktober 1885, in der kaiserlichen Verordnung vom 25. März 
1888 und den an deutsche Staatsangehörige verliehenen Bergwerks- 
konzessionen begründet sind, hat ebensowenig stattgefunden, als eine 
Anerkennung der Generalkonzession oder der Vollmacht des Lewis. 
Da einzelne, von dem Reichskommissar bei der Verhandlung zu 
Okahandya gemachte Aeussernngen dahin missverstanden worden 
waren, als habe er eine solche Anerkennung ausgesprochen und 
deutsche Rechte aufgegeben, so sah sich Herr Dr. Göring veranlasst, 
in einem an Lewis gerichteten Schreiben ausdrücklich gegen eine 
derartige missverständliche Auffassung seiner Worte Verwahrung 
einzulegen. Damaraland ist hauptsächlich durch seinen Viehreich- 
thum ein wichtiger Theil des südwestafrikanischen Schutzgebiete, 
aber es ist doch immer nur ein Theil — und die Feinde der 
deutschen Kolonialpolitik frohlocken zu früh, wenn sie bereits das 
Ende der deutschen Schutzherrschaft in Südwestafrika mit Schaden- 
freude begrüssen. In hohem Maasse peinlich für das deutsche 
Nationalgefühl sind die hier besprochenen Vorgänge allerdings, aber 
wir dürfen hoffen, dass die kaiserliche Regierung hier wie in Ost- 
afrika Mittel und Wege zu finden wissen wird, um das deutsche 
Ansehen wieder herzustellen. Um wieder geordnete Zustände herbei- 
zufnhren, dürfte es sich empfehlen, sollte Maharero nicht wieder 
anderen Sinnes werden, was allerdings anzunehmen ist, die Namas 
mehr als bisher als einen Faktor in der Politik zu verwenden. Bis 
jetzt ist es für die deutsche Politik noch nicht nöthig gewesen, in 
derselben Weise, wie es die Engländer zu thun pflegen, die Zwistig- 
keiten der Eingeborenen rücksichtslos im eigenen Interesse zu be- 
nutzen, aber ohne eine energische, baldige Kraftäusserung wird das 
bei den Eingeborenen schon recht tief gesunkene Ansehen des 
Deutschen Reiches nicht wieder zu heben sein. 


Digitized by Google 



160 


Die deutschen Kolonien. 


Das Kamerungebiet. 

Der deutsche Handel hatte schon in den sechsziger Jahren in diesem 
Gebiete Fuss gefasst, aber erst Ende der sechsziger Jahre hatte das Haus 
C. F. Woermann am KamerunHuss eine Faktorei angelegt, obwohl der 
Ausübung des Handels grosse Schwierigkeiten entgegenstanden. Dieselbe 
Firma hatte auch bereits im Jahre 1874 beim Auswärtigen Amt die 
Ernennung eines Konsuls für Kamerun nachgesucht, aber erst im 
Jahre 1883 nahm die Regierung Veranlassung, sich bei den Senaten von 
Hamburg und Bremen um Aeusserung ihrer Wünsche, das Kamerun- 
gebiet betreffend, zu erkundigen, welche so befriedigend lauteten, dass 
die Regierung sich entschloss, das Protektorat über das Kamerungebiet 
zu übernehmen, wo es den deutschen Kaufleuten trotz englischer Iu- 
trignen gelungen war, unter der Hand die bedeutendsten Häuptlinge 
der Duallas, die „Kings“ Bell, Akwa, Joss und Dido zum Abschluss 
von Verträgen zu bewegen. Am 12. Juli 1834 fand ein grosses 
Palaver statt und die beiden Kings Bell und Akwa traten durch 
Vertrag ihre Hoheitsrechte an die Firmen Woermann und Jantzen 
& Thormählen ab, worauf am 14. Juli in den Dörfern dieser Häupt- 
linge, am 26. Juli in Bimbia die deutsche Flagge durch den Reiclis- 
kommissar, Generalkonsul Dr. Nachtigal, 1 ) welcher im Mai mit dem 
Kanonenboot Möwe von Lissabon nach Westafrika abgereist war, 
gehisst wurde. Einige Tage darauf wurde auch in Batanga die 
deutsche Flagge gehisst, worauf bald die Möwe nach Angra Pequena 
abdampfte, nachdem es einem im englischen Interesse arbeitenden 
Polen, Rogozinski, doch gelungen war, einige Theile des Kamerun 
gebirges von Victoria aus, welches englischer Besitz war, zu er 
werben. Einige Stämme von Eingeborenen waren aber unzufrieden 
über die Besitzergreifung der Deutschen und gingen, von den Eng- 
ländern angereizt, zu offenen Thätliehkeiten über, sperrten den Handel 
und den Mungofluss, so dass auch der deutschfreundliche Häuptling 
Bell, welcher sich auf einer grossen Handelsexpedition am oberen Mungo 
befand, nicht zur Küste gelangen konnte. Die feindlichen Stämme 
brannten Belltown nieder, so dass die Deutschen mit Sehnsucht das 
Eintreffen des neugebildeteu westafrikanischen Geschwaders er- 
warteten, von dem die Korvetten Olga und Bismarck am 17. De- 

') cfr. Weissbnch: Erster Theil. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


161 


zember sich an einer der Barren an der Kameninmündnng vor Anker 
legten. Gegenüber der feindlichen Haltung der Eingeborenen, be- 
sonders auf dem rechten Ufer des Flusses, wurde eine Aktion am 
•20. Dezember beschlossen, auf welche hier nicht weiter einge- 
gangen zu werden braucht, zumal über diesen Gegenstand das schon 
früher zitirte Werk von Max v. Koschitzky, „Deutsche Kolonial- 
geschichte“, Jeden, der sieh dafür genauer interessirt, Aufschluss 
geben wird und die Sache noch bekannt ist. Mit den Engländern, 
welche die Haltlosigkeit ihrer Stellung bald einsahen, kam eine 
Auseinandersetzung ohne grosse Schwierigkeiten zu Staude, nachdem 
das englische Foreign Office dem Grafen Münster eine Note am 
29. April 1885 übergeben hatte, deren Hauptpunkte foigeude sind: 

„Grossbritannien verpflichtet sich , keine Gebietserweiterungen zu machen, 
keine Schutzherrschatt anzuuehmen und der Ausbreitung deutschen Einflusses nicht 
entgegenzuwirken in demjenigen Theile der Küste und des Inlandes von Guinea 
welcher östlich von der Linie liegt, die aufwärts gebildet wird durch die rechte 
Vferseite des zwischen der 8° 42' und 8° 46 1 östlicher Länge (von Greenwich) in 
die See mündenden Kio del Key bis zu seiner Quelle und von dort in gerader 
Linie die Richtung nach der linken Uferseite des Alt-t’alabar- oder Cross-Flusses 
nimmt, diesen Fluss überschreitet und ungefähr auf der 9° 8' östlichen Länge an 
einem Punkte endigt, der nach der englischen Admiralitätskarte als „Rapids“ be- 
zeichnet ist. — Deutschland verpflichtet sich, keine Gebietserweiterungen zu machen, 
keine Schutzherrschaften anzunehmen uud der Ausbreitung britischen Einflusses 
nicht entgegenzuwirken in demjenigen Theile der Küsten und des Inlandes von 
Guinea, welcher zwischen der, wie vorstehend angegeben, an der Mündung des Kio 
del Rey beginnenden Linie und der britischen Kolonie Lagos liegt. Beide Mächte 
kommen überein, alle Schutzherrschaften, welche sie innerhalb der hiernach dem 
anderen Thcil /.ugestandenen Grenzen schon errichtet haben, aufzugeben, wobei 
jedoch eine besondere Ausnahme für die Missionäre in Victoria an der Ambasbai 
gemacht wird, welche eine britische Besitzung bleiben soll. Deutschland erklärt 
sich bereit, die eingelegte Verwahrung gegen das Dissen der britischen Flagge in 
Santa Luciabai zurückzuzieben und an der Küste zwischen der Kolonie Natal und 
der Delagoabai keine Gebietserwerbungen zu machen oder Schutzherrschafteu attzu- 
nehmen.“ 

Hinsichtlich der Abgrenzung des Schutzgebietes nach Süden 
wurde mit Frankreich am 24. Dezember 1885 ein Protokoll unter- 
zeichnet, welches folgendes festsetzt: 

„Die Regierung Sr. Majestät des deutschen Kaisers verzichtet zu Gunsten 
Frankreichs auf alle Souveränetäts- und Protektoratsrechte über die südlich am 
Campoflusse gelegenen Gebiete, welche von deutschen Reicbsangebärigen erworben 
und unter das Protektorat Sr. Majestät des Kaisers gestellt worden sind. Dieselbe 
übernimmt die Verpflichtung, sich einer jeden politischen Einwendung südlich au 
einer Linie zu enthalten, welche den genannten Fluss von seiner Mündung bis zu 
dem zehnten Grade östlicher Länge von Greenwich (sieben Grad vierzig Minuten 
östlicher Länge von Paris) und von diesem Punkte ab dessen Breitenparallel bis 
Jshrbnrb für Deutsche Kolonialpolitlk. 1 1 


Digitized by Google 



162 


Die deuteeben Kolonien. 


zu dem Schneidepunkt des letzteren mit dem fünfzehnten Grad östlicher Dünge von 
Greenwich (zwölf Grad vierzig Minuten östlicher Länge vou Paris) folgt." 

Es war damit die Grenzt'rage im Allgemeinen gelöst, zumal 
auch England Victoria abtrat, und wenn auch die später vom 
Old Calabar in nördlicher Richtung festgesetzte Grenze — bis Yola 
am Benue — nicht den Erwartungen Vieler entsprach, so war uns 
doch durch die energische Politik des Reichskanzlers ein sehr zu- 
kunftsreiches, durchaus tropisches Gebiet mit einem Hinterlande von 
ihr Grösse Deutschlands gewonnen, welches nun der Erschliessung 
durch die Deutschen harrte. 

Ueber die Art der Verwaltung kam man erst nach längerer 
Zeit in’s Klare. Bei den Berathungen zwischen dem Reichskanzler 
und den Hamburger Kaufleuten wurde zunächst der Gedanke einer 
Vereinigung der in den deutschen Schutzgebieten an der west- 
afrikanischen Küste domizilirten Firmen erörtert, welche die lokale 
Verwaltung übernehmen sollten, aber der Gedanke wurde später wieder 
fallen gelassen und die Verwaltung in Kamerun für eine unmittelbar 
unter dem Reiche stehende Kolonie eingerichtet. Freiherr v. Soden 
wurde zuin Gouverneur ernannt und ihm als Kanzler Herr v. Putt- 
kamer beigegeben. Später folgten noch andere Beamte nach, u. A. 
ein Postbeamter, Hafenkommandant, ein Lehrer Christaller, Sohn 
eines früheren Missionars, und ein Militär, um eine Polizeitruppe zu 
bilden, für welche neuerdings Haussa-Neger angeworben sein sollen. 
Auch ein Küstendampfer, nach dem berühmten F'orscher, welcher 
hier seine letzte Ruhe fand, „Nachtigal“ genannt, wurde nach Kamerun 
geschickt, wo er sehr gut in den Krieks verwendet werden konnte. 
Auf dein früheren Terrain von Josstown wurde auch der Bau eines 
aus Stein und Eisen herzustellcnden Regierungsgebäudes begonnen. 
Einfuhrzölle wurden eingeführt, um die Verwaltungskosten der Ko- 
lonie zu decken, und das deutsche Geld als das Zahlungsmittel er- 
klärt. (20 t/f( — 1 Kru = 80 Liter Palmöl — 80 Liter Palmkeme.) 
Der Voranschlag im Etat für 1888/89 ergab für Kamerun an Ausgaben 
178 000 , 1(, an Einnahmen 167 000 der für 1889/90 balanzirte 
mit 190 000 , U , und der Reichszuschuss für die Verwaltung ist 
sehr unbedeutend. Nachdem nun auch die Ausübung der Gerichtsbar- 
keit und das Grnndbucliwesen durch eine Kaiserliche Verordnung vom 
2. Juli 1888 geregelt wordeu ist (siehe Anhang), kann man wohl sagen, 
dass die Plntwiekelung dieser Kolonie in dieser Beziehung einen 
recht befriedigenden Verlauf nehmen wird. Im letzten Jahre stand 
unter dem Freiherrn v. Soden der Kanzler Landgerichtsrath Zim- 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


163 


merer, die Sekretäre Dr. Krabbe? und Schran, Polizeimeister Froni- 
berg, Sekretär und Postbeamter Wallmuth, Regierungsarzt Dr. Zahl, 
Hafenkommandant Lieutenant Sonntag und einige andere Beamte. 

Als die Deutschen das Land übernahmen, war das Innere fast 
völlig unbekannt, obwohl deutsche Forscher schon früher Kamerun 
besucht hatten, aber selten über die ersten, durch das afrikanische 
Plateau gebildeten Stromschnellen hinausgekommen waren. Erst in 
neuerer Zeit ist hierin Wandel geschaffen, nachdem das Reich 
mehrere wissenschaftliche Forschungsreisende hinausgeschickt hatte, 
welche, unterstützt durch die dortigen deutschen Beamten, die Er- 
forschung des Hinterlandes versuchten. Es sind drei verschiedene 
Forschungsgebiete zu unterscheiden, der nördliche, mittlere und 
südliche Theil ; in dem ersteren ist man bis jetzt nicht ganz bis zum 6. 0 
südl. Br. gelangt, in dem mittleren wenig über den 11.° östlicher 
Länge hinaus, dagegen in dem südlichen in Folge einer sehr be- 
merkenswerthen Forschungsreise der Herren Kund und v. Tappen- 
beck 1 ), welche auf derselben den Lauf der grossen Flüsse Sannaga 
und Njong feststellten, bis etwa zu dem Kreuzungspunkt des 13.° 
ö. L. und 4.° s. Br. Die beiden letzten Forscher waren, soweit 
es die wissenschaftliche Ergebnisse ihrer Reise betraf, die glück- 
lichsten, obwohl sie den Kongo auf diesem Wege nicht erreichten, 
während die Forscher im nördlichen Theile die gewaltigen Schwie- 
rigkeiten, welche ihnen die Natur und die Bevölkerung entgegensetzten, 
noch nicht überwinden konnten. Ein Theil des Innern, der Lauf des 
oberen BenuS, ist durch R. Flegel erforscht, aber bislang ist es nicht 
möglich gewesen, von der Küste nach dem Innern zu gelangen, da 
die um ihr Handelsmonopol besorgten Küstenbewohner, besonders die 
Duallas. ein jedes Durchbrechen der ihr tributpflichtigen Handelszone 
zu vereiteln suchten. Ob es aber vom Benue aus gelingen wird, 
diese Zone zu durchbrechen, ist bis jetzt noch nicht versucht worden. 
Es ist dies Problem, den Zwischenhandel der Duallas lahm zu legen, 
welches noch später behandelt werden wird, eines der wichtigsten 
für die Zukunft des Handels im Schutzgebiet. Augenblicklich giebt 
es in dem nördlichen Theile eine wissenschaftliche, von Herrn Dr. 
Zintgraff angelegte Station, die Barombistation, auf welcher netten 
wissenschaftlichen Beobachtungen auch kulturelle Versuche gemacht 

*) Siehe Mittbeilungen von Korscbungsreisendeu uud Gelehrten aus den 
deutschen Schutzgebieten. Mit Benutzung amtlicher Quellen herausgegeben von 
I'r. Freiherr von Datn'kelmann. 1. Heft. 1888. Kommissionsverlag 'von A. 
Asher 4 Co. 

11 * 


/ 

Digitized by Google 



164 


Die deutschen Kolonien. 


werden. Die Station besteht aus einem Wohnhaus für die Europäer 
mit darunter befindlichem Lagerraum und der Werkstatt für den 
Zimmermann. einem Haus für 80 Arbeiter, einem Dolmetecherhaus 
für 8 Mann, einer Küche, einem GeHügelhaus und einem meteoro- 
logischen Observatorium. Das Wohnhaus ist 9 , 5 m lang, 6 m breit 
und steht auf 2 m hohen Pfählen, die Zimmerhöhe vom Fussboden 
bis zum Dachfirst beträgt 6,5 m. Auf der Südwestseite befindet sich 
eine m breite Veranda, zu welcher eine 90 cm breite Treppe mit 
9 Stufen emporführt. Das Haus enthält 3 Zimmer, deren mittelstes 
als Ess- und Arbeitesaal dient. Sämmtliches zum Hausbau nöthige 
Material ist afrikanischer Herkunft mit Ausnahme der Angeln der Thür 
am Lagerraum. Die Balken sind durch Holzpflöcke mit einander ver- 
bolzt, das Sparrengerippe des Daches durch Lianen mit den Haupt- 
balken verbunden. Die Wände sind aus Matten von Blättern der 
Weinpalme gefertigt, ebenso auch das Dach. Die Möbel sind theils 
aus Bambus, theils aus leicht zu bearbeitendem weichem Holz her- 
gestellt und somit ist die ganze Station auf möglichst billige und ein- 
fache Weise eingerichtet. 

Die Expedition Kund-Tappenbeck wollte im Herbst ihre Unter- 
suchung des Batangalandes wieder aufnehmen, wo sie hoffentlich 
nicht mehr dieselben Gefahren laufen wird, wie auf ihrer ersten Er- 
forschung des Hinterlandes, wo sie heftige Kämpfe mit den Einge- 
borenen zu bestehen hatte. Die deutsche Behörde in Kamerun hat 
sich nämlich in der Zwischenzeit bemüht, die kampflustigen Einge- 
borenen ihre Autorität fühlen zu lassen; sie hat unter den Bakoko, 
welche die Expedition auf ihrem Rückmärsche nach der Küste aus 
dem hohen Grase heraus beschossen, nach den Schuldigen gesucht 
und 15 derselben festgenommen. Diese Maassregel wird ihre Wir- 
kung auf die gesummte Bevölkerung in Batauga und dessen Hinter- 
lande nicht verfehlen. Nach ihrem neuen Vorrücken dürfte die Ex- 
pedition Knud darauf ausgeben, ihre eigentliche und Hauptaufgabe 
zu erfüllen, nämlich eine wissenschaftliche Station in dem genannten 
Gebiete zu errichten. Bereits im Frühjahr war ein Platz für die- 
selbe gefunden, die Expedition musste aber, ehe mit dem Bau be- 
gonnen werden konnte, erst noch einmal nach der Küste zurück- 
kehren, um ihre Ausrüstung zu erneuern und zu ergänzen. Auf 
diesem Zuge erfolgte der erwähnte Ueberfall der Bakoko, der in 
Folge des Mangels an Munition und wegen des den Feind ver- 
bergenden vier Meter hohen Grases sehr gefährlich war und leicht 
den Untergang der Expedition hätte herbeiführen können. Die 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


165 


Station, vou welcher aus die wissenschaftlichen Untersuchungen in 
Bezug auf Meteorologie. Fauna, Flora u. s. f., sowie weitere Forschungs- 
züge gemacht werden sollen, dürfte am Sannaga- Fluss errichtet 
werden. 

Diese Forschungen haben nun über das Land, seine Oro- und 
Hydrographie, sein Klima und seine Bewohner, eine Reihe werth- 
voller Aufschlüsse gegeben. Das nördliche Gebiet wird von dem 
gewaltigen, 3960 m hohen Kamerunberg (Mongo ma Loba) mit seinen 
verschiedenen Ausläufern beherrscht, welcher dieselbe Basaltformatiou 
wie der Clarence Pik auf dem gegenüber liegenden Fernando Poo 
aufweist. Er verdankt vulkanischen Kräften seine Entstehung, aber 
ist jetzt unthätig. nur die auf der Oberfläche verwitterten Lava- 
ströme und einige Solfataren erinnern noch an seine einstige Thätig- 
keit. Er ist mehrfach erklommen worden, da sein Anstieg, wenn 
auch beschwerlich, doch mannigfacher Reize nicht entbehrt, weder 
des Blickes auf die See und das einem fünfzackigen Ahornblatte 
vergleichbare Aestnar des Kamerunflusses, noch der pittoresken Ab- 
wechslung der Szenerie, wie sie sich aus der Gebirgsformation und 
vor Allem dem Uebergang der tropischen Urwaldvegetation in eine 
der gemässigten Zone ergiebt. „Interessant ist es,“ so schreibt der 
Kanzler v. Puttkamer. „im Hochwald selbst den Uebergang von der 
Tropenwelt zu der den gemässigten Breiten entsprechenden Vege- 
tationsform zu verfolgen. Unten Palmen, riesige Wollbäume, der 
Boden bedeckt mit undurchdringlichem Gewirr von tropischen 
Sträuchern, aus denen sich Schlinggewächse zu den Kronen der 
Baumriesen emporwinden. Riesenfarren mischen sich allmählich ein 
und unmerklich verschwinden Kaft'eebäume, Gummilianen, um schliess- 
lich einem völlig uordeuropäischen Charakter tragenden Laubwald 
Platz zu machen, unter dessen hohen Stämmen graugrünes Moos 
die Felsen überkleidet. Elefanten, Leoparden, Antilopen und Alfen 
treiben bis hier hinauf ihr Wesen. Schlangen sind selten, Skor- 
pione^ und Tausendfüssler dagegen massenhaft vertreten. Die 
Moskitos und Sandflöhe der unteren Regionen weichen oben den 
wilden Bienen. Raubvögel, kleine Singvögel und eine Art Busch- 
ente beleben die Grasfläche oberhalb der Waldgrenze. Wenn hier 
im Januar und Februar zur Trockenzeit die eingeborenen Jäger das 
hoch emporgeschossene Gras verbrennen und dann junges Gras und 
Kränter wieder zu spriessen beginnen, treten die Antilopen rudel- 
weise aus den Waldregionen zur Aesung auf die grünenden Matten 
hinaus.“ 


Digitized by Google 



166 


Die deutschen Kolonien. 


Das Gebirge ist nicht wasserreich und auch nur zum Theil 
fruchtbar, wird von verschiedenen Völkerstämmeu bewohnt, unter 
denen die Bakwiri, deren Sprache mit der der Duallas verwandt ist, 
der bedeutendste sind. Der Mittelpunkt des Landes ist in jeder 
Beziehung die Ortschaft Buea (770 m), welche günstig gelegen sich 
wohl für die Anlage einer Gesundheitsstation eignen dürfte, wenn man 
nicht die sandige Halbinsel Suellaba vorziehen seilte, da die Küsteuzone 
sehr ungesund ist. Doch die hohe Lage schützt durchaus nicht gegen 
das Fieber, wie die das Kamerungebirge bewohnenden Schweden, 
Knntson und Waldau, welche sich das grosse Verdienst erworben 
haben, die Eingeborenen mit der Gewinnung des Kautschuk bekannt 
zu machen, oft genug haben erfabreu müssen. — Nördlich von dem 
Kamerunpik flacht sich das Land allmählich ab nach dem Strom- 
gebiet des Alt-Calabar, die Flussläufe werden zahlreicher, die Busch- 
savanne überwiegt. Dieser Theil wird von den Bakundu bewohnt. 

Das Aestuar des Kamerunstromes wird von einer Anzalil Flüsse 
gebildet, welche erst theilweise erforscht sind. Die Flussufer sind 
niedrig, mit graugrünen Mangroven bewachsen, und nur an der Mün- 
dung des Wuri, wo sich die Dörfer der Duallas und jetzt auch das 
Kegierungsgebäude erheben, ist das Lateritufer des Flusses einige 
Meter höher. Die Oelpalme, welche auch mit schlechterem Boden 
vorlieb nimmt, tritt hier sehr zahlreich aut. Ein wenig frucht- 
barer Laterit überwiegt. Das südliche, erst zum Theil durchforschte 
Gebiet ist dicht an der Küste mit Urwald bestanden, welcher nach 
dem Innern zu allmählich von der Parklandschaft und den mit 
hohem, dichtem Holz bewachsenen Savannen (des Sudan) abgelöst 
wird. Die Ergebnisse der letzten Batanga-Expedition lassen sich, 
nach den Mittheilungen aus den deutschen Schutzgebieten, etwa 
folgenderweise zusammenfassen: 

1. Oberhalb iler Kataraktenregion des Küstengebietes sind auf dem südlichen 
Kamerun-Schutzgebiete zwei schiffbare Flüsse vorhanden: nämlich der bei Batanga 
mündende Beundofluss, im Innern Njong oder Nlong genannt, und zweitens der an 
der Malimba-I.andspitze mit den beiden Armen „Borea“ und „Bornu u , bei Kamerun 
selbst mit mindestens noch einem Arme, dem „Quaqua“, einmündenden Saunagar 
flnss, den die Eingeborenen der Batangaküste den grossen N ljong nennen. Beide 
Flüsse haben sowohl an der Küste als weiter im Innern eine zweite Kalarakten- 
region, welche von der erstereu durch eine längere schiffbare Strecke getrennt ist. 
Oberhalb dieser zweiten Region von Fällen sind sie wieder schiffbar, und zwar sehr 
wahrscheinlich weit nach dem Innern hinein. 

2. Die Wasserscheide zwischen den im Katnerungebicte mündenden Flüssen 
und den weiter östlich sich dem Kongobecken zuwendenden Wasserläufeu liegt 
nicht nahe der Kameninküste, wie bisher meist angenommen wurde. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


167 


3. Die Wasserscheide zwischen den linken Nebenflüssen des Benne und den- 
jenigen im Kameruugebiet liegt ebenfalls weit im Innern. Man wird sie viel schneller 
Tom Benne aus erreichen können als von Kamerun. Der Sannaga führt zweifellos 
das Wasser eines grossen Flussgebietes bei Kamerun in das Meer. 

4. Die Völkerscheide zwischen .Sudannegern und Rantunegern ist von Kamerun 
aus nicht in der Richtung auf Adamana zu suchen, sondern wird nach Süden durch 
den Sannagafluss gebildet und liegt nach Osten in einer 200 km nicht über- 
schreitenden Entfernung von der Küste. Die Aussichten auf Erweiterung des 
Kamerunhandels nach Gebieten hin, welche europäische Produkte lediglich durch 
Vermittelung inuhamedanischer Händler vom Benue her erhalten, erscheinen ge- 
stiegen. Zugleich ist durch dieselbe festgestellt, dass die Grenze des muhameda- 
nischen Einflusses viel weiter nach Süden im Innern des Erdtheils reicht, als mau 
vorher wusste. 

5. Die Gebirgsverhältnisse im Kamerun-Ilinterlande sind besser bekannt ge- 
worden. Vulkanische Bildungen sind bis zum Sannagafluss und in dem Gebirge, 
unmittelbar nördlich desselben, nicht vorhanden. 

Das Kamernngebiet bewohnen eine ganze Reihe von Stämmen, 
welche zum Theil noch za den Bantunegern gehören, und deren 
Dialekte manche Aehnlichkeit mit einander haben. Es sind dies 
die Bakisch, Mburuke und Madenga im Stromgebiet des Meme, die 
Bambuku, Bakwiri und Isubu an den Abhängen des Kamerungebirges, 
die Mungo, Baluug, Bakundu, Mufundu und Bafarami im Gebiete 
des Mungoflusses, von letzterem in das Gebiet des Kamerunflusses 
überleitend die Duallas, in diesem selbst die Abo, Wapaki, Wuri, 
Budiman, Ndokoko und Ndokobeli, dann die Bassa, Dibamba, Luu- 
gasi und Donga im Gebiete des Luugasi- und Dongaflusses, die 
Malimba, Pungo, Bakoko und Idia am Idiaflusse, von wo die Bakoko 
den Uebergang zum südlichen Kamerungebiete bilden, längs dessen 
Küste wir u. A. noch die Stämme der Banoko, Batange, Bapuko, 
Havvandsche, Mbinga und Egara bis zum Etembue finden. Im 
Hinterlande von Batanga haben sich eingedrungene Sudanueger 
niedergelassen, aber sie werden schon, ein bedenkliches Zeichen, von 
aus dem Norden kommenden Sklavenjägern beunruhigt. Die Stämme 
an der Küste sind Fetischanbeter, nach Adamana zu wohnen wahr- 
scheinlich schon Muhamedaner. 

Die Duallas, der Hauptstamm an der Küste, sind im Aeussern 
nicht üble Neger, aber die Eindrücke, welche man erhält, wenn man 
ihr Inneres ins Auge fasst, sind weniger vorteilhaft. Dr. Büchner 1 ) 
schreibt darüber: „Aufgeblasenheit, Jähzorn und Rachsucht, Neigung 
zn Raub und Gewalt sind nngemein stark ausgeprägte Züge, die 

') Kamerun. Skizzen umi Betrachtungen von Max Büchner. I.eipzig. Verlag 
von Duncker und Hum blot 1887. 


Digitized by Google 



168 


Die deutschen Kolonien. 


den Verkehr mit ihnen unangenehm und gefährlich machen, und als 
englisch erzogene Neger gehören sie zu den schlechtest erzogenen 
Halbwilden, die der Erdball keimt. Wahrend in Angola, im Lande 
der so häutig geschmähten Portugiesen, die Neger, und wären es 
auch ihrer hundert, bescheiden vom Wege ins Haus treten, wenn 
ein Europäer kommt, hat in Kamerun häufig genug der Weisse dem 
Schwarzen auszuweichen, will er nicht roh gerempelt werden. Wolil- 
thaten werden in der Regel mit brutaler Grobheit als etwas Selbst- 
verständliches gefordert, ein Dankwort gehört, zu den seltenen Aus- 
nahmen, eine That des Dankes ist unerhört. Hat ein Kranker von 
mir Arznei erhalten, wobei ich noch aufpassen muss, dass er mich 
nicht bestiehlt, so glaubt er daraus auch noch ein Recht auf eine 
Flasche Rum ableiten zu dürfen, und wenn ich ihn auch noch so 
lange mit aller Menschlichkeit behandelt habe. Sollte ich einmal in 
die Lage kommen, von ihm eine kleine Gefälligkeit zu verlangen, so 
wird er mich erst voller Unverschämtheit fragen, was ich ihm dafür 
bezahle. Das Treiben in einer Faktorei nimmt gewöhnlich den 
Charakter einer vielstimmigen wüsten Zänkerei an, die jeden Augen- 
blick in Thätlichkeiten auszuarten droht, und was sich der weisse 
Händler hier manchmal des lieben Geldes wegen gefallen lassen 
muss, streift hart an die äussersten Grenzen des Erträglichen.“ Die 
Hauptbeschäftigung der etwa 30000 Seelen zählenden Duallas, abge- 
sehen von den unbedeutenden Handarbeiten, als Schnitzereien und 
Flechtereien, sowie von Jagd und Fischfang, ist der Handel, und 
zwar kommen hierbei besonders neben den üblichen Nahrungsmitteln 
in erster Linie Palm-Oel und -Kerne, in zweiter Linie erst das Elfen- 
bein in Betracht. Der Handel in Verbindung mit Weibergeschäfteu 
bilden den Ausgangspunkt für nie endende Streitigkeiten unter den 
Duallas. Die leichte Mühe, mit welcher sie sich ihren Lebens- 
unterhalt in reicher Weise verdienen, musste verweichlichend auf 
Geist und Körper wirken. Daher besteht eine unendliche Faulheit, 
die soweit geht, dass sie alle anderen Neger, welche ihren Lebens- 
unterhalt durch ihrer Hände Arbeit verdienen, geradezu verachten. 
Der Hang zu einem lüderlichen Leben, Lug und Trug ist bei ihnen 
an der Tagesordnung. Die Dörfer, welche sich durch einen eigen- 
thüm liehen unangenehmen Geruch, den „odenr africain“, schon von 
weitem bemerkbar machen, bestehen aus zahlreichen räucherigen, 
aus Palinblättem und Mangrovestämmen auf einem ca. 50 cm hohen 
festen Lehmboden errichteten Negerhütten. Völlig nackte Kinder 
kriechen und spielen vor denselben. Einzelne alte Männer und 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


1H9 


Weiber, unbeschreiblich hässliche, affenartige Gestalten pHegett des 
Tages vor den Hütten zu sitzen. Einen grossen Aufwand an Zeit 
nimmt bei den jüngeren Fraueu der Kopfputz iu Anspruch. Locken 
und Zöpfchen, niederliegend und hochstehend, nach allen Dimensionen 
gescheitelt und abgetheilt, die mannigfachsten Figuren ausgeschnitten 
und ausrasirt, so präsentiren sich die Köpfe dieser Weiber. Die 
Gesichtszüge und der ganze Körperbau der Duallafrauen besitzen 
wenig Schönes. Eckig und plump erscheinen die Formen in der 
kurzen Jugendzeit; rasch verblüht die Negerin und das Alter zeigt 
nur noch ein Zerrbild menschlicher Gestalt. Die Kleidung beiderlei 
Geschlechts besteht in den Dörfern nur aus dem bis an die Knöchel 
herabreichendeu Hüfttuche. Im Verkehr mit den Weissen bleibt bei 
den Duallafrauen meistens auch der Oberkörper bedeckt. Das 
Duallaweib ist Handelswaare und Arbeitsthier. Freiheit besitzt sie 
nicht im geringsten Maasse. Der Werth einer Duallaschönen variirt 
zwischen tiOO und mehreren tausend Mark. Als Zeitvertreib gelten 
bei den Duallas Ruderregattas und Ringk&mpfe, ausserdem werden 
grössere Festlichkeiten bei Todesfällen und zur Zeit des Vollmondes 
veranstaltet. Die Grenze zwischen den Gebieten der einzelnen 
Stämme bildet meistens ein tief in das Laud einschneidender Kriek, 
und wo diese natürliche Abgrenzung fehlt, wird derselbe durch einen 
Zaun von Mangrovestammen ersetzt. Unmittelbar an die Dörfer 
heran reicht der sogenannte Busch, der Urwald. 

Die Duallas haben den sehr bedeutenden Zwischenhandel mono* 
polisirt und bis heute ist es noch nicht möglich gewesen, diese 
Kette zu durchbrechen, obwohl gelegentlich Versuche dazu selbst 
mit Waffengewalt gemacht wurden. Ein solcher Versuch, welcher 
manche charakteristische Züge der Neger enthüllt, wurde im Sommer 
1887 gemacht, und wir lassen deshalb die Schilderung desselben hier 
folgen: 

„Zu den berüchtigten Händlern am Wuri und Abo, Zuflüssen des Kamerun, 
gehören die „Herren“ Ktolta in Donainbasi und Singi in Tiko. Etoka hatte vor 
einiger Zeit eine Karavane überfallen, die Oel und Elfenbein nach der Flussmün- 
dung bringen wollte, ihre Waaren annektirt und die Träger festgehalten. Bei dem 
entstandenen Handgemenge sollen sogar mehrere Eingeborene getödtet worden sein. 
Aehnlich batte es Singi in Tiko gemacht, nur dass sein diesmaliger Raub nicht so 
ergiebig ausgefallen war. Etoka war zu einer Qeldbusse von 5000 M, Singi zu 
2UÜO M verurtheilt, und sie machten natürlich keine Miene zu bezahlen, weil sie 
sich in ihrer Entfernung von Kamerun sicher vor jedem Schuss hielten. Doch die 
Geduld des Gouverneurs hat ihre Grenzen, und um den Kerlen zu beweisen, dass 
es kein Spasg mit den Anordnungen und Strafen sei, wurde beschlossen, eine Exe- 
kution mit bewaffneter Hand vorzunehmen. Am 12. Juli, Morgens 5 Uhr, dampfte 


Digitized by Google 



170 


llie deutschen Kolonien. 


vom „Habicht" die Barkasse und Pinasse ab, letztere 2 Boote mit 1 Offizier und 
je -0 Mann im Schlepptau führend und mit I Oeschütz bewaffnet, und nach einer 
achtstündigen Fahrt kamen sie in Bonambasi au. Der Kamerun und der Wuri 
sind beide kolossale Ströme, auf denen in der ltegenzeii ein grosses Kriegsschiff 
bequem manörriren könnte. Die kleinen Boote haben gar keine Schwierigkeit, bis 
zu HX) englische Meilen weit stromaufwärts zu gehen, nur das Landen ist an den 
meist sehr sumpfigen Ufern schwierig. Als sieb nicht gleich eine bequeme Stelle 
zum Anlegen fand, sprangen die Mannschaften bis an die Brust ins Wasser und 
erreichten watend das feste Land. Dann wurde die Kanone ausgeschifft und vor- 
sichtig auf das Dorf losgegangen. Mau fand es völlig von Bewohnern verlassen, 
wahrscheinlich haben sie durch Trommelspracbe Wind davon bekommen, was ihnen 
drohte. Den beweglichen Besitz hatten sie mitgenommen, nur die Ziegen und 
Geflügel waren zurückgeblieben. Auf Befehl des Kommandanten der Expedition 
wurden die Thiere getödtet und dann das Dorf zum warnenden Exerapel in Brand 
gesteckt. Hierauf giug es wieder stromabwärts bis zu dem Dorfe Eokau, welches 
am rechten Ufer des Kamerun gleich unterhalb des Zusammenflusses von Wuri und 
Abo liegt. In Eokau blieb die Expedition zu Nacht und fuhr am anderen Morgen 
in aller Frühe den Abo hinauf, dessen Ufer einen ganz anderen Charakter haben, 
als die des Wuri. Das Land wird sehr bald hügelig und oberhalb Kokki treten 
sogar recht schroffe Gebirgsabbinge bis an den Fluss heran. Das Dorf Tiko, der 
Aufenthalt Singis, liegt am linken Ufer des Abo und bildet eine vollkommene na- 
türliche Festung. Von der sehr bequemen Landungssteile führt ein Fussweg etwas 
bergauf zu zwei Palaverhäuscrn, wo der Häuptling seine Angelegenheiten de-. Han- 
dels und Krieges bespricht. Auf einem etwas höher gelegenen Plateau dahinter 
liegt das Dorf, dessen einzelne Hütten, wie übeiall hier im Lande, mit starken 
Verzäunungen umgeben sind. Hinter dem Dorfe führt der Fussweg durch eine 
ganz schmale steile Schlucht, die sieb im rechten Winkel biegt, also ganz zu einer 
Vertheidigung durch wenige Mannschaft gemacht ist, nach einem noch höher lie- 
genden Plateau, das sich Singi zu seinem Wohnsitz erkoren hat Als die Boote 
vor Tiko ankamen, war Singi bereits in seinem Palavcrhaus und lud den Gouver- 
neur und den Kommandanten der Expedition ein, mit ihm dort zu verhandeln. 
Kr tbat sehr demüthig und klagte, dass er die Strafe nicht erlegen könne; er wolle 
aber sehen, ob es nicht möglich sei, die Herren zu befriedigen, wenn er alles 
zusammenbrächte, was er hätte. Sie möchten sich nur eine kurze Weile gedulden. 
Nach einiger Zeit, als den Herren die Zeit lang wurde, sagte er, er wolle selbst 
hingehen, um zur Eile zu treiben. Kurz darauf brachte ein kleiner Negerbengel 
ein Päckchen mit Lumpen und sagte, das sei alles, was sie hätten. Als nun der 
Befehl gegeben wurde, zu dem Dorf und dem Wohnsitz Singis vorzudringen, um 
selbst zu holen, was er nicht geben wollte, fand man das ganze Nest ebenfalls 
leer; der schlaue Nigger hatte nur Zeit gewinnen wollen, seine Leute und seine 
Habe in die steilen unzugänglichen Schluchten des südlich gelegenen Terrains zu 
flüchten. Nun wurde auch das Dorf Tiko niedergebrannt und die Expedition kehrte 
heim, da ihr unter den obwaltenden Umständen nichts anderes übrig blieb. 
Fieberanfälle waren die Folge des unfreiwilligen nassen Bades im Bonambasi und 
des Aufenthaltes in Eokau. Der „Habicht“ ist mit den Kranken seewärts gedampft, 
um auf einer Spazierfahrt die Gesundheit am sichersten wieder herzustellen." 

Die beiden Uebelthäter sind allerdings später zu Kreuz gekrochen 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


171 


und erklärten sich bereit, dieStrafe nach und nach aufzubringen, aber aus 
diesem einen Beispiele geht hervor, welchen Schwierigkeiten die Regie- 
rung begegnet. Dr. Zintgraff auf der Barombi-Station wird einen neuen 
Versuch machen, in das System des Zwischenhandels eine Bresche 
zu legen, indem er die Ackerbau treibenden Eingeborenen, „deneu 
vorläufig die Zumuthung, ihre Produkte direkt zur Küste zu bringen, 
als etwas Ungeheuerliches erscheint“, veranlassen will, ihre Handels- 
karawanen, zunächst unter dem Schutz des Weissen und mit 
den bewaffneten Schwarzen der Stationen als Bedienung, direkt 
zur Küste zu entsenden. Sie haben verschiedene Händlerkordous 
zu durchbrechen, wodurch die Waare übermässig vertheuert wird. 
Um ein Beispiel zu geben, so bekommen die Bekungleute für eine 
gewisse Masse Palmöl 1 ,// von den Jabassilenten, diese erhalten 
das Doppelte von den nnterhalb ihnen wohnenden Budimauleuten, 
letztere 3 t f( von den Wurileuten, deren Nachbarn, die Duallas, 
diesen wiederum 4 jü bieten; die europäischen Kaufleute an der 
Küste müssen dann schliesslich das Fünffache von dem ursprüng- 
lichen Preise zahlen ! Die Könige der Küste haben ihre bestimmten 
grossen Handelsgebiete, die sie als ihre Domäne betrachten. König 
Bell 1 ) handelt besonders mit dem Mungolande, wie er überhaupt 
den Handel im Muugothale beherrscht, ferner mit Bomano und De- 
bombari, zwei kleinen l’nterstämmen der Dnalla, sowie mit Wuri 
und der Quaquagegend am unteren Malimba. Neben ihm handelt 
mit den Bomano, Debombari nnd Quaqua in geringerem Maasse 
auch sein Rivale König Akwa, der seinerseits vollständig den Haudel 
mit den Bassa, Dibamba und Donga, also an den Ufern der Luug&si- 
und Dougaflüsse, beherrscht. Jim Equalla, der sich gern König 
Deido nennen hört, handelt besonders mit den Abo und den klei- 
neren benachbarten Stämmen und nebenbei mit Wuri, während Lock 
Prisso, der Feind König Bell’s und daher der Deutschen, seit lange 
am unteren Mungo „arbeitet“. König Bell treibt auch etwas Handel 
mit Abo, seine Haupthandelsdomäne aber ist das Mungoland. Daraus 
ergiebt sich folgendes Schema: 


Name des I I lud len» 

Naupümndelsfebiet 

Nebeu ihm handelt dort 

1. König Reil 

Mungo 

- 

V Y! 

Babing 

1 __ 

4» »» 

Bomano 

König Akwa 


'/ Die Handelsgebiete und Handelsgürtel im Deutschen Kamerungebiet. Von Paul 
l.anghans, Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. XI. Jahrgang. Heft 2. 


Digitized by Google 



17-2 


l'ie deutschen Kolonien. 


Name des Händler* 

Hauptbandelsgebiet 

Neben ihm handelt dort 

1. König Hell 

Debombari 

König Akwa 

1» 1» 

Wuii 

Jim Equalla 

1» »V 

Quaqua 

König Akwa 

2. Köuig Akwa 

Bassa 

— 

77 7» 

Donga 

— 

7» 77 

Dibamha 


3. Jim Equalla 

Abo 

König Bell 

4. Lock Prisso 

unterer Mungo 

— 


Es sind nun, abgesehen von den vorhin erwähnten Versuchen, 
noch andere Vorschläge gemacht worden, das Handelsmonopol der nur 
einen, wenige Kilometer breiten Strich der deutschen Schutzgebiete 
bewohnenden Kiistenbevölkerung aufzuheben, unter denen der 
radikalste darin besteht, die der Erschliessung des Hinterlandes 
durch den deutschen Handel widerstrebenden Könige einfach aus 
dem Lande fortzuschaffen. Es ist eine ebenso lehrreiche, als inter- 
essante Thatsache, dass sich in den Nebenplätzen des Kamerun- 
gebietes, wo keine einflussreichen Häuptlinge existiren, besonders 
aber in Victoria, Ktein-Batanga und Batanga der Handel verhält- 
nissmässig besser entwickelt hat, als in Kamerun selbst. Von den 
Zolleinnahmen, welche diese Kolonie hat, laut Budget 1889/90 für 
Kamerungebiet 150 000«/#, dürfte ebensoviel von den Nebenplätzen, 
wie von Kamerun selbst herrühren. Auch im Togo-Gebiet, wo nicht 
so einflussreiche Häuptlinge existiren, wie Bell und Akwa in Ka- 
merun , hat sich der Handel in den letzten Jahren ausserordentlich 
günstig eutwickelt. Ist somit der schädliche Einfluss dieser Häupt- 
linge erwieseu, so sollte mit ihnen nicht viel Federlesens gemacht 
werden. Es dürfte sich leicht eine Gelegenheit finden lassen, gegen 
das Gebahreu derselben einzuschreiten, ihnen den deutschen Einfluss 
und deutsche Machtmittel deutlich fühlbar werden zu lassen oder 
ihnen nach englischem Muster in liebevoller Fürsorge lebenslänglich 
fremde Länder zu zeigen. 

Vom rechtlichen Standpunkte wäre ein solches Vorgehen des 
Reiches auch unanfechtbar, denn nach den im Juli 1881 mit den 
Kameruuhäuptlingen abgeschlossenen Verträgen sind denselben 
hauptsächlich folgende Zusicherungen gemacht worden: 1. die wohl- 
erworbenen Rechte Dritter bleiben Vorbehalten; 2. frühere, mit 
anderen Staaten abgeschlossene Handels- und Freundschaftsverträge 
sollen weiterhin in Gültigkeit bleiben; 3. der Grund und Boden der 
Dörfer und Ansiedlungen und die vou den Eingeborenen bebauten 


Digitized by Google 






Die deutschen Kolonien. 


173 


Grundstücke sollen Eigeothum derselben bleiben: 4. die Häuptlinge 
sollen ihre Abgaben wie bisher erheben dürfen; 5. in der ersten 
Zeit sollen die Sitten und Gebrauche der Eingeborenen respektirt 
werden. Unter diesen Sitten und Gebräuchen ist insbesondere auch 
die Sklaverei zu verstehen. Nach dem Inhalt der Verträge haben 
sich also die Eingeborenen der Sonveränetät des Reiches freiwillig 
unterworfen, ihre Häuptlinge aber, abgesehen von dem Rechte der 
Abgabenerhebung, sich Hoheitsrechte über ihre Untergebenen nicht 
Vorbehalten. Daraus folgte, dass das Reich befugt ist, die Rechts- 
verhältnisse im Kamerungebiet nach seinem Ermessen zu ordnen, 
nur in der ersten Zeit, der Zeit des Ueberganges, sollten die Ge- 
wohnheiten der Eingeborenen beachtet werden. Die Reichsregierung 
ist denn auch von dein Standpunkte ausgegangen, dass dem Reiche 
die Sonveränetät über die Eingeborenen zustehe. 

In der Bimbia-Viktoriahandelszone, der nördlichen, von deren 
Produkten leider nur ein kleiner Theil nach der deutschen Küste 
abströmt, während vielleicht der grössere nach dem Calabar zu fällt, 
sind zwei Woermafin’scbe Faktoreien, sowie eine englische gelegen, 
während in dem eben erwähnten Handelsgebiet die Europäer durch 
neun Firmen mit zusammen 15 Faktoreien vertreten sind. Von diesen 
besitzen die Deutschen sieben, die Engländer neun, doch haben die 
Deutschen mehr als die Hälfte des Handels in Händen. Das Handels- 
gebiet des Batangalandes mit den europäischen Faktoreien von Klein- 
Batanga. Plantation, Kribbi und Gross-Batanga umfasst den südlichen 
Theil des Schutzgebietes. 

Um einen Begriff von der wachsenden Bedeutung Kameruns, 
was den Handel anbetrifft, zu geben, wollen wir noch einiges über 
den Schiffsverkehr daselbst mittheilen. Es liefen in den Hafen von 
Kamerun im Jahre 1887 ein: 1. Von Europa kommend: 40 Dampfer, 
und zwar 14 deutsche, 26 britische, sowie 4 britische Segelschiffe. 
2. Vom Süden kommend: 37 Dampfer, und zwar 13 deutsche, 
*23 britische und 1 belgischer. Die sämmtlichen deutschen Dampfer 
gehörten der Woermann-Linie, die britischen theils der British and 
African Steam Navigation Co., Limited, theils der African Steaui 
Ship Co., der belgische Dampfer der Rhedereigesellschaft Waters & 
Co. in Antwerpen an. Drei der Segelschiffe liefen für die Firma 
R. & W. King in Bristol ein. Dampfer wie Segelschiffe hatten von 
Europa nach Kamerun und von dort weiter nach dem Süden mit 
Stückgütern und Kohlen, vom Süden nach Kamerun und nach Europa 
Landesprodnkte, Palmöl. Palmkerue, Elfenbein und Kautschuk ge- 


Digitized by Google 



174 


Di« deutscheu Kolonien. 


laden. Ausserdem verkehrten noch drei kleine Küstendampfer, einer 
der Firma Jantzen & Thormählen in Eloby, einer der Firma C. 
Woermann in Gabun und einer der Firma C. & W. King in Kamerun 
gehörig, im dortigen Hafen, den Verkehr zwischen Haupt- und 
Nebenfaktoreien vermittelnd. Unsere Einfuhr aus Westafrika ist in 
der deutschen Statistik nicht besonders klassifizirt, so dass es schwer 
hält, ein genaues Bild darüber zu gewinnen. (Jantzen & Thormählen 
importirten in den SH/j Jahren von Mitte Juni 1875 bis Neujahr 
1885 einen Waarenbctrag von 2 230 000 M und exportirten inner- 
halb desselben Zeitraumes 980 000 Gallons Palmöl, 2 660 Tons 
Palmkerne, 31 700 Pfund Elfenbein.) Wir geben hier, ohne uns 
weiter in Kalkulationen einzulassen, um den Werth unserer west- 
afrikanischen Einfuhr in Hamburg im Jahre 1887 überhaupt zu 
zeigen, nur folgende Tabelle: 

1887 




Säcke 

Werth 

Kaffee 


4 242 

359 030 

Kakao 


— 

4 470 



100 kg 


Hoher Ingwer 


109 

3 340 

Andere Gewürze .... 


57 

2 090 

Rolhbolz 


7 653 

64 970 

Medizinische Früchte . . . 


22 

2 940 

Gummi Kopal 


252 

17 640 

Gummi elasticuui ... 


3 368 

1 079 750 

Trockene Rindshäute . . 


140 

17 900 

Klefantenzähne .... 


9§ v 

142 140 

Palmöl . . .... 


54 378 

1 990 650 

.Sesamsaat 


168 

4 190 

Ebenholz 


2 787 

38 570 

Palrakerne 


378 992 

7 391 170 

Kopra 


183 

4 350 

Eiseuwaaren 


82 

18 320 



Gramm 


l'ngefasste echte Edelsteine 


17 370 

100 kg 

9 300 

Gewehre 


73 

5 500 

Naturalien 


31 

9 590 

Passapierjfut . . , . 


35 

7 280 

Andere Artikel . . . . 


— 

13 200 

Total 100 kg 

451 572 

11 186 390 


Der Import 1 ) umfasst bedruckte rotlie Kattune und Baumwoll- 

•) Die Hauptpositionen des neuen, mit dem 31. August 1888 in Kraft ge- 
tretenen Tarifs der Afrikanischen Dampfschiffs-Aktien-Gesellschaft (Woermann-Linie, 


Digitized by Google 



Oie deutschen Kolonien. 


175 


waaren, grobe and feine Eisen- und Messingwaaren, Schiesspulver, 
Konfektionswaaren, Lampen, Glaswaareu, Steinzeug und vor alleu 
Dingen Branntwein, welcher zu einem unglaublich billigen Preise 
(12 Flaschen für etwa 2^,(0 hergestellt worden ist. Ueber die Ein- 
fuhr des Branntweins ist von den Missionaren und Temperenzlern viel 
raisonnirt worden, und es lässt sich nicht leugnen, dass derselbe 
Unheil anrichtet und es sich vielleicht empfehlen würde, die 
Branntweineinfnhr zu verbieten, wie es die Engländer in ihren afri- 
kanischen Besitzungen gethan haben. Da die Missionen von den 
Eingeborenen gefordert haben, dass, wer sich zur Christengemeinde 
bekenne, unbedingt dem Handel und Genuss des Schnapses entsageu 
müsse, so können sie keine rechten Fortschritte machen und sind 
die lautesten in der Agitation gegen die Einführung des Branntweins. 

Auf der anderen Seite muss man aber auch nicht verkennen, dass 
unter den Negern, welche ja auch den Palmwein haben, Gewohnlieits- 
s&ufer selten sind. Sie betrinken sich nur in grösseren Zwischen- { 
räumen, nnd da sie eine kräftige Rasse sind, schadet ihnen der 
Schnaps wenig. Jedenfalls kann man nicht von Verheerungen ‘ 
sprechen, welche derselbe unter ihnen anrichtet. Ehe man aber 
einen blühenden Handelszweig abschneidet (im Jahre 1883 wurden | ,, 
für 12 000 000 ,/# Spirituosen nach Westafrika ausgeführt), muss . !» 
erst so viel Handel vorhanden sein, dass dieser Ausfall gedeckt 
werden kann. 

Für den Export des Landes ist bis jetzt vornehmlich die Oel- 
palme in Betracht gekommen, deren Oel in grossen Massen von hier 
aus verschifft wird. Die Kultur der Kokospalme ist bisher noch 
fehlgeschlagen, da das Fleisch der Frucht zu wässerig war, und mau 
hat bei den niedrigen Koprapreisen die Versuche einer rationellen 
Behandlung desselben anscheinend nicht fortgesetzt. Der sinkende 
Preis des Palmöls auf dem Weltmärkte drängte aber zu neuen 
Kulturen, zumal die Uebelstünde des Trustsystems die Firmen sehr 

deren Dampfet am letzten jedes Monats von Hamburg nach Kamerun abgehen) sind 
folgend«: Nach Goree Reis .// 20 per l(XX) kg, Spirituosen .// 18 per Kubikmeter, 
feinere Güter .U 30 per Kubikmeter. Nach den Häfen der Westküste zwischen 
Bathurst und Kamerun: Spirituosen .// 22m per Kubikmeter, Reis, Salz und 
anderes Schwergut M. 22 per 1000 Kilo, Schobeu, Baumaterialien und anderes 
Maassgut .// 20 per Kubikmeter: Wein, Bier und anderes besseres .Maassgut 
.// 30 per Kubikmeter, Manufakturen und ganz feine Güter .// 40 per Kubikmeter. 

Nach der Südwestküste, also den näfen südlich von Kamerun: Spirituosen M 25 
per Kubikmeter, Salz und anderes Schwergut .// 22 per 1000 Kilo; Hier. Wein 
und besseres Maassgut M 30 per Kubikmeter, feinere Güter M 40 per Kubikmeter. 


Digitized by Google 



176 


Die deutschen Kolonien. 


schädigten, welche mit Produkten von sekundärer Bedeutung, wie 
Kautschuk, Arachiden, Farbhölzer, Raphiabast. Elfenbein und Kopal, 
nicht die Gewinne machen konnten, welche noth wendig waren, um 
die gewaltigen Unkosten der Faktoreien zu decken. Da das deutsche 
Schutzgebiet in Kamerun für den Plantagenbau mancherlei günstige 
Bedingungen hatte, so hat man den Versuch gemacht, einige andere 
tropische Gewächse zu bauen, vor Allem Kakao und Kaffee. Die 
Kultur des Kakaobaumes hat auf dem vulkanischen Verwitterungs- 
boden von Fernando Pöo bei seinem ununterbrochen feuchtwarmen Kliina 
auf das beste angeschlagen, und da dieselben Verhältnisse am Ab- 
hange des Kamerungebirges bestehen, so war dies der Artikel, dessen 
Anbau im Grossen man vor Allem in’s Auge fasste. 

Im Frühjahr 1885 bildete sich in Hamburg eine Kommandit- 
gesellschaft unter der Firma „Kameruner Land- und Plantagen- 
gesellschaft Woermann, Thormählen & Co.“, an deren Spitze die 
Namen der beiden hauptsächlichsten deutschen Handelshäuser in 
Kamerun stehen: Herr Adolf Woermann, in Firma Carl Woermanu, 
und Herr Johannes Thormählen, in Firma Jantzen & Thormählen. 
Mit Vorsicht, Sachkeuntniss und Umsicht ging mau zu Werke, ge- 
wann in Herrn Teusz, welcher bereits am Kongo Erfolge aufzu- 
weisen gehabt hatte, eine geeignete Kraft und begann mit der An- 
lage von Pflanzungen, deren bedeutendste bei Victoria, an der 
Kriegsschiffbucht liegt. Oscar Baumann, *) welcher dieselbe im No- 
vember 1886 besuchte, schreibt darüber: „Die Plantage liegt auf 
der Höhe der Uferterrasse , die einerseits zu der völlig gesicherten 
Bai, andererseits zu einem kurzen Seearm steil abfällt, der den 
Booten einen guten Ankerplatz gewährt. Eine Treppe führt auf die 
Höhe der Rampe, wo ein breites Bretterhaus sich erhebt, in dessen 
drei Räumen Herr Teusz mit seinen Arbeitern (Accra- und Kap 
Palmas-Jungen) provisorisch haust. Das Haus ist von Feldern um- 
geben, welche mit Maniok, Bananen und Gemüse bestanden sind. 
Dahinter dehnt sich die eigentliche Plantage aus, wo zwischen Oel- 
palmen und einzelnen stehengebliebenen Waldriesen die Kakao- 
pflänzchen schon circa 1 Fuss hoch gediehen sind. Der Kakao- 
samen wurde von Fernando Pöo eingeführt und es steht zu hoffen, 
dass diese Pflanze, welche ebenso einträglich, aber weit weniger 
empfindlich ist und weniger Arbeit erfordert als Kaffee, auf dem 
vulkanischen Boden Bimbias ebenso gut gedeihen werde, wie auf 

') Fernando Pno und die Bube. Von Dr. Oscar Hautnann, Wien und 
Oimütz. Eduard Hölzel, 1888. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


177 


jenen) der Guinea-Inseln. Die Käferlarve, welche auf vielen Farmen 
Fernando Pöo’s so grossen Schaden anrichtet, kommt hier zum Glück 
nicht vor, und die Heuschrecken, die Anfangs massenhaft auftraten, 
nehmen jetzt stark ab. Eine Parzelle ist auch mit Tabak bestanden, 
der jedoch durch die Heuschrecken stark gelitten hat. Herr Teusz 
sandte Holzproben aus den umliegenden Wäldern an seine Gesell- 
schaft, worunter einige (dabei auch Mangroveholz) als vortrefflich 
und zum Export geeignet erkannt wurden. Es werden immer noch 
neue Waldpartien gelichtet und Durchhaue angelegt, und von Morgens 
bis Abends tönen die kraftvollen Axthiebe der Accra-Jungen durch 
den Wald, die mit erstaunlichem Geschick und Schnelligkeit selbst 
den mächtigsten Baumriesen zu Fall bringen.“ Im Frühjahr 1887 
waren auf etwa 100 Hektaren bereits 70000 Kakaobäumchen ge- 
pflanzt, von denen die zuerst eingesetzten 30000 Pflanzen schon 
eine Höhe von über einen Meter erreicht hatten, und man erwartet 
für das Jahr 1889 bereits die ersten Probesendungen, da einige Pflanzen 
schon letzten Sommer geblüht und Früchte angesetzt hatten. Wenn das 
Produkt von Fernando Pöo auch niedrigere Preise als das von Süd- 
amerika bringt, so bleibt der Anbau doch sicher sehr lohnend. 
Allerdings sind die importirten Arbeitskräfte verhältnissmässig tlieuer, 
aber wenn erst die Küstenneger einsehen, dass ihnen aus dem Anbau 
des Kakao ein grosser Vortheil erwächst, und wenn der Zwischen- 
handel aufhöre» sollte, so werden sie sich dieser Thätigkeit zu- 
wenden, zumal das von den thätigen Aeeraleuten gegebene Beispiel 
anscheinend jetzt schon gute Früchte getragen hat. Immer aber 
bleibt die Arbeiterfrage eine sehr bedenkliche; sie fallt hier, da wir 
die Sklaven nicht verwenden können und wollen, mit der Frage der 
allgemeinen Erziehung des Negers zur Arbeit zusammen. Was den 
Anbau von Kaffee, der im Innern wild vorkommt und eine verwend- 
bare Bohne liefert, anbetrifft, so liegen darüber noch keine Resultate 
vor. Ausserdem wird Vanille, Indigo, Chinchona und Reis ange- 
pflanzt, so dass diese Plantage eine richtige Versuchsstation zu 
werden verspricht. Was den Tabakbau anbetrifft, so hatte man 
zuerst wegen der Nähe der Ländereien am Secufer Bedenken, da. 
wie das Beispiel Sumatras gezeigt hat, der hohe Salzgehalt in der 
Luft die Erzeugung einer besonders guten Qualität Tabak beein- 
trächtigen sollte. Doch die neuesten Nachrichten lassen erkennen, dass 
diese Befürchtungen unbegründet waren. Der beste Tabak wird auf 
der Plantage am Südende Kameruns, in Batanga. gezogen, und die 
Preise, welche derselbe in Hamburg erzielte, sind derart, dass der 

Jfchrbach für Deutsche Kolonialpolitik. 12 


Digitized by Google 



178 


Die deutschen Kolonien. 


Anbau mit einem recht erheblichen Gewinne wird betrieben werden 
können. Die erste in Hamburg angekommene Probesendung von 
dort brachte 3 jfi das Pfnnd, da die Güte des seidenartigen Blattes 
der vorjährigen der Bimbia- Plantage, welche vielen Beifall fand, 
trotz unvollkommener Fermentirung, mangelhafter Sortirung und un- 
genügender Verpackung bei weitem überlegen war. 

Im Hinblick auf die guten Aussichten haben sich auch im ver- 
gangenen Jahre mehrere bedeutende Bremer Tabakfirmen mit der 
Hamburger Firma Jantzen & Thonnählen zu einer Kommandit- 
gesellschaft unter der Firma „Tabakbaugesellschaft Kamerun, Jantzen, 
Thormähleu und Dollmann“ vereinigt, um auf dem Westabhange des 
Kamerungebirges Tabakpflanzungen anzulegen. Die Firma Jantzen 
& Thormählen hat schon vor Jahren erhebliche Terrains, begrenzt 
von der Meeresküste zwischen Ngome und Victoria und dem Rio del 
Rey durch Kauf in ihren Besitz gebracht und von diesen Terrains 
eine Anzahl Grundstücke in die neue Gesellschaft eingelegt. 

Dem Batangaland scheint vor allem eine Zukunft hinsichtlich 
der agrikultureilen Entwicklung bevorzustehen. Nach den Forschungen 
des Herrn Kund steigt das Land nach innen massig an und hat 
eine ziemlich gleichmässige Bewässerung des Bodens. 

Diese reiche Bewässerung führt eine dichte Bewaldung des 
Landes herbei. Da das Ansteigen des Bodens ein sehr allmählicher 
ist, findet nur ein geringer Verlust an vermodernder vegetabilischer 
Substanz durch Wegschwemmung statt. Es kann angenommen wer- 
den, dass der gesammte mit Urwald bestandene Landstrich, soweit 
er uns bis jetzt bekannt geworden ist, agrikultureil verwerthbar ist, 
falls mit der Ausrodung des Waldes vernünftig vorgegangen wird. 
Der Anblick des Küstensaumes berechtigt an sich zu den besten 
Hoffnungen, denn überall, wo die Eingeborenen Pflanzungen angelegt 
haben, wachsen Maniok, Bananen, Mais u. s. w. mit grosser Ueppig- 
keit. In dem Aestuar des Kamerunflusses hat man wenig Hoffnung 
auf Plantagenbau, da der Laterit überwiegt und der leichte Boden 
durch den anhaltenden Regen leicht verschwemmt. Die Eingeborenen 
bauen nur wenig; die Europäer haben mit der Zucht von Gemüsen 
begonnen, aber die Arbeit ist zu mühsam, zeitraubend und kost- 
spielig, um von den Faktoreien als lohnende Nebenbeschäftigung 
betrieben zu werden. Bei dem überaus fruchtbaren Boden der nörd- 
lichen und östlichen Zone, sowie der Sicherheit, welche die deutsche Regie- 
rung dort derartigen Unternehmungen gewährt, und bei der that- 
kräftigen Unterstützung, welche von Seiten aller Regierungsbeamteu 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


179 


derartigen Versuchen eutgegengebracbt wird, halten wir Kamerun 
für Plantagen-Unternehmungen ganz besonders geeignet und hegen 
keinen Zweifel, dass energische nnd zielbewusste Unternehmungen 
mit verhältnissmässig geringem Kapital guto Erfolge erzielen werden. 

Leider ist das Klima *) ein recht ungesundes, am gefährlichsten 
in der Nähe der Mangrovesümpfe, und wenn auch durch eine den 
sanitären Vorschriften entsprechende Anlage der Häuser und durch 
eine vernünftige Lebensweise Vielem vorgebeugt werden kann, so 
bleiben doch noch die Schätzungen gültig, welche Dr. Büchner anf- 
gestellt hat. Derselbe meinte, dass jeder gesunde, kräftige, junge 
Mann, im Alter von 25 — 35 Jahren, der sich nach Kamerun begiebt, 
um dort drei Jahre lang als Kaufmann in einer mittelmässig gut 
ausgestatteten Faktorei zu dienen, für diese Zeit unter normalen 
Verhältnissen folgende Wahrscheinlichkeit eingeht 2 ): „Zu sterben, 
5 Prozent; — vor Ablauf der drei Jahre wegen fortgesetzter Fieber 
und wegen Blutarmuth nach Hause zurückkehren zu müssen, 10 Pro- 
zent: — eine merkliche Schädigung seiner Gesundheit für das ganze 
Leben davon zu tragen, 20 Prozent; — ohne besondere Schädigung 
beimzukehren, 65 Prozent. — Für Ackerbauer mit sehr geringem 
Komfort und mit der Nothwendigkeit, das tägliche Brot im Schweisse 
des Angesichtes zu verdienen, würden dieselben Zahlen in umge- 
kehrter Reihenfolge zu ordnen sein.“ Die Widerstandsfähigkeit gegen 
die Einflüsse des Tropenklimas hängt aber auch sehr viel mit dem 
Charakter und der Bildung der Weissen zusammen. 

Ein sehr ungünstiges Bild der Gesundheitsverhältnisse geben 
die Berichte der Marine. Danach hatten in 1885 die zeit- 
weise im Kamerunflusse liegenden Schiffe Olga und Möwe 616,5 
pro Mille bezw. 408,0 pro Mille Erkrankungen, während Bismarck 
auf der Kamerun Rhede nur 184,3 pro Mille aufwies; letzteres ist 
allerdings noch immer eine recht hohe Ziffer, wenn man in Betracht 
zieht, dass dieses Schiff mehr als eine Seemeile vom Lande entfernt 

') Regelrechte meteorologische Beobachtungen, wie sie in solcher Vollständig- 
keit bisher fehlten, sind in den Jahren 1885 und 1886 an Bord des Kanonenbootes 
„ Habicht “ angestellt worden. Danach stellte sich im Hafen von Kamerun die 
höchste beobachtete Temperatur auf 31,1° C., die niedrigste auf 21,8° und auf der 
Rhede von Kamerun die höchste auf bloss 29,3°, die niedrigste auf 23°. Ivs reg- 
nete in einem Jahre an 156 Tagen, wozu aber bemerkt werden muss, dass Regen- 
güsse ebenso häufig wie andauernde Landregen seifen sind. Im Gebirge, wo ähn- 
liche Beobachtungen bisher nicht angestellt wurden, sind die Regengüsse noch viel 
häufiger. 

*) Deutsche Kolonialzeitung 1887, Heft 19. 

12 * 


Digitized by Google 



180 


Die deutschen Kolonien. 


lag. Indessen darf die Khede von Kamerun als verhältnissmässig 
gesund betrachtet werden; denn von solchen Leuten, welche an Bord 
des Bismarck geblieben, bezw. nur zn Vermessungsarbeiten auf 
der Rhede verwandt worden waren — fast die Hälfte der Mann- 
schaft — erkrankten nur zwei Mann an leichter Intermittens ; alle 
übrigen Erkrankungen dieses Schiffes (56) betrafen Leute, welche in 
Booten Expeditionen den Fluss hinauf gemacht und sich längere oder 
kürzere Zeit an seinen Ufern bezw. in den Booten am Flusse anf- 
gehalten haben. 

Die Hoffnung bleibt jedenfalls bestehen, dass mit zunehmender 
Knltnr selbst im äquatorialen Afrika die Gesundheitsverhältnisse 
sich heben werden. Das grösste Hinderniss für die Ausbeutung der 
Tropenkolonien bietet das Vorhandensein von Fiebern nicht. 


Das Togogebiet. 

Als im Jahre 1884 am 4. Juli Dr. Nachtigal einen Protektorats- 
vertrag mit Mlapa, dem König von Togo, in Bagida abschloss, war 
zn dieser Zeit dieser westafrikanische Küstenstrich noch wenig bekannt. 
Es waren zwar schon früher Streitigkeiten zwischen den einzelnen 
Häuptlingen vorgekommen, welche infolge ihres Einflusses anf die 
Handelsbeziehungen der Deutschen die Aufmerksamkeit erregt hatten, 
aber man kann wohl sagen, dass nur die kleinen interessirten Kreise 
davon Notiz genommen hatten. In Folge des Einschreitens der 
„Sophie“ suchten schon am 5. März 1884 die Häuptlinge für sich 
und ihr Land den Schutz des Reiches nach, doch musste dieses Ge- 
such wegen der französischen Ansprüche zunächst unberücksichtigt 
bleiben. Die Engländer intrignirten auch hier, wie überall, gegen 
die Deutschen, aber ohne Erfolg. Am 15. Juli 1884 schloss dann 
Dr. Nachtigal mit den Häuptlingen in Bagida einen Vertrag ab und 
hisste die deutsche Flagge, bald geschah dasselbe in Lome. Der 
Vertrag selbst lautet: 

Bagida, den 15. Juli 1884. 

Der Generalkonsul des Deutschen Reichs, Dr. Gustav Nachtigal, im Namen 
Seiner Majestät des Kaisers von Deutschland, und Mlapa, König von Togo, vertreten 
für sich, seine Erben und seine Häuptlinge durch Plakkov, Träger des Stockes des 
Königs Mlapa, haben folgendes Uebereinkommen getroffen: 

§ 1. König Mlapa von Togo, geleitet von dein Wunsche, den legitimen Han- 
del, «reicher sich hauptsächlich in den Händen deutscher Kaufleute befindet, zu 
beschützen und den deutschen Kaufleuten volle Sicherheit des Lebens und Eigen- 


Digitized by Google 


Die deutschen Kolonien. 


181 


thums zu gewähren, bittet um den Schutz Seiner Majestät des Deutschen Kaisers, 
damit er in den Stand gesetzt werde, die Unabhängigkeit seines an der Westküste 
von Afrika, von der Ostgrenze von Porto Seguro bis zur Westgrenze von Lome 
oder Bey-Bcacb, sich erstreckenden Gebietes zu bewahren. Seine Majestät der 
Kaiser gewährt seinen Schutz unter dem Vorbehalt aller gesetzmässigen Rechte 
Dritter. 

§ 2. König Mlapa wird keinen Tbeil seines Landes mit Souveränitätsrechten 
an irgend eine fremde Macht oder Person abtreten, noch wird er Verträge mit 
fremden Mächten ohne vorherige Einwilligung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers 
eingeben. 

§ 3. König Mlapa gewährt allen deutschen Unterthanen und Schutzgenossen, 
welche in seinem Lande wohnen, Schutz und freien Handel, und will anderen 
Xatiouen niemals mehr Erleichterungen, Begünstigungen oder Schutz gewähren, als 
den deutschen Unterthanen eingeräumt werden. König Mlapa wird ohne vorherige 
Zustimmung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers keine anderen Zölle oder Ab- 
gaben als die bis jetzt üblichen erheben, nämlich 
1 Schilling für jede Tonne Palmkerne, 

1 Schilling für jedes Fass Palmöl, 
welche an die Häuptlinge des betreffenden Ortes zu zahlen sind. 

§ 4. Seine Majestät der Deutsche Kaiser wird alle früheren Handelsverträge 
zwischen König Mlapa und Anderen respektiren, und wird in keiner Weise den in 
König MIapa’s Land bestehenden freien Handel belasten. 

§ 5. Seine Majestät der Deutsche Kaiser wird in der Art und Weise der 
Zollerhebung, welche bis jetzt von König Mlapa und seinen Häuptlingen befolgt 
ist, nicht eingreifen. 

§ 6. Die vettragscbliessenden Parteien behalten sich künftige Vereinbarungen 
über die Gegenstände und Fragen von gegenseitigem Interesse, welche nicht in 
diesem Vertrage eingeschlossen sind, vor. 

