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Full text of "Der werdegang des deutschen volkes. Historische richtlinien für gebildete leser"

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Der 

Werdegang 
des deutschen 
Volkes: Das 
mittelalter 




Otto Kaemmel 





8* 



3! 



*1 ^ ^Vii 

>lib lhtmii 



Blau Memorial Collection 



I 



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(Erjter feil 



beuten Bulto 



fißortfös Bitfjtlnücn für gEbütuto lt]tx 

von 

„J>is I&enfrfjsn jtnti bic Seiten" 

(£r)fi>r (Eni 
Sa* püUlalUr 




Ir. HHUj. O&nmoro 

189« 



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A 554386 



(Stnieifung 



uropa§ ©ntnricflung untcrf Reibet fid) oon ber 
aller anbern Erbteile oornehmlid) baburd), bafc 
fid) f)ier grofje nationale Körper, mit oerhältni§mä&tg 
nur geringen frembartigen Söeftanbteilen untermifcht, ge* 
bilbet ^aben, bie nun al§ felbftänbige gefdjloffene (Sin* 
Reiten neben einanber ftehen unb beftänbig auf ein= 
anber nrirfen. Slufterhalb (Europas ^aben fict) bagegen, 
wenige grofje Ausnahmen abgerechnet, fleine SBölfer unb 
Söölferfpltlter ober gar Seile oerfdjiebner Waffen burd)* 
einanber unb übereinanber gefdjoben, unb e3 Ijat jroar 
hie unb ba, oft nur jeitmeilig, ein einzelner Seil bie 
anbern ju einer gro&en politifchen Sftacht, aber nicht 
&u einer rötrflidt)en Nation äufammenfchtoeifjen fönnen. 
3n biefem Unterfchiebe ift bw Überlegenheit @uropa§ 
in ber Seit begrünbet. %a% er fid) aber auägetolbet 
hat, ba§ liegt im Söefen beffen, roa§ roir heute unter 
einer Nation oerftehen. 

(Eine Nation im mobernen ©inne ift eine burd) 
Übereinftimmung in «Sprache unb Sitte, in htftorifchen 
(Erinnerungen unb fittlichen 2lnfd)auungen berart oer* 
bunbne gro&e menfehliche ©emeinfehaft, baß fie fid) 




VIII 



QftitleUung 



anbcrn Sßölfern gegenüber al§ ein ®anje§ füblt unb 
mit 93eroufctfein gemein f amen 3ielen auftrebt. Sie ift 
alfo, tro^ ber urfprünglidjen 93ebeutun$ be§ 2öorte§, 
roeber eine natürliche, nod) eine fünftltcrje, fonbem eine 
f)iftorifd)e SBtlbung, unb fie fann ba^er nur unter 
großen Scrjroierigtetten, in langer fyit unb unter be- 
ftimmten 93orau§fefcungen ju ftanbe fommen. $ie 
polittfdje 3ufammenfaffung i^rer 93eftanbteile ger>t ber 
nationalen 3ufammenfd)liefMng entroeber oorau§, ober 
fie folgt au§ btefer, unb jebenfafl§ ift bie 93ilbung 
einer Station erft bann oollenbet, roenn roenigftenS i^re 
£>auptmaffe in einem <5taat§bau Bereinigt ift, benn 
erft im Staat unb nur im Staate bringt ein Sßolf 
feinen ©efamtroiHen jum 2lu§brucf, wirb e3 jur be* 
berou jäten ^erfönlidtfett. 

3n biefem Sinne haben ftd) bie «Stämme beutfetjen 
9tamen§ unb beutferjer Sprache ju einer Nation ba§ 
eine mal früher, ba£ anbere mal fpäter al8 jebe§ 
anbre europäifdje $8olf jufammengefcrjloffen, beibemale 
burcrj ein 3 u f ammenro ^ r ^ n friegerifdjer ©eroalt unb 
innerer Umgeftaltungen. Qrvi^m beiben Einigungen 
liegt eine lange ^ßeriobe ber Sluflöfung unb Umbtlbung, 
in ber ba§ ©efüfyl nationaler ©emeinfdjaft faft erftarb, 
alfo aud) eine beutfe^e Nation im roa^ren Sinne be3 
2Bort3 nicht oorbanben roar. $enn bie erfte national* 
politifche Einheit ging über bie bamal§ erreichte ßultur= 
ftufe binauS; fie beruhte juerft auf frember SÖaffen* 
geroalt, fpäter auf ber Sftacbroirfung unb Übertragung 
antifer Qbeen, bie naturgemäß nur bie leitenben Greife 
beberr festen; fie ging feine§roeg§ au§ ben innern $8e* 
bürfniffen unb SBeftrebungen ber beutfeben Stämme 
beroor, bie oielmebr jur 2Iuflöfung in jabllofe fleine 
©ruppen geführt haben roürben. $a§ ©efamtberoufit* 



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(Einleitung 



IX 



fein, ba§ fie t)en>otrief, war baher eine ©ornriegenb 
ablehnenbe (Smpfmbung anbern »ölfern gegenüber, unb 
bie ©infyeit war baher fchon im 3 u f ammcn & iec h en > 
als bie roirtfd&aftlidjen 3uftdnbe forocit gereift waren, 
baß fie bie ©runblagen au einer ftrengern @int>cit bar* 
geboten hätten. $)ie jroeite ©inigung bagegen, bie 
mobeme, folgte au§ ber nrirtfchaftlichen unb geiftigen 
©inheit, bie ihr ooranging, ergab fich alfo au§ lebenbig 
empfunbnen S3ebürfniffen unb trägt barum bie 93ürg* 
fchaft ber $)auer in fid). 