§ 7. Dieser Vertrag wird vorbehaltlich der Ratifikation durch die deutsche 
Regierung sogleich in Kraft treten. 

Die Unruhen aber, welche hier bald ausbrachen und mehr- 
mals ein Einschreiten der Marine nothwendig machten, Hessen es 
doppelt erwünscht erscheinen, die Grenzen sowohl des englischen 
als französischen Einflusses zu reguliren. Diese Regulirungen fanden 
im Jahre 1885 statt und führten zu einem für Deutschland günstigen 
Resultate. 

Das Gebiet als politischer Begriff umfasst danach einen Flächenraum 
von etwa 20 000 qkm uud reicht im Norden bis über deu 8° 2' n. 
Br. hinaus, im Süden bis 6° 6' hinunter; der englische Grenzpunkt, 
nach der englischen Goldküste zu, liegt unter 1“ 13' östl. L., 6° 6' 
u. Br., die Ostgrenze wird gebildet durch die französische Demar- 
kationslinie 1“ 41' östl. L., 60 13' n. Br. (von Filakonji bis 9° u. 
Br.). Die Küste hat eine Länge von 52 km. 

Als die Deutschen das Land in Besitz nahmen , war nicht 
unr das Innere, sondern auch die Küste so gut wie unbekannt, da 


Digitized by Google 



182 


Die deutschen Kolonien. 


nur gelegentlich Missionare der norddeutschen Mission vom Westen 
in dasselbe eingedrungen waren. An der öden sandigen Küste hatten 
sich einige Hamburger und Bremer Häuser (besonders Woelber & 
Brohm, Vietor Söhne, und Goedelt) seit dem Jahre 1880 nieder- 
gelassen, welche ein blühendes Geschäft trieben, obwohl sie wegen 
der schwierigen Landungsverhältnisse auch mancherlei Verluste anf- 
zuweisen hatten. Der Export besteht vornehmlich aus Palmöl, 
welches aus dem Innern gebracht wird, in das sich, obwohl es von 
den verhältnissmässig friedlichen Ewe bewohnt war, doch noch Nie- 
mand gewagt hatte. Die nächste Umgebung der Küste ist auch 
wenig einladend. Die Faktoreien der Deutschen liegen auf einer 
sandigen Nahrung, von der Küste durch eine flache öde Lagune ge- 
trennt. Jenseits der Lagune begann die tropische Savanne, selten 
vom Urwald unterbrochen, mit dem parkähnlichen Buschwalde be- 
standen, welcher charakteristisch für das zentrale Afrika ist. Ueber- 
dies war das Klima an der ganzen Küste ein sehr verrufenes und 
sicher in den benachbarten Gebieten, wie Lagos, wo die Engländer jetzt 
durch Drainirnngen und andere sanitäre Einrichtungen die Ursachen 
des Fiebers zu bekämpfen suchen, so gefährlich, dass dem grimmigen 
Witz, England habe beständig zwei Gouverneure dafür, einen Le- 
benden auf der Reise dahin und einen Todten auf der Rückreise, 
ein tieferer Sinn zuerkaunt wurde. Daher war die ganze Guiuea- 
Küste bislang wenig begehrt und wechselte mehrfach ihren Besitzer, 
bis Anfang der achtziger Jahre mit dem steigenden Interesse aller 
Nationen an kolonialen Erwerbungen eine genauere Begrenzung der 
Verhältnisse sich als nothwendig herausstellte, welche uns dann 
schliesslich anch zu Gute kam. 

Im Mai 1885 wurde für das Togogebiet der Assessor E. Falken- 
thal als Regierungskommissar ernannt, der am 26. Juni mit seinem 
Stabe au dem ihm angewiesenen Wohnsitze Bagida anlangte. 

Der Forschung bot sich hier ein weites Gebiet, aber es dauerte 
einige Jahre, bis ein ernsthafter Versuch gemacht wurde, in das Innere 
zu dringen. Es war vor allem nothwendig, das Hinterland in deut- 
schen Besitz zu bringen, und deshalb unternahm der Regierungs- 
kommissar Assessor Falkenthal im Jahre 1886 mit dem Konsul 
Randad eine Reise von Lome bis Agotime Petu, wodurch die Land- 
schaft Töwe, Kewe und Agotime deutsch wurden. Im Sommer 1887 
unternahm Herr Dr. Henrici mit dem Reichskommissar Herrn Grade 
ebenfalls eine Reise in das Innere, welche über das Agome- 
Gebirge hinausführte und, obwohl sie nur kurz war, doch werthvolle 


Digitized by Google 


Die deutschen Kolonien. 


183 


Aufschlüsse über das Land gab, die Dr. Henrici in einem Buche 
niederlegte. ') Zugleich bereiste auch Herr Lieutenant a. D. Strensch 
den Siofluss, um das Land in Bezug auf seine Ertragsfähigkeit zu 
untersuchen. Doch die eigentliche wissenschaftliche Forschung setzte 
erst ein, als die Regierung sich entschloss, gerade wie in Kamerun 
vorzugehen und die Herren Lieutenant v. Francois und Stabsarzt 
Wolf, welche schon bedeutende afrikanische Erfahrungen am Kongo 
gesammelt hatten, nach dem Hinterland zu entsenden. Die Ergeb- 
nisse ihrer Forschung finden sich zerstreut in den ,. Mittheilungen 
von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutz- 
gebieten“, auf welche wir hier allein angewiesen sind, da die Aus- 
sagen der Missionäre kaum in Betracht kommen. 

Hauptmann von Francois brach im Januar 1888 von Bagida 
auf, erreichte am 4. März Salaga, reiste von dort nacli Waga Duga 
(dem Waghodogho der Habcnicht’schen Karte) und erreichte nach 
Ueberschreitung des Wolta bei Bupere am 19. April das Land der 
Mosi bei Surma unter ca. 11° 28' n. Br. jenseits der Wasserscheide 
des Wolta und Niger. Er kehrte über Salaga, Adeli nach Kl. Popo 
zurück, besuchte dann Deutschland, um im Herbste wieder nach dem 
Togogebiet herauszugehen. 

Kurz nach Beginn seiner Reise landete in Kl. Popo am 
28. Februar die andere von Herrn Stabsarzt Dr. Wolf geführte Ex- 
pedition, welche am 29. März mit 36 Wei-, 20 Lagos- und 42 Popo- 
Leuten nach dem Innern aufbrach und Mitte Mai in der Landschaft 
Adeli eintraf, wo eine Station, Bismarkburg genannt, auf einem do- 
minirenden Hügel angelegt wurde. Dr. Wolf berichtet darüber fol- 
gendermaassen : 2 ) 

„Der Stationsbau ist auf einer Stelle in Angriff genommen, die 25 km in 
nordöstlicher Richtung von dem unter ca. 8° 10' n. Br. befindlichen Ort Jege, 
Residenz des Oberhäuptlings Kontu, gelegen ist. Als Platz ist der dominirende 
Hügel Adado gewählt und scheint derselbe allen Anforderungen zu entsprechen. 
Das Land Adeli soll bis jetzt den Fremden mehr oder weniger verschlossen ge 
wesen sein. Händler wagten sich aus Furcht vor dem hiesigen Fetischkultus nur 
selten hierher. Durch mein Zusammentreffen mit dem Oberbäuptling Kontu und 
seinem Priester in Aposso ist nun ein glücklicher Umschlag eingetreten. Es ge- 
lang mir, bei dem genannten Oberbäuptling, der ein geistig hochstehender Neger 
ist und in früheren Jahren Reisen nach Salaga, Jendi und Sansanne Uangho 
gemacht batte, Einfluss zu erhalten und sein Anfangs bestehendes Misstrauen zu 
beseitigen. Er unterliess dann nicht, die übrigen Häuptlinge und die Bevölkerung 

') Das deutsche Togogebiet und meine Afrikareise. 1887. Leipzig. Verlag 
von Carl Reissner. 1888. 

J ) Mittbeilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten. Heft 111. 


Digitized by Google 



184 


Die deutschen Kolonien. 


zu beruhigen und ebenfalls für die Expedition günstig zu stimmen. Am 20. Mai 
wurde auf einer grossen Versammlung in dem Ketischorte Pereu die Anlage der 
Station von deu Häuptlingen und der Priesterschaft gebilligt. Es begann dann 
sofort der Bau der provisorischen Häuser und die Anlage von Feldern, so das« 
am 2. Juni die Expedition bereits ihr Lager von Jege nach dem Adado verlegen 
konnte. Am selben Tage Mittags wurde auf demselben die Flagge gehisst. Die 
Expedition ist einstweilen am nördlichen Hange in Grashütten untergebracht. 
Das Planiren der steinigen Kuppe ist nahezu beendet und wird dann sofort mit 
dem Bau der bleibenden Häuser begonnen, wozu das Material beschafft ist. Die 
nahen Gallariewälder liefern vorzügliche Bauhölzer in reichlicher Menge. Gutes, 
kühles Trinkwasser giebt der 1 — 2 m breite Adadiä, welcher in einem steinigen 
Bett am Fusse des Adadü von Osten nach Süden in den Jege fliesst. 

Mit der Anlage von Pflanzungen ist ebenfalls bereils begonnen. Ausser ver- 
schiedenen europäischen Gemüsen, Bohnen, Erbsen, Spinat, Kartoffeln, Gurken, 
Radieschen, Salat etc., die auffallend schnell aus dem Boden emporwuchsen und 
zur Zeit sehr gut stehen, sind Anpflanzungen von einheimischen Bodenerzeugnissen, 
Bohnen, Mais, Reis, Maniok gemacht. Die Fläche der jetzt bebauten Felder be- 
trägt 8623 qm. Baumwolle und liberianischer Kaffee sollen in diesen Tagen an- 
gepflauzt werden. Das Reisfeld umfasst 3652 qm. Auch ist bereits eiue Pflanzung 
von 500 Bananen angelegt, welche noch vergrüssert werden soll. Der einheimischen 
Bevölkerung ist die Verwertbung der Bananen zu Hanf nicht bekannt, ebensowenig 
kennt sie den Werth der Kautschukliaoe LaruJolphia, welche hier sehr häufig ist 
und für den Handel von Bedeutung zu werden verspricht. 

Ich glaube schon jetzt darauf aufmerksam machen zu müssen, dass nach 
meiner Ansicht eine Station hierorts einen bleibenden Werth für die Zukunft und 
Fortentwickelung der vielversprechenden Togokolonie haben wird. Durch dieselbe 
kann ein Verkehr zwischen der Küste und dem Innern, den numerisch schwache, 
räuberische Stämme bis jetzt zu verhindern suchten, mit verhältnissmässig geriugeu 
Mitteln geschaffen und gesichert werden. In Aposso batte man einen meiner 
Träger, einen Wei-Jnugen, welcher mit seiner Lost entfliehen wollte, aufgegriffen, 
beraubt und sofort als Sklaven verkauft. Als ich unter Androhen kriegerischer 
Maassregeln die Auslieferung verlangte, erfolgte dieselbe ohne Weiteres. Zugleich 
bemühte man sich, die friedfertigsten Versprechungen für die Zukunft zu gehen, 
die jedoch kaum länger gehalten werden , als die Station sich hier befinden wird. 
Seitdem die Expedition sich hier festgesetzt hat, sind die Sicherheitsverhältnisse 
bereits wesentlich bessere geworden. Ohne den beschwerlichen Marsch über das 
Apossogebirge ist cs möglich, einen kürzeren bequemeren Weg nach Klein-Popo zu 
nehmen. Der Boden scheint fruchtbar zu sein, für Viehzucht ist er geeignet. Die 
handelspolitische Bedeutung der Station muss darin liegen, dass sie es sich zur 
Aufgabe macht, vornehmlich den Verkehr aus den nördlich und nordöstlich ge- 
legenen Gebieten nach unseren Küstenplätzen zu vermitteln. Die Möglichkeit hierfür 
ist, wie cs scheint, gegeben. Es soll, ohne Salaga zu berühren, ein direkter Weg 
nach Jcndi und, ohne dieses zu besuchen, ein solcher nach Sansanne Mangho zu 
finden sein. Die aus Nordosten kommenden Haussakarawanen sollen zum Theil 
drei Tagereisen nordöstlich von hier über Faso nach Salaga gehen. Die Entfernung 
von hier nach Salaga soll S — 10, und nach dem östlich gelegenen Markte Pessi, 
von wo der Hauptverkehr nach der französischen Kolonie Gross-Popo geht, vier 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


185 


Tagereisen sein. Wie weit diese Erkundigungen der Wirklichkeit entsprechen und 
sich verwerthen lassen, werde ich festzustellen suchen.“ 

Wenn es möglich sein wird, einen neuen Weg durch Aposso 
festzulegen und damit den Verkehr aus dem Innern direkt nach 
unserer Küste zu leiten, welcher jetzt grösstentheils über Salaga 
nach dem englischen Gebiet geht, wird diese Station von nicht zu 
unterschätzender handelspolitischer Bedeutung sein. 

Was die Bodenbeschaffeuheit des Landes anbetrifft, so steigt es 
von dem sandigen Strande nach dem Innern zu, welches sich fächer- 
förmig erweitert, sanft au. Es erhebt sich allmählich zu einer Meeres- 
höhe von 200—400 m und im Innern zu Gebirgen, welche bis 7000' 
ansteigen. Das Agomegebirgo, das sich als einen Theil des grossen 
Gebirgszuges darstellt, der vom unteren Wolta in weiten Bogen sich 
zur Xigerecke nach Sokoto zieht, trennt das Land in zwei Theile ab. 

Als einzelne Gebirge liegen im deutschen Gebiete das schon 
früher bekannte Agugebirge, mit einer Kuppel über 5000 Fuss hoch, 
und das Diklögebirge, eine Kette von ungefähr derselben höchsten 
Erhebung. 

Die Flüsse im Schutzgebiet Sio-, Haho und Mono sind seicht 
und führen in der Trockenheit kein Wasser. Weiter nach dem / 

Innern sind aber die hydrographischen Verhältnisse günstiger, die 
gebirgige Gegend ist von zahllosen Bächen und Flüsschen durch- 
schnitten, die nie austrocknen und ein erfrischendes kühles Trink- 
wasser liefern. 

Das Gelände südlich desselben ist nach Francois einschliesslich 
der Gebirgslandschaft vegetationsreicher als die Gegend nördlich des 
Gebirges. Wald herrscht vor und geht nach der Küste zu dichter 
Busch-Savanne über. Palmen bilden in diesem Theile vollkommene 
Dickichte und auch Bananen sind reichlich vertreten. In dem nörd- 
lichen Theile kommen genannte Pflanzen nur noch vereinzelt bis 
Kpandu vor und machen von hier ab Butterbäumen, Tamarinden 
und Dorngewächsen Platz. Vorherrschend in diesem Abschnitt ist 
Grasland mit meist niedrigem Grase und zerstreut stehenden Bäumen, 
welches nördlich Salaga zu dichter Baum-Savanne übergeht. Der 
Affenbrodbaum setzt nur in den höher gelegenen Theilen des Agoine- 
Gebirges aus. 

Was nun die Fruchtbarkeit des Bodens und seine Verwendbar- 
barkeit für Plantagenbau anbetrifft, so lauten die Urtheile darüber 
nicht sehr verschieden. Der Assessor Falkenthal schildert das Land 
jenseits der Lagune als fruchtbaren Diluvialboden, vielfach mit Lehm 


Digitized by Google 



186 


Dio deutschen Kolonien. 


durchsetzt uud von ausgedehnten Humusschichten bedeckt. „Hier 
zeigt sich ausserordentlich üppiger Pflanzenwuchs, und die Frucht- 
barkeit des Bodens beweist wohl am besten die Thatsache, dass die 
Neger zweimal im Jahre reiche Ernten erzielen, indem sie die Mais- 
körner einfach hinwerfen; und dabei wachsen die Pflanzen bis zu 
einer erstaunlichen Höhe hinan. Eine gleiche Ueppigkeit zeigen die 
Laubbäume, welche geradezu fabelhafte Dimensionen erreichen. Hier 
wächst Ebenholz wild, die werthvolle Gummiliane durchzieht den 
Wald, und eine Menge von Kulturpflanzen, wie Baumwolle, Tabak, 
Kaffee, Zuckerrohr, Ricinus u. a. linden sich im Togogebiet wild 
wachsend. Dazu kommen die so wichtigen Palmensorten, von denen 
besonders die Oelpalme der segenbringende Baum Westafrikas ge- 
worden ist, denn ohne sie würde nach der Aufhebung der Sklaverei 
kaum ein Schiff dorthin gekommen sein, während jetzt alljährlich 
Hunderte von Dampf- und Segelschiffen nach der Westküste fahren, 
hauptsächlich um sich mit den Erzeugnissen dieses Baumes zu be- 
laden.“ 1 ) 

Auch der Kaiserliche Kommissar Herr von Puttkamer, welcher im 
März 1888 eine Reise nach dem im französischen Gebiet am Agome- 
lluss liegenden Awewö machte, fand in dieser Gegend das Land 
sorgfältig angebaut, von zahlreichen vorzüglichen Wegen durch- 
schnitten. Links und rechts des Weges dehnten sich grosse Felder 
aus mit Kassada, Mais, Yams, Erdnüssen, Bataten, Pfeffer, Okra n. 
dergl. bestanden. Andere Beobachter stimmen mit geringen Ausnahmen 
darin überein, dass das Land sich zum Plantagenbau im Grossen gut 
eigne, doch ist bis jetzt noch nichts erwiesen und auch noch kein 
ernsthafter Anfang gemacht. Es würde sich sicher empfehlen, auch 
in dem Togogebiet mit rationellem Plantagenbau vorzugehen und 
sich durch die trüben Erfahrungen der Basler Mission an der be- 
nachbarten Goldküste, was ihre durch lange Jahre fortgesetzten 
Kulturversuche betrifft, nicht abscbrecken zu lassen. Doch darf ein 
solches Unternehmen nicht mit geriugen Mitteln angefangen wer- 
den, da bei der Schwierigkeit der Arbeiterfrage, welche für Togo, 
wenn auch in geringerem Maasse als in Kamerun, besteht, und der 
Transportverhältnisse, viel Geld aufgewendet werden muss, um auf 
dem Weltmärkte konkurrenzfähig zu werden. 

Was die Bevölkerung anbetrifft, so ist das Ewegebiet, westlich 
bis an resp. in die Nähe des Wolta. östlich bis zum Opara reichend, 
ein, wenn auch aus politisch sehr verschiedenartigen Theilen be- 

') Deutsche Kolonialzeitung. No. 12. 1S88. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


187 


stehendes, doch einheitliches Ganze. Auf der einen Seite umfasst 
es das despotische Reich Dahome, welches noch jüngst unter Portu- 
gals Schutzherrschaft stand, auf der andern eine grosse Anzahl un- 
abhängiger Stämme, deren mehrere nun unter deutschem Schutze 
stehen, wie andere unter englischem und französischem. Bei allen 
aber herrscht, mit geringen dialektischen Verschiedenheiten, dieselbe 
Sprache. Die Bevölkerung ist eine verhältnissmfissig dichte, besonders 
in dem Küstengebiet und dem des oberen Wolta. Sie gehört von 
der Küste bis zum Prapransifluss zum Ewe- (Krepe-), von hier bis 
Akrosso zum Guanstamme, an welchen sich der Kratschi-, Banjaue- 
und Dagombastamm anschliessen. Nur die letzten beiden Stämme 
haben einen Sultan als Oberhaupt. Bis auf den Dagombastamm ist 
die Bevölkerung eine friedliebende, gutmüthige. Von Salaga an 
nördlich überwiegen die Muhamedaner, welche in dem Gebiete un- 
leugbar Fortschritte machen. Die Eweer sind Fetischanbeter. 1 ) 
Obwohl sie wie alle Neger so wenig wie möglich arbeiten, so 
sind sie doch um vieles fleissiger und industriöser als z. B. die 
Kamerun-Stämme. Wo die Dichtigkeit der Bevölkerung gering ist, 
wie auf der vorhin erwähnten, von Herrn v. Puttkamer durchreisten 
Strecke im westlichen Thoile, sind sie sicher gute Ackerbauer ge- 
worden. Die Sorgfalt, mit welcher sie ihre Felder aulegen und be- 
arbeiten, nennt dieser Beobachter erstaunlich, Samen und Pflanzen 
werden ordentlich in Reihen gesetzt, die emporkommenden Pflanzen 
mehrere Male gehäufelt, ja sogar das üppig wuchernde Unkraut aus- 
gejätet. Man findet in manchen Gegenden angebaute Oelpalmen- 
Wftlder, deren Boden sauber gehalten wird wie in einem Garten. 
Die Eingeborenen treiben in gründlicher Weise einen ganz rationellen 
Ackerbau, d. h. sie wechseln nicht nur zwischen Knollen- und Kör- 
nerfrucht ab, sondern sie lassen auch ein Stück Land, welches einige 
Jahre hindurch getragen, 2 — 3 Jahre brach liegen. Die Vorliebe des 
Eweers für den Ackerbau ist eine ausgesprochene, und es ist des- 
halb ausserordentlich schwer, Land zu kaufen. In den meisten Orten 
ist die Veräusserung von Grund und Boden bei Todesstrafe verbo- 
ten. 2 ) Die Gehöfte der Eingeborenen, aus Lehm und Stroh gebaut 

*) Muhamedauischc Missionen sind aber auch schon in der ganzen Küsten- 
ebene an verschiedenen Orten thätig, was für die Zukunft nicht unbedenklich ist. 

*) Dm über diese Schwierigkeiten wegzukominen, empfiehlt es sich, das Land 
zu pachten. Denn die Pacht kann nie von den Schwarzen, wohl aber jederzeit 
vom Europäer gekündigt werden, und ist, wie auch in Liberia, so cinzurichten, 
dass nach einigen Jahren nur noch eine bestimmte kleine Last, eine Art jährlichen 
Oeschenkes, darauf liegt. 


Digitized by Google 



188 


Die deutschen Kolonien. 


und sehr reinlich gehalten, sind von angepflanzten Kokospalmen und 
Bananen umgeben. Auf einem freien Platze vor dem Hause des 
Aeltesten steht, wie bei uns die Dorf linde so dort ein riesiger, 
schattenspendender Affenbrodbaum. In der Nähe befindet sich der 
Brunnen. 

Die Temperaturverhältnisse kennzeichnen die Küstenebene als 
eine feuchtheisse Gegend, v. Francois fand als heisseste Temperatur im 
Februar in Lome 37° C., als niedrigste im Juli und August 20° C., 
während Dr. Heurici als Maximum in der Trockenzeit 43, 5 ° 0. no- 
tirte. Die Küstenebene steht ganz unter dem Einfluss des Land- 
und Seewindes. Mit Tagesanbruch erhebt sich die Brise aus Süd- 
west, wird stärker gegen Mittag und schläft gegen Abend ein, um 
für die Nacht, der Windstille und schwachen Strömungen vom Binnen- 
lande her Platz zu machen, lu den Monaten April bis Mitte August 
und Faule September bis November weht die Seeluft stärker, bringt 
grössere Feuchtigkeitsmengen und bedingt dadurch die Regenzeiten. 
Zeitweise, besonders aber im Dezember und Januar, weht vom Lande 
her der llarmatan, welcher die Temperatur um 4°- 6° erhöht, die 
Luft trocken macht und feinen, röthlichen Staub mit sich führt. 

Das Klima an der Küste ist, nach Dr. Henrici durchaus ungesund 
und die Europäer leiden dort sehr unter dem Fieber, in beschränkterem 
Maasse auch die Eingeborenen. Dagegen schreibt von Francois, dass 
das Klima au der Togoküste gesunder ist als an jeder anderen Stelle 
des Guineabusens infolge der frischen Seebrise, des Fehlens von 
Mangrovedickichten und des guten Aubaus des Hinterlandes. Am 
besten spreche für die Zuträglichkeit des Klimas das gesunde Aus- 
sehen der fünfundzwanzig au der Küste befindlichen Europäer. Im 
Gebirgslande und auf dem Theil der Hochebene des West-Sudan, 
welcher in das Gebiet hineinragt, ist das Klima jedenfalls am ge- 
sundesten. 

Der Handel im Togogebiet hat eine Zukunft, da das Land ziem- 
lich dicht bevölkert ist und noch manche Produkte, wie Kautschuk 
und Indigo, welch letzteres hier wild wächst, in grossen Mengen 
gewonnen werden können. Die Kautschukliane ist in dem Gebirge 
sehr verbreitet, doch ist, wie schon früher bemerkt, ihre Verwerthung 
den Eingeborenen dort noch unbekannt, welche immer noch ein ein- 
seitiges Wirtschaftssystem für den Export, nämlich die Gewinnung 
des Palmöls betreiben. Die an der Küste gangbarsten Tausch- 
artikel sind: Taschentücher und Kattune, rothgeblümte Muster und 
sogenannte Fancy Points, Blättertabak in Bündeln (heads), billige 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


189 


Löffel und Messer, gewöhnliche Perlen, sogenannte Popo Beads, Glas- 
korallen und echte Korallen, Feuersteine für Steinschlossgewehre, 
Decken, billige Filzhüte, sogenannte „Triumphhüte“, und Hemden, 
weiss oder gestreift, beliebt als Geschenke für Häuptlinge; Par- 
füme, wie Lawendcl, und weiter: Rothgam in Päckchen, Blaugam, 
dicker Messingdraht, (brass rods), rothe Fez, Spiegel (Soldatenspiegel), 
Sammt, Nähnadeln, Schilling, türkisch rother Kattun, weisse Banm- 
wollenzeuge (Grey baff und Grey superior). Langschiiftige Stein- 
schlossgewehre, sogenannte Daneguns, und rothangestrichene mit 
grosser Mündung, sogenannte Buccaneer für Elephantenjagd, sowie 
Pulver sind sehr geeignet zum Ankauf von Pferden und Rindvieh, 
ferner Seide in Stücken oder Tüchern , roth oder rothgeblümt. 
Taschentücher und die eingeführten Kattune sind überall sehr beliebt 
als Tauschartikel. An der Küste sind kleine Silbermünzen, bis jetzt 
noch englische 3 und 6 Pence höchst erwünscht und vortheilhaft zu 
verwerthen. Eisenwaaren wie kleine und grosse Messer (sogenannte 
butcher knives), Haumesser und Hacken, Taschenmesser haben als 
Exportartikel nach hier eine Zukuuft. 

Die aus den Einfuhrzöllen (seit 1. August 1887) sich ergeben- 
den Einnahmen, 80 000 Mark im Etat für 1889/90, genügen, um die 
Kosten der Verwaltung zu decken. Die Kolonie steht unter Ver- 
waltung des Reiches; Regiernngskomraissar war im letzten Jahre 
v. Puttkamer, der auch zugleich Konsul für die unter fremder Hoheit 
stehenden Gebiete an der Gold- und Silberküste war. Ausserdem 
befindet sich dort ein Sekretär, Polizeimeister, Regierungsarzt u. a. 
Beamte, ln Deutschland hat sich am 8. Mai 1888 eine deutsche 
Togogesellschaft als eine offene Handelsgesellschaft konstituirt, nach- 
dem Dr. Ilenriei Land am Siolluss erworben hatte. Die erste Station 
der Gesellschaft ist in Gape, einige Tagereisen von der Küste. 


Deutsch-Ostafrika. 

Die Entstehungsgeschichte unseres grossen ostafrikanischen 
Schutzgebietes ist schon früher auf Seite 122 bei Erwähnung der 
Bildung der Gesellschaft für deutsche Kolonisation flüchtig gestreift 
worden. Diese Gesellschaft hatte erklärt, sie wolle in entschlossener 
und durchgreifender Weise die Ausführung von sorgfältig erwogenen 
Kolonisationsprojekten selbst in die Hand nehmen und somit er- 


Digitized by Google 



190 


Die deutschen Kolonien. 


gänzend den Bestrebungen von Vereinigungen ähnlicher Tendenzen 
zur Seite treten, hatte in Ausführung dieser Absicht ein kleines 
Betriebskapital gesammelt und mit dem Wahlspruch „weise und 
besonnen“ ein Projekt, die Landschaft Usagara zu erwerben, deren 
Reichthum von Reisenden vielfach gerühmt wurde, angenommen. Die 
Instruktion der Mitglieder der ersten Expedition lautete dahin, 
dass die Herren Dr. C. Peters, Dr. jnr. Jühlke, J. Graf Pfeil beauf- 
tragt. seien, an der Ostküste Afrikas, in erster Reihe in Usagara, 
eine Landerwerbung behufs Anlegung einer deutschen Ackerbau- und 
Handelskolonie zu vollziehen. Das zu erwerbende Gebiet sollte 
politisch die Möglichkeit deutscher Oberhoheit bieten, wirtschaftlich 
für deutsche Ansiedelung behufs Ackerbau geeignet sein. Die Leitung 
der Expedition war dem Herrn Dr. C. Peters zugewiesen; derselbe 
hatte über die zu unternehmenden Schritte zu entscheiden und das Ver- 
fügungsrecht über die mitzunehmenden Gelder. An seine Stelle 
sollte im Behinderungsfalle Herr Dr. Jühlke treten, an Stelle 
dessen Graf Pfeil. Es war zugleich bei der Entsendung die feste 
Erwartung ausgesprochen worden, dass die Herren keinesfalls, ohne 
den Ankauf von geeignetem Land irgendwo vollzogen zu haben, 
nach Deutschland zurückehren würden, welche auch nicht zu Schanden 
geworden ist. 

Der kühne Versuch glückte; am 4. November 1884 kam die Expe- 
dition in Sansibar an und setzte bald nach dem Festlande über; unter 
mancherlei Schwierigkeiten, welche sich besonders darauf zurück- 
führen lassen, dass die Expedition wegen der durchaus nothwendigen 
Eile, da schon die Belgier ihr Augenmerk auf das Land gerichtet 
hatten, die Ausrüstung nur mangelhaft hatte hersteilen können, 
wurden eine Anzahl Verträge mit den von Sansibar unabhängigen 
Häuptlingen der Landschaften Useguha, Usagara, Nguru, Ukami 
abgeschlossen. Als Dr. Peters im Februar 1885 wieder in Deutsch- 
land eintraf, konnte er befriedigt auf das Werk zurückblicken, denn 
wenn auch die öffentliche Meinung über die Tragweite der Erwer- 
bungen, besonders was den privatrechtlichen Besitz des Landes be- 
traf, auseinanderging, so war jedenfalls der Versuch geglückt, an 
der Ostküste Afrikas auf ein zukunftsreiches Gebiet die Hand zu 
legen und Hoheitsrechte zu erwerben. 1 ) Die Verträge wurden der 
Reichsregierung zur Prüfung überwiesen und bald durch folgenden 

') Wer sich näher über die Geschichte der ostafrikanischen Erwerbung in- 
fortniren will, findet das Material gut zusammengestellt in „Deutsch-Ostafrika“. 
Von J. Wagner. Zweite Auflage- Berlin. Mitscher & Hösteil. 1888. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


191 


Kaiserlichen Schutzbrief, den ersten, den die deutsche Geschichte 
aufzu weisen hat, anerkannt: 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von 
Preussen, thun kund und fügen hiermit zu wissen: 

Nachdem die derzeitigen Vorsitzenden der „Gesellschaft für 
deutsche Kolonisation“ Dr. Carl Peters und Unser Kammerherr, 
Felix, Graf Behr-Bandelin, Unseren Schutz für die Gebietserwer- 
bungen der Gesellschaft in Ostafrika, westlich von dem Reiche 
des Sultans von Sansibar, ausserhalb der Oberhoheit anderer Mächte, 
nachgesucht und Uns die von besagtem Dr. Carl Peters zunächst 
mit den Herrschern von Usagara, Nguru, Useguha und ükami im 
November und Dezember v. J. abgeschlossenen Verträge, durch 
welche ihm diese Gebiete für die Deutsche Kolonisationsgesellschaft 
mit den Rechten der Landeshoheit abgetreten worden sind, mit dem 
Ansuchen vorgelegt haben, diese Gebiete unter Unsere Oberhoheit 
zu stellen, so bestätigen Wir hiermit, dass Wir diese Oberhoheit 
angenommen und die betreffenden Gebiete, vorbehaltlich Unserer 
Entschliessungeu auf Grund weiterer Uns nachzuweisender vertrags- 
raässiger Erwerbungen der Gesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolger 
in jener Gegend, unter Unseren Kaiserlichen Schutz gestellt haben. 
Wir verleihen der besagten Gesellschaft unter der Bedingung, dass 
sie eine deutsche Gesellschaft bleibt, und dass die Mitglieder des 
Direktoriums oder die sonst mit der Leitung betrauten Personen 
Angehörige des deutschen Reiches sind, sowie den Rechtsnach- 
folgern dieser Gesellschaft unter der gleichen Voraussetzung, die 
Befugniss zur Ausübung aller aus den Uns vorgelegten Verträgen 
fliessenden Rechte, einschliesslich der Gerichtsbarkeit, gegenüber 
den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassendeu 
oder zu Handels- und anderen Zwecken sich aufhaltenden Ange- 
hörigen des Reichs und anderer Nationen, unter der Aufsicht 
Unserer Regierung und vorbehaltlich weiterer von Uns zu er- 
lassender Anordnungen und Ergänzungen dieses Unseres Schutz- 
briefes. 

Zu Urkund dessen haben Wir diesen Schutzbrief Höehsteigen- 
händig vollzogen und mit Unserem Kaiserlichen Insiegel versehen 
lassen. 

Gegeben Berlin, den 27 .Februar 1885. (gez.) Wilhelm. 

(ggez.) v. Bismarck. 

Damit stand die Gesellschaft für deutsche Kolonisation einer 
ganz neuen Sachlage gegenüber; sie hatte einerseits die Finanzirung 


Dlgitized by Goögle 



192 


Die deutschen Kolonien. 


des deutsch -ostafrikanischen Kolonialuntemehmens durchzoführen, 
andererseits wegen der herrschenden Eifersucht der Engländer, welche 
in Sansibar schon seit langen Jahren einen bedeutenden Einfluss 
ausgeübt hatten, etwaigen Versuchen, auf dem Festlande Gebiete zu 
erwerben, zuvorzukommen. Der Einfluss der Engländer zeigte sich 
zuerst deutlicher, als der Sultan Said Bargasch — ein orientalischer 
Despot vom reinsten Wasser, aber genialer Kaufmann und bestrebt, 
sich manchen Forderungen der Neuzeit anzupassen — die Erwerbungen 
der Gesellschaft nicht anerkannte, seine Flagge auf ihren Gebieten 
aufziehen liess, und nach Mombas den General Matthews beorderte, 
um von dort nach dem Innern anfzubrechen und die Häuptlinge von 
Dschagga und Taveta unter seine Botmässigkeit zu bringeu. Fürst 
Bismarck liess nun erklären, dass wenn die Truppen von dem Ge- 
biete der Gesellschaft nicht zurückgezogen werden würden , er ge- 
zwungen sein würde, Gewalt gegen Sansibar anzuweuden: und um 
dem Sultan gebührende Achtung vor dem deutschen Schutzgebiete 
beizubringeu, wurde ein deutsches Geschwader, bestehend aus den 
Schiffen Gneisenau, Prinz Adalbert, Stosch, Elisabeth und Ehrenfeld 
nach Sansibar beordert. Am 11. August überreichte Commodore 
Paschen das deutsche Ultimatum, in welchem die Zurückziehung der 
Truppen und des Protestes des Sultans gegen die deutschen Erwer- 
bungen, zu denen noch Witu gekommen war, mit dessen Sultan die 
Gebrüder Denhardt einen Vertrag geschlossen hatten, und Aner- 
kennung der deutschen Schutzherrschaft über die letzteren verlangt 
wurde. Der Sultan, welcher nur in einigen Küstenplätzeu kleine 
Garnisonen hielt und dessen Stationen im Innern einfach Handels- 
niederlassungen waren, erkannte nothgedrungen diese Forderungen 
an. Die weiteren Verhandlungen, welche der am 19. August auf 
dem Schifte Bismarck von Kamerun anlangende Admiral Knorr 
leitete, verschafften dem deutschen Reiche das Benutzungsrecht des 
vorzüglichen Hafens Dar-es-Salaam, jedoch mit Wahruug der Hoheits- 
rechte des Sultans. Mit dem Sultan, welcher selbst der grösste 
Kaufmann in seinem Gebiete war, wurde ein neuer Handelsvertrag 
am 23. Dezember abgeschlossen, nachdem kurz vorher eine inter- 
nationale Kommission zusammengetreten war, um die Abgrenzung 
der Gebiete der Gesellschaft und des Sultans vorzunehmen. Diese, 
aus je einem deutschen, englischen und französischen Vertreter be- 
stehend, besichtigte vom 19. Januar bis Mitte März 1880 sämmtliche 
Häfen der Sansibarküste von der Tnnghibucht bis Warscheik und 
berichtete an ihre resp. Regierungen. Auf Grund dieser Berichte 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


193 


wurde am 29. Oktober und 1. November 1886 endgültig folgendes 
grundlegende, wichtige Uebereinkommen zwischen England und 
Deutschland geschlossen: 

1. Deutschland und Grossbritannien erkennen die Souveränetät des Sultans 
von Sansibar über die Inseln Sansibar und Pemba, sowie über diejenigen kleineren 
Inseln an, welche in der Nabe der ersteren innerhalb eines Umkreises von 12 See- 
meilen liegen; desgleichen über die Inseln Latnu und Mafia. 

Dieselben erkennen in gleicher Weise als Besitz des Sultans auf dem Fest- 
lande eine Küstenlinie an, welche ununterbrochen von der Mündung des Miningani- 
flusses am Ausgang der Tunghibucht bis Kipini reicht. Diese Linie beginnt im 
Süden des Mininganiflusses, folgt dem Laufe desselben fünf Seemeilen und wird 
dann auf dem Breitengrade bis zu dem Punkte verlängert, wo sie das rechte Ufer 
des Rovumaflusses trifft, durchscbneidet den Kovuma und läuft weiter an dem 
linken Ufer entlang. 

Die Küstenlinie hat eine Tiefe landeinwärts von zehn Seemeilen, bemessen 
durch eine gerade Linie ins Innere von der Küste aus bei dem höchsten Wasser- 
stande zur Fluthzeit. Die nördliche Grenze scbliesst den Ort Kau ein. Im Norden 
von Kipini erkennen die genannten Regierungen als dem Sultan gehörig an die 
Stationen von Kismtyu, Barawa, Marka, Makdischu mit einem Umkreis landeinwärts 
von je zehn Seemeilen und Warscheik mit einem Umkreis von fünf Seemeilen. 

2. Grossbritannien macht sich verbindlich zur Unterstützung derjenigen Ver- 
handlungen Deutschlands mit dem Sultan, welche die Verpachtung der Zölle in den 
Häfen von Dar-es-Salaam und l'angani an die Deutsch-Ostafrikaniscbe Gesellschaft 
gegen eine dem Sultan seitens der Gesellschaft zu gewährende jährliche Zahlung 
bezwecken. 

3. Beide Mächte kommen überein, eine Abgrenzung ihrer gegenseitigen Interessen- 
sphären in diesem Theile des ostafrikanischen Festlandes vorzunehmen, in gleicher 
Weise, wie dies früher bei den Gebieten am Golf von Guinea geschehen ist. 

Das Gebiet, auf welches dieses Uebereinkommen Anwendung findet, soll be- 
grenzt sein im Süden durch den Rovumafluss und im Norden durch eine Linie, 
welche, von der Mündung des Tanaflusses ausgehend, dein Laufe dieses Flusses 
oder seiner Nebenflüsse bis zum Schneidepunkt des Aequators mit dem 38.° öst- 
licher Länge folgt und dann in gerader Richtung fortgeführt wird bis zum Schneide- 
punkt des l.° nördlicher Breite mit dem 37.° östlicher Länge, wo die Linie ihr 
Ende erreicht. 

Die Demarkationslinie soll ausgehen von der Mündung des Flusses Wanga 
oder Umbe, in gerader Richtung nach dem Jipe-See laufen, daun cntlaug an dem 
Ostufer und, um das Nordufer des Sees führend, den Fluss Lumi überschreiten, 
um die Landschaften Taveta und Dschagga in der Mitte zu durchschneiden und 
dann entlang an dem nördlichen Abhang der Bergkette des Kilimandscharo in 
gerader Linie weiter geführt zu werden bis zu demjenigen Punkte am Ostufer des 
Victoria-Nyanza-Sees, welcher von dem 1.« südlicher Breite getrofTen wird. 

Deutschland verpflichtet sich, im Norden dieser Linie keine Gebietserwerbungen 
zu machen, keine Protektorate anzunehmen und der Ausbreitung englischen Ein- 
flusses im Norden dieser Linie nicht entgegenzutreten, während Grossbritannien 
die gleiche Verpflichtung für die südlich von dieser Linie gelegenen Gebiete 
übernimmt. 

Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 13 


Digitized by Google 



194 


Itie deutschen Kolonien. 


4. Grossbritannien wird seinen Einfluss geltend machen, um den Abschluss 
eines freundschaftlichen Ucbereiukommens hinsichtlich der konkurrirenden Auspiücbe 
des Sultans ron Sansibar und der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft auf das 
Kilimandscharo-Gebiet zu befördern. 

5 . Beide Mächte erkennen als zu Witu gehörig die Küste an, welche nördlich 
ron Kipini beginnt und sich bis zum Nordende der Mandabucht erstreckt. 

6. Deutschland und Grossbritannien werden gemeinschaftlich den Sultan von 
Sansibar zum Beitritt zu der General- Akte der Berliner Konferenz auffordern, vor- 
behaltlich der bestehenden Rechte Sr. Hoheit gemäss den Bestimmungen des Arti- 
kels I der Akte. 

7. Deutschland macht sich verbindlich der Erklärung beizutreten, welche 
Grossbritannien und Frankreich am 10. März 1862 mit Bezug auf die Anerkennung 
der Unabhängigkeit von Sansibar gezeichnet haben. 

Said Bargasch erklärte sich mit diesem Uebereinkommen am 
4. Dezember einverstanden, insbesondere gab er alle Ansprüche auf 
das Kilimandscharo-Gebiet auf und willigte in die Verpachtung der 
Zölle von Dar-es-Salaam und Pangani; der Kongo-Akte war er be- 
reits am 8. November beigetreten, ohne allerdings Handelsfreiheit 
zuzugesteheu. Frankreich zeigte am 8. Dezember an, dass es gegen 
jenes Uebereinkommen nichts einzuwenden habe. Bald darauf, am 
30. Dezember 1886, schloss die deutsche Regierung auch mit der 
portugiesischen ein Uebereinkommen behufs Abgrenzung der beider- 
seitigen Besitzungen in West- und Ost-Afrika, aus dem wir folgendes 
mittheilen: 

2. Die Grenzlinie, welche in Südost- Afrika die deutschen Besitzungen von 
den portugiesischen Besitzungen scheiden soll, folgt dem Laufe des Flusses Rovuma 
von seiner Mündung bis zu dem Punkte, wo der Msinjefluss in den Rovuma mün- 
det, und läuft von dort nach Westen weiter auf dem Breitenparallel bis zu dem 
Ufer des Njassn-Sees. 

3. Die Regierung Sr. Majestät des deutschen Kaisers eikennt das Recht Sr. 
Majestät des Königs von Portugal au, in denjenigen Gebieten, welche zwischen den 
portugiesischen Besitzungen von Angola und Mozambique liegen, unbeschadet der 
dort von anderen Mächten etwa bisher erworbenen Rechte Seinen souveränen und 
zivilisatorischen Einfluss geltend zu machen, und verpflichtet sich in Gemässheit 
dieser Anerkennung, dort weder Gebietserwerbungen zu machen, noch Scbutzherr- 
schaftcn anzunehmen, noch der Ausdehnung des portugiesischen Einflusses ent- 
gegenzutreten. 

Die Regierung Sr. Majestät des Königs von Portugal und Algarvien übernimmt 
die gleiche Verpflichtung hinsichtlich der laut Artikel 1 und 2 dieses Uebercinkom- 
raens der deutschen Machtsphäre überlassenen Gebiete. 

Unterdess hatte sich die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft als 
Kommanditgesellschaft aus der Gesellschaft für deutsche Kolonisation 
gebildet und war als solche ins Handelsregister am 2. April 1885 
eingetragen. Sie war in dieser Zeit nicht müssig gewesen. Sie 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


195 


hatte bis Ende des Jahres 1886 mit überraschender Schnelligkeit 
mehrere Expeditionen ausgesandt, um noch andere Theile Ostafrikas 
in ihren Besitz zu bringen. Premierlieutenant Weiss gewann das 
Dsehaggaland am Kilimandscharo, Graf Pfeil die Landschaft Chutu 
bis zum Rufidschi, Regieruugsbaumeister Hoernecke gewisse An- 
sprüche auf das Somaliland, Lieutenant Schmidt Usaramo, Assessor 
Lucas Gasiland (welches aber später leider zur englischen Interessen- 
sphäre geschlagen wurde), Lieutenant Schlüter Uhehe, Lieutenant 
von Anderten das Gebiet am Sabaki (welches später in die eng- 
lische Interessensphäre fiel) u. s. w. 

In dem Zeitraum von zwei Jahren war der Besitz sicherge- 
stellt, wenn auch der Schntzbrief nicht erweitert wurde, und ausser- 
dem eine Anzahl Stationen begründet, welche einerseits die Kara- 
wanenwege schützen, andererseits als Versnchsplantagen dienen sollten. 
Rückschläge blieben zwar nicht aus, einige Deutsche starben am 
Fieber, Lieutenant Günther ertrank an der Barre des Dschub und Dr. 
Jühlke wurde von den Somalis in Kismaju ermordet, aber das ganze 
Unternehmen hatte doch bislang mit so wenig Schwierigkeiten zu 
kämpfen gehabt, dass die hoffnuDgsfreudigste Meinung in kolonial- 
politischen Kreisen herrschte und die Finanzirung der Deutsch-Ost- 
afrikanischen Gesellschaft Fortschritte machte. Auch Se. Majestät 
der Kaiser Wilhelm I. stellte dem Unternehmen eine halbe Million 
Mark zur Verfügung. Da der Rahmen der Kommanditgesellschaft 
nicht ausreichte, um den gesteigerten Ansprüchen gerecht zu werden, 
wurde eine korporative F'orm angestrebt. Die Korporationsrechte 
wurden der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft am 21. März 1887 
ertheilt. In den Direktionsrath, dessen Vorsitzender der Bankier 
Karl v. d. Heydt wurde, wurden 21 Herren gewählt, die über be- 
deutende Kapitalkräfte verfügten, zu Mitgliedern der Direktion Dr. 
Carl Peters als Vorsitzender, Gerichtsassessor a. D. Lucas und Kauf- 
mann Adolf Bourjau. Mitglieder der Gesellschaft sind zur Zeit die 
Eigentümer der 592 Anteilscheine im Einzelbetrage von 200 bis 
10 000 Mark und im Gesammtbetrage von Mark 3 724 000. Die 
Gesellschaft ist berechtigt, weitere Anteile von je 1000 Mark bis 
zum Gesammtwerthe von 10 Millionen Mark auszugeben. Nach dem 
Statut hat die Gesellschaft den Zweck: 

1. in den Gebieten von Ostafrika, über welche Seine Majestät 
der Deutsche Kaiser die Oberhoheit nach Inhalt des Kaiserlichen 
Schutzbriefes vom 27. Februar 1885 übernommen hat oder durch 
künftige Schutzbriefe an die Gesellschaft übernehmen wird, die ihr 

13 * 


Digitized by Google 



196 


Die deutschen Kolonien. 


uDter der Oberhoheit Seiner Majestät des Kaisers übertragenen 
Rechte der Landeshoheit auszuüben und die dazu erforderlichen staat- 
lichen Einrichtungen zu treffen und zu erhalten; 

2. im deutsch-nationalen Interesse die Zivilisirung des Schutz- 
gebietes zu unternehmen, daselbst die Ansiedelung, den Bodenbau 
und den Verkehr, insbesondere Handel und Gewerbe, anzubahnen 
und zn fördern; 

3. in Durchführung der unter 1 und 2 genannten Aufgaben 
auf afrikanischem Boden Ländereien zu erwerben, zu bewirthschaften, 
zu verwerthen und die sonst von ihr erworbenen Rechte auszu- 
üben, sowie Handel und Gewerbe selbst zu betreiben oder betreiben 
zu lassen. 

Als Generalbevollmächtigter der Gesellschaft in Sansibar fungirte 
am Anfang des Jahres 1888 Dr. Peters, welcher nach seiner Rück- 
kehr durch den Konsul a. D. Vohsen ersetzt wurde. 

Die Gesellschaft war gleich nach Besitzergreifung des Landes 
bedacht gewesen, Stationen zum Betriebe von Plantagen anzulegen, 
da die Fruchtbarkeit grosser Strecken des gewaltigen Gebietes ohne 
Zweifel stand. Die Schilderungen von Dr. Krapf und Rebmann, 
v. d. Decken und Otto Kersten, Speke, Burton, Grant, Stanley, 
Thompson, Johnston, sowie von englischen und französischen Missio- 
naren stimmen völlig überein hinsichtlich der Fruchtbarkeit des Bodens, 
welches ja auch der Grund gewesen war, dass die Gesellschaft ihr 
Auge gerade auf diese Gegenden geworfen hatte. Dr. Grimm hat 
diese Aussprüche in einem sehr instruktiven Büchlein zusammen- 
gestellt 1 ) und neuerdings ist die Literatur darüber bedeutend ge- 
wachsen. Man hatte aber wohl zuerst, auf die Ueberschwänglichkeit der 
Reisenden sich stützend, das Land zu sehr gepriesen, bis die bessere 
Ueberzeugung, dass die vielgerühmte tropische Fruchtbarkeit doch 
nur dort wirklich vorhanden war, w'o alle Bedingungen gegeben 
waren, zu genaueren Untersuchungen drängte. Bald stellte sich her- 
aus, dass in Folge des zu gewissen Jahreszeiten äusserst gefähr- 
lichen Klimas von einer Masseneinwanderung Deutscher dorthin 
durchaus abzusehen war und dass auch nur unter besonders günstigen 
Umständen in der Nähe des Kilimandscharo oder überhaupt auf dem 
Hochplateau, welches hier wie in Westafrika ziemlich dicht bis zur 
Küste herantritt, an einer Ansiedelung deutscher Ackerbauer gedacht 


*) Der vrirthschaftliche Werth von Ostafrika. 2. Auflage. Berlin, 
Walther & Apolant 1888. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien, 


197 


werden konnte. Doch muss dann natürlich eine Eisenbahn nacli 
dem Kilimandscharo gebaut werden, was sicher noch in nebelhafter 
Ferne liegt. 

Das deutsche Ostafrika stellt eine Reihe von terrassenartigen 
Plateaubildungen dar. Durch den östlichen Theil Afrikas von Abes- 
synien bis nach Natal hinunter zieht sich ein, wie es scheint, ein- 
heitlicher Gebirgsrücken, welcher im Kenia und Kilimaudseharo-Stock 
eine Höhe von mehr als 20000 Fuss erreicht. Von hier aus fällt, 
so lautet die Schilderung des Dr. Peters, das Gebiet in Terrassen 
nach der Küste ab, und so haben wir auf einem verhältnissmässig 
engen Raum die Zonen der Erde übereinander. Naturgemäss ist die 
Fruchtbarkeit der einzelnen Gebiete verschieden, wie in einem jeden 
anderen Erdtheil. Steppen nnd Wald-Landschaften wechseln mit 
einander ab; aber in einzelnen der von der Deutsch-Ostafrikanischen 
Gesellschaft in Bearbeitung genommenen Landstriche konnte eine 
Triebkraft des Bodens allerersten Ranges festgestellt werden. So in 
üsambara und Boudei, so auch im Flussgebiet des Rufidschi, und bei 
Kiloa Kisiwani. Ueberall sind Humusschichten von aussergewöhn- 
licher Tiefe vorhanden. Auch in den mittleren Landschaften, im 
eigentlichen Schutzgebiet, in Usagara, Useguha und Ukami, sowohl 
in den Flussthälern als aueh an den Bergabhängen berechtigt die 
Eigenart des Bodens zu Schlüssen auf eine starke tropische Frucht- 
barkeit. 

Dieselbe gelangt zu ihrer eigentlichen Wirksamkeit durch den 
dritten in Frage kommenden Faktor, nämlich die Feuchtigkeits-Ver- 
hältnisse des Deutsch-Ostafrikanischen Gebietes. Es linden in Ost- 
afrika regelmässig zwei Regenzeiten statt; die eine grössere von An- 
fang März bis Mitte Juni, die zweite kleinere von Mitte Oktober 
bis Mitte Dezember. Auch in der sogenannten trockenen Zeit hören 
die Niederschläge niemals völlig auf; sie stellen sich des Nachts als 
Thau dar, erscheinen aber auch als ein unregelmässiger Regenfall. 

Die Wassermengen, welche so auf die ostafrikanischen und 
mittelafrikanischeu Plateaus niederfallen, werden zunächst gekenn- 
zeichnet durch jenes eigenartige Seen-Gcbiet, das dem östlichen 
Mittelafrika recht eigentlich seinen Charakter verleiht. Es braucht 
nur an Namen, wie Viktoria-Nyanza, Tanganyika, Nyassa, Bang- 
weolo-See, Mwutan-Nsige, Albert-Nyanza und andere erinnert zu 
werden, um diesen Wasserreichthum des Gebietes nachzuweisen. 
Denn fast alle diese Seen werden durch die Niederschläge gespeist, 
welche von den uns gehörigen Plateaus abströmeu. Hier in Mittel- 


Digitized by Google 



198 


Die deutschen Kolonien. 


Ostafrika ist das grosse Feuchtigkeits-Reservoir des Erdtheils über- 
haupt, hier liegen die Quellen des Nils, von hier wälzt nach Westen 
der Kongo seine Wassermassen ab, und von hier aus empfängt im 
Süden der Sambesi starke Zuflüsse. Nach Osten hin entwickeln 
sich nicht eben grosse Stromläufe aus dem Grunde, weil die Wasser- 
scheide im Kamme des Gebirgsrückens der Ostküste verhiiltnissmässig 
nahe gerückt ist. Aber es kommen doch auch hier eine Reihe von 
Flussbildungen vor, welche den deutschen Strömen ähnlich siud: der 
Dschub, der Tana, der Pangani, der Kingani, der Rufidschi und Ro- 
vuma brauchen nur genannt zu werden. Auch auf den östlichen 
Abhängen finden sich kleinere Seenbildungen und eine Menge von 
Bächen durchströmen das Land nach allen Richtungen. 

Diese allgemeinen Ursachen ergeben nun eine grosse Vielseitig- 
keit der Kulturen im Deutsch-Ostafrikanischen Gebiet, von der 
Küste an, wo die heisse Sonne der Tropen die Gewürze, wie Pfeffer 
und Nelken, auskocht, wo die Baumwollstaude und der Tabak ge- 
deiht, zu den höheren Landschaften, wo die Kaffee-Staude «ächst, 
bis in Gebiete hinein, welche klimatisch dem südlichen und mitt- 
leren Europa entsprechen und darüber hinaus bis schliesslich in die 
Zone des ewigen Eises. 2 ) 

Dass man deu Werth der Erwerbungen auch allmählich in 
Deutschland anerkannte, zeigte sich dadurch, dass neben der Deutsch- 
Ostafrikanischen im Jahre 1886 bereits eine zweite Gesellschaft, die 
Deutsch -Ostafrikanische Plantagen -Gesellschaft gegründet wurde, 
welche in Ostafrika Plantagen, Handels- und industrielle Unterneh- 
mungen aller Art betreiben wollte und bald über ein Aktienkapital 
von 2 Millionen Mark volleingezeh huet verfügte. Diese Gesellschaft 
erwarb sowohl auf der Insel Sansibar als auf dem Festlande einige 
Plantagen, und legte neue an, unter denen Lewa in Usambara die 
bedeutendste war. Dieselbe war eine Tabakplantage in grossem Style. 
Die ersten Tabakproben brachten einen Preis von Mark 1,60 das Pfund, 
obwohl der Tabak nicht rationell behandelt war, so dass man, zumal die 
Arbeiterfrage hier keine Schwierigkeiten machte, zu den besten Hoff- 
nungen berechtigt war, als der Aufstand ausbrach. Die Eingeborenen 
sind nämlich gute Arbeiter, und wenn es auch im Anfang schwer 
war, einen festen Stock von freien Arbeitern zu gewinnen, welche 
sich nur durch Kontrakt auf eine bestimmte Zeit, etwa 1 Monat, 

*) Die Deutsch-Ostafrikanische Kolonie in ihrer Entstehungsgeschichte 
und wirtschaftlichen Eigenart von Carl Peters. Berlin 1889. Verlag von Walther 
& Apolant. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


199 


an die Stationen banden, so war es doch beiden Gesellschaften ge- 
lungen, hunderte von Leuten regelmässig bei Lohnsätzen zu beschäf- 
tigen, welche etwa 50 — 75 Pfennige den Tag betrugen und billiger 
als z. B. in Niederländisch Indien waren. Das Geheimniss der Er- 
ziehung des Negers zur Arbeit, über welches schon so viel geschrie- 
ben ist, liegt in der Lösung der Frage, wie man die Neger aus ihrer 
grossen Bedürfnisslosigkeit heransheben kann. Ihre Begehrlichkeit 
richtet sich vornehmlich auf Toilette-Gegenstände und Geräthschaften 
verschiedener Art, auch Waffen und Munition. In Lewa konnte im 
Sommer bereits wöchentlich ein kleiner Markt abgehalteu werden; 
da der Schwarze ohne Baarzahlung auf diesem Markte nichts er- 
hielt, so bequemte er sich eben dazu, in ein Lohnverhältniss zur 
Gesellschaft zu treten. Wurde dazu ein rationelles System der Be- 
strafung im Falle von Koutraktbrüehigkeit, von Belohnung dagegen 
bei gewissenhafter Innehaltung der eingegangenen Verpflichtungen 
eingesetzt, so hoffte man bei sonst normaler Entwickelung durch- 
weg in diesem Gebiete günstige Resultate zu erzielen. Jedenfalls 
redete keiner der Vorsteher von derartigen Plantagen mehr der Ein- 
fuhr von Kulis das Wort. Zur Anlage von Plantagen hat sich auch 
im Sommer die Deutsche Pflanzer-Gesellschaft gebildet, welche aber 
in Folge der politischen Lage an der ostafrikanischen Küste dort 
noch nicht in Thätigkeit treten konnte. 

Die Gesellschaft für deutsche Kolonisation hatte gleich im ersten 
Jahre der Besitzergreifung in der Nähe von Usagara die Station 
Sima anlegen lassen, wo tropische Pflanzen mit Erfolg gezogen wur- 
den. In den Jahren 1885 — 1888 sind dann noch folgende neuere 
Stationen angelegt und in Betrieb gehalten: am Kingaui die Stationen 
Dunda, Madimola und Usungula, an der Bagamoyo-Strasse die Statio- 
nen Bagamoyo, Kiora und Mwapwa, an der Saadani-Strasse die Sta- 
tion Petershöhe, in Usaramo die Stationen Dar-es-Salaam und Pugu, 
in Usambara die für den Baumwollbau viel versprechende Station 
Kikogwe (deren Bewirthschaftung Heinrich Semler übernommen hatte, 
welcher dort leider bald dem Fieber erlag) Pangani, Korogwe und 
Maß, im Kilimandscharo-Gebiet die Stationen Moschi und Aruscha, 
welche vornehmlich Handelszwecken dienen sollten, und in dem eng- 
lisch gewordenen Sabaki-Gebiet die Station Tanganjiko oder Kilefi. 
Auf diesen Stationen, welche allerdings nicht alle so praktisch an- 
gelegt waren, dass ihre Bewirthschaftung Aussichten auf Erfolg 
hatte, wurden allerhand Kulturversuche mit Baumwolle und Tabak 
gemacht, aber nur wenige von ihnen hätten mit ihren Produkten 


Dlgitized by Gcj0gl 



200 


Die deutschen Kolonien. 


wegen der Entferungen von der Küste und dem Mangel au Wegen 
und grösseren schiffbaren Flüssen auf dem Weltmarkt konkurrireu 
können. Als Kristallisationspunkte dagegen, um die eingeborene 
Bevölkerung zur Arbeit zu erziehen, und um Handel zu treiben, 
waren diese Niederlassungen von nicht zu unterschätzender Bedeu- 
tung, doch konnten sie als solche bei dem geringen Kapital der Ge- 
sellschaft natürlich auf die Dauer nicht alle so ausgestattet werden, 
um diesem Zwecke zu dienen. Einige wurden deshalb bald auf- 
gegeben, als eine Konzentrirung nach der Küste zu für nothwendig 
gehalten wurde und im Jahre 1887 sich eine neue Aussicht für die 
Gesellschaft eröffnete. 

Auch der Handel, in den Händen der kapitalkräftigen und ge- 
schäftsgewandten Inder und der im Wohlstand zurückgehenden Araber 
ruhend, ist bedeutend. Die Karawanen vom Tanganvika und Nyassa 
bringen ausser Sklaven namentlich Elfenbein, au der Küste wird 
Kopal gegraben, die Orseilleflechte, Sesam, aus dem in Marseille 
ein vorzügliches „Olivenöl“ gewonnen wird, und die auf Pemba und 
Sansibar geemteten Gewürznelken bilden schon lange bedeutende 
Ausfuhrartikel der in Sansibar domizilirten europäischen Häuser, 
unter denen die Deutschen O’Swald & Co. und Hansing besonders 
zu erwähnen sind. Importirt werden besonders Baumwollstoffe, Ge- 
wehre und Munition, Petroleum und eine Unzahl europäischer Ar- 
tikel. Der Handelsumsatz von Sansibar lässt sich kaum genau fest- 
stellen. Nach den Angaben der United States consular rcports be- 
lief er sich im Jahre 1883 auf 24 Millionen Mark Einfuhr und 16 
Millionen Mark Ausfuhr. Der Werth des deutschen Handels mit 
Ostafrika beläuft sich auf etwas über 5 Millionen Mark im Jahr. 
Wir lassen hier die Liste der Einfuhr nach Hamburg im Jahre 1887 
aus Afrika am Indischen Ozean folgen, weniger um den sicher eines 
hohen Aufschwunges noch fähigen Verkehr zu zeigen als die Zahl 
der jetzt schon exportfähigen Produkte: 


Afrika am 

Indischen Meere. 

100 kg 

Werth 

Nelken 

. . 96 

19 710 

Nelkenstenge! 

. . 515 

24 820 

Andre Gewürze ... 

. . 206 

12 320 

Jlais 

. . 1771 

13 670 

Orseille 

. . 7906 

631 330 

Gummi elasticum .... 

. . 305 

106 610 

Trockne Rindsbäute . . . 

. . 1997 

217 160 

Hirsch- und Rebfelle . . 

. . 26 

5 020 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


201 


Elfenbein 

15 

32 650 

Sesamsaat 

17t 

4 230 

Ebenholz 

'211 

3 550 

Andre Nutzhölzer 

GG1 

2 850 


100 kg 

Werth 


142 

7 480 

Palmkerne 

322 

8 120 

Kopra 

1050 

28 130 

Kokosgaru 

213 

kg 

3 770 

Kuriositäten 

420 
100 kg 

11 240 

Passagiergut 

13 

3 230 

Andre Artikel 


3 950 

Total 100 kg 

15 784 

1 139 840 


Bei unseren wachsenden Bezieh ungen zu Ostafrika wird die 
Schaffung einer direkten Dnmpferlinie zwischen Deutschland und 
Sansibar bald ein unabweisbares Bedürfnis werden. Die Dampfer 
des Norddeutschen Lloyd legen nur in Aden au und die Güter und 
Personen müssen daun auf die Dampfer der von Marseille ausge- 
henden Messageries Maritimes oder der British India Line verladen 
werden, was zu mancherlei Unzuträglichkeiten Veranlassung giebt. 

Der grösste Theil der Küstenbevölkeruug besteht aus Suahelis, 
einem Mischvolke, durchsetzt mit Somalis, Gallas, Comorenseru, 
Arabern und Völkerschaften des inneren Afrikas mit einer eigeu- 
thümlichen Sprache, dem Kisuaheli, in Charakter und Veranlagung 
sich von anderen Negervölkeru wenig unterscheidend, zum Theil 
Mohamedaner, aber nicht fanatisch. Sie sind wie die dortigen 
Araber in religiöser Beziehung indolent, es genügt ihnen, einige 
arabische Gebetsformeln auswendig zu wissen und einige Aeusser- 
lichkeiten des Mohamedauismus zu kenueu. Weiter im Innern 
wohnen die räuberischen Massais, die Magwangwara, die Watuta. die 
Waschensi u. s. w., eine bunte Musterkarte von allen möglichen 
Völkerschaften, welche unter einander gespalten sind und fast fort- 
während in gegenseitigem Krieg leben. 

Alles iu der Lebensweise dieser Völker deutet auf einen ausser- 
ordentlich hohen Grad innerer Veränderlichkeit. Mit dem rapiden 
Steigen und Fallen ihres Geschickes steigen und fallen bei ihnen 
die Volkszahl, der Wohlstand, die Möglichkeit einer besonderen po- 
litischen Existenz. Die afrikanische Völkergeschichte erzählt von 
Völkern dieser Art, die vollständig atomisirt und ausgerottet wur- 
den, und von anderen, die in der Zeit eines Menschenalters aus dem 


Digitized by Google 



202 


Oie deutschen Kolonien. 


Unbekanntsein zur Grossmaehtstelluug sich erhoben haben. Fried- 
liche Völker nehmen plötzlich die Maske der Watuta oder Mssitu 
vor und beschreiten erst in lächerlicher Aefferei wie Schafe in Wolfs- 
pelzen, später in blutigem Ernste den Kriegspfad. Man kennt eine 
ganze Anzahl solcher „Zulu-Affen“ zwischen Nil und Sambesi. Und 
endlich schwankt gerade in Folge dieser Anstösse die ganze inner- 
afrikanische Menschheit so uustät, dass man wohl sagen kann, es 
gleiche vor allem dieses weite und bevölkerte Gebiet des äquatorialen 
Ostens einem in beständiger Bewegung befindlichen Meere. Immer 
drängt eine Welle die andere, und mancher Stamm wandert seit 
Jahrzehnten von Ort zu Ort, geschoben von einem mächtigeren, der 
kurzweg sein Gebiet in Anspruch nimmt. Ein kühner Eroberer 
wie Mirambo mit seinen kriegerischen Watuta wirkt wie ein Gäh- 
rungsstoff in dieser Völkermasse: er beunruhigt alle, zwingt viele zu 
Aeuderuugen ihrer Wohnsitze und lässt sie nicht eher zur Ruhe 
kommeu, als bis er todt oder in die Ferne gezogen ist. 1 ) 

Es ist vorhin schon augedeutet worden, dass mit dem Jahre 1887 
sich eine neue Aussicht für die Gesellschaft eröftnete. Mit den Ver- 
handlungen mit dem Sultan von Sansibar über die Abtretung der 
Zollerhebung in Dar-es-Salaam und Paugani wurde nämlich Herr 
Dr. Peters bei seiner zweiten Anwesenheit in Sansibar im Jahre 1887 
beauftragt. Im Verlaufe dieser Verhandlungen drängte sich das 
Missliche einer doppelten Zollerhebung an der Küste dem Sultan 
auf, welcher insbesondere die Konkurrenz in Dar-cs-Salaam, im Falle 
einer Eisenbahnverbindung von dort nach den Seen, fürchtete. Der 
Gesellschaft gegenüber musste sich die Undurchführbarkeit einer 
Zollerhebung, ohue zugleich Herr über den Verwaltungs-Apparat zu 
sein, darstellen. Sie wäre den Chikanen der Sultans-Beamten alle- 
zeit ausgesetzt gewesen. So ergab sich die Idee, über die Abtretung 
der gesammteu Verwaltung einschliesslich der Zollerhebung an der 
ganzen Küste in Verhandlung zu treten, gewissennaassen von beiden 
Seiten, und es gelang Dr. Peters, nach eingeholtcr Ermächtigung aus 
Berlin, bereits am 30. Juli 1887 zu einem Vertrags-Abschlüsse zu 
gelangen, welcher die Abtretung der Küsten -Verwaltung an die 
Deutsch -Ostafrikanische Gesellschaft auf zunächst 50 Jahre formell 
aussprach. Der Vertrag unterlag naturgemäss der Ratifikation der 
Gesellschaft in Berliu, welche vornehmlich eine Abänderung des § 9, 
worin die Entschädigung au den Sultan behandelt wird, wünschte. 

’) Völkerkunde. Von Friedrich Ratzel. Erster Band. Leipzig. Verlag 
des Bibliographischen Instituts 1885. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


203 


Diese Abfindung, welche in dem ursprünglichen Vertrage in einer 
allgemeinen Formel praktisch offen gelassen war, wurde hernach mit 
Said Khalifa in der im gegenwärtigen Vertrage vorliegenden Fassung 
prüzisirt und dieser Vertrag dann am 28. April 1888 in Sansibar 
von dem kaiserlichen Generalkonsul Michahelles vollzogen. Der dem 
Vertrage zu Grunde liegende Gedanke war sicher ein sehr glück- 
licher; auch die Britisch-Ostafrikanische Gesellschaft, welche im Som- 
mer mit einem Charter ins Leben trat, hat für ihre Interessen- 
sphäre einen ähnlichen Vertrag mit dem Sultan abgeschlossen und 
sich im Oktober in Mombas festgesetzt, um dort die Zollverwaltung 
zu übernehmen und den Sklavenhandel zu unterdrücken. Die Er- 
werbungsgeschichte der Deutsch -Ostafrikanischen Gesellschaft hat 
erst ihren eigentlichen Abschluss durch den Vertrag vom 28. April 
1888 (siehe Anhang) erhalten, dessen Ausführung aber den Aufstand 
der Araber und ihrer Bundesgenossen hervorgerufen. 

Um dio Verwaltung der Küste zu übernehmen, wurden nach 
Abschluss des Vertrags sofort Vorbereitungen getroffen, die Beamten 
von den Stationen im Innern nach der Küste gezogen und die Häfen, 
in denen die Zollverwaltung statttindeu sollte, besetzt, während die 
kleineren geschlossen wurden. Die offizielle Zollübernahme war auf 
den 16. August angesetzt, dem frühesten der Gesellschaft vom Sultan 
vertragsmässig eingeräumten Termin. In den Monaten Juli und 
August bereiste der Generalvertreter der Gesellschaft, Herr Konsul 
Vohsen, gemeinschaftlich mit einem arabischen Vertrauensmann und 
ad hoc Abgesandten des Sultans die Küstenplätze, und es wurden 
hierbei die sämmtliehen seitherigen arabischen und sonstigen Beam- 
ten des Sultans von dem Vertrage in Kenntniss gesetzt und über 
seine Bedeutung eingehend belehrt. Diese Belehrung ging insbeson- 
dere darauf, dass unter Aufrechterhaltung der Sitten und Gebräuche 
der einheimischen Bevölkerung die Deutsch-Ostafrikanische Gesell- 
schaft im Namen des Sultans die Administration führen sollte. 

Gleichzeitig wurde den seitherigen Beamten des Sultans frei- 
gestellt, zu den bis dahin ihnen gezahlten Bezügen in den alten 
Stellungen zu verbleiben. Nach diesen Eröffnungen hatten die sämmt- 
lichen Beamten des Sultans an den Küstenplätzen, insbesondere die 
Walis, nachdem sie anfangs zum Theil mit ihren Erklärungen ge- 
zögert hatten, ihren Willen ausgesprochen, ihr Amt unter der Deutsch- 
Ostafrikanischen Gesellschaft uud unter ihren europäischen Orts- 
angestellten weiterzuführen. 

*) Siehe die Deutsch-Ostafrikanische Kolonie. Von Carl Peters. 


Digitized by Google 



204 


Die deutschen Kolonien. 


Auf Grund dieser Vereinbarungen mit den seitherigen Organen 
des Sultans sah die Deutsch-Ostafrikauische Gesellschaft, welche nach 
jedem wichtigen Küstenplatz, nämlich nach Tanga, Pangani, Baga- 
raoyo, Dar-es-Salaam, Kiloa-Ivivinje. Lindi und Mikindani mindestens 
zwei ihrer deutschen Beamten entsandt hatte, dem Herankommen 
des Termins für die Ueberuahme der Verwaltung um so ruhiger ent- 
gegen, wie es in einer ihrer offiziellen Kundgebungen hiess, als der 
Sultan von Sansibar im Vertrage die Garantie für die Verwirklichung 
dieses Vertrags und für die daraus fliesseuden Rechte der Gesell- 
schaft ausdrücklich übernommen hatte, ln Betreff des Vorgehens 
vom lii. August 1888 au war von der Gesellschaft ins Auge gefasst, 
dass die Flagge des Sultans von Sansibar, seinem Hoheitsrechte ent- 
sprechend, vor dem Hause des Gesellscbaftsvertreters an den grösseren 
Plätzen geführt, und dass daneben die Gesellschaftsflagge aufgezogen 
werden solle. Die Zeremonien für die Uebergabe waren in einer 
Kommission vereinbart worden, welche aus dem deutschen General- 
konsul, dem Vertreter der Deutsch-Ostafrikauischen Gesellschaft und 
einem Vertrauensmann des Sultans bestand. 