2öenn bie mittelalterliche Einheit baburd) begünftigt 
nmrbe, baß bie SBeoölferung $eutfchlanbg trofc aller 
©tamme§gegenfätje roeit einheitlicher n>ar, als bie irgenb 
eine£ anbem toeft* ober mitteleuropäifchen ßanbe§, fo 
ift ber nationale unb polttifche 3ufammenfchluß beibe* 
male burch Umftänbe äußerlicher unb innerlicher 3lrt 
roeit mehr erfchmert roorben, al§ bei jebem anbern 
großen europäifchen Söolfe. 55)ic jentrale Sage $eutfch= 
lanbS ohne abfchlteßenbe Sftaturgrenaen außer im ©üben, 
öffnete ba§ beutfehe ßanb oon jeher allen fremben (Sin* 
roirfungen unb bot feinen eignen überftrömenben §8olf3* 
fräften fein $tnbernt§, fich nach allen Dichtungen 
hin au ergießen; bie ©eftaltung be3 beutfehen SöobenS, 
ber faft alle feine großen ©tröme in parallelem Saufe 
nach Horben, nur einen nach Often, feinen nach ©üben 
fenbet, erleichterte bie »Übung abgefchloffener SöolfS* 
gruppen unb erfchroerte augleich ben Eintritt $eutfch* 
lanbS in ben 3ufammenf)ang be3 großen, com 3JHttel* 
meer auSgehenben 2öeltoerfehr§, alfo feine nrirtfehaft* 
liehe (Sntroicflung , bie fich *>ann am fchneflften in ben 
roeftlichen ©renalanben IdngS be8 Cheines, nicht in 
ben 3entrallanben oollaog; enblich oerfchoben fich 
bie Söohnfifce unb bie politifchen 3entralftätten beS 



X 



Gtnlcitintfl 



beutfdjen 93olf3tum3 burcf) 2öanberung unb ßoloni* 
fation in einer ntrgenb§ fonft in (Suropa oorlommenben 
2ßeife fortroä^renb oon Often nad) Söeften, oom Horben 
nad) bem ©üben unb umgefetyrt, unb in Verbinbung 
bamit ging ba§ prjnfifd) - geograptnfdje 3entralgebiet 
Söhnten, ba§ al3 eine natürliche §od)burg ber ©it} ber 
beutfdjen 3entralmad)t f)dtte werben fönnen, früfoeitig 
an em gä^eS, frembeS Sßolfgtum oerloren, fobafc jebe 
©tetigfeit ber politifcrjen 9Jtad)tentnridlung in ber beut« 
fdjen ©efdnd)te »tele $af)rljunberte ^inburd) fehlte. Sfttdjt 
minber roirften innere ®rünbe erfd>roerenb unb f>em* 
menb: ber trofcige Qnbiotbualtömug be3 beutfdjen 
2öefen3, ber einer ftraffen ftaatlid)en Unterorbnung 
nriberftrebte, ber tief gemurmelte 3beali§mu§, ber um 
geiftiger Sntereffen nrillen bie ftärfften jjorberungcn 
politifcr)er unb nationaler Sftatur oernadjläfftgte unb be3* 
f)alb fogar bie nationale ©inljeit burdj ben ©treit um bie 
$8erroirftid)ung ftrd)lid)er ^beale sroetmal gefätjrbet t)at 
unb nod) fyeute burd) fojiale Sbeale gefäfjrbet, enblid) 
ein ungeroöljnlid) Ijof)e3 Sflafj oon @mpfänglid)fett für 
frembe Vorzüge unb ©inflüffe, ba§ nur all3uf)auftg bie 
Verleugnung, ja ba§ Aufgeben be§ eignen S8olf§tum§ 
oerurfacfyt. 5E)te§ aße§ l)at in feinem 3ufammen* 
roirfen nidjt nur baju geführt, bafj ber fdjon ein* 
mal errungne nationale 3 u fa mmcn W u & fid) toieber 
auflöfte unb fidC) nur unter ben fcrjroerften dampfen 
roieberfjerftellen lie^ , fonbem bafj bie po!itifcr)e @tn* 
f>ett aud) heute nod) anfehnltdje Seile ber Nation nid)t 
mit umfdjlie&t, ja bafc einzelne ©ruppen ber beutfdjen 
©pradjgenoffen felbft ba§ Söeroufjtfein ber nationalen 
3ufammengel)örigfeit oerloren haben unb $u ben S)eut- 
fdjen überhaupt gar nicht mehr jaulen rooQen. 

$lber bie grofie SJcaffe ber $eutfcf)en, bie $)eutfd)en 



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Einfettung 



XI 



Dfterretd)3 einbegriffen, bitbet fjeute unjioeifetyaft roie* 
ber einen gefcf)l offenen Körper, eine Nation im mobemen 
Sinne. 2)a8 Serben unb bie SBanblungen biefeS 
ftörperS in htappfter gaffung unb in einer jebem ®e* 
bilbeten oerftänblid)en SBeife barjufteHen, bie großen 
Richtlinien möglid)ft fcfjarf f)erau§3uf)eben, ba§ ift bie 
Aufgabe ber oorltegenben fleinen Arbeit. Snbem fte ba- 
fyer felbftoerftänb(id) auf jebe breitere UluSmalung ner- 
jicfjtet, roie fte bie größere £)eutfcf)e ©efd)id)te (Bresben, 
1889) oerfud)t, rotH fte bodj nid)t ein blofjeS ©ertppe, 
fonbem eine fortlaufenbe, jufammen^ängenbe (£rjä> 
lung unb nid)t nur dürften * unb $rieg§gefd)id)te, 
fonbem $8olf3gefdnd)te geben unb bemnad) aüen Seiten 
ber (£ntroicflung in i&rem innern 3ufamment)ange 
möglidjft gerecht roerben. 3Iber fte ge^t babei oon ber 
Überzeugung au§, bafj ntd)t bie materiellen S8erl)ä(tntffe 
allein ober aud) nur immer in erfter Sinte bie ©efdjicfe 
ber Hölter unb alfo aud) baS Serben ber beutf^en 
Nation beftimmt fjaben unb nod) befttmmen, fonbem 
bie geiftigen 2Md)te, bie grojsen Sbeen unb bie grofjen 
$ßerfönltd)fetten, bie, in ifjrer (Sntrotcflung wie in 
i^rem fterne ber menf etlichen (£rfenntm3fäf)igfeit um 
erfafjltcf), bie Sbeen auffteHen ober ergreifen unb jur 
SöerroirHidjung $u führen fudjen. Sie fte&t ba^er nad) 
roie oor im Staate, in ber organifierten ©efellfdjaft, 
bie ^ödjfte ßeiftung be§ irbifc^en 9Jlenfd)en, in ber $)ar* 
ftedung ftaatlidjer Söanblungen unb ftttlid)er £f)aten 
bie erfte unb nädjfte Aufgabe aller ©ef$t$tfd)reibung, 
unb fte befennt ftd) ju bem fdjlidjten ©lauben an eine 
l)öf)ere Öettung ber menfd)ltd)en $)tnge, ofme ftd) ju 
oermeffen, fie im einzelnen nadjroeifen ju rooflen. 