Die Situation bot zu dieser Zeit ungefähr folgendes Bild: Als 
Zollhäfeu waren die obengenannten Häfen eingerichtet, in denselben 
befanden sich je zwei Beamte der Gesellschaft, mit Ausnahme von 
Bagamovo, welches fünf zählte. Diese Zahl war. wie sich später 
leider gezeigt hatte, eine viel zu geringe, denn in den südlichen 
Häfen, wo uralte Sklavenkarawanenwege mündeten, hatten sich bisher 
Europäer noch nicht dauernd niedergelassen. Wenn die Beamten 
auch überall halbwegs geordnete Zustände vorfanden und eine kleine 
.Macht von übrigens durchaus unzuverlässigen Sansibariten und einigen 
furchtsamen Indern als Zollbeamte hatten, so war der stille Wider- 
stand der arabischen Walis, deren einige sogar dem wenig gekannten 
und wenig gefürchteten Sultan, dessen hauptsächlichste Beschäftigung 
darin bestand, in einem kostbaren Staatswagen durch die Strassen 
Sansibars zu fahren, den Gehorsam verweigerten , von schlimmer 
Vorbedeutung. Die Araber und die von ihnen aufgehetzten Suahelis 
befanden sich schon seit längerer Zeit in einem gefährlichen Zustande 
der Gereiztheit (siehe Seite 22), welcher nur auf die Gelegenheit 
wartete, um sich zu äussern. Zugleich sahen sich auch die sklaven- 
handelnde arabische Aristokratie und ihre Helfer in ihrem ein- 
träglichen Gewerbszweige in Folge der Einrichtung einer geord- 
neten europäischen Verwaltung ernsthaft bedroht. Denn wenn 
auch die Ausfuhr von Sklaven offiziell in Sansibar verboten war, so 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


205 


hatte er bis jetzt ruhig weiter florirt und eine Unterdrückung 
derelben war bei den geringen Maehtverhältnissen der Euro- 
päer gar nicht möglich gewesen. Ausserdem fühlten sich einige 
der an der Küste wohnenden Häuptlinge durch die Behand- 
lung seitens der Deutschen gekränkt, — ob mit Recht oder Unrecht 
bleibe dahingestellt — und da zwischen diesen „Jumbes“ und dem 
Sultan von Sansibar stets eine gewisse Rivalität bestand, nahmen 
sie die Gelegenheit wahr, um sich gegen die Autorität Said Khalifa’s 
aufzulehnen, zumal sie fürchteten, diejenigen Vortheile pekuniärer 
Art zu verlieren, welche ihnen der kluge Said Bargasch theils zu- 
gesichert, theils stillschweigend gewährt hatte. Alle diese Momente 
wirkten bei den Arabern zusammen, um die Uebernahme der Zoll- 
verwaltung der Küste seitens der Deutsch - Ostafrikanischen Ge- 
sellschaft wie einen Einbruch in ein bestehendes Rechtsverhält- 
niss aufzufassen, dem sie sich mit bewaffneter Hand widersetzen 
müssten. 

Gleich bei der Uebernahme der Verwaltung, welche in der An- 
wesenheit deutscher Kriegsschiffe vor sich ging, zeigten sich allerlei 
Schwierigkeiten. 

In Bagamovo, wo Freiherr v. Gravenreuth Bezirkschef war, 
verlief die Zeremonie programmmässig und ohne Störung: der Wali 
war bereit, im Dienst der Gesellschaft zu bleiben, und machte nur 
in dem Punkte Schwierigkeit, dass er die Fahne des Sultans nicht 
von seinem Hause entfernen wollte. Herr Vohsen verbot dem Wali 
ausdrücklich die Beibehaltung der Fahne, weil der Sitz der Orts- 
obrigkeit nicht mehr in seinem Hause, soudern in demjenigen der 
Gesellschaft sei, aber er wollte davon absehen, einem im Uebrigen 
wohlgesinnten Beamten gleich am ersten Tage schroff entgegeuzu- 
treten und brachte nach seiner Rückkehr nach Sansibar am Abend 
des 16. August die Sache bei dem Generalkonsul zur Sprache mit der 
Bitte, durch den Sultan die Differenz beizulegen. Am 17. theilte der 
Generalkonsul dem Sultan in einer Audienz den befriedigenden Ver- 
lauf der Flaggeuhissung in Bagamovo mit und bat ihn. ihm einen 
Befehl an den dortigen Wali zur Herabnahme der Flagge auszufer- 
tigen, weil das Wehen der rothen Fahne an zwei verschiedenen 
Punkten der Stadt in der Bevölkerung zu Missverständnissen Anlass 
gebe. Said Khalifa war damit einverstanden; es wurde verabredet, 
dass der Generalkonsul einen Antrag schriftlich stellen sollte, worauf 
ihm dann der Befehl sogleich zugehen würde. Seine bezügliche Note 
gelangte ohne Verzug in den Palast, sie blieb aber unbeantwortet. 


Digitized by Google 



206 


Die deutschen Kolonien. 


und ain Morgen des 18. August wurde ihm der mündliche Bescheid 
geschickt, Seine Hoheit könne den Befehl vorläufig nicht ertheilen, 
er wolle den Fall erst überlegen, kur/ es wurden Ausflüchte ge- 
macht. 1 ) Konnte einerseits des moralischen Eindrucks wegen nicht 
länger geduldet werden, dass der erste eingeborene Beamte in offe- 
nem Ungehorsam gegen seine Vorgesetzten fortfuhr, die Flagge zu 
führen, so trafen andererseits durch den englischen Generalkonsul 
in Sansibar Nachrichten über die Zustände in Bagamoyo ein, die 
dem Generalkonsul ein schleuniges Einschreiten zur Pflicht machten. 
Die dortigen indischen Händler brachten in einer Eingabe an den 
Obersten Euan-Smith zur Anzeige, dass die Eingeborenen der Um- 
gegend bewaffnet in die Stadt strömten und die Befürchtung begrün- 
det sei, sie würden die Häuser anzünden und die Läden plündern. 
Die Inder beantragten deswegen die schleunige Entsendung eines 
englischen Kriegsschiffes zum Schutze ihres Lebens und Eigenthums. 
Dem Generalkonsul schien die Schilderung der drohenden Gefahr 
übertrieben, da von dem Bezirkschef keinerlei Berichte eiugegangen 
waren; allein sein englischer Kollege sah die Lage sehr ernst an, 
er bat ihn dringend um baldige Absendung eines Kriegsschiffes nach 
Bagamoyo, und infolge dessen erhielt die Möwe von dem ältesten 
Offizier des Geschwaders den Befehl zur Abfahrt. Aus eigenem An- 
triebe erbot sich ferner Herr Kapitän Strauch, am 21. 8 Uhr Mor- 
gens mit der Leipzig nachzufolgen, was dankbar acceptirt wurde. 
Die Anwesenheit der Schiffe sollte zugleich dazu benutzt werden, 
um die Fahne von dem Wali-Hause zu entfernen, da aus der Ein- 
gabe der Inder ersichtlich war, dass der Wali die Beunruhigung der 
Händler in seinem Interesse ausgenutzt hatte, um ihnen die Noth- 
wendigkeit vor Augen zu führen, in seiner alten Stellung und im 
Besitze der alten Autoritätsabzeichen belassen zu werden. Als nun 
am Morgen des 21. August die Möwe fort und die Leipzig unter 
Dampf und zur Abfahrt bereit war, lenkte der Sultan ein und er- 
klärte seine Bereitwilligkeit, die Gesellschaft aktiv bei Beseitigung 
der Schwierigkeiten zu unterstützen und alle etwa gewünschten Be- 
fehle an den Wali von Bagamoyo auszufertigen. Bei Besprechung 
der Angelegenheit kam zu Tage, dass der Sultan besonderen Werth 
auf das Verbleiben der Flagge an dem altgewohnten Platze legte, 
und um ihm entgegenzukommen, schlug der Generalkonsul vor, die 

') Weissbuch, vorgelegt dem deutschen Reichstage in der 4. Session der 
7. Legislaturperiode (Carl Heymanns Verlag, Berlin), aus dem die weiteren Angaben 
grösstentheils entnommen sind. 


Digitized by Google 



l>ie deutschen Kolonien. 


207 


Differenz dadurch zu ordnen, dass der Sultan dem Wali die sofortige 
Räumung seines Hauses und Uebergabe desselben au die Gesellschaft 
auferlege, worauf letztere dann ihren Amtssitz dort aufschlagen und 
neben der an ihrem Plötze bleibenden Snltansflagge ihre eigene 
Flagge aufziehen könne. Said Khalifa war mit dem Arrangement 
einverstanden, das durchaus den Wünschen der Gesellschaft ent- 
sprach; der bezügliche Befehl an den Wali wurde sofort ausgefertigt, 
und der Generalkonsul versprach, ihn mit der Leipzig nach Baga- 
moyo abzusenden. Ferner gab Said Khalifa das Versprechen, der 
Gesellschaft in Sansibar Leute zur Furmirung einer bewaffneten 
Macht zur Verfügung zu stellen, und General Matthews wurde an- 
gewiesen, die Gesellschaft hierbei zu unterstützen. S. M. Schiff 
Leipzig traf schon am 22. August wieder in Sansibar ein. Der Ver- 
lauf der Ereignisse in Bagamoyo war folgender gewesen: Der Kom- 
mandant der Möwe war am Morgen des 21. August mit einer Ab- 
theilung der Mannschaft an Land gegangen, hatte die Stadt voll- 
kommen ruhig gefunden und war darauf vor das Haus des Wali 
marschirt, auf welchem noch immer die rothe Fahne des Sultans 
wehte. Aufgefordert, die Flagge zu entfernen, wollte der Wali sich 
erst sträuben, als ihm aber bedeutet wurde, er habe als Angestellter 
der Gesellschaft deren Anordnungen zu gehorchen, gab er weiteres 
Widerstreben auf und holte eigenhändig die Fahne herunter. Zur 
Entfernung des Flaggenmastes erbat er die Hülfe einiger Matrosen, 
die ihm gern gewährt wurde; mit den Leuten gemeinsam nahm er 
auch die Fahnenstange herab und überreichte sodann die Fahne dem 
Kommandanten, welcher bei Entgegennahme derselben die Mann- 
schaften präsentiren liess. Das Ganze ging ohne Gewaltanwendung 
und ohne jede Ruhestörung vor sich. Am Nachmittag des 21. traf 
die Leipzig vor Bagamoyo ein; nach Empfang des Befehls des Sul- 
tans räumte der Wali das Haus, übergab es der Gesellschaft und 
wurde von ihr anderweitig in der Stadt eingemiethet. Die Gesell- 
schaft verlegte ohne Verzug ihre Amtsräume in das frühere Wali- 
Haus, und es wurden auf demselben die beiden Flaggen, rechts an 
dem altgewohnten Platze die Sultansflagge, links etwas niedriger die 
Gesellschaftsflagge aufgezogen. Nach Abfahrt der Leipzig blieb vor- 
sichtshalber die Möwe noch zwei Tage vor Bagamoyo liegen und 
kehrte erst am 23. d. M. nach Sansibar zurück. 

Aber die Befürchtung vor Unruhen hielt an. welche denn auch 
am 22. September ausbrachen. Der Wali selbst forderte den Beamten 
Mariani des Morgens früh auf, sich schleunigst in das Gesellschafts- 


Digitized by Google 



•208 


Die deutschen Kolonien. 


haus zu begeben, da er nicht im Stande sei, ihn zu beschützen. 
Herr Mariani theilte dies den anderen Beamten, den Herren H. Heins, 
Belke und Kühle, mit. Der Vorsteher der Station, Herr v. Graven- 
reuth, war nicht anwesend; derselbe hatte sich auf der Leipzig ein- 
geschifft, um nach der Kinganimündung sich zu begeben. Die Deut- 
schen, von einigen Arabern unterstützt und 12 schwarzen Askaris, 
welche sofort bewaffnet wurden, stellten die Kanonen bereit und 
bereiteten sich auf den Angriff vor. Die Führer der Angreifer waren 
die Jumbes Fimbo mbili und Mareva, welche ein starkes Feuer auf 
das Stationsgebäude eröffneten. Da die Angreifer sich gut hinter 
den Hütten versteckten, wurden dieselben mit Granaten beworfen 
und zugleich die schon mit der Leipzig verabredeten Nothsignale 
gegeben, welche gegen 11 Uhr Böte aussetzte. Die angekommenen 
Böte (siehe Seite 107) wurden vom Strande aus mit Gewehrfeuer 
empfangen, welches von der Marine mit Geschütz- und Gewehrfeuer 
erwidert wurde. Die Truppen landeten mit Hurrah und trieben die 
Rebellen in die Stadt zurück, wo sich noch ein ziemlich heftiges 
Strassengefecht entwickelte. Nachdem die Rebellen weit über die 
französische Mission hinaus, die auch besucht wurde, znrückgeschlagen 
worden waren, zog sich die Marine etwa gegen 5 Uhr Abends unter 
Zurücklassung eines Offiziers und 30 Mann auf die Leipzig zurück. 
Am nächsten Tage wurden von den Soldaten des Wali ca. 100 Todte, 
grösstentheils Eingeborene, aber auch Araber und einige von den 
vom Sultan übernommenen Soldaten, die gegen die Deutschen ge- 
allen waren, beerdigt. Die Anzahl der Verwundeten, sowie der 
vielen fortgeschleppten Todten hat nicht festgestellt werden können. 
Baron v. Gravenreuth liess am nächsten Tage das Haus noch mehr 
befestigen und das Vorterrain rasiren; aber obwohl starke Haufen von 
Südwest heranrückten, zogen sie bald wieder ab, als sie die Vor- 
bereitungen zu ihrem Empfange sahen. Die Ruhe in der Stadt 
wurde von da ab eigentlich nicht mehr gestört und Herr v. Graven- 
reuth beschloss, nunmehr zur Offensive überzugehen, besonders auf 
den Rath des Wali, welcher von einer Expedition die Wiederher- 
stellung der Ruhe erwartete, obwohl die Inder ihn flehentlich baten, 
doch die Stadt nicht zu verlassen. Mit den Hülsen für die Geschütze 
liess er Kartätschen anfertigen, die sich vorzüglich bewährten. Am 
25. früh zog er mit 4 Deutschen, 2 Kanonen, etwa 30 Sultans- 
soldaten, 25 schwarzen Bediensteten und etwa 30 bewaffneten Skla- 
ven reicher Araber aus; als die Expedition sich dem Dorfe Mtoni 
näherte, das auf einer Bodenerhebung liegt, erhielt sie die Meldung 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolouien. 


209 


von den Kundschaftern, dass die Aufständischen sich dort verschanzt 
hätten, nnd zugleich heftiges Feuer. Trotz Geschützfeuers hielt der 
Gegner Stand; Herr v. Gravenreuth nahm daher etwa 20 ausgesuchte 
Leute, meist Schwarze, und machte damit eine kleine Umgehung. 
Von demselben angeführt, stürmten sie, ohne einen Schuss abzu- 
feuern, das Dorf, aus welchem äusserst heftig geschossen wurde, 
doch richteten die Schüsse wenig Schaden an. Das Dorf fing an zu 
brennen und die Gegner flohen. Nach höchstens einem Kilometer Vor- 
marsch kam die Expedition an den zweiten Fluss, dessen Uebergang 
ebenfalls streitig gemacht wurde. Erst als das eine Geschütz an 
den linken Flügel gebracht war und in Thätigkeit trat, ging der 
Gegner zurück. Nun war auch bald die Kinganiebene gewonnen, 
wo die Deutschen verhältnissmässig im Vortheil waren. Die deutsche 
Flagge war an der Kinganifähre herabgerissen, die des Sultans noch 
vorhanden, und die Soldaten der Gesellschaft waren theiis ermordet, 
theils geflohen. Es wurde sodann die Schamba des Selim ben Ab- 
dallah, eines bekannten Aufrührers, besetzt, auf welcher sich 6 Fässer 
Pulver befanden, die ins Wasser geschüttet wnrden. Ohne weitere 
Anfechtung kam die Expedition zur Stadt zurück, wo Alle mit heHem 
Jubel empfangen wurden. Die feindliche Streitmacht hatte etwa 
800 Gewehre. 1 ) 

In Pangani hatte der Wali, ein bösartiger chikanöser Charak- 
ter, gegen die Flaggenhissung von Anfang an Einspruch erhoben, 
um aber einen Konflikt zu vermeiden, wurde von dem Sultan ein 
Spezialbefehl erwirkt, durch welchen der Wali die Weisung erhielt, 
der Gesellschaft Gehorsam zu leisten. Die Möwe wurde beauftragt, 
diesen Befehl nach Pangani zu bringen. Die Möwe traf am 16. August 
Nachmittags vor Pangani ein und am 17. Morgens landete der erste 
Offizier, Herr Kapitänlieutenant Ferber, mit einer Abtheilung der 
Mannschaft. Nachdem der Wali den Befehl gelesen hatte, versprach 
er, von jetzt an den Anordnungen der Gesellschaft folgen zu wollen 
und den Bezirkschef als seinen Vorgesetzten auzuerkennen. Es ging 
darauf um 11 Uhr Vormittags die Flaggenhissung in Gegenwart 
aller angesehenen Einwohner programmmässig von statten; die Möwe 
lichtete am Nachmittag desselben Tages den Anker und kehrte nach 
Sansibar zurück. Kaum hatte das Kriegsschift' die Rhede von Pangani 
verlassen, so wurde der Wali wieder rebellisch, erklärte, er werde 
den Verfügungen des Bezirkschefs nicht nachkommen, und veranlasst« 
auch die Soldaten, den Gehorsam zu verweigern. Die Lage war 

') Deutsche Kolonial- Zeitung 1888, No. 45. 

Jahrbuch für Deutsche Kolonial politik. 14 


Digitized by Google 



210 


Die deutschen Kolonien. 


also wieder die gleiche, wie vor der Landung der Möwe, als am 18. 
die Carola, von Bagamoyo kommend, vor Pangani erschien. Auf 
Ansuchen des Bezirkschefs und iin Hinblick auf die der Möwe er- 
theilten Instruktionen schickte der Kommandant der Carola, Korvet- 
tenkapitän von Raven, am Vormittag des 19. August ein Landungs- 
korps unter dem Kapitänlieutenant da Fonseka-Wollheim an Land, 
um den Wali aufzuheben, nachdem ein letzter Versuch zu gütlicher 
Verständigung an der Hartnäckigkeit der Gegner gescheitert war. 
Obwohl die Mannschaften der Carola das Wali-Haus umzingelten, 
gelang es doch dem Wali zu entwischen und aus Pangani zu ent- 
fliehen; seine Soldaten drohten erst mit erhobenen Gewehren, dem 
Vordringen der Deutschen Widerstand zu leisten, allein das ruhige 
und sichere Auftreten der deutschen Mannschaft verfehlte nicht Ein- 
druck zu machen, die Askaris liefen auseinander, um sich in dem 
Wali-llause zu verbergen, und wurden dort ohne Kampf entwaffnet. 
Auf Antrag des Bezirkschefs und mit Rücksicht auf die in Pangani 
herrschende Aufregung liess Herr Kapitän von Raven in dem Hause 
der Gesellschaft eine Wache von 2 Unteroffizieren und 16 Mann zu- 
rück, und ging am 20. August direkt, ohne erst Tanga zu besuchen, 
nach Sansibar, um über die Vorgänge in Pangani Bericht zu erstat- 
ten. Am 23. d. M. schickte der älteste Offizier des Krenzergeschwa- 
ders die Möwe nach Pangani, um die dort verbliebene Wache der 
Carola abzuholen und nach Sansibar zurückzubringen. Die Zustände 
waren zu der Zeit in Pangani derartig, dass die kleine Besatzung 
ohne Bedenken entfernt werden konnte. In den ersten Tagen nach 
der Landung hatten viele Einwohner die Stadt verlassen, der Bezirks- 
chef liess ihnen dann mittheilen, sie brauchten nichts zu fürchten 
und sollten ruhig zurückkommen, und nach und nach begannen sie 
wieder, in ihre Wohnungen zurückzukehren und der gewohnten Be- 
schäftigung nachzugehen. 

In den nächsten Tagen blieb nun zwar das Einvernehmen 
zwischen den Angestellten der Gesellschaft und den Eiuwohnern ein 
gutes, es wurden sogar Gerichtssitzungen abgehalten, und die Zoll- 
erhebung ging gut von Statten, aber der Bezirkschef, Herr v. Ze- 
lewski, war doch ausser Stande, über das Weichbild der Stadt hinaus 
einzuschreiten. Es wurden ihm 50 „Irreguläre“ des Sultans hinüber- 
gesandt, welche aber gleich eine oppositionelle Haltung einnahmen, 
die in offenen Ungehorsam überging, so dass der Bezirkschef 
schleunigst deren Zurückberufung beantragte. Am 3. September 
war eine mit 1000 Fässchen Pulver beladene Dau eingelaufen, 


Digitized by Google 



l>ie lieutschen Kolonien. 


‘211 


deren Landung wegen der unsicheren Verhältnisse verboten wurde. 
Das Pulver sollte nach Sansibar zurückgehen, als in der Nacht Be- 
waffnete auf die Dau drangen und sich mit Gewalt des Pulvers be- 
mächtigten. Dasselbe diente dazu, die Leute auszurüsten, welche 
vom 4. September ab in Massen aus dem Hinterlande bewaffnet in 
die Stadt strömten, bald den Panganileuten die Leitung der Be- 
wegung entrissen und denen gegenüber die wenigen deutschen An- 
gestellten machtlos waren. Vom 5. September au blieben die 
Deutschen in ihrem Hause zernirt, es wurden zwar keine Ge- 
waltthaten gegen ihre Personen begangen, allein ihre Diener wur- 
den mehrfach bedroht, Lebensmittel wurden ihnen nicht verkauft, 
und Nachts legte man ein Vorhängeschloss vor ihre Hausthür. 
Während des Tages blieb ein Wache mit regelmässiger Ablösung 
vor dem Hause postirt. Die Gesellschaftsflagge wurde vom Stock 
herunter genommen und zerrissen. Unterdessen hatte Herr V ohsen 
in Folge der beunruhigenden Nachrichten über das pflichtwidrige 
Verhalten der Irregulären beschlossen, selbst nach Pangani zu 
gehen: er fuhr auf der Barawa, eiuem Dampfschiffe des Sultans, 
am 5. September hinüber und langte Nachmittags vor der die 
Einfahrt des Flusses versperrenden Barre an. Als er in einem 
offenen Ruderboot bei Dunkelwerden an Land gehen wollte, wurde 
das Boot zuerst vom rechten Ufer aus angerufen und gewarnt, nicht 
weiter zu fahren, weil in Pangani Krieg sei. Trotzdem wurde die 
Fahrt fortgesetzt, bis plötzlich in geringer Eufemung von der Stadt 
30 bis 40 Bewaffnete das Boot stellten und nach dem Namen des 
Schiffes, von dem es kam, fragten. Auf die Antwort, es sei die 
Barawa des Said Khalifa, wurde erwidert: „Wir kennen hier keinen 
Said Khalifa,“ und der Volkshaufe begann auf das Boot zu feuern. 
Von den Insassen wurde Niemand getroffen; eine Kugel schlug in 
die Bootswand. An Landen war unter diesen Umständen nicht zu 
denken und Herr Vohsen kehrte unverrichteter Sache an Bord der 
Barawa zurück. Herr Vohsen kam am 6. September nach Sansibar 
zurück und beantragte, der Generalkonsul möchte bei dem Sultan 
die sofortige Entsendung von 100 Mann seiner regulären Soldaten 
zur Wiederherstellung der Ruhe in Pangani erwirken. Das Gesuch 
wurde noch an demselben Abend bei dein Sultan angebracht und 
auch das mündliche Versprechen erhalten, es sollten Tags darauf die 
Truppen auf der Barawa nach Pangani abgehen, der Sultan werde am 
nächsten Morgen dem General Matthews, dem Befehlshaber der Sultans- 
truppen, die nöthigen Befehle ertheilen. Der Sultan änderte aber 

14 * 


Digitized by Google 



212 


Die deutschen Kolonien. 


seine Meinung und wünschte nun einen mit den Verhältnissen ver- 
tranten Araber hinüberzusenden, um Ordnung zu stiften. Sogleich 
wies der Generalkonsul General Matthews gegenüber nachdrücklich 
darauf hin, dass ein ohne bewaffnete Macht erscheinender Abgesandter 
in Pangani keinen Erfolg haben könne. Der General versprach hierauf, 
seinem Herrn nochmals Vorstellungen zu machen. Bei der Ungewissheit 
der Entschliessung des Snltans wollte Herr Vohsen, der wegen des 
Schicksals seiner Angestellten in Pangani in begreiflicher Aufregung 
war, die Abfahrt der Barawa nicht länger verzögern und fuhr um 
9 Uhr ab, obwohl noch im letzten Augenblick General Matthews mit 
dem Bescheide an Bord erschien, der Sultan habe den Befehl zur 
Einschiffung der regulären Truppen ertheilt. Darauf bat der Gene- 
ralkonsul den General, er möge noch an demselben Tage selbst mit 
der nöthigen Anzahl Soldaten auf einem anderen Dampfer des Sul- 
tans nach Pangani abgehen, und Nachmittags um 4 Uhr verliess er 
auf der Kiloa mit 150 Regulären den Hafen von Sansibar. In Pan- 
gani war die Lage wenig verändert; es waren noch immer mehr 
Bewaffnete in die Stadt geströmt und der Strand zur Vertheidigung 
vorbereitet. An einigen Stellen waren Schanzen aufgeworfen, ver- 
schiedene besonders geeignete Häuser befestigt, kurz alles auf krie- 
gerische Massnahmen zugerüstet. Einem Boot des englischen Kriegs- 
schiffes Algerine, das den Indern die Möglichkeit, Leben und Eigen- 
thum in Sicherheit zu bringen, gewähren sollte, war es am 7. ebenso 
ergangen^ wie früher dem Boot der Baraw-a, es war vom Lande be- 
schossen worden, und ein farbiger Dolmetscher, der trotzdem landete, 
warde mit gezückten Schwertern bedroht und zurückgetrieben. Am 
8. September kam die Kiloa vor Pangani an, General Matthews lan- 
dete am Nachmittag, und da er allseitig bekannt war, wurde er von 
den Aufständischen mit Jubel empfangen. Sein erster Gang war 
nach dem Hause der Ostafrikanischen Gesellschaft: er fand die dort 
zernirten Deutschen unverletzt vor und geleitete sie unter seiner 
Obhut an ein Boot, das sie sicher an Bord der Barawa brachte. 
Im übrigen warnte er Herrn Vohsen eindringlich vor jedem Versuch, 
an Land zu kommen, die Gährung in der Stadt sei eine sehr bedenk- 
liche und ein anderer Europäer ausser ihm könne ohne Lebensgefahr 
den Ort nicht betreten. Er liess zweifelhaft, wie weit es ihm ge- 
lingen würde, die Ruhe wieder herznstellen. Am 8. trafen Herr von 
Zelewski und seine Genossen in Sansibar ein, und am Abend langte 
auch das Kreuzergeschwader, von Tanga kommend, an. Dem Herrn 
Admiral legte der Generalkonsul die Lage in Pangani ausführlich 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


213 


dar, und derselbe stimmte seiner Ansicht bei, dass vorläufig abgewartet 
werden müsste, ob Matthews irgend welchen Erfolg habe, dass auch 
die Entsendung eines deutschen Kriegsschiffes momentan nicht an. 
gebracht wäre, weil dessen Erscheinen die Aufgabe des Generals nur 
erschweren dürfte. Am 11. September kehrte General Matthews nach 
Sansibar zurück, es war ihm geglückt, die Ruhe wieder herzustellen, 
die regulären Truppen hielten angeblich die Ordnung in der Stadt auf- 
recht, und die Bevölkerung hatte die Waffen niedergelegt. Mit Matthews 
erschienen vier Abgesandte der Einwohnerschaft, um dem Sultan ihre 
Beschwerden vorzutragen. Nachdem der Sultan sie angehört hatte, 
veranlasst« er sie, zu den Generalkonsul zu kommen, und am 14. 
wurden sie in Gegenwart des General Matthews und des Herrn Vohsen 
von denselben vernommen. Der Sprecher, Ali ben Betcha, setzte 
weitläufig alle Punkte auseinander, welche die Bevölkerung gegen 
die Deutschen aufgebracht hatten, und brachte dabei die unsinnigsten 
Behauptungen vor; so sollte ihnen z. B. gesagt sein, alle Einwohner 
von Paugani müssten jetzt Deutsche werden und würden bei Be- 
strafungen zur Verbüssung der Strafe nach Deutschland geschickt. 
Matthews rieth dringend davon ab, in den nächsten Wochen Europäer 
nach Pangani zu entsenden, die Gesellschaft solle sich vielmehr zu- 
nächst auf die Leitung des Zollwesens durch Parsi oder Inder be- 
schränken und die Verwaltung und Gerichtsbarkeit einem einhei- 
mischen Wali übertragen. Sei es erst gelungen, die bewaffnete Land- 
bevölkerung aus Pangani wieder zu entfernen, die Karawanenstrasse 
zu öffnen und eine allgemeine Beruhigung herbeizuführen, so werde 
in vielleicht 4 oder 6 Wochen ein europäischer Angestellter ohne 
Gefahr erst im Zollhause Einzug halten und dann schrittweise die 
übrigen Verwaltungszweige an sich ziehen können. Said Khalifa 
machte in einer Konferenz am 16. den Vorschlag, er wolle Matthews 
von Neuem nach Pangani schicken, daselbst Gouverneure einsetzen 
und diesen provisorischen Zustand andaueru lassen, bis die Verhält- 
nisse die Rückkehr der Gesellschaftsangestellten gestatten würden. 
Das Zollhaus sollte unter direkter Leitung der Gesellschaft verbleiben, 
aber durch Inder oder Parsi verwaltet werden. General Matthews 
wurde mit den regulären Truppen wieder nach Pangani geschickt, 
versammelte die angesehenen Einwohner, sowie die Führer der her- 
eiugeströmten Landbevölkerung, verlas ihnen die Schreiben des Sultans 
und setzte den von demselben bestimmten Araber als Wali ein. An- 
fangs schien alles gut zu gehen, dann berief aber der eigentliche 
Leiter des Aufstandes, ein in der Nähe von Pangani ansässiger 


Digitized by Google 



214 


Die deutschen Kolonien. 


Araber Namens Busehiri . seinerseits eine Versammlung auf sein 
Landgut, und von dem Tage an schlug die Stimmung gegen den 
General um. Die Araber begannen, ihm als Christen auszuweichen, 
sein Haus wurde Tag und Nacht von Bewaffneten umringt, und er 
wäre ermordet worden, wenn nicht seine Soldaten ihn mit ihrem 
eigenen Leben geschützt hätten. Gegen den vom Sultan ernannten 
Wali hatten die Aufständischen nichts einzuwenden und waren bereit, 
ihn als Obrigkeit anzuerkennen, weil er Mohamedaner und einer der 
ihrigen war. Als dann die Aufrührer versuchten, die regulären Sol- 
daten ihrem Führer abspenstig zu machen, sah General Matthews 
ein, dass sein Bleiben in Pangani nichts nützte, und da nach den 
Nachrichten aus Tanga, wo die Bewegung ebenfalls von Pangani aus 
geleitet wurde, die gleiche Erfolglosigkeit seines dortigen Einschreitens 
vorauszusehen war, so kehrte er am 23. mit seinen Soldaten nach 
Sansibar zurück. Er berichtete, dass an der Befestigung der Stadt 
eifrig gearbeitet werde und an der schmalen Einfahrt in den Hafen 
Verschanzungen in der Weise angelegt worden seien, dass die Fahr- 
rinne von drei Seiten mit Gewehrfeuer bestrichen werden könne, und 
dass die Werke Tag und Nacht von Bewaffneten besetzt gehalten 
würden. 

ln Tanga, dem nördlichsten Hafen platz des Gebietes, hatte die 
Uebernahme der Zollverwaltung in der vorgeschriebenen Weise statt- 
gefunden, nachdem der Wali alle AusHüchte aufgegeben und für die 
am 31. August vorzunebmende Flaggenhissung seine Unterstützung 
zngesagt hatte. Indessen lehnte er dies später wieder ab, so dass 
der Stationsvorsteher sich nach Sansibar mit der Bitte um Ent- 
sendung eines Kriegsschiffes wandte. Es verliefen darauf die nächsten 
fünf Tage ruhig, nur hörte Herr von Frankenberg aus dritter Hand, 
der Wali habe geäussert, falls ein deutsches Kriegsschiff landen 
wollte, würde er auf dasselbe schiessen lassen und die Landung ver- 
hindern. Am 5. September, Abends, traf die Möwe in der Tanga- 
bucht ein. Die Beamten der Station beschlossen, erst am 6. Sep- 
tember, Morgens, an Bord zu gehen; zwar hörten sie des Abends 
mehrfaches Schiessen, beachteten dies indess nicht weiter, da solcher 
Unfug sehr häufig ausgeübt wurde. Zu ihrer Ueberraschung erfuhren 
sic am andern Morgen bei ihrer Ankunft an Bord, dass der Wali 
auf ein Boot des Kriegsschiffes, welches in der friedlichen Absicht, 
Einkäufe zu machen, ans Land gefahren war, habe schlossen lassen. 
Auch auf die Beamten der Gesellschaft, während sie an Bord fuhren, 
liess der Wali ein heftiges Feuer vem Lande aus anstellen. Darauf 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


215 


hin befahl der Kommandant der Möwe, ein grosses und ein kleines 
Boot zu bemannen, welche den Strand schnell reinfegten, dann wurde 
die Höhe mit Schützenaulauf genommen uud es wurden die Araber 
eine kurze Strecke verfolgt. (Siehe Seite 106.) Die Herren von 
Frankenberg und Klenze, welche sich weigerten, ohne ausdrücklichen 
Befehl ihren Posten in Tanga zu verlassen, kehrten darauf in ihre 
Wohnung zurück, während die Möwe die Anker lichtete und abfuhr. 
Der Wali war mit sämmtlichen Arabern in die Landgüter gellüchtet 
und kehrte auch nach Abfahrt der Möwe nicht zurück. Am Nach- 
mittag desselben Tages wurden dann die Flaggen gehisst. Am 
7. September, Morgens früh, kehrte der Wali zurück und hat wegen 
des Geschehenen um Entschuldigung und um die Erlanbniss, in 
seinem Hause bleiben zu dürfen, was ihm gestattet ward. Als 
jedoch gegen 10 Uhr Morgens das Geschwader erschien, flüchtete er 
abermals und es gelang dem Admiral deshalb nicht, ihn zu ver- 
haften. Die beiden Beamten der Station, gemäss eines ihnen er- 
theilten Befehls, schifften sich alsdann an Bord des Flaggschiffes 
nach Sansibar ein. 

In den Häfen der südlichen Hälfte des unter Verwaltung der 
Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft stehenden Küstengebietes fand 
mit Ausnahme von Kiloa Kivinje die Flaggenhissung ohne 
Störung statt. In Dar-es-Salaam erwarb der dortige Bezirkschef, 
Herr Lene, bald eine so angesehene und einflussreiche Stellung, dass 
auch die Araber sich willig seiner Autorität beugten und er die 
Situation vollständig beherrschte. In Kiloa Kivinje hatte der Wali 
Bedenken gegen die Flaggenhissung erhoben; dieselbe wurde in Folge 
dessen von dem dortigen Stationschef einstweilen unterlassen. Bei 
Weitem die schwierigste Aufgabe war dem Herrn von Eberstein in 
Lin di zugefallen. Der Platz war berüchtigt wegen seines Sklaven- 
handels, der Sultan selbst hatte nur eine Scheinautorität dort aus- 
geübt und die Stadt war ganz in der Gewalt von acht reichen 
Sklavenhändlern. Trotz dieser schwierigen Umstände nahm Herr 
von Ebersteiu die Flaggenhissung am 16. September vor und erhob 
dort bereits Zölle. Aber dieser Zustand dauerte nur kurze Zeit. 

ln Mikindani war ebenfalls einige Wochen Alles ruhig ge- 
blieben, aber Mitte September strömten Tausende von Bewaffneten, 
den Jao- Völkerschaften angehörig, in die Stadt. Der Wali erklärte 
dem Bezirksvorsteher Herrn von Bülow, mit dem er in bestem 
Einvernehmen stand, er könne die Deutschen einem derartigen 
Andrang gegenüber nicht schützen Auf den Rath des Wali be- 


Digitized by Google 



21G 


Die deutschen Kolonien. 


stiegen die beiden deutschen Angestellten eine Dau, die zeitweise 
ans einem Dorfe in der Mikindanibucht beschossen wurde, und ent- 
wichen nach Norden, bis sie in Kiloa von der Möwe aufgenommen 
wurden. 

Als die Schaaren der Aufständischen gegen Lindi heranzogen, 
rückten ihnen die in der Stadt befindlichen arabischen Soldaten ent- 
gegen, angeblich, um sie zurückzuschlagen ; in Wirklichkeit wurde 
nur zum Scheiu viel Pulver verschossen und beide Parteien machten 
gemeinschaftliche Sache. Die Sultaustruppeu kehrten darauf in die 
Stadt zurück mit der Nachricht, sie könnten gegen die Uebermaeht 
des Feindes nichts ausrichten; sie hielten den ßezirkschef unter 
strenger Ueberwachung, um nicht zu sagen Gefangenschaft, und 
derselbe konnte aus ihren Gesprächen entnehmen, dass sie ihn in 
Ketten den herannahenden Aufständischen auszuliefern beabsichtigten. 
Durch die Unterstützung eines wohlgesinnten Arabers, der mit zwei- 
hundert bewaffneten Sklaven aus der Umgegend von Lindi zu ihm 
eilte, aber ihn gegen die Schaaren der Eindringlinge nicht zu halten 
vermochte, gelang es Herrn von Eberstein, mit seinem Genossen in 
einem offenen Ruderboot zu entfliehen und in die See zu stechen. 
Vor der Abfahrt übertrug Herr von Eberstein jenem Araber in aller 
Form die Verwaltung des Orts und ernannte ihn zu seinem Ver- 
treter. Die Flüchtlinge retteten sich auf eine vorübersegelnde Dau 
und gelangten unter mancherlei Fährlichkeiten endlich ebenfalls uach 
Kiloa an Bord der Möwe. 

In Kiloa waren als Beamte der Gesellschaft Heinrich Hessel 
und Gustav Krieger stationirt, welche sich auch auf guten Fuss mit 
den Eingeborenen zn stellen suchten, aber uach kurzer Zeit eben- 
falls sich unüberwindlichen Schwierigkeiten gegenübersahen. Am 
22. September brach zwischen einem Deutschen und mehreren Ara- 
bern ein Streit aus, infolge dessen sich die Deutschen in ihr Stations- 
haus zuiückziehen mussten. Die Landbewohner strömten massenhaft 
in die Stadt und setzten den deutschen Angestellten eine Frist von 
48 Stunden zum Verlassen der Stadt, allein der Bezirkschef 
verweigerte aus Pflichtgefühl von vornherein das Verlassen der 
Station. Wie es heisst, gingen darauf die Führer der Rebellen in 
eine Moschee und schworen den Christen den Tod. Die Empörer 
unternahmen dann eiuen Angriff auf die Station, aber die Insassen ver- 
teidigten sich tapfer und tödteten mehrere Angestellte. Am Mon- 
tag, den 24. wurde Krieger tödtlich getroffen und die Angreifer dran- 
gen in das Haus ein. Hessel nahm sich dann, als ihm jede Aus- 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


217 


sicht anf Rettung abgeschnitten war, selbst das Leben. Und doch 
wäre sie vielleicht möglich gewesen, denn auf Requisition des 
Generalkonsuls war die Möwe (siehe Seite 107) am 21. von 
Bagamoyo nach Kiloa beordert, welche am 22. dort einlief. Durch 
seine Instruktion war aber dem Kommandanten, Kapitän-Lieutenant 
Ferber, untersagt, aufs Gerathewohl Böte an das Land zu schickeu, 
damit nicht etwa eine Wiederholung der iu Tanga vorgefallenen Er- 
eignisse provozirt würde. Bei dem Einlaufen war die Stadt voll 
von bewaffneten Eingeborenen, der Strand war dicht besetzt und es 
wurde in dem Orte selbst viel geschossen. Da das Stationshaus der 
Ostafrikanischen Gesellschaft nicht am Ufer, sondern mitten unter 
den übrigen Häusern gelegen war, so konnte es vom Hafen nicht 
beobachtet werden ; es war nur zu erkennen, dass die Gesellschafts- 
tlagge noch wehte. Der Kommandant wartete ab, bis die Angestell- 
ten der Gesellschaft in irgend einer Weise mit ihm in Verbindung 
treten würden. Es wurden ihnen sogar Signale gegeben, um au 
Bord zu kommen, aber wie konnten die Belagerten entkommen? Die 
Möwe fuhr sodann nach Lindi, von wo die beiden Deutschen schon 
geflüchtet waren. 

Gegen Anfang Oktober waren die Deutschen von den Küsten- 
plätzen, mit Ausnahme von Bagamoyo und Dar-es-Salaam vertrie- 
ben, der Sultan hatte sich unfähig gezeigt, seinen Verpflichtungen 
nachzukommen, sein Abgesandter Nasr ben Soliman, welcher an- 
geblich hätte Ruhe in den Küstenplätzen stiften sollen, aber unter 
der Hand gegen die Deutschen gewühlt hatte, hatte nichts er- 
reicht, war in den südlichen Häfen sogar mit Spott und Hohn em- 
pfangen, zwei Deutsche waren ermordet, und über das Schicksal einiger 
im Innern sich aufhaltender Deutschen war man im Ungewissen. 
Ein Fehler war dadurch begangen, dass verabsäumt war, den Aufstand 
bei seinem Entstehen in Paugani rechtzeitig und energisch zu unter- 
drücken, weil man die Macht des Sultans dazu für genügend hielt. 
Ausserdem hatte der Geschwaderchef der Marine, welche bei Tanga 
und Bagamoyo so kräftig eingeschritten war, keine Ermächtigung er- 
halten, grössere Operationen als bisher vorzunehmeu, wahrscheinlich 
mit Rücksicht auf die Stellung des Sultans und die englische Poli- 
tik. Die Gesellschaft hatte auch den Fehler begangen, abgesehen 
davon, dass sie zu wenig Beamte in den Küstenplätzen stationirt 
hatte, bei den Flaggenhissungen zu rigoros vorzugehen. Fürst Bismarck 
sprach sich in einem Erlass an den Generalkonsul, welcher im Auszug 
im Weissbuch mitgetheilt worden ist, darüber folgendermaassen aus: 


Digitized by Google 



218 


Die deutschen Kolonien. 


Friedrichsrub, den 6. Oktober 1888. 

Euer Hocbwohlgeboren Berichte vom Ende August d. J., betreffend die Ueber- 
nabme der Verwaltung in dem der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft verpachteten 
Küstengebiete des Sultanats von Sansibar, sind mir zugegangen. 

Was die darin erwähnten Vorgänge in Bagamoyo und Pangani betrifft, so be- 
stärken mich die jetzt vorliegenden ausführlichen Mittheilungen in der Auffassung, 
dass das Hissen der Gesellscbaftsflagge in den Küstenhäfen überhaupt weder ge- 
boten noch rathsam war, und dass der darüber entstandene Streit hätte vermieden 
werden können, wenn die Gesellscbaftsagenten mit der vorsichtigen Beschränkung 
auf das praktisch Nothwendige verfahren wären, welche die Vorbedingung des Ge- 
lingens gewagter Unternehmungen auf unbekanntem Gebiet bildet. 

Nach Artikel 1 des Vertrages zwischen dem Sultan und der Deutsch-Ostafri- 
kanischen Gesellschaft vom 28. April d. J. soll die Verwaltung des Küstengebietes 
im Namen und unter der Flagge des Sultans mit Wahrung der Souveränetätsrecbte 
Seiner Hoheit geführt werden. Diesem maassgebenden Grundsätze bat das Auftreten 
der Gesellschaft in der Frage der Flaggenhissung nicht entsprochen. 

Der Sultan blieb auch nach dem Vertrage der Landesherr in den Küsten- 
gebieten. Seine Autorität auszuüben und den Eingeborenen gegenüber für die 
Zwecke der deutschen Verwaltung nutzbar zu machen, war die Aufgabe der Gesell- 
schaft, welche an sich und ohne den Sultan weder den auf Gemeinsamkeit der 
Abstammung und des Glaubens beruhenden Einfluss des Sultans über das mächtige 
arabische Element besass, noch über die in das Innere des Landes reichenden 
Machtmittel des Sultans verfügte, durch welche letzterer bisher seinen Anordnungen 
Gehorsam zu verschaffen gewusst hatte. 

Noch bedenklicher und in seinen Folgen gefährlicher war das Verfahren, 
welches gleichzeitig mit dem Hissen der neuen Flagge in Bagamoyo gegen die dort 
webende Sultansflagge beobachtet wurde. Wenn auch wirkliche Gewaltthätigkeiten 
nicht vorgekommen sind, so hätte doch die Mitwirkung der Matrosen unseres Kriegs- 
schiffes beim Herunternehmen der Flagge und des Flaggenstocks, wodurch die ersten 
unwahren Berichte an den Sultan über Verletzung der Flagge und seiner Hoheits- 
rechte veranlasst wurden, unterbleiben sollen. 

Die Frage, ob der Wali mit seiner Weigerung, die bisherige Flagge auf dem 
Hause des Sultans einzuziehen, formell im Rechte war oder nicht, ist dabei nicht 
entscheidend. Der Kechtspunkt hätte seitens der Gesellschaft überhaupt nicht in 
den Vordergrund gestellt werden sollen, sondern angesichts der schwachen Stellung 
der deutschen Verwaltung musste dieselbe unter Schonung aller nationalen Vor- 
urtheile der Bevölkerung durch geschickte Behandlung des Sultans und seiner Walis 
gerade diese ihren Zwecken dienstbar zu machen suchen. Das Verfahren ist, wie 
mir scheint, mehr energisch als umsichtig gewesen, und die Energie ist in diesem 
Gebiete ausserhalb der Tragweite unserer Scbiffsgcschütze nur mit unverhältniss- 
mässigen Opfern durchzuführen. gez. von Bismarck. 

Es ist hier an der Zeit, die sogenannte Antisklavereibewegnng in 
den Kreis unserer Betrachtungen zu ziehen, welche, vom Kardinal La- 
rigerie aDgeregt, auch manche Kreise der deutschen Katholiken und 
Protestanten in so grosse Aufregung gebracht hatte (siehe Seite 23), 
dass die ersteren damit vorgingen, ganz Deutschland mit einem Netz 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


219 


von „Afrikavereinen“ zu überziehen. Fürst Bismarek suchte und fand 
hier den Hebel, um durch eine grosse internationale Aktion dem Un- 
wesen des Sklavenhandels zu steuern und damit zugleich dem Araber- 
thum an der Küste die schwersten Wunden zu schlagen. Der Kanzler 
brauchte, um sein Vorgehen aus rein humanitären Gesichtspunkten zu 
begründen, nur auf den Artikel 9 der Kongoakte hinzuweisen, welcher 
lautet: 

„Da nach den G rundsätzen des Völkerrechts, wie solche von den Signatar- 
mäcbten anerkannt werden, der Sklavenhandel verboten ist, und die Operationen, 
welche zu Lande oder zur See diesem Handel Sklaven zufübren, ebenfalls als ver- 
boten anzusehen sind, so ei klären die Mächte, welche in den das konventionelle 
Kongobecken bildenden Gebieten Souveränetätsrechte oder einen Einfluss ausüben 
oder ausüben werden, dass diese Gebiete weder als Markt noch als Durchgangs- 
strasse für den Handel mit Sklaven, gleichviel welcher Rasse, benutzt werden sollen. 
Jede dieser Mächte verpflichtet sich zur Anwendung aller ihr zu Gebote stehenden 
Mittel, um diesem Handel ein Ende zu machen und diejenigen, welche ihm obliegen, 
zu bestrafen.“ 

Das konventionelle Kongobecken umfasst alle Gebiete, welche 
vom Kongo und seinen Nebenflüssen durchströmt werden, einschliess- 
lich des Tauganyikasees und seiner östlichen Zuflüsse ; zu dem Frei- 
handelsgebiet des Kongobeckens gehört ferner ganz Ostafrika vom 
fünften Grade nördlicher Breite bis zur Mündung des Sambesi, vor- 
behaltlich der Zustimmung der hier vorhandenen unabhängigen und 
souveränen Staaten. Nach Artikel 6 verpflichten sich alle Mächte, 
welche in dem Freihandelsgebiet Souveränetätsrechte oder einen Ein- 
fluss ausüben, zum Schutze aller religiösen, wissenschaftlichen und 
wohlthätigen Einrichtungen, sowie zur Unterdrückung der Sklaverei 
und insbesondere des Negerhandels. Das Sultanat Sansibar ist noch 
unter Said Bargasch, den England schon in den siebziger Jahren zum 
Verbot der Sklaventransporte zu Wasser gezwungen hatte, der Kongo- 
akte unter Vorbehalt seiner Zollrechte beigetreten. 

Der Austausch der Ansichten über die Gründe der Unruhen in 
Ostafrika und die Stellung des Snltans von Sansibar Hessen bald, nach- 
dem die Vorfrage erledigt, das volle Einverständniss zwischen den Re- 
gierungen Englands und Deutschlands über die Hauptpunkte ihrer 
Politik in jenen Gegenden erkennen. Beide Regierungen waren einig 
in der Auffassung, dass die erste Aufgabe die Wiederherstellung und 
Aufrechterhaltung der Autorität des Sultans von Sansibar gegenüber 
der aufständischen Bewegung des Festlandes sein müsse. Militärische 
Expeditionen in das Innere wurden von der deutschen Regierung 
als nicht zweckmässig erachtet und deshalb die Errichtung einer 


/ 

Digitized by Google 



220 


Die deutschen Kolonien. 


Blokade vorgeschlageu , welche zwischen Kipini und dem Rovuma- 
flusse durch deutsche und englische Schiffe unter Mitwirkung des 
Sultans von Sansibar ausgeführt werden sollte. Ursprünglich beab- 
sichtigte man deutscherseits, jeglichen Handelsverkehr mit den rebel- 
lischen Küstendistrikten abzuschneiden, beschränkte sich dann aber 
auf das Verbot der Einfuhr von Kriegsmaterial und Ausfuhr von 
Sklaven. Der Sultan von Sansibar zögerte lange mit seiner defi- 
nitiven Erklärung, endlich begann die Blokade am 2. Dezember, 
nachdem am 30. November folgende Bekanntmachung von den beiden 
Admiralen erlassen war: 

Auf Befehl uDserer hoben Regierungen und im Namen Sr. Hoheit des Sultans 
von Sansibar erklären wir, die kommandirenden Admirale des deutschen und eng- 
lischen Geschwaders, hiermit die Blokade der ununterbrochenen Küstenlinie des 
Sultanats von Sansibar mit Einschluss der Inseln Mafia, l.amu und anderer kleiner 
nabe der Küste liegendeu Inseln zwischen dem 10. Grad 2 8 Minuten und 2. Grad 
10 Minuten südlicher Breite. Die Blokade ist jedoch nur gegen die Einfuhr von 
Kriegsmaterial und Ausfuhr vou Sklaven gerichtet. Die Blokade wird in Kraft 
treten am Mittag des 2. Dezember d. J. 

Deinbard. Fremantle. 

Ueber das Blokadegeschwader, die Betheiligung von Portugal und 
Italien, sind bereits auf Seite 107 und 108 Einzelheiten mitgetheilt 
worden. Portugal ist faktisch den Blokademaassregeln beigetreten 
und hat sich iu dankenswerther Weise bereit erklärt, etwa 2 1 /2 Breite- 
grad an der Küste von Mozambique zu blokireu, wahrend Frankreich 
eine mehr abwartende Stellung einnahm. Frankreich war dem Ver- 
trage vom Jahre 1841, den die damaligen vier anderen Grossmächte 
abschlossen zur Unterdrückung des Sklavenhandels, nicht beigetreten. 
Es war ein prinzipielles Bedenken, das die Franzosen davon abhielt, 
den Vertrag, den sie schon abgeschlossen hatten, zu ratifiziren. Sie 
glaubten nämlich, dass es mit der Würde der französischen Flagge 
nicht verträglich wäre, dass Schiffe, die sie führten, von englischen 
Kreuzern untersucht würden, selbst wenn diese Schiffe von Arabern 
geführt würden und Sklaven an Bord hätten. Vou allen vier Gross- 
raächten: England, Russland, Preussen und Oesterreich, war es nur 
England, das Kreuzer in fernen Meeren halten konnte, so dass Eng- 
land auch die einzige Macht war, die seit dem Jahre 1841 dem 
Sklavenhandel entgegengetreteu ist, insoweit dieser nicht unter fran- 
zösischer Flagge fuhr. Die französische Regierung kam jetzt doch 
soweit entgegen, dass sie zusagte, ihre ostafrikanische Station wesent- 
lich zu verstärken, und sich nur. festhaltend an ihrem alten Stand- 
punkt, ausbedang, dass diejenigen Schiffe, welche, obgleich sie 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


221 


Arabern gehörten, ihre Heimathpapierc in Obok oder Madagaskar 
genommen hätten und die französische Flagge führten, dem nächsten 
französischen Konsulat oder dem nächsten französischen Kriegsschiff 
überwiesen werden sollten. Auch Italien entsendete ein Kriegsschiff. 
Am Ende des Jahres waren sechs deutsche und fünf englische Kriegs- 
schiffe an der ostafrikanischen Küste stationirt, von denen nur die 
deutschen Erfolge in Abfangen von Sklavenschiffen aufzuweison 
hatten. Es worden mehrere Dans mit Sklaven aufgebracht, welche 
der deutschen Missionsstation in Dar-es-Salaam überwiesen wurden, 
sehr zu dem Nachtheil der letzteren, wie später sich zeigte. 

Während die Aktion der Mächte sich vorbereitete, nahm der 
Aufstand an Intensität und Ausdehnung zu. Hinter Pangani auf der 
Plantage Lewa der deutsch-ostafrikanischen Plantagengesellschaft 
waren eine Auzahl Deutscher beschäftigt, welche bald von den Em- 
pörern angegriffen wurden. Am 29. September kamen von dem 
Araber Buschiri 4 bewaffnete Leute, welche sie aufforderten, mit 
nach Pangani und von dort nach Sansibar zu gehen. Dies Anerbieten 
schlugen sie aus, da sie irgend einen Hinterhalt vermutheten. Als 
ihnen jedoch am 3. Oktober von einem Araber und vier Askaris ein 
Brief des Wali von Pangani, Soliman ben Nasr, überbracht wurde, 
worin er sie bat, unverzüglich nach Pangani zu kommen und 
von dort nach Sansibar zu gehen, da in erstgenanntem Orte zn 
viele Bewaffnete versammelt seien und es nicht denkbar sei, gegen 
diese Lewa zu halten, konnten sie zu ihrem grössten Leidwesen nicht 
anders, als der Uebermacht weichen, umsomehr als es klar war, dass 
die Station Lewa wegen des Mangels an Munition und wegen der 
geringen Anzahl von Gewehren eine längere und wiederholte Be- 
lagerung nicht ertragen konnte. Gerade in dieser Noth kam ihr 
freundschaftliches Verhältniss zu den Eingeborenen so recht zu Tage. 
Als sie am Morgen des 5. Oktober die Plantage Lewa verliessen, 
kamen wohl 150 Männer, Weiber und Kinder freiwillig zum Ab- 
schied. Alle weinten, als sie einigen die Hand zum Abschied reichten. 
Die Deutschen gingen am 5. Oktober Morgens 6 Ühr nach Tschogwe 
und von dort mittelst Bootes weiter nach Pangani, wo sie Abends 
um 8 ühr eintrafen. Am Strande waren zu ihrer Sicherheit 60 As- 
karis aufgestellt, doch waren dieselben kaum im Stande, die wüthen- 
den Volksmassen ihnen vom Halse zu halten. Unter dem Hohnge- 
heul der Menge kamen sie beim Wali an, der ihnen ein festes Haus 
anwies und versprach, die Dau zum nächsten Morgen zur Abfahrt 
bereit zu halten. Am nächsten Morgen begaben sie sich an Bord 


/ 

Digitized by Google 



222 


Die deutschen Kolonien. 


der Dau, wurden aber durch die Niederträchtigkeit des Führers der- 
selben auf den Sand gerannt und mussten daher, weil die Fluth einsetzte, 
nochmals einen Tag in Pangani zubringen, wo noch verschiedene 
Gelderpressungen gemacht wurden. Es wurde ihnen aber dann 
sicher versprochen, dass sie am nächsten Morgen mit dem Frühesten 
segeln könnten. Um 2 Uhr Morgens begaben sie sich auf die Dan 
und lichteten um 3 Uhr den Anker. Kurz bevor sie die beiden in 
den Hafen einspringenden Landspitzen passirten, wurden sie scharf 
beschossen, glücklicher Weise ohne Erfolg. 

Das Schicksal, geplündert und sogar thätlich angegriffen zu 
werden, theilte auch noch der Afrikareisende Dr. H. Meyer, welcher 
1887 den Kilimandscharo bestiegen hatte, und sich mit Dr. A. Bau- 
mann auf einer Forschungsreise in den Gebirgen von Usambara be- 
fand. Sie mussten erst ein hohes Lösegeld au Buschiri zahlen, ehe 
sie glücklich aus Pangani heraus gelangten. 

Die Deutschen in Sansibar hatten sich erboten, wie hier noch 
rühmend hervorgehoben zu werden verdient, die Deutschen auf Lewa 
zu entsetzen, aber dieses Opfer wurde auf telegraphische Anfrage in 
Berlin nicht genehmigt. Der Gefälligkeit eines reichen luders Soli- 
man ben Rashid, welcher Vorschüsse lieferte, verdankten die befreiten 
Deutschen viel. Im Allgemeinen haben sich sonst die Inder, welche 
von den Eingeboruen wenig zu fürchten hatten, recht kläglich be- 
nommen. Bei vielen Arabern waren sie zwar wegen ihrer Wucher- 
geschäfte nicht beliebt, aber sie waren für dieselben doch ein noth- 
wendiges Uebel. Aber die Inder, in ihrem augenblicklichen Erwerbe 
gestört, hatten nichts Eiligeres zu thnn, als zu flüchten nnd die Welt 
mit ihren Klagen zu erfüllen. 

Die Deutschen am Kilimandscharo waren sicher, da die 
Dschaggafürsten Freunde der Deutschen waren, aber in Mwapwa 
und Kiora befanden sich noch einige Deutsche, über deren Schicksal 
bis Ende des Jahres nichts Genaueres verlautete, obwohl nach Baga- 
moyo gekommene Karawanen sie noch lebend angetroffen haben 
wollten, was der beste Beweis dafür w ar, dass der Aufstand sich nicht 
nach dem Innern zu verbreitet hatte. Die in den Kinganistationen 
Dunda, Madimola und Usungula befindlichen Deutschen erhielten 
Befehl, sich nach der Küste zurückzuziehen, was sie auch später 
glücklich ausführten. Die deutschen katholischen Missionare in Pngu 
(siehe Seite 51) hinter Dar-es-Salaam erklärten aber, auf ihrem 
Posten bleiben zu wollen. Auch einige englische Missionare harrten 
aus, obwohl ihnen von England aus der Befehl zur Abreise zuge- 


Digitized by 



Die deutschen Kolonien. 


223 


kommen war. Da der deutsche Admiral zu Anfang Oktober beab- 
sichtigte, die Garnison aus Bagamovo zurückzuziehen, eine Hal- 
tung der Station ohne die Hülfe der MariDe unmöglich war und auch 
Dar-es-Salaam dann hätte aufgegeben werden müssen, schien der 
Zeitpunkt gekommen, wo der letztere Hafen von den Deutschen 
geräumt war. 

Aber dieser letzte Schritt wurde vermieden, da die Weisung 
aus Berlin eintraf, die beiden Plätze zu halten, gegen welche nun- 
mehr Buschiri, der jetzt offen au die Spitze der liebellion trat, seine 
Schaaren führte. In Bagamovo liessen sich die Verhältnisse besser 
an, Karawanen kamen an und der Bezirkschef konnte im Oktober 
noch einige Streifzüge unternehmen. In der Majorität der Bevölke- 
rung herrschte eine heftige Erbitterung gegen die wenigen Unruhe- 
stifter, durch welche der Verkehr gestört und allgemeine Hungers- 
noth in der Umgegend hervorgerufen war. Von den Indern, welche 
ihr Leben nach Sansibar in Sicherheit gebracht, waren schon einige 
zurückgekehrt, nachdem sie bemerkt hatten, dass die wenigen zurück- 
gebliebenen Stammesgenossen dort bei dem Mangel an Konkurrenz 
brillante Geschäfte machten. Trotz aller ungünstigen Verhältnisse wurde 
in der provisorischen Hüttenstadt, welche in den Palmenptlanzungen 
der französischen Mission entstanden war, ein lebhafter Elfenbein- 
handel betrieben. Um den Zufuhren von Pulver und Waffen aus 
Whindi ein Ende zu machen und den Aufrührern diese Bezugsquelle 
abzuschneiden, ging der Admiral auf der Sophie am 31. Oktober 
nach dorthin. Den Einwohnern wnrde eine Frist gesetzt, um ihre 
Weiber und Kinder in Sicherheit zu bringen, worauf sie erwiderten, 
sie wollten sogleich mit den Deutschen Krieg machen; der Admiral 
wartete trotzdem, bis die Frist abgelaufen war, und dann beschoss 
die Sophie (siehe Seite 107) die aus mehreren Dörfern bestehende 
Ortschaft. Die zahlreichen Explosionen ergaben das Vorhandensein 
ansehnlicher Pulverquantitäten in den Häusern. Nach dem Bombarde- 
ment wurde ein Landungskorps an Land geschickt und die Baulich- 
keiten, sowie Segel- und Ruderfahrzeuge zerstört. Am 5. Dezember 
aber wurde von Buschiri ben Salam ein Angriff auf Bagamovo unter- 
nommen, der seitens der Angestellten der Deutsch-Ostafrikanischen 
Gesellschaft unter Mitwirkung einer Dampfbarkasse von der Leipzig 
und dem mit einer Revolverkanone ausgerüsteten Gesellschaftsdampfer 
Jühlke zurückgeschlagen wurde. Da für den folgenden Tag ein 
erneuter Angriff erwartet wurde, so legte der Admiral eine Garnison 
in das Stationshaus der Gesellschaft. Am Morgen des 7. zeigten 


Digitized by Google 



224 


Die deutschen Kolonien. 


sich die Rebellen wieder in der Stadt, sie verbarrikadirteu mehrere 
Steinhäuser und legten am Strande regelrechte Schützengräben an. 
Durch einige Granaten der Leipzig wurden sie schleunigst zum Ver- 
lassen ihrer gedeckten Stellung gezwungen, und das an das Land 
gesandte Detachement trieb sie darauf im Verein mit den Ange- 
stellten der Gesellschaft zur Stadt hinaus. Dieses Mal schieneu die 
Rebellen es hauptsächlich auf Plünderung und Brandstiftung abge- 
sehen zu haben, mehrere indische Häuser wurden ausgeraubt, indi- 
schen Frauen die Schmucksachen gewaltsam vom Körper gerissen 
und ein Theil der Stadt in Asche gelegt. Die Folge war, dass die- 
jenigen Inder, welche wieder nach Bagamovo zurückgekehrt waren, 
schleunigst das Weile suchten und mit ihren Familien nach Sansibar 
znrückkehrten. Am 24. Dezember erfolgte ein neuer Angriff auf 
die Station der Deutsch -Ostafrikanischen Gesellschaft; durch das 
wohlgezielte F’euer aus dem Stationsgebäude und einige Granaten 
aus der Carola wurde der Feind bald zum Rückzug veranlasst und 
leistete dem Vorrücken eines Landungskorps desselben Schiffes, ver- 
bunden mit den Stationssoldaten, keinen Widerstand. Verluste kamen 
auf deutscher Seite nicht vor. Seitdem hatte Buschiri zwischen Baga- 
moyo und dem Kingani auf einer Anhöhe ein befestigtes Lager an- 
gelegt und beunruhigte von dort aus die Stadt, indem er von Zeit 
zu Zeit seine Leute gegen die Station vorschickte. 

ln Dar-es-Salaam hatte der Stationsvorsteher Leue es verstanden, 
durch ein energisches Auftreten diejenigen Elemente in Schach zu 
halten, welche Unruhen anzetteln wollten, aber am 23- und 24. De- 
zember drangen aufständische Banden in die Stadt, um zu plündern, 
und später wurde auch die dortige Missionsstation angegriffen und 
zerstört, die Missionare vertrieben und die dorthin gebrachten, von 
der Leipzig befreiten Sklaven wieder in die Sklaverei fortgeführt. 
Die Missionare von Pugu aber erlitten ein schlimmeres Schicksal, 
einige wurden bei einem Angriff der Rebellen getödtet und andere 
gefangen genommen. 

Die öffentliche Meinung war durch diese Vorgänge auf das 
tiefste erregt und die Regierung wurde durch die öffentliche Meinung 
auf einen neuen Weg gedrängt, um einen Umschwung der Verhält- 
nisse herbeizuführen, was um so schwerer war, als der Küsten- 
strich dem Sultan von Sansibar gehörte und die Empfindlichkeit. 
Englands geschont werden musste. Wenn nun auch manche Stimmen 
sich abfällig über die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft äusserten, 
so war doch nicht zu bestreiten, dass in Ostafrika deutsche Interessen 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien 


225 


geschützt werden mussten. Um eine Verständigung zwischen den 
verbündeten Regierungen und der Volksvertretung zu erleichtern, 
war es von grossem Vortheil, dass humanitäre nnd koloniale Inter- 
essen sich zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutze 
der deutschen Unternehmungen in Ostafrika vereinigen konnten. Im 
Reichstage brachte der Abgeordnete Windthorst, der Führer des 
Zentrums, das Gewicht immer auf die humanitäre Seite der Frage 
legend, Anfang Dezember folgenden Antrag ein: 

.Der Reichstag wolle beschliessen, den verbündeten Regierungen gegenüber 
nachfolgende Erklärung abzugeben: 1. Der Reichstag spricht auch seinerseits die 
(Jeberzeugung aus, dass, um Afrika für christliche Gesittung zu gewinnen, zunächst 
die Bekämpfung des Negerhandels nnd der Sklavenjagden nothwendig sein wird. 
2. Der Reichstag wird bereit sein, die Maassregeln, welche die verbündeten Regie- 
rungen zu diesem Zwecke vorzuschlagen gedenken, in die sorgsamste Erwägung 
zu ziehen und auch seinerseits zu unterstützen. 3. Der Reichstag spricht die Hoff- 
nung aus, dass es gelingen wird, die übrigen betheiligten Mächte zur Mitwirkung 
bei Ausführung dieser Maassregelu zu bestimmen, insbesondere auch dahin zu wir- 
ken, dass die in den verschiedenen Ländern zum Zwecke der Bekämpfung des 
Negerbandeis und der Sklaveujagden sich vorbereitenden Unternehmungen nach 
einem einheitlichen, durch Vereinbarung festzusetzenden Plane durchgeführt 
werden.“ 

Dieser Antrag war, rein losgelöst von allem Kolonialpolitischen, 
an und für sich eine vortreffliche Anregung, er wurde unschätzbar 
als die Brücke zu den weiteren Erörterungen über die Lage in Ost- 
afrika. Am 14. Dezember entwickelte sich eine Debatte über die 
kolonialpolitischen Aufgaben des Reiches in dem Reichstage, in deren 
Verlauf sich bald herausstellte, dass zwischen der grossen Mehrheit 
des Reichstags und den verbündeten Regierungen volles Einverständ- 
nis darüber herrschte, dass in Ostafrika die deutsche Ehre engagirt 
sei, dass es kein Rückwärts mehr gebe. Der Abgeordnete Woermann 
verfocht unter vielem Beifall den Satz, dass die freie Arbeit des 
Negers einen grösseren Vortheil biete, als die Sklavenarbeit, 
dass in den Negern eine bedeutende Arbeitskraft schlummere, 
und dass England grosse Vortheile politischer und wirtschaft- 
licher Natur trotz der kolossalen Opfer aus seinem Kampf gegen 
die Sklaverei gehabt habe. Die Abgeordneten v. Helldorff und v. Kar- 
dorff befürworteten ebenfalls aufs lebhafteste ein kräftiges Einschrei- 
ten des Reichs, während Herr Bamberger seinen ablehnenden Stand- 
punkt zur Geltung brachte. An den Ausdruck „Landblokade“ an- 
knüpfend, welchen Herr v. Helldorff angewendet hatte, setzte Graf 
Bismarck auseinander, welche Schritte die Regierung auzuwendeu 
gedachte, um auf dem Festlande zu operiren und zugleich die Marine 

Jahrbuch für Deutsche Kolouialpolitik. 15 


Digitized by Google 



226 


Die deutschen Kolonien. 


zu entlasten, welche durch die Blokade übermässig in Anspruch 
genommen war. Die Regierung hatte es sich angelegen sein lassen, den 
Rath von Männern, welche über die Lage ein fachmännisches Urtheil 
hatten, einzuholen und besonders der zum Hauptmann beförderte Herr 
Wissmann zugezogen, in der Absicht, ihn als Reichskommissar nach 
Ostafrika zu schicken. Derselbe war von der Leitung des Emin-Paseha- 
Untcrnehmen8, welche jetztDr. Peters übernahm (sieheSeite 129) zurück- 
getreten und hatte sich gern in den Dienst des Reichs gestellt, um dem- 
selben seine Erfahrungen zu widmen. Diese Landblokade sollte an einigen 
grossen Plätzen, wo Karawanenwege münden, in Bagamoyo, Dar-es- 
Salaam nndPangani, errichtet werden, und die Mannschaften aus Schwar- 
zen, unter der Anführung einer Anzahl Weissen, bestehen. Doch wurden 
nur die Umrisse gegeben, da die Regierung erst abwarten wollte, 
wie sich der Reichstag zu der Angelegenheit stellen würde. Die 
seltene Einmütbigkeit, mit welcher der Antrag Windthorst ange- 
nommen wurde, bewies ihr, dass sie auf dem rechten Wege war. 
und so gelangte Anfangs des Jahres 1889 folgende Vorlage an den 
Reichstag: 

§ 1. Für Maassregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutz 
der deutschen Interessen in Ostafrika wird eine Summe bis zur Höhe von 2000000 
Mark zur Verfügung gestellt 

§ 2. Die Ausführung der erforderlichen Maassregeln wird einem Reichskom- 
missar übertragen, welcher gleichzeitig nach der ihm ertheilten besonderen Instruk- 
tion die dem Reichskanzler slatutenmässig zustehende Aufsicht über die Deutsch- 
Ostafrikanische Gesellschaft und deren Angestellte in Ostafrika aasübt 

§ 3. Der Reichskanzler wird ermächtigt, die erforderlichen Beträge nach 
Maassgabe des eintreteuden Bedürfnisses aus den bereiten Mitteln der Reichshaupt- 
kasse zu entnehmen. 

Die wichtigsten Sätzen der Begründung lauten folgender- 
maassen : 

Die leitenden Grundsätze der deutschen Kolonialpolitik, wie sie 1884/85 in 
amtlicher Erörterung die Zustimmung des Reichstages erhalten haben, bilden auch 
gegenwärtig die Richtschnur für das Verhalten der Kaiserlichen Regierung bei 
überseeischen Unternehmungen von Reichsangehürigen. Infolge derselben ist dem 
Reiche keine Verpflichtung angesonnen worden, deutsche Unternehmer in über- 
seeischen Ländern bei Verlusten schadlos zu halten oder ihnen günstige Ergebnisse 
auf landwirtschaftlichen Gebieten zu sichern. Die Vortheile, welche der Schutz 
des Reiches den Reichsangebörigen gewährt, welche unzivilisirte Gebiete in fremden 
Weltteilen zu kolonisiren beabsichtigen, liegen hauptsächlich in dem Schutz des 
Gebietes gegen Störungen und Eingriffe anderer Kolonialmächte. Die Intervention 
des Reiches kann in der Regel nur anderen auswärtigen Mächten gegenüber zur 
Geltung kommen, während die Bewältigung des Widerstrebens wilder Eingeborneu 
and anderer, in der Beschaffenheit des zu koioniairenden Landes liegenden natür- 
lichen und sozialen Hindernisse Aufgabe der Unternehmer bleiben muss. Auf 


Digitized by Google 



Die deutlichen Kolonien. 


227 


diesem üebiete kann, ausserhalb des Bereichs unserer maritimen Streitkrifte, kolo- 
nialen Unternehmungen eine materielle Unterstützung nicht geleistet werden. Des- 
gleichen gehört es nicht in das Programm der deutschen Kolonialpolitik, für die 
Herstellung staatlicher Einrichtungen unter barbarischen Völkerschaften einzutreten 
und dort eine unseren Anschauungen entsprechende Ordnung der Verwaltung und 
Justiz herzustellen. Dagegen hat Deutschland in seinen afrikanischen Nieder- 
lassungen schon durch die unter Tbeilnabme des Reiches erfolgten Beschlüsse der 
Kongokonferenz, in Gemeinschaft mit anderen europäischen Nationen, die Ehren- 
pflicht übernommen, sich an der Zivilisirung Afrikas in gleicher Linie mit den 
anderen Grossmächten Europas zu betheiligen. Die Erfüllung dieser nationalen 
Ehrenpflicht ist uns seitdem praktisch näher getreten durch die Besitznahme eines 
beträchtlichen Theiles von Afrika unter deutschem Schutz. 

Die erste Vorbedingung für das Gelingen zivilisatorischer Bestrebungen ist 
aber die Abstellung der Sklavenausfuhr und der damit verbundenen Jagden und 
Kriege, welche das Material für den Menschenhandel liefern. So lange dieser Handel 
und seine brutalen Gewaltthaten bestehen, fehlen Afrika die Existenzbedingungen 
eines menschlichen Kulturlebens. Im engen Zusammenhänge mit dem Sklaven- 
handel steht die innere afrikanische Bewegung, wie sie in den Kriegen des Mahdi 
und den Angriffen auf europäische Ansiedelungen und Missionen am oberen Kongo, 
an den afrikanischen Binnenseen und anderen Gebieten Zentralafrikas zn Tage ge- 
treten ist. An der europäischen Zivilisation der unversöhnlich feindlichen Ele- 
mente im Kinverständniss mit anderen christlichen Mächten mitzuwirken, ist durch 
den deutschen Mitbesitz in Afrika zu einer Ehrenpflicht des deutschen Reiches ge- 
worden. Die ostafrikanische Gesellschaft ist ein Organ, durch welches diese Auf- 
gabe der Nation zunächst wahrgenommen werden kann, und ihr 50jähriger Vertrag 
mit dem Sultan giebt ihr die Handhabe, auf den für Deutsche reservirten weiten 
Gebieten im Sinne dieser Aufgabe thätig zu sein, ln dieser ihrer Stellung liegt ihr 
Anspruch auf Unterstützung durch das Reich behufs Abwehr der Angrifle auf die 
deutschen Niederlassungen an der Küste von Sansibar. 

Am 25. Januar gelangte die Vorlage zur Berathnng im Reichs- 
tage. Anwesend war ansser dem Fürsten Bismarck auch der für 
diese Gelegenheit zum Bundeskommissar ernannte Hanptmann Wiss- 
mann. Die Verhandlungen begannen mit einer Rede des Grafen Bis- 
marck, in welcher derselbe die verschiedenen Momente, welche die Ent- 
sendung eines Reichskommissars erforderlich machten, zusammenfasste: 
die Unterdrückung des Sklavenhandels, die schlimme Lage der Missio- 
nare. die angestrengte, in dem tropischen Klima für die Besatzung 
der Marine gefährliche Tliätigkeit und die Unmöglichkeit für die 
Ostafrikanische Gesellschaft, ausserhalb derjenigen Zwecke, für welche 
sie in ’s Leben gerufen , grosse Mittel aufzuwenden. Es sei deshalb 
wünschenswerth, auf dem Festlaude ein amtliches Organ zu haben, 
und Hanptmann Wissmann sei für den Posten eines Reichs- 
kommissars in Aussicht genommen. Hauptmann Wissmann ergriff 
sodann das Wort, um die Lage an der Küste zu schildern, den Auf- 

15* 


Digitized by 



228 


1 »ie deutschen Kolonien. 


stand der Araber, die Unmöglichkeit, anders als mit Gewalt durch- 
greifen zu können, und die Mittel nnd Wege, des Aufstandes Herr 
zu werden. Es solle vor allem der Sklavenhandel unterbunden 
werden, nicht aber der andere Handel, der sich hauptsächlich auf 
Elfenbein und Gummi beziehe. Dieser Handel hänge zugleich zu- 
sammen mit dem Verbot der Einfuhr von Pulver und Waffen Nur 
mit Feuergewehren ausgerüstet, sei es den Karawanen möglich, im 
Innern ihren Handel zu treiben und die Karawanenstrassen zu be- 
treten, denn sie müssten sich zugleich gegen habgierige Eingeborene 
wehren können. Es sei daher angezeigt, das Verbot der Einfuhr 
von Waffen, sobald es die Umstände erlauben, dahin zu modiüziren, 
dass man Massregeln treffe, wie sie an der Zulugrenze, in einigen 
portugiesischen Kolonien und auch im Kongostaat getroffen seien. Er 
kam noch auf den Branntweinhandel zu sprechen, dessen Schädlich- 
keit vielfach übertrieben sei, lobte die Fruchtbarkeit des ostafrika- 
nischen Küstengebietes, polemisirte gegen den Ausspruch des Dr. 
Fischer: wo es in Afrika fruchtbar sei, da sei es ungesund, und wo 
es gesund sei, da sei es unfruchtbar, und sprach die Ueberzeugnng 
aus, dass die zu dem bevorstehenden Unternehmen beantragten Mittel 
sich für Deutschland lohnen würden. Die Bewegung, die jetzt in 
Ostafrika aufgetreten sei, habe er vor achtzehn Monaten, als er zum 
zweitenmale, von der Westküste ausgehend, die Ostküste erreichte, 
voransgesehen. Diese Bewegung sei unabwendbar gewesen und habe 
darin ihre Ursache, dass der Araber eingesehen habe, dass er den 
Kampf ums Dasein mit dem Europäer führen müsse. Die Religion 
spiele hier gar keine Rolle; sie werde nur hier und da vorgeschoben. 
Man schiebe deshalb nicht die Schuld auf andere Umstände, denn 
warum einen Sündenbock suchen, wenn man ihn nicht nöthig habe. 
Das wichtigste sei, zu erstreben, so schnell als möglich und so 
nachdrücklich als möglich Abhilfe zu schaffen. Der Herr Abgeordnete 
Bamberger, welcher jetzt das Wort nahm, sprach sich selbstverständ- 
lich gegen den Besitz von Kolonien aus, tadelte im ganzen und be- 
sonderen alles, was mit dieser Frage zusammenhängt, besonders aber 
die Leitung und Beamten der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft, 
während der Abg. Windthorst sich für die Vorlage aussprach, in der 
Erwartung, dass der Schutz der deutschen Interessen die andere 
humanitäre Tendenz, dem Sklavenhandel zu steuern, nicht über- 
wuchere. 

Fürst Bismarck betonte das freundliche Verhältnis zu England 
und dass er fest entschlossen sei, sowohl in Sansibar wie in Samoa 


Digitized by Googl 


Oie deutschen Kolonien. 


229 


mit der englischen Regierung Hand in Hand zu gehen. Die Blokade 
halte er nicht für sehr wesentlich, sie treffe ja nur die Ausfuhr von 
Sklaven, und diese auch nur unvollständig. Er setze seine Hoffnung 
auf die Möglichkeit, den fruchtbaren Ostabhang Üstafrikas zum Plan- 
tagenbau im tropischen Sinne zu benutzen, um einen grossen T hei I 
der Produkte selbst zu gewinnen, welche wir aus anderen Ländern 
beziehen müssen, um ferner eineu Theil unserer überflüssigen Kräfte dort 
zu verwenden. Nachdem noch die Herren v. Bennigsen, v. Kardorff, 
Simonis für die Vorlage, Bebel dagegen gesprochen hatten, wurde 
dieselbe einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen, welche 
am 28. zur Vorberatbung zusammentrat. In derselben theilte Graf 
Bismarck mit , dass von den geforderten zwei Millionen 800 000 M 
für einmalige Anschaffungen, 1000000 für Proviant, Munition, Ge- 
schenke etc., 200000 Jt als Reservefonds bestimmt seien. Der 
Reichskommissar habe über die Verwendung im einzelnen unter sei- 
ner Verantwortlichkeit zu verfügeu. Zu dem Vertrage mit der Ost- 
afrikanischen Gesellschaft sei der Sultan uicht gedrängt worden, der- 
selbe beruhe durchaus auf eigener freier Entschliessung. Nothwendig 
sei die Uebernahme sämmtlicher Hafenplätze offenbar deshalb ge- 
wesen, weil andernfalls der Verkehr sich auf die übrigen von der 
Gesellschaft nicht übernommenen Plätze hingezogen hätte. Freiherr 
v. Huene (Zentrum) hatte zu § 2 beantragt, den Satz zu streichen, 
welcher dem Reichskommissar die Aufsicht über die Deutsch-Ostafri- 
kanische Gesellschaft und deren Angestellte in Afrika zuertheilt. In 
der Abstimmung wurde dieser Antrag, welcher dem Wunsche des 
Zentrums entsprang, die Beziehung zur Dentsch-Ostafrikauischeu Ge- 
sellschaft aus dem Text der Vorlage zu entfernen, uud wenig prak- 
tischen Werth hat, da ja der Reichskanzler die Aufsicht über die 
Gesellschaft auf dem Verwaltungswege herstelleu kann, angenommen, 
und daun die ganze Vorlage mit allen Stimmen gegen die zwei Stim- 
men der Freisinnigen. 

Am Dienstag den 29. fand die zweite Lesung der Vorlage statt, 
bei welcher Herr Richter, der nur mit Mühe von seinen Partei- 
genossen zurückzuhalten war, in der ersten Lesung zu sprechen, die 
Gelegenheit nicht versäumen wollte, seine abfällige Ansicht uberKolonial- 
politik zu äusseru. Nachdem der Herr Abgeordnete Meyer (Jena) 
über die Beschlüsse der Kommission Bericht erstattet hatte, ergriff 
Richter das Wort, um die ganze Kolonial politik und alles, was damit 
zusammenhängt, in der bekannten Weise zu schmäheu, besonders 
aber die Ostafrikanische Gesellschaft anzugreifeu. welche nun einmal 


Digitized by Google 



230 


l>ie deutschen Kolonien. 


die bete noire des betreffenden Herrn ist. Der Abgeordnete Oeehel- 
hänser, welcher sich als ein Mitglied des Direktionsraths der Ost- 
afrikanischen Gesellschaft vorstellte, wies die Angriffe auf die Gesell- 
schaft zurück, legte die Ursache des Aufstandes, welche nicht bei 
Vorgängen in den Flaggenhissnngen , sondern in der allgemeinen 
arabischen Bewegung zu suchen sei, dar, und sprach im allgemeinen 
über die Vortheile der Kolonialbewegung für alle Theile der Bevöl- 
kerung. Ihm sekundirte Graf v. Mirbach, während Herr Virchow in 
gemässigter Weise Opposition machte. Der Abgeordnete Windthorst 
wünschte darüber sicher zu sein, dass Gewalt nur dort angewendet 
werden solle, wo es absolut nothwendig sei. Hauptmann Wissraann, 
welcher der Sitzung wieder als Bundeskommissar beiwohnte, erklärte 
infolge dessen nochmals, dass die Anwendung von Gewalt nur soweit 
ausgedehnt werden solle, als sie absolut nothwendig sei, d. h. als 
sie nöthig sei, um die Eingeborenen traitabel und überhaupt ge- 
neigt zu machen, in Verhandlungen zu treten. Die Vorlage wurde 
dann gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen, 
von denen nur die Abgeordneten Goldschmidt uud Siemens sich 
trennten, angenommen. 

Am 30. Januar fand die dritte Lesung statt. Der Abgeordnete 
Magdzinski gab im Namen der Polen die Erklärung ab, dass sie 
dafür stimmen würden. Abgeordneter Stöcker spielte die Angelegen- 
heit auf das religiöse Gebiet über, indem er betonte, dass es sich 
darum handle, ob in Nord- und Mittelafrika die mohamedanische 
oder christliche Weltanschauung herrschen solle. Abgeordneter 
Windthorst sprach seine Freude darüber aus, dass durch die Vor- 
lage die Missionen geschützt würden, und der Abgeordnete Richter 
musste das letzte Wort haben. Die Vorlage wurde dann gegen 
die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten definitiv ange- 
nommen. 

Wir sind bei der Schilderung der mit der Lage in Ostafrika in 
Zusammenhang stehenden politischen Vorgänge ein wenig, was die 
Zelt betrifft, über den Rahmen dieses Buches hinausgegangen, in der 
Absicht, einen passenden Abschluss zu finden. Ein solcher ist die 
Annahme der Ostafrikanischen Vorlage, deren Ausführung die deutsche 
Herrschaft in Ostafrika gegen etwaige neue Angriffe sicher stellen 
soll. Ob mit den dafür aufgewandten Mitteln dieses Ziel erreicht 
werden kann, ist bei dem Charakter des ostafrikanischen Problems 
sehr fraglich. 


Digitized by Google 



Oie deutschen Kolonien. 


231 


Das Wituland. 

Die Nachforschungen nach dem Schicksal des an der Soroali- 
küste ermordeten Afrikareisenden Baron von der Decken hatten 
im Jahre 1867 den Reisenden Richard Brenner an die Ostkfiste 
von Afrika, in das Mündungsgebiet des Tannflusses (2® 30' 
südL Breite) geführt. Als den einflussreichsten und angesehensten 
Häuptling in diesem Gebiete lernte er den „Sultan“ von Witu 
kennen, der ihm die freundlichste Aufnahme und nach Kräften Unter- 
stützung für seine Pläne gewährte. Die Ansprüche, die der Sultan 
Achmed schon damals auf grosse Küstengebiete machte, gingen über 
sein faktisches Herrschaftsgebiet hinaus; die Araber von der einen, 
die Somalist&mme von der anderen Seite bedrängten den mehr in 
der Aufrechterhaltnng seiner Ansprüche als in der Kraft der Abwehr 
zähen Herrscher. Jeder einigermaassen mit afrikanischen Verhält- 
nissen Vertraute wird wissen, wie wenig die Berechtigung derartiger 
Ansprüche, wie die etwaiger Gegenansprüche, nach europäischem 
Maassstabe gemessen und beurtheilt werden kann: so darf gewiss 
eine Vorführung der Rechtstitel, auf die sich der Sultau von Witu 
in seinen Ansprüchen auf ausgedehnte Küstengebiete und weit in 
das Innere sich erstreckende Territorien stützte, hier unterbleiben; 
dass dieselben wenigstens zum Theil nicht leichter gewogen haben, 
als die seines Hauptwidersachers, des Sultans von Sansibar, wird 
durch die zwischen den betheiligten Mächten, insbesondere durch 
die zwischen Deutschland und England am 29. Oktober resp. 1. No- 
vember 1886 getroffenen Vereinbarungen bezüglich der Abgrenzungen 
in Ostafrika, in denen ein grosser Theil dieser Ansprüche als zu 
Recht bestehend anerkannt wurde, als erwiesen angenommen werden 
können. *) 

*) Zweifellos war derjenige Theil der ostafrikanischen Küste, welcher durch 
die genannten Abmachungen als zum Witu- resp. Suaheli-Sultanat gehörig anerkannt 
worden ist (über Ausdehnung, Abgrenzung und geographische Lage siehe das Folgende), 
neben Kiloa und Mombas der werthvollste Besitz der Portugiesen. Die dem Ge- 
biete vorgelagerten Inseln waren im Alterthum als Paralaon- Inseln bekannt Auf 
der Insel Patta befand sich eine portugiesische Zollstelle. Bei dem Zerfall der 
(»ortugiesiscben Macht am Ausgang des siebzehnten Jahrhunderts bemühten sich 
drei arabische Reiche Sansibar (Maskat), Mombas und Patta um die Herrschaft in 
jenem nördlichen Theile der ostafrikanischen Küste. Diese Kämpfe erstrecken sich 
unter wechselnden Ergebnissen bis in die Mitte unseres Jahrhunderts. Gegen das 


Digitized by Google 



232 


Oie deutschen Kolonien 


Das Gesuch um den Schutz uud die Freundschaft des Königs 
von Preussen, welches schon damals der Herrscher von Witu, der 
„Sultan Achmed“, durch den Reisenden Richard Brenner nach Berlin 
richtete, konnte natürlich keine Berücksichtigung linden. Zum 
zweiten Male kam in den Jahren 1877/79 Sultan Achmed in engere 
Berührung mit deutschen Unterthanen. Gemeinsam mit dem als 
Arzt in Sansibar angestellten Dr. G. A. Fischer unternahmen in 
diesem Jahre die Gebrüder Klemens und Gustav Denhardt eine 
wissenschaftliche Erforschungsreise nach dem Tanagebiete. Diese 
Reise war sowohl für die Wissenschaft ausserordentlich ergiebig als 
auch wurde durch sie von neuem die hohe Kulturfähigkeit jener 
Länder und ihr hoher Werth für ein deutsches wirthschaftliehes 
Unternehmen festgestellt. Zur Nutzbarmachung des als bedeutungs- 
voll erkannten Handelsweges ins Innere und im Hinblick auf die 
Möglichkeit, im Tanagebiet und in den reichen, grösstentheils 
noch wenig bekannten Hinterländern einen vom europäischen Ein- 
flüsse noch freien Markt zum Besten der deutschen Industrie zu 
erschliesseu , war Klemens Denhardt in Deutschland bemüht, ein 
Konsortium zusammenzubringen, welches ihm die zu der Vorbereitung 
und Einleitung seines Vorhabens nöthigen Mittel zur Verfügung 
stellte. Im November 1882 gelang es Denhardt, das sog. Tana- 
Comite zu bilden, dem Herren angehörten, die, wenigstens zum 
grossen Theil, später der kolonialen Bewegung in Deutschland ein 
Interesse nicht entgegen zu bringen vermochten. Die Konstituirung 
des Komitees erfolgte jedoch erst endgültig im Jahre 1884. Auch 


Jahr 1840 wurde das Mombasreich definitiv unter die Herrschaft von Sansibar ge- 
bracht. Die auf Patta angesiedelten Herrscher von Patta und Siu entgingen einem 
gleichen Schicksal nur dadurch, dass sie vor dem Drängen der damals mächtigen 
und rührigen Sansibar-Araber zu Ende der vierziger Jahre auf das Festland über- 
siedelten, wo sie ihren Wohnsitz in Kau am Osi nahmen, und zwar war es der 
Vater des Ende Januar 1889 verstorbenen Sultans des Suahelilandes, der 
Sultan Muhamed, welcher die ursprüngliche Heimath seiner Vorfahren verliest. 
1856 folgte seinem Vater Muhamed der Sultan Achmed, der sich mit seinen 
Besitzungen im Jahre 1885 unter den Schutz des Reichs gestellt hat; sein 
voller Titel und Name lautete auf offiziellen Urkunden: Sultan Achmed ben Sultan 
Fumu Lutui ben Schech Nabahani. Der Beiname Simba (Löwe) stammte 
aus der Jugendzeit des Sultans Achmed, derselbe ist im Lande kaum noch 
bekannt. Auch von Kau wurde jedoch der Sultan Achmed mit seinen Anhängern 
nach einem Jahrzehnt durch die vordringenden Sansibar-Araber, die den ganzen 
Küstenstrich für sich zu besetzen bemüht waren, vertrieben und sah sich genöthigt, 
seinen Wohnsitz mehr nach dem Innern, nach Witu. der jetzigen Hauptstadt des 
Landes, zu verlegen. 


Digitized by Google 



Die deutsche!) Kolonien. 


233 


die Akademie der Wissenschaften bewilligte zur Unterstützung der 
Denhardt'schen Pläne 6000 im Hinblick auf die im Tanagebiet 
durch die Denhardt’sche Expedition gleichzeitig zu verfolgenden 
wissenschaftlichen Ziele. 

Im Oktober des Jahres 1884 verliessen die Gebrüder Denhardt 
Deutschland und trafen am 29. Dezember 1884 in Sansibar ein. 
Nachdem dort noch die nothwendigen Vorbereitungen für die Reise 
nach dem afrikanischen Festlande getroffen waren, begaben sich 
dieselben am 5. Februar 1885 über Mombas nach Lamu, woselbst 
die Expedition am 19. Februar 1885 eintraf. 

Lamu, dieser etwa 15 000 Einwohner zählende, auf der Insel 
gleichen Namens liegende Ort sollte den Ausgangspunkt für die 
Reise nach dem Festlande bilden; es wird nur durch den Kipungani- 
Kanal, dessen Breite an keiner Stelle über 300 m beträgt, vom Fest- 
lande getrennt. Für die nördlich von Sansibar belegene Küste Ost- 
afrikas ist Lamu, Station der Dampfer der British India Steam 
Navigation Company, der bedeutendste Handelsplatz und war bis vor 
wenigen Jahren der Sitz eines englischen Vizekonsuls. In Folge der kurz 
vorher erfolgten Erwerbungen der Gesellschaft für deutsche Koloni- 
sation Hess der Sultan von Sansibar die Schritte der Gebrüder 
Denhardt mit grösstem Argwohn überwachen und in Widerspruch 
zu den ausgestellten Empfehlungsschreiben wurde es den Behörden 
und Einwohnern von Lamu in feierlichster Form auf das Strengste 
untersagt, den Gebrüdern Denhardt irgend welche Hülfe zu leisten. 
Eine Reise auf das Festland waren die Beamten mit offener Gewalt 
zu hindern angewiesen. So gelang es der Expedition erst gegen 
Ende März des Jahres 1885 das gegenüberliegende Festland zu be- 
treten, auf welchem ihr von Seiten des Witu-Sultans ein überaus 
freundlicher Empfang bereitet wurde. Bei dem am 7. April dem 
Sultan Achmed in seiner etwa 40 km von der Küste entfernt 
Hegenden Residenz Witu abgestatteten Besuche gab dieser die Er- 
klärung, dass er noch immer auf das Zustandekommen eines Schutz- 
bündnisses mit Preussen resp. dem Deutschen Reich hoffe. Zu dem 
Plane der Errichtung einer deutschen Niederlassung im Tana-Osi- 
gebiet gab Sultan Achmed ohne Einschränkung seine Zustimmung 
und trat sofort ein Stück fruchtbaren Landes in der Grösse von 
einer deutschen Quadratmeile an Klemens Denhardt ab. 

Sofort auf die Kunde, dass Denhardt mit dem Sultan von Witu 
in Verbindung getreten sei, hatte jedoch der Gouverneur des Sultans 
von Sansibar in Lamu au mehreren Stellen des vom Witu-Sultau 


Digitized by Godgle 



234 


Die deutschen Kolonien. 


beanspruchten Küstengebietes die Flagge seines Gebieters hissen 
lassen, um dessen vermeintliche Rechte auf diesem Gebiet zn wahren, 
ln Folge dessen ernannte am 8. April 1885 der Sultan Achmed 
Klemens Denhardt zu seinem Bevollmächtigten für alle Verhand- 
lungen, welche etwa zwischen ihm und den Vertretern fremder 
Mächte und afrikanischen Herrschern zur Geltendmachung seiner 
Ansprüche zu führen seien; insbesondere beauftragte er ihn, gegen 
die von Said Bargasch durch die vorerwähnten Flaggenhissungen 
au die Küste gemachten Ansprüche zu protestiren. Ferner wurde 
Klemens Denhardt beauftragt, dem Kaiserlich deutschen General- 
konsul in Sansibar den Wunsch des Sultans zu übermitteln: zu 
Seiner Majestät dem deutschen Kaiser in ein aufrichtig freundschaft- 
liches Verhältnis« und unter Allerhöchst dessen mächtigen Schutz 
zu treten. Zu gleicher Zeit verkaufte der Sultan ein etwa 25 
deutsche Quadratmeilen grosses Stück Land an die Ge- 
brüder Denhardt. 

Diese Urkunde hat folgenden Wortlaut: 

Wir thun hiermit kund und zu wissen für Jedermann, dass wir das im nach- 
stehenden § 1 bezeichnete Land mit Allem, was sich darauf, darin, darunter und 
darüber befindet, sowie mit allen bezüglichen Ansprüchen und Hoheitsrechten an 
den Deutschen Klemens Denhardt verkauft und abgetreten haben. 

§ 1. Die Grenzen dieses verkauften und abgetretenen Landes werden ge- 
bildet durch eine gerade Linie zwischen Witu und Fungasombo, Fungasombo und 
Mkonumbi, dann auch durch den Fluss Mkonumbi bis zum Indischen Ozean, ferner 
durch den Indischen Ozean zwischen der Mündung des Mkonmnbiflusses und der 
Mündung des Flusses Osi, sodann durch den Fluss Osi bis Kau, den Fluss Maga 
goni und durch eine gerade Linie, welche den fernsten nach dem Inlande hin be- 
logenen Punkt dieses Flusses mit Witu verbindet. 

§ 2. Durch diese Urkunden entsagen Wir allen Ansprüchen an das im vor- 
stehenden § 1 bezeichnete Land und entäussern Uns aller Hoheitsrechto auf dasselbe. 

Witu, den 8. April 1885. 

gez. Sultan Achmed ben Sultan Fumo Lutui ben Schecb Nahabani. 

Das Gesuch des Sultans von Witu um den Schutz des Reiches 
wurde durch das deutsche Generalkonsulat zu Sansibar am 24. April 
1885 telegraphisch au das Auswärtige Amt übermittelt und daraufhin 
am 27. Mai der Generalkonsul in Sansibar angewiesen, das Aner- 
bieten des Sultans von Witu von diesem vorbehaltlich der Rechte 
Dritter anzunehmen. 

Inzwischen hatten die Gebrüder Denhardt vergeblich versucht, 
den Sultan Said Bargasch von Sansibar zur Einstellung der von ihm 
gegen das Gebiet von Witu unternommenen Feindseligkeiten zu 
veranlassen. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


235 


Der Sultan Hess alle derartigen Proteste unbeachtet und begann 
sich von dem Hafen Lamu aus zum Einmarsch in Witu zu rüsten. 
Nachdem der Kaiserliche Generalkonsul auf erhaltenen Befehl gegen 
jede Vergewaltigung des Sultans von Witu Einspruch erhoben hatte, 
wurden die in Bewegung gesetzten feindlichen Kräfte wieder zurück- 
gezogen. Eine endliche Beilegung der Feindseligkeiten erfolgte mit 
dem Eintreffen des deutschen Geschwaders vor Sansibar, indem 
Sultan Said Bargasch am 13. August 1885 dem Geschwaderchef 
gegenüber die Schutzherrschaft des deutschen Kaisers über das 
Festlandgebiet des Sultans Achmed bedingungslos anerkannte. (Siehe 
Seite 192.) 

Anfang September des Jahres 1885 begab sich der Kapitän 
zur See Valois. Kommandant S. M. Schiff „Gneisenau“, mit einem 
Gefolge von 2 Offizieren und ca. 30 Matrosen nach Witu, um dem 
Sultan einen offiziellen Besuch zu machen und über die dortigen 
Verhältnisse Erkundigungen einzuziehen. 

W T ie die Denkschrift angiebt, welche der Reichskanzler am 
2. Dezember 1885 an den Reichstag über die kolonialpolitischen 
Aktionen und Maassregeln der Reichsregierung gerichtet hat, hat 
Kapitän zur See Valois die Gegend von der Küste bis zu der Re- 
sidenz des Sultans sehr fruchtbar, das Terrain fast unausgesetzt mit 
Negerkorn, Bohnen, Oelfrucht und Tabak angebaut gefunden. Kapitän 
Valois bestätigt ferner, dass der Sultan Achmed unter den Be- 
wohnern der Küstengegend eine sehr geachtete Stellung einnimmt, 
Achmed hatte diesem Kommando einen sehr wohlwollenden Empfang 
bereitet. Bereits im Mai 1885 hatte Klemens Denhardt das Witu- 
gebiet verlassen und sich nach Sansibar und von dort im Juni des- 
selben Jahres nach Deutschland begeben. Bei voller Anerkennung 
des Erreichten fand Denhardt jedoch bei den Herren des oben er- 
wähnten Tana-Komitees wenig Neigung zur Unterstützung seiner über 
die ursprünglich gesteckten Ziele hinausgegangenen Unternehmungen. 
Nur auf sieh selbst angewiesen, sah sich Denhardt ohne ander- 
weitige finanzielle Unterstützung ausser Stande, seine 
Erwerbungen auszunutzen und zu verwerthen und wirth- 
schaftliche Unternehmungen von irgend welcher Bedeu- 
tung im Witulande anzubahnen. Die von Denhardt zwecks 
finanzieller Unterstützung von verschiedenen Stellen eingeleiteteu 
Unterhandlungen waren überall ohne Erfolg. In dem Schoosse 
des deutschen Kolonialvereins bildete sich jedoch, als Denhardt 
sich auch hierher um Hülfe wandte, unter dem Vorsitze des 


Digitized by Google 



236 


Die deutschen Kolonien. 


Fürsten zu Hohenlohe-Langenbarg und anf besondere Anregung 
der Herren Konsul Weber. Kurelia, Ed. Arnhold ein besonderes 
Komitee, welches die Errichtung einer „Witu-Gesellschaft“ zur Aus- 
nutzung der Denhardt’schen Erwerbungen ins Auge fasste. Gleich- 
zeitig mit den Verhandlungen dieses Komites mit Denhardt gingen 
die Bemühungen um die Beschaffung eines Fonds, aus dem zunächst 
der an Denhardt baar zu entrichtende Kaufpreis gezahlt uud die 
zur Uebernahme des Landes und den ersten Einrichtungen nöthigen 
Mittel gezahlt werden sollten. Für die Aufbringung des Fonds, der 
ursprünglich auf 70000 <M festgestellt, aber durch freiwillige Zeich- 
nungen auf die Höhe von 100000 <// gebracht, wurdeu nur die 
dem Vorstande des deutschen Kolonialvereins nahe stehende Kreise 
in Anspruch genommen. 

Durch Kaufkoutrakt vom 30. Juni 1885 gingen die Denhardt- 
schen Erwerbungen nun mit allen Rechten auf den Fürsten zu Hohen- 
lohe-Langeuburg über, als den Vertreter des oben genannten Kon- 
sortiums. Bereits am 2. September 1886 traf die zur Ueber- 
nahme des erworbenen Gebietes entsandte Expedition, Kapitän 
Rabenhorst und Lieutenant Schmidt, in Larnu ein. Die Aufgabe 
dieser Sendlinge in Bezug auf die Exploitation des Landes sollte 
vorläufig nur darin bestehen, Vorschläge bezüglich der Verwerthuug 
der zu errichtenden Anlagen etc. je nach dem Befunde und den ge- 
sammelten Erfahrungen zu machen. Die Bevollmächtigten fanden bei 
dem „Sultan“ Achmed die günstigste Aufnahme und erlangten ohne 
jede Schwierigkeit dessen Zustimmung zu dem erfolgten Besitz- 
wechsel: letzterer fand am 13. Oktober noch durch eineu notariellen 
Akt vor dem deutschen Kousulat in Sansibar definitive Bestätigung. 

Das am 29. Oktober 1886 resp. 1. November vom Grafen Hatzfeldt 
und Lord Iddesleigh Unterzeichnete deutsch-englische Uebereinkommen 
bezüglich der Abgrenzung der deutschen und englischen Interessen- 
sphären in Ostafrika wurde am 30. November 1886 im Reichs- 
anzeiger veröffentlicht und brachte dem territorialen Besitzstand der 
deutschen Witu-Gesellschaft neben einigen weniger belangreichen 
Einbussen au der Nordgrenze des Witureichs eine weitere Befestigung, 
wie er auch für das Land des Sultans Achmed bestimmte Grenzen 
gegenüber den Ansprüchen des Sultans von Sansibar festsetzte und 
anerkannte. Beide Mächte hatten hierin, als zu Witu gehörig, die 
Küste anerkannt, welche nördlich von Kipini beginnt und sich bis 
zum Nordende der Mandabucht erstreckt. Die Räumung des ge- 
summten Gebietes war ohne jede Schwierigkeit am 18. Januar 1887 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


237 


durch geführt und über den Verlauf derselben an diesem Tage zwischen 
«lern Kaiserlich deutschen Vizekonsnl Hunholt und dem Beauftragten 
des Sultans von Sansibar. Brigadegeneral Lloyd W. Mathews an 
Bord S. M. Schiff „Olga“ ein Protokoll vereinbart worden. In dem 
Protokolle ist niedergelegt, dass an den beiden (dem südlichen und 
dem nördlichen) Grenzpunkten der Küstenlinie des nach dem deutsch- 
englischen Abkommen als zu Witu gehörig anerkannten Gebietes 
nämlich am 13. Januar im Süden: fi50 Schritt östlich von Kipini 
auf dem Strande gemessen von der Mitte des Forts in Kipini (un- 
gefähr auf 2° 35' s. Br.. 40° 33' ö. L.), am 17. Januar im Norden: 
auf dem Festlande am Meeresstrande auf dem Breitenparallel der 
Nordspitze der der Küste vorgelagerten Insel Keweihu (ungefähr 
1° 5K' s. Br.. 48° 34.5 ö. L.) durch S. M. Schiff „Olga“ deutsche 
Grenzpfähle gesetzt und die deutsche Flagge gehisst, ebenso am 
15. d. Mts. in Mkonumbi als einem etwa in der Mitte der bezeich- 
neten Küstenlinie gelegenen Punkte ebenfalls in gleicher Weise die 
deutsche Flagge gehisst worden sei. In dem Protokoll erklärte 
General Matthews, dass inzwischen die säramtlicben übrigen in dem 
in Rede stehenden Gebiete vorhandenen militärischen Stationen des 
Sultans von Sansibar eingezogen und die Beamten abberufen worden 
seien. Als Stationen sind namentlich bezeichnet.: Makowe, Kililane, 

Hinde, Schimanfale. Jipe. Wandamunio, Mkonumbi, Peketone, Kimbo, 

Schagga, Unjo, Bomano, Thibutone, Maramande, Fnngosombo, Mtan- 
gane, Kimbone, Kiromando, welche sämmtlich zwischen Makowe und 
Kipini an der Küste, aber in unmittelbarer Nähe derselben belegen 
sind. Mehr nach dem Innern zu hatte der Sultan von Sansibar die 
Stationen Jongone und Balo unterhalten und jetzt aufgegeben. General 
Matthews erklärte ferner, dass in dem gesammten Gebiete weder 
Militärposten des Sultans von Sansibar, noch Beamte zurückgeblieben 
seien, soweit letztere nicht als Ortseinwohner, bezw. als Ortsvorsteher 
oder Ortsälteste, auch unter der neuen Ordnung der Dinge an den 
betreffenden Plätzen verblieben seien. Ebenso gab General Mathews 
protokollarisch die Erklärung ab, dass in dem in Rede stehenden 
Gebiete nirgendwo mehr eine Flagge des Sultans von Sansibar wehe 
und dass die sämmtlichen Einwohner in entsprechender Weise von 
dem Aufhören jeglicher Herrschaft des Sultans von Sansibar in • 

Kenntniss gesetzt worden seien. 

In dem zwischen Denhardt und dem Fürsten zu Hoheninhe- 
Langenburg abgeschlossenen Kaufverträge waren ebenso wie in der 
seiner Zeit vom Sultan Achmed Denhardt ausgestellten Uebcrtragungs- 


Digitized by Google 



238 


Die deutschen Kolonien. 


urkunde die Orte Kipini, am linken Ufer der Osimündung gelegen, 
und Kau, auf einer ca. 15 km stromaufwärts befindlichen „Insel“ ge- 
legen, einbegriffen. Da die internationalen Vereinbarungen die An- 
rechte des Sultans von Witu auf diese Orte nicht anerkannten, diese 
vielmehr dem Sultan von Sansibar zusprachen, so mussten die be- 
züglichen Ansprüche der deutschen Witu-Gesellschaft, die sich in 
letzter Linie auf die Ueberlassung dieser Orte seitens des Sultans 
von Witu an Klemens Denhardt stützte, fallen gelassen werden. 
Nach dem Innern zu unterblieb eine genauere Grenzregulirung. 
während nach Norden sich die dem unter dem Schutz des Reiches 
stehenden W'itu-Sultanat zugesprochene Kfistenlinie noch mehr als 
100 km über den nördlichen Grenzpunkt der Besitzung der deutschen 
Witu-Gesellschaft erstreckt. Die Ansprüche des Sultans Achmed auf 
die Inseln Manda und Patta fanden durch die vorgenommenen Grenz- 
regulirungen keine Bestätigung. Da diese Inseln jedoch der dem 
Witu-Sultan zugesprochenen Küste in sehr geringer Entfernung 
vorgelagert uud bei den Abmachungen gänzlich unerwähnt geblieben 
sind, so sind die Ansprüche des Sultans von Sansibar auf die ge- 
nannten Inseln auch nicht besonders anerkannt, obwohl er faktischer 
Besitzer ist. 

Der betreffende Passus des deutsch-englischen Uebereinkommens 
lautet: „Grossbritanuien und Deutschland erkennen die Souveränität 
des Sultans von Sansibar über die Inseln Sansibar und Pemba, sowie 
über diejenigen kleineren Inseln an, welche in der Nähe der ersteren 
innerhalb eines Umfanges von 12 Seemeilen liegen; desgleichen über 
die Inseln Lamu und Mafia.“ 

Die Inseln Manda und Patta liegen aber bedeutend weiter als 
12 Seemeilen von Sansibar entfernt und hätten somit, wenu sie 
trotzdem dem Sultan von Sansibar zuerkannt worden wären, neben 
Lamu und Mafia als besondere Ausnahmen Erwähnung linden müssen. 
Nachdem durch die internationalen Vereinbarungen die Besitz Ver- 
hältnisse in Ostafrika geregelt, insbesondere das Witureich eine feste 
Abgrenzung erhalten, die an den Fürsten zu Hohenlohe- Langenburg 
zedirteu Denhardt'schen Besitzungen, wenu auch mit bedeutenden Ein- 
schränkungen Anerkennung gefunden hatten, auch die Uebernahme 
dieser Besitzungen durch die hinausgesandte Expedition ohne Schwie- 
rigkeiten vorgenommen war und diese günstig über Boden-, Landes- 
und Klimaverhältnisse berichtet hatte, erweiterte sich das sog. Witu- 
Komite, an dessen Spitze der Fürst zu Hohenlohe - Langenburg 
stand, zur deutschen Witu-Gesellschaft. Die erste konstituirende 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


'239 


Generalversammlung wurde am 17. Dezember 1887 zu Berlin abge- 
halten; das Gesellschaftskapital wurde vorläufig auf eine halbe Million 
Mark normirt, In den Vorstand wurden die Herren J. Mesthaler- 
Nürnberg, Konsul Ad. Schwabe-Berlin und Konsul a. D. Karl E. Weber- 
Berlin berufeu, als Vorsitzender des Verwaltungsrathes wurde der Fürst 
zu Hohenlohe-Langenburg gewählt; als Generalvertreter für die Unter- 
nehmungen im Witnlande wurde der mit ostafrikanischen Verhält- 
nissen durch langjährigen Aufenthalt sehr vertrante Kaufmann Kurt 
Toeppen bestellt. Der Gesellschaft wurden die Korporationsrechte 
verliehen; ihre Besitzungen, innerhalb deren die Gesellschaft auch 
die Hoheitsrechte auszuüben berechtigt ist, stehen als ehemaliger 
Tbeil des Witu- Sultanats unter dem Schutze des Reichs. Im Gegen- 
satz zu dem Theile des Witu- oder Suaheli-Sultanats, welcher zwar 
gleichfalls unter dem Schutze des Reiches, aber im übrigen noch 
unter der Hoheit des Sultans Achmed steht, wird die Besitzung 
der deutschen Witu -Gesellschaft gewöhnlich als Deutsch -Witu- 
land bezeichnet. Die deutsche Witu-Gesellschaft hat eine Reihe 
von Stationen als Handelsfaktoreien und zur Anstellung grösserer 
Versuche im Plantagenbau innerhalb ihres eigenen Gebietes, aber 
auch ausserhalb desselben im Witulande, angelegt; von diesen 
letzteren sind als die wichtigsten zu nennen: die Anlagen aut 
der Manda- Insel, an der Mandabucht. Die Hauptniederlassung 
der Gesellschaft ist auf Lamu, wo sie zu den verschiedensten 
Zwecken geräumige und massive Baulichkeiten hat ansführen lassen. 
In einer derselben ist auch das Bureau der gegen Ausgang des 
Berichtsjahres errichteten Kaiserlichen Postagentur untergebracht. 
— ln dem Witulande haben neben den Gebrüdern Denhardt, die 
nach dem Verkauf ihrer ersten Erwerbungen sich dort anderen 
Unternehmungen zuwandten, vereinzelt auch noch andere Deutsche 
versucht, Niederlassungen zu gründen, so ist zum Beispiel am Hedio- 
Kriek die Station Baltia von Deutschen angelegt; es scheint jedoch, 
als ob diesem Versuche nicht genügend Kapital zur Verfügung ge- 
standen habe, um die kostspieligen Anfangsschwierigkeiten des tro- 
pischen Ackerbaues zu überwinden. Wie verlautet, beabsichtigt die 
im Jahre 1888 begründete deutsche Pflanzergesellschaft grössere Er- 
werbungen im Gebiete der deutschen Witu-Gesellschaft oder im 
Witulande vorzunehmen. 

Wie schon bereits erwähnt, hat das Gebiet der deutschen Witu- 
Gesellschaft eine Küste von ungefähr 70 km, ungefähr von doppelter 
Länge ist die Küstenlinie des Sultanats. Der gesammten Küsten- 


Digitized by GeSögle 



240 


Die deutschen Kolonien. 


»trecke sind neben einer grösseren Anzahl Inselchen von ganz ge- 
ringem Umfang vier kleine Inseln vorgelagert: Lama, Manda, Patte. 
Kweihu. Die nördlichste von ihnen ist eigentlich nur vorübergehend 
bewohnt und jetzt noch ohne Bedeutung. Wichtiger ist die Insel 
Patta, die manche wohlgepflegte Plantage trägt. Auf der Insel be- 
finden sich die Ortschaften Siu und Patta. die, nach den noch vor- 
handenen portugiesischen und arabischen Ruinen zu schliessen, früher 
von grosser Bedeutung gewesen sind: noch jetzt werden hier einige 
Kunstgewerbe betrieben, wie z. B. Drechslerei, einen besonderen Ruf 
gemessen an der ganzen Ostküste die auf Patta geflochtenen Matten. 
Der in Kultur genommene Theil der Oberfläche ist nicht bedeutend, 
die Fauna der Insel ist eine reiche, besonders sind hier viele Arten 
Affen, dann Feldhühner, Schnepfen. Antilopen, auch Leoparden zu 
nennen. Das von der Insel Patta Gesagte gilt im Allgemeinen auch 
von der Insel Manda. Ungleich wichtiger als die drei vorgenannten 
Inseln ist die unter Hoheit des Sultans von Sansibar verbliebene 
Insel Lamu. Durch die regelmässige vierwöchentliche Dampfschiffs- 
verbindung mit Europa, welche durch die British India Line ver- 
mittelt wird, hat sich die auf der Insel liegende Stadt Lamu zu 
einem bedeutenden Handelspunkt entwickelt, die Zahl der hier an- 
sässigen handeltreibenden Banianen und Hindus ist. sehr beträcht- 
lich. Durch ihre Lage — nur durch den schmalen Kipungani-Kanal 
vom Festlande getrennt — bildet die Insel bei dieser so werthvollen 
Dampferverbindung wenigstens jetzt noch das eigentliche Ein- und 
Ausgangsthor zu dem Witugebiet. Neben der Stadt Lamu sind auf 
der Westseite der Insel noch die Orte Matondoni und Kipungani, auf 
der Ostseite der Ort Schela als von einiger Bedeutung zu nennen. 
Die Insel wird bewohnt von Arabern und reichen Suaheli, welche 
Plantagen (Schambas) auf der Insel, hier besonders einträgliche 
Kokosnussplantagen, aber auch auf dem gegenüberliegenden Festlande 
besitzen. Die Feldarbeit wird ausschliesslich von Sklaven verrichtet, 
von denen die reichen Suaheli und Araber, vor allem aber der in 
der Stadt Lamu wohnende Wali des Sultans von Sansibar eine er- 
hebliche Anzahl besitzen. 

Das Festland weist nur ganz geringe Erhebungen auf, in 
Folge dessen auch viele, mit Mangrove umsäumte Wasserarme sich 
vom Ozean verhält.nissmässig weit in das Innere ziehen. Nur gegen 
Nordwesten, von der Küste aus gerechnet, steigt das Land stärker 
an und erhebt sich nach dem Innern zu dem von dem Stamme 
der Borani Galla bewohnten Hochlande, das, zur Zeit noch gänzlich 


Digitized by Google 



Oie deutschen Kolonien. 


241 


unerforscht, nach den Aussagen der Eingeborenen doch in jeder Be- 
ziehung späteren Kolonisationsversuchen die vorzüglichsten Vorbe- 
dingungen gewähren wird. 

Im ganzen Witugebiet steht mit verschwindenden Ausnahmen 
das Urundwasser nicht tief und ist überall durch Brunnen leicht zu 
erreichen. Jedoch mangelt es jetzt noch im Lande an soleheu, und 
die Einwohner decken gewöhnlich ihren Bedarf ans Wasserlöchern, 
die bei allen Dörfern angebracht sind. An tliessenden Gewässern 
giebt es nur ganz kleine, auch ist ihre Zahl nicht gross. Trotzdem 
mangelt es in den einigermaassen normalen Jahren nicht au den 
nöthigen Wassermengen für Kulturen aller Art. Im Allgemeinen wird 
im Jahre mindestens zweimal geerntet, im Oktober und März. Die grosse 
Regenzeit ist im April und Mai, die kleine nur einige Tage dauernd, 
ist im Oktober. Mit Ausnahme des Dezember und Januar kommen 
jedoch auch in allen anderen Monaten ab und zu Niederschläge vor, 
so dass man nur bezüglich der beiden angeführten Monate von einer 
eigentlichen Trockenheit reden kann. 1 ) Die Luftwärme bewegt sich 
im Allgemeinen zwischen -j- 18 und 30° Celsius. 

Von dem anbaufähigen Laude haben die Eingeborenen un- 
gefähr den fünfzehnten Thcil in Kultur genommeu und bauen 
Reis, Mais, Sorghum, Mawele, Simsim, Maniok, Bataten, Bananen, 
Ananas, Kürbisse etc., kultiviren aber auch Zuckerrohr, Kokospalmen, 
Tabak und Baumwolle; vereinzelt wird in Gärten noch die liebe ge- 
zogen, zur Zeit der Portugiesen soll jedoch der Weinbau sehr in 
Blüthe gestanden haben. Der Ackerbau wird überall noch in primi- 
tivster Weise getrieben. Von den werthvolleren, bereits jetzt ge- 
wonnenen Produkten haben die nach Deutschland gekommenen Proben 
von Tabak und Baumwolle nach dem Urtheil der Fachleute den Be- 
weis geliefert, dass bei verbesserter und rationeller Kultur das Witu- 
gebiet jene Produkte in marktfähiger Waare dem europäischen Kon- 
sum zu liefern im Stande sein wird. Ebenso scheinen unternommene 
Versuche auch für andere werthvolle Tropenge wüchse das Vorhanden- 
sein günstiger Vorbedingungen für deren Anbau festgestellt zu haben. 
In den nordwestlichen, mehr bergigen Theilen desWitugebiets resp. seiner 
Hinterländer sind vielleicht auch für den Kaffeebau Vorbedingungen 
gegeben. Das Vorkommen werth voller Nutzhölzer und besonders der 

') Bezüglich der Angabe der Regenzeiten etc. variiren die uns zu Gebote 
stehenden Beobachtungsresultate der verschiedenen Reisenden; die Angaben sind 
nach den neuesten Beobachtungen erfolgt, was nicht ausschliesst, dass doch für 
das eine oder das andere Jahr nicht unwesentliche Verschiebungen eintreten, 
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. Itj 


Digitized by Google 



•242 


Die deutschen Kolonien. 


Kautschuklianen in den Urwäldern zwischen Pangani und Witu, 
dann bei Mpeketoni und Kipini, ist erwiesen. Noch reichlicher aber 
wird der Kautschuk in deu nordwestlichen Hinterländern, in den 
von den Galla und Waboni bewohnten Gebieten gewonnen und über 
Witu nach Sansibar resp. Europa ausgeführt. Bis vor Kurzem hatten 
die Indier und Banianen den Kautschukhandel dieser Gebiete noch 
vollständig in den Händen, während die Eingeborenen sich jetzt mehr 
nnd mehr den deutschen Käufern zuwenden. 

Der über das Witugebiet gehende Elfenbeinhandel scheint zwar 
sehr entwickelungsfähig, ist zur Zeit jedoch noch ohne rechte Be- 
deutung. Sollte die durch die aufständische Bewegung verursachte 
Sperrung der südlichen Karawanenstrasse längere Zeit audauern, so 
ist eine Steigerung vorauszusehen. Für den Ausfuhrhandel kom- 
men zur Zeit noch in Betracht: Straussenfedern, Kopal, Kopra, 
Häute und besonders Orseille. Andere Ausfuhrartikel werden nach 
der Entwickelung des Plantagenbaues und der Handelsbeziehungen 
nach dem Innern allmählich geschaffen werden. An europäischen 
Waaren konsumirt die Bevölkerung des Witulandes und der 
Hinterländer hauptsächlich: buntbedruckte und buntgewebte Baum- 
wollenwaaren, ungebleichte und gebleichte Baumwollenwaaren, Tuche, 
Eisenwaaren aller Art, Glas- und Steingutwaaren, Spiegel. Lampen, 
Schiesspulver, Zündhütchen, Petroleum, Tabaksfabrikate etc. 

Der Bestand an Rindviehheerden ist nur in einigen Gegenden 
des Witulandes von Belang, dagegen weisen die Hinterländer einen 
grossen Heerdenreicbthum auf und die Bewohner derselben bringen gern 
Häute, Hörner in grösseren Mengen zum Verkauf. Im engeren Witulande 
gedeiht, jedoch nur in Folge der sehr schlechten oder besser aus Mangel 
an jeder Pflege, das Rindvieh sehr wenig. Da die Tsetse-Fliege nicht 
vorkommt, könnte durch die bessere Pflege des Europäers auch hier 
Wandel geschaffen und ein guter und sehr reichlicher Viehstand ge- 
schaffen werden. Zum Lasttragen werden Esel verwandt; die Ver- 
wendung von Kameelen zum Lasttrageu und zum Drehen der Oel- 
mühlen hat fast ganz anfgehört. 

An Hausthieren finden sieh noch das Schaf, die Ziege und 
mehrere Art Federvieh. 

Vor Kurzem ist der Versuch gemacht worden, das Pferd zu 
akklimatisiren, doch bleibt der Erfolg des Versuches noch abzuwarten. 
Büffel und Antilopen finden sich in allen Theilen des Landes zahlreich, 
auch Elephanten, die in dem nördlichen Theile des Landes bis zur 
Küstp heraukommen. Ebenso kommen auf dem der Insel Kiweihu 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


243 


gegenüber liegenden Festlandsgebiet Löwen und Leoparden, Zebra 
und Hyänen vor. Das Nilpferd wird häutig getroffen, ebenso der 
Strauss: Schlangen sind seltener und auch die Vogelwelt ist in einer 
keineswegs reichen Anzahl von Arten vertreten. 

Nach den übereinstimmenden Berichten aller Kenner des Landes 
und nach den gemachten Erfahrungen ist das Klima im Vergleich 
zu anderen afrikanischen Landschaften entschieden als günstig zu 
bezeichnen. Von perniziösen Fiebern sind die dort thätig gewesenen 
Europäer verschont geblieben, ein Auftreten derselben war auch bei 
Eingeborenen nicht nachzuweisen. Die gewöhnlichen Klimafieber treten 
natürlich auch hier auf, doch ist nach den Berichten Toeppen’s, des 
Vertreters der deutschen Witu-Gesellschaft wohl nirgends ein Fall 
mit tödtlichem Ausgang vorgekommen. Sehr häulig dagegen, aber 
nur unter den Eingeborenen, finden sich Fälle sogar der schwersten 
Art von Elephantiasis; an letztgenannter Krankheit litt auch bis 
zu seinem Tode der Sultan Achmed von Witu. Die herrschende 
und besitzende Klasse der Bevölkerung des Witulandes bezeichnet 
sich im Allgemeinen als „Suaheli“. Ursprünglich verstand man 
unter Suaheli eine aus der Vermischung von Arabern und Ein- 
geborenen entstandene Mischrasse. Diese Vermischung der Araber 
mit den Eingeborenen, resp. der Mischrasse der Suaheli mit den 
Eingeborenen ist aber in so vielen Abstufungen vor sich gegangen, 
dass man von einem Suaheli-Stamm kaum noch reden kann, sondern 
nur noch von einer Suaheli-Sprache. Die Bezeichnung als Suaheli 
ist an diesem Theile der Küste zum „Ehrenprädikat“ geworden, das 
sich jeder — ähnlich dem englischen Esquire — selbst beilegt, der 
die Suaheli- Sprache einigermaassen zu sprechen versteht. Die 
Sklaven, welche von verschiedenen nicht muhamedanischen Stämmen 
abstammen, werden verächtlich als Waschcnsi bezeichnet. 

Ueber die Zahl der Einwohner im Witusultanat fehlt jede 
irgendwie zuverlässige Schätzung: für Deutsch -Wituland, also für 
die Besitzungen der deutschen Witu-Gesellschaft, schwanken die 
Schätzungen zwischen 4- und 9000. 

Ein eigentlicher Heeresdienst existirt nicht; im Nothfall 
bewaffnet der Sultan seine Unterthanen, soweit der ihm zur Ver- 
fügung stehende Vorrath an Gewehren reicht. Der neue Sultan Fnmo 
Bakari, Neffe und Schwiegersohn des im Januar 1889 verstorbenen 
Achmed ist friedliebend und ein umsichtiger Geschäftsmann, der sich 
durch llandelsunternehmungen ein verhältnissmässig sehr bedeutendes 
Vermögen erworben hat; auch verfügt er über eine grosse Anzahl von 

16 * 


Digitized by Google 



“244 


Die deutschen Kolonien. 


Sklaven; er ist bei seinen Unterthanen und auch bei den anwohnenden 
Stämmen nicht ohne Ansehen. Von den Unterthanen wurde Achmed 
nicht als „Sultan“, sondern nnr als „Bana inknba“, grosser Häupt- 
ling, bezeichnet. Seinen Wohnsitz hatte Achmed in der un- 
gefähr 2000 Einwohner zählenden, ganz im Urwalde belegenen 
Stadt Witu. von der dann das gesammte, von ihm beanspruchte, 
resp. ihm jetzt zugesprochene Gebiet den Namen erhalten hat. Auch 
der neue Sultan residirt in Witu. Dr. Sern au. 


Kaiser-Wilhelmsland und der Bismarck-Archipel. 

Die Samoavorlage war zwar im April 1880 im Reichstage ge- 
fallen, aber die Freunde deutscher Kolonisation in der Südsee Hessen 
sich dadurch nicht abschrecken, sondern bildeten ein Konsortium, an 
dessen Spitze der Geh. Kommerzienrath v. Hansemann stand, um die 
aussichtsreichen Gebiete in der Südsee dem deutschen Handel noch 
mehr, als bisher schon durch die Unternehmungen der Deutschen 
Handels- und Flantagengesellschaft und der Firma Robert Herns- 
heim & Co. geschehen war. zu erschlossen. 

Nach den erforderlichen Vorbereitungen erachteten sie im Sommer 
1884 den Zeitpunkt gekommen, die praktische Thätigkeit wieder 
aufzunehmen, nachdem inzwischen die deutsche Regierung in Folge 
von Klagen der deutschen Handelshäuser in der Südsee über Gewalt- 
tätigkeiten australischer Schiffe bei der Anwerbung von Arbeitern 
(labour trade) ein Kriegsschiff und einen Konsularbeamten als Kom- 
missar nach Matnpi in der Blauchebai gesendet hatte. Sie erwarben 
in Sydney ein Dampfschiff' „Samoa“ und beauftragten den durch 
seine Reisen in der Südsee bereits bekannten Dr. Otto Finsch mit 
einer näheren Erforschung der Küste von Neu-Britannien und Neu- 
irland, sowie der Nord- und Ostküste von Neu-Guinea sowie mit der 
Inbesitznahme des Landes. Zu diesem Zwecke hat Dr. Finsch auf 
der vom Kapitän Dallmann geführten „Samoa“ von Anfang Sep- 
tember 1884 bis Juni 1885 fünf Reisen ausgeführt, auf welchen 
eine Reihe guter Häfen entdeckt, grosse Landstrecken erworben und 
in Besitz genommen und mit den Eigeborenen Beziehungen ange- 
knüpft wurden. Die deutschen Kriegsschiffe „Hyäne“ und „Elisa- 
beth“ besuchten demnächst die Küsten und nahmen das Land unter 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


245 


die Hoheit des Deutschen Reichs, indem sie an verschiedenen Pnukten 
die deutsche Flagge hissten. 

Dieses energische Vorgehen hatte die Aufmerksamkeit der 
australischen Kolonien erregt, welche bald einer hochgradigen poli- 
tischen Erregung Platz machte, da man in Australien prätendirte. 
auf Neu-Guinea und seine Inselwelt ausschliesslich berechtigt zu 
sein. Die englische Regierung, welche frühere, von Queensland aus 
eigenmächtig unternommene Versuche, die englische Herrschaft über 
Neu-Guinea zu erklären, nicht ratilizirt hatte, sah sich genöthigt. 
dem heftigen Verlangen der australischen Kolonien nachzngeben und 
mit der Okkupation von Neu-Guinea ihrerseits vorzngehen. Die 
daraus entstandene Kollision mit deu deutschen Besitznahmen droh- 
ten eine Zeit lang zu einem ernsten Zerwürfnisse zu führen; indessen 
fand unter den beiden Regierungen eine Verständigung statt, welche 
in einer unterm 6. April 1885 vollzogenen Erklärung, betreffend die 
Abgrenzung der deutschen und englischen Machtsphären im west- 
lichen Stillen Ozean, ihren Abschluss fand. Die danach bestimmte 
Demarkationslinie verläuft zwischen dem 8<> südlicher Breite und dem 
15° nördlicher Breite und dem 154° und 173° östlicher Lauge von 
Greenwich; sie brachte von Neu-Guinea und dem Archipel von Nen- 
Britaunien die Theile unter deutsche Herrschaft, welche in dem unten 
folgenden Schutzbriefe näher angegeben sind. Ausserdem kam am 
8- April 1885 eiu weiteres Uebereinkommen mit England zu Stande, 
welches den beiderseitigen Staatsangehörigen in dem durch die 
Erklärung vom 6. April bezeichneten Gebiet im westlichen Stillen 
Ozean Handels- und Verkehrsfreiheit gegenseitig zusicherte. 

Nachdem dies geschehen, erhielt das Konsortium, welches sich 
inzwischen unter dem Namen Ncu-Guinea-Kompagnie als Korporation 
mit den Rechten einer juristischen Person konstituirt hatte, auf sein 
Ansuchen unterm 17. Mai 1885 von des Kaisers Majestät einen 
Schutzbrief, welcher wie folgt, lautet: 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser. König von Preussen et<\ 
thun kund und fügen hiermit zu wissen: 

Nachdem Wir im August 1884 einer Gemeinschaft von Reicbsangehörigen, 
welche inzwischen den Namen .Ncu-Guinea-Kompagnie* angenommen hat, für ein 
von derselben eingeleitetes Kolonialuntemebmen auf Inselgebieten im westlichen 
Theile der Südsee, welche nicht unter der Oberhoheit einer anderen Macht stehen. 
Unseren Schutz verheissen batten: nachdem die Kompagnie durch eine von ihr 
ausgerüstete Expedition in jenen Gebieten unter der Kontrole Unseres dortigen 
Kommissars Häfen und Küstenstrecken zum Zwecke der Kultur und zur Errichtung 
von Handelsniederlassungen erworben und in Besitz genommen hat, und demnächst 


Digitized by Google 



246 


Die deutschen Kolonien. 


auf Unseren Befehl diese Gebiete durch Unsere Kriegsschiffe unter Unseren Schutz 
gestellt worden sind: nachdem die beiden deutschen Handelshäuser, welche in 
einem Theile jener Gebiete schon früher Faktoreien errichtet und Grundeigenthum 
erworben hatten, der Kompagnie beigetreten sind, und nachdem die Kompagnie, 
rechtlich vertreten durch Unseren Geheimen Kommerzienrath Adolph v Hansemann, 
nunmehr angezeigt hat, dass sie es übernehme, die zur Förderung des Handels und 
der wirtschaftlichen Nutzbarmachung des Grund und Bodens, sowie zur Herstellung 
und Befestigung eines friedlichen Verkehrs mit den Eingeborenen und zu deren 
Zivilisirung dienlichen staatlichen Einrichtungen in dem Schutzgebiete auf ihre 
Kosten zu treffen und zu erhalten, auch damit den Antrag verbunden hat, dass ihr 
zur Erreichung dieses Zweckes durch einen kaiserlichen Schutzbrief das Recht zur 
Ausübung laudeshoheitlicher Befugnisse unter Unserer Oberhoheit zugleich mit dem 
ausschliesslichen Recht, unter der Oberaufsicht Unserer Regierung herrenloses Land 
in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen und Verträge mit den Eingeborenen 
über Land und Grundberechtigungen abzuschliessen, verliehen werden möchte: 

So bewilligen Wir der Neu-Guinea-Kompagnie diesen Unseren Schutzbrief 
und bestätigen hiermit, dass Wir über die betreffenden Gebiete die Oberhoheit 
übernommen haben. 

Diese Gebiete sind die folgenden: 

1) Der Theil des Festlandes von Neu-Guinea, welcher nicht unter englischer 
oder niederländischer Oberhoheit steht. Dieses Gebiet, welches Wir auf Antrag der 
Kompagnie „Kaiser-Wilhelmsland“ *) zu nennen gestattet haben, erstreckt sich au 
der Nordküste der Insel vom 141. Grade östlicher Länge (Greenwich) bis zu dem 
Punkte in der Nähe von Mitre Rock, wo der 8. Grad südlicher Breite die Käste 
schneidet, und wird nach Süden und Westen durch eine Linie begrenzt, welche 
zunächst dem 8. Breitengrade bis zu dem Punkte folgt, wo derselbe vom 147. Grade 
östlicher Länge durchschnitten wird, dann in einer geraden Linie zu nordwestlicher 
Richtung auf den Scbneidepunkt des 6. Grades südlicher Breite und des 144. Grades 
östlicher Länge und weiter in west-uord-westlicher Richtung auf den Schneidepunkt 
des ä. Grades südlicher Breite und des 141. Grades östlicher Länge zuläuft und 
von hier ab nach Norden diesem Längengrade folgend wieder das Meer erreicht. 

2) Die vor der Küste dieses Theiles von Neu-Guinea liegenden Inseln, sowie 
die Inseln des Archipels, welcher bisher als der von Neu-Britannien bezeichnet 
worden ist und auf Antrag der Kompagnie mit Unserer Ermächtigung den Namen 
.Bismarck-Archipel“ tragen soll, und alle anderen noidöstlich von Neu-Guinea 
zwischen dem Aequator und dem 8. Grade südlicher Breite und zwischein dem 141. 
und 154. Grade östlicher Länge liegenden Inseln. 

Ingleichen verleihen Wir der besagten Kompagnie gegen die Verpflichtung, 
die von ihr übernommenen staatlichen Einrichtungen zu treffen und zu erhalten, 
auch die Kosten für eine ausreichende Rechtspflege zu bestreiten, hiermit die ent- 
sprechenden Rechte der Landeshoheit, zugleich mit dem ausschliesslichen Recht, in 
dem Schutzgebiet herrenloses Land in Besitz zu nehmen und darüber zu verfügen 

’) Kaiser Wilhelm gestattete am 30. November 1885, dass dem auf der Oa- 
zellen-Halbinsel gelegenen Mont Beautemps-Beaupre der Name „Varzin-Berg“ bei- 
gelegt und dass die Insel Neu-lrland von jetzt ab „Neu-Mecklenburg“, die Duke-of- 
York-Gnippe „Neu-Lauenburg-Gruppe“ und die Insel Neu-Britannia „Neu- Pommern“ 
genannt werden sollte. Die Admiralitätsinsel hat ihren Namen behalten. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


247 


und Vertrüge mit den Eingeborenen über Land und Grundberechtigungen abzu- 
scbliessen, dies alles unter der Oberaufsicht Unserer Regierung, welche die zur 
Wahrung früherer wohlerworbener Eigenthumsrechte und zum Schutz der Einge- 
borenen erforderlichen Bestimmungen erlassen wird. 

Die Ordnung der Rechtspflege sowie die Regelung und Leitung der Bezie- 
hungen zwischen dem Schutzgbebiete und den fremden Regierungen bleiben Unserer 
Regierung Vorbehalten. 

Wir verheissen und befehlen hiermit, dass Unsere Beamten und Offiziere 
durch Schutz und Unterstützung der Gesellschaft und ihrer Beamten in allen gesetz- 
lichen Dingen diesen Unseren Scbutzbrief zur Ausführung bringen werden. 

Diesen Unseren Kaiserlichen Schutzbrief gewähren wir der Neu-Guinea-Kom- 
pagnie unter der Bedingung, dass dieselbe bis spätestens ein Jahr vom heutigen 
Tage ab ihre rechtlichen Verhältnisse nach Maassgabe der deutschen Gesetze ordnet, 
dass die Mitglieder ihres Vorstandes, oder der sonst mit der Leitung betrauten 
Personen Angehörige des Deutschon Reiches sind unter dem Vorbehalt späterer 
Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes und der von der in Ausübung Unserer 
Oberhoheit über das Schutzgebiet ferner zu treffenden Anordnungen, zu deren Be- 
folgung die Kompagnie bei Verlust des Anspruchs auf Unseren Schutz verpflichtet ist. 

Zu Urkund dessen haben Wir diesen Unseren Schutzbrief Hüchsteigcnhändig 
vollzogen und mit Unserem kaiserlichen Insiegel versehen lassen. 

Gegeben Berlin, den 17. Mai 1885. 

(L. S.) Wilhelm 

;ggz.) von Bismarck. 

Nach der „Erklärung“ vom 6. April 1883 fielen in den deutschen 
Machtbereich die nördlichen Inseln der Salomogruppe , von denen 
Bougainville, mit der Insel Buka, Choiseul und Isabel die wichtigsten 
sind. Auch für sie erhielt die Neu -Guinea- Kompagnie unterm 
13. November 1886 einen Schntzbrief mit den Rechten und 
Pflichten desjenigen vom 17. Mai 1885. Die Fläche des Land- 
gebietes, welches innerhalb des 141.° und 160.° östlicher Länge 
und zwischen dem Aequator und dem 8 ° südlicher Breite liegt, 
ist überschläglich für den deutschen Theil in Neu -Guinea auf 
179000 qkm, für den Bismarck-Archipel und die dazu gerechneten 
grösseren und kleineren Inseln (etwa 200, von denen die Mehrzahl 
der näheren geographischen Bestimmungen noch harrt) auf 52000qkm. 
für die deutschen Inseln der wenig bekannten, fruchtbaren Salomo- 
Gruppe auf etwa 18—19000 qkm berechnet, so dass sich die 
Gesammtfläche auf rund 250 000 qkm oder 4464 geographische 
Quadratmeilen stellt, gleich etwa 46 % der Grundfläche des 
deutschen Reichs. Die Neu-Guinea-Kompanie hat laut Statuten den 
Zweck : 

1. die ihr durch den gedachten kaiserlichen Schutzhrief unter 
der Oberhoheit Seiner Majestät übertragenen Rechte der Landeshoheit 


Digitized by Google 



248 


Die deutschen Kolonien. 


anszuüben und die dazu erforderlichen staatlichen Einrichtungen zu 
treffen nnd zn erhalten : 

2. kraft des ihr vorbehaltlich der Oberaufsicht der Kaiserlichen 
Regierung verliehenen ausschliesslichen Rechtes, herrenloses Land in 
Besitz zu nehmen nnd Verträge mit den Eingeborenen über Land 
und Grnndbereehtigungen abzuschliessen, auch die Ländereien und 
Grundbereehtieungen der Kompagnie einschliesslich der unterirdischen 
Bodenschätze zu verwerthen; 

3. der Ansiedelung uud dem Verkehr im Schutzgebiet den Weg 
zu bahnen; 

4 . Bodenanbau. Handel und Gewerbe anf eigene Rechnung zu 
betreiben, jedoch nur soweit, wie dies zur Entwickelung des Unter- 
nehmens oder zur Anregung nnd Förderung privater Unternehmungen 
dienlich erachtet wird. 

Wir wollen hier nicht näher anf die Finanzirung der Gesell- 
schaft eingehen. welche durch die Beihülfe von kapitalkräftigen 
Finanzinstitnten schnell vor sich ging, nnd nur mittheilen, dass 
die Zahl der beitragspflichtigen Anthcile aus 1600 besteht und dass 
für die Zahlung der eingeforderten Beiträge die beitragspflichtigen 
Mitglieder bis zur Höhe von 5000 Mark auf jeden Antheil unbedingt 
haftbar sind. Die Direktion besteht aus 10 Mitgliedern, deren Vor- 
sitzender Geh. Kommerzienrath v. Hansemann ist, der erste Stell- 
vertreter ist der Staatssekretär a. D. Herzog, zweiter Stellvertreter 
Generalkonsul Rüssel; geschäftsführende Mitglieder sind Baurath Lent 
und A. v. Siemens. 

Die Kompagnie, welcher am 29. März 1886 die Rechte der 
juristischen Persönlichkeit verliehen wurden, ging in Ansübung ihrer 
landesherrlichen Pflichten sofort an die Aufgabe, die Verwaltung zu 
organisiren. Als oberster Bevollmächtigter und rechtlicher Vertreter 
der Kompagnie wurde ein Landeshauptmann mit dem Amtssitz in 
Finschhafen bestellt. Er übt die obere Leitung der gesummten ört- 
lichen Verwaltung und ist als höchster Beamter der Kompagnie Vor- 
gesetzter aller im überseeischen Dienst derselben Angestellten, in erster 
Linie der Stationsvorsteher. Im Berichtsjahr trat der zuerst dazu be- 
rufene Vize-Admiral Freiherr v. Schleinitz von der Leitung zurück und 
an Stelle desselben übernahm der Geheime Ober-Postrath Kraetke am 
1. März die Leitung der Geschäfte des Landeshauptmannes. Zur Bear- 
beitung der Finanzsachen und technischen Angelegenheiten sind dem 
Landeshauptmann einige Hülfsbeamte und ein Bauverständiger beige- 
geben. Den Stationsvorstehem liegt die ökonomische nnd administrative 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


•249 


Leitung der Haupt- uud Nebenstationen, sowie die Wahrnehmung 
staatlicher Funktionen ob, welche ihnen übertragen wurden, wie der 
Polizei- und richterlichen Hülfsbeamten, der Standesbeamten, iu der 
späteren Entwickelung auch der Steuer- uud Zollbeamten. Für die 
Kassen- und Lagerverwaltung und zur sonstigen Hülfsleistung, nöthi- 
geufalls auch zur Vertretung, sind den Vorstehern der Haupt Stationen 
Assistenten, zur Verrichtung der Handarbeiten iu der Kegel ein Zimmer- 
mann. ein Gärtner und ein Seemann, sowie eine Anzahl farbiger Ar- 
beiter unterstellt. Zur Vorbereitung der Landverkäufe an Ansiedler 
sowie zur Sicherung der von der Kompagnie kraft ihres Vorrechtes 
in Besitz zu nehmenden Landes sind ferner einige Landmesser uus- 
gesendet und mit den erforderlichen Instrumenten ausgerüstet. Ferner 
ist ein Arzt in Finschhafen stationirt nnd ein Kaiserlicher Richter, 
Assessor Schmiele, in Kerawara im Bismarck -Archipel, nachdem er 
zeitweilig in Matupi untergebracht war. Fenier sind Seemauus- 
ämter in Finschhafen und Kerawara eingerichtet worden, deren Ge- 
schäfte von Beamten derKompagnie wahrgenominen werden, und ist eine 
Schutztruppe gebildet, welche von einem Offizier, Lieutenant a. D. 
Steinhäuser, und zwei Unteroflizieren befehligt wird. Die Zahl der 
Beamten, Handwerker uud sonstigen Angestellten, welche in fester 
Besoldung stehen, betrug im Berichtsjahr ßO, die der Schiffsleute 74. 
Auf der Zentralstation Finschhafen befanden sich im Sommer ausser 
dem Landeshauptmann Kraetke. Postinspektor Ewerlien, Referendar 
Jordan, Dr. med. v. Lukowicz, Standesbeamter und Vorsteher des 
Seemannsamtes Dr. Hindorf, Schmidt-Ernsthausen. Verwalter der 
Postagentnr. Auf der Station Konstantinhafen: Stationsvorsteher 
Kubary. auf Hatzfeldthafen: Stationsvorsteher Schollenbruch, auf 
der Nebenstation Butan eng: Stationsvorsteher Dr. Marnow, auf der 
im August 1888 eingerichteten Pllanznugsstation Stephansort: 
Stationsvorsteher Hermes. Im Bismarck -Archipel auf Station Kera- 
wara: Stationsvorsteher Joachim Graf v. Pfeil, Verwalter der Post- 
agentur B. v. Mengden, Kaiserlicher Richter Gerichtsassessor E. W. 
Schmiele, Justiz -Aktuar Gerichtsschreiber 0. Hering, Gerichtsvoll- 
zieher H. Langmaak. — 

Die Führung der Schiffe hatten von: Dampfschiff Samoa. 
Kapitän A. Hücker; Dampfschiff Ottilie, Kapitän Sechstroh; Dampf- 
schiff Ysabel, Kapitän E. Dalimann; Bark Florence Danvers, interm. 
Kapitän Fossgrcen; Bark Esmeralda, interm. Kapitän Weller. 