35a bie politifd) « nationale ©ntroteflung in ben 
Sßorbergrunb gerüeft ift, fo finb barnad), nicf)t nad) 



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XII 



(Einfettung 



• fulturgefcf)id)tltd)en ©eftd)t§punften, bie 93e$eid)nungen 
ber flio Jen ^erioben gerodfjlt. Sftatürlid) tonnen biefe ben 
Snfjalt be§ 3*ü raum 3 nid)t crfd)öpfenb angeben, aber 
Überfdjriften ftnb aud) feine Definitionen. 3u ben in 
biefem erften Seile befyanbelten (bie Söanberjeit, bie 
etamme^eit , bie beutfd) - römiftf)e ßaiferjeit, bie 
lanbeSfürftlicMtäbtiföe 3«t) wirb ber jroeite Zeit nod) 
brei 2Ibfd)nitte bringen (bie Ianbe3fird)licfy = ftänbifd)e 
3eit, bie preu&ifd) * öfterreic^iftfje Qefo, bie beutfdjc 
Äaiferjeit). @d)on ein SSIicf auf biefe furjen ©e^eid)* 
nungen läfjt erfennen, nrie getounben ber ©ang unfrer 
©efd)id)te ift, unb welche ©rö&e unb roeld) tiefe £ragtf 
fie birgt. Daraus ergiebt fidj aber audj, tmeoiel Urfacfye 
gerabe wir Deutfcfyen l)aben jum ©tolje auf ber einen, 
jur ©elbftetnfe&r auf ber anbern (Seite. Denn „bie 
9Kenfcf)en ftnb bie 3etten." 



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Seite 

(Srfter 3eitraum 

Sie gitonb*r$eit bis gegen 500 n. ®ljr* 

©ermanen unb Börner bi§ jur $erfieüung 

fefter ©renken um 100 n. (S^r 3-22 

Urfprung unb ©inroanberung ber (Germanen 

— Germanen unb Helten — Die erfte ger= 
manifaje SBanberung nad) Söeften — Dte 
germanifdjen ©tämme — Unterwerfung be3 
roeftltdjen Deutfa)lanb3 unter 9lom — (§rf)ebung 
unter Slrmin — SSeraic^t 9tomö auf bie ©r= 
oberung — 5lnninö unb 2Jtarbobs (Snbe — 
grieblid)e 2lu3breitung ber römifdjen Wlaty — 
Die römi|cf)e Kultur in ben ©renalanben — 
©ermanifdje «otfönnrtfcfjaft — Die ©tänbe — 
©ef tt)lea)t, $unbertf a)aft, ©tammeäftaat - Könige, 
©erjöge, 3 ur f^ n — 9tea)t " n b Öerictyt — 
$riegsn>efen — ÖeiftigeS unb reltgiöfeö Seben. 

Söieberbegtmt ber Sanierungen unb neue 2ln* 
griffe auf ftom big 375 23—27 

$8oIf3uermej)rung — Der HÄarfomannenfrieg 

— Die neuen (Stämme — Ausbreitung ber 
®oten — (£f>riftlitt) * römifdje Üultur bei ben 
©ermanen — SBebrofjung ber SHfjeingrenje. 



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XIV 



Malt 



Seite 

Sie oftgermanifcfye SBölferroanberung unb bie 

SBegrünbung germanifd)er Staaten auf roeft* 

römifdjem «oben. 375 big 493 .... 28-39 

Sie Üßeftgoten im oftrömifä)en SRcittje — Sie 
'IUeftgoten in Italien — ©inbrua) bet Sanbatcn, 
(Sueben unb Allanen — Sie SBeftgoten in 
(Spanien unb (Pallien — Sie Sattbaien in 
Slfrifa — Sittita unb ber (Einbrutt) ber öunnen 

— (Snbc bes loeftrömifajen Kaifertums — 
Cboafer unb Xf)coboritt) - !^age ber gep 
manifd)en (Stämme im roeftrömifajen s Jteiä)e — 
SBebeulung ber $ölfermifü)ung — Söertuft be$ 
Dftens\ 

Stnetter 3eitraum 

IM* $tammt*;e!t untn* ber $mfyuft bf* fränlüfdjen 

Iteidjs. 500 bis 018 n. €\)t. 

Sie $8ilbung be3 OieidjS unter ben 3ftero« 

Hungern 43—56 

Sie beulen Stämme — (Sinroanberung 
ber Slawen im Dften — Stammesunterfd)iebe 

— Gfjlobiuigo^eia^sgrünbung — SÄeictjäteilungen 
unb roeiterc (Eroberungen — innere (9egen= 
fäfce — Königtum unb ^otfsgemeinbe — Sie 
Kird)e — SBolfsroirtfdjaft — 2lbnaf)me ber 
SBauernfreifjeit — Ser neue s 3lbel — (Ergebniffe 

— SUbung. 

Sie 9J!a$tf)ö$e be3 fteid^ unter ben ftaro* 

Ungern 57—76 

Sie erften Karolinger — Karl Kartell — 
^ipin unb Karlmann — Sie irifrfje unb bie 
fränfifdje SJiiffton in Seutfd)lanb — Sie angel- 
jäa)fiftt)e 9Jitffton; Bonifatius — Sie Kirdje als 
Multurmad)t — Öermanifterung ber Kira)e — 
^ßipin König; Sßünbnis mit bem ^apfttum — 
Karr unb Kartmann — Sie Saajfenfricge — 
(Sinoerleibung SBanems — (Eroberung bee 
aoarifd)en 9tcid)s — Spanifd)e Jelb^üge — (5r; 
neuerung be3 Kaifertume — Organisation bes 
9ieiä)s — Sie Kömgsgüter — Slawen fcaupfe 
ftabt — Bauernfreifjeit unb t#runbf)crrfä)aft — 
Karolingijtt)e9ienaiffance — Karls ^erföntia)feit. 