Wir geben diese Einzelheiten, um zu zeigen, einen wie be- 
deutenden Apparat die Gesellschaft aufzuwenden hat, um den 


Digitized by Google 



250 


Die deutschen Kolonien. 


an sie durch den Schutzbrief gestellten Anforderungen gerecht zu 
werden. 

Als die Kompagnie die Verwaltung übernahm, war Nen-Gninea nur 
erst an einigen Punkten der Küste erforscht und es wurde deshalb eine 
besondere Forschnngsexpedition ausgerüstet, nachdem Dr. Finsch nach 
Europa zurückgekehrt war, welche aus dem Astronomen Dr. Schräder 
aus Hamburg als Leiter, dem Botaniker und landwirtschaftlichen 
Techniker Dr. Hollrnng aus Dresden und dem Geologen Dr. Schneider 
aus Berlin bestehend, und im April 1886 in Finschhafen anlangte. Sie 
sollte zunächst in Kaiser-Wilhelmsland von der Küste aus womöglich 
bis an die Grenze des englischen Gebietes Vordringen und auf anderem 
Wege zur Küste zurückkehren, aber der Versuch gelang nicht wegen 
Mangel an passenden Trägern. Die Expedition beschränkte sich 
darauf, das Küstenland oberhalb Finschhafen, die Umgebung von 
Konstantinhafen und Hatzfeldthafen und einige andere Punkte zu 
erforschen und besuchte im Juni 1887 den von Dr. Finsch entdeckten 
Kaiserin-Augusta-Flnss. Es gelang ihr bis zum 141° 48' östlicher 
Länge vorzudringen und die Schifffahrt des Flusses auf etwa 200 
Seemeilen (für Schiffe mit 9 Fuss Tiefgang) festzustellen. 1 ) Ausserdem 
hatte der Landeshauptmann Freiherr v. Schleinitz die Erforschung der 
Küste sich angelegen sein lassen und die Nord- und Südküste von 
Neu-Pommern befahren, wobei zahlreiche Häfen, schiffbare Flüsse 
und grosse Strecken fruchtbaren Landes entdeckt wurden. Hugo 
Zöller machte im Sommer von Konstantinhafen aus eine grössere 
Erforschungsreise in das Innere, erreichte die Höhe der Finisterre- 
Gebirgskette und entdeckte zwischen dieser und der Bismarckkette 
noch ein anderes hohes Gebirge, welches nach dem Landes- 
hauptmann von Neu-Gninea den Namen Kraetke- Kette erhielt. 
Nach diesem Forscher ähnelt das Land sehr den gebirgigen Gegen- 
den Javas. Aus den Mittheilnngen dieser Forscher, besonders des 
Herrn Dr. Hollrung, lässt sich nun ungefähr ein Bild von dem Lande 
machen, welches in einen nördlichen ebenen und einen südlichen, 
gebirgigen Theil zerfällt. 3 ) 

Letzterer ist ein grosser Ausläufer des langen Gebirgsrückens, 
welcher sich gleich einem Rückgrat aus der Nordwestspitze der Insel 
in ziemlich gerader Richtung nach der Südostspitze zieht. Dieser 

') Auch der Ottilienfluss und der Markhamfluss haben sich auf längere Strecken 
als fahrbar erwiesen, viele andere Wasserwege harren noch der Untersuchung. 

*) llittheilungen der deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde in 
Tokio. 40 Heft. Aaher & Co., Berlin. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


251 


Ausläufer, welcher eine grosse Anzahl Seitenzweige nach Nord und 
Süd schickt, endet an der Astrolabebai in unmittelbarer Nähe der 
Küste. Alle Gebirgszüge in Kaiser-Wilhelmsland sind ausserordent- 
lich stark zergliedert. Die einzelnen Bergrücken schieben sich bald 
knlissenartig hintereinander, bald folgen sie treppeuartig aufeinander 
mit einer tiefen Einsenkung zwischen jeder Stufe, meist ziehen sie 
aber ohne jede erkennbare Anordnung in das Innere hinein. Die 
Einschnitte zwischen den Zügen sind tief, schlnchtenartig, und Ge- 
birgsthäler mit geräumiger Thalsohle sind nicht häufig, die Abhänge 
der Berge und Rücken leiden namentlich im Süden unter einer allzu- 
grossen Steilheit, im Norden tritt der Hauptstock sehr zurück, 
weshalb die Bergrücken daselbst niedriger und flacher als im 
Süden sind. 

Entsprechend der Theilung des Landes in einen nördlichen 
Hachen und südlichen gebirgigen Theil ist die Bildung der Flüsse. 
Enges Flussbett, starker Fall, steiniges Bett, verhältnissmässig kurzer 
Lauf ist für die Flüsse im Süden charakteristisch. F ür deu Schiffs-, 
gelegentlich sogar für den Bootsverkehr nach dem Innern sind sie 
untauglich, eignen sich aber hier und da zum HolzHössen. Im 
Norden giebt es eine Reihe grösserer Ströme, welche tief in das 
Land hineingehen, geringes Gefälle besitzen, weit in das Innere 
hinein für grosse Dampfer befahrbar sind und daher die natürlichen 
Wege in das nördliche Innere bilden. Der grösste ist der Kaiserin- 
Augusta-Fluss, welcher zweimal von der wissenschaftlichen Expedi- 
tion bis auf 50 Seemeilen (93 km) Entfernung von der holländischen- 
deutschen Grenze verfolgt wurde. Seine Qnelle, welche auf hol- 
ländischem Gebiet zu liegen scheint, ist bis jetzt noch nicht erreicht 
worden. 

Das Klima ist ein ausgesprochen tropisches und besitzt alle die 
bekannten Attribute desselben, welche jedoch sowohl durch die in- 
sulare Lage des Landes an sich schon, als auch durch die Lage der 
Insel in allernächster Nachbarschaft der Südsee eine vortheilhafte 
Modifikation erfahren. 1 ) Die Hitze ist eine gleichmässige und feuchte. 

') Nach den vorliegenden Berichten hat sich der Gesundheitszustand auf den 
Stationen in Kaiser-Wilhelmsland und im Bismarck-Archipel während des Be- 
rie.htsjahres im Allgemeinen günstig gestellt. Es gif* dies insbesonders in Bezug 
auf die vorherrschende Krankheit, das Malarialieber, ln Finsehhafen, das ihm bisher 
am meisten ausgesetzt zu sein schien, sind in der ersten Uälfte des Jahres keine 
schweren Fälle vorgekommen, in den übrigen Stationen überhaupt nur wenige und 
nicht erhebliche Erkrankungen. In Finsehhafen scheint die sorgfältigere Behand- 
lung der Wohnungen , sowie die Errichtung zweier Krankenhäuser günstigen 


Digitized by Google 



252 


Die deutschen Kolonie». 


in den Küsteugegenden durchschnittlich *27° C. Nach tien Bergen 
hin nimmt die Temperatur rasch all. Als höchste Temperatur wurde 
während der 2jährigen Beobachtungen auf den 3 Köstenstationen 
33,5° C., als niedrigste 22,5° beobachtet. Es wird aus dieser Au- 
gabe ersichtlich, dass einmal die Schwankungen der Temperatur sehr 
geringe sind, und sodann das Maximum der Temperatur keineswegs 
so sehr hoeh ist, wie man auf Grund der Lage des Landes gemeinhin 
auzunehmen geneigt ist. So weist, beispielsweise, das unter 36° 
n. Br. belegene Yokohama und das auf 37° s. Br. befindliche Mel- 
bourne viel grössere Maxima auf. Ersteres nämlich 35,5°, Letzteres 
sogar 44» C. Kaiser-Wilhelmsland verdankt diese günstigen Wärme- 
verhältnisse den kühlen Winden, welche mit grosser Regelmässigkeit 
das ganze Jahr hindurch wehen und die, sowohl der Südost- als der 
Nordwestpassat, in voller Frische, durch keine vorgelagerten Land- 
masseu geschwächt und verdorben auf Kaiser-Wilhelmsland herab- 
wehen. Der Regen fällt sehr reichlich, besonders stark am Fnsse 
des Finisterregebirges, nahe der Astrolabcbai. Bestimmte Regeu- 
perioden haben noch nicht erkannt werden können. Die atmo- 
sphärischen Niederschläge erscheinen zum Theil in Form von Gewitter- 
regen, die damit verbundenen Blitzerscheinungen sind weder besonders 
starke noch zahlreiche, und jedenfalls mit den wegen ihrer Heftig- 
keit genugsam bekannten Gewittern des tropischen Afrika nicht zu 
vergleichen. Erdbeben treten ziemlich häufig auf. 

ln geologischer Hinsicht ist die Kenntniss eine noch sehr ge- 
ringe. Auf eine korallinische Küstenzone folgt ein vulkanisches 
Innere, das, nach den von den Flüssen nach der Küste hiu gewälzten 
Gesteinsgeröllen zu urtheileu, nahezu alle der bekannten Formationen 
enthält; aber von allen denjenigen geologischen Verhältnissen, auf 
Grund deren es möglich wäre, Schlüsse auf das Vorkommen gewisser 
werthvoller Mineralstoffe zu ziehen, wissen wir noch äusserst wenig. 
Es ist denn auch noch nicht gelungen, Gold, Silber, Zinn, Kohle 
oder andere werthvolle Mineralien zu finden. Da man jedoch in 
dem benachbarten Englisch-Neu-Guinea nahe dem Owen-Stanley-Berg 

Einfluss geübt zu haben. Alle Berichterstatter stimme» darin überein, dass das 
Klima tür Tropengegenden günstig sei, und dass der Europäer es ertragen kan». 
Ob er aber körperlich anstrengende Arbeiten wird macheu können, ist noch eine offene 
Krage. Während es einerseits für möglich gehalten wird, dass Nordeuropier den 
Tag über im Freien körperlich arbeiten, nenn sie angemessen wohnen, sich gehörig 
nähreu, und zur Zeit des höchsten Sonnenstandes sich schützen, wird andererseits 
die Frage zum Theil verneiut. 


Digitized by Google 



Die deutscheu Kolonien. 


253 


goldführenden Boden aufgefuuden hat, so ist die Wahrscheinlichkeit 
gross, dass goldführendes Land sich auch in Kaiser-Wilhelmsland be- 
findet. Um auch die Nachforschung nach unterirdischen Boden- 
schätzen wieder aufzunehmen, ist ein deutscher Bergingenieur in den 
Dienst der Kompagnie genommen. 

Dem Zoologen fällt die grosse Armuth au Thieren, namentlich an 
Vierfüssern, auf. Unter den Säugethieren ist das Wildschwein das 
grösste, es fehlen vollständig der Tiger und Leopard, welche im benach- 
barten Java auftreten, derElephant von Borneo, das Rhinozeros von eben 
daher, der Affe, der Hirsch und der kleine wilde Büffel, welche noch 
in dem nahe gelegenen Celebes Vorkommen. Nebst dem Wildschwein 
ist in Kaiser-Wilhelmsland aus der Reihe der Säugethiere noch der 
lliegende Hund, das Wallabi, der Cuscu-», eine opossumähnliche Beu- 
telratte und eine kleine Buschratte vertreten. Ausserdem besitzen 
die Eingeborenen noch kleine Hunde, welche aber nie wild auftreten, 
sondern von den Papuas für ihre kulinarischen Zwecke gezüchtet 
werden. Sehr zahlreich sind die Vogelarfen. Als sehr charakte- 
ristisch ist einerseits das Vorkommen der auf Neu-Guinea beschränk- 
ten Paradiesvögel, andererseits das des Casuars, welcher sonst nur 
noch von Australien bekannt ist, hervorzuhebon. Ferner sind noch 
die Krontaube (Goura coronata) von der Grösse einer Gans, der 
Nashornvogel (Buceros), die ungezählten Papageien-, Kakadu- und 
Taubenarten, der kleine Cicinnurns mit rothsammtenem Federkleid, 
die langgeschwänzte himmelblaue Tanisiptera, der farbenprächtige 
Dipbyllodes, die schwarze Knte, der weisse Reiher, der Taucher, zu 
zu erwähnen. Von Reptilien giebt es Krokodile in den Müudungen 
rnhigfliessender Bäche und Flüsse und namentlich an den Ufern des 
Kaiseriu-Augustaflnsses, Seeschildkröten bis zu 1 Vs Meter Länge und 
Schlangen, deren grösste etwa 3 Meter lang ist. Vergiftungsfftlle 
durch Schlangen sind im Gegensatz zum benachbarten Australien 
noch nicht bekannt geworden. Der Fischreichthum der Flüsse und 
der Meeresküsten ist ein sehr bedeutender und bildet für Fluss- uud 
Meeresanwohner einen Huupttlieil der auimalisehcn Nahrung. Die 
niedere Thierwelt ist sehr zahlreich vorhanden, ohne indessen hiu- 
si'-htlich des Formeureichthnms an das tropische Amerika hiuanzu- 
roichen. 

In botanischer Beziehung ist Kaiser-Wilhelmsland ausserordent- 
lich reich ausgestattet; die Pflanzenwelt ist eine wahrhaft tropisch 
üppige, vielleicht zu üppige. Sowohl hinsichtlich der einzelnen Be- 
standtheile, als auch durch die Art und Weise, wie letztere zusam- 


Digitized by Google 



254 


Die deutschen Kolonien. 


mengestellt erscheinen, ist die Vegetation vielfach verschieden von 
der benachbarten australischen. Dem Wald fehlen die Nadelhölzer 
vollständig, er wird ausschliesslich aus Laubhölzern gebildet, unter 
denen wieder die dicotyledonischen Bäume im Grossen und Ganzeu 
vorherrschen. Kokospalmenhaine, kleine Wälder von Pandanus, der 
niedlichen Fächerpalrae Licuala und der schlanken Euterpe sind ini 
Norden häufiger als im Süden. Eine weitere Eigentümlichkeit des 
Waldes ist der Mangel wirklicher Bestände einer Baumgattung, was 
recht unbequem in das Gewicht fällt, wenn es gilt, eine bestimmte 
Holzsorte zu schlagen. Die Stämme sind meist gerade gewachsen 
und mitunter von staunenswerter Höhe und Dicke; zahlreiche 
Schmarotzer, wie ßaphidophora, Pothos, einige Baumorchideen, Farru- 
kräuter (Platyecrium, besonders schön) und die Mistel bedecken zum 
Theil die Stämme mit einer letztere oft vollständig verhüllenden 
Ernste, oder halten sich in den reich belaubten Baumkronen auf. 
Dazu tritt eine grosse Reihe von schlingenden, kletternden und win- 
denden Gewächsen, welche in allen nur erdenklichen Formen, von 
der Bindfaden- bis zur Korkziehergestalt, und in allen möglichen 
Anordnungen, bald am Boden sich hinwälzend, bald an den Stämmen 
der Bäume emporkletternd, bald in schön geschwungenem Bogen von 
Ast zu Ast, von Baum zu Baum sich biegend, bald wie ein Kletter- 
tau aus der Baumkrone auf den Boden herabreichend, vorzufiuden 
sind. Das Unterholz in den Wäldern ist meist sehr gering, da die 
dichte Belaubung ihm Licht und Luft raubt. Der Boden der Wälder 
ist kahl, ohne Grasbedeckung. Die Grasebene hat ihren Hauptver- 
breitungsbezirk in der Tiefebeue, sie verschwindet gegen die Berge 
hin und ist über einer Höhe von 1000 Metern wohl nur selten noch 
zu finden. Das Sagodickicht tritt verhältnissmässig stark auf, da es 
einen mehr oder weniger unter Wasser stehenden Boden voraussetzt. 
Diese Bedingungen bieten z. B. die sehr häufig überschwemmten Ufer 
des Kaiserin-Augustaflusses nahe bei der Mündung, weshalb dort 
grosse Sagowälder vorhanden sind. Diese Wälder bilden ein wildes 
unentwirrbares Chaos von lebenden und umgestürzten Palmen, so- 
wie einigen grosse Feuchtigkeit liebenden Dicotyledonen. 

Die Eingeborenen, echte Papua, 1 ) in Dörfern wohnend, sind im 

*) Nachrichten über Kaiser-Wilhelmslund und über den Bismarck-Archipel 
Heft 4. 1888. ln Kommission bei Asher & Co-, Berlin. Diese Nachrichten werden 
von der Direktion herausgegeben und enthalten eine fortlaufende vortreffliche Ge- 
schichte der Entwickelung des Schutzgebietes, was sowohl die Verwaltung, als die 
Forschungen der Reisenden und Ergebnisse der Kulturen betrifft. 


Digitized by Google 



Die deutxchen Kolonien. 


255 


Allgemeinen von kräftiger, muskulöser Gestalt, mittlerer Grösse, 
ehokoladenbraoner Hautfarbe und reichem, krausem Haarwuchs. 
Durch gewisse Verschiedenheiten in der Lebensweise, Ernährung, 
Beschäftigung, in den Sitten u. s. w. haben diese Charaktere hier 
uud da leichte Modifikationen erfahren. So ist bei den Bergvölkern 
der Unterkörper besonders stark ausgebildet, während die Anwohner 
des Kaiserin Augustaflusses einen starken Oberkörper, d. h. sehr 
kräftige Brust und Arme, bei schwachen Beinen besitzen. Ara regel- 
mässigsteu gebaut sind die Küstenbewohner. Im Haarwuchs machen 
sich nur insofern Unterschiede geltend, als in einigen Gegenden 
(Halzfeldthafen, Augustafluss, Neupommern) bärtige Eingeborene auf- 
treten und das Haupthaar namentlich in Folge der ortsüblichen 
Trachten bald sehr eng geringelt und dicht, bald etwas lockerer ist. 
Die grösste Verschiedenheit weist die Gesichtsbildung der Einge- 
borenen auf. Ein entschieden semitischer Gesichtstypus ist unter 
den Eingeborenen von Hatzfeldthafen und dem oberen Augustafluss 
zu finden; mehr an javanische Gesichtsbildung erinnern wieder an- 
dere, und einige Anwohner des Sattelberges bei Finschhafen gleichen 
im Gesichtsschnitt vollständig den Australnegern. Die Augen der 
Eingeborenen liegen vollständig horizontal, die Nasenwurzel ist als 
verhältnissmässig schmal zu bezeichnen. Die Frau ist etwas kleiner 
und zierlicher gebaut als der Manu, unterscheidet sich sonst aber 
nicht auffallend vom Manne. Die Kleidung der Eingeborenen ist 
dem Klima entsprechend sehr eiufach. Am wenigsten komplizirt ist 
sie in einigen Gegenden des nordöstlichen Neu-Mecklenburg, woselbst 
Männer wie Frauen völlig nackt einhergeheu. Dagegen sind im Kaiser 
Wilhelmsland niemals unbekleidete Frauen bemerkt worden; immer 
tragen dieselben mindestens einen ans Gras hergestellten Lendenschurz. 
Ueber eine Bedeckung der Hüftengegend gehen weder die Männer 
noch die Frauen hinaus. Bedeutend mehr Aufmerksamkeit widmen 
die Eingeborenen der Ausschmückung ihres Körpers und sie verwen- 
den hierzu Armbänder, Fussriuge, dreieckig geformte Brustschmucke, 
Muscheltheilo, Stirnbänder, Nasenpflöcke, Ohrringe uud Halsketten, 
Blumen, nebst rother, gelber, schwarzer und weisser Farberde, Kokos- 
nussöl, Haarnadel und Steckkamm, kurz alle die Schmuckstücke, welche 
gleichwertig den bei unseren europäischen Damen gebräuchlichen 
Schmuckstücken sind. Die Frauen erscheinen im Allgemeinen wenig 
geschmückt. Eigentliche Waffen besitzen die Eingeborenen nur noch 
im Bogen mit dem Pfeil und dem Speer. Die Steinkeule ist jetzt 
schon sehr selten geworden. Die sogenannten Meuschenfänger sind 


Digitized by Google 



256 


l>ie deutschen Kolonien. 


im Kaiser-Wilhelmsland unbekannt. Die Arbeitsinstrumente sind sehr 
einfach und wirkungsvoll. So dient ihnen als Rasirmesscr ein Stück 
Obsidian, eine Muschelschale, ein Kaden Bambusrohr und die Flaschen- 
schcrbe. Als Filter zur Trennung des rohen Sagomehls von seinem 
Spülwasser benutzen sie das Gewebe der Kokospalme; das Auswaschen 
und Kneten des zerkleinerten Sago-Palmenmarkes nehmen sie in 
einer trogförmig zusammengebundenen Palmenblattscheide vor. Gleich 
einfach ist ihr Küchenmesser, es besteht aus einem länglichen Stück 
Bambusrohr, dem sie durch sehr geschicktes Abziehen eines Theiles 
der Gefässbündel eine gute Schneide geben. Gleich einfach verhalten 
sie sich bezüglich der Nahrung, deren Erlangung, Zubereitung und 
Verspeisung. Yam, Taro und Banane, an einigen Plätzen auch Brot- 
frucht und Sago, sind die hauptsächlichsten vegetabilischen, Schwein, 
llund nud Fisch die gebräuchlichsten animalischen Nahrungsmittel 
der Eingeborenen. Gelegentlich stillen sie ihren Appetit auch mit 
wilden Früchten, verzehren eine Schnecke, eine Schlange, den Leguan, 
einen lliegenden Hund, einen Kuskus, eine Ratte, eine Schildkröte, 
ein Huhn, alle mit gleichem Appetite. Yam, Taro, Banane und 
Zuckerrohr, sowie llund, Schwein und Huhn werden von den Ein- 
geborenen gezogen, alle übrigen Nahrungsmittel entnehmen sie der 
Natur. Die Hauptgenussraittel sind Tabak und das Betelgemisch. 
Getränke berauschender Natur sind ihnen unbekannt. In geistiger 
Beziehung stehen die Eingeboreneu von Kaiser Wilhelmsland ziem- 
lich hoch, wie die geschickte Verwendung von Naturprodukten, ihre 
Industrie und Handel, sow ie ihr Verhalten im Verkehr mit den Weissen 
bezeugt, ln industrieller Hinsicht sind namentlich die Bili-Bili-Ein- 
wohner wegen ihrer wohlgeformten gebrannten Töpfe, die Maragun- 
Leute wegen ihrer Holzschüsseln, die Rook- Insulaner wegen ihrer 
prachtvollen Geflechte mit Kaurimuschelbesatz und viele Gegenden 
des Bismarck -Archipels wegen der kunstvollen Maskenschuitzereieu 
bekannt. Von religiösen Vorstellungen kennen sie nur die Furcht 
vor einem höheren Wesen; Sonne, Mond, Sterne, Blitz und Donner 
versehen sie mit dem Beiwort „abumtau“, dem der Begriff des Grossen. 
Mächtigen innewohnt; dieselbe Bezeichnung geben sie sodann den ge- 
schnitzten menschenähnlichen Holztiguren, welche fast in jedem Hause 
anzutreffen sind, und in neuester Zeit haben sie den Begriff „abum- 
tau“ auch auf den Weissen, welcher viel Perlen, Tuch und Eisen be- 
sitzt, übertragen. Die Sprachenverschiedenheit ist sehr gross; fast 
jedes Dorf hat eine andere Sprache. Dies ist für die Erforschung 
des Landes recht hiuderlich, denn der Weisse. welcher nicht direkt 


Digitized by Google 


Die deutschen Kolonien 


257 


mit dem Eingeborenen verkehren kann, darf sicher sein, von seinem 
Dolmetscher hintergangen zu werden. Ein Zusammenhang irgend 
eines der bis jetzt ans Kaiser-Wilhelmsland bekannten Dialekte mit 
anderen Sprachen der Südsee, Australiens oder des Malayischen Ar- 
chipels hat sieh bisher noch nicht feststellen lassen, wenn auch in 
einigen der Dialekte Anklänge au das Malayische z. B. vorhanden sind. 
Eine Schrift irgend welcher Art kennen die Eingeborenen nicht, was 
immerhin angesichts ihrer Leistungen in der Schnitzkunst und in 
dem Erfinden von gefälligen Mustern auffällig erscheint. Für Ver- 
gnügungen sind die Eingeborenen äusserst zugänglich , deshalb ist der 
Tanz, sowie das Jagen nnd Fischen mit dem Speer bei ihnen äusserst 
beliebt. An den Tänzen, welche des Abends auf einem freien Platze 
mitten im Dorfe abgehalten werden, nehmen nur die Männer und er- 
wachsenen Knaben Theil, die Frauen begnügen sich mit der Rolle 
der Zuschauer. Je nach der Oertlichkeit und der Bedeutung der 
Festlichkeit erscheinen die Männer in mehr oder weniger verschieden- 
artigem oder phantastischem Schmuck. Ihr Musikinstrument ist die 
kleine Trommel. Auf dieser geben sie den Takt zu dem Gesänge 
an. welcher von einem Vorsänger augestimmt nnd von den Umstehen- 
den ausgeführt wird. Die Tänzer bilden entweder hinter einander 
gestellt einen grossen Kreis oder zwei sich gegenüberstehenden Reihen, 
zwischen denen zwei Solotänzer ihre Bewegungen ausführen. Der 
eigentliche Tanz besteht in einem eigenthümlichen Verdrehen des 
Kopfes, einem Vor- und Zurückbeugen des Oberkörpers, einer Reihe 
von Kniebeugen, sowie gelegentlichem Vor-, Rückwärts- und Seit- 
wärtsspringen. Auf die Beziehungen der Eingeborenen zu den Weissen 
werden wir später noch zu sprechen kommen. 

Die örtliche praktische Arbeit wurde durch die Errichtung von 
Stationen begonnen, von denen auf Kaiser-Wilhelmsland Finschhafen 
(5° 30' s. Br. 147° 50' ö. L.) die Zentrale ist. Die erste im Jahre 
1885 dort angelangte Expedition, welche Malayen ans Soerabaya als 
Arbeiter engagirt hatte, errichtete die ersten Gebäude auf einer kleinen 
Insel im änsseren Hafen, Madang oder Holzinsel genannt. Von der 
Insel, welche durch einen Steindamm mit dem Festlande verbunden 
wurde, ging man auf das letztere über, auf welchem im Sommer 1887 
bereits 16 Gebäude vorhanden waren, und zwar Wohnhäuser, eine 
Speiseanstalt, ein Kulihaus, Lagerhäuser, Inventarienschuppen und 
ein Hospital, ein Einwandernngshaus und weitere Lagerhäuser später 
erbaut worden sind. Ferner wurde ein geeignetes Grundstück zum 
Anbau von Gemüsen und später auch Kaffee erworben und ein Vieh- 

Jibrbuch für DeuUcbe KoloDUlpolitlk. 17 


Digitized by Google 



*258 


Die deutschen Kolonien. 


park für Rindvieh eingehegt. Bald aber zeigte sich, dass Finschhafen 
sich für ausgedehnten Piantagenbau nicht besonders eignen würde, da das 
Vorland zwischen der Küste und den in geringer Entfernung schroff auf- 
steigenden Bergen nur schmal ist und der Korallenboden nachhaltige 
Fruchtbarkeit nicht versprach. Demgemäss wird das Vorland mehr 
als vorwiegend städtische Anlage zu verwerthen sein und wurde der 
Plan zu einer solchen, welcher die Strassenzüge und die Theilung 
des Bodens in Loose vorsah, ausgelegt. 1 ) 

Diese Beschränktheit des kultivirbaren Terrains führte dazu, an 
der Langemakbucht einige Kilometer südlich, eine Nebenstation 
Butaneng anzulegen, besonders um die Lebensmittel für die farbigen 
Arbeiter zu ziehen. Die erste Niederlassung in Hatzfeldthafen 
wurde ans Gründen der Sicherheit auf einer kleinen Insel Tschirimoi 
eingerichtet, aber bald nach dem Festlande verlegt. Nach Klärung 
des Buschlandes wurde ein Versuchsfeld für Tabak angelegt, auf 
dessen Anbau man hier grosse Hoffnungen setzte. Eine voraus- 
geschickte Probe nicht fermentirter Blätter der letzten Ernte, welche 
zu Zigarren verarbeitet wurde, zeigte nach sachverständigen Gut- 
achten werthvolle Eigenschaften eines guten Deckblattes. Es wurde 
für Tabakplantagen ein ausgedehntes Terrain (etwa 600 ha) geeigneten 
Bodens und die im Jahre 1888 neu angelegte Pflanzenstation 
Stephansort an der Astrolabe-Bai bestimmt, wo eine Fläche von 
etwa 500 ha zur Verfügung stand. Die Astrolabe-Bai bildet einen 
ziemlich regelmässigen riesigen Halbkreis mit reich und schön be- 
waldeten Ufern, von denen die freundlichen weissen Gebäulichkeiten der 
Station Konstantinhafen auf der einen und der Missionsstation 
Bogadjim (siehe über die Missionsthätigkeit Seite 57) auf der anderen 
Seite weit in das Meer hinausleuchten. Zur Gründung der neuen Station 
war das Gebiet in der Nähe der Missionsstation ausgewählt. Auf der 
Station Konstantinhafen, an der gleichnamigen Bucht, ip dessen Nähe 
1870/1871 der russische, jetzt gestorbene Naturforscher Miclucho 
Maclay mehrere Monate zu wissenschaftlichen Zwecken verweilte, ist 
eine Plantage von 8*/* h Fläche mit den nöthigen Gebäulichkeiten einge- 

’) Heber die allgemeinen Bedingungen für die Ueberlassung von Grundstöcken 
u. s. w. siehe Anhang: die Preise betragen laut einer Bekanntmachung des Landes- 
hauptmann Kraetke vom Jahre 1S88 für alle Orte: 

für ein Loos von '/io ba in der inneren Stadt | 

für ein Loos von */» ba in der äusseren Stadt , zwischen 20—100 Mark. 

für ein Loos von 1 ha ländliches Gebiet ' 

Die zur Auswahl gestellten Grundstücke liegen in den Bezirken der Stationen 
Finschhafen, Konstantinhafen und Hatzfeldthafen. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


259 


richtet. Ausserdem wurde wie in Finsehbafen und anderwärts auch hier 
eine Sägeeinriehtung aufgestellt. Eine andere Station Kelaua, westlich 
vom Kap König Wilhelm, auf welcher der Anbau von Baumwolle 
und Kokosplanzungen betrieben werden sollte, ist wegen des ungeeig- 
neten Bodens wieder aufgegeben worden. 

Int Bismarck - Archipel bestanden schon längere Jahre Nieder- 
lassungen von deutschen Handelshäusern, vor allen das bekannte 
Hamburger Haus J. C. GodefTroy & Sohn, welches auf der Insel 
Mioko, die mit Neu-Lauenburg, Ulu und Utuan einen sicheren guten 
Hafen einschliesst, eine Faktorei errichtete, jetzt die Agentur der 
deutschen Handels- und Plantagen -Gesellschaft der Südsee. Diese 
Agentur unterhält 10 Handelsstationen im Archipel und beschäftigt 
mehrere Fahrzeuge zum Sammeln der Produkte. Die zweite Nieder- 
lassung der Hamburger Firma Hernsheim & Co. auf Matupi, einem 
Inselchen der Blanche -Bucht, ist ein gleich ansehnliches Etablisse- 
ment, welches 12 — 18 Nebenstationen besitzt. Die dritte Haupt- 
niederlassung bildet die Ralum-Plautation der Firma Thos Farrell 
& Co. auf der Gazelle-Halbinsel, unweit der Blanche-Bucht gelegen, 
wo ein Areal von 300 Acres (engl. Acker =1,6 Morgen) vornehm- 
lich Baumwolle, mit etwa 200 Salomo - Insulanern bewirthsc haftet 
wird. Nachstehende tabellarische Notizen geben ein ungefähres Bild 
der Handelsbewegnng im Jahre 1885, indem wir zugleich bemerken, 
dass die Export- Notizen eines einzelnen Jahres natürlich nicht 
identisch mit dem thatsächlichen Geschftftsumsatz dei einzelnen Fir- 
men ist, da die Lagerbestände am Anfänge und am Schlüsse des 
Jahres nicht in Betracht gezogen sind : 


A. Export. 


Firma 

Kopra 

Werth 

in 

Ton- ! Europa 
nen M 

Schild- 
patt, 
Perl- 
schalen 
1 ii ver.se- 

M 

Beche 

de 

mer 

.// 

Raum 
(sea 1 

Pfund 

wolle 

sland) 

Werth 

in 

Europa 

M 

Total 

M 

1. Agentur der Deutschen 
Handels- u. Plantagen- 








Gesellschaft in Mioko 
2. Hernsheim u. Co. in 

250 

75 000 

2 500 

— 

— 

— 

77 500 

Matupi 

3. Farrell u. Co. in Ra- 

800 

240 000 

7 000 

1 000 

1 

— 

248 000 

lum 

500 

150 000 

12 S00 

24 800 

21 000 

21 000 

208 600 

Total 

1550 i 

465 000 

22 300 

25 800 

21 000 

21 000 
17* 

534 100 


Digitized by Google 



260 


Die deutschen Kolonien 


B. Import. 

Tauschwaaren. Mandvorrath. Bauholz, Kohlen n. s. w. 

1. Agentur der Deutschen Handels- 
und Plantagen-Geaellschaft H 246 000. — (incl. 1200 Tonnen Kohlen). 

2. Hernsheim u. Co 296000. — ( „ 1700 „ „ ), 

3. Farrell u. Co , 145000.— ( „ 100 „ ), 

Total M 687000. — (incl. 3000 Tonnen Kohlen). 

Was den Ursprung der Waaren betrifft. so drängt der Import 
mittels direkter Segelschiffe von Deutschland denjenigen von Austra- 
lien zurück. In der That hat sich die deutsche Industrie den Markt 
in der Südsee mehr und mehr erobert (nur in einem Hauptartikel, 
bedruckten Kattunen, Prints, vermögen wir es mit Manchester nicht 
aufzunehraen) und in dieser absoluten Konkurrenzfähigkeit dürfen 
wir eine der sichersten Garantien für die Fortdauer unserer Haudels- 
suprematie erblicken. 

Im Bismarck-Archipel war zur Anlegung einer Station der Neu- 
Guinea-Kompagnie Matupi der geeignetste Ort, aber der Erwerbung 
stellten sich Schwierigkeiten entgegen. Herr v. Schleinitz wählte dann 
die kleine Insel Kerawara, die südlichste Insel der Neu-Lauenburg- 
Gruppe, wo auch eine Station errichtet wurde. Dieselbe soll wieder 
aufgegeben werden, da der Hafen für Segelschiffe schwer zugänglich 
ist und auf der Insel ausreichender Boden für umfassende Kultur- 
versuche sich nicht findet. In Neu-Pommern, wo Herr v. Schleinitz 
sehr fruchtbares Land entdeckt hatte, sollte auch mit der Anlage 
einer Kaffee- Pflanzung begonnen werden, aber eine durch einen vul- 
kanischen Ausbruch entstandene mächtige Fluthwelle überschwemmte 
die Küste und der Stationsvorsteher von Below sowie der Stations- 
beamte Hunstein fanden mit mehreren eingeborenen Arbeitern einen 
jähen Tod. 

Aus dem vorher Gesagten lässt sich schon ersehen, dass die 
Gesellschaft mit grosser Energie unter Aufwendung mehrerer Mil- 
lionen Mark an ihre Thätigkeit gegangen ist, nachdem sie sich da- 
von überzeugt hatte, dass die aufgewendeten Kosten und Mühen sich 
einst bezahlt machen würden. Das grösste Gewicht ist naturgemäss 
auf die Hebung der Bodenschätze gelegt werden. Von den Nahrungs- 
mitteln gedeihen sowohl die in den Tropen heimischen, als auch eine 
grosse Anzahl europäischer Gemüse und Bodenfrüchte. Es hat sich dabei 
gezeigt, dass das erstmalige Misslingen von Versuchen von deren Wieder- 
holung nicht abschrecken darf. So ist z. B. der mit Kartoffeln an- 
gestellte Anfangs missglückte Versuch in Finschhafen mit gutem 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


2H1 


Erfolge wieder aufgenommen worden und ebenso haben sich Gurken 
aus chinesischem Samen vorzüglich entwickelt, nachdem der euro- 
päische Samen versagt hatte. Von Handclspflauzen sind Baumwolle 
nnd Tabak mit Erfolg angebaut, die Kultur von Kaffee versucht wor- 
den. Die Frage, welche andere tropische Gewächse ausser Baum- 
wolle und Tabak auf den Bodenarten von Hatzfeldthafen und Kon- 
stantinhafen angebaut werden können, hat nach genauer Untersuchung 
der Bodenproben eine anerkannte Autorität, Herr Prof. Maercker in 
Halle, dabin beantwortet, dass nach dem Nährstoffreichthum und der 
mechanischen Beschaffenheit dieser Bodenarten er überhaupt kein 
Gewächs wüsste, welches dort nicht angebaut werden könnte, wenn 
die klimatischen Verhältnisse es zuliessen. Bedeutend ist, wie schon 
hervorgehoben, der Holzreichthum des Landes, welcher in manchen 
Gegenden, z. B. am Angusta-Fluss, leicht ansgebeutet und schon in 
Australien verwerthet werden kann, und im Bismarck-Archipel die 
Produktion der Kopra. Auch die Gewinnung des Sago, der Massoi- 
rinde, aus welcher ein ätherisches Oel gewonnen wird, der Harze, 
Phosphate auf Purdy-lsland, und an der Küste der Perlmnttersehaalen, 
des Trepang wird sich vielleicht lohnen. Wie reichhaltig das Gebiet 
an Naturprodukten ist, hat Dr. Finsch des Genaueren auseinander 
gesetzt in einer sehr erschöpfenden Arbeit, auf welche wir die Leser 
verweisen. *) 

Die Hindernisse, welche einer schnellen wirthschattlicheu Ent- 
wickelung des Schutzgebietes sich entgegenstellen, sind mehrfacher 
Natur: sie liegen nicht in den natürlichen Verhältnissen des Bodens 
oder des Klimas, sie bestehen vielmehr in der Entlegenheit des 
Schutzgebietes vom europäischen Verkehr, in dem Mangel bereiter 
und geschickter Arbeitskräfte und in der Erfüllung der Aufgaben, 
welche die der Kompagnie übertragene staatliche Verwaltung stellt. 
Zwischen Europa und dem nördlichen Australien besteht eine einzige 
regelmässige Dampfschiffs-Linie, welche von der British India Steam 
Navigation Company in London unterhalten wird und alle vier Wochen 
ein Schiff gehen lässt, welches Cooktown an der Nordostküste von 
Queensland anläuft. Von dort vermitteln die Dampfer der Gesell- 
schaft, welche wir schon erwähnt haben, den Verkehr nach Finsch- 
hafen in regelmässigen vierwöchentlichen Fahrten, was für Dampfer 
geringerer Geschwindigkeit vier bis fünf Tage in Anspruch nimmt. 
Die Beförderung von Frachten von Berlin nach Finschhafen bean- 

') Ueber Naturprodukte der westlichen Südsee, besonders der deutschen Schutz- 
gebiete. Deutsche Kolonialzeitung IV. Jahrgang. 17. Heft nnd f. 


Digitized by Google I 



262 


Die deuteeben Kolonien. 


spracht günstigen Falls 66 Tage, von Personen 56 Tage, von Briefen 
45 Tage. Die Kosten des Schiffsverkehrs sind übermässig grosse, 
da Kohlen und ein grosser Theil der Schiffsbedürfhisse aus Australien 
beschafft werden müssen, so dass die Erwägung angebracht ist, ob 
nicht eine direkte Verbindung zwischen dem Schutzgebiete und dem 
Mntterlande hergestellt zn werden verdient. Der nächste australische 
Hafen, nach welchem deutsche Dampfschiffe regelmässig fahren, 
Sydney, ist rund 2500 Seemeilen, der nächste asiatische, Singapore, 
rund 2300 Seemeilen von Finschhafen entfernt, so dass die eigenen 
Schiffe der Kompagnie einen Anschluss dort nicht suchen können. 
Sie ist der englischen Linie vollkommen überliefert, welche ihr Mo- 
nopol ausnutzt und die Güter nach Belieben liegen lässt. Sowohl 
in Hamburg, von wo die Sendungen nach London gehen, wie in 
London und Cooktowu bedarf es der Vermittelung von Agenten, 
woraus eine dreifache Belastung mit Spesen folgt. Alle Bemühungen, 
durchgehende Konossemente von Cooktown nach Hamburg zu erhal- 
ten. sind bisher wegen des entgegenstehenden Interesses der Zwisehen- 
agentnren fruchtlos gewesen. Dazu kommt, dass in England die 
Zollbehörde gegen den Transitverkehr mit wenig Rücksicht verfährt 
und demselben durch Formalitäten, in neuerer Zeit besonders aus 
Anlass des Markenschutzgesetzes, empfindliche Verzögerungen und 
Kosten verursacht. Diese Schwierigkeiten des Verkehrs schrecken 
aber auch die direkte Unternehmung von der Anlegung von Pflan- 
zungen wie von der Ansiedelung ab und lassen das deutsche Kapital 
lieber in tropischen Ländern unter fremder Herrschaft, wie in Su- 
matra, Nord-Borneo, Anlage suchen, so dass es im Interesse der Ge- 
sellschaft mit Freuden zu begrüssen wäre, wenn es sich ermöglichen 
Hesse, eine direkte Linie, vielleicht über Niederländisch-Indien, her- 
beizuführen. 

Eine andere Schwierigkeit liegt in der Arbeiterfrage, da sich 
die Eingeborenen von Kaiser-Wilhelmsland nur gelegentlich verwen- 
den lassen. Zuverlässige aushaltende Arbeiter sind sie aber nie 
gewesen. Meist kommen sie ganz plötzlich, Arbeit verlangend. Die- 
selbe wird ihnen in Akkord gegeben; die ganze Familie und Ver- 
wandtschaft arbeitet dann sehr rasch unter grossem Tumult das 
gegebene Arbeitsquantum auf, nimmt den ausbedungenen Lohn in 
Empfang und hält sich danach für lange Zeit, häufig auf Nimmer- 
wiedersehen, von der Station fern. Vielfach ist es auch vorgekom- 
men, dass sie einen zweitägigen Akkord nach dem ersten Tage ab- 
brachen. wenn ihnen nicht am Abend desselben schon der halbe Lohn 


Digitized by Google 



Oie deutschen Kolonien. 9g3 

aasbezahlt wurde. Die Erfahrung hatte jedoch gelehrt, dass die 
Eingeborenen, wenn ihnen der halbe Lohn am ersten Tage ausge- 
bändigt wurde, am nächsten Tage nicht wiederzukommen pflegten; 
deshalb wurde ihnen später um ersten Tage kein Lohn mehr gegeben, 
was nun zur Folge hatte, dass die Eingeborenen, den am ersten Tage 
verdienten Lohn im Stiche lassend, am nächsten Tage und überhaupt 
nicht wiederkamen. Auf einigen Stationen, wie auf Butaueng, kom- 
men sie aber regelmässig zur Arbeit. 

Besser schlagen die Eingebornen aus dem Bismarck-Archipel und 
von den Salomoinseln ein, die auf den Pflanzungen in Neupommern 
mit Erfolg verwendet und von der Handels- und Plantagen -Gesell- 
schaft auf den Plantagen in Samoa gebraucht werden. Auch für 
die Station in Kaiser-Wilhelmsland sind Eingeborene aus Neupommern 
und Neu-Mecklenbnrg angeworben worden und sie haben sich im 
Allgemeinen anstellig, ausdauernd und fügsam erwiesen. 

Um den mit beklagenswerten Missbräuchen verbundenen Ar- 
beiterhandel zu steuern, hat die Reichsregiernng, welcher durch den 
Kaiserlichen Schntzbrief Anordnungen zum Schutze der Eingeborenen 
Vorbehalten sind, schon im Frühjahr 1885 durch den Kaiserlichen 
Kommissar in Matupi in Verbindung mit dem Verbot der Zuführung 
von Waffen u. s. w. verbieten lassen, dass Eingeborene zur Verwen- 
dung als Arbeiter aus dem deutschen Schutzgebiet weggeführt werden, 
ausgenommen für deutsche Plantagen (in Samoa) aus denjenigen 
Theilen des Bismarck-Archipels, aus welchen dies bisher geschehen 
und auch von diesen nur unter der Kontrolle deutscher Beamten. 
Durch Polizeiverordnung des Landeshauptmanns wurde die Ueber- 
tretung dieses Verbots unter Strafe gestellt und auch auf die Salomo- 
inseln ausgedehnt. Die Anwerbung der Eingeborenen als Arbeiter 
wurde dadurch in eine festere Ordnung gebracht, dass sie durch 
Verordnung des Landeshauptmanns unter Aufsicht gestellt und die 
Einrichtung von Depots vorgesehen wurde. Dadurch wurden die 
Rekrutirungen von Eingeborenen, welche früher häutig unter schweren 
Gewalttätigkeiten ausgeführt wurden, verhütet und wurde Sicherheit 
für eine menschliche und gerechte Behandlung gewährt, welche 
auf die durch die früheren Vorgänge erbitterten Bewohner des Bismarck- 
Archipels allmählich günstig einwirken wird. Das Verhalten der 
Eingeborenen gegen die Ansiedler ist bisher zwar nicht gleichmässig, 
aber doch überwiegend friedlich gewesen. Ernstere Konflikte haben 
im Dezember 1886 im Huon-Golf und im Juli 1887 auf der Station 
Hatzfeldthafen stattgefunden. Der erstere entstand dadurch, dass 


Digitized by Google 



264 


Die deutschen Kolonien. 


ein Boot der „Samoa“, welches zu landen sieh ausehickte, mit Speer- 
würfen angegriffen wurde, was zur Abbrennung einiger Hütten Ver- 
anlassung gab. Bei Hatzfeldthafen griffen ohne erkennbare Veran- 
lassung zahlreiche Eingeborene die in der Nähe der Station liegende 
Tabakversuchsplantage an und verwundeten fünf der dort arbeitenden 
Malayen, den einen davon tödtlich. die anderen schwer. Die Be- 
strafung bestand auch hier, da die Thäter nicht zu erreichen waren, 
in der Vernichtung von Häusern und Kanoes der Siedlungen, welche 
den Angreifern gehörten, ln Hatzfeldthafen dauerte im Berichtjahr 
das unfreundliche Verhalten der beiden Dörfer Dugumor und Tschiriar 
derart fort, dass es nöthig geworden ist, die Station zu ihrem Schutze 
mit einer über das eigentliche Statiousbedürfniss weit hinausgehenden 
Zahl von Weissen zu besetzen. Auch im Bismark-Arehipel, auf der 
Gazellen-llalbinsel. in Neupommeru, wo die Eingeborenen gegen 
700 Sn iderge wehre in Besitz haben und sich ihrer zu bedienen 
wissen, ist es zu Zusammenstössen gekommen. Der Kaiserliche 
Richter Schmiele wurde nebst mehreren Begleitern auf einer Tour 
nach Fort Weber von Eingeborenen angegriffen und erst nach drei- 
tägigem fortwährenden Kampf mit den Eingeborenen gerettet. Sämmt- 
liche Mitglieder der Expedition wurden verwundet. Auch der Stations- 
vorsteher Graf J. Pfeil, der Neu-Mecklenburg in seinem südlichen 
Theile durchquert hatte, verlor durch einen Ueberfall der Einge- 
borenen einen Begleiter und sein Gepäck. Diese Vorkommnisse 
mahnen zwar zur Vorsicht, aber ernstere Ungelegenheiten werden den 
Ansiedlern kaum aus der Feindschaft der Eingeborenen erwachsen, 
da letztere in viele einzelne Stämme zersplittert sind und unter- 
einander sich fast fortwährend bekämpfen. Diese gegenseitige Feind- 
schaft ist so gross, dass z. B. in Neu-Mecklenburg zu bestimmter 
Jahreszeit verschiedene Stämme sich treffen und mehrere Tage mil 
einander kämpfen. Wer am Ende der Zeit die meisten Leute ver- 
loren hat, unterliegt. Der Sieger aber begräbt die eigenen Todten 
und verspeist die feindlichen, da Kannibalismus dort uoch vor- 
kommt. 

Wenn es der Kompagnie gelungen sein wird, die sehr thenren 
Malayen, welche übrigens aus Niederländisch-Indien nicht mehr aus- 
geführt werden dürfen, durch die übrigen eingeborenen Arbeitskräfte 
vollkommen zu ersetzen, die schnellere und billigere Verbindung mit 
Europa herznstelleu, und die grossen Kosten des Verwaltnngsappa- 
rates auf die eine oder andere Weise herabzumindern, so steht zu 
hoffen, dass auch der deutsche l’Hanzer sich mehr als bisher dorthin 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


265 


wenden werde. Es ist dies auch besonders deswegen zu wünschen, da die 
Südsee einmal später noch einen wichtigen politischen Faktor abgeben 
dürfte. Mit einigen Aenderungen mnss man das heute unterschreiben, was 
Lorenz v. Stein im Jahre 1887 schrieb: „Die grosse Südsee ist eigent- 
lich erst seit etwa zwanzig Jahren dem Völkerverkehr geöffnet, dem 
Handelsverkehr gegenüber aber beginnt sie eigentlich erst jetzt Ge- 
stalt zu gewinnen. Wir glauben nicht, dass irgend ein Volk auf 
der Karte, ja in der Volksschule so gut Bescheid weiss auf dem 
Stillen Ocean, wie das deutsche; wir haben seit etwa zwanzig Jahren 
gesehen, wie statt des deutschen Volkes die einzelnen deutschen 
Unternehmungen sich dort mit der ihnen eigenthümlichen Hartnäckig- 
keit und geschickten Behandlung ihrer „Kundschaft“ in allen Ufer- 
gebieten desselben Bahn gebrochen haben und wir wissen so gut wie 
jeder Leser, mit welcher Energie sich das politische Deutschland 
dort den unschätzbaren Besitz des Kaiser-Wilhelmslandes gewonnen 
hat. Das Handelsleben der Welt entwickelt sich auf diesem Stillen 
Meere allmählich zu Dimensionen, die in einem selbst in unserer 
Zeit gewaltigen Grade zunehmen, und wieder begegnen wir hier der 
spezifischen Thatsache, dass kühne und verständig durchge führt«' 
Unternehmungen von einzelnen deutschen Handelsfirmen zwar von 
der Regierung in ihrer Bedeutung gewürdigt und zum Thcil sogar 
kräftig unterstützt, von der grossen Gesammtheit des deutschen 
Volkes aber nicht verstanden und nur als „interessante“ Mittheilungen 
betrachtet werden. Und dennoch müssen wir hier fordern, dass neben 
der schulgerechten geographischen Kenntniss dieser ganzen maritimen 
Erdhälfte sich auch eine öffentliche Meinung über die deutschen In- 
teressen auf derselben bilde, wie die Engländer und Nordamerikaner 
sie nicht bloss empfinden, sondern auf Grundlage ihrer historischen 
Leistungen und ihrer künftigen Stellung auch bereits, und zwar 
schon jetzt gerade gegenüber Deutschland, auch zu formuliren wissen.“ 


Das Schutzgebiet der Marschall-Inseln. 

Die unter der Bezeichnung Mikronesien zusaramengefassten Gilbert- 
Inseln, Marschall-Inseln und Karolinen bilden in geographischer und 
ethnographischer Beziehung ein einheitliches Gebiet. Alle diese 
Inseln sind mit wenigen Ausnahmen niedrige oder Lagnnen-Lnseln 
mit einem Minimum bewohnbaren Landes. Auf den nördlichen 
Marschall-Inseln ist der nöthige Humus zum Anbau der in der Südsee. 


Digitized by Google 



266 


Die deutschen Kolonien. 


sonst heimischen Nährpflanzen, wie Bananen, Yams, Taro und Brod- 
früchte vorhanden. Die südlichen Inseln sind dagegen, was die Er- 
nährung der Bevölkerung anbetrifft, fast ausschliesslich auf die Kokos- 
nuss, die Frucht des Pandanusbaumes und auf den Fischfang 
angewiesen , da die Vegetation und Fauna eine ziemlich ärm- 
liche ist. 

Die Marschall-Inseln, das kleinste deutsche Schutzgebiet, etwa 
zwischen dem 15. bis 4.° n. Br. und 160. bis 175.° ö. L. ge- 
legen, umfassen über 40 kleinere Inseln, welche fast alle bewohnt 
sind. Dieselben bilden zwei, von Nordwest nach Südost parallel 
laufende Reihen, die Ralikinseln östlich und die Radakinseln westlich. 
Der Gesammtflächeninhalt beträgt etwa 1500 englische Quadratraeilen, 
die Gesammtbevölkerung wahrscheinlich gegen 10000. Die Inseln 
sind ringförmige Atolls, und korallinischen Ursprungs. Jaluit ist die 
bedeutendste und mit den besten Hafen versehene Insel ; ihre Lagune 
ist acht englische Meilen breit und 20 lang, ihre Bevölkerung be- 
ziffert sich auf etwa 1000 Seelen. (Siehe auch Seite 111.) 

Die Bewohner sind Polynesier, ein nicht hässlicher, kleiner 
Menschenschlag. Die Männer tragen das Haar gewöhnlich kurz- 
geschnitten, die F'rauen scheiteln ihr Haar in der Mitte, so dass es 
schlicht auf beide Schultern herabhängt. Die Männer sind in der 
Regel tättowirt, ausserdem schmücken sich beide Geschlechter noch 
auf mannigfache Weise. Auffallend ist der Schmuck der ausser- 
ordentlich erweiterten Ohrläppchen, in denen sie Rollen vou Schild- 
patt tragen. Das Kleid der Männer ist, wenn nicht europäische 
Kleidung getragen wird, deren Verwendung mit der Verbreitung des 
Christenthums (siehe Seite 59) zunimmt, ein aus ’/ 2 cm breiten, 
gewöhnlich weissen, zuweilen aber auch schwarzen Baststreifen zu- 
sammengesetzter Rock, welcher durch die Masse der verwendeten 
dünnen Streifen eine erhebliche Dicke und Fülle erhält. Der Rock 
ist so lang, dass er von der Taille bis zum Fussboden reicht, be- 
deckt aber, in der ortsüblichen Weise auf den Körper gelegt, unter- 
rockartig den Theil vom Magen bis zu den Knien. Die Kleidung 
der Weiber, welche nur ebensoviel bedeckt wie die der Männer, be- 
steht aus zwei schmalen Matten, von welchen eine vorn, die andere 
hinten getragen wird. Diese feingelegten weissen Matten mit ein- 
gewebten rothbraunen Figuren, gewöhnlich in Form einer breiten 
Borte um den weissen Grund, werden in einfacher Weise nur von 
oben und aussen in einen Gürtel eingesteckt so dass dieser unter 
den Matten liegt und nicht sichtbar ist. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


267 


Es besteht Vielweiberei, doch können nur solche sich diesen 
Luxus gestatten, welche mehrere Frauen ernähren können. Die 
Stellung der Frauen auf den Südseeinseln ist eine ganz eigenthüm- 
liche, denn wenn sie auch auf vielen Inseln nicht für voll angesehen 
werden, so spielen sie doch überall durch die Ehe eine hervorragende 
Rolle, ja es geht soweit, dass ein König zu Gunsten seines Sohnes 
zurücktritt, sobald dieser eine Frau heirathet, welche edleres Blut 
hat als seine Mutter. 

Wie alle Südsee-Insulaner, lieben die Eingeborenen sehr den 
Tanz, welcher durch die Gleichmässigkeit der komplizirten und 
schwierigen Figuren, sowie die tadellose Durchführung stets die uu- 
getheilteste Anerkennung der europäischen Zuschauer gefunden hat. 
„Die Darsteller treten in zwei Reihen an. Die monotone Musik be- 
ginnt, das Hin- und Herschwanken der dicken Unterröcke zeigt, dass 
die Reihen in Bewegung kommen, die Stöcke der einen Partei 
schlagen gegen die der andern und sollen wohl ein Fochten vor- 
stellen, ohne es indess zu thun. weil die Tänzer, um keinen Fehler 
zu machen, so angestrengt aufpassen müssen, dass die Verbildlichung 
der Kraft und des Kampfes diesem Spiel versagt bleibt. Die Reihen 
wandern mit tänzelndem, menuettartigem Schritt an einander vorbei, 
passiren durcheinander durch, immer die Stöcke mit dem Gegner 
kreuzend; die Bewegungen werden schneller, das Geklapper wird 
stärker, die Stöcke werden durch die Beine, über den Kopf, von 
einer Hand zur andern geworfen, vor der Brust und hinter dem 
Rücken gekreuzt; von den beiden Reihen brechen so viele ab, um 
eine dritte zu bilden und hiermit das Spiel verwickelter zu machen. 
Kein Fehler kommt vor, die ganze Gruppe bewegt sich nach dem 
Takte der Musik wie ein kunstvoll gearbeitetes Räderwerk, bückt 
sich und streckt sich, geht vor- und rückwärts, schiebt sich durch- 
einander durch, füllt wie mit einem Schlage die Zwischenräume mit 
den Armen und Stöcken aus und macht sie ebenso plötzlich wieder 
frei.“ 1 ) Die Insulaner sind auch geschickte Fischer und tüchtige 
kühne Schiffer, die sich in ihren Doppelbooten aufs Meer hinaus- 
wagen und die Fahrten nach fernen Inseln glücklich zurücklegen. 

Schon im November 1878 batte Kapitän von Werner mit der 
Ariadne die Marschall-Inseln besucht, der Hafen von Jaluit als Kohlen- 
station für Deutschland gesichert und mit dem Häuptling Lebon 
einen Freundschafts vertrag geschlossen. Bald darauf wurde in Jaluit 

') Deutsche Kolonialzeitung. No. 15. 1888. 


Digitized by 


Google 



268 


Die deutschen Kolonien. 


ein kaiserliches Konsulat errichtet und Herr Hernsheim zum Kon- 
sulatsverweser ernannt. Bei dem Abkommen, welches England und 
Deutschland im Frühjahr 1885 zur Abgrenzung ihrer Interessensphäre 
in der Südsee trafen, wurden die Marschall-Inseln nebst den Karo- 
linen dem Interessenkreise Deutschlands von England zugesprochen. 
In Folge der wiederholten Aufforderung der interessirten Kaufleute 
gab die kaiserliche Regierung bald darnach ihre Absicht zu er- 
kennen, beide Archipele unter ihr Protektorat zu stellen, aber der 
um die Karolinen entbrannte Streit mit Spanien, welchem schliesslich 
die Inselgruppe zugesprochen wurde, verzögerte die Ausführung des 
auf den Marschall-Inseln gerichteten Plaues ein wenig. 

Auf telegraphische Weisung verliess das unter dem Kommando 
des Kapitänlieutenaet Roetger stehende Kanonenboot Nautilus am 
13. September 1885 Yokohama und erreichte am 13. Oktober Jaluit. 
wo sich die Hauptagenturen der deutschen Handelshäuser, die von 
Hernsheim & Ce. und die der deutschen Handels- und Plantageugesell- 
schaft der Südsee und auch eine Niederlassung der englischen Firma 
Uendersou. Macfarlane & Co. in Auckland, befanden. Es traf sich 
gerade, dass die bedeutendsten Häuptlinge der Ralikinseln dem Häupt- 
ling in Jaluit einen Besuch abstatteten, als der Nautilus eintraf, so 
dass die Prozedur des Vertragschliessens und der Uebernahme der 
Schutzherrschaft sich dadurch vereinfachte. Die Häuptlinge erklärten 
ihre volle Bereitwilligkeit, sich der Schutzherrschaft des deutschen 
Reiches zu unterwerfen und Unterzeichneten ain 15. Oktober den 
vorbereiteten Schutzvertrag. Derselbe enthält sieben Paragraphen 
des wesentlichen Inhalts, dass die Marschall-Inseln und die zur Ralik- 
Kette gehörenden (unbedeutenden) Brown- und Providcnce- Inseln 
künftig unter dem Schutze des deutschen Reiches ständen und es 
keinem der Häuptlinge zustande, mit irgend einer anderen Macht 
über Anbahnung eines Abhäugigkeitsverhältnisses zu unterhandeln. 
Es wurde sodann in Jaluit die deutsche Flagge unter entsprechenden 
Zeremonien gehisst, am 18. auf der Insel Milli, am 21. auf Arno, 
am 22. auf Majaruk, und schliesslich auf Ebon, einer der bedeutendsten 
Inseln der Gruppen. Am 1. November kehrte das Kanonenboot, 
nachdem 19 Häuptlinge dem Schutzvertrage beigetreten waren, nach 
Jaluit zurück. 

Die Eingeborenen hatten mit Freude die Oberhoheit des Reiches 
begrüsst, wie alle diejenigen, welche mit Einsicht dem Gange der 
Ereignisse folgten, denn sie begrüssten damit eine für die Inseln 
herannahende bessere Zeit, die Aussicht auf geordnete Verhältnisse. 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


269 


auf Fortschritte in der Zivilisation nnd iu Folge deren auf eine 
wachsende Produktions- und Konsumtionsfähigkeit. 

Die Hauptproduktion der Marschallinseln ist die Kopra, der in 
Stücke geschnittene und von der Sonne getrocknete Kern der Kokos- 
nuss, welche im Jahre 1883 schon an 1400 Tonnen ergab. Der 
ganze Handel basirt auf dieser Produktion ; von den Preiskonjunkturen, 
denen dieser Artikel in Europa unterliegt, hängt die grössere oder 
geringere Prosperität dieses Geschäftes ab: ausserdem wird etwas 
Schildpatt und beehe-de-mer (Trepang, eine Gattung Holothurien. 
welche getrocknet hauptsächlich nach China exportirt wird) gewonnen. 
Im Austausch gegen Kopra werden den Eingeborenen europäische 
und bezw. amerikanische Fabrikate angeboten. Die Haupt-Import- 
artikel sind Baumwollenstoffe, Werkzeuge aller Art und Pro- 
visionen. 

Im Anschluss an die Besitzergreifung trat an die bereits schon 
genannten deutschen Firmen die Frage heran, ob und unter welchen 
Bedingungen sie nunmehr unter dem Schutze der deutschen Flagge 
und der Oberhoheit des Reiches die Verwaltung der Inseln zu über- 
nehmen bereit seien. Sie konnten sich der Erkenntniss nicht ver- 
schliessen, dass sie beide vereint dem Reiche eine günstigere Stellung 
gegenüber einnehmen würden und demselben zugleich bessere Garantie 
für die Ausführung der zu übernehmenden Verpflichtungen bieten 
könnten, und dass den Anforderungen der Reichsregierung und den 
gemeinschaftlichen Interessen entsprechende Form dieser Vereinigung 
in der Gründung einer Aktiengesellschaft liege. Sie entschlossen 
sich deshalb, ihre auf den Marschall-, Karolinen- und Kingsmill- 
Inseln eingerichteten Faktoreien mit allen Zweigniederlassungen, 
Waarenbeständen, Schiffen. Grundstücken u. s. w. von ihren übrigen 
Südsee-Unternehmungen abzuzweigen, diesen Besitz zusammenzu- 
legen und denselben zu dem ihrem seitherigen Werthe entsprechen- 
den Preise in eine zum Zwecke des betreffenden Geschäftsbetriebs 
unter der Firma „Jaluit-Gesellsehaft“ mit einem Aktienkapital von 
1,200,000 Mark zu begründende Gesellschaft einzubringen. Diese 
Jaluit- Gesellschaft wurde am 31. Dezember 1887 mit dem Sitze in 
Hamburg begründet. Das voll einbezahlte Grundkapital ist in 240 
auf Inhaber lautende Aktien, jede zu 5000 Mark eingetheilt. Vor- 
sitzender des Aufsichtsrathes ist Herr H. Robertson, dem ausserdem 
noch die Herren Bense, J. C. Godeffroy, Th. Weber, R. Böker an- 
gehören. Der Vorstand besteht aus den Herren F. Hernsheim und 
F. Gerdgen. 


Digitized by Google 



•270 


Die deutschen Kolonien. 


Die Gesellschaft, deren Hauptagentur sich auf Jaluit befindet, 
besitzt daselbst ausgedehnte Waaren-, Produkten- und Kohlenlager 
(australische Kohlen und westfälische Presskohlen), Wohnhäuser, 
Wirths- und Logirhäuser, Süsswasserreservoire, Gartenanlagen, Stal- 
lungen für Vieh, Zimmermanns-, Schmiede- und Tischler-Werkstätten, 
Leichterfahrzeuge, Bootsschuppen, Anlegebrücken. Gefängniss. Polizei- 
Station, Lootsen-Station etc. — Von Jalnit aus werden sämmtliche 
Stationen der Gesellschaft durch Vermittelung von 5 derselben ge- 
hörigen Schiffen mit Waaren und allem Nöthigeii versorgt. Jalnit 
ist Einklarirungshafen (port of entry) für das dentsche Schutzgebiet. 
Sämmtliche Stationen der Gesellschaft sind auf eigenem Grund und 
Boden erbaut mit Waaren-, Produkten- und Wohnhäusern, sowie 
mit nöthigem ßootsmaterial etc. versehen. Dieselben sind im 
deutschen Schutzgebiet der Marschall-Inseln: Jaluit, Ebon, Namurik, 
Kiii, Milli, Arno, Majuru, Aurh, Maloelab, Mejit, Providence, Pleasant- 
Island; auf den unter spanischer Herrschaft stehenden Karolinen-Inseln 
in Kusai, Pingelap, Mokil, Ponape, Pakin, Ngatik, Nuknor, Lukunor 
und Satoan (Mortlock- Inseln), Ruk, Lamotreck, Faroelap, Ifalik, 
Ouleai, Jap; aut den bis jetzt noch unabhängigen Kingsmill-lnsel in 
Butaritari, Apaiaug, Tarawa, Maraki, Maiana, Nanuti, Tapiteuea. 

Die Gesellschaft ist auch berechtigt, andere Faktoreien oder 
Plantagen in der Südsee zu erwerben oder zu begründen, und 
bezweckt ferner die Ausbeutung der ihr von der Regierung über- 
tragenen Privilegien. Nachdem die Jaluit-Gesellschaft am 21. Januar 
1888 einen Vertrag mit den Vertretern der kaiserlichen Regierung 
abgeschlossen hatte, und demselben am 29. Januar mittelst Kabinets- 
ordre die Allerhöchste Genehmigung ertheilt worden war, ist auf 
dem Gebiet unserer Kolonialpolitik insofern ein Novum geschaffen, 
als die Verwaltung des Schutzgebietes der Marsehall-lnseln von Be- 
amten der kaiserlichen Regierung geführt wird, und die Gesellschaft 
lediglich die Kosten der Verwaltung trägt. Die Wahl dieser Form 
einer Regierung erscheint als eine besonders glückliche, denn es 
werden sich dadurch von vornherein die vielen Missstände vermeiden 
lassen, welche ein ungenügender Verwaltungsapparat in den Händen 
einer Privatgesellschaft, die zugleich Partei ist, mit sich bringen muss. 
Die der Gesellschaft in Anbetracht der übernommenen Verwaltungs- 
kosten ertheilten Privilegien, wonach sie Eigenthümerin aller herren- 
losen Ländereien wurde und das alleinige Recht der Ausbeutung auf 
Guano und der Fischerei auf Perlschalen erzielt, dürften, rationell 
ausgebeutet, wohl geeignet sein, ihr recht lohnende Resultate zu 


Digitized by Google 



Die deutschen Kolonien. 


271 


liefern. Diese Aussicht gründet sich auch darauf, dass die Un- 
kosten, die durch die Vertretung auf den Inseln, die Einrichtung 
und Erhaltung der Schiffsverbindungen, die Kontrolirungen etc. 
den bei Weitem grössten Theil der Bruttoergebnisse absorbirten, 
nunmehr durch die Vereinigung sehr wesentlich reduzirt werden; 
auch dass die durch die Handels- und Plantagen-Gesellschaft der 
Aktiengesellschaft zugeführte Insel Providence mit darauf angelegter 
Kokosplantage bereits genügend abwirft, um mit ihrem Ertrage die 
Bewirth8chaftung der Plantage bestreiten zu können, bis die ange- 
pflanzten Palmen ertragsfähig werden und dann eine gute und regel- 
mässige Einnahme abwerfen. 

Der kaiserliche Kommissar, Dr. Sonnenschein, hat nebst einem 
Sekretär seinen Sitz in Jalnit. 


/ 

Digitized by Google 



Literatur 


* 

— Erinnerungen aus dem Missionsleben in Slid-Ost-Afrika 1859 — 1882. 
Von A. Merensky. (Bielefeld und Leipzig. Verlag von Velhagen & Klasing.) Der 
bekannte Verfasser, welcher sich um die deutsche Mission in Ostafrika sehr ver- 
dient gemacht, bat dieses Buch aus der Erwägung geschrieben, dass es wünschens- 
wert!) erscheine, von der Arbeit der Missionen auch in anderer Form Rechenschaft 

zu geben, als es in amtlichen Berichten und Tagebüchern geschieht Man 

muss ihm dankbar dafür sein, dass er grösseren Kreisen einen Einblick in das 
innerste Wesen der deutschen Missionstbätigkeit in Ost-Afrika gegeben bat, denn 

von den grossen Erfolgen der Berliner Mission dort wusste nur ein kleiner Kreis 

Genaueres, zumal die Missionszeitschriften nicht sehr verbreitet sind. Am inter- 
essantesten ist die Geschichte der Gründung von Hotschabelo und seines Gedeihens. 
Wer die deutschen Missionen bei der Arbeit bewundern will, lese die Kapitel darüber. 
Das Buch enthält ferner viele werthvolle Aufschlüsse über die Geschichte Transvaals, 
d e englischen Bestrebungen und die Politik der Buren, über Sekuknni und die 
ßiasuto, da Merensky als zeitweiliger Vertrauensmann der Buren und Sekukunis in 
schwierigen Fragen oft genauen Einblick in die Verhältnisse nehmen konnte. 

— Die tropische Agrikultur. Von Heinrich Sem ler (HinstorfTsche Hof- 
buchhandlung, Wismar). Semler’s, des vielbeklagten, 1888 in Deutsch-Ostafrika ver- 
storbenen Forschers, tropische Agrikultur ist die Frucht jahrelanger wissenschaft- 
licher und praktischer Studien und Beobachtungen und jedem praktischen Kolonial- 
politiker dringend zu empfehlen. Dass ein solches umfassendes dreibändiges 
Handbuch der tropischen Agrikultur in der That ein Bedürfnis ist, dürfte von 
keiner Seite bestritten werden. Den zahlreichen in Nord-, Süd- und Zentral- 
Amerika, in Australien und anderen Tropenländern angesiedeiten deutschen 
Pflanzern, welche bis jetzt vielfach auf die primitivste Art und Weise wirt- 
schafteten, sowie den Leitern und Beamten der vielen deutschen Plantagen und 
Faktoreien in den Tropenländern fehlt ein solches Werk schon lange, und als ein 
hochwillkommenes Hilfsmittel wird es sich für die Zukunft erweisen, welche nach der 
Erwerbung zahlreicher Küstengebiete in Ost- und Westafrika und auf Neu-Guinea 
durch die deutsche Regieruug und durch Kolonialgesellschaften die Gründung 
einer grossen Anzahl neuer Handelsniederlassungen und neuer Plantagen mit sieb 
bringen wird. Wir dürfen darauf hinweisen, dass die gesammte europäische Lite- 
ratur kein neueres Werk über diesen Gegenstand besitzt, welches denselben in 
gleicher Vollständigkeit und erschöpfender Gründlichkeit wie das dreibändige Sem- 
ler’scbe behandelt. 

— Die Deutschen Im Auslande. Beiträge zur Kolonial- und Auswanderung.« 
politik von J. Rethwisch. Selbstverlag des Verfassers. Das Buch ist mit viel 
Fleiss und Umsicht zusammengestellt und ein schätzenswerther Beitrag zu der Be- 
urt Heilung der Stellung der Deutschen in kolonialpolitischer Beziehung. Nach 
einer Reihe orientirender Artikel werden die einzelnen Gebiete, in denen die 
Deutschen sich befinden, eingehend behandelt und auf die Frage näher eingegangen, 
was zu thun sei, um das Deutschthum im Auslande zu erhalten und zu fördern. 


Digitized by Google 



Literatur. 


273 


Beachtenswerth sind auch die Kapitel, in denen die geistige Thätigkeit des Deutsch- 
thums im Auslande, die deutschen Schulen und die deutsche Presse umfassend ge- 
schildert werden und die mancherlei in umsichtiger Weise ans Licht Gesogene 
enthalten. 

— Deutsch- Afrika und seine Nachbarn im schwarzen Krdthei). Eine sehr 
geschickte und hübsche Zusammenstellung von Naturschilderungen und abgerundeten 
Charakterbildern, welche Dr. Johannes Baumgarten herausgegeben hat (Ferdinand 
Dümmler's Verlag, Berlin). Das Buch ist recht geeignet, die geographische und 
ethnographische Kenntniss unserer afrikanischen Kolonialgebiete in weiteren Kreisen 
der Gebildeten zu verbreiten. 

— Kongoland. Von Dr. Pechuel-Loesehe. (Hermann Costenoble, Jena.) 
Dieses umfassende Werk ist einerseits eine Verteidigungsschrift gegen die Angriffe 
der Partisane Stanleys, andererseits im zweiten Theil eine erschöpfende wissen- 
schaftliche Darlegung der Lage des Kongostaates und der Verhältnisse dieses un- 
geheuren und wichtigen Gebietes. Der Autor deckt schonungslos die früher ge- 
machten Kehler auf, geht aber manchmal in seiner Kritik zu weit und lässt Objek- 
tivität vermissen. 

— Eine afrikanische Tropen-Insel. Von Dr. Oskar Baumann. Das Buch 
(Verlag von Eduard Hölze!, Wien und Olmütz) giebt die genauesten Aufschlüsse 
über Fernando Pbo und die Bube, die dortigen Eingeborenen, ist frisch geschrieben, 
doch mit wissenschaftlicher Gründlichkeit, und unentbehrlich für Jeden, der sich über 
diese interessante, in mancher Beziehuug dem benachbarten deutschen Kamerun 
ähnliche Insel unterrichten will. 

— Die Afrikanische Konferenz und der Kongostaat. Von C. A. Patzig 
(Heidelberg, Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung.) Der erste anerkenneuswerthe 
Versuch, die Entwicklung und Resultate jener wichtigen Konferenz darzulegen. 

— Das Hinterland von Walfisch bat und Angra i’equena. Von C. G. Büttner. 
(Heidelberg, Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung.) Eine der besten Schilde- 
rungen des deutschen Gebietes von Südwestafrika, da Büttner als Missionar Land 
und Leute auf das genaueste kennen gelernt hat, und von patriotischem Geiste ge- 
tragen. 

— Anleitung zn wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, ln 

Einzel - Abhandlungen. Herausgegeben von Dr. G. Neumayer, Direktor der 
deutschen Seewarte. Zweite umgearheitete und vermehrte Auflage. (Berlin, Verlag 
von Robert Oppenheim.) Dr. Neumayer’s Anleitung zu wissenschaftlichen Beob- 
achtungen ist in und ausserhalb Deutschland kein fremdes Buch mehr, ln 
den 14 Jahren, die seit ihrem Erscheinen vergangen sind, hat sie ihre Reise 
über die Erde gemacht und ist überall da zu finden, wo man sich für die Er- 
forschung der Erdoberfläche interessirt. Seit jener Zeit des Erscheinens der ersten 
Auflage — Ende 1874 — bat sich sehr Vieles geändert, was auf die Neugestaltung 
des Werkes einen Einfluss äussern musste. Wenn das erste Erscheinen des Werkes 
in mehr oder minder unmittelbarem Zusammenhänge mit einem astronomischen Er- 
eignisse, dessen Beobachtung es zu ermöglichen galt und das einen mehr idealen 
Charakter hatte, gebracht werden konnte, so ist die zweite Auflage, sowohl hin- 
sichtlich des Zeitpunktes des Erscheinens, als auch hinsichtlich der Umarbeitung, 
welche das Werk erfahren, mehr von praktischen Erwägungen eingegeben worden. 
Es bezieht sich das Gesagte, im Gegensatz zu der Beobachtung der Vorübergänge 
der Venus vor der Sonnenscbeibe im Jahre 1874, welchem Ereignisse die „An- 
leitung“ sogar einen besonderen Abschnitt widmete, auf die Kolonisations-Bestre- 
bungen Deutschlands in unseren Tagen und die zweite Auflage des Werkes zu den- 
selben. Bei der Umarbeitung ist denn auch diesen Gesichtspunkten insoferne 
Rechnung getragen, als nun auf einzelne Gebiete von besonderer praktischer Trag- 
weite ein grösserer Nachdruck gelegt wurde, als ehedem. 

— Deutsche Kolonien mit besonderer Berücksichtigung der neuesten Er- 
werbungen in Westafrika und Australien. Von Carl Emil Jung. (Leipzig: G. Freytag, 
Prag: F. Tempsky.) Das Buch, 1885 erschienen, ist durch die Ereignisse theil- 
weise überholt, aber noch heute besonders wegen seiner Aufschlüsse über die 
deutschen Kolonien in nicht deutschen Ländern ganz lesbar. 

Jahrbach für Deutsche Kolonialpolitik. 18 


Digitized by Google 



274 


Literatur. 


— Der Beobachter. Allgemeine Anleitung zu Beobachtungen über Land 
und Leute. Für Touristen, Exkursionisten und Forschuugsrei6eude. Von D. Kalt- 
bruuner und E. Kollbrunner. (Verlag von J. Wurster dt Cie., Zürich.) In 
einem starken Band ist hier den Exkursionisten und Touristen wie wissenschaft- 
lichen Forschungsreisenden eine allgemeine Anleitung zu Beobachtungen über Land 
und Leute gegeben. Besonders ist auf das systematische Fragenverzeichniss über 
Reisebeobachtungen hinzuweisen, welches für Personen, die fremde Länder be- 
wohnen oder bereisen, ein willkommenes Hülfsmittel sein dürfte, indem es die- 
selben auf die IIau[itgesicbtspunktc der Beobachtung und Berichterstattung aufmerk- 
sam macht. 

— Tropische nnd nordamerikanische Waldwirtschaft nnd Holzkunde. 

Von Heinrich Semler. (Verlag von Paul Parey, Berlin.) Der Verfasser hat hier 
versucht, die Errungenschaften der modernen Forstwirtschaft und Forstwissen- 
schaft, wie sie besonders im deutschen Vaterlande sich im Laufe dieses Jahr- 
hunderts entwickelt haben, auf die Tropen und Nordamerika zu übertragen, da- 
mit der dort noch immer herrschendeu gefährlichen Kaubwirthschaft endlich ein 
wünschenswertes Ende bereitet werde zum Vorteile einer rationellen Kultur. 
Semler ist ein Mann von grosser Erfahrung und bedeutenden Kenntnissen und 
weniger Bucbgelehrter als Praktiker, wie seine oft geradezu genialen Vorschläge 
beweisen. Besonders werthvoll wird das Buch durch die Beschreibungen und Ab- 
bildungen der für die Holzbearbeitung angewendeten Maschinen. 

— Kamerun. Von Dr. Bernhard Schwarz. (Leipzig, Verlag von Eduard 
ßaldamus.) Der Verfasser gehört zu den Gelehrten, welche von der Regierung nach 
Kamerun geschickt wurden, um möglicher Weise die Verbindung mit Adamaua 
herzustellen. Schwarz versteht seine Erlebnisse in einer sehr anmuthenden 
Weise zu schildern und lässt auf sich einwirken. Man bat bei der Lektüre 
des Werkes stets den Eindruck der Ursprünglichkeit, was einen angenehmen 
Gegensatz zu manchen anderen hochtrabenden, im Innern armseligen Reisewerken 
bildet. 

— Emin Pascha. Eine Sammlung von Reisebriefen und Berichten. Heraus- 
gegeben von Dr. Georg Schweinfurth und Dr. Friedrich Ratzel. (Verlag von 
F. A. Brockbaus, Leipzig.) Der Leser, welcher Emin Pascha als Forscher noch 
nicht kennt, wird überrascht durch diese Rcisebriefe und Berichte, welche bis auf 
die neuere Zeit fortgefährt sind und eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe, ver- 
bunden mit einem feinen Stilgefühl zeigon, die das Werk zu einem geradezu klassi- 
schen machen. Wie die Arbeiten Nacbtigal's, Scbweinfurth’s u. a. wird es stets 
einen ehrenvollen Rang behaupten, als das Werk eines dem Höchsten nachstehen- 
den Forschers und edlen Menschenfreundes. 

— Der Sudan unter ägyptischer Herrschaft. Von Richard Buchta. 
(Verlag von F. A. Brockhaus, Leipzig.) Dr. Wilhelm Junker hat auf seinen viel- 
fachen Wanderungen in Afrika auch längere Zeit den Kämpfen im Sudan in Ge- 
meinschaft mit Emin Pascha nahegestanden. Auf Grund seiner Tagebücher und 
der sonstigen zumeist an Ort und Stelle gemachten Forschungen giebt Richard 
Buchta hier zum ersten Mal eine zusammenhängende historische Schilderung der 
Ereignisse, welche zu dem Mahdi-Aufstand im Sudan führten und eine so bedeutende 
Macbtverscbiebung im Gefolge hatten. Das Werk bietet eine willkommene Ergänzung 
des eben erwähnten über Emin Pascha, besonders für den, welcher die historische 
Entwickelung der Sudanländer verfolgen will. 

— Im Herzen der Haussa-I, ander. Bericht über die Robert Ed. Flegel’scbe 
Niger-Benue-Expedition von Paul Staudinger. (Berlin, Ad. Landsberger.) Das 
Werk eines verdienstvollen Afrikareisenden liegt vor uns, dem wir unsere Aner- 
kennung nicht versagen können. Die Flegd’sche Expedition hat seiner Zeit das 
Interesse der gebildeten Welt in hohem Grade gefesselt. Aus den Mitgliedern der 
Expedition wurde Staudiuger gewählt, um die Rob. Flegel mitgegebenen Geschenke 
und Briefe des Kaiser Wilhelm 1. an die Sultane von Sokoto und Gandu zu über- 
bringen. Hier lesen wir, unter welchen Anstrengungen, mit welchen Gefahren und 
Entbehrungen diese Reise durch noch unerforschte Gebiete verknüpft war. Mag 
der Verfasser nur das von ihm durchzogene Land schildern, mag er von den raffi- 


Digitized by Google 



Literatur. 


275 


nirten, kulturell vorgeschrittenen Hausse oder von den Füllte reden, immer folgen 
wir mit reger Spannung dem Autor, dessen scharfe Beobachtungsgabe sich mit 
einer oft humorvollen Auffassung gefahrvoller Situationen und einem glänzenden 
Stil vereint. Die Kapitel über Pflanzen. Tbiere, klimatische und ethnographische 
Verhältnisse der von ihm durchwanderten Gebiete, wie die über Kleidung und In- 
dustrie der Eingeborenen, enthalten eine Fülle von Beobachtungen, welche ein 
reiches und vollkommen neues Material zum Studium afrikanischer Zustände dar- 
bieten. 

— Deutsche Kolonialgesrblchte. Von Max v. Koschit zky. (Leipzig, Ver- 
lag von Eduard Baldamus.) Eine erste, zweibändige, grundlegende Arbeit, welche, 
sieb durchschnittlich auf guten Quellen stützend, Jedem zu empfehlen ist, der sich 
mit diesem tiegenstand nur irgendwie beschäftigt 

— Die Kolonialreiche und Kolonisationsobjekte der Gegenwart. Von 

Dr. Emil Deckert. (Leipzig, Verlag von Eduard Baldamus.) Der Herausgeber 
des „Globus“, dessen Begabung besonders auf handelsgeographiscbein Gebiete liegt, 
giebt hier eine L’ebersicht über alle Kolonialgebiete der Erde, welche, obwohl 
skizzenhaft und oft einseitig, wie z. B bei Benrtbeilung der portugiesischen kolo- 
nialeu Thätigkeit, doch fast immer die entscheidenden Momente in das rechte 
Licht stellt 

— Jahrbuch der Naturwissenschaften. Dritter Jahrgang: 1887 bis 1888- 
Herausgegeben von Dr. Max Wildermann. (Freiburg im Breisgau, Herder’sche 
Buchhandlung.) Das Jahrbuch enthält die hervorragendsten Fortschritte auf den 
Gebieten der Physik, Chemie und chemischen Technologie, Mechanik, Astronomie 
und mathematische Geographie, Meteorologie und physikalische Geographie, Zoo- 
logie und Botanik, Forst- und Landwirtschaft, Mineralogie und Geologie, Anthropo- 
logie und Urgeschichte. Gesundheitspflege, Medizin und Physiologie, Länder- und 
Völkerkunde, Handel, Industrie und Verkehr. Wer die Errungenschaften des natur- 
wissenschaftlichen Fortschrittes von Jahr zu Jahr in zusammenfassender und leicht- 
verständlicher Weise kennen lernen will, der thut sehr wohl daran, sich Wilder- 
manns Jahrbuch anzuschaffen 

— K lössei. die südafrikanischen Republiken (Buren-Freistaaten). Geschichte 
und Land der Buren für Deutschlands Export und Auswanderung. Sach zuver- 
lässigen und amtlichen Quellen des Keichsamts des Innern bearbeitet. (Leipzig, 
Verlag von E. H. Mayer 1888.) Bei unseren steigenden Handelsbeziehungen zu den 
Burenfreistaaten, welche auch als Auswanderungsziel vielleicht einst nicht ohne Be 
deutung sein »erden, ist es von hohem Interesse sowohl über ihre Geschichte, die 
Beschaffenheit des Landes und der Bewohner und die bestehenden Verträge genau 
informirt zu sein. Es ist hier alles zusammengestellt, was den Exporteur sowohl 
als den Nationalökonom interessiren dürfte- 

— Vom Banann zum Kloinwo. Von Dr. mod. Willy Wolff. (Oldenburg 
und Leipzig 1889. Schulze’sche Hofbuchhandlung.) Der Verfasser war ein Mit- 
glied der von der afrikanischen Gesellschaft im Jahre 1884 nach Afrika zur Er- 
forschung des südlichen Kongobeckens hinausgesandten Expedition und erzählt iu einer 
sehr frischen, lebendigen, oft humorvollen Weise seine Reiseerlebnisse bis zum Ku- 
ango-Flusse Den Zweck der Schrift, den Leser in die Schwierigkeiten einzuweihen, 
mit denen die Organisation einer derartigen Expedition zu kämpfen hat, und die 
Neger uns menschlich näher zu bringeu, hat der Verfasser vollkommen erreicht, 
das Büchlein ist eine schätzenswerthe Bereicherung unserer afrikanischen Literatur. 

— Das Kelsen in nnd nach Nordamerika und den Tropenlttndern. Von 

H. Semler. (Wismar, HinstorfTscbe Hofhuchhandlung.) Das Reisen ist eine Kunst, 
welche nur durch lange Uebung und oft genug unter allerlei Verlusten erlangt 
wird. MaD thut deshalb immer gut, einem bewährten Führer sich anzuvertrauen, 
zumal wenn die Reise über See geht. Das vorliegende Handbuch ist aber auch 
sehr beaebtenswerth als Studium für alle diejenigen, welche sich über die Bedin- 
gungen unterrichten wollen, unter denen sie in den Tropen ihr Leben einzu- 
richten haben, ob sie nun auf einer Handelsstation sitzen, oder Reisen unternehmen 
wollen. 

18 * 


Digitized by Google 



276 


Literatur. 


— Die natürlichen Pflanzenfamlllen nebst ihren Gattungen und wichtigen 
Arten insbesondere den Nutzpflanzen. Unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender 
Fachgelehrten bearbeitet von Prof. A. Kn gl er und Prof. K. Frankl. Leipzig. 
(Verlag von Wilhelm Engelroann, Leipzig). Von diesem umfassenden Werke, 
welches nach streng wissenschaftlichen Grundsätzen und von anerkannten Autoritäten 
hearbeitet, ein Gesammtbild der Pflanzenwelt in systematischer und dabei doch allge- 
mein verständlicher Weise zur Darstellung bringen soll, sind bis jetzt 28 Liefe- 
rungen erschienen. Das Werk, welches sehr gut illustrirt ist, wird auch einiger- 
maassen gebildeten Laien eine Fülle von Anregung und Belehrung bieten, nicht 
zum Mindesten Kolonisten in den Tropen, wenn sie nach l'eberwindung der An- 
fangsschwierigkeiten daran gehen, genauer in die sie umgebende Pflanzenwelt ein- 
zudringen. 


Digitized by Google 



Anhang. 


Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 

Vom 15. März 1S88. 

§ 1. Die Schutzgewalt in den deutschen Schutzgebieten übt der Kaiser iin 
Namen des Reichs aus. 

§ 2. Das bürgerliche Recht, das Strafrecht, das gerichtliche Verfahren einschliess- 
lich der Gerichtsverfassung bestimmen sich für die Schutzgebiete nach den Vorschriften 
des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 — Reichs-Gesetzbl. 

S. 197 — , welches, soweit nicht nachstehend ein Anderes vorgeschrieben ist, mit 
der Maassgabe Anwendung findet, dass an Stelle des Konsuls der vom Reichskanzler 
zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte und an Stelle des Konsular- 
gerichts das nach Maassgabe der Bestimmungen über das letztere zusammengesetzte 
Gericht des Schutzgebietes tritt. 

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird durch Kaiserliche Verordnung festgesetzt. 

§ 3. Durch Kaiserliche Verordnung kann: 

1. bestimmt werden, dass in den Schutzgebieten auch andere als die im § 1 
Absatz 2 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Personen der 
Gerichtsbarkeit unterliegen; 

2. eine von den nach § 2 dieses Gesetzes maassgebenden Vorschriften ab- 
weichende Regelung der Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen einschliesslich 
des Bergwerkseigenthums erfolgen; 

3. in Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetz- 
buchs für das Deutsche Reich sind, Üefängniss bis zu einem Jahre, Haft, Geldstrafe 
und Einziehung einzelner Gegenstände angedroht werden ; 

4. vorgeschrieben werden, dass in Strafsachen 

a) die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft eintritt, 

b) eine Voruntersuchung stattfindet, deren Regelung der Verordnung Vorbe- 
halten bleibt, 

c) der § 9 Absatz 1 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit keine 
Anwendung findet: 

5. die Bestimmung des § 232 der Strafprocessordnung mit der Maassgabe 
erweitert werden, dass dem Gericht die Ermächtigung, den Angeklagten von der 
Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, nur für solche 
Fälle ertheilt werden darf, in welchen nach dem Ermessen des Gerichts voraus- 
sichtlich keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geld- 
strafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht; 

6. angeordnet werden, dass in Strafsachen, wenn der Beschluss über die Er- 
öffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstände bat, welche zur Zu- 
ständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§ 74, 75 des Gericbts- 
»erfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört, in der Hauptverhandlung eine 
Zuziehung von Beisitzern nicht erforderlich ist; 

7. die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden 
Sachen den Gerichten der Schutzgebiete in der Weise übertragen werden, dass für 
diese Sachen, soweit nicht auf Grund der No. 3 etwas Anderes bestimmt wird, die 
Vorschriften Anwendung finden, welche für die im § 28 des Gesetzes über die 
Konsnlargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten; 


Digitized by Google 



278 


Anhang. 


8. an Stelle der Enthauptung eine andere, eine Schärfung nicht enthaltende 
Art der Vollstreckung der Todesstrafe angeordnet werden: 

9. als Berufungs- und Beschwerdegericht ein Konsulargericbt oder ein Ge- 
richtshof im Schutzgebiet bestimmt und über die Zusammensetzung des letzteren 
Gerichtshofes, sowie über das Verfahren in Berufungs- und Beschwerdesacben, 
welche vor einem dieser Gerichte zu verhandeln sind, mit der Maassgabe Anordnung 
getroffen werden, dass das Gericht mindestens aus einem Vorsitzenden und vier 
Beisitzern bestehen muss; 

10. für die Zustellungen, die Zwangsvollstreckung und das Kostenwesen die 
Anwendung einfacherer Bestimmungen vorgeschrieben werden; 

11. insoweit die Kosten der Rechtspflege von einer mit einem Kaiserlichen 
Schutzbriefe versehenen Kolonialgesellscbaft zu bestreiten sind, bestimmt werden, 
dass die Vorschrift im § 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit ausser 
Anwendung bleibt; 

12. die Verlängerung aller zur Geltendmachung vou Rechten und zur Erfüllung 
von Pflichten gesetzlich festgestellten Fristen angeordnet werden. 

§ 4. Itas Gesetz, betreffend die Eheschlicssung und die Beurkundung des Per- 
sonenstandes von Reichsangebörigen im Auslände, vom 4. Mai 1870 (Bundrs- 
Gesetzbl. S. 599) findet für die Schutzgebiete mit der Maassgabe Anwendung, dass 
dasselbe durch Kaiserliche Verordnung auch auf andere Personen als auf Reicbs- 
angehörige ausgedehnt werden kann und an Stelle des Konsuls der von dem Reichs- 
kanzler zur Eheschliessung und zur Beurkundung des Personenstandes ermächtigte 
Beamte tritt. 

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt. 

§ 5. Die Befugnisse, welche den deutschen Konsuln im Auslände nach anderen 
als den beiden im | 2 und § 4 bezeichneten Gesetzen zustehen, können durch den 
Reichskanzler Beamten in den Schutzgebieten übertragen werden. 

§ 6. Ausländern, welche in den Schutzgebieten sich niederlassen, sowie Ein- 
geborenen kann durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem Reichskauzler 
verliehen werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, diese Befugniss einem anderen 
Kaiserlichen Beamten zu übertragen. 

Auf die Naturalisation und das durch dieselbe begründete Verbältniss der 
Reichsangehörigkeit Anden die Bestimmungen des Gesetzes über die Erwerbung und 
den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom I. Juni 1870 (Bundes- 
Gesetzbl. S. 355), sowie Artikel 3 der Reichsverfassnng und § 4 des Wahlgesetzes 
für den Deutschen Reichstag, vom 31. Mai 1869 (Bundes Gesetzbl. S. 145) ent- 
sprechende Anweudung. 

Im Sinne des $ 21 des bezeichneten Gesetzes, sowie bei Anwendung des 
Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes- 
Gesetzbl. S. 119) gelten die Schutzgebiete als Inland. 

§ 7. Durch Kaiserliche Verordnung können Eingeborene der Schutzgebiete in 
Beziehung auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (Gesetz, betreffend die Natio- 
nalität der KauffahMeischiffe und ihre Befugniss zur Führung der Bundesflagge, 
vom 22. October 1867, Rundes-Gcsetzbl. S. 35) den Reichsangebörigen gleichge- 
stellt werden. 

Die Führung der Reichsflagge in Folge der Verleihung dieses Rechts hat 
nicht die Wirkung, dass das betreffende Schiff als deutsches Seefahrzeug im Siune 
des § 1 Absatz 1 No. 1 und § 2 Absatz 1 des Gesetzes, betreffend die Unfall- 
versicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschifffahrt betheiligter Personen, 
vom 18. Juli 1887 (Reichs-Gesetzbl. S. 329) gilt. 

§ 8. Deutschen Koloniaigesellschaften, welche die Kolonisation der deutschen 
Schutzgebiete, insbesondere den Erwerb nnd die Verwerthung von Grundbesitz, den 
Betrieb von Land- oder Plantagenwirthschaft, den Betrieb von Bergbau, irewerb- 
lichen Unternehmungen und Handelsgesellschaften in denselben zum ausschliess- 
lichen Gegenstand ihres Unternehmens und ihren Sitz entweder im Reichsgebiet 
oder in den deutschen Schutzgebieten haben, oder denen durch Kaiserliche Schutz- 
briefe die Ausübung von Hoheitsrechten in den deutschen Schutzgebieten übertragen 
ist, kann auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Geseilschaftsvertraga 
(Statuts) durch Beschluss des Bundesraths die Fähigkeit beigelegt werden, unter 
ihrem Namen Rechte, insbesondere Eigentimm und andere dingliche Rechte an 


Digitized by Google 



Anhang. 


279 


Grundstücken in erwerben. Verbindlichkeiten einzugehen, vor Gericht zu klagen 
und verklagt zu werden. In solchem Falle haftet den Gläubigern für alle Ver- 
bindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das Vermögen derselben. 

Der Beschluss des Bnndesraths und im Auszuge der Gesellschaftsvertrag sind 
durch den „Reichs-Anzeiger* zu veröffentlichen. 

§ 9. Der Gesellschaftsvertrag hat insbesondere Bestimmungen zu enthalten: 

1. über den Erwerb und Verluat der Mitgliedschaft; 

2. über die Vertretung der Gesellschaft Dritten gegenüber; 

3. über die Befugnisse der die Gesellschaft leitenden und der die Leitung 
beaufsichtigenden Organe derselben; 

4. über die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder; 

5. über die Jahresrechnung und Yertheilung des Gewinns; 

6. über die Auflösung der Gesellschaft und die nach derselben eintretende 
Vermögensvertheilung. 

§ 10. Deutsche Kolonialgesellschaften, welche die im § 8 erwähnte Fähigkeit 
durch Beschluss des Bundesraths erhalten haben, unterstehen der Aufsicht des 
Reichskanzlers. Die einzelnen Befugnisse desselben sind in den Gesellschafts- 
vertrag aufzunehmen. 

§ 11. Der Reichskanzler hat die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen 
Anordnungen zu erlassen. 

Der Reichskanzler ist befugt, für die Schutzgebiete oder für einzelne Theile 
derselben polizeiliche und sonstige, die Verwaltung betreffende Vorschriften zu er- 
lassen und gegen die Nichtbefolgung derselben Gefängniss bis zu drei Monaten, 
Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzudrohen. 

Die Ausübung der Befugniss zum Erlasse von Ausfühmngshestimmungen 
(Absatz 1) und von Verordnungen der im Absatz 2 bezeiebneten Art kann vom 
Reichskanzler der mit einem Kaiserlichen Schutzbriefe für das betreffende Schutz- 
gebiet versehenen Kolonialgesellschaft, sowie den Beamten des Schutzgebiets über- 
tragen werden. 

Verordnung, betreffend das Bergwesen und die Gewinnung von Gold 
und Edelsteinen im südwestafrikanisehen Schutzgebiet 

Vom 25. März 1888. 

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc., 
verordnen für das südwestafrik»nische Schutzgebiet auf Grund des § 1 und des § 3 
Ziffer 2 und 3 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutz- 
gebiete (Reichs-Gesctzbl. 1888, S. 75), im Namen des Reichs, was folgt: 

I. Allgemeine Bestimmungen. 

§ 1. Auf diejenigen Mineralien, welche wegen ihres Gehaltes an Metallen, Schwefel, 
Alaun, Vitriol und Salpeter veiwendbar sind, ferner auf Edelsteine, Graphit sowie 
Bitumen in festem und in flüssigem Zustande, steht innerhalb des südwestafrikanischen 
Schutzgebietes der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika das Bergregal 
unter Aufsicht des Reichs zu. 

§ 2. Die Gesellschaft ist verpflichtet, die Aufsuchung und Gewinnung der vorbe- 
nannten Mineralien nach Maassgabe der hierüber ergehenden Bestimmungen zu ge- 
statten und letztere bei eigenen Unternehmungen zu befolgen. 

| 3. Für alle die Erwerbung und die Ausübung des Bergwerkseigenthums be- 
treffenden Angelegenheiten müssen Personen, welche nicht in dem Schutzgebiet ihren 
Wohnsitz oder Aufenthalt haben, einen im Schutzgebiet sich dauernd aufhaltenden 
Vertreter bestellen und denselben der Bergbehörde bezeichnen. 

Das Gleiche gilt für Gesellschaften, welche im Schutzgebiet nicht ihren Sitz 
haben, und für Mitbetheiligte, welche nicht eine Gesellschaft bilden, deren Vertretung 
gesetzlich geregelt ist. 

Wird diese Verpflichtung nicht erfüllt, so ist die Bergbehörde befugt, den 
Vertreter zu bestellen. 

$ 4. Die zurZeit des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden Gerechtsame 
auf die Gewinnung von Mineralien der im § 1 bezeichneten Art, welche von Dritten 
vor dem Erlass der Verfügung des stellvertretenden Kaiserlichen Kommissars für 


Digitized by Google 



280 


Anhang 


da« südwestafrikaniscbe Schutzgebiet vom 19. April 1886 rechtsgültig erworben 
sind, werden durch die im § 1 genannte Bestimmung nicht berührt. 

Die Grenzen der Gebiete, auf welchen solche Rechte Dritter bestehen, sind 
festzuatellen. 

§ 5. Die nach §4 Berechtigten haben mit der Ausbeutung ihrer Gerechtsame 
innerhalb zweier Jahre vom Erlass dieser Verordnung an zu beginnen. Ist bis zutn 
Ablauf dieser Frist ein ordnungsmässiger Betrieb zur Ausbeutung der erlangten 
Gerechtsame überhaupt nicht oder nicht in einer dem Ilmfang derselben entsprechen- 
den Weise im Gange, so sind die Gerechtsame erloschen. 

II. Die Aufsuchung und Gewinnung von Gold, Golderzen und Edel- 
steinen. 

§ 6. Kür die Aufsuchung und Gewinnung von Gold, Golderzen und Edel- 
steinen tinden die nachfolgenden Bestimmungen Anwendung: 

§ 7. Das Schürfen ist nur in denjenigen Theilen des Schutzgebietes gestattet, 
welche von der Bergbehörde im Einverstüudniss mit dem Kaiserlichen Kommissar 
durch öffentliche Bekanntmachung für den Bergbau eröffnet werden. 

§ 8. Die Sebürferlaubuiss wird von der Bergbehörde nach ihrem Ermessen, und 
zwar für die Dauer von sechs Monaten ertheilt. Für dieselbe ist monatlich von der 
Ertheilung ab im Voraus eine Gebühr von zehn Mark zu entrichten. Wird die 
Gebühr nicht bei der Fälligkeit gezahlt, so ist die Scbürferlaubniss erloschen. Die 
Ertheilung der Schürferlaubniss, sowie das Erlöschen derselben ist von der Berg- 
behörde öffentlich bekannt zu machen. 

§ 9. Für jeden der nach § 7 dem Schürfen eröffneten Gebietstheile wird ein 
Schürfregister geführt. In dasselbe ist einzutragen: 

1. das Datum der Ertheilung der Schürferlaubniss, sowie des Ablaufs derselben, 

2. der Name des Berechtigten und dessen etwaiger Rechtsnachfolger, 

3. das Erlöschen der Schürferlaubniss. 

Die Eintragung ist unter fortlaufender Nummer nach der Zeitfolge der Er- 
theiluug zu bewirken. 

lieber die Ertheilung der Schürferlaubniss wird dem Berechtigten ein Scbürf- 
schein ausgefertigt. 

§ 10. Die Schürferlaubniss ist nur mit Genehmigung der Bergbehörde über- 
tragbar. Für die Genehmigung ist eine besondere Gebühr von zwanzig Mark zu 
entrichten. 

§11. Die Schürferlaubniss giebt dem Inhaber das Recht, in dem Gebietstheile, 
für welchen sie ertheilt ist, auf einer von ihm zu wählenden kreisförmigen Fläche, 
deren Durchmesser ein Kilometer nicht überschreiten darf, zu schürfen und dabei 
Andere von dem Schürfen auf dieser Fläche auszuschliesseu. Vor Beginn der Schürf- 
arbeiten hat der Schürfer die von ihm gewählte Bodenfläcbe durch ein im Mittel- 
punkt derelben aufgestelltes Merkmal zu bezeichnen, auf welchem sein Name und 
die Registernummer seiner Schürferlaubniss anzugeben sind. Das Merkmal muss 
mindens ein Kilometer von dem Merkmal des nächsten Schürfgebietes entfernt sein, 
sofern die Bergbehörde nicht eine geringere Entfernung gestattet. 

§ 12. Der Schürfer ist berechtigt, das von ihm gewählte Schürfgebiet zu 
wechseln. 

§ 13. An öffentlichen Plätzen, Wegen, Strassen und Friedhöfen darf nicht 
geschürft werden. 

Auf anderen Grundstücken ist das Schürfen unstatthaft, wenn nach der Ent- 
scheidung der Bergbehörde überwiegende Gründe des allgemeinen Interesses ent- 
gegenstehen. 

§ 14. Unter Gebäuden und in einem Umkreise um dieselben bis zu fünfzig 
Meter, sowie in eingefriedigten üodenfläcben darf nur geschürft werden, wenn der 
Grundbesitzer seine Genehmigung dazu ertheilt hat. 

§ 15. Der Schürfer ist berechtigt, während der Dauer seiner Schürferlaubniss nach 
Anweisung der Bergbehörde und vorbehaltlich der dem Grundeigenthümer etwa zu 
gewährenden Entschädigung eine Bodenfläcke von höchstens zwei Hektar zur Er- 
richtung der erforderlichen Baulichkeiten uud zum Weiden von Zugthieren und Vieh 
zu benutzen. Grundstücke, auf welchen das Schürfen untersagt ist, dürfen hierzu 
nicht gewählt werden 


Digitized by Google 



Anhang. 


281 


§ 16. Der Schürfer, welcher einen Fund macht, hat der Bergbehörde hiervon 
unverzüglich Anzeige zu erstatten. Letztere hat die Anzeige öffentlich bekannt zu 
machen und gleichzeitig eine Liste (Vorrechtsregister) zur Eintragung Derjenigen 
aufzulegen, welche sich zur Betheiligung an der Ausbeutung des Fundgebietes an- 
melden. Die Eintragung hat die Namen der Angemeldeten nach der Zeitfolge der 
Anmeldung, sowie die Zahl der Felder zu enthalten, welche sie erwerben wollen. 
Inter gleichzeitig eingehenden Anmeldungen entscheidet mangels anderer Verein- 
barung das Loos. 

§ 17. Für die Eintragung in das Vorrechtsregister ist eine Gebühr von zwanzig 
Mark für jedes Feld zu entrichten, auf welches ein Vorrecht in Anspruch ge- 
nommen wird. 

§ 18. Auf die im § 16 bezeichnete Anzeige hat die Bergbehörde den Fund mit 
thunlicbster Beschleunigung festzustellen. Ergiebt sich das gefundene Mineral in 
abbauwürdiger Menge, so hat sie das die Fundstelle umschliessende Gebiet unter 
näherer Beschreibung der Grenzen desselben für ein öffentliches Grubengebiet zu 
erklären. Diese Erklärung ist öffentlich bekannt zu machen. 

§19. Bei der nach §18 zu erlassenden Bekanntmachung hat die Bergbehörde die 
Grösse der in dem öffentlichen Grubengebiet zu verleihenden Felder anzugebeu. 

Die Grösse eines Feldes darf bei dem Bergbau auf Gold zwei Hektar und 
bei dem Bergbau auf Edelsteine ein Hektar nicht überschreiten. Die Felder sollen, 
soweit nicht örtliche Verhältnisse eine andere Gestaltung bedingen, die Form eines 
Rechtecks haben, dessen Langseiten die doppelte Länge der Schmalseiten nicht 
überschreiten. 

Innerhalb der festgesetzten Grenzen geht das Abbaurecht senkrecht in die 
ewige Teufe. 

§ 20. Beschliesst die Bergbehörde, die im § 18 bezeichnete Erklärung nicht 
abzugeben, so hat sie den Finder davon zu benachrichtigen. 

§ 21. Mit der im § 18 bezeichneten Bekanntmachung erlöschen alle, auf dem 
öffentlichen Grubengebiet erworbenen Schürfbercchtigungen. 

§ 22. Die Verleihung eines Feldes gewährt dem Beliebenen die ausschliessliche 
Befugnis«, auf demselben das in der Verleihungsurkunde benannte Mineral aufzu- 
suchen und zu gewinnen, sowie alle hierzu erforderlichen Vorrichtungen unter und 
über Tage zu treffen. 

§ 23. Ausserdem hat der Beliehene die Befugnisa, im freien Felde, sowie im Felde 
anderer Beliehener Hülfsbaue anzulegen, sofern letztere die Entwässerung und Lüf- 
tung (Wasser- und Wetterlösung) oder den vortheilhafteren Betrieb des Bergwerks, 
für welches die Anlage gemacht werden soll, bezwecken und der eigene Bergbau 
des Anderen dadurch weder gestört Doch gefährdet, oder aber für allen Schaden, 
welchen der llülfsbau dem belasteten Bergwerk zufügt, voller Ersatz geleistet wird. 

§ 24. Die Verleihung ist bei der Bergbehörde nachzusuchen. Das Verleihungs- 
gesuch muss enthalten: 

1. den Namen dessen, für den die Verleihung nacbgesucht wird, 

2. die Bezeichnung des Materials, 

3. die Zahl der begehrten Felder, 

4. die Lage derselben. 

Für eine Mehrzahl von Feldern soll in der Kegel die Verleihung in der Weise 
erfolgen, dass sämmtliche Felder in ununterbrochenem Zusammenhang stehen. 

§ 25. Im öffentlichen Grubengebiet steht ein Vonecht auf die Verleihung 
von Feldern 

1. dem Finder, 

2. dem Eigenthümer eingefriedigter Bodenflächen, 

3. der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika, 

4. den in das Vorrechtsregister (§ 16) Eingetragenen 
in der hier bezeichneten Reihenfolge zu. 

§ 26. Das Vorrecht des Finders besteht in dem Anspruch auf fünf innerhalb 
seines Schürfgebiets belegeue Felder. 

§ 27. Der Eigenthümer eingefriedigter Bodenflächen, welche in das öffentliche 
Grubengebiet einbezogen sind, hat das Vorrecht, dass ihm für je fünf Hektar dieser 
Bodeuflächen ein von ihm auszuwählendes, auf denselben belegcnes Feld verliehen 
wird. Im Ganzen kann er nicht mehr als zehn Felder beanspruchen. 


S 

Digitized by Google 



282 


Anhang 


§ 28. Da» Vorrecht der deutschen Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika be- 
steht in dem Anspruch auf sehn Felder. 

§ 29. Das Vorrecht des in das Vorrechtsregister Eingetragenen wird durch 
die Anzahl der für ihn vorgeraerkten Felder bestimmt. Für die Rangordnung der 
einzelnen Vorrechte ist die Reihenfolge der Eintragungen maassgebend. 

§ 30. Den im § 25 bezeicbneten Bevorrechtigten ist von der Bergbehörde eine Frist 
zu bestimmen, binnen welcher sie zur Vermeidung des Verlustes ihres Vorrechts 
das Yerleihungsgcsuch nuzub’ringen haben. Die Bestimmung der Frist erfolgt für 
den Finder sofort nach Erlass der im § 18 vorgesehenen Bekanntmachung, für jeden 
der übrigen Betheiligten nach Erledigung der Ansprüche seiner Vormänner. 

An Stelle des im vorstehenden Absatz bezeichneten Verfahrens kann durch 
die Bergbehörde allen Bevorrechtigten oder einem Tbeile derselben ein Termin zur 
Anbringung der Verleibungsgesuche und zur Verhandlung derselben anberaumt 
werden. Die Versäumung des Termins hat den Verlust des Vorrechts zur Folge ; 
jedoch ist ein vorher angebrachtes Verleihungsgesuch insoweit zu berücksichtigen, 
als die begehrten Felder nicht von Vorraünncrn in Anspruch genommen werden. In 
der Laduug zum Termin ist auf diese Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. 

§ 31. Das Vorrechtsregister ist zu schliessen, sobald die Ansprüche der in 
dasselbe Eingetragenen erledigt sind. 

Die Verleihung von Feldern auf dem Theil de* öffentlichen Grubengebiets, 
welcher nach Schliessung des Vorrechtsregisters übrig bleibt, bestimmt sieb nach dem 
Zeitpunkt, in welchem das Verleihungsgesuch bei der Bergbehörde eingebt. Bei 
gleichzeitig eingegangeuen Verleibuugsgesuchcn entscheidet mangels anderweitiger 
Vereinbarung das Loos. 

§ 32. Es werden Verleihungsregister geführt. In dieselben sind einzutragen: 

1. das Datum des Verleibuugsgesuchs und der Verleihung, 

2. die Bezeichnung des Miuerals, für welches die Verleihung erfolgt ist, 

3. die Lage des Feldes, 

4. der Name des Belieheneu, 

5. der Anspruch, auf Grund dessen die Verleihung erfolgt ist, 

G. der Betrag der zu zahlenden Abgabe (§ 34), 

7. der Ucbergang des Feldes auf einen anderen Berechtigten, 

8. das Erlöschen der Verleihung. 

Die Eintragungen sind unter fortlaufender Nummer zu bewirken, lieber die 
Verleihung wird eine Urkunde ausgestellt. Die Verleihung, sowie das Erlöschen 
derselben ist von der Bergbehörde öffentlich bekaunt zu machen. 

§ 33. Für die Eintragung der Verleihung eines jeden Feldes ist eine Gebühr von 
fünf Mark und für die Eintragung des Uebergangs auf einen anderen Berechtigten 
eine Gebühr von zehn Mark zu entrichten. 

§ 34. Für jedes Feld ist von dem Tage der Verleihung an eine von der Berg- 
behörde zu bestimmende, sechszig Mark für den Monat nicht übersteigende Abgabe 
im Voraus zu entrichten. Witd die Abgabe nicht bei der Fälligkeit gezahlt, so 
ist die Verleihung erloschen. 

§ 35. Der Finder, der Grundeigenthümer und die deutsche Kolonialgesellschaft 
für Südwest-Afrika sind bezüglich der ihnen verliehenen Felder von der Abgabe 
des § 34 befreit, 

§ 36. Die verliehenen Felder müssen auf Kosten des Beliehenen innerhalb 
eines Monats durch Zeichen nach Anweisung der Bergbehörde abgegrenzt werden. 
Auf den Grenzzeicben ist der Name der Beliehenen sowie die Registernummer der 
Verleihung kenntlich zu machen. 

§ 37. Der Belieben* muss mit dem Betrieb innerhalb zweier Jahre, von dem 
Tage der Verleihung an, beginnen. 

§ 38. Der Betrieb darf auf nicht länger als ein Jahr unterbrochen werden. 

§ 39. Wird die in den §§ 37 und 38 vorgesehene Frist, sowie eine zweite von der 
Bergbehörde festzusetzende und auf höchstens sechs Monate zu beniessende Frist 
von dem Berechtigten überschritten, so erklärt die Bergbehörde die Verleihung für 
erloschen. 

Die Vorschriften der §§ 37 bis 39 finden auf die Betriebe der deutschen 
Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika keine Anwendung. 


Digitized by Google 



Anhang. 


283 


§ 40. Die im § 15 dem Schürfer gewährte Berechtigung findet auf den Be- 
liehenen entsprechende Anwendung. 

§ 41. Auf den im § 16 bezeichneten Grundstücken erfolgt die Verleihung 
eines Feldes sowie die Gestattung der Anlage eines Uülfsbaues vorbehaltlich der 
Verpflichtung des ßeliehenen für allen Schaden, welcher dem Grundeigentum durch 
den Bergwerksbetrieb zugefügt wird, vollständigen Ersatz zu leisten. 

III. Die Bergbehörde und das Verfahren in Bergwerksachen. 

§ 42. Für das Schutzgebiet wird eine Bergbehörde bestellt, welche unter 
der Oberaufsicht des Kaiserlichen Kommissars die Verwaltung führt. 

Die Mitglieder der Bergbehörde werden von der deutschen Kolonialgesellschaft 
für Südwest-Afrika mit Genehmigung des Reichskanzlers ernannt und sind auf Ver- 
langen desselben zu entlassen. 

§ 43. Der Bergbehörde liegt insbesondere ob: 

1. die in dieser Verordnung genannten Register zu führen (§§ 9, 16 und 32); 

2. die in dieser Verordnung bezeichneten Gebühren, Abgaben und Steuern 
zu erheben (§§ 8, 10, 17, 33, 34, 49, 50): 

3. die Entschädigungen festzusetzen, welche dem Eigenthümer der im § 14 
bezeichneten Grundstöcke nach Maassgabe dieser Verordnung (§§ 15, 40 und 41) 
zu leisten sind; 

4. alle bei Anwendung dieser Verordnung entstehenden Streitigkeiten ein- 
schliesslich derjenigen, welche die im § 4 bezeichneten Gerechtsame betreffen, zu 
entscheiden: 

5. die polizeiliche Beaufsichtigung des Bergbaues in dem ganzen Schutzgebiet 
zu führen: 

6. die Grenzen der im § 4 bezeichneten Gebiete zu bestimmen und im 
Falle des § 5 das Erlöschen der Rechte Dritter zu erklären und bekannt zu machen. 

§ 44. Für jedes öffentliche Grubengebiet wird ein Grubenausschuss gebildet, 
welcher aus Vertretern der mit Feldern Beliehenen und der Eigenthümer von ein- 
gefriedigten Grundstücken, welche in dem öffentlichen Grubengebiet belegen siud, 
bestehen soll. 

Die Zusammensetzung des Grubenausscbusses und das Verfahren vor demselben 
wird durch Verfügung des Kaiserlichen Kommissars für das Schutzgebiet bestimmt. 

§ 45. Der Grubenausschuss ist verpflichtet, der Bergbehörde, sowie dem 
Kaiserlichen Kommissar für das Schutzgebiet über alle, das öffentliche Grubengebiet 
betreffenden Verhältnisse Aufschluss zu geben. 

Vor Festsetzung der Entschädigungen in Gemässheit des § 43 Ziffer 3 ist 
der Grubenausschuss, wenn ein solcher gebildet ist, gutachtlich zu hören. Imgleichen 
soll eine vorherige Anhörung desselben erfolgen, wenn für das öffentliche Gruben- 
gebiet Verordnungen über die Wasserbenutzung und über Maassregeln zur Auf- 
rechterhaltung der öffentlichen Ordnung erlassen werden. 

§ 46. Beschwerden gegen Entscheidungen der Bergbehörde sind an den 
Kaiserlichen Kommissar für das Schutzgebiet zu richten, welcher über dieselben 
endgültig entscheidet. 

IV. Strafbestimmungen. 

§ 47. Mit Geldstrafe bis zu viertausend Mark oder mit Gcfängniss bis zu 
vier Monaten wird bestraft: 

1 wer unbefugt auf die im § 1 dieser Verordnung bezeichneten Mineralien 
Schürf- und Gewinnungsarbeiten treibt; 

2. wer unbefugt ein Schürfmerkmal aufstellt: 

3. »er die im § 16 dieser Verordnung vorgeschriebene Anzeige von einem 
Funde unterlässt. 

§ 48. Der Schürfer, welcher wider besseres Wissen bei der Bergbehörde die 
unwahre Anzeige, dass er Gold gefunden habe, erstattet, wird mit Geldstrafe bis 
zu zweitausend Mark oder mit Gefängniss bis zu drei Monaten gestraft. 

V. Schlussbestimmungen. 

§ 49. Die im § 4 bezeichneten Berechtigten haben einen Betrag von sechs 
Procent des Werthes der auf ihren Gebieten erfolgten Förderung der im § 1 be- 
zeiebneten Mineralien als Kostenbeitrag für die Bergverwaltung zu zahlen. Dieser 


Digitized by Google 



•284 


Anhang. 


Betrag kann von der Bergbehörde mit Zustimmung des Kaiserlichen Kommissars bis 
zu zehn Procent erhöht werden. 

lieber die Förderung ist von den Berechtigten Buch zu fahren. Die Einsicht 
in die Bücher ist der Bergbehörde jederzeit gestattet. 

§ 50. Der Bergbau, welcher auf Grund einer nach Maass.'abe dieser Verordnung 
erfolgten Verleihung betrieben wird, kann von der deutschen Kolonialgesellschaft für 
Südwest- Afrika mit einer Steuer bis zu fünf Procent des Werthes der Förderung belegt 
werden. In diesem Falle kommt Absatz 2 des vorigen Paragraphen zur Anwendung. 

§ 51. Die Einnahmen aus den in dieser Verordnung genannten Gebühren. 
Abgaben und Steuern werden zur Bestreitung der durch die Bcrgverwaltung ent- 
stehenden Kosten verwandt. 

Nach Ablauf von fünf Jahren kann der Reichskanzler bestimmen, dass von 
dem jährlichen Ueberschusse, welcher nach Bestreitung der vorerwähnten Kosten 
verbleibt, Beträge bis zur Höbe von fünfundzwanzig Procent zum allgemeinen 
Nutzen des Schutzgebiet» und insbesondere zu den Kosten der vom Reich geführten 
Verwaltung verwandt werden, soweit die sonstigen Einnahmen des Reichs aus dem 
Schutzgebiet zur Bestreitung dieser Verwaltungskosten nicht ausreichen. 

f 52. Dem Reich steht ein Vorkaufsrecht auf das in dein Schutzgebiet ge- 
fundene Gold zu. 

§ 53. Die öffentlichen Bekanntmachungen der Bergbehörde erfolgen in ortsüb- 
licher Weise und jedenfalls durch Anheftung an die dafür am Amtssitze bestimmte Tafel. 

§ 54. Die in Gemässheit der Verordnung, betreffend die Recbtsverhätnisse 
in dem südwestafrikanischen Schutzgebiet, vom 21. December 1887 (Reichs-Gesetzbl. 
S. 535) bezüglich der bergrechtlichen Verhältnisse maassgebenden Bestimmungen 
finden fortau keine Anwendung. 

§ 55. Die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen Bestimmungen 
werden von dem Reichskanzler erlassen. 

Diese Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung im Reichs-Gesetz- 
blatt in Kraft. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigeuhändigen Unterschrift und beigedmektem 
Kaiserlichen Insiegel. 

Gegeben Gharlottenburg, den 25. März 1888. Friedrich. 

(L. S.) von Bismarck. 

Gesetz, betreffend die Zurückbeförderung der Hinterbliebenen 
im Auslande angestellter Reichsbeamten und Personen 
des Soldatenstandes. 

Vom 1. April 1888. 

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc., 
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des ßundesraths und 
des Reichstages, was folgt: 

Artikel I. 

Die im § 8 des Gesetzes, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate etc., 
vom 8. November 1867 (Bundes-Gesetzbl. S. 137) enthaltene Bestimmung, wonach 
die Familien der Bemfskonsuln, wenn letztere während ihrer Amtsdauer sterbeu, 
auf Bundeskosten in die Heimath zurückbefördert werden, wird auf die Hinter- 
bliebenen summtlicher aus der Reichskasse besoldeten pensionsberechtigten Reichs- 
beamten und Personen des Soldatenstandes, deren dienstlicher Wohnsitz sieb im 
Auslande befindet, ausgedehnt. 

Ausgenommen bleiben die Hinterbliebenen solcher Reicbsbeamten, welche in 
Grenzorten oder in dem Zollgebiet angeschlossenen ausländischen Gebietstheilen 
angestcllt sind. 

Artikel 2. 

Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1888 in Kraft. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Kaiserlichen Insiegel. 

Gegeben Gharlottenburg, den 1. April 1888. Friedrich. 

(I.. S.) von Bismarck. 


Digitized by Google 



Anhang. 


285 


Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten 
von Kamerun und Togo. 

Vom 2. Juli 1888. 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc., 
verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutscheu 
Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888, S. 75), im Namen des Reichs, was folgt: 

| 1. Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (Reichs- 
Gesetzbl. S. 197) tritt für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo in Gemässheit 
des § 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, 
mit den in dieser Verordnung vorhergesehenen Abänderungen vom 1. October 1888 
in Kraft. 

§ 2. Der Gerichtsbarkeit (§ 1) unterliegen alle Personen, welche in dein Schutz- 
gebiete wohnen oder sich aufhalten, oder bezüglich derer, hiervon abgesehen, ein 
Gerichtsstand innerhalb des Schutzgebietes nach den zur Geltung kommenden Ge- 
setzen begründet ist, die Eingeborenen jedoch nur, soweit sie dieser Gerichtsbarkeit 
besonders unterstellt werden. 

§ 3. Der Gouverneur von Kamerun bestimmt mit Genehmigung des Reichskanzlers, 
wer als Eingeborener im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist und inwieweit 
auch Eingeborene der Gerichtsbarkeit (§ 1) zu unterstellen sind. 

§ 4. Für das Schutzgebiet von Kamerun wird in Kamerun und für das 
Schutzgebiet von Togo wird in Togo eine Gerichtsbehörde erster Instanz errichtet. 

§ 5. Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird an Stelle des Reichsgerichts 
(Gesetz über die Konsulargerichlsbarkeit §§ 18, 3G, 43) für die Schutzgebiete eine 
Gerichtsbehörde in Kamerun errichtet, welche aus dem zur Ausübung der Gerichts- 
barkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten als Vorsitzenden und vier Bei- 
sitzern besteht. 

Auf die Beisitzer und den Gerichtsschreiber finden die Vorschriften in § G 
Absatz 2, §§ 7, 8 und 10 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit ent- 
sprechende Anwendung. 

§ 6. Die Zustellungen werden ausschliesslich durch den zur Ausübung der Ge- 
richtsbarkeit ermächtigten Beamten veranlasst. 

Derselbe hat dafür zu sorgen, dass die innerhalb des Schutzgebiets, in welchem 
die Gerichtsbehörde ihren Sitz hat, zu bewirkenden Zustellungen mit der nach den 
vorhandenen Mitteln möglichen Sicherheit erfolgen. Er erlässt die hierfür erforder- 
lichen Anordnungen und überwacht deren Befolgung. 

Zustellungen ausserhalb des Schutzgebiets erfolgen im Wege des Ersuchens. 

5 7. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den Gerichts- 
behörden in den Schutzgebieten alle Entscheidungen, einschliesslich der auf Grund 
einer mündlichen Verhandlung ergebenden, von Amtswegen zuzustellen. Diese 
Vorschrift findet auch auf die Zustellung der Zahluugs- und Vollstreckungsbefehle 
an den Schuldner, sowie der Pfändungs- und Ueberweisungsbeschiüsse an den 
Schuldner und den Drittschuldner Anwendung. 

Für Beschlüsse, welche lediglich die Process- oder Sachleitung, einschliesslich 
der Bestimmung und Aenderung von Terminen betreffen, genügt die Verkündung. 

Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke kann in allen Fällen durch 
den Gerichtsschreiber erfolgen. 

Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt oder der Lauf der Verjährung 
oder einer Frist unterbrochen werden, so treten die Wirkungen der Zustellung 
bereits mit der Einreichung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Gerichts- 
behörde ein, sofern die Zustellung demnächst bewirkt wird. 

Bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Ladung kann die Gerichts- 
behörde anordnen, dass eine Einrückung in öffentliche Blätter nicht erforderlich sei. 

Wohnt eine Partei ausserhalb des Schutzgebiets, in welchem die Gerichts- 
behörde ihren Sitz hat, so kann, falls sie nicht einen daselbst wohnhaften Process- 
bevollmächtigten bestellt hat, angeordnet werden, dass sie eine daselbst wohnhafte 
Person zum Empfang der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese 
Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Der Zustellungsbevoll- 


Digitized by Google 



286 


Anhang. 


mäehtigte ist bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei 
vorher dem Gegner einen Schriftsatz zustellen lässt, in diesem zu benennen. Ge- 
schieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen 
Henennung durch Anheftung an die Gerichtstafel bewirkt werden. 

Der Nachweis über die erfolgte Zustellung ist zu den Oerichtsakten zu bringen. 

§8. In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz findet in bür- 
gerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Concurssachen und in den zur streitigen Gerichtsbar- 
keit nicht gehörenden Angelegenheiten der § 16 des Gesetzes über die Konsular- 
gerichtsbarkeit mit der Maassgabe Anwendung, dass die Entscheidung über da-. 
Rechtsmittel der Rcschwerde unter Mitwirkung der Beisitzer erfolgt, wenn die au- 
gefochtenc Entscheidung unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen ist. 

In dem Verfahren zweiter Instanz ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte 
nicht geboten und findet der § 269 der Civilprocessordnung keine Anwendung. 

Die Vorschriften in §§ 464 und 468 der Civilprocessordnung gelten auch für 
das Verfahren zweiter Instanz. 

§ 9. Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet erfolgt ausschliesslich durch den 
zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten. Der Bei- 
bringung einer vollstreckbaren Ausferiigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von 
dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde erster Instanz im Schutzgebiete zu er- 
theilen sein würde. 

Der Beamte kann nach Anordnung der Zwangsvollstreckung mit der Aus- 
führung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu ver- 
fahren haben. 

§ 10. Vollstreckbare Ausfertigungen dürfen von dem Gerichtsschreiber nur 
auf Auordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten er- 
theilt werden. 

§ II. In Strafsachen findet die Hauptverhandlung ohne Zuziebuug von 
Beisitzern statt, wenn der Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine 
Handlung zum Gegenstände hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder 
zu den in den §§ 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bczeichnelen Vergehen 
gehört. 

§ 12. Der Angeklagte kann auf seinen Antrag oder von Amtswegen wegen 
grosser Entfernung seines Aufenthaltsorts oder wegen sonstiger Hindernisse von 
der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hsuptverhaudlung entbunden werden, 
wenn nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde voraussichtlich keine andere Strafe 
als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, oder Geldstrafe oder Einziehung, allein 
oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht. 

§ 13 Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte ge- 
hörenden Sachen wird für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo der Gerichts- 
behörde erster Instanz in Kamerun übertragen. 

Für diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im § 28 
des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichueten Strafsachen gelten. 

§ 14. In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz finden in 
Strafsachen die §§ 23 und 29 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit An- 
wendung, der § 23 mit der im § 8 Absatz 1 bezeichueten Maassgabe. 

Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt. 

Der nicht aut freiem Fuss befindliche Angeklagte hat Anspruch auf An- 
wesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte des Berufungsgerichts 
befindet. 

In den im § 13 Absatz 1 bezeichneten Sachen ist die Vertheidigung auch in 
der Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist die Anwesenheit 
des Vcrtheidigers erforderlich ; der § 145 der Strafprocessorduung findet Anwendung. 

Im übrigen verbleibt es bei den Vorschriften im § 40 des Gesetzes über die 
Konsulargerichtsbarkeit 

§ 15. Die Todesstrafe ist durch Erschicssen oder Erhängen zu Vollstreckern 

Der Gouverneur von Kamerun bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten 
in dem einzelnen Falle stattzufinden hat. 

§ 16. In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden 
das Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für 
Zeugen und Sachverständige, sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung. 


Digitized by Google 



Anhang 


287 


Die Vorschriften, welche an Stelle der bezeichnten Gesetze zu treten haben, 
werden von dem Reichskanzler erlassen. 

§ 17. Der Kigenthuroserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke 
regelt sich, soweit nicht in dieser Verordnung abweichende Bestimmungen getroffen 
sind, nach den Vorschriften des preussischen Rechts, insbesondere des Gesetzes 
über den Eigenthnmserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Berg- 
werke und selbstständigen Gerechtigkeiten vom 5. Mai 1872 (Gesetz-Samml. S. 433). 

§ 18. Die Auflassungserklärungen des eingetragenen Eigentümers und des 
neuen Erwerbers {§ 2 des Gesetzes über den Eigentbumserwerb vom 5. Mai 1872) 
können auch schriftlich erfolgen. Eine gleichzeitige Abgabe beider Erklärungen ist 
nicht erforderlich. 

§ 19. Die auf die Grundschuld und auf das Bergwerkseigenthum bezüglichen 
Vorschriften des Gesetzes über den Eigenthumserwerb, sowie die Grundbuchordnung 
vom 5. Mai 1872 bleiben ausser Anwendung. 

Die an Stelle der letzteren zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen 
V orschriftcn werden vom Reichskanzler erlassen. 

§ 20. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Grundstücke der Ein- 
geborenen keine Anwendung. Jedoch bleiben Grundstücke, welche in das Grund- 
buch eingetragen sind, den Bestimmmungen der §§ 17 bis 19 unterworfen, auch 
wenn sie in das Eigenthum eines Eingeborenen übergehen. 

§ 21. Die Voraussetzungen für den Erwerb von Grundstücken durch Ver- 
träge mit den Eingeborenen oder durch Besitzergreifung »on herrenlosem Land 
werden mit Genehmigung des Reichskanzlers von dem Gouverneur von Kamerun 
festgestellt. 

Die Eintragung der in dieser Weise erworbenen Grundstücke erfolgt auf Grund 
einer über den Eigenthumserwerb crtheilten Bescheinigung des obersten Beamten 
des Schutzgebiets oder eines von diesem hierzu bevollmächtigten anderen Beamten. 

Urkundlich unter Unserer Höcbsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Kaiserlichen Insiegel. 

Gegeben Marmor- Palais, den 2. Juli 1888. 

(L. S.) Wilhelm. 

von Bismarck. 


Dienstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit in den 
Schutzgebieten von Kamerun und Togo. 

Zur Ausführung der Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in 
den Schutzgebieten von Kamerun und Togo wird Folgendes bestimmt: 

§ 1. Personen, welche der Gerichtsbarkeit unterliegen- (Zu den 
§§ 2, 3 der Kaiserlichen Verordnung vom 2. Juli 1888.) Die Gerichtsbarkeit in 
den Schutzgebieten von Kamerun und Togo erstreckt sich nach zwei Richtungen 
auf einen weiteren Kreis von Personen, als die Konsulargerichtsbarkeit. Der ersteren 
sind unterworfen: 

1. nicht nur Reichsangehörige und Schutzgenossen, sondern auch Ausländer; 
ausgenommen sind nur Eingeborene (vgl. Verordnung vom 2. Juli 1888 § 3), so- 
weit sie nicht durch die von dem Gouverneur mit Genehmignng des Reichskanzlers 
zu treffenden Bestimmungen der Gerichtsbarkeit unterstellt werden; 

2. nicht nur alle Personen , welche im Schutzgebiet wohnen oder sieb dort 
aufhalten, sondern auch solche Personen, hinsichtlich deren, ohne dass sie dort 
Wohnsitz oder Aufenthalt haben, ein Gerichtsstand nach den zur Geltung kommenden 
Gesetzen begründet ist (z. B. in den Fällen der §§ 24, 29, 31, 32 der Civilprocess- 
ordnung). 

§ 2. Gerichtsbehörden. (Zu §5 des Gesetzes über die Konsulargerichts- 
barkeit; §§ 2, 3 No. 9 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen 
Schutzgebiete; §§ 4, 5 der Verordnung vom 2. Juli 1888.) 


Digitized by Google 


288 


Anhang 


1. Die Gerichtsbehörden erster Instanz haben in den von ihnen ansgehendeu 
Schriftstücken, 

a) sofern es sich um Geschäfte bandelt, welche unter Zuziehung der Beisitzer 
erledigt werden, die Bezeichnung als 

„Kaiserliches Gericht des Schutzgebietes von Kamerun“ bezw. -von Togo“ 

b) sofern es sich um Geschäfte handelt, welche von dem zur Ausübung der 
Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ohne Zuziehung von Beisitzern erledigt 
werden, die Bezeichnung als 

„Kaiserlicher Itichter des Schutzgebietes von Kamerun“ bezw. „von Togo“ 
anzuwenden. 

2. Die Gerichtsbehörde zweiter Instanz hat in den von ihr ausgehenden 
Schriftstücken 

a) in den unter la bezeicbneten Fällen (Verordnung vom 2. Juli 1888 § 8 
Absatz I, § 14 Absatz 1) die Bezeichnung als 

„Kaiserliches Obergericht der Schutzgebiete von Kamerun und Togo“ 

b) in den unter 1 b bezeicbneten Fällen die Bezeichnung als 

„Kaiserlicher Oberrichter der Schutzgebiete von Kamerun und Togo“ 

anzuwenden. 

3. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit sind ermächtigt : 

a) für die Gerichtsbehörde erster Instanz in Kamerun der Kanzler in Kamerun, 

b) für die Gerichtsbehörde erster Instanz in Togo der Kaiserliche Kommissar 
in Togo, 

c) für die Gerichtsbehörde zweiter Instanz der Gouverneur von Kamerun. 

Für den Fall der Behinderung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit er- 
mächtigten Beamten gilt der zur allgemeinen Vertretung desselben durch Anordnung 
des Reichskanzlers berufene Beamte auch als zur Ausübung der Gerichtsbarkeit 
ermächtigt. Es ist jedoch zu beachten, dass in der höheren Instanz kein Richter 
mitwirken darf, welcher in der unteren Instauz bei Erlassung der angefochtenen 
Entscheidung betheiligt war (Civilprocessordnung § 41 No. G, Strafprocessordnung 
§ 23 Absatz 1). 

Für den Fall , dass aus diesem Grund oder aus sonstigen Ursachen der all- 
gemeine Vertreter des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten an 
der Vertretung behindert ist, ist ein ausserordentlicher Vertreter zu bestellen. Die 
Bestellung erfolgt durch den Gouverneur von Kamerun. 

4. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten 
führen die Dienstaufsicht über die bei der betreffenden Gerichtsbehörde angestellten 
Beamten und regeln die Vertretung derselben im Falle der Behinderung. 

Die Dienstaufsicht über die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz 
ermächtigten Beamten wird durch den Gouverneur von Kamerun geübt. Die von 
den ersteren erlassenen allgemeinen Anordnungen, insbesondere über Zustellungen 
und Zwangsvollstreckungen, sind dem Gouverneur mitzutheilen. Derselbe kann die 
getroffenen Bestimmungen aufheben oder abändern, sowie selbst allgemeine An- 
ordnungen des Gezeichneten Inhalts auch für die Gerichtsbehörden erster Instanz 
erlassen. 

ü. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten sind befugt, 
geeigneten Personen die Erledigung einzelner zu ihrer Zuständigkeit gehöriger Ge- 
schäfte dauernd oder in bestimmten Fällen zu übertragen. Diese Befugniss erstreckt 
sich nicht auf die Urtheilsfällung, die Entscheidung über Durchsuchungen und Be- 
schlagnahmen und Verhaftungen, sowie auf die Ernennung und Beeidigung der 
Beisitzer und die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. — Im Falle einer dauernden 
L'ebertragung ist die beauftragte Person mittels Handschlags au Eidesstatt zur ge- 
treulicben Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten. Die dauernde Ueber- 
tragung hindert den Beamten nicht, jederzeit Geschäfte der betreffenden Art selbst 
wahrzunehmen. 

Der Beauftragte handelt im Namen der Gerichtsbehörde; derselbe ist in den 
betreffenden Schriftstücken als an Stelle des Beamten bandelnd zu bezeichnen. 

6. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten sind befugt, 
die Abhaltung von Gerichtstagen ausserhalb des Amtssitzes der Gerichtsbehörde 
anzuordnen. 


Digitized by Google 



Anhang. 


289 


§ 3. Beisitzer. (Zu den >t§ 7 bis 9 des Gesetzes über die Konsular- 
gericbtsbarkeit.) 

1. Die Worte, weiche der Vorsitzende bei der Beeidigung der Beisitzer an 
die zu Beeidigenden zu richten hat, lauten: 

„Sie schwören bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten 

eines Beisitzers des Kaiserlichen Gerichts des Schutzgebiets von 

(des Kaiserlichen Obergerichts der Schutzgebiete von Kamerun und Togo) 
getreulich zu erfüllen und Ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen 
abzugeben.“ 

2. Die auf Ernennung und Beeidigung der Beisitzer und deren Stellvertreter 
sich beziehenden Verhandlungen und Protokolle sind zu besonderen Acten zn nehmen. 

3. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten haben Namen, 
Stand und Staatsangehörigkeit der von ihnen ernannten Beisitzer und Stellvertreter 
dem Reichskanzler anzuzeigen. 

§ 4. Gerichtsschreiber. (Zu § 10 des Gesetzes über die Konsular- 
gerichtsbarkeit,) 

1. Als Gerichtsschreiber ist eine hierzu geeignete Person, welche am Amts- 
sitz des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten wohnen muss, 
von dem Letzteren zu bestellen. 

2. Der Gerichtsschreiber hat vor seinem Amtsantritt einen Eid dahin zu leisten: 

„Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, die Pflichten 
eines Gerichtsschreibers getreulich zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“ 

3. In dem Kalle, dass die Erledigung einzelner zur Zuständigkeit des zur 
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten gehörenden Geschäfte einer 
anderen Person übertragen wird (§ 2 No. 5), kann dieser auch die Bestellung des 
bei Erledigung des Geschäfts zuzuziehenden Gerichtsschreibers aufgetragen werden. 
Im Falle der dauernden Bestellung eines solchen Gerichtsscbreibers ist derselbe 
mittels Handschlags au Eidesstatt zur getreulichen Erfüllung seiner Obliegenheiten 
zu verpflichten. 

§ 5. Rechtsanwälte. (Zu § 11 des Gesetzes über die Konsulargerichts- 
bar k eit) 

1. Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten haben ein 
Verzeichniss der von ihnen zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassenen Per- 
sonen zu führen. 

2. Die Bedingungen der Zulassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft sind 
dem Ermessen des Beamten überlassen. Der Besitz der Reichsangehörigkeit ist nicht 
erforderlich. Wenn geeignete Personen mit juristischer Vorbildung nicht vorhanden 
sind, kann der Beamte unter Umständen auch aus anderen Berufsklassen zuver- 
lässige Personen, welche die nötbige Geschäftskenntniss besitzen, zur Ausübung 
der Rechtsanwaltschaft zulassen. Eine Beeidigung der Rechtsanwälte findet 
nicht statt. 

§ 6. Zustellungen. (Zu den §§ 6, 7 der Verordnung vom 2. Juli 1388). 

1. ln dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden der Schutzgebiete erfolgen 
die Zustellungen sümmtlieh auf Veranlassung der Gerichtsbehörde. 

Dies gilt sowohl von Zustellungen von Amtswegen ('s. No. 2) als von solchen 
auf Betreiben der Parteien (s. No. 3). Der Unterschied zwischen beiden Arten 
von Zustellungen beruht lediglich darin, dass die letzteren nur dann von der 
Gerichtsbehörde veranlasst werden, wenn die Partei einen auf die Bewirkung der 
Zustellung gerichteten Antrag gestellt hat, während es bei Zustellungen von Amts- 
wegen eines solchen Parteiantrags nicht bedarf. Zu dem Antrag einer Partei auf 
Bewirkung der Zustellung genügt, abgesehen von dem Gesuch um Bewilligung 
einer öffentlichen Zustellung (§ 187 der Civilprocessordnnng), eine mündliche Er- 
klärung. Ist das zuzustellende Schriftstück ein Schriftsatz oder eine sonstige von 
der Partei ausgehende Erklärung, so hat die Gerichtsbehörde nach Einreichung des 
Schriftstücks auch ohne ausdrücklichen Parteiantrag für die Zustellung Sorge zu 
tragen, wenn aus dem Inhalt des Schriftstücks hervorgeht, dass und wem es zuge- 
stellt werden soll. 

2. Von Amtswegen erfolgen: 

A) in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: die Zustellung der Abschrift der Be- 
rufungsschrift an die Gegenpartei, sowie die Zustellung aller gerichtlichen Ent- 
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpolitik. 19 


Digitized by Google 



290 


Anhang. 


Scheidungen, nicht btos (wie nach § 294 Abs. 3 der Civilprocessordnung) der nicht 
verkündeten, sondern auch der verkündeten (§ 7 Abs. 1 der Verordnung), insbe- 
sondere auch der Urtbeile. Ebenso «erden Zahlungs- und Vollstreckungsbefehle 
dem Gläubiger und dem Schuldner, und Beschlösse, durch welche eine Forderung 
gepfändet oder überwiesen wird, dem Gläubiger, dem Schuldner und dem Dritt- 
schuldner von Amtswegen zugestellt (Verordnung vom 2. Juli 1888, § 7 Abs. 1) 

Ausgenommen sind nur: 

a) Beschlüsse, welche lediglich die Process- und Sachleitung einschliesslich der 
Bestimmung und Aenderung von Terminen betreffen, insbesondere auch Beweis- 
scblüsse (§ 7 Abs. 2 der Verordnung); bei diesen genügt die Verkündung, und 
zwar ohne Rücksicht auf die Anwesenheit der Parteien bei derselben; 

b) Arrestbefeble; die Zustellung derselben an den Gläubiger erfolgt zwar 
ebenfalls von Amtswegen (§ 294 Abs. 3, § 809 Abs. 2 der Oivilprocessorduung), die 
Zustelluug an den Schuldner dagegen findet nur auf Antrag des Gläubigers statt 
($ 802 Abs. 2 daselbst), damit nicht durch vorzeitige Bek&nntgebung des ver- 
fügten Arrestes an den Schuldner die demnächstige Vollstreckung des Arrestes iu 
ihrem Erfolge gefährdet werde. Dieses Interesse des Gläubigers fällt jedoch weg, 
wenn derselbe mit dein Antrag auf Erlass des Arrestbefehls zugleich die Voll- 
streckung desselben, z. B. durch Bezeichnung des Arrestgegenstandes (der zu pfän- 
denden beweglichen Sachen oder Forderungen etc.) beantragt. In diesem Falle ist 
anzunehmen, dass mit dem Antrag auf Erlass des Arrestbefehls auch die Zu- 
stellung desselben beantragt sei, und demzufolge mit dem Arrestbefehl zugleich die 
Zustellung desselben und die betreffende Vollstreckungsmaassregel zu verfugen. 