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3n&alt 



XV 



Seite 



$te Sluflöfung be§ 9ieicf)3 



77-85 



Örünbc ber 5luflöfung — Samtlienfrtege imb 
Teilungen — £ie $ira)c unb tf)re ^ßolitif — 
Sie burgunbifcf)en föeidje — £as oftfränfifcfje 
SRetd) unter Subrotß bem Seutföen — 2)a3 o\u 
fränfifdje 9ieicf) nacf> £ubroig bem 2>eutfd>en — 
2>ie 9formannennot unb ftarl ber Sirfe — Arnulf 
gegenüber ben Normannen unb 3)iagoaren — 
Sie Ungamnot unb bie Stamme$f)cr3ogtümer 
— Jlonrab I. 

dritter Zeitraum 
f U bwtrdj-wmtfrije $a\ftt}t\t. 010 bis 1273 
SBegrünbung unb 2lu8bau be3 beutfd)*römifcr)en 

<Keict)§. 919 M3 1056 89-128 

£etnrtrf)$ I. 9teicf)3orbnung — Stege freim 



fyebung Ottos I. — Sie Steicfjsoerfaffung unb bie 
Stammesfyerjogtümer — Sie erften auswärtigen 
©rfolgc Ser Gnrfdjeibungsfamof mit ben 
Stammesfjer^ogtümern — 2lbrcef)r ber Ungarn 
unb ^itebermerfung ber ©laroen — (tyrunblagen 
beö SReufyS — Sie neue 3ieia)suerfaffung — 
9tohoenbigfeit bes 5tatfertum3 — OttoSl. Börner- 
3üge — Otto ber Öroftc — Otto II. — Ortoö III. 
Sbeale — Ottos* III. föeicf)spolttif — 
Hebung fteinridjS II. — SBöieberfjerftelhmg be3 
2Rei$3 — 2luöbau ber Ottofdjen ^erfaffung — 
SBeginn ber $trd)enreform — öeinrid^S II. 
2lu3gang — Sßafyl Äonrabs II. — Erwerbung 
ber Äaifcrfrone unb 33urgunb3 — ^efeftigung 
ber^eidjöoerfaffung — $onrab II. unb Staden — 
£einricf> III. — (Srfolge im Often — Reform 
be$ ^ßapfttumö — Saä s $apfttum unb bie 
Äirdjenreform — Hbalbert oon Sternen — 
DppofUion beö fä$fifd)cn 9lbel3 — ^>einrict) III. 
unb ($ottfrieb oon Sot^ringen — ^>einricr)ö III. 
(Snbe — Sa3 Königtum — Umbilbung ber 
SSerfaffung — 25er Üömg3f)of — Sie ©runb* 
fjerrf djaften unb bie Stänbe — Sa3 9teid)3= 
tjeer — Sie Äotonifation — Steigerung beö 
2krfef)r$ — Sie $unft — ®efdnd)tfcf)retbung 
unb Eichung — ©rgebniffe — 2luöficr)tcn. 





XVI 3«$ott 

Seite 

Ser Äampf um bie 9teid)3* unb fördjenuer* 
faffung. 1056 bi§ 1152 129—158 

Königin 9Igne§ — ©teg ber Reform in 9iom — 
Äampf um bie beutfa)e 3teta)3regierung — 
§einrtd) IV. in ©aa)fen — Ser Surgenbau 
unb ber fädtftfdje Slufftanb — <Steg be£ 
$öntg§ — gortf abritte ber Ätrdjenreform — 
23rua) 3nrifd)en ^apft unb ßönig — Slbfall in 
Seutfdjlanb — Sie SBufce non Ganoffa — Ser 
beutfefce SBürgerfrteg — SRömersug unb ßaifer= 
frönung — (Srfdjiaffen be« 93ürgerfriegä — 
Serfuft 3tatten§ — Ser erfte flreu^ug unb 
ber Xrtumpf) be§ $apfttumS — Sie legten 
kämpfe unb £>einrta)§ IV. @nbe — .^einria) V. 
unb Sßafdjaliö II. — Sotfjar oon@ad)fcn — Ser 
fira)lia)e 2lu3gleidj — Sie neue (Stellung ber 
Surften — 2ottyarunbbie$ird)e — 2Bieberbcginn 
ber SJtiffton unb be3 UnterrocrfungäfriegS gegen 
bie «Slaroen — §etnria) ber (Stolpe SotfyarS (Srbc 
— SBelfen unb .^otyenftaufen — £otf)ar unb bie 
Normannen — fcemrta) ber ©tofye §erjog non 
93anern unb (Saufen — flonrab III. unb bie 
SBelfen — Ser jroeite ßreujjug — ©rgebmffe 
ber päpftact)en$olittf — SaS reformierte Wönfy 
tum — Sic .ttolonifatton — Urfprung ber 
Stabtoerfaffungen — Umroanblung ber 33Übung 
unb Sitteratur — Sia)tung — (Srgebniffc. 

Sie 2öeltmacf)tpolittf be§ ftatfertum§ unb bie 

©ermanifteriing be§ Dften§. 1152 bi§ 1273 159-238 

griebridj Sarbaroffa — 21uögleict) mit ben 
2Belfen — ©teüung grtebrtcf)§ L — Umge= 
ftaltung in Stalten — (Srfofge in Sialten — 
$rua) mit 9iom — ^^^^"Ö 5ftailanb3 — 
Ser Steronefer unb ber lombarbiftfje ©tabte= 
bunb — 9?eue kämpfe; <5ä)laä)t bei Segnano — 
griebenSfajlüffe non Sßenebig unb £onftanj — 
Eroberungen $>einria)3 bc3 £ön>en — $Branben= 
bürg unb ©ajleficn — Sie neue ßofonifation — 
ipolftein, Hfletflenburg, Bommern — SBranben* 
bürg — SWeiften unb bie fiaufit} — 3Jlaa> 
fteUung §etnria)5 be§ Öötoen — ©turj £einria)3 
bc3 £öroen — Ser neue gürfienftanb — 2fa: 



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XVII 



fäfce einer neuen 3teid)3t)crroattung — $cer* 
raefen — ßntftefjung unb SBilbung ber 9titter= 
fd^aft — - Sie Söurgen — Sa3 f*ftngftfeft in 
aKaing — Vorbereitung jur Erwerbung ©iailienö 

— Ser brüte ßreu^ug unb JriebridjS Xob — 
©d)etternbe§ beutfdjenkreu$aug3 — §einrtdj VI. 
unb bte SBelfen — SBeftfcergreifung von ©Vitien 

— Ser (Srbfotgqjfan |>cinrid>3 VI. — öeim 
rid)3 VI. SRittelmeerpoÜtif unb Xob — Sßelt- 
ftettung ber beutfdjen Nation — ©rünbc ber 
SBenbung — Seutfcfclanbö eintritt in ben 2Bett= 
fjanbel — 2lu3bilbung ber ©tabtoerfaffung — 
Sie ftäbtifc^e ©elbroirifdjaft unb bie ©tabfc 
Ijerrcn — Aufgabe ber SReidjSDermaltung — 
Snnocenj III. unb bie 3teia)sfpaltung — Stau; 
fif<$;roelfifdjer$ürgerfrieg — Dtto§IV. ftaufifcr)e 
s $otittf — SBrud) $n>tfc$ett Otto IV. unb ^nno- 
cen$ III. — ©teg Snebridjä II. — griebridj II. 

— griebrid)§ IL 3ugeftänbniffc an bie beutfajen 
gürften — §riebrta)II. unb baö^apfttum — Sie 
9teid)$orbnung griebridjö II. — griebrtd)3 II. 
3JUttelmeerpolittf unb ber fünfte £reuä$ug — galt 
ber bemifdjen §errfd)aft im ©üben ber ©iber — 
Äonftift aroifäengriebrid) II. unb §einria) (VII.) 

— Sie SRefte be§ 9ietct>ögutö — £e&ert>er= 
fotgungen — Äampf mit ben Sombarben ; 33rudfj 
mit bem Sßapfte — ©ieg beö $atfer3; bte 
2ttongolengefat)r — Snnocenj IV. unb bie 
(Sntfefcung beö ßaiferS — Seuifdfje (Negern 
fönige; $rtebrid)3 $ob — Sie ßatferfage — 
Untergang ber ^ofjenftaufen — Ser rf>etnifa)e 
©täbtebunb — Sie Soppefoaf)! — ©Reitern 
einer föberatioen fteitfjsoerfaffung — $oßen= 
bung ber ©tabtfreifjeü — Sie fürftltdjen Xcrri= 
torien — Ser heften unb ©üben — 9tfebcr= 
fachen unb Düringen — Sie 2Bettimfcr)en 
Sanbe — gortgang ber ßotonifatton — Sie 
Äolonialftäbtc — Sie Cftfeelanbe — Sie Sänbcr 
im Often ber 3Beid)fel — Sitrfanb — Ser 
beutfa)e Drben — (Srfte Unterwerfung ^ßreugenö 

— Slufftanb unb enbgtftige Unterwerfung — 
23ranbenburg — HJleifjen unb bie Saufifcen — 
©djleftcn — $oten — Söhnten unb 3JMf)rcn — 
Ungarn unb Siebenbürgen — SBebeutung ber 
Äolonifation — (Srroeiterung beö ®efia)tSfreifes ; 



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XVIII 



3n$a(t 



Seite 

bie ®efchid)tfchrcibung — Ser „©achfen; 
fpiegel" — Sie ^öfifä>c ßpü — Sie t)olfö= 
mäßige ©pif - Sgrif, Sibaftif, ©atire — (Seit- 
liche Sichtung — SBerfaQ ber ritterlichen SBilbung 

— SÖirffamfeit ber Bettelorben — Sie roma- 
nifct)e SBaufunft unb bie Anfänge ber ®otif — 
2öeft= unb ©übbeutfdjlanb — Ser Horben. 

Vierter 3eitraum 

$i* lflnbe$für|Uiaypbttfd)* $t\U 1273 bis 1517 

$ie ©Übung ber großen Territorien unb bie 

$d(e ber ft&bttföen 3Jlact)t 1273 bi§ 1389 241-288 

Gharafter ber 3ett — 2Ba&l ftubolfä I. — 
3iele StubolfS I. — gall Dttofarö IL, Öfter; 
reid^ unb ©teiermarf habSburgifch — StubolfS I. 
Stetchspolitif — Abolf von Diaffau — 2llbrec§t 
unb bie dürften — Sae ^ßapfttum in franko: 
fifcr>cr föanb — £auspolttif Albrecf)t3 — Cppo* 
fttion gegen 3U6rect)t ; fein Xob — $>einricr) VII. 
unb bie ßrroerbung Böhmens — SRömeräug 
föcinrtchö VII. — Soppelroahl unb Bürger* 
!rieg — Honfltft mit bem ^ßapftfum — ^irc^s 
lict)e Oppofition — ^ubroig in Stalten — Ser 
Äurnerein $u SRenfe — ^ubroige ^auöpolitif — 
Gr^ebung iftarlS IV., 2ob Subroigö beS Sauern 

— Anfänge töarlö IV. — Ausbreitung ber @ib= 
genoffenfehaft — talS IV. ftetchspolirif — Sic 
Wolbne Statte — Sie lurnnburgifche £au3; 
mac^t — Ausbehnung ber habsburgifchen 2Kad)t 

— ÄarlS IV. Bemühungen um ben &anb= 
trieben — Württemberg unb ber fchroäbifche 
©täbtcbunb — Reifung ber lu^emburgifchen 
^ausmacht — 2krfa)ärfung ber ftänbijchen 
Wegenfä^e im Sßeften unb ©üben — ©icg ber 
(Sibgenoffcn — 9iieberlage ber fct)tüäbifct)en 
unb rheinischen ©täbte — Sie ftäbttfehen 3 un f* : 
fämpfc — 3unft m<0 Öanbroerf — Art beS 
öanbelö — Oberbeurfchcr foanbel — Art unb 
Gebiet bcö nieberbeutfehen öanbelS — Urfprung 
ber öanfa: bie auswärtigen ötlben — Sie 
roenbifchen ©täbte — Skrfaffung ber ftanfa; 
ftäbte — Sie nieberbeutfehen gürftentümer — 



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XIX 



Seite 

©djleötoig unb Sänemarf — Sänematf unter 
ber §errjd)aft beö beutfdjen 2lbelö — WlatyU 
ftcllung SBalbemarö IV. — Sßirren in Sranben^ 
bürg — ®runbtage ^ur ffanbinaoifdjen Union — 
^Brudj ^roifc^cn Sßalbemar IV. unb ber §anfa — 
2) er ©ieg ber §anfa unb ber griebe oon ©traU 
funb — 3 uru cfto eichen oer Öanfa — 2luö« 
breitung ber beutfdjen Wlatyi im Dften — 
©rtoerbung (Sftlanbö; Slbtüetjr ber Sitauer — 
^erfoffung beö Crbenöftaatö — glitte beö 
Drbenöftaatö — #anftfd>er Sterfebr. — ©rgebniö. 