B. in Strafsachen: alle Zustellungen mit Ausnahme der Zeugenladungen im 
Falle des § 219 der Slrafprocessordnung; 

C. im Concursverfahren : alle Zustellungen (§ 66 Abs. 2 der Ooncursordnung); 

D. in Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit: alle vom Gericht 
ausgehenden Zustellungen; jedoch ist hier eine förmliche Zustellung nur nothwendig, 
insofern es (z. B. wegen Beginnes einer Frist u. dgl.) einer Beurkundung der Zu- 
stellung bedarf (§ 1 Abs. 1 des preussischen Ausführungsgesetzes zur Civilprocess- 
ordnung). 

3. Auf Betreiben der Parteien erfolgen: 

A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Zustellung von Schriftsätzen Seitens 
einer Partei an die andere mit Ausnahme der Berufungsschrift (vgl. No. 2 A) 
und die Zustellung von Arrestbefehlen an den Schuldner (vgl. No. 2 A b); 

B. in Strafsachen: die Zustellung von Zeugenladungen im Falle des § 219 
der Strafprocessordnung. 

4. Auch in den Schutzgebieten besteht die Zustellung, wenn eine Ausfertigung 
zngestellt werden soll, in deren Uebergabe, in den übrigen Fällen in der Uebergabe 
einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks (§ 136 Abs. 1 der 
Civilprncessordnung). Die Beglaubigung kann aber hier in allen Fällen (nicht, wie 
nach § 156 Abs. 2 der Civilprocessordnung, nur bei Zustellungen von Amtswegen) 
durch den Gericbtsschreiber erfolgen (§ 7 Abs. 3 der Verordnung). Dor Gerichts- 
schreiber hat bei Zustellungen auf Betreiben der Parteien die erforderlichen Ab- 
schriften (§ 155 der Civilprocessordnung) auf Verlangen auch anzufertigen. 

5. Die Vorschriften über die Person, an welche die Zustellung zu erfolgen 
hat (§§ 157 bis 164 der Civilprocessordnung), sind auch in den Schutzgebieten zu 
beachten; jedoch tritt an Stelle der §§ 160, 161 der § 7 Abs. 6 der Verordnung. 

6. Die §§ 165 bis 181 der Civilprocessordnung finden in den Schutzgebieten 
keine Anwendung. An ihre Stelle treten die Anordnungen, welche von dem zur 
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten gemäss § 6 der Verordnung 
erlassen werden (vgl. § 2 No. 4). Diese Anordnungen können für eine einseine 
Zustellung mit Rücksicht auf die Umstände des Falls besonders oder allgemein für 
alle Fälle, in denen nicht etwas Abweichendes bestimmt wird, getroffen werden. 
Dieselben können sich beziehen auf die Personen, durch welche die Zustellungen 
zu bewerkstelligen sind, und die Uebermittelung der Aufträge an dieselben: auf 
Ort und Zeit der Zustellungen; auf diejenigen Personen, welchen an Stelle des 
Empfängers das zuzustellende Schriftstück bezw. die Abschrift desselben übergeben 
werden darf, wenn der Empfänger nicht angetroffen wird; auf das Verfahren, nenn 


Digitized by Google 



Auhaug. 


291 


keine Person angetroffen wird, an welche die Uebergabe bewirkt werden kann; auf 
den Nachweis der erfolgten Zustellung. Ein solcher Nachweis ist stets schriftlich 
zu den Akten zu bringen (§ 7 Abs. 7 der Verordnung). Bei den Anordnungen be- 
züglich der Form dieses Nachweises ist zu beachten, dass durch den letzteren fest- 
gestellt werden muss, welches Schriftstück in Ausfertigung oder Abschrift über- 
geben ist. 

7. Zustellungen, welche in einer bei einer Gerichtsbehörde in den Schutz- 
gebieten anhängigen Recbtsangelegenheit erforderlich werden, aber ausserhalb des 
Schutzgebietes, in welchem die Gerichtsbehörde ihren Sit/, hat, zu bewirken sind, 
erfolgen im Wege des Ersuchens (§ 6 Abs. 3 der Verordnung). 

8. Das Ersuchen ist zu richten; 

a) bezüglich einer im Deutschen Reiche zu bewirkenden Zustellung: an den 
Gerichtsschreiber des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Zustellung ausgeführt 
werden soll (§ 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes); 

b) bezüglich einer in einem anderen deutschen Schutzgebiet oder im Bezirk 
eines deutschen Konsulargerichts zu bewirkenden Zustellung an die Gerichtsbehörde 
des betreffenden Schutzgebietes bezw. an den betreffenden Konsul; hiernach ist 
insbesondere auch dann zu verfahren, wenn von einer der Gerichtsbehörden im 
Schutzgebiet von Kamerun eine Zustellung im Schutzgebiet von Togo oder von 
der Gerichtsbehörde des letzteren Schutzgebietes eine Zustellung im Schutzgebiet 
von Kamerun zu veranlassen ist; 

c) bezüglich einer in einem ausländischen Staate zu bewirkenden Zustellung 
an die in §§ 182 bis 181 der Civilprocessordnung bezeichneten Behörden uud 
Beamten. 

9. Die öffentliche Zustellung erfolgt in den bei den Gerichtsbehörden der 
Schutzgebiete anhängigen Rechtsangelegenbeiten nach den Vorschriften in §§ 186 
bis 189 der Civilprocessordnung. jedoch kann die Gerichtsbehörde bei Bewilligung 
der öffentlichen Zustellung einer Ladung anordnen, dass eine Einrückung in öffent- 
liche Blätter nicht erforderlich sei (§ 7 Abs. 5 der Verordnung,), ln einem solchen 
Falle gilt die Ladung als sugestellt, wenn seit der Anheftung des Schriftstücks 
an die Gerichtstafel zwei Wochen verstrichen sind (§ 189 Ab«. 2 der Civilprocess- 
ordnung). 

10. Die in § 190 der Civilprocessordnung bezüglich des Eintritts der Wir- 
kungen der Zustellung für Zustellungen mittelst Ersuchens anderer Behörden oder 
Beamten und für öffentliche Zustellungen gegebene Vorschrift ist durch § 7 Abs. 4 
der Verordnung auf alle Zustellungen ausgedehnt, welche in den bei den Gerichts- 
behörden der Schutzgebiete anhängigen Rechtsangelegenheiten auf Betreiben der 
Parteien erfolgen. 

11. Im Schutzgebiete zu bewirkende Zustellungen in einer bei einem deutschen 
Gericht anhängigen Rechtsangelegenheit erfolgen auf Ersuchen desselben durch die 
Gerichtsbehörde erster Instanz in der in No. 4 bis 6 bezeichneten Weise. Der zur 
Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte hat auf Grund des Nachweises 
der Zustellung (vgl. No. 6) das in § 185 Abs. 2 der Civilprocessordnung bezeich- 
nete Zustellungszeugniss auszustellen und nur dieses, nicht auch den Nachweis 
oder die sonst etwa bei der Gerichtsbehörde entstandenen Acten, dem ersuchenden 
Gerichte zu übersenden. 

§ 7. Zwangsvollstreckungen. (Zu den §§ 9, 10 der Verordnung vom 
2. Juli 1888.) 

1. Aus welchen Titeln eine Zwangsvollstreckung stattfindet, unter welchen 
Voraussetzungen insbesondere von den Gerichtsbehörden in den Scbulzgebieien er- 
lassene Urtheile vollstreckbar sind, bestimmt sich nach §§ 644 bis 661, 702 der 
Civilprocessordnung. 

2. Die Ertheilung der vollstreckbaren Ausfertigung (Civilprocessordnung 
§§ 662 ff.) einer von einer Gerichtsbehörde der Schutzgebiete erlassenen Entschei- 
dung, eines von derselben abgeschlossenen Vergleichs oder einer von derselben 
aufgenommenen Urkunde der in § 702 No. 5 der Civilprocessordnung bezeichneten 
Art kann erforderlich werden, wenn die Parteien dieselbe zum Zwecke einer Zwangs- 
vollstreckung ausserhalb des Schutzgebiets (s. unten No. 10, 11) beantragen. 

Die Krtbeilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt nach Maassgabe der 
§§ 662 bis 670 der Civilprocessordnung jedoch in allen Fällen (nicht blos in denen 

19 * 


Digitized by Google 



292 


Anhang. 


der §§ 666, 669) nur auf Anordnung de» zur Ausübung der Gerichtsbarkeit er- 
mächtigten Beamten (§ 10 der Verordnung). 

3. Die Zwangsvollstreckung innerhalb eines jeden der beiden Schutzgebiete 
ist in allen Fällen Sache der Gerichtsbehörde erster Instanz. Die Zwangsvollstreckung 
wird von dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten angeordnet 
(§ 9 der Verordnung). 

4. Der Gläubiger, welcher eine Zwangsvollstreckung iin Schutzgebiet bean- 
tragt, hat den Titel, aus welchem dieselbe erfolgen soll, nur dann vorzulegen, wenn 
sich der Titel nicht in den Acten der Gerichtsbehörde (No. 3) befindet. 

Die Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung liegt dem Gläubiger nicht 
ob, soweit diese Ausfertigung von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde 
(No. 3) zu ertheilen sein würde (§ 9 Abs. 1 der Verordnung). Die Beibringung 
ist danach insbesondere erforderlich, wenn zur Zeit der Stellung des Antrags der 
Rechtsstreit noch bei dem Obergericht in Kamerun anhängig ist (§ 662 Abs. 2 der 
Civilproeessordnung). 

5. In den Fällen, in welchen der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung 
nicht beizubringen hat (No. 4 Abs. 2), darf die Zwangsvollstreckung nur unter 
denselben Voraussetzungen angeordnet werden, unter welchen nach §§ 664, 065 
der Civilproeessordnung die Krtheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zulässig 
ist. Auf die Anordnung der Zwangsvollstreckung finden die Vorschriften über 
Anhörung des Schuldners, über die Klage auf Krtheilung der Vollstreckungsclauscl, 
über die Einwendungen gegen die letztere, über die Bemerkung der erfolgten E • 
theilung auf der Urschrift des Unheils (§§ 666 bis 668, 670 der Civilproeessordnung) 
entsprechende Anwendung. 

6. Die Vorschriften über den Beginn der Zwangsvollstreckung (§§ 671 bis 
673 der Civilproeessordnung) finden auf Zwangsvollstreckungen in den Schutz- 
gebieten mit der Maassgabe Anwendung, dass in den in No. 5 bezeichneten Fällen 
au Stelle der Vollstreckungsclausel (§ 671 a. a. 0.) die Anordnung der Zwangs- 
vollstreckung tritt. 

7. In den Schutzgebieten erfolgt die Ausführung der Zwangsvollstreckung auch 
in den Fällen, in welchen sie nach der Civilproeessordnung den Gerichtsvollziehern 
zugewieseu ist, durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ; 
derselbe kann mit der Ausführung audere Personen beauftragen, welche nach seinen 
Anweisungen zu verfahren haben (§ 9 Abs. 2 der Verordnung). Der Auftrag ist 
schriftlich zu ertheilen. Der schriftliche Auftrag tritt bei Anwendung der Vorschriften 
der §§ 675 bis 677 der Civilproeessordnung an die Stelle der vollstreckbaren Aus- 
fertigung. Die Vorschriften der §§ 678 bis 683 kommen nicht zur Anwendung: 
an ihre Stelle treten die Anweisungen, welche der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit 
ermächtigte Beamte den mit der Auslührung der Zwangsvollstreckung beauftragten 
Personen ertheilt hat. Bei Krtheilung dieser Anweisung ist dafür Sorge zu tragen, 
dass über jede Vollstreckungshandlung eiue schriftliche Nachricht zu den Acten ge- 
bracht wird. 

8. Die mit der Ausführung der Zwangsvollstreckung beauftragte Person (No. 7) 
bat die in der Civilprocesshandlung (§§ 712, 713, 716, 720 bis 725, 727, 746, 751, 
769 bis 771, 777) dem Gerichtsvollzieher zugewiesenen Befugnisse und Obliegen- 
heiten, soweit nicht durch die ihr ertbeilten Anweisungen (No. 7) etwas Anderes 
bestimmt wird. 

9. Auf die in den §§ 730, 739 und 744 der Civilproeessordnung vorgesehenen 
Zustellungen bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in Forderungen 
und andere Vermögensrechte finden die §§ 6, 7 (vgl. insbesondere § 7 Abs. 1) der 
Verordnung und § 6 dieser Anweisung Anwendung. Im Falle de» § 739 Ab». 3 
sind die Erklärungen des Drittschuldners stets an die Gerichtsbehörde zu richten. 

10. Soll im Deutschen Reich eine Zwangsvollstreckung auf Grund einer in 
den Schutzgebieten erlassenen Entscheidung oder einer dort aufgenommenen voll- 
streckbaren Urkunde erfolgen, so hat der Gläubiger sich eine vollstreckbare Aus- 
fertigung des Titels ertheilen zu lassen (vgl. No. 1, 2) und auf Grund derselben 
die Zwangsvollstreckung selbst zu betreiben. Ein Ersuchen an deutsche Gerichte 
Seitens der Gerichtsbehörde des Schutzgebietes findet nicht statt. Jedoch kann, 
soweit die Zwangsvollstreckung durch einen deutschen Gerichtsvollzieher zu be- 


Digitized by Google 



Anhang. 


293 


wirken ist, der Gläubiger zur Beauftragung desselben sieb der Vermittelung der 
Gerichtsbehörde bedienen, welche ihrerseits den Auftrag unter Beifügung der voll- 
streckbaren Ausfertigung dem Gerichtsschreiber desjenigen Amtsgerichts übersendet, 
in dessen Bezirk der Auftrag ausgeführt werden soll (§ 674 Abs. 2 der Civilprocess- 
ordnung; § 162 des Gerichtsverfassungsgesetzes). 

11. Soll die Zwangsvollstreckung aus einem der in No. 10 bezeichneteu Titel 
in einem anderen deutschen Schutzgebiet erfolgen, so hat die Gerichtsbehörde 
erster Instanz auf Antrag des Gläubigers die Gerichtsbehörde des betreffenden 
Schutzgebietes um die Zwangsvollstreckung zu ersuchen (§ 700 Abs. 2 der Civil- 
processordnung). Diese Bestimmung findet auch im Verhältniss der Schutzgebiete 
von Kamerun und Togo zu einander Anwendung. 

In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Zwangsvollstreckung im Bezirk 
eines deutschen Konsulargerichts erfolgen soll; jedoch ist dem an den Konsul zu 
richtenden Ersuchungsschreiben eine vollstreckbare Ausfertigung beizufügen. * 

12. Mit der Zwangsvollstreckung, welche aus einem der iu No. 10 bezeichneteu 
Titel in einem ausländischen Staat erfolgen soll, hat die Gerichtsbehörde sich nicht 
zu befassen, deren Betrieb vielmehr dem Gläubiger zu überlassen. 

13. Ersucht ein deutsches Gericht gemäss § 700 Abs. 2 der Civilprocess- 
ordnung um Bewirkung einer Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet, so ist dieselbe 
auf Grund des Ersuchens anzuordnen, ohne dass die Vollstreckbarkeit nachzupnifen 
ist. Die Vollstreckung erfolgt in der in No. 7 bis 9 bezeichneteu Weise. 

§ 8. Bestimmungen für Strafsachen. (Zu den §§ 1 1 bis 15 der Ver- 
ordnung vom 2. Juli 1888 und §21 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit.) 

1. Die Verfügung, durch welche der Angeklagte vom Erscheinen in der 
Hauptverhandlung entbunden wird (§ 12 der Verordnung) kann, wenn sie von 
Amtswegen erfolgt oder ein bezüglicher Antrag von dem Beschuldigten schon vorher 
gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Hauptverhandlung 
an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Ausübung der 
Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten erlassen Derselbe hat dabei zu prüfen, ob 
die im § 12 der Verordnung bezeichncten Voraussetzungen vorliegen. Erscheint in 
der Hauptverbandlung nach Ansicht des Gerichts die Verhängung einer höheren 
Strafe als der im § 12 bestimmten angezeigt, so muss die Verhandlung vertagt 
und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vorgeführt 
werden. 

Unter allen Umständen muss, wenn ohne die Anwesenheit des vom Eischeinen 
entbundenen Angeklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche 
Vernehmung nicht schon im Vorverfahren erfolgt ist, durch einen ersuchten oder 
beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung vernommen weiden 
(Strafprocessordnung § 232 Abs. 2, 3). Nötigenfalls ist diese Vernehmung nach 
Maassgabe des § 2 No. 5 dieser Anweisung einer anderen geeigneten Person zu 
übertragen. Für das im § 231 der Strafprocessordnung vorgesehene Ungehorsams- 
verfahren bedarf es hingegen einer vorgängigen richterlichen Vernehmung des An- 
geklagten nicht. 

2. das Verfahren in den durch § 13 der Verordnung für beide Schutzgebiete 
dem Gericht erster Instanz in Kamerun übertragenen Schwurgerichtssachen regelt 
sich nach den Vorschriften, welche für die im § 28 des Gesetzes über die Konsular- 
gerichtsbarkeit bezeichneteu Strafsachen gelten. Es findet daher auch der § 9 des 
bezeichneteu Gesetzes Anwendung, wonach in dem Falle, dass die Zuziehung von 
vier Beisitzern nicht ausführbar ist, die Zuziehung von zwei Beisitzern genügen 
soll. Dieser Fall wird auch dann als gegeben anzusehen sein, wenn in Folge der 
Zuziehung von vier Beisitzern in erster Instanz nach Lage der Verhältnisse keine 
ausreichende Zahl von Beisitzern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungs- 
instanz verwendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 5 der Verordnung) eine Ver- 
minderung der Zahl von vier Beisitzern unter keinen Umständen gestattet ist, die 
Personen aber, welche in erster Instanz als Beisitzer mitgewirkt haben, von der 
Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind. 

3. ln Schwurgericbtssacben muss der Angeklagte sowohl in der ersten, als 
in der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprocessordnung § 140 Abs. 1, 
Verordnung vom 2. Juli 1888 § 14 Abs. 4). In diesen Sachen und ebenso in 


Digitized by Google 



204 


Anhang 


den Fällen, in welchen nach § 140 Aba. 2 der Sirafprocessordnung die Vertheidi- 
(Hing eine nothwendige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Vertheidiger noch 
nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald das Haupt- 
verfabren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der Rechtsanwalt- 
schaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer Gerichts- 
eingesessener zu bestellen. 

4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den 
§§ 36 bis 40 des Gesetzes ober die Konsulargericbtsbarkeit und in den §§ 5 und 
14 der Verordnung vom 2. Juli 1888 etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften 
des dritten Abschnitts im dritten Buch der Strafprorestordnung Anwendung. Da 
die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht stattfindet, so erfolgt im Falle der 
Einlegung der Berufung die (Jebersendung der Acten (Strafprocessordnung § 362 
Gesetz über die Konsulargericbtsbarkeit § 39) unmittelbar an das Obergericbt. 

• 5. Soweit nach der Vorschrift des § 420 der Strafprocessordnung vor Er 

hebung der Privatklage wegen Beleidigungen nachgewiesen werden muss, dass die 
Sübne erfolglos versucht worden, ist für diesen Vergleichsversucb der zur Ausübung 
der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte zuständig. Derselbe kann mit der Vor- 
nahme solcher Versuche andere Personen allgemein oder im einzelnen Falle beauftragen. 

Erscheint der Beschuldigte in dem zur Sühneverhandlung bestimmten Termine 
nicht, so wird angenommen, dass er sich auf die Sühneverhandlung nicht einlassen 
wolle. — Eine Bescheinigung über die Erfolglosigkeit der Sühneverhandlung kann 
nur ertheilt werden, wenn der Antragsteller im Termine erschienen ist. Kommt 
im Termin ein Vergleich zu Stande, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen. 

§ 9. Kostenwesen. (Zu § 16 der Verordnung vom 2. Juli 1888.) 

1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprocessordnung, die Concurs- 
ordnung oder die Strafprocessordnung Anwendung finden, werden die wirklich auf- 
gewendeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen, 
sowie die Tagegelder und Reisekosten der Gerichtsbeamten werden in jedem ein- 
zelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben festgesetzt. 

Ausserdem werden in den bezeichnten Rechtssachen Gebühren nach Maass- 
gahe des angebängtm Tarifs erhoben. 

Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher haare Auslagen 
verbunden sind, kann, in Strafsachen jedoch nur, soweit os sich um das Verfahren 
anf erhobene Privatklage bandelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung 
der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der 
Zwangsvollstreckung (§ 7 No. 7 dieser Anweisung) kann in allen Fällen von der 
vorgängigen Zahlung eines solchen Vorschusses abhängig gemacht werden. 

In bürgerlichen Recbtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit 
es sich um ein gebührenpflichtiges Verfahren handelt, der Antragsteller zur Zahlung 
eines entsprechenden Gebührenvorscbusses verpflichtet werden. 

Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist Derjenige, weichem 
durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegl sind, oder 
welcher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben 
mitgetheilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners 
ist derjenige, welcher das Verfahren beantragt hat, Schuldner der entstandenen 
Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschiessender Beträge 
(Abs. 3 und 4) bleibt bestehen, wenn auch die Kosten des Verfahrens einem An- 
deren auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind. 

2. In den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht 
gehören, werden vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Absätzen, Kosten 
nur nach Maassgabe der Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Gebühren und 
Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, vom 1. Juli 1872 (Reichs- 
Gesetzbl. S. 245) erhoben. 

Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der gesetzlichen Vormundschaft, ist von 
dem Kapitalbetrag des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormundschaft 
erstreckt, insofern dasselbe über 150 M beträgt, zn erheben: 

a) von je 50 .// des Betrages bis zn 300 .<5f, 

h) von je 100 M des Mehrbetrages bis zu 600 M, 

c) von je 150 .// des Mehrbetrages bis zu 1500 M, 

d) von je 300 M des Mehrbetrages 50 Pfennige. 


Digitized by Google 



Anhang. 


295 


3. Der Ansatz der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde 
der Instanz. 

Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichtsbehörden 
erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt. 

§ 10. Geschäftsgang. 

1. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. 

2. Jeder zur Ausübung der Gerichtsbarkeit von dem Reichskanzler ermächtigte 
Beamte hat demselben am Schluss des Geschäftsjahres eine Geschäftsübersicht ein- 
zureichen. Die Berichte der Gerichtsbehörden erster Instanz sind durch Vermitte- 
lung des Gouverneurs von Kamerun einzureichen. 

3. Der Geschäftsverkehr mit Behörden und Beamten ausserhalb des Schutzgebietes 
erfolgt ausschliesslich durch die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten. 

§ II. Besondere Bestimmung für das Schutzgebiet von Kamerun. 
In dem Schutzgebiet von Kamerun bedürfen die Anordnungen des zur Ausübung 
der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten der Zustimmung des Gou- 
verneurs, soweit sie betreffen: 

1. die dauernde Uebertragung einzelner richterlicher Geschäfte auf andere 
Personen (§ 2 No. 5); 

2. die Ernennung von Beisitzern (§ 3); 

3. die Bestellung und Entlassung von ständigen Gerichtsschreibern (§ 4); 

4. die Zulassung von Rechtsanwälten (§ 5); 

5. die allgemeine Beauftragung von Personen mit der Vornahme von Sübne- 
versucben (f 8 No. 5). 

Berlin, den 7. Juli 1888. Der Reichskanzler. 

In Vertretung: Graf Bismarck. 

A nlage. 

Tarif für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechts- 
streitigkeiten, Conenrssaohen und Strafsachen. 

I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. 

Eine Gebühr wird erhoben: 

1. für das Verfahren in erster Instanz; 

2. für das Verfahren in der Berufungsinstanz: 

3 für die Ausführung der Zwangsvollstreckung. 

Die Erhebung der Gebühr erfolgt nach dem Wertbe des Streitgegenstandes, 
im Palle der No. 3 nach dem Werthe des zur Zwangsvollstreckung stehenden An- 
spruches. Kür die Wertbsberechnung sind die Vorschriften der Civilprocessordnung 
§§ 8 bis 9 und der Concursordnung § 136 maassgebend. Bei nicht vermögens- 
rechtlicben Ansprüchen wird der Werth zu 2000 UP, ausnahmsweise niedriger oder 
höher, jedoch nicht unter 200 M und nicht über 50 000 .// angenommen. 

1. Verfahren in erster Instanz. 

A. Soweit das Verfahren durch Endurtbeil erledigt ist, werden erhoben: 

a) von einem Streitgegenstand bis zum Betrage von 150 M einschliesslich — 
von jeder Mark 10 ,t&; 

b) von dem Mehrbeträge bis zu 1500 M einschliesslich — von jeder Mark 5 ij; 

c) von dem Mehrbeträge — von jeder Mark l »4- 

Die im vorhergehenden Absätze bezeichneten Sätze ermässigen sich auf die 
Hälfte, wenn die Erledigung durch Versäumnissurtheil oder durch ein auf Grund 
Anerkenntnisses oder Verzichts erlas-enes Unheil erfolgt ist. 

B. Soweit nach Erhebung der Klage das Verfahren in anderer Weise erledigt 
ist, wird die Gebühr nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über 
die in No. I A, Schlussabsatz, bezeichneten Sätze hinaus, bestimmt. 

2. Verfahren in der Berufungsinstanz. 

A. Soweit das Verfahren durch Endurtbeil erledigt ist, wird die um ein 
Viertheil erhöbt« Gebühr unter 1 A erhoben. 

B. Soweit nach Zustellung der Beiufungsschrift das Verfahren in anderer 
Weise erledigt ist, findet die Vorschrift unter 1 B mit der Maassgabe Anwendung, 


Digitized by Google 



296 


Anhang. 


dass die Gebühr nicht die 11 m ein Vierthei! erhöhten Sätze unter 1 A, Schluss* 
ahsatz, übersteigen darf. 

3. Ausführung der Zwangsvollstreckung. 

Für das Verfahren von dem Beginn der Ausführung einer Zwangsvollstreckung 
(§ 7 No. 7 dieser Anweisung) bis zu der durch die betreffende Handlung und die 
aus ihr sieb ersehenden weiteren Vollstreckungshandlungen zu erlangenden Be- 
friedigung des Gläubigers wird die Gebühr unter 1 A, Schlussabsatz, erhoben. 

Die Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über 
die Hälfte der im vorhergehenden Absatz bezeichneten Sätze, bestimmt, soweit das 
Verfahren : 

a) durch Zurücknahme des Antrags oder durch Leistung an die Person, 
welche die Zwangsvollstreckung ausführt, erledigt, oder 

b) zufolge der Vorschrift des § 691 der Civilprocessordnung eingestellt oder 
beschränkt und demnächst nicht fortgesetzt, oder 

c) wegen Mangels eines geeigneten Gegenstandes ohne Erfolg geblieben ist. 

II. Concnrssachen. 

Kür das Concursverfahren wird erhoben: 

1. wenn dasselbe auf Grund der Scblussvertteilung aufgehoben ist, die Ge- 
bühr unter I 2 A, 

2. wenn dasselbe auf Grund eines Zwangsvergleichs aufgehoben, oder wenn 
es eingestellt ist. die Hälfte dieser Gebühr. 

Die Gebühr wird nach dem Betrage der Aktivmasse erhoben. Auf die Werths- 
festsetzung findet der § 3 der Civilprocessordnung entsprechende Anwendung. 

III. Strafsachen. 

I Für das Verfahren auf erhobene Privatklage werden in erster Instanz erhoben: 


a) wenn das Verfahren vor Beginn der Hauptverbandlung erledigt ist 10 .//, 

b) wenn nach Beginn der Hauptverhandlung Einstellung des Ver- 
fahrens erfolgt ist 20 .//, 

c) wenn ausser dem Falle unter b) die Instanz durch Urtbeil been- 
digt ist 50 M. 

Dieselben Sätze sind für die Berufungsinstanz zu erbeben. 


2. In anderen Strafsachen wird nach rechtskräftig erkannter Strafe eine Gebühr 
für das gesammtc Verfahren einschliesslich der Berufungsinstanz erhoben. Der 
Betrag der Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über 
500 . f/, festgesetzt. 

Verfügung des Reichskanzlers, betreffend die Führung der Grund- 
bücher und das Verfahren in Grundbuchsaehen in den Schutzgebieten 
von Kamerun und Togo. 

Für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo wird auf Grand des § 19 der 
Kaiserlichen Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von 
Kamerun und Togo, vom 2. Juli d. J. (Reichs- Gesetzbl. S. 211) das Folgende verfügt: 
1. Einrichtung der Grundbücher. 

§ 1. Für jedes der beiden Schutzgebiete wird ein Grundbuch angelegt, in 
welches die durch Nichteingeborene erworbenen Grundstücke eingetragen werden. 

§ 2. Die tirundbücher werden nach dem Formular in Anlage A 1 ) eingerichtet 

jedes Grundstück erhält ein eigenes Grundbuchblatt. Es kann jedoch für 
mehrere in demselben Gruudbuchbezirk liegende Grundstücke desselben Eigen- 
tümers ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt angelegt werden, wenn daraus nach 
dem Ermessen der Grundbucbbebörde keine Verwirrung zu besorgen ist. 

Die Grundbuchblätter eines Grandbuchs erhalten fortlaufende Nummern nach 
dem Zeitpunkt der Anlegung. 

§ 3. Jedes Grundbuchblatt besteht aus einem Titel und drei Abtbeilungen. 

*) Ueber die Anlagen cfr. Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in 
den Schutzgebieten von Kamerun und Togo etc. Carl Heymanns Verlag. Berlin. 


Digitized by Google 



Anhang. 


297 


Der Titel giebt in der ersten Hauptspalte an: 

1. Die Bezeichnung des Grundstücks nach Lage und Begrenzung, nach seinem 
etwaigen besonderen Namen und sonstigen Kennzeichen unter Bezugnahme auf die 
bei den Grundacten befindliche Karte (§§ 21, 36), sowie thunlichst die Kigenschaft 
des Grundstücks nach Kultur und Art der Benutzung; 

2. die Grösse des Grundstücks. 

Die für die Bezeichnung des Grundstücks nach dem Steuerbuch bestimmte 
Unterspalte ist vorläufig noch offen zu lassen. 

Sind mehrere Grundstücke in demselben Grundbuchhlatt vereinigt, so sind 
dieselben unter fortlaufenden Nummern gesondert in der ersten Hauptspalte auf- 
zuführen. 

Hie zweite Hauptspalte ist zu Abschreibungen bestimmt. 

§ 4. In die erste Spalte der ersten Abtbeilung ist einzutragen: 

der Eigentümer nach Vor- und Zunamen, nach Stand, Gewerbe oder 
anderen unterscheidendeu Merkmalen, Wohnort oder Aufenthaltsort; eine 
juristische Person nach ihrer gesetzlichen oder in der Verleihungsurkunde 
enthaltenen Benennung: eine Handelsgesellschaft. Aktiengesellschaft und 
Genossenschaft unter ihrer Firma und Bezeichnung des Orts, wo sie ihren 
Sitz hat; 

in die zweite Spalte: 

das Datum der Eintragung, der Kechtsgrund derselben (Auflassung, 
Testament, Erbbescheinigung, Bescheinigung des obersten Beamten nach 
§ 21 Abs. 2 der Verordnung vom 2. Juli 1888 u. dgl. m.), sowie die 
Vermerke über Zuschreibungen ; 
in die dritte Spalte: 

auf Antrag des Eigentbümers der Erwerbspreis oder die Schätzung des 
Werths nach einer öffentlichen Taze und bei Gebäuden die Feuer- 
versicherungssumme mit Angabe des Tages der Versicherung. 

§ 5. In die erste Hauptspalte der zweiten Abtheilung werden eingetragen: 

1. dauernde Lasten und wiederkehrende Geld- und Naturalleistungen, welche 
auf einem privatrechtlichen Titel beruhen: 

2. die Beschränkungen des Eigenthums und des Verfügungsrechts des Eigen- 
tümers. 

ln die zweite Hauptspalte .Veränderungen“ werden alle Veränderungen ein- 
getragen, welche die in der ersten Hauptspalte vermerkten Rechte und Beschrän- 
kungen erleiden. 

Ist ein in der ersten Hauptspalte eingetragenes Recht aufgehoben , so erfolgt 
die Löschung in der Hauptspalte .Löschungen“ ; die Löschung einer Veränderung 
wird unter der zweiten Hauptspalte in der Nebenspalte .Löschungen“ bewirkt. 

§ 6. In die erste Hauptspalte der dritten Abtheilung werden die Hypotheken 
eingetragen. 

ln die zweite Hauptspalte »Veränderungen“ sind alle Veränderungen (Ueber- 
tragungen, Verpfändungen etc.) der in der ersten Hauptspalte eingetragenen Posten 
sowie etwaige Beschränkungen des Verfügungsrechts über dieselben zu vermerken. 

Die Nebenspalte »Löschungen“ in der zweiten Hauptspalte ist für die Löschung 
der Veränderungen, die Hauptspalte .Löschungen“ zur Löschung der in der ersten 
Hauptspalte eingetragenen Posten bestimmt. 

§ 7. Für jedes Grundbuchblatt werden besondere Gruudacten gehalten. 

§ 8. Die Einsicht der Grundbücher und Grundacten ist Jedem gestattet, 
welcher nach dem Ermessen des Vorstehers der Grundbuckbebörde ein rechtliches 
Interesse dabei bat. 

II. Zuständigkeit und Verfahren. 

§ 9. Die Bearbeitung der Grundbuchsachen gehört zur Zuständigkeit der mit der 
Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten (Grundbuchrichter). 

§ 10. Der Grundbuchrichter verfährt, soweit nicht etwas Anderes vorge- 
schrieben ist, nur auf Antrag. 

Die Anträge werden mündlich bei dem Grundbuchrichter angebracht oder 
schriftlich eingereicht. Mündliche Anträge auf Eintragungen oder Löschungen sind 
von dem Grundbuchrichter aufzunehtnen. 


Digitized by Google 



298 


Anhang. 


§ 11. Schriftliche, zu einer Eintragung oder Löschung erforderlichen Anträge 
und Urkunden, sowie die Vollmachten von Personen, welche als Bevollmächtigte 
Anträge stellen oder Erklärungen abgeben, müssen gerichtlich oder notariell aufge- 
uomtnen oder beglaubigt sein. Jedoch bedürfen schriftliche Anträge, welchen die 
beglaubigten Urkunden beiliegen, in denen die Betheiligten die beantragte Ein- 
tragung oder Löschung schon bewilligt haben, keiner besonderen Beglaubigung. 

Der Aufnahme eines besonderen Protokolls über die Beglaubigung oder der 
Zuziehung von Zeugen bedarf es nicht. 

§ 12. Urkunden und Anträge der öffentlichen Behörden der Schutzgebiete, 
des Reichs oder eines Bundesstaats bedürfen, wenn sie ordnungsmässig unter- 
schrieben und untersiegelt sind, keiner Beglaubigung. 

§ 13. Sind die zur Eintragung oder Löschung erforderlichen Urkunden oder 
Vollmachten von einer ausländischen Behörde ausgestellt oder beglaubigt, und ist 
die Befugniss dieser Behörde zur Ausstellung öffentlicher Urkunden nicht dnrch 
.Staatsverträge des Lteuischen Reichs verbürgt, oder sonst dem Grundbucbamt be- 
kannt, so muss die Befugniss der ausländischen Behörde zur Aufnahme des Actes 
und deren Unterschrift auf gesandtscbaftlichem oder konsularischem Wege festge- 
stellt werden. 

§ 14. Die Anträge sowohl als die Urkunden sind genau mit dem Zeitpunkt 
des Einganges bei der Grundbuchbehörde zu versehen. 

Dieselben bleiben, soweit nicht etwas Anderes vorgesebrieben ist, in Urschrift 
oder in beglaubigter Abschrift bei den Grundacten. 

§ 15. Die Verfügungen auf die Anträge sind vom Grundbuchrichter zu 
erlassen. 

Die auf Grund der Verfügungen vorzunehmenden Eintragungen könueu von 
dem Gerichtsschreiber als Gruudbuchführer ausgeführt werden, ln diesem Falle soll 
die Verfügung den Inhalt der Eintragung wörtlich augeben. 

§ IR. Bei allen Einschreibungen in das Grundbuch ist der Tag der Ein- 
schreibung anzugeben', die in die zweite und dritte Abtbeilung einzutragenden 
Posten sind in jeder Abtheilung mit fortlaufenden Nummern zu versehen. Die 
Einschreibungen sind im Grundbuch von dem Grundbuchrichter und, sofern sie 
von dem Grundbuchführer vorgenommen sind, auch von diesem zu unterzeichnen. 

§ 17. Der Grundbucbrichter hat die Rechtsgültigkeit der vollzogenen Auf- 
lassung. Eintragungs- oder Löscbungsbewilligung nach Form und Inhalt zu prüfen. 

Ergiebt die Prüfung für die beantragte Eintragung oder Löschung ein Hin- 
demiss, so bat der Grundbuchrichter dasselbe dem Antragsteller bekannt zu machen. 

§ 18. Bei mehreren Eintragungsgesuehen für dasselbe Grundstück erfolgt 
die Eintragung in der durch den Zeitpunkt der Vorlegung der Gesuche bei der 
Grundbuchbehörde bestimmten Reihenfolge und aus gleichzeitig vorgelegten Ge- 
suchen zu gleichem Recht, wenn nicht in denselben eine andere Reihenfolge be- 
stimmt ist. 

Werden mehrere Auflassungserklärungen desselben Eigentümers zu Gunsten 
verschiedener Personen vorgelegt, bevor auf eine derselben eine Eintragung erfolgt 
ist, so unterbleibt die Eintragung bis zur Erledigung des Widerspruches. 

§ 19. In den Fällen, in welchen der Erwerb des Eigenthums an Grund- 
stücken eine Auflassungserklärung des bisher eingetragenen Eigenthümers nicht 
voraussetzt, kann der Eigentümer von dem Grundbuchrichter durch Geldstrafen 
bis zu je 150 .// zur Eintragung seines Eigenthums angehalten werden, wenn ein 
dinglich oder zu einer Eintragung Berechtigter dieselbe beantragt. 

Bestreitet der angebliche Eigentümer die Thatsachen, welche zur Begründung 
des Antrages geltend gemacht sind, so ist der Antragsteller auf den Prozessweg zu 
verweisen. 

§ 20. Die Eintragung des Eigenthümers ist dem bisher eingetragenen Eigen- 
tümer und den aus dem Grundbuch ersichtlichen dinglich Berechtigten bekannt 
zu machen. 

§ 21. Wenn ein Grundstück, welches von einem eingetragenen Grundstück 
abgezweigt werden soll, auf ein anderes Blatt zu übertragen ist, so muss das ein- 
zutragende Grundstück nach den im § 3 bestimmten Merkmalen unter Beifügung 
einer, die Lage und Grösse des Grundstücks in beglaubigter Form ergebenden 
Karte bezeichnet werden. 


Digitized by Google 



Anhang. 


299 


§ 22. Soll die Abtretung einer Hypothek im Grundbuch eingetragen werden, 
so ist mit der Abtretungserklärung die Hypothekenurkunde vorzulegen. 

Die Abtretungserklärung muss den Namen des einzutr&genden Erwerbers der 
Hypothek enthalten. Der Annahmeerklärung desselben bedarf es nicht. 

Die Eintragung der Abtretung wird auf der Hypotbekenurkunde vermerkt und 
dieser Vermerk mit der Unterschrift und dem Siegel der Grundbuchbehürde ver- 
sehen. 

§ 23. Erfolgt eine Theilabtretung, so ist von der Hypothekenurkunde eine 
gerichtlich oder notariell beglaubigte Abschrift anzufertigen und zugleich auf die 
Haupturkunde der Vermerk, welcher Theil der Hypothek abgetreten, und auf die 
beglaubigte Abschrift der Vermerk, für wen und über welchen Theil derselben die 
Abschrift gefertigt ist, zu setzen. 

Soll die Theilabtretung eingetragen werden, so sind die Uaupturkunde und 
die beglaubigte Abschrift der Grundbuchbehörde vorzulegen und ist die Eintragung 
der Abtretung gemäss § 22 auf beiden Urkunden und ausserdem neben dem Ein- 
tragungsvermerk auf der Haupturkunde zu vermerken: 

Noch gültig auf (mit Angabe der Summe). 

§ 24. Die Vorschriften des § 22 finden entsprechende Anwendung, wenn 
eine Hypothek auf andere Weise erworben, oder wenn sie verpfändet wird. 

§ 25. Vormerkungen werden in der ersten Hanptspalte der zweiten Ab- 
tbeilung eingetragen, wenn durch dieselben das Recht eines Erwerbers auf Auf- 
lassung oder auf Eintragung eines Eigenth umsüberganges oder auf ein in diese 
Abtheilung einzutragendes Recht, — in der ersten Hauptspalte der dritten Ab- 
theilung, wenn durch sie das Recht auf eine Hypothek gesichert vrerden soll. 

ln gleicher Weise ist bei Vormerkungen zur Sicherung der Löschung einge- 
tragener Rechte zu verfahren. 

Die endgültige Eintragung an der Stelle einer Vormerkung erfolgt mit Be- 
willigung dessen, gegen welchen die Vormerkung gerichtet war, oder auf Vorlegung 
einer rechtskräftigen, richterlichen Entscheidung, durch welche derselbe zur Be- 
willigung der Eintragung oder zur Bestellung des Rechts verurtbeilt ist. 

§ 26. Die Löschung der Eintragungen in der zweiten und dritten Abtheilung 
darf, sofern nicht die Löschung von Amtswegen vorgesebrieben ist, nur auf Antrag 
des im Grundbuch eingetragenen Eigentbümers des Grundstücks oder auf Ersuchen 
einer zuständigen Behörde erfolgen. 

§ 27. Zur Begründung des Löschungsantrages einer in der zweiten Ab- 
tbeilung eingetragenen Last genügt die von dem Eigenthümer vorzulegende Löschungs- 
hewilligung des eingetragenen Berechtigten oder dessen Rechtsnachfolgers. 

§ 28 Zur Begründung des Antrages des Eigentümers, eine Hypothek zu 
löschen, gehört entweder 

1. die von dem Gläubiger eitheilte Quittung oder Löschunssbewilligung, oder 

2. der Nachweis der rechtskräftigen Verurtheilung des Gläubigers, die Löschung 
zu bewilligen, oder 

3. der Nachweis der eingetretenen Vereinigung (Konfusion oder Konsolidation). 

Mit dem Anträge muss die über die Eintragung ausgefertigte Urkunde oder 

das rechtskräftige Erkenntniss, durch welches die Urkunde nach erfolgtem Aufgebot 
für kraftlos erklärt worden ist, vorgelegt werden. 

§ 29. Die Löschung einer Post wird von der Grundbuch-Behörde auf der 
Urkunde vermerkt. 

Bei Löschung der ganzen Post wird ausserdem die Urkunde durch Zerschneiden 
vernichtet. 

Bei der Löschung eines Theils der Post wird der zu löschende Theil von 
dem ausgeworfenen Geldbetrag abgeschrieben und diese Theillüschung auf der 
Urkunde vermerkt. 

§ 30. Eine aus Versehen des Grundbucbamts gelöschte oder bei Ab- und 
Umschreibungen nicht übertragene Post ist auf Verlangen des Gläubigers oder von 
Amtswegen mit ihrem früheren Vorrecht wieder einzutragen. Diese Wiederein- 
tragung wirkt jedoch nicht zum Nachtheil Derjenigen, die nach der Löschung Rechte 
an dem Grundstück oder auf eine der gelöschten gleich- oder nachstehende Post 
in redlichem Glauben erworben haben. 


Digitized by Google 



300 


Anhang. 


UI. Von derBilduug der Urkunden über Eintragungen im Grundbuch. 

§ 81. Der Eigentümer kann jederzeit eine beglaubigte Abschrift des voll- 
ständigen Grundbuchblatts seines Grundstücks, oder des Titels und der ersten Ab- 
theilung verlangen. 

§ 32. Ueher die Eintragung einer Vormerkung über Eintragungen in der 
zweiten, Veränderungen und Löschungen in der zweiten und dritten Abtheilung 
erhallen die Betheiligten und die Behörde, welche die Eintragung nachgesucht hat, 
von der Grundbuchbehörde eine Benachrichtigung, welche die Eintragungsformel wört- 
lich enthält. Zu den Betheiligten gehört immer der eingetragene Kigenthümer. 

§ 38. Ueber die Eintragungen der Hypotheken werden Hypothekenbriefe 
ausgefertigt. Mit dem Hypothekenbrief wird die Schuldurkunde durch Schnur und 
Siegel verbunden. 

Ein Verzicht auf die Ausfertigung des Hypothekenbriefs ist zulässig. In 
diesem Kall erhalten die Kigenthümer und der Gläubiger eine Benachrichtigung 
nach Vorschrift des § 32. 

§ 34. Der Hypothekenbrief besteht aus der Ueberschrift, dem vollständigen 
Eintragungsvermerk detjenigen Post, für welche er ausgefertigt wird, den für die 
Prüfung der Sicherheit der Post erheblichen Nachrichten aus dem Grundbuchblalt 
und der Unterschrift der Grundbuchbehörde mit Datum und Siegel. 

Derselbe wird nach Formular B ausgefertigt. 

§ 35. Die bei einer Hypothek eingetragenen Veränderungen und Löschungen 
werden von der Grundbucbbehörde auf dem Hypothekenbrief unter Beifügung des 
Siegels vermerkt. 

IV. Schlussbestuninungeu. 

§ 36. Die erste Anlegung des Grundbuchblatts erfolgt auf Antrag des Eigen- 
thümers. Derselbe kann zur Stellung des Antrags nur in den Fällen des § 13 
dieser Verfügung angehaUen werden. 

In dem Antrag ist das eiuzutragende Grundstück nach den in § 8 besimmten 
Merkmalen zu bezeichnen. 

Dem Antrag ist ausser den zur Begründung des behaupteten Eigenthums 
dienenden Urkunden eine Karte beizufügen, welche in beglaubigter Form die Lage 
und Begrenzung des Grundstücks veranschaulichen und von einem die Grösse und 
Beschaffenheit des Grundstücks sowie die auf demselben aufgerichteten Grenzzeicben 
ergebenden Vermessungsprotokoll begleitet sein muss. 

§ 37. Ist die Vermessung des Grundstücks und die Aufnahme einer Karte 
zur Zeit unausführbar, so kann die Eintragung auch ohne Karte und Vermessungs- 
protokoll vorgenommen werden, falls das Grundstück so genau bezeichnet wird, dass 
über die Lage und die Grenzen desselben kein Zweifel besteht. 

Verfügungen eines Rechtsnachfolgers des zuerst eingetragenen Eigentümers 
über das Grundstück oder Theile desselben können nur eingetragen werdeu, wenn 
die Karte oder das Vermessungsprotokoll über den Gegenstand der Verfügung 
nacbgebracht sind. 

§ 38. Die Kosten für die Bearbeitung der Grundbuchsachen werden nach 
dem beigefügten Tarif erhoben. 

| 39. Diese Verfügung tritt gleichzeitig mit der Kaiserlichen Verordnung, 
betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo, 
vom 2. Juli 1883 in Kraft. 

Berlin, den 7. Juli 1888. Der Reichskanzler. 

ln Vertretung: Graf Bismarck. 

Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse der Landesbeamten 
in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo. 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc., 
verordnen im Namen des Reichs für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo, 
was folgt: 

Artikel 1. 

Das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reicbsbeamten vom 31. März 
1873 (Reiehs-Gesetzb!. S. 61) nebst den dasselbe abändernden und ergänzenden 


Digitized by Google 



Anhang. 


301 


Gesetzen vom 21. April 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 80) und vom 31. Mai 1887 
'Reichs-Gesetzbl. S. 211), sowie das Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Wittwen 
und Waisen der Reichsbeainten der Civilverwaltung, vom 20. April 1881 (Reichs- 
Gesetzbl. S. 85) nebst dem Abänderungsgesetze vom 5. März 1888 (Reichs-Gesetzbl. 
S. 65) finden, soweit nicht in den nachfolgenden Artikeln ein Anderes bestimmt 
ist, auf die Rechtsverhältnisse der Beamten der Schutzgebiete von Kamerun und 
Togo, welche ihr Diensteinkommen aus den Fonds dieser Schutzgebiete beziehen, 
mit der Maassgabe entsprechende Anwendung, dass, wo in jenen Gesetzen von dem 
Reich, dem Reichsdienst, den Reichsfonds oder anderen Einrichtungen des Reichs 
die Rede ist, das betreffende Schutzgebiet und dessen entsprechende Einrichtungen 
zu verstehen sind. 

Artikel 2. 

Im Falle des § 66 Absatz l des Gesetzes vom 31. März 1873 erfolgt die 
• Entscheidung über die Versetzung eiues Beamten in den Ruhestand durch den Kaiser. 

Artikel 3. 

Die Befugnisse, welche nach den im Artikel 1 bezeicbneten Gesetzen der 
obersten Reichsbehörde zustehen, werden, Soweit nicht durch diese Verordnung ein 
Anderes bestimmt ist, durch den Reichskanzler ausgeübt. 

Ingleichen erfolgen die in § 5 Absatz 1, §§ 18, 39, 52 und § 68 Absats 2 
des Gesetzes vom 31. März 1873 sowie in § 1 des Gesetzes vom 31. Mai 1887 
vorgesehenen Bestimmungen und Entscheidungen ausschliesslich durch den Reichs- 
kanzler. 

Die nach § 66 Absatz 2 des Gesetzes vom 31. März 1873 von dem Reichs- 
kanzler zu treffende Entscheidung ist endgültig. 

Artikel 4. 

Der Reichskanzler bestimmt, inwieweit einem in den Ruhestand oder in den 
einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten die Kosten des Umzugs nach dem 
innerhalb des Reichs von demselben gewählten Wohnorte zu gewähren sind. 

Artikel 5. 

Die auf das Disciplinarverfabren bezüglichen Bestimmungen in §§ 84 bis 124 
des Gesetzes vom 31. März 1873 bleiben ausser Anwendung. 

Die Entscheidung über die Entfernung eines Beamten aus dem Amt erfolgt, 
falls derselbe eine Kaiserliche Bestallung erhalten hat, durch den Kaiser, andern- 
falls dnrch den Gouverneur von Kamerun. 

Vor der Entscheidung ist der Beamte zu hören und der Thatbestand unter 
Berücksichtigung der von dem Beamten geltend gemachten Entlastungsmomente 
festzustellen. 

Gegen die Entscheidung des Gouverneurs findet Beschwerde an den Reichs- 
kanzler statt. Dieselbe ist bei dem Gouverneur anzumelden ; die Frist zur An- 
meldung beträgt drei Monate. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. 

Artikel 6. 

Die in § 127, § 128 Absatz 2, § 131 des Gesetzes vom 31. März 1873 der 
obersten Reichsbehörde übertragenen Befugnisse werden von dem obersteu Beamten 
in dem Schutzgebiet ausgeübt. Gegen die Entscheidung findet Beschwerde an den 
Reichskanzler statt. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Kaiserlichen Insiegel. 

Gegeben Potsdam, den 3. August 1888. Wilhelm. 

(L. S.) Graf Bismarck 


Verordnung, betreffend die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen 
im Schutzgebiet der Neu-Guinea-Kompagnie. 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc., 
verordnen im Namen des Reichs, was folgt: 

Der Ncu-Guinea-Kompagnie wird unbeschadet der Bestimmung im § 2 der 
Kaiserlichen Verordnung vom 5. Juni 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 187) für ihr Schutz- 
gebiet die Ausübung der Gerichtsoarkeit über die Eingeborenen bis zum Ablauf 
des Jahres 1897 übertragen. 


Digitized by Google 



302 


Anhang. 


Der Reichskanzler hat die zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen 
Vorschriften zu treffen. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Kaiserlichen Insiegel. 

Gegeben Marmor- Palais, den 7. Juli 1888- Wilhelm, I. R. 

(L. S.) Graf Bismarck. 

Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse im Schutzgebiet der 
Neu-Guinea-Kompagnie. 

Vom 13. Juli 1888. 

Wir W ilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preuasen etc , 
verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen 
Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888, S. 75), für das Schutzgebiet der Neu-Guinea- 
Kompagnie in Ergänzung der Verordnung vom 5. Juni 1886 (Reichs-Gesetzbl. S. 187), 
was folgt: 

§ 1. ln bürgerlichen Kechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den 
Gerichtsbehörden des Schutzgebiets alle Entscheidungen, einschliesslich der auf 
Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden, von Amtswegen zuzustellen. Diese 
Vorschrift findet auch auf die Zustellung der Zahlung»- und Volistre> kungsbefehle 
an den Schuldner, sowie der Pfändung»- und Ucberweisungsbeschlüssc an den 
Schuldner und den Drittschuldner Anwendung. Für Beschlüsse, welche ausschliess- 
lich die Process- oder Sachleitung, einschliesslich der Bestimmung oder Aenderung 
von Terminen betreffen, genügt die Verkündung. 

§ 2. Der § 7 Absatz 1 der Verordnung vom 5. Juni 1886 wird durch fol- 
gende Bestimmung ersetzt: 

Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet erfolgt ausschliesslich durch die zur 
Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten. Der Bei- 
bringung einer vollstreckbaren Ausfertigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von 
dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde, durch welche die Zwangsvollstreckung 
zu erfolgen hat, zu ertheilen sein würde. 

§ 3. Zu Strafsachen findet die Hauptversammlung ohne die Zuziebuug von 
Beisitzern statt, wenn der Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine 
Handlung zum Gegenstand hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder 
zu dem in den §§ 74, 76 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergeben 
gehört. 

§ 4. Der Angeklagte kann auf seinen Antrag oder von Amtswegen wegen 
grosser Entfernung seines Aufenthaltsorts oder wegen sonstiger Hindernisse von 
der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, 
wenn nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde voraussichtlich keine andere Strafe 
als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, oder Geldstrafe oder Einziehung, allein 
oder in Verbindung mit einander, zu erwarten steht. 

§ 5. Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte ge- 
hörenden Sachen wird für jeden der im Schutzgebiet gebildeten Gericbtsbezirke 
der Gerichtsbehörde erster Instanz übertragen. 

Für diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im 
§ 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten. 

§ 6. Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird für das Schutzgebiet an 
Stelle des Reichsgerichts und des deutschen Konsulargerichts in Apia (Gesetz über 
die Konsulargerichtsbarkeit §§ 18, 36, 43, Verordnung vom 5. Juni 1886 § 4) eine 
Gerichtsbehörde zweiter Instanz am Sitze des Landeshauptmanns errichtet welche 
aus dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten 
als Vorsitzenden und vier Beisitzern besteht. 

Auf die Beisitzer und den Gericbtsschreiber finden die Vorschriften im $ 6 
Absatz 2, §§ 7, 8, 10 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit entsprechende 
Anwendung. 

Der § 4 der Verordnung vom 5. Juni 1886 tritt ausser Kraft. 

§ 7. In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz nehmen in 
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Concurssachen und in den zur streitigen Ge- 


Digitized by Google 



Anhang 


303 


richtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten die Beisitzer nur an der mündlichen 
Verhandlung, sowie an den im Laufe oder auf ßrund derselben ergebenden Ent- 
scheidungen Theil. Jedoch erfolgt die Entscheidung über das Rechtsmittel der 
Beschwerde unter Mitwirkung der Beisitzer, wenn die angefochtene Entscheidung 
unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen ist. 

ln dem Verfahren zweiter Instanz ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte 
nicht geboten und findet der § 269 der Cirilprocessordnung keine Anwendung. 

Die Vorschriften in §§ 464 und 468 der Cirilprocessordnung gelten auch für 
das Verfahren in zweiter Instanz. 

§ 8. In Strafsachen findet vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz in Bezug 
auf die Zuziehung der Beisitzer die Vorschrift des § 30 des Gerichtsverfassungs- 
gesetzes mit der oben im § 7 Absatz 1 bezeichneten Maassgabe Anwendung. 

Den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht, ohne hierbei durch 
Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein. 

Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt. 

Der nicht auf freiem Fussc befindliche Angeklagte bat Anspruch auf An- 
wesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte de« Berufungsgerichts 
befindet. 

In den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen ist die Ver- 
teidigung auch in der zweiten Instanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist 
die Anwesenheit des Vertbeidigers erforderlich; der § 145 der Strafprocessordnung 
findet Anwendung. 

Im übrigen verbleibt es bei den Vorschriften im § 40 des Gesetzes über dis 
Konsulargerichtsbarkeit. 

§ 9. Die Todesstrafe ist dnrch Erschiessen oder Erhängen zu vollstrecken. 

Der Landeshauptmann bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten in 
dem einzelnen Falle stattzufinden hat. 

§ 10. In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiet finde« 
das Gericbtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für 
Zeugen und Sachverständige , sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung. Die 
Vorschriften, welche an Stelle der bezeichneten Gesetze zu treten haben, werden 
von dem Reichskanzler erlassen. 

Der § 9 der Verordnung vom 5. Juni 1886 tritt ausser Kraft. 

§11. Der § 46 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bleibt ausser 
Anwendung; Geldstrafen fliessen ebenso, wie die Gericbtskosten , zur Kasse der 
Neu-Ouinea-Kompagnie. 

§ 12. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1889 in Kraft. 

Die in diesem Zeitpunkt bei dem Reichsgericht oder dem deutschen Konsular- 
gericht in Apia anhängigen ßerufungs- und Beschwerdesachen werden nach den 
bisherigen Vorschriften erledigt. 

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem 
Kaiserlichen Insiegel. 

Gegeben S. M. Yacht „Alexandria“, den 13. Juli 1888. 

<L. S.) Wilhelm. 

Graf von Bismarck. 

DieBstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit im 
Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie. 

Zur Ausführung der Vorschriften über die Ausübung der Gerichtsbarkeit im 
Schutzgebiete der Neu-Guinea-Kompagnie, welche durch das Gesetz vom 15. März 1888 
und die Kaiserliche Verordnung vom 13. Juli 1888 getroffen sind, wird in Er- 
gänzung der Dienstanweisung, betreffend die Ausübung der Gerichtsbarkeit, vom 
1. November 1886 Folgendes bestimmt: 

§ 1. Gerichtsbehörden. (Zu § 6 der Kaiserlichen Verordnung vom 
13. Juli 1888 und Abschnitt III der Dienstanweisung vom 1. November 1886.) 

Die Nummern 1 und 2 im Abschnitt III der Dienstanweisung vom 1. No- 
vember 1886 werden durch nachstehende Bestimmungen ersetzt; 

1. Zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ist der Landeshaupt- 
mann ermächtigt, soweit nicht bei Genehmigung der Ernennung desselben durch 


Digitized by Google 



Anbang. 


304 


den Reichskanzler etwas anderes bestimmt wird. Die Gerichtsbarkeit erster Instanz 
wird von den übrigen durch den Reichskanzler zur Ausübung der Gerichtsbarkeit 
ermächtigten Beamten wahrgenommen. 

Der Landeshauptmann ist befugt: 

a) bei Erlass polizeilicher Vorschriften für das gesammte Schutzgebiet oder 
für einen Theil desselben gegen die Nichtbefolgung der Vorschriften Gefängnis« 
bis zu drei Monaten, Haft, Geldstrafe und Einziehung einzelner Gegenstände anzu- 
droben. (Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete § 1 1 
Absatz 2, 3, K.-G.-Bl. 1888 S. 75): 

b) über die Abgrenzung der Bezirke der Gerichtsbehörden erster Instanz, über 
die Vertbeilung der Geschäfte unter mehrere für denselben Bezirk zur Ausübung 
der Gerichtsbarkeit ermächtigte Beamte sowie über die Amtssitze der Beamten Be- 
stimmung zu treffen; 

c) die Dienstaufsicht über die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster 
Instanz ermächtigten Beamten zu führen und denselben für den Kall der Verhin- 
derung Vertreter zu bestellen; 

d) die Abhaltung von Gerichtstagen ausserhalb der Amtssitze auzuordnen; 

e) allgemeine Anordnungen über Ausführung von Zustellungen nach Maassgabe 
des § 5 der Kaiserlichen Verordnung vom 5. Juni 1886 zu erlassen. 

Für den Fall der Verhinderung des Landeshauptmanns ist demselben zur 
Ausübung der Gerichtsbarkeit und der sonstigen, in dieser Anweisung ihm über- 
tragenen Befugnisse durch die Neu-Guinea-Kompagnie mit Genehmigung des Reichs- 
kanzlers ein Vertreter zu bestellen. Zu beachten ist, dass in der höheren Instanz 
kein Richter mitwirken darf, welcher in der unteren Instanz bei Erlassung der 
angefochtenen Entscheidung betbeiligt war (Civilprocessordnung $ 41 No. 6, Straf- 
processordnung § 23 Absatz 1), Für den Fall, dass aus diesem Grunde oder aus 
sonstigen Ursachen der ordentliche Vertreter des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit 
zweiter Instanz ermächtigten Beamten an der Vertretung behindert ist, ist ein 
ausserordentlicher Vertreter zu bestellen. Die Bestellung erfolgt durch den Landes- 
hauptmann oder den ordentlichen Vertreter desselben. 

Die zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten 
führen die Dienstaufsicht über die bei der betreffenden Gerichtsbehörde angestellten 
Beamten und regeln die Vertretung derselben im Falle der Behinderung. 

2. Die Gerichtsbehörden erster Instanz haben in den von ihnen ausgehenden 
Schriftstücken, 

a) sofern es sich um Geschäfte handelt, welche unter Zuziehung der Beisitzer 
erledigt werden, die Bezeichnung als „Kaiserliches Gericht des Schutzgebietes der 
Neu-Guinea-Kompagnie“, 

b) sofern es sieb um Geschäfte handelt, welche von dem zur Ausübung der 
Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ohne Zuziehung von Beisitzern erledigt 
werden, die Bezeichnung als 

„Kaiserlicher Richter des Schutzgebietes der Neu-Guinea-Kompagnie“ 
anzuwenden. 

2 a. Die Gerichtsbehörde zweiter Instanz bat in den von ihr ausgehenden 
Schriftstücken 

a) in den unter 2a bezeichneten Fällen (Verordnung vom 13. Juli 1888 
§ 7 Absatz 1, § 8 Absatz 1) die Bezeichnung als „Kaiserliches Ober- 
gericht des Schutzgebietes der Neu-Guinea-Kompagnie“, 

b) in den unter 2b bezeichneten Fällen die Bezeichnung als „Kaiserlicher 
Oberrichter des Schutzgebiets der Neu-Guinea-Kompagnie' 

anzuwenden. 

§ 2. Gerichlsschreiber. (Zu Abschnitt V der Dienstanweisung vom 
1. November 1886.) 

Falls von dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten die 
Erledigung einzelner zu seiner Zuständigkeit gehörenden Geschäfte einer anderen 
Person übertragen wird (Abschnitt 111 No. 4 der Dienstanweisung vom 1. November 
1886), kann dieser auch die Bestellung des bei Erledigung des Geschäftes zuzu- 
ziehenden Gerichtsscbreibers aufgetragen werden. 

S 3. Zustellungen. (Zu § 1 der Kaiserlichen Verordnung vom 13. Juli 1888 
und Abschnitt VII der Dienstanweisung vom 1. November 1886.) 


Digitized by Google 



Anhang. 


305 


Im Abschnitt VII der Dienstanweisung vom I. November 1886 wird No. 2 A 
folgendermaassen abgeändert : 

2. Vou Amtswegen erfolgen: 

A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten: die Zustellung der Abschrift der Be- 
rufungsschrift an die Gegenpartei, sowie die Zustellung aller gerichtlichen Ent- 
scheidungen nicbt bloss (wie nach § 294 Absatz 3 der Civil Prozessordnung) der 
nicht verkündeten, sondern auch der verkündeten, insbesondere auch der Urtheile. 
Ebenso werden Zahlunga- und Vollstreckungsbefehle dem Gläubiger und dem 
Schuldner und Beschlüsse, durch welche eine Forderung gepfändet oder überwiesen 
wird, dem Gläubiger, dem Schuldner und dem Drittschuldner von Amtswegen zuge- 
stellt (Verordnung vom 13- Juli 1888 § 1). 

Ausgenommen sind nur: 

a) Beschlüsse, welche lediglich die Process- und Sachleitung einschliesslich 
der Bestimmung und Aenderung von Terminen betreffen, insbesondere auch Beweis- 
beschlüsse (§ 1 der Verordnung vom 13. Juli 1888); bei diesen genügt die Ver- 
kündung, und zwar ohne Rücksicht auf die Anwesenheit der Parteien bei derselben: 

b) Arrestbefehle; die Zustellung derselben an den Gläubiger erfolgt zwar 
ebenfalls von Amtswegen (§ 294 Absatz 3, § 809 Absatz 2 der Civiiprocessordnung); 
die Zustellung an den Schuldner dagegen findet nur auf Antrag des Gläubigers 
statt (§ 802 Absatz 2 daselbst), damit nicht durch vorzeitige Bekanntmachung des 
verfügten Arrestes an den Schuldner die demnächstige Vollstreckung des Arrestes 
in ihrem Erfolge gefährdet werde. Dieses Interesse des Gläubigers fällt jedoch 
weg, wenn derselbe mit dem Antrag auf Erlass des Arrestbefebls zugleich die 
Vollstreckung desselben, z. B. durch Bezeichnung des Arreslgegenstandes (der zu 
pfändenden beweglichen Sachen oder Forderungen u. s. w.) beantragt. In diesem 
Fall ist anzunehmen, dass mit dem Antrag auf Erlass des Arrestbefehls auch die 
Zustellung desselben beantragt sei, und demzufolge mit dem Arrestbefehl zugleich 
die Zustellung desselben und die betreffende Vollstreckungsmaassregel zu verfügen. 

Ingleichen wird die No. 3A im Abschnitt VII der bezeichneten Dienstan- 
weisung folgendst maassen abgeändert: 

3. Auf Betreiben der Parteien erfolgen: 

A. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten die Zustellung von Schriftsätzen Seitens 
einer Partei an die andere mit Ausnahme der Berufungsschrift (vgl. No. 2A) und 
die Zustellung von Arrestbefehlen an den Schuldner (vergl. No. 2 Ab). 

§4. Zwangsvollstreckungen. (Zu § 2 der Kaiserlichen Verordnung 
vom 13. Juli 1888 und Abschnitt VIII der Dienstanweisung vom 1. November 1886). 

Die Bestimmungen No. 2 bis 4 des Abschnitts VIII der Dienstanweisung 
vom 1. November 188G werden durch nachstehende Vorschriften ersetzt: 

2. Die Ertheilung der vollstreckbaren Ausfertigung (Civiiprocessordnung 
§§ 662 ff.) einer von einer Gerichtsbehörde des Schutzgebietes erlassenen Ent- 
scheidung, eines vor derselben abgeschlossenen Vergleichs oder einer von derselben 
aufgeuommenen Urkunde der in § 702 No. •'> der Civiiprocessordnung bezeichneten 
Art kann, abgesehen von den unter No. 4 bezeichneten Fällen, erforderlich werden, 
wenn die Parteien dieselbe zum Zweck einer Zwangsvollstreckung ausserhalb des 
Schutzgebietes (s. unten No. 10, 11) beantragen. 

Die Ertheilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erfolgt nach Maassgabe der 
!;§ 662 bis 670 der Civiiprocessordnung, jedoch in allen Fällen (nicht bloss in denen 
der §§ 666, 669) nur auf Anordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermäch- 
tigten Beamten (§ 8 der Verordnung vom 5. Juni 1886). 

3. Die Zwangsvollstreckung innerhalb des Schutzgebietes ist in allen Fällen 
Sache der Gerichtsbehörden erster Instanz Die Zwangsvollstreckung wird von dem 
betreffenden, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten 
angeordnet (§ 2 der Verordnung vom 13 Juli 1888). 

4. Der Gläubiger, welcher eine Zwangsvollstreckung im Schutzgebiet bean- 
tragt, hat den Titel, aus welchem dieselbe erfolgen soll, nur dann vorzulegen, wenn 
sich der Titel nicht in den Acten der Gerichtsbehörde, an welche der Antrag ge- 
richtet wird, befindet. 

Die Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung liegt dem Gläubiger nicbt 
ob, soweit diese Ausfertigung voo dem Gerichtsschreiber der bezeichneten Gerichts- 
behörde zu ertheilen sein würde (§ 2 der Verordnung vom 13. Jnli 1888). Die 
Jahrbuch für Deutsche Kolonialpoltttk. 20 


Digitized by Google 



306 


Anhang. 


Beibringung ist danach insbesondere erforderlich, wenn zur Zeit der Stellung des 
Antrags der Rechtsstreit noch bei dem Obergericht des Schutzgebietes anhängig ist 
(§ 662 Absatz 2 der Civilprocessordnung) oder wenn derselbe bei einer anderen 
Gerichtsbehörde erster Instanz des Schutzgebietes anhängig war. 

4a. In den Fällen, in welchen der Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung 
nicht beizubringen hat (No. 4 Absatz 2), darf die Zwangsvollstreckung nur unter 
denselben Voraussetzungen angeordnet werden, unter welchen nach §§ 664, 665 
der Civilprocessordnung die Ertbeilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zulässig 
ist. Auf die Anordnung der Zwangsvollstreckung finden die Vorschriften über 
Anhörung des Schuldners, über die Klage auf Ertbeilung der Vollstreckungsklausel, 
über Einwendungen gegen die letztere, über die Bemerkung der erfolgten Ertheilung 
auf der Urschrift des Urtheils (§§ 666 bis 668, 670 der Civilprocessordnung) ent- 
sprechende Anwendung. 

§ 5. Bestimmungen für Strafsachen. (Zu §§ 4, 5 und 8 der Kaiser- 
lichen Verordnung vom 13. Juli 1888). 

1. Die Verfügung, durch welche der Angeklagte vom Erscheinen in der Haupt - 
verbandluug entbunden wird (§ 4 der Verordnung vom 13. Juli 1888), kann, wenn 
sie von Amtswegen erfolgt oder ein bezüglicher Antrag von dem Beschuldigten 
schon vorher gestellt war, gleichzeitig mit der Mittheilung des Termins der Haupt- 
verhandlung an den Angeklagten erfolgen. Die Verfügung wird von dem zur Aus- 
übung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten erlassen. Derselbe hat dabei zu 
prüfen, ob die im § 4 der Verordnung bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. 
Erscheint in der Hauptverhandlung nach Ansicht des Gerichts die Verhängung einer 
höheren Strafe, als der im $ 4 bestimmten, angezeigt, so muss die Verhandlung 
vertagt und der Angeklagte zu dem neuen Termin vorgeladen und eventuell vor- 
gefülirt werden. 

Unter allen Umständen muss, wenn ohne die Anwesenheit des vom Erscheinen 
entbundenen Angeklagten verhandelt werden soll, derselbe, falls seine richterliche 
Vernehmung nicht schon im Vorverfahren erfolgt ist, durch einen ersuchten oder 
beauftragten Richter über den Gegenstand der Anschuldigung vernommen werden 
(Strafprocessordnung § 232 Abs. 2, 3). Nötigenfalls ist diese Vernehmung nach 
Maassgabe des Abschnitts III No. 4 der Dienstanweisung vom 1. November 1886 
einer anderen geeigneten Person zu übertragen. Für das im § 231 der Straf- 
processordnung vorgesehene Gontumacialverfahren bedarf es hingegen einer vor- 
gängigen richterlichen Vernehmung des Angeklagten nicht. 

2. Das Verfahren in den durch § 5 der Verordnung vom 13. Juli 1888 den 
Gerichten erster Instanz übertragenen Schwurgerichtssachen regelt sich uach deu 
Vorschriften, welche für die im $ 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit 
bezeichneten Strafsachen gelten. Es findet daher auch der § 9 des bezeichneten 
Gesetzes Anwendung, wonach in dem Falle, dass die Zuziehung von vier Beisitzern 
nicht ausführbar ist, die Zuziehung von zwei Beisitzern genügen soll. Dieser Fall 
wird auch dann als gegeben anzusehen sein, wenn in Folge der Zuziehung von 
vier Beisitzern in erster Instanz nach Lage der Verhältnisse keine ausreichende 
Zahl von Beisitzern für die eventuelle Verhandlung in der Berufungsinstanz ver- 
wendbar bliebe, da bei dem Obergericht (§ 6 der Verordnung vom 13. Juli 1888) 
eine Reduction der Zahl von vier Beisitzern unter keinen Umständen gestattet, die 
Personen aber, welche in erster Instanz als Beisitzer mitgewirkt haben, von der 
Mitwirkung in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sind. 