$)er SBerfatt bet beutfdjen aJiac^tftcflung im 

Dften unb ba§ ©Reitern ber Reform in 

flirre unb Meid). 1389 big 1517 . . 289-366 

2>te Union oon Palmar — 2>ie polnifa> 
Irtauifdje Union — ©c^lac^t oon Dannenberg 
unb griebe oon Xf)orn — Sie Dürfen — Gnt- 
fe^ung SBenaelö ; SHuoredjt, ©igiömunb — £er 
Serfalt ber £ira)e — 3ofm SBiclif — 3ofmnneö 
<puö — $aö kon^xl oon Äonftan3 — Urteil 
über <puö unb (Snbe beö ßon^ilö — £er fouffi* 
ttömuö — 9luöbrua) beö ipujfttenfriegö — Sie 
erften Äreu^üge — $ie ^»uffiten aufeerljalb 
$3öf)menö — $er 2(uögleia) mit bem Äon^il 
oon $afel — ©rgebniö beö Jpuffttenfriegö — 
3übred>t II — SReia)öreform ; iörud) jtoifdjen 
$on$U unb ^apfttum — (Snbe beö Stadler 
ÄonsUö; Äontorbat oon 2ßicn — ©ieg beö 
^apfttumö — 9(uf(öfung ber fjaböburgifdjen 
SKadjt — dauern — 2>te SKfieinlanbe — Reffen, 
Deuringen, Dberfadjfen — 2)ie ^o^enjollern 
in $ranbenburg — Sie (5d)toei$erifrf)e Gib- 
genoffenfdjaft — gelben sroifdjen gürften unb 
©täbten — gef)ben ber gürften — s 3ieue Steide 
reformpläne — ^ufammenbrud) beö preufcifdjen 
Drbenöftaatö — Spaltungen in ber ftanfa; 
<5d)leötoig:ftolftein bänifd) — SlbfaU ber lieber: 
länber; galt oon 9toiogorob — Sie meberläm 
bifc^en Gebiete — glanbem unb granfreta) — 
SBcgrünbung beö neuburgunbtfdjen 9teid)ö — 
Üarl ber itüfjne — $ampf um bie böf)miftf)e 
Ärone — ^erljanblungcn unb kämpfe mit 
SBurgunb — 9lieber(agen unb @nbc Äattö beö 



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XX 



Äüfjnen — SBurgunb tyabSburgtfdj — Wommen 
mit granfreia) — Öfterreicf) ungarifa) — $er 
fajroäbtfdje ©unb — ©icfjerung bcr fyab*- 
burgtfdjenSttadjt — Aufgaben bes katfertumö — 
Sie beutjcfje 3(eia)Sr»erfaffung — SJiarjmiltan I. 

— Slnfätje 3ur SReia)3reform unb ©cfnoeiaer; 
frieg — ßriegöerfolge beö tfaiferö — Äaifer* 
Iidje 9teformoerfud)e unb ©cf)lui$ergebniffe — 
©cfjlufeergcbmffe bcr auswärtigen $cid)3polttif 

— Sie Örunblagen beö f)aböburgifcf)en 2Be& 
retcf>$ — ^cption beö römifdjen SHedjtS — 
Sanbcöfürftcn unb fianbftänbc — Sie neue 
Sanbeeoerroaltung — Sie ©tabtoernmltung — 
(Sfjarafter beS fpätmUtelalterlta)en ßriegäroefenS 

— Sie Sanbstfnedjte — ©ergbau — 9luS; 
be§mmg beö §anbel3 — 3nbioibualiftifd):fapita- 
liftifaje Söirtfc^aft — ©influfe auf bas $anb= 
roerf — 2tu3fef)en unb 2eben bcr 6täbte — 
Verfall be3 2lbel$ — ©ebrüchmg beö Sanb; 
oolfo — (Srgebniö — Säuerliche Unruhen — 
9Jtad)t bcr Äira)e — 9}ominalt3mu$ unb 9iea^ 
lismuö — Sie SJinftif — Äirct>c unb ©olfö: 
leben — Sie Unioerfitäten — Sie 6a)ulen — 
Sluöbilbung beö 3nbü>ibuali3mu3 — Sidjtung 

— ®efc$id)tfa)reibung — Sie gotifdje Sauhmft 

— SRalerei — Sßiaftif — SRenaifjance unb 
"öumaniömuö — Seutfa)e£umaniften — <ouma* 
niftifdje Unterrtd)töreform — (SraömuS unb 
ftcudjlin — Anfänge moberner SBiffenfajaft — 
©ittenoerfall ber $terara)ie — 2öaa)fenbe pr)tlo= 
fopljifcfje, religiöfe unb nationale Dppofition — 
Sie Erfurter |mmaniftcn — Sie SReuc^liniftcn^ 
fer)bc — Sie Sage. 



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(BrJIjer üteifraum 

Ins gegen 500 n. CF;r. 



S)er äöerbegang be§ beulten JöolfeS I 



fformatrot mt& Körner 
tri* iur %ixftBlhm& f*flter (&ttnim 
ran 100 tt- <£ftr- 

ie (Sefd)i^tc ber $eutfd)en beginnt nid)t erft con "Jj"^ 
bem 2Iugenblicfe an, roo ein gtücfltcfyer Qufafltoanberung 
bie Slufmerf famfett eine§ gebtlbeten grted)ifcf)en Oiei^ ©Amalien 
fenben auf fie lenfte, fonbero von tfjrer fiöfung au§ 
ber artfdjen SBölferfamilie. 2Bo unb wann biefe er= 
folgt ift, nriffen wir nidjt; aber t)öd)ft roafyrfdjeinUd) 
finb bie Söorfa^ren ber ©ermanen au§ bem jefct ruf* 
ftfcfjen £teflanbe Dfteuropa§, t>ermutlid) bie 2Beid)fet 
abwärts, in langfamer, xrieBeidjt jafyrfyunbertelang 
bauernber SBanberung in ba§ weite ftladjlanb jnrifdjen 
ber untern SBeicfjfel unb ber untern (£lbe, ber Oftfee 
unb ben mittelbeutfcfjen SGBalbgebirgen eingerüeft. @ie 
brauten fd&on einen genriffen SMturbefit} mit, eine 
reidj entroicfelte, bilbfame ©prarfje, bie ©runbjüge 
be§ ©ötterglaubenS, bie fefte Drbnung ber gamilie 
unb be§ ©ef cfyted)t§ , bie Anfänge be§ 5lcf erbaut 
neben noef) oöflig übernnegenber, tyalbnomabifcfyer 
$Bief)= unb S&eibenrirtfcfjaft unb einer anfe!)nlid)en 
Sedjnif in ber Anfertigung fteinerner Söerfyeuge, 
beren fie fid) nod) auSfd)Iie^licr) bebienten. £eile 

1* 




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Sie aBanbcrjeit 



von tf)nen sogen roeiter norbroärtg nad) ber jütifdjen 
|ja(Mnfel unb bcn bänifdjen Snfeln, anbrc nadj ben 
2rjorben unb (Staren be§ gelSlanbeg ©fanbinatrien, 
beffen finmfdje Urbeuölferung fic langfam tn§ innere 
unb nad) Horben aurürfbrängten. <§ 0 fpalteten fie 
fid^ in brci gro&e ©ruppen: bic Sftorbgermanen, bie 
biefen nat)c ftefyenben Dftgermanen unb bie roefent* 
lid) t)on beiben oerfdjiebnen Söeftgermanen. 

SibSeiTen 0an * c ® e f^^ tc fecr Germanen beruht nun 

auf ber 5lrt, nrie fie mit ber t>orgefd)rittnern Kultur 
ber 9Jlitte(meert)ölfer in Söerbhtbung traten, unb auf 
ber £eit, roo bie§ gefd)al). $te erften nod) inbireften 
93ejiel)ungen fnüpfte ber etru3fifd)e S3ernftein= unb 
33ron§eI)anbel von ber mittlem 2>onau unb vom 
$lbriatifd)en 9Jteere f)er nad) ber Oftfee, ber fd)on 
vox 600 t). ©tyr. begann unb bie Sftorboötfer mit 
beffern Söerfyeugen unb ©eräten t>erforgte, fie aud) 
balb )tt felbftänbiger 9iad)af)mung antrieb. 9lod) 
fd)oben fid) jroifdjen bie ©ermanen unb bie SJMttel* 
meeroötfer in breiter 2lu§bef)nung bie ftammoer* 
manbten Helten, bie ba§ ganje jefcige Sßeftbeutfd)- 
lanb bi§ $ur untern Söefer unb ebenfo ben ganzen 
©üben be§ heutigen $eutfd)lanb big tief nad) Ungarn 
hinein erfüllten unb bei ben ©ermanen nad) ifjrem 
bortigen §auptftamme, ben Wolfen (Volcae, b. i. bie 
(Schnellen), 2öalcf>ä3, 2Bald)o3 (Söalen, SBelfdje) fjie&en. 
$tefe ©renjen ftanben roof)l im allgemeinen nod) feft, 
al§ um 330 v. ©f)r. ein Seitgenoffe 3Ueranber§ be§ 
©rofjen, ber gried)ifd)e Kaufmann ^ßntfjeaS von 9Jtaf* 
ftlia, in feinem ©tfer, bie Söernftetnlanbe felbft $u er- 
funben, über bie Drfaben (£f)ule) unb ©nglanb bie 
3)ünenfüfte ber Sftorbfee unroeit ber 2flünbung ber 
©Ibe erreichte, bie, nrie er erfuhr, bie Helten oon ben 
©fotfjen fd)ieb. Unb er suerft l)örte bort bie tarnen 
un$roetfetf)aft germamfdjer (Stämme, ber Teutonen 
unb ©utonen. 



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(Sermanen nnb Börner 6i8 100 n. Gfjr. 



5 



S3i§ bafun fann bie ©ntroiettung ber 9?orb= unb ®« «P« 

, germa* 

©übgermanen fetne gropen unterfd)tebc aufjuroetfen mföe 
gehabt haben. 9»t ©djicffal föieb fich erft, als für* x f n l% 
nach 300 t). ©hr. bie meftlichen ©ermanenftämme ben 
Ungeheuern ©ürtel von 9Jloor, Urroalb unb (Gebirge, 
ber fie nom rheinifchen (Schiefergebirge het quer buref) 
2flittelbeutfd)lanb bi§ an bie gro&e oft europäische (Sbene 
von ben Helten f d)ieb, ben f ogenannten herennif cfjen Sßalb 
burchbradjen. $en 9tnlaf* ba$u mu| bie roadjfenbe 
58ex)ölferung§3af)t gegeben h^ben, bie (Megenfjeit 
bot bie letjte grofje teltifche 2öanberung, bie balb 
nach 300 größten £eü ber fübbeutfdjen Tettens 
ftämme nad) Böhmen (bie 93ojer), 9Mf)ren unb bie 
£)onau abwärts bi§ nach ®leinafien führte. Qn bie 
von ihnen üerlaffenen SBohnfifce rücften bie ©hatten 
(in §effen) unb bie 9Ttarfomannen (im 2ftainlanbe) 
ein; anbre (Stämme breiteten ftrf) über bie SBefer 
hinüber bi§ $um untern SRheüte, tneüeicht auch noc h 
über biefen au§, überall Oiefte feltifcher $8en>of)ner 
Dorftnbenb unb [ich unterroerfenb, oon benen fie jahl s 
reiche Drt§* unb 3rluf$namen übernahmen, ©inen 
^achflang biefer erobemben SBanberung bitben bie 
3üge ber (Simbern unb Teutonen. Weht roegen if)re§ 
@rfo(ge§ finb fie merfrüürbig, fonbern weil r)ier ganje 
©ermanenoölfer, nicht Hugroanbrerljaufen, juerft ben 
Sßerfudj machten, unmittelbar in ba§ ©ebtet be§ 
9flitte(meer§ einzubringen. 9iacf) jahrelangem Umher= 
irren unb Ungeheuern, aber fruchttofen (Siegen ertag 
ihre rauhe 9laturtraft 102 bei 2Iquä ©erttä (fllg), 
101 bei Sßerceflä ber römifchen $aftif. Slber breifjig 
3far)rc fpäter überfchritten fuebifche, t>orroiegenb chat* 
tifche ©charen unter 2lriot>ift al§ gemietete §üf§; 
truppen ber ©equaner (@aone) in ihrem Kampfe 
gegen bie &buer (um 3lutun) ben iRt)etn, machten 
fich balb, burch 9*ad)$üge oerftärft, ju £erren ihrer 
S)ienftherren unb fteüten bie ftrage, ob ©attien ger* 