3. ln Schwurgerichtssachen muss der Angeklagte sowohl in der ersten, als in 
der zweiten Instanz einen Vertheidiger haben (Strafprocessordnung § 140 Absatz 1, 
Verordnung vom 13. Juli 1888 § 8 Absatz 5). ln diesen Sachen und ebenso in 
den sonstigen Fällen, in welchen nach § 140 Absatz 2 der Strafprocessordnung die 
Vertheidigung eine nothweudige ist, ist dem Beschuldigten, welcher einen Ver- 
theidiger noch nicht gewählt hat, ein solcher von Amtswegen zu bestellen, sobald 
das Hauptverfabren eröffnet wird. Beim Mangel geeigneter, zur Ausübung der 
Rechtsanwaltschaft zugelassener Personen ist als Vertheidiger ein anderer achtbarer 
Oerichtseingesessener zu bestellen. 

4. Auf das Strafverfahren in der Berufungsinstanz finden, soweit nicht in den 
§§ 36 bis 40 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit und in den §§ 6 und 8 
der Verordnung vom 13. Juli 1888 etwas Anderes bestimmt ist, die Vorschriften 


Digitized by Google 



Anbang. 


307 


des dritten Abschnitts im dritten Buche der Strafprozessordnung Anwendung. I)a 
die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft nicht statttindct, so erfolgt im Falle der 
Einlegung der Berufung die Uebersendung der Acten (Strafprozessordnung § 362, 
Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit $ 39) unmittelbar an das Obergericht. 

§ 6. Kostenwesen. (Zu § 10 der Kaiserlichen Verordnung vom IS. Juli 1888.) 

1. In den Rechtssachen, auf welche die Civilprocessordnung, die Concurs- 
ordnung oder die Strafprocessordnung Anwendung finden, werden die wirklich auf- 
gewondeten Auslagen erhoben. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen 
werden in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände desselben 
festgesetzt, die Tagegelder und Reisekosten der Gericbtabeamten nach den für deren 
Höhe geltenden allgemeinen Bestimmungen. 

Ausserdem werden in den bezeichnten Rechtssachen Gebühren nach Maass- 
gabe des angehängten Tarifs erhoben. 

Bei jedem Antrag auf Vornahme einer Handlung, mit welcher baare Auslagen 
verbunden sind, kann, in Strafsachen jedoch nur, soweit es sich um das Verfahren 
auf erhobene Privatklage handelt, dem Antragsteller die Zahlung eines zur Deckung 
der Auslagen erforderlichen Vorschusses auferlegt werden. Die Ausführung der 
Zwangsvollstreckung kann in allen Fällen von der vorgängigen Zahlung eines solchen 
Vorschusses abhängig gemacht werden. 

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und in Privatklagesachen kann, insoweit 
es sich um gebührenpflichtiges Verfahren bandelt, der Antragsteller zur Zahlung 
eines entsprechenden Gebührenvorschusses verpflichtet werden. 

Schuldner der entstandenen Auslagen und Gebühren ist Derjenige, welchem 
durch gerichtliche Entscheidung die Kosten des Verfahrens auferlegt sind, oder 
weicher dieselben durch eine vor der Gerichtsbehörde abgegebene oder derselben 
mitgetbeilte Erklärung übernommen hat. In Ermangelung eines anderen Schuldners 
ist Derjenige, welcher das Verfahren beantragt bat, Schuldner der entstandenen 
Auslagen und Gebühren. Die Verpflichtung zur Zahlung vorzuschiessender Beträge 
(Absatz 3 und 4) bleibt bestehen, wenn auch die Kosten des Verfahrens einem 
Anderen auferlegt oder von einem Anderen übernommen sind. 

2. ln den Angelegenheiten, welche zu der streitigen Gerichtsbarkeit nicht ge- 
hören, werden vorbehaltlich der Vorschriften in den folgenden Absätzen, Kosten 
nur nach Maassgabe der Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Gebühren und 
Kosten bei den Konsulaten des Deutschen Reichs vom I. Juli 1872 (Reichs-Gesetz- 
blatt Seite 245), erhoben. 

Bezüglich der Erhebung von Gebühren für die auf Grund des Gesetzes vom 
4. Mai 1870 über die Eheschliessung und die Beurkundung des Personenstandes 
vorzunehmenden Geschäfte bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen (Ver- 
ordnung der Direktion der Neu -Guinea-Kompagnie vom 12. November 1886 Ver- 
ordnungsblatt Seite 54). 

Bei Vormundschaften, mit Ausnahme der gesetzlichen Vormundschaft, ist von 
dem Kapitalbetrag des Vermögens des Mündels, auf welches sich die Vormund- 
schaft erstreckt, insofern dasselbe über 150 M beträgt, zu erheben: 

a. von je 50 M des Betrages bis zu 300 M, 

b. von je 100 Jl des Mehrbetrages bis zu 600 .//, 

c. von je 150 M des Mehrbetrages zu 1500 M, 

d. von je 300 des Mehrbetrages 
fünfzig Pfennige. 

3. Der Ansatz der Gebühren und Auslagen erfolgt durch die Gerichtsbehörde 
der Instanz. Gegen die in Kostensachen ergehenden Entscheidungen der Gerichts- 
behörden erster Instanz findet Beschwerde an die Gerichtsbehörde zweiter Instanz statt. 

4. Auf die beim Inkrafttreten dieser Anweisung anhängigen Rechtssachen 
finden die bisherigen Vorschriften über die Gerichtskosten bis zum Beginn eines 
nach den neuen Vorschriften gebührenpflichtigen, selbständigen Abschnittes des 
Verfahrens Anwendung. 

§ 7. Diese Dienstanweisung tritt gleichzeitig mit der Kaiserlichen Verordnung 
vom 13. Juli 1883 in Kraft. 

Berlin, den 3. August 1888. Der Reichskanzler. 

In Vertretung: Graf von Bismarck. 


20 * 


Digitized by Google 



308 


Anhang. 


Anlage zu § 6 No. 1. 

Tarif für die Erhebung von Gebühren in bürgerlichen Rechtestreitig- 
keiten, Concurss&ohen und Strafsachen. 

I. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. 

Eine Gebühr wird erhoben: 

1. für das Verfahren in erster Instanz; 

2. für das Verfahren in der Berufungsinstanz: 

3. für die Ausführung der Zwangsvollstreckung. 

Die Erhebung der Gebühren erfolgt nach dem Werthe des Streitgegenstandes, 
im Falle der No. 3 nach dem Werthe des zur Zwangsvollstreckung stehenden 
Anspruchs. Für die Werthsherechnuug sind die Vorschriften der Civilprocess- 
ordnung §§ 3 bis 9 und der Concursordnung § 136 massgebend. Bei nicht ver- 
mögensrechtlichen Ansprüchen wird der Werth des Streitgegenstandes zu 2000 .//, 
ausnahmsweise niedriger oder höher, jedoch nicht unter 200 M und nicht über 
50 000 M angenommen. 

1. Verfahren in erster Instanz. 

A. Soweit das Verfahren durch Endurtheil eiledigt ist, werden erhoben: 

a) von einem Streitgegenstände bis zum Betrage von 150 M einschliesslich 
von jeder Mark 10 -4. 

b) von dem Mehrbeträge bis zu 1500 M einschliesslich von jeder Mark 5 4, 

e) von dem Mehrbeträge von jeder Mark I 4 

Die im vorhergehenden Absatz bezeichneten Sätze ermässigen sich auf die 
Hälfte, wenn die Erledigung durch Versäumuissurtbeil oder durch ein auf Grund 
Anerkenntnisses oder Verzichts erlassenes Urtheil erfolgt ist. 

B. Soweit nach Erhebung der Klage das Verfahren in anderer Weise erledigt 
ist, wird die Gebühr nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über 
die in No. 1 A, Schlussabsatz bezeicbneten Sätze hinaus bestimmt. 

2. Verfahren in der Berufungsinstanz. 

A. Soweit das Verfahren durch Endurtheil erledigt ist, wird die um ein 
Viertbeil erhöhte Gebühr unter 1 A erhoben. 

B. Soweit nach Zustellung der Berufungsschrift das Verfahren in anderer 
Weise erledigt ist, findet die Vorschrift unter I B mit der Maassgabe Anwendung, 
dass die Gebühr nicht die um ein Viertheil erhöhten Sätze unter 1 A. Scblussabsatz, 
übersteigen darf. 

3. Ausführung der Zwangsvollstreckung. 

Für das Verfahren von dem Beginn der Ausführung einer Zwangsvollstreckung 
bis zu der durch die betreffende Handlung und der aus ihr sich ergebenden weiteren 
Vollstreskungsverhandlungen zu erlangenden Befriedigung des Gläubigers wird die 
Gebühr unter 1 A, Schlussabsatz, erhoben. 

Die Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch nicht über die 
Hälfte der im vorhergehenden Absätze bezeichneten Sätze, bestimmt, soweit das Verfahren 

a) durch Zurücknahme des Antrags oder durch Leistung an die Person, welche 
die Zwangsvollstreckung ausführt, erledigt, oder 

b) zufolge der Vorschrift des § 691 der Civil processordnung eingestellt oder 
beschränkt und demnächst nicht fortgesetzt oder 

c) wegen Mangels eines geeigneten Gegenstandes ohne Erfolg geblieben ist. 

II. Concttrssachen. 

Für das Concursverfahreu wird erhoben: 

1. wenn dasselbe auf Grund der Schlussvertheilung aufgehoben ist, 

die Gebühr unter I 2A, 

2. wenn dasselbe auf Grund eines Zwangsvergleichs aufgehoben, oder wenn 
es eingestellt ist, die Hälfte dieser Gebühr. 

Die Gebühr wird nach dem Betrage der Activmasse erhoben. Auf die Werths- 
festsetzung findet der § 3 der Civilprocessordnung entsprechende Anwendung. 

III. Strafsachen. 

1. Für das Verfahren auf erhobene Privatklage werden in erster Instanz erhoben: 


Digitized by Google 



Anhang. 309 

a) wenn das Verfahren vor Beginn der Hauptverhsndlung erledigt ist 10.//: 

b) wenn nach Beginn der Hauptverhandlung Einstellung des Ver- 
fahrens erfolgt ist 20 M \ 

c) wenn ausser dem Falle unter b die Instant durch Urtheil be- 
endigt ist 50 . // ; 

Dieselben S&tze sind für die Berufungsinstanz tu erheben. 


2. ln anderen Strafsachen wird nach rechtskräftig erkannter Strafe eine Ge- 
bühr für das gesammte Verfahren erhoben. 

Der Betrag der Gebühr wird nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde, jedoch 
nicht über 500 M festgesetzt 


Allgemeine Bedingungen fflr die l’eberlassnng von Grundstöcken an Ansiedler 
im Schutzgebiet der Jieu-Gnlnea-Kompagnie. 

$ 1. Die zu überlassenden Grundstücke t heilen sich: 

a) In städtische d. h. Grundstücke im Herelch von Flüchen, welche zur Bildung einer 
städtischen Ortschaft bestimmt und dafür nbgegrenzt sind; 

b) in ländliche Grundstücke, welche nussnrbalb eines solchen Bereiches liegen. 

§ 2. Von den Grundstücken sind entweder Karieu vorhanden, welche nach den Vor- 
schriften der Grundbuchordnuug vom 30. Juli 1887 aufgenommeu sind, oder die Grundstücke sind 
hinsichtlich ihrer Lage and Ausdehnung durch Beschreibung und örtliche Begrenzung genau be- 
zeichnet 

§ 3. ln jeder Station im Schutzgebiet, in deren Bezirk znr Ueberlassnng bestimmte Grund- 
stücke sich befinden, wird ein Verzeichnis» dieser Grundstücke mit den erforderlichen Angaben 
zur Einsicht offen gelegt. 

§ 4. Die znr Answahl gestellten Grundstücke werden überlassen: 

a) zum Eigenthum durch anmittelbaren Hanf; 

b) in Zeitpacht auf fünf Jahre, mit der Berechtigung für den Pächter, das ausgewählte 
Grundstück jederzeit vor Ablauf der Pachtzeit gegen einen im Voraus bestimmten 
Preis käuflich zu übernehmen; 

c) in Zeitpacht ohue Berechtigung zum Ankauf. 

In aem offen za legenden Verzeichnis» ($ 3) wird zu jedem Grundstück angegeben, zu 
welchem der vorbezeichneten Rechte die I'eberlassung erfolgt. 

Städtische Grundstück** werden in der Regel nur nach den Bestimmungen zu a überlassen. 

Bei der obigen Zeitbestimmung ist unter Jahr das Kalenderjahr verstanden. Da» laufende 
Jahr, ln welchem die Peberlassung statttlndet, wird iu die Pachtdauer nicht eingerechnet 

§ 5. Der Antrag auf rebcrlassung eines Grundstücks ist an den Landeshauptmann oder 
an den Stationsvorsteher, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, zu richten und zwar unter Be- 
nutzung de» Schema A. B oder C 1 ). je nachdem das Grandstürk nach den Bestimmungen des 
$ 4 litt, a, b. oder c. überlassbar ist. 

$ 6. Der Antragsteller ist verpflichtet, bei Einreichung des Antrages (§ 5) zu zahlen: 

a) im Falle des Ankaufs f§ 4a) ein Zehntel des Kaufpreises aLs Kaution . 

b) im Falle der Pacht mit Berecbtiguug zum Ankauf (§ 4 b) den ein Zehntel des fest- 
gesetzten Kaufpreises betragenden Pachtzins für das folgende Kalendeijahr und den 
auf das laufende Jahr nach Verhältnis» der Zeit entfallenden Tbeilbetrag desselben, 
sowie die Vermessungsgebühr; 

c) im Falle der Zeitpacht ohne Berechtigung zum Ankauf ($ 4 c) den Pachtzins für das 
folgende Kalenderjahr und den auf das laufende Jahr nach Verhältnis» der Zeit ent- 
fallenden Tbeilbetrag desselben. 

Die Zahlungen sind an die Kasse der Gentralstatlon in Finschhafen oder an die Kaase der 
betreffenden örtlichen Station zu leisten. 

$ 7. Der I^andeshauptmanii oder der dazu ermächtigte Stationsvorsteher befindet über die 
Annahme und Ablehnung des Antrages. Im Falle der Ablehnung, für welche Gründe nicht an- 
gegeben zu werden brauchen, wird der eingezahlte Betrag (§ ) mit dem ablehnenden Bescheide 
zurückgezablt Im Falle der Annahme wird dieselbe nach dem, dem Anträge entsprechenden 
Schema D, E oder F bestätigt. 

Die Bestätigung bildet in Verbindung mit dem Anträge den Vertrag zwischen dem Au 
Siedler ond der Kompagnie über das überlassene Grundstück. Durch die Bestätigung erhält der 
Antragsteller zugleich die Erlaubnis», das darin bezeichnet« Grundstück in Besitz za nehmen. 

§ h. ln jedem Falle ist der Landeshauptmann befugt, Grundstücke vor Bestätigung eines 
Antrages zur Pacht oder zum Verkauf öffentlich zu versteigern. Der Meistbietende tritt dann an 
Stelle des Antragstellers. 

§ 3. Bei Annahme des Kaufantrages (§ 4a) ist der volle Kaufpreis unter Anrechnung der 
Kaution, sowie die Vermessungsgebühr binnen acht Tagen nach Ankündigung der Bestätigung 
und gegen Aushändigung dir letzteren zu entrichten, widrigenfalls die Kaution verfallen ist und 
der Antrag als erledigt angesehen wird. 

Wenn der Kaufpreis (§ 4a und b) mehr als .tt 600 beträgt, so Ist dem Käufer gestattet, 
statt des vollen Betrages die Hälfte desselben einzuzahlen uud den Rest in jährlichen Katen von 
wenigstens ein Zehntel abzutragen. Die Raten sind am 31. Dezember jeden Jahres fällig. Mit 
ihnen sind Ziusen von 5% fürs Jahr von dem bis dahin rückständigen Kaufgelde zu entrichten. 
Die Verzinsung des Restkaufgeldes, welches im Grundbuche einzutragen ist, beginnt mit dem 


, ) Siebe für diese uud die später genannten Anlagen Heft l der „ Nachrichten über Kaiser 
Wllhelmsland und den Bismarck- Archipel* 1888. Herausgegeben von der Neu-Guinea-Kompagnie. 
Kommissionsverlag von A. Asher & Ko. zn Berlin. 


Digitized by Google 



310 


Anhang. 


Kalendurmonat, in welchem der Kaufen trag bestätigt wird, im Falle des Kaufes nach voran- 
gegangener Pacht (§ 4b) mit dem Kalenderjahre, in welchem die Pachtzahlung aufbört. 

$ 10. Sobald der Kaufpreis voll oder in dem nach $ 9 zulässigen Falle zur Hälfte be- 
richtigt ist, erfolgt die Auflassung des Grundstückes an den Käufer. 

$ 11. Die Stempelkosten der Verträge, die Kosten der Unterhaltung von Grenzsteinen 
oder audercu Grenzzeichen, sowie die Kosten der Auflassung eines Grundstücks und der noth- 
wendig werdenden Eintragungen im Grandbuche sind von dem Pächter bezw. dem Käufer 
zu tragen. 

Die zu zahlenden Vermessuogsgebühren werdeu nach dem anliegenden Tarif (G) berechnet, 
nud zwar nach den Sätzen unter L. wenn das Grundstück vermessen und kartirt ist (§ 36 der 
Grundbnchordnnng vom 30. Juli 1887), nach den Sätzen unter II.. wenn das Grundstück nur hin- 
sichtlich seiner Lage und Ausdehnung durch Beschreibung und örtliche Begrenzung bezeichnet 
ist (§ 39 der Giuuabnchordnnng vom SO. Juli 1887). 

§ 12. Weder für die Beschaffenheit noch für die Berechnung der Fl&cheugrösse, mit 
welcher ein verpachtetes oder verkauftes Grundstück übergeben wird, leistet die Kompagnie 
Gewähr: diese Berechnung bleibt ma&ssgebeud für die Abwickelung des Pacht- oder Kaufvertrages, 
auch weun bei der späteren Vermessung eines Grundstücks Abweichungen sich heraussteilen. 

§ 13. Die Pachtzins« sind am 31. März des laufenden Jahres fällig, für welches sie zu 
entrichten sind. 

§ 14. Wenn der Pächter eines Grundstücks seine Zahlungsverpflichtungen (§ 13) nicht 
pünktlich erfüllt, so ist die Kompagnie berechtigt, ihn der Pacht ohne Weiteres zu entsetzen 
und fällt alsdann das Pachtgrundstück ln dem Stande, in welchem cs sich befindet, d. h. mit 
allen Gebäuden, Anpflanzungen und sonstigen von dem Pächter gemachten Anlagen ohne Ent- 
schädigung an die Kompagnie zorück. 

Die Folgen des Verzuges kann er dadurch abwenden, dass er binnen drei Monaten den 
fällig gewesenen Betrag nebst einem Strafgeld entrichtet, welches für jeden bis zur Zahlung ab- 
laufenden Monat ein Zwanzigstel des fälligen Pachtzinses beträgt. 

Für Theile eines Monats wird das Strafgeld nach Verhältnis» der abgelaufenen Zeit be- 
rechnet. 

§ 15. Die Rechte ans einem Pachtverträge können an Dritte nur mit Genehmigung des 
Landeshauptmanns oder des dazu ermächtigten Stationsvorstehers abgetreten werden. 

§ 16. Ausgeschlossen von dem Verfügungsrecbt des Pächters sowie des Eigenthümers sind 
edle Steine, Metalle, gediegen und als Erze, Schwefel. Kohle. Steiusals und andere nutzbare 
Mineralien, Guano. Phosphate, Mineralöle, Sool- und andere Mineralquellen, sowie Marmorbrüche, 
welche sich auf oder in dem verpachteten oder verkauften Grundstücke befinden. Das Recht des 
Ansuchens und der Ausbeutung derselben steht ausschliesslich der Neu-Guinea-Kompagnie oder 
den von ihr dazu Ermächtigten zu. 

Pachter sowie Elgenthfimer sind verpflichtet, die Vornahme von Untersuchungen und Ver- 
suchen zum Zwecke der Ermittelung solcher Bodenschätze jederzeit den Beamten oder Bevoll- 
mächtigten der Neu-Guinea-Kompaguie gegen Ersatz des wirklichen anmittelbaren Schadens, 
welcher an der Bodenoberfläche dadurch entstehen möchte, zu gestatten. Auch ist die Neu- 
Guinea-Kompagnie befugt, jederzeit gegen angemessene Entschädigung die Rückgabe von solchen 
Thellen eines Grundstücks zn verlangen, welche zur Untersuchung oder zur Ausbeutung der ge- 
nannten Bodenschätze, sowie zur Wegführung der Produkte nach der Feststellung des Landes- 
hauptmanns für noihweudig erachtet werden. 

§ 17. Die Neu-Guinea-Kompagnie behält sich alle als schiffbar erklärten Ströme und 
Flüsse nebst einem 50m breiten Streifen des Uferlandes, auch einen gleich breiten Landstreifen 
(von der Hochwassergrenze gemessen) der Meeresküste entlang, vor. 

Den Pächtern oder Eigenthümern der an solche Uferstreifen anstossendeu Grundstücke 
wird die Benutzung des vorliegenden Uferiandes gegen besondere Vergütung jedoch unter Vor- 
behalt jederzeitigeu Widerrufes gestattet 

Die Benutzung anderer Wasscrläufe als Betriebskraft für Triebwerke sowie die Anleguug 
von Stauwerken aller Art in denselben uud von Ableitungen aus denselben bedürfeu besonderer 
Genehmigung. Das Holzflössen auf solchen Wasserläufen sowie die Mitbenutzung des Uferiandes 
zu diesem Zwecke muss nach Bestimmung der Landesverwaitung ohne Entschädigung von den 
Pächtern oder Eigenthümern der Ufergruudstücke gestattet werden. 

§ 18. Die Kcu-Guiuea-Kompagnie behält sich bis zur gesetzlichen Regelung der Frage das 
Recht vor, das zu Wegen, Eisenbahnen, Kanälen, Telegraphenanlageti uud anderen derartigen 
öffentlichen Einrichtungen nach der Feststellung des Landeshauptmannes erforderliche Land gegen 
Entschädigung des Pächters oder Eigenthümers für den wirklich entstandenen Schaden zn rück- 
zunehmen. 

Sie behält sich ferner das Recht vor, auf verpachteten oder verkauften Grundstücken 
jederzeit Steine, Lehm, Kies, Sand und anderes Material zum Bau oder zur Instandhaltung von 
Anlagen der im vorstehenden Absatz bezeichneten Art ohue Vergütung des entnommenen Mate 
rials, jedoch unter Vergütung des durch die Entnahme entstandenen wirklichen unmittelbaren 
Schadens, zu entnehmen oder durch Bevollmächtigte entnehmen zu lassen. 

$ 19. Pächter und Eigen thümer haben sich den Anordnungen zu unterwerfen, welche in 
Betreff des Fällens von Bäumen auf bestimmten Flächen oder von bestimmten Arten solcher 
Bäume im Interesse der Waldschonung oder der öffentlichen Gesundheitspflege von der Landes- 
verwaltuug erlassen werden möchten 

Der Pächter eines Grundstücks darf Bäume auf dem gepachteten Grundstück nicht fällen 
oder zerstören ansscr zu baulichen Anlagen auf demselben, zum häuslichen Bedarf oder zur 
Klärung des in unmittelbare Bebauung zu nehmenden Bodens. Der Umfang, ln welchem dies 
geschehen darf, ist an die Genehmigung der Verwaltung gebunden. 

§ 20. Die in den §§ 10, 17, 18 und 19 erwähnten Beschränkungen und Verpflichtungen 
werden im Grundbuch mit dem l'ebergange des Eigeuthums auf den Käufer eingetragen, wenn 
dies nicht vorher bereits geschehen ist. 

$ 21. Wenn ein verpachtetes Grundstück nach Ablauf des Pachtvertrages an die Kom 

S agnie zurückfällt, so wird ermittelt, ob und in welchem Umfange eine Verbesserung desselben 
urch Herstellung vou Gebäuden, Einfriedungen und sonstigeu baulichen Anlagen stattgefuuden 



Anhang. 


311 


bat and welcbeu Werth dieselben besitzen. Die Kompagnie hat die Wahl, ob idle die als Ver- 
besserung erachteten baulichen Anlagen anf dem Grundstücke belassen und dem abgehenden 
Pächter desselben den ermittelten Werth vergüten will, oder ob den Berechtigten die Wegnahme 
derselben gestattet werden soll. 

§ 22. Die Feststellung der Entschädigung, welche in den Fällen des § 16 Absatz 2 und 
des | 18 zu leisten ist, sowie die Feststellung der bei Rückgcwähr eines Pachtgrundstückes ($20) 
als Verbesserung zu erachtenden baulichen Anlagen und des Werthe» derselben, sowie des Um 
fanges, in welchem deren Weguahme xn gestatten ist erfolgt nach Untersuchung und Abschätzung 
durcii Sachverständige, von deueu jeder Theil Einen ernennt endgiltig durch den Landes- 
hauptmann. 

t 23. ln Betreff der Beschäftigung von Eingeborenen des Schutzgebietes als Arbeiter, 
ezügllch der Entnahme von solchen Arbeitern aus den Arbeiter-Depots der Kompagnie 
ist der Ansiedler den Bestimmungen unterworfen, welche die Landesverwallung darüber erlässt 
$ 24. Jeder Ansiedler, welcher einen Pacht- oder Kaufvertrag auf Grund dieser Bedin- 
gungen eingeht, oder dessen Bevollmächtigter, ist verpflichtet, dem Stationsvorsteher des Bezirkes, 
in welchem das in dem Vertrage bezeichnete Grundstück liegt eine Postadresse im Schutzgebiet 
zu bezeichnen, au welche postlagernd alle Zustellungen Seitens der Verwaltung im Schutzgebiet 
welche das Grundstück betreffen, wirksam gerichtet werden können. Wird die Bezeichnung der 
Adresse unterlassen, so ist die Verwaltung berechtigt, ihre Zustellungen postlagernd bei dem 
Postamt desjenigen Bezirks zu adressiren. in welchem das Grundstück liegt 
Berlin, 15. Februar» 1888. 

Neu- Guinea -Kompagnie. 

Die Direktion. 


Verordnung betreffend die Anwerbung nnd Ausführung von Klngeborenen 
des Sehntzgebletes der Nen-Onlnen-Kompagnle als Arbeiter. 

Für die Anwerbung nnd Ausführung von Eingeborenen als Arbeiter, soweit dieselben nach 
den bestehenden Verordnungen unter Kontrolle zulässig sind, gelten die folgenden Vorschriften: 

§ 1. Die Anwerbung von Eingeborenen, welche als Arbeiter aus einem Tbeile des Schutz- 
gebietes nach einem anderen Theile desselben über See verbracht werden sollen, darf nur durch 
Schiffskapitäne oder Agenten, welche im Dienst der Neu-Guinea-Kotnpagnie stehen oder vou ihr 
beauftragt sind, oder weiche vou dem Landeshauptmann dazu die Erlaubniss erhalten haben, 
innerhalb der Grenzen dieser Erlaubnis» geschehen. 

$ 2. Eingeborene, welche als Arbeiter nach deutschen Plantagen ausserhalb des Schutz- 
gebiets ausgeführt werden, können durch Agenten der dazu Berechtigten in deu Tbeilen des Bis- 
marck-Archipels, wo dies bisher geschehen und auf den Salomonsinseln augeworben werden; 
jedoch bedürfeu die Agenten der Erlaubniss des Landeshauptmanns. 

§ 8. Die nach Maassgabe des § 1 angeworbenen Arbeiter werden von dem Anwerbeplatz 
in eines der von der Neu Guioea-Kompagnie angelegten und unterhaltenen Depots gebracht, welches 
der Landeshauptmann dafür bezeichnet und dürfen nur von dort unter den von der Verwaltung 
zu bestimmenden Bedingungen an private Arbeitgeber abgegeben und ihrer Bestimmung zuge- 
führt werden. 

Für die nach Maassgabe des § 2 angeworbenen Arbeiter können die zur Ausführung Be- 
rechtigten besondere Depots anlegen, in welchen die Arbeiter vor der Verschiffung gesammelt 
und bewahrt werden. 

Arbeiter, welche nach Ablauf des Vertrages zurückgebracht werden, sind, bevor sie an die 
Auwerbestelle oder Ihre Heimath abgeliefert werden, zunächst dem Depöt vorznführen. an welches 
sie vor UeberfÜhruug an den Bestimmungsort gebracht waren. 

§ 4. Die Beförderung der in $ 1 bexeichneten Arbeiter nach und von dem Depöt (§ 3) 
darf nur auf Schiffen der Neu-Gulnea-Kompagnie oder auf solchen Schiffen anderer Rheder, welche 
von dem Landeshauptmann die Ermächtigung dazu erhalten, erfolgen. 

Arbeiter, welche nach Maassgabe des | 2 ausgerührt werden, dürfen von den dazu Be- 
rechtigten auf eigenen oder gecharterten Schiffen von dem Anwerbeplatz nach dem Depöt der 
Berechtigten und von dort nach dem Anwerbeplatz zurück befördert werden. 

§ 5. Das Gesuch um Erlaubnis.« zur Anwerbung von Arbeitern (§ 1 und 2) ist auf eine 
bestimmte Anzahl derselben und für einen oder mehrere bestimmte Distrikte oder Tbeile der 
Küste, in welchen die Anwerbung beabsichtigt wird, zu richten. Sie wird schriftlich ertheilt. 
Die darin bestimmten Grenzen dürfen nicht überschritten werden. 

§ 6. Der Erlaubnisschein wird ertheilt, wenn 

a) nachgewiesen wird, dass die anzuwerbenden Arbeiter für eine Beschäftigung im 
Schutzgebiet oder für eiue dazu berechtigte deutsche Plantage ausserhalb desselben 
bestimmt sind; 

b) im Falle der Anwerbung mittels Schiffes dargethan wird, dass das Schiff sich in 
gutem Seezustande befindet, für Arbeitertranspoit geeignet ist uud einen für die an 
zuwerbende Anzahl Arbeiter genügenden Raum besitzt, ancb den für dieselbe genü- 
genden Vorrath von Lebeusmitteln. Frischwasser und Arzneimitteln an Bord hat; 

c) im Falle des $ 2 ausserdem erwieseu wird, dass aus dem Bezirke des Bismarck- 
Archipels. in welchem Arbeiter geworben werden sollen. Eingeborene als Arbeiter 
schon vor dem 21. August 1885 nach deutschen Plantagen ausserhalb des Schutz- 
gebietes ausgeführt worden sind. 

§ 7. Die Erlaubniss kann, auch wenn die in I 6 bezelchneten Bedingungen erfüllt sind, 
für solche Distrikte verweigert werden, in welchen das Entstehen von Konflikten mit den Ein- 
geborenen durch die Auwerbung zu besorgen ist Sie darf zurückgenommen werdeu. wenn der 
Schiffaführer oder der sonstige Agent bezw. deren Gehilfen sich bei der Anwerbung oder im Zu- 
sammenhänge damit einer Uebertretung der darüber gegebenen Vorschriften, einer schlechten Be- 
handlung der Eingeborenen oder einer sonstigen strafgesetzlich unerlaubten Handlung in Bezug 
anf das Anwerbungsgeschäft oder gegen die Eingeborenen im Anwerbebezirk schuldig gemacht habe n 


Digitized by Google 



312 


Anhang. 


Die Zurücknahme der Erlaubnis steht dem Landeshauptmann zu; in dringenden Fällen 
kann sie von dem Vorsteher der 8tation, zn dessen Bezirk der Anwerbungsbereich gehört vor- 
behaltlich des Rekurses an den Landeshauptmann, ausgesprochen werden. 

§ 8. AU» selbstständige Arbeiter dürfen nur gesunde Leute angeworben werden, welche 
ausreichend körperlich entwickelt und nicht in Folge höheren Alters gebrechlich sind. 

Personen, welche diesen Anforderungen nicht genügen, dürfen nur dann angeworben wer- 
den, wenn sie zu einer angeworbenen Familie gehören und ihreu Unterhalt von dieser erhalten, 
vorausgesetzt, dass sie nicht an einer ansteckenden Krankheit leiden. 

Darüber, ob ein Eingeborener anwerbefahig ist oder uicht entscheidet der Stationsvorsteher. 

§ 9. Die Daner des Vertrages darf drei Jahre nicht übersteigen. Die Vertragszeit ist von 
dem Tage der Ankunft an dem Bestimmungsort an zu rechnen bis zu dem Tage der Einschiffung 
behufs der Rückbeförderung, ln dem Vertrage ist der Bestimmungsort der Arbeiter anzugeben 
und auszaspreeben : 

a) dass die tägliche Arbeitszeit nach Sonnenaufgang beginnt und mit Sonnenuntergang 
endet, von einer zweistündigen Pause für die Mittagsmahlzeit und Erholung zu unter- 
brechen ist und dass die Arbeitsdauer im GanzeD zehn Stnnden nicht übersteigen darf; 

b) das» an Sonntagen nicht gearbeitet wird, es sei denn, dass Sonntagsarbeit im Wege 
der Disziplinarstrafe verhängt worden ist ; 

c) dass von dem Tage der Anwerbuug an ein bestimmtes Monatslohn nach den Bestim- 
mungen des Vertrages entweder in baaretn Geld« oder in Handelswaaren zu den an 
dem Bestimmungsorte üblichen I^adenpreisen gewährt und dass zwei Drittel dieses 
Lohues erst nach Ablauf der Dienstzeit unter Aufsicht der Ortsbehörde bezw. des 
deutschen Konsulat» ausgezahlt werden; 

d) dass den Arbeitern die nöthige Behausung. Kost und ärztliche Pflege einschliesslich 
der Arznei frei geliefert werde in Gemässheit der an Ort und Stelle geltenden Be- 
stimmungen der Behördeu oder des deutschen Konsulats; 

e) dsss sie nach Beendigung ihres Dienstverhältnisses frei nach ihrer Hcimath zurfick- 
befördert werden, dass sie jedoch nicht das Recht haben, die rechtzeitige Ileimbeför 
deruog zurückzuweisen. 

§ 10. Uaber jede Anwerbung eines oder mehrerer Arbeiter au einem Ort ist eine Ver- 
trags Verhandlung aufzunehmen, welche die in $ 9 bezeichnet«!! Bestimmungen enthalten muss. 
Zusätze zn denselben sind gestattet, soweit sie nicht im Widerspruch damit oder mit bestehenden 
obrigkeitlichen Verordnungen steheu. 

Diese Verhandlung Ist von dem Anwerber und dem oder den Angeworbenen, sowie von 
zwei der deutschen oder englischen Sprache und Schrift kundigen Zengen als richtig zu bezeugen. 

Eine Verlängerung des Vertrages bis zur Dauer vou weiteren drei Jahren ist zulässig, 
wenn Arbeiter und Arbeitgeber darüber einverstanden sind. Die Verhandlung darüber ist vou 
dem Stationsvorsteher des Bezirks, ausserhalb des Schutzgebietes von dem zuständigen deutschen 
Konsulate, aufzunehmen. Bezüglich etwaiger Zusätze gelten die Bestimmungen des ersten Ab- 
satzes dieses §. Abschrift der Verhandlung ist vou den Aufnahmestellen dem Stationsvorsteher 
des Bezirks, in welchem die Anwerbung stattgefundeu hat, zn übersenden. 

f 12. Die höchste Zahl der Arbeiter, welche einem Schiffe nach ausserhalb des Schutz- 
gebietes (§ 2) auszuführen gestattet ist, bestimmt sich danach, dass unter Deck für jeden ange 
worhenen Artleiter ein Flächenraum von 1 Quadratmeter (= 10* engl Quadratfuss) and ein Luft- 
raum von Lao Kubikmeter (= 55 engl. Kubikfuss) vorhanden sein muss. 

Für Schiffe, welche Arbeiter nur innerhalb des .Schatzgebietes befördern (| 1). darf unter 
der Voraussetzung, dass sie einen durch Sonnen- und Rcgeusegel gut geschützten Deckraum 
habeu, dieser Deckraum, soweit er nicht zn den Schiffsmanövern gebraucht wird, als Flächen- 
rauro mit in Rechnung gezogen werden; für jeden daneben unter Deck für die Arbeiter vorhan- 
denen bezw. bestimmten Quadratmeter Fläche muss jedoch ein Luftraum von Lu Kubikmeter 
vorhanden sein. 

| 15. Für die gestattete Anzahl Arbeiter muss ein Arbeiterschiff die nach Folgendem su 
bestimmenden Mengen von Nahrungsmitteln guter Beschaffenheit und Frischwasser an Bord haben. 

Für jeden Arbeiter sind zn rechnen: 

als Tagesration: 900 g Reis und 

1500 Y ams und 
4 1 Frisch wasser. 

ausserdem per Woche an zwei oder drei Togen auszugeben: 

750 g Salzfleisch oder gedörrte oder gesalzene Fische, sowie tiü g Tabak und eine 
Thonpfeife. 

An Steile des Reis können in gleicher Gewichtsmenge gegeben werden: Brot, Korn, frische 
Kokosnuss und Maismehl; anderes Mehl in */a der Gewichtsmenge ; anstelle der Y'ama in gleicher 
Gewichtsmenge: Kartofleln and ähnliche, in der Südsee übliche Feldfrüchte. 

Vou diesen Rationen müssen je nach der Entfernung de» Bestimmungsortes des Schiffes 
vorhanden sein, mindestens: 

a) Während des Nord -West- Monsuns: (Januar -März inkL) falls das Reiseziel des Schiffes 
ost- oder südwärts liegt, für je 50 Seemeilen der Entfernung eine Tagesration per 
Arbeit* rkopf ; 

b) während des Südost -Passat» und der Uebergangszeit (April -Dezember inkL) wenn 
das Reiseziel ost- oder südwärts liegt, für je 25 Seemeilen eine Ration per Kopf; 

c) während des Nord -West- Monsuns und der Uebergangszeit (November— Mai inkL). 
falls das Reiseziel west- oder nordwärts liegt, für je 25 Seemeilen eine Ration per Kopf: 

d) während des Süd oet- Passats (Juni — Oktober inkl.) falls das Reiseziel west- oder nord- 
wärts liegt, für je 50 Seemeilen eine Ration per Kopf. 

Fällt ein Theil der Reise des Schiffes in eine der vorstehend genannten Jahreszeiten, ein 
anderer Theil in die folgende, so gilt die längere Ausrüstungsfrist für die ganze Reise. 

§ 14. Ausser dem nach § 18 erforderlichen Proviant und Wasser müssen die Schiffe mit 
auskömmlichen Arzneimitteln versehen sein und darunter müssen sich, abgesehen vou den für 
die Schiffsbesatzung erforderlichen resp. vorgeschriebenen Arzueimitteln, unter Zugrundelegung 
der nach § 18 zn berechnenden Ausrüstungsdauer mindestens an Bord befinden: 


Digitized by Google 



Anhand- 


313 


Anneien und Krankenartikel 

lu>pf 

wChe 

l— lif 

über- 1 
baupt 1 

er 

Köpfe 

Woche 

16— sSTlClpfe 

über- per 

haupt Woche 

51 - 1<? 

über- 

haupt 

er 

l Köpfe 
per 

Woche 

Chinicum snlfurlcum {oder an 








deres Chininsalz) 

0. n K 


— 



— 

— 

Opiumtinctnr . 

0, „ 

— 



— : 



— 



Bittersalz 

i* 

- 

_ 

_ 

_ 

_ 

_ 

Salizin re. reine 


so K 

— 

— 

so * 

— 

60 ( 

Cognac ........... 

— 


200 s 

— 

400 .. 

_ 

750 .. 

Jodoform 



10 g 


1 

, 10 ., 


'20 .. 

Sublimat (Hydr. blcblor corros.) 








in t g Pulvern 

— 

20 „ 

— 

_ 

to „ 



20 „ 

Vaseline 

— 

50 „ 


1 

*25 .. 



50 „ 

Antiseptische Wand watte .... 

— 

2T*0 „ 

— 

_ 

125 ». 

— 

250 „ 

Gewöhnliche geleimte Watte . 

— 

SOU .. 

— 

— 1 

150 

— 

300 

Heftpflaster auf Segeltuch, drei 








Finger breit 

— 

15 cm 

— 

— 

10 cm 



*20 cm 

Grüne oder andere Seife .... 

— 

500 K 

— 

— 

250 g 


500 x 

Karbolsaurer Kalk 



1 kg 



5 kft 


_ 

1« kg 

Fieberthermometer 


l Stck. 


1 Stck. 



1 Stck. 


Dreieckige Verbandtücher .... 

_ 

3 .. 

_ 

e „ 


12 



Nessel, Cali co oder appr Gaze 








ln Stick 

— 





10 m 

_ 

15 m 



Flanell-Leibbinden. 



1 Stck 



5 stck. 



10 Stck 



1 Sc beer« zu Verbandzeug . . . 

— 


— 







1 Salben spatel 

— 

— 

— 


| — 

“ 

— 


Zolltarif des Schutzgebiete der Nen-fi ul nea- Kompagnie. 


s 

E 

a 


Maassstab der Verzollung. 

Zollsatz 

£ 



* 

4 


A. Zollpflichtig« Wioroi b«l 4«r Klefehr 



j 

1 

2 

Biere jeder Art, auch Meth \ 

Apfelwein und sonstige Obstweine / * * * * 

die Flasche bis zu 75 Centiliter 
die grössere Flasche 

- 

10 



bi» zu 150 

— 

20 

3 

Weine, soweit sie nicht unter No. 4 fallen , 

die Flasche bi» zu 75 , 

die grössere Flasche 

- 

20 



bi» zu 150 , 

— 

40 

4 

Sfl**welne (iDlbeeoudere MiIm», H*d*lra, 
M«r»«l». Sherry, Portwein. Tokeyer. Rüster- 
Ausbruch. Schaumwein.*) un.l »rnlere schwere 
Weine (»nätretoche. eriechtschc. sictllsche. 





afrikanische) 

die Flasche bl* zu 75 Centiliter 
die grössere Flasche 

■ 

40 



bis zu 150 

— 

80 

5 

Branntweine und Liqueor** jeder Art alle 





sonstige« alkoholischen Getränke, welche 
nicht unter 1—4 zu rechnen sind, alle Spl 





rit Hosen oder Spirituosen enthaltenden 
Mischungen . die zur Bereitung von Ge 
trinken verwendet werden können . . 

die Flasche oder Krake 





bis zu 50 Centiliter 

— 

40 



die grössere , . 75 . 

- 

60 



. . 100 

— 

So 



. . . . 150 

1 

20 

6 

In Spirituosen eingemachte Früchte .... 

die Flasche oder Kruke 




bi» zu 50 Centiliter 

— 

20 



die grössere „ . 75 , 

— 

30 



. . 100 

— 

40 



. . 150 


60 


Anmerkung: ad 1-6. Di« Verpackung muss in der Regel in Kisten mit einer Flaschen» 
oder Krukenzahl. die durch 12 aufgcht, geschehe«. 

Anmerkung ad 1 i Die Einfuhr, anders als in Flaschen bis zu 150 Centillter Inhalt, 
darf nicht statt!! öden. 

Anmerkung ad 5. Die Einfuhr, anders als in Flaschen oder Kruken bis zu 150 Centillter 
Inhalt, darf nicht stattftnden. Die in geringeren Menge« eingehenden medizinischen Spirituosen 
sind von der Verzollung ausgenommen. 


Digitized by Google 



314 


Anfang. 



C. KiRfthrrerbote. 

1 Opium, ausser xu medicinlschen Zwecken. 

2 Waffen , Munition und Sprengstoffe , ausser 

zum persönlichen Bedarf für Nicht-Ein- 
geborene. 


Der Vertrag zwischen dem Snltnn von Sansibar nnd der Dentsch-Ostafri- 
kanlschen Gesellschaft. 


Artikel I. Seine Hohe» der Sultan übertrfgt der DeuUcb Ost*frtkaui*chen , Gesellschaft 
alle Gewalt, welche Ihm auf dem Festlande (Mrima) und in Seinen Territorien und Dependenzen 
südlich vom Urobafluss zusteht, und Er überlässt und überglebt derselben die gesamnite Verwal- 
tung dieser Gebiete. Die Verwaltung soll von der Gesellschaft im Namen Seiner Hoheit und 
unter Seiner Flagge, sowie unter Wahrung Seiner Sooveränetitarechte geführt werden. Es ver- 
steht sich hierbei jedoch, dass die Gesellschaft für alle Angelegenheiten und für die gesummte 
Verwaltung der in diese Abtretung (concession) eingeschlossenen Gebiete Seiner Hoheit verant- 
wortlich ist und dass Seiner Hoheit dem Sultan weder aus den damit verbundenen Ausgaben, 
noch aus Krieg und Diya (Blutgeld) noch aus hiermit in Zusammenhang stehenden Ansprüchen 
Verbindlichkeiten erwachsen sollen und dass Er zu einer Regelung dieser Angelegenheiten nicht 
herangezogen werden darf. Niemaud ausser der Gesellschaft soll das Recht haben, offeimione 
Ländereien auf dem Festlande oder sonstwo in den Gebieteu, Besitzungen und Dependenzen deiner 
Hoheit innerhalb der oben genannten Grenzen zu kaufen, es sei denn, dass der Lrwerb durch 
Vermittelung der Gesellschaft, wie jetzt durch Vermittelung Seiner Hoheit geschieht Der Snltan 
gewährt der Gesellschaft auch die Befugnis?-, von der Bevölkerung des Festlandes innerhMb der 
bezeichneten Gebietsgrenzeu 8teuern zn erbeben. Seine Hoheit willijrt ferner ein, alle Akte und 
Handlungen, welche erforderlich sind, um die Bestimmuugen dieses V ertragi-s zur Ausführung zu 
bringen, vorzunehmeu nnd der Gesellschaft mit Seiner gauzen Autorität und Macht zu helfen und 
beizusteheu, damit die gewährten Rechte und Gewalten sichergestellt werden. Die vertrag- 
schließenden Theile sind ferner darüber einig, dass der Inhalt der folgenden Artikel de* * ertrage» 
die Rechte, welche von Seiner Hoheit den Untertanen oder Bürgern von Deutschland. F rimk- 
reich, Großbritannien, von den Vereinigten Staaten von Amerika oder anderen mit Seiner Honelt 
in Vertragsverhiltnissen stehenden Mächteu bewilligt sind, in keiner Weise beeinträchtigen oder 
schmälern soll: ebensowenig sollen die Verpflichtungen berührt werden, welche Seiner Honett In 
Folge Seines Beitrittes zur Generalakte der Berliner Konferenz auferlegt sind oder auferlegt 
werden mögen. , „ . 

Artikel II. Seine Hoheit ermächtigt die Gesellschaft, vorbehaltlich der unten vorgesehenen 
Ausnahmen, in Seinem Namen und an Seiner Statt überall ln den obenbezeichneteu Gebiets- 
grenzen Beamte für die Verwaltung Seiner Besitzungen zu bestellen; die erforderliche Anzahl 
von I'nterboamten zu ernenuen ; Gesetze für die gedachten Gebiete zu erlassen; Gerichtshöfe ein- 
zurichten und überhaupt alle Maassnahmen zu treffen, welche zum Schutz der unter ihrer Regie- 
rung »tehendeu Gebiete und Interessen nothwendig sind. Seine Hoheit ermächtigt die Gesellschaft 
ferner, Vertrage mit Ihm unterstehenden oder auderen Häuptlingen der Eingeborenen zu srnliessen. 
und sollen solche Verträge und Abmachungen in denjenigen Fällen, in welchen sie im Nameu 
Seiner Hoheit abgeschlossen werden, von Ihm ratiflzirt und bestätigt werden, eine Hoheit willigt 
auch ein, abgesehen von Seinen Privatländereieu und Schambas, alle die Grundgerechtsame. welche 
Ihm auf dem Festlande von Afrika inuerhalb der oben bezeichneten Grenzen zustehen, der ‘ Gj- 
Seilschaft abzntreten und ihr alle Forts und nicht im Gebrauch befindlichen öffentlichen oebäuae 
zu übergeben, sofern Er sie nicht für Seinen Privat gebrauch zurückzubehalten wünscht. Ein Ver- 
zeichnis» solcher Gebäude, Pflanzungen oder Besitzungen soll aufgestellt und von Seiner Hoheit 
nnd der Gesellschaft genehmigt werden. Ferner ermächtigt Er die Gesellschaft, all** noch ment 
in Besitz genommene Land zu erwerben und Bestimmungen über die Okkupation von solchem 
Land zu treffen ; lokale sowie andere Steuern, Abgaben und Zölle au «zu sch reiben uud zn erhebe u 
nnd alle Maassnahmen zu treffen, welche zur Einrichtung und Unterhaltung der \ erwaltung, der 
Streitkräfte, des Justizwesens, zur Anlage und Verbesserung der Wege oder Wasserstrassen oder 
anderer Öffentlicher Arbeiten, sei es für Verteidigung» oder sonstige Zwecke, zur Zahlung von 
Schulden und von Zinsen des aufgewendeten Kapitals nothwendig sind. Die Richter solleu vou 
der Gesellschaft vorbehaltlich der Zustimmung des Sultans bestellt, alle .Kadis* dagegen sollen 


vou Seiner Hoheit ernannt werden. ... 0 ~ 

In den von Ureinwohnern besiedelten Landstrichen ist die Rechtspflege Sache ®er Gesell- 
schaft und ihrer Beamten. Die Gehälter der Gouverneure und aller anderen Beamten iu den von 
der Gesellschaft in Besitz genommenen und verwalteten Territorien solleu von derselben bezahlt 


Artikel 111. Seine Hoheit gewährt der Gesellschaft das Recht, überall innerhalb der durch 
diesen Vertrag bezeichneten Gebietsgrenzen Handel zu treiben, Eigenthum zu haben, Gebäude zu 
errichten und mit Zustimmung der Eigentümer Ländereien oder Häuser durch Kauf oder sonstige* 
Rerhtsgpschäft zu erwerben. 


Digitized by Google 





Anhang. 


Mb 


Artikel TV. Seine Hoheit ertheilt der Gesellschaft das besondere und ausschliessliche 
Recht und die Befugnis», Vorschriften für den Handel und Verkehr, die Schifffahrt auf Fl Assen 
und Seeen, die Kontrole der Fischerei, den Bau von Wegen. Strassen und Eisenbahnen. Kaukien 
und Telegrapheu zu erlassen und hierfür Zölle und Abgaben zu erheben. Insoweit Seine Hoheit 
nicht Verpflichtungen gegen die anderen Mächte eiugegangeu ist, überträgt Er der Gesellschaft 
ferner die Befugnis», die Einfuhr von Waaren, Waffen, Munition, berauschenden Getränken jeg- 
licher Art und allen anderen Gütern, welche nach ihrer Ansicht der Öffentlichen Ordnung oder 
Sittlichkeit schädlich sind, zu beaufsichtigen oder zu verhindern. Es versteht sich indessen, dass 
bei Ausübung dieser Privilegien und Befugnisse die Verträge, welche zwischen Seiner Hoheit und 
anderen Mächten abgeschlossen sind, beobachtet werden solleu. 

Artikel V. Seine Hoheit ermächtigt die Gesellschaft, in Seinem Namen alle Hilfen, 
welche an den Flussmündungen oder an anderen Stellen Seiuer oben bezeichneteti Besitzungen 
gelegen sind, in Besitz zu nehmen, und Er verleiht ihr das Recht, Zollhäuser zu errichten und 
von Schiffen, Gütern u. s. w.. welche in den Häfen ankommen oder ans deuselben abgehen. Ab- 
gaben zu erheben und alle zur Verfolgung des Schmuggels erforderlichen Maassregeln zu treffeu, 
jedoch sollen auch hier in allen Fällen die Bestimmungen der oben genannten Verträge ge- 
wahrt bleiben. 

Artikel VI. Seine Hoheit verleiht der Gesellschaft das ausschliessliche Recht, in allen 
Theilen der Territorien Seiner Hoheit innerhalb der oben bezeichneten Gebietagrenzeu Blei. 
Kohlen Eisen. Kupfer, Zinn, Gold, Silber, Edelsteine, sonstige Metalle nml Mineralien, sowie Mi- 
neralöle aller Art aufzusuchen und zu gewinnen, hierauf bezügliche Verordnungen zu erlassen 
und die gedachten Bergwerksrechte zu verpachten oder zu überweisen; ebenso soll die Gesellschaft 
allein berechtigt sein, mit den gewonnenen Metallcu n. s. w., frei von Stenern nud Abgaben, 
Handel zu treiben. Nur an Seine Hoheit hat die Gesellschaft eine massige Abgabe (royalty) für 
Mineralien zu entrichten; dieselbe soll 5 Prozent des ersten Preises der Artikel, von welchem die 
für Gewinnung des Minerals aufgew endeten Kosten in Abzug gebracht sind, nicht übersteigen und 
später zwischen dem Snltan und der Gesellschaft vereinbart werden. Auch wird der Gesellschaft 
da» Recht eingerflumt, alle Waldbäume, sonstiges Holz, sowie Materialien aller Art für die vor- 
genannten Arbeiten wie auch zum Haudelsbetriebe zn benutzen. Da» Bau- und Bre.unholz in- 
dessen. welche» unter dein Namen „Burti“ bekannt ist, darf «nf dem Festlande auch von Anderen, 
wie bisher, geschlagen werden, fall» sie hierfür die mit der Gesellschaft zn vereinbarenden Ab- 
gaben bezahlen; solche Abgaben sollen jedoch nicht für Holz gefordert werden, welches für den 
Gebrauch Seiner Hoheit gefällt wird. 

Artikel VIL Seine Hoheit gewährt der Gesellschaft das Recht, in Seiuen obenerwähnten 
Territorien ein oder mehrere Bankinstitute mit dem ausschliesslichen Privileg der Notenausgabe 
einzurichten. 

Artikel V11J. Alle zuvor genannten Befugnisse und Privilegien sollen verliehen werden 
und der Gesellschaft zur Verfolgung ihrer Zwecke und Ziele zustehen für die Zelt von fünfzig (50) 
Jahren, welche vou dem Tage der Unterzeichnung dieses Vertrage» zn lanfeu beginnt. Mit dem 
Ablauf der bezeichneten Zelt fallen alle öffentlichen Werke, Gebäude u. s. w. au den Sultan. Seine 
Erben oder Nachfolger zu eluem Schätzungswert)!« zurück, welcher auf Verlangen von beiderseits 
bestellten Taxatoren festzusetzeu ist. 

Artikel IX. Seine Hoheit gewährt der Gesellschaft die „Regle“ oder Pacht der Zölle in 
sämratllchen Häfen de» oben bezeichneten Thells Seiner Territorien für eine gleiche Zeitperiode, 
wie die vorher erwähntet» anderen Rechte fconcessions). und zwar unter den folgenden Bedingungen: 

Beim Beginn ihrer Verwaltung zahlt die Gesellschaft Seiner Hoheit einen Vorschuss von 
fünfzigtausend (50000) Rupien in baar: dieser Betrag ist in gleichen Monatsraten binnen der 
ersten sechs Monate zurückzuerstatten. Im ersten Jahre liefert die Gesellschaft am Ende eines 
jeden Monats enrrmäiseber Zeitrechnung den gauzeu Betrag der in den oben bezeichneten Terri- 
torien erhobenen Ein- uud Ausfuhrzölle an Seine Hoheit ab. Abgezogen wird nur eine gewisse 
Summe für die Ausgaben, welche durch die Zollerhebung erwachsen. Diese Ausgaben dürfen die 
Snmme von einhundert und siebenzigtauseud (170 000) Kopien in dem ersten Jahre nicht über 
steigen, und wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, durch ihre Bücher uaehzuweisen. das* 
sie in Wirklickkeit die oben erwähnte Summe verausgabt hat, so hat sie an Seine Hoheit auch 
die Differenz zwischen ihren wirklichen Ausgaben und dem Betrage von 170 000 Rupien zu zahlen. 
Der einzige Nutzen, welchen die Gesellschaft im ersten Jahre haben »oll. besteht in einer Kom- 
missionsgebühr von fünf (5) Prozent der au Seine Hoheit gezahlten Nettoeinkünfte. 

Auf Gruud der im ersten Jahre gemachten Erfahrungen soll die Durchschnitts» nimm-, welche 
von der Gesellschaft jährlich an Seine Hoheit zn zahlen ist, festgesetzt werden; die Gesellschaft 
soll jedoch das Recht haben, am Ende eines jeden dritten Jahres auf Grund der in deu letzten 
drei Jahren erzielten Ergebnisse, welche durch ihre Bücher nachzuweisen sind, in neue l uter 
Handlungen mit Seiner Hoheit eiuzutreten, um die Durchsrhnittssuimuc zn revidireu nud neu 
festzusetzen. Seine Hoheit ist berechtigt, einen Beamten zu bestellen, welcher die Zolleiunahmen 
in den Häfen de» hier in Betracht kommenden Gebietes zu kontroliren hat. 

Ferner versteht es sich, dass Seine Hoheit von keinem Zweige de» Handels den Zoll zum 
zweiten Male beanspruchen darf. Der Gesellschaft steht daher das Recht zu. über die ZoUbfJUBUttl 
Seiner Hoheit in Sansibar zn diesem Behuf eine Kontrole auszuübeu uud die Rückvergütung aller 
Zollbeträge zn verlangen, welche künftighin etwa von der Einfuhr nach den in diesem Vertrage 
(conces&ion) bezeichneten Häfen oder von der Ausfuhr au» denselben direkt an Seine Hoheit be 
zahlt werden. Die Gesellschaft verspricht ferner Seiner Hoheit fünfzig (50) Prozent von dem weiteren 
Reineinkommen zu zahlen, welche» Ihr aus den Zollabgaben der hier in Rede stehenden Hafen 
zoflicssen wird; Selnp Hoheit übertragt der (resellsebaft alle Rechte au den Tcrritorialgewä.%*ern, 
welche innerhalb der oben bezeichneten Grenzen Seiues Gebiete» liegen oder zu denselben ge 
hören, insbesondere soll sie die Befugnis» haben, die Beförderung, die Durchfahr, das Landen 
und Verschiffen von Waaren und Produkten Innerhalb der genannten Gewässer durch Küsten- 
wächter in Lande und zu Wasser zu beaufsichtigen nud zu koutroliren. 

Artikel X. In Anbetracht der Konzessionen, Befugnisse und Privilegien, welche der Ge- 
sellschaft im Vorstehenden eingeräumt sind, sichert dieselbe dem Snltan die Zahlung der Divi- 
dende von zwanzig f20) Anteilscheinen der Deutsch* Mafrikanisrhen Gesellschaft zu je zehn- 
tausend (10000; Mark, das heisst dl« Zahluug der Dividende eine» Kapitalbetrage» von ungefähr 



Anhang. 


316 


zehntausend (10000) Pfand Sterling zu; die*« Zusicherung soll Ihm den Anspruch auf den einem 
solchen Antbeil au dem GesellschaftsvertnOgen zukommenden Theil demjenigen Reingewinn* geben, 
welcher ausweislich der Bücher der Gesellschaft vorhanden ist, nachdem Zinsen in Hohe von 
acht (8) Prozent auf da* eingezahlte Kapital der Antheilscheinbesltzer bezahlt worden sind. 

Artikel XI. Die Deut«ch-Ostafrikanische Gesellschaft soll alle liechte. Privilegien. Ab 
gabenfrelheiten ond Vort belle geniessen. welche anderen Gesellschaften oder Personen eingeräurat 
sind oder künftighin eingeräumt werden, denen für einen anderen Theil des Herrsebergebietes 
Seiner Hoheit ähnliche Rechte wie in diesem Vertrage gewährten übertragen sind oder übertragen 
werden tnOgen. 

Artikel XII. Die im Vorstehenden bezeiebneten Rechte (concessions) erstrecken sich nicht 
auf die Besitzungen Seiner Hoheit auf den Inseln von Sansibar und Pemba noch auf Seine Terri- 
torien nördlich des (Jmbaflusse*. und cs versteht sich, dass alle Öffentlichen, richterlichen oder 
Regie nmgsbefugnisse und Funktionen, welche der Gesellschaft in diesem Vertrage übertragen 
sind, von derselben nur im Namen und unter der Autorität des Sultans von Sansibar ausgeübr 
werden sollen. 

Artikel XUI. Beide Theile sind darüber einig, das* die hier in Rede stehenden Rechts- 
übertragungen (cunoessious) uud die denselben entsprechenden Verpflichtungen, sowie sie im Vor- 
stehenden dargelegt sind, für beide Theile. ihre Krocn uud Rechtsnachfolger für den vereinbarten 
Zeitraum von fü»f«i£ (50) Jahren bindend sein sollen. 

Artikel XIV. Seine Hoheit ist bereit, di« im Vorstehenden bezeiebneten Zolle. Lande 
reien und Gebäude der Dcutsch-Ostafrikanlschen Gesellschaft au einem von ihr zu wählenden 
Tage nach dem fünfzehnten (15.) August eintausend achthundert achtundachtzig (1888) sn über- 
tragen. 

Artikel XV. Der gegenwärtige Vertrag ist in vier Abschriften ausgefertigt worden, von 
denen zwei in englischer und zwei in arabischer Sprache abgefasst sind. 

Alle dies« Abschriften haben denselben Sinn: sollten gleichwohl später Meinungsver 
schiede »beiten über die richtige Auslegung des eugliscben und arabischen Textes der einen oder 
der anderen der Vertragsbestimmungen entstehen, so soll die englische Abschrift als die maass- 
gebende betrachtet werden. 

Zur Beglaubigung dessen haben Seine Hoheit Seyyid Khalifa ben Said und Dr. G. Micha 
helles diesen Vertrag gezeichnet und demselben ihre Siegel angeheftet 

Geschehen in Sansibar den aebtnndzwanzigsten Tag des April in dem Jahre unsere* Herrn 
1888 (eintausend achthundert achtuudachtzlg), entsprechend dem »echszehuten Scbaban eintausend 
dreihundert nnd fünf der Hedschra. 

(Folgen l'nterscbriften und Siegel.) 


Digitized by Google 



Register. 


A. 

Abgrenzung des südwestafrikamschen 
Schutzgebietes lfLL 
Acacia saligna 1L 
Achmed, Sultan 2, 232 IT. 

Afrikander ~L 
Ameib 43. 

American Board 52. 

Angra Pequena(Lüderitzbucht) 2, 133, 133. 
Antisklaverei-Bewegung 23, IW. 218, 225 
Antrag Windthorst 2 25 
Apia 1 14. 

Araber, Aufstand 22. 106, 2ÜH fT. 

— Ausbreitung derselben Li, 
Arbeiterfrage in Pondoland 22, 

— in Brasilien 84. 

— in Ostafrika 422, 

— in der Südsee 262, 31 1. 

Atolle 1 10. 

Auswanderung nach Brasilien 86, 131. 


B. 

Bagamoyo 50, 265, 

Baker, Sir Samuel 18. 

Baptisten, englische 30. 

Barros, (lomes de 12. 

Baseler Missionsgesellschaft 28, 31, 
Bastards 44. 

Basutoland 11. 

Batanga-Expedition Lfifi. 

Baumwolle 239. 2 6 1. 

Baumann, Oscar 176, 222 . 

Bergbehörde 151. 

Berggesetz für Deutsch-Süd wes tafrika 151. 
Bersaba 38. 

Bethanien 33. 

Betschuanaland 5, 140. 

Bismarck, Fürst 24, 218, 228, 
Bismarck-Archipel 241 ff. 

Bismarckburg 183. 

Blaugummibaum 20. 

Blokade 24, 1ÖL. 220. 

Bodengestalt Südwestafrikas LAL 


Bogadjim 57, 258. 

Bondelzwaarts 3, 

British India Stcam Navigation 2lLL 
Brüder von der Gesellschaft des heiligen 
Geistes 50 

Buchsbaumholz 67, 15. 

Buren 5, 154. 

Busch iri 223. 

Butaueng 249. 

C. 

Ceder 64, 

Church Missionary Society 48, 


11 . 

Dar-es-Salaaui 54, 215, 224, 

Delagoabay-Eisenbahn 2. 

Denhardt. Gebrüder 235 
Deutsch - afrikanische Minengesellschaft 
LOL 

Deutsches Kmin Pascha- Komitee 121. 
Deutscher Frauenverein für Kranken- 
pflege in den Kolonien 5a, 130.^ 
Deutsche Handels- und Plantagen-Gesell- 
schaft der Südsee 1 13. 244, 268. 
Deutsche Kolonialgesellschaft, die 120 fl. 

— für Südwestafrika 9. 146. 
Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft 22, 

192. 124 IT. 

Deutsch -ostafrikanische Plantageugesell- 
scbaft 198. 

Deutsche Pflanzergesellschaft 1S2,_ 
Deutsche Pomloland-Gesellschaft 14, 
Deutsche Togogesellschaft 182. 
Deutsch-westafrikauische Kompagnie 1 52 . 
Deutsche Witugesellschaft 235fT 
Dominikus 133. 

Duallas 29, 168. 


Kiscnholz, schwarzes 68, 15 
Ekossawald 62, 73, 176. 
Elberfeld 32. 


Digitized by Google 


318 


Reinster. 


Elephantiasi' 243. 

Emin Pascha 13. 

Emin Pascha-Unternehmen 126. 1 2'.t. 
Englische Kolonisation in Westafrika 1 18. 
Evangelisch - lutherische Missionsgesell- 
schaft für Ostafrika 32. 

Evangelische Missionsgesellscbaft für 
Deutsch-Ostafrika 52. 

Ewe 187. 

Export aus Ostafrika 200. 

— nach Kamerun 1 74. 

— nach Brasilien 92, 

— aus der Südsee 259. 

F. 

Fernando Po ^0, 177. 

Finnische Missionen 41. 

Finsch, Dr. 244. 

Finschhafen 1 10. 249. 257. 

Francois, v. 183. 

Französische Kolonisation 11.7, 

Free Church of Scotland 42. 

Fumo Rakari 943. 

Gelbholz 63. 

Gesellschaft für deutsche Kolonisation 
1 22. 182. 

Gesetze und Verordnungen 277 ff. 
Gibeou 36, 4L 
Gobabis 39, 4L 
GodefTroy & Sohn 1hl. 

Goring, I »r. 3, 137. 

Golbanti 48, 

Gold US, 233. 

Gordon Pascha 12, 

Gordon Sprigg L 
Grobelaar Fall 9, 

Gründung des Kolonialvereins 120. 

U. 

Hahn, Samuel 2L 
Hansemann, v. 244. 

Hatzfeldthafeu 249. 238. 

Hawaiische Evangelische Gesellschaft 39. 
Herero 3, 39, LLö ff. 

Hernsbeim & Co. 258. 268. 

Heydt’sches Reskript, v. d. 86, 1 23. 
Hoachanas 32. 

Hohenlohe, Fürst zu 120. 237. 

Hollnrag, Dr. 250. 

Horner 2Ü. 

L 

Import nach Kamerun 174. 

Inder in Ostafrika 992. ‘*40. 

Instruktion au den Grafen Münster 137. 
Jaiuit 111, 267. 

•laluit-Gesellsehaft 113. 269 ff. 


K. 

Kaffee 177, 260. 

Kaiser- Wilhelinsland 244 ff. 

Kaiserin- Augustafluss 250. 

Kamaherero 40, 133. 

Kamerun 116 ff. 

Kameruner I.and- und Plantagen-Gesell- 
schaft 116. 

Kapparlament 4, 139. 

Katholische Missionsgesellscbaft für 
Deutsch-Ostafrika 5L 
Kautschuk 176, 242. 

Kerawara 249, 269. 

Keetmannshoop 37. 

Khamas Reich 2, 

Khartum 17. 

Kiloa 216. 

Kisslutini 36. 

Klimatisches 143. 179, 188,241,243, 251. 
Knutson 33, 

Knysna 62. 

Kongoakte 219. 

Konstantinhafen 249. 258. 

Konvention zwischen Engländern und 
Buren 8. 

| Kopra 114, 175, 201, 259, 262. 

: Krätke. I.andeshauptmann 248. 

Krapf 43, 

Krönlein 33, 37. 

Kund 163. 


L. 

[.amu 233. 240. 

Lavigerie 22. 

Lenz, Prof. 26. 

Lewa 22L 
Lewis, R. 136. 

Lindi 2I3ff 
Literatur 27 2 ff. 

Lobengula 2. 

Londoner Missionsgesellschaft 42, 
j I.üderitz, C. F. 2, 1 33. 

I.upton Bey LL 

M. 

Magila 36. 

Mahdi 12, 

Mamboia 42. 

Manda 238. 

Mandera 3L 

Marine, deutsche 1 04. 220. 
Maristen-Kongregation 57. 
Marschall-lnseln 111. 263 ff. 
Marvin, Charles 3. 

Massai 30. 

Matthews 207 ff. 

Matupi 32. 

Methodisten 37. 

Michahelies, (ieneralkousul 263 ff. 


Digitized by Google 


Register. 


319 


Mikindaui 2 LS ff. 

Mission U. L. Frauen von Issoudün 58. 
M’lapa lfi£L 
Moffat 3. 

Monda 5JL 

Mohamedanismus unter Negerstämmen UL 
Mwapwa 49. 

H. 

Nachtigal, Dr. 160. 180. 

Nam&s 3» 33. 

Neu -Barmen 41. 

Neuendetteisauer Missionsgesellschaft 55. 
Neue Republik (L 
Neu-Guinea-Kotnpagnie 247 ff 
Neukircliner Mission 52. 

Ngao 22. 

Niessholz Sfi. 

Niger-Benue 25, 130. 

Norddeutsche Missionsgesellschaft 28. 
Nyassa-See U, 21. 


0. 

Okahandya 40, 187. 

Otyimbingue 40, 157. 

Ovamboland 41 . 

P. 

Pangani 209 fT. 

Papua 254. 

Patteson, Bischof 58. 

Peters, Dr. 122. 190. 

Petersen IhK, 

Pinusarten 68. 

Polynesier 266. 

Pondoland 73, 16. 

Portugiesische Kolonien 10, 119. 
Postdampfer-Subvention 121. 
Protektoratserkllrungen in Südwestafrika 
136. 

Pugus 51, 223. 

R. 

Rebmann ÜL 
Reichstag 124. 228 
Rehoboth 38, 44, 48. 

Rheinische Missionsgesellacbaft 2, 33, 56. 
Rietfontain 48. 

Rio- Handel 82. 

Royal Niger Company 28. 


S, 

Saker, Alfred 28. 
Salomo-Inseln 247. 


Samoa lOär H3, 263 

Satzungen der Neu -Guinea -Kompagnie 


Satzungen der Deutsch - Ostafrikanischen 
Gesellschaft 195. 


i 


Satzungen der deutschen Kolonialgesell- 
schaft 123. 

Scbutzbrief der Deutsch-Ostafrikanischen 
Gesellschaft 191. 

— der Neu- Guinea- Kompagnie 248. 
Schutzvertrag mit Kamaharero 185. 
Simbang 56. 

Sklaverei, Brasiliens 84. 

Sklavenhandel, afrikanischer 13. 

Stanley 20. 

Stationen der Deutsch - ostafrikauischen 
Gesellschaft 199. 

Stellaland 5. 

Stinkholz n3. 

Suahelis 201. 243. 

Südwestafrikanisches Goldsyndikat 249. 

T. 

Tabakbau 178, 198, 261. 
Tabakbau-Gesellschaft Kamerun 178. 
Tänze der Eingeborenen 257, 267. 

Tanga 166, 214 ff. 

Tappenbeck 163. 

Teusz 176. 

Tippu Tip 2L 
Tonga 1 15. 

Transvaal 2. 

C. 

Uebereinkommen über Interessensphären 

HO, 193, 245. 

1'gaiida 28. 

Univerritiers' Mission 49. 

Usambara 41). 

Usibepu 6. 

V. 

Vereinigte methodistische Freikirche 42. 
Vertrag zwischen dem Sultan von Sansi- 
bar und der ostafr. Gesellschaft 314. 
Verträge in Südwestafrika 139 
Victoria 30, 162. 

Vorlage der Reicbsregiening 220. 

W. 

Walfischbay 2, 139. 

Warmbad 32. 

Warren 5. 

Waterberg 49. 

Whindi 107, 223. 

Wissmann 129. 227. 

Wittbooi, Hendrick 3. 

Wjtuland 52. 231 ff. 

Woermann, C. F. 160. 

Wolf, Dr. 183. 

/,. 

Zululand 6. 

Zwischenhandel in Kamerun 169. 




Digitized by Google 


Gedruckt bei Julius Sitten Md in Berlin W. 


Digitized by Google 




Digitized by Google 



THB NEW YORK PUBLIC LIBRARY 

REFBRBNCB DBPARTMBNT 


Tbi» book m undcr no ciroumstanoe« to be 
takco from the Building 



Digitized by Google 



Digitized by Google 


Digitized by Coogli