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6 



Sie SOßanberjeit 



manifd) ober römifdi) werben follte. 2)enn fcfjon ftanb 
ber (Eroberer ©allien§, 6. 3uliu3 (Eäfar, ihnen gegen* 
über, ©ein <5ieg unweit 93etfort im Sahre 58 warf 
bie ©ermanen hinter ben SH^ein jurücf, er nötigte 55 
ebenfo bie Ufipeter unb £enfterer, bie bereits um 
ßleoe unb Sftünwegen lagerten, jur SKücttehr hinter 
ben ©trom, ben er felbft zweimal, 55 unb 53, auf 
füfjnen ©rfunbun geführten überfchritt S)ie erfte grofce 
germanifche SBanberung mar jum ©tehen gebracht, 
ber Wtyin bie ©renje be3 römifdjen SHetd)3 geworben, 
bamit aber aud) bie aflittelmeerfultur, bie bi§ bahin 
ben ©ermanen nur burd) felttfche Vermittlung näher 
gebracht worben war, ihnen unmittelbar oor klugen 
gerücft. fortan beftimmten ©ermanen unb Börner 
in &rieg unb ^rieben gegenfeitig tf)r ©d)tcffal. 
^.ß*" $)er ©egenfafc mar ungeheuer. 2luf ber einen 
Stämme 1 @eite ftanb eine ftraffe politifd)e unb mtlitärifche 
Drbnung, bie ftfjon bie gefamte 9flittelmeermelt um- 
foannte, eine burchauS ft&bttfdje ober wenigften3 
ftäbtifdjer (Entwicklung juftrebenbe Kultur mit einer 
auSgebilbeten ©elbwirtfdjaft, regem $anbel unb 
blühenbem ©ewerbe, mit einem immer mehr fteigen* 
ben Übergewichte beg ©rofcbefifceg unb ber ©ttaoen* 
arbeit, enbltcf) eine großartig entfaltete Shmft unb 
Sitteratur, bie freiließ ihren §öhepunft fchon über* 
fdjritten unb bie alte ©ittenetnfalt mit bem alten 
©ötterglauben längft jerftört hatte. Stuf ber anbern 
©eite fanben bie Börner eine 9ln$ahl oon oereinjelten 
©tämmen, bie nod) nid)t einmal einen einheimtfehen 
gemeinfamen tarnen Ratten, fonbern einen folgen — 
©ermani, b. i. oermutlich Sftadjbarn — erft oon ben 
Helten empfingen unb ba§ S8ewuf?tfein politifdjer 
3ufammengel)örigfeit gan$ entbehrten, bie (Erinnerung 
an gemeinfame 9lbfunft nur teilwetfe fefthtelten, eine 
nod) in ben Anfängen ftehenbe, halbnomabifche ©oben* 
lultur mit bürf tigern Sief erbau unb überwtegenber 3<*9> 



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©ermanen imb 9iömer bi§ 100 n. Clfjr. 



7 



unb Sßeiberoirlfd)aft ohne ©elb unb faft ohne $8erfef)r, 
eine bünne Söeoölterung, gruppenroeife in Keinen £id) s 
tungen be§ unermeßlichen Urroalb§ ober auf troefnen, 
fanbigen £>öhen inmitten von Sumpf unb SSrud) in 
bürftigen £>ol$hütten tyaufenb, ohne Sttteratur unb 
ohne ®unft, aber mit reifer ^antafte begabt, voü 
©horcht t>or ben ©öttem, oon naioer, f efter Sittlich* 
feit, ein $Bolf nicht von SBauern, fonbern von trofctgen 
freien Kriegern, bie groar im Dften ba§ alte ®öntg* 
tum noch f efthtelten , im Söeften aber e§ fdjon faft 
überall abgeworfen Ratten. 2lm nachften ftanben ben 
Römern bie SBeftgermanen bie§feit§ ber ©Ibe, bie in 
ihrer StammeSfage bie Erinnerung an einen einheit* 
liefen Urfprung feft^ielten unb ftch in bie brei (Grup- 
pen ber Qftgcfoonen (^riefen, Raufen, Teutonen, 
Sachfen) längS ber -Sftorbfee, ber Jgftäoonen (im toe* 
fentltchen bie fpätern ftranfen) rechts oom mittlem 
Steine unb ber $ermionen (Ratten, <&tyxu§Ux, 
§ermunburen) weiter lanbemroärtS in §effen, um ben 
§ar$ unb in Düringen fdtjieben. 3)ie ©ruppe ber 
Sueben (b. i. Schläfer, urfprünglid) ein Spottname), 
umfaßt einen £eil ber §ermionen (Ratten, Vernum* 
buren) mit nicht ju ihnen gehörigen (Stämmen, nrie 
bie attarfomannen, bie Semnonen in Sranbenburg 
u. a v unb bilbete, nrie e§ fcheint, einen ßultuSoerbanb. 
©an$ getrennt burd) Sprache unb Sitte erfüllten im 
Dften jenfeitg ber £ollenfe, SRecfenifc, Ober unb Steiße 
bie ©oten* unb SBanbalenoölfer bie ältefte europäifche 
§eimat ber ©ermanen bi§ über bie untere 2öeicf)fel 
hinaus unb bi§ nach Stierten hinein. 

©egen biefe Golfer angriff äroeife t>or$ugehen lag 
ber römifchen StaatSfttnft auch bann noch lange bes 
fem, al§ ba3 ßatfertum, b. h- ber einheitliche lebend ffif*? 
längliche §eerbefehl in Söerbinbung mit ber Söern)altung tQn ^t er 
ber gefäfjrbeten Slußenprooinjen unb ber Seitung be§ 
Senats, enbgiltig begrünbet roorben mar. S)ie ©renken 



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8 



£te UBanberjeit 



bei 2öeltreich§ foflten Othein, $)onau unb ©upljrat 
bilben, unb fte würben e§. $)en dltyin $u über* 
fc^reiten lag bem ^atfer SluguftuS fo fem, bafc er 
eher bebrängte germamfcfje Stämme, rote bie Ubier 
unb einen £etl ber Sugambrer, am linfen SHf)einufer 
(um ftöln) aufnahm, al3 ba£ er fie brüben in ihrer 
alten £eimat gefchü^t hätte. (Srft al£ bie $eun* 
ruhigung be§ faum geficherten unb neugeorbneten 
©aflien burch germanifche Streiffcharen ni<f)t auf- 
hören wollte unb im Sahre 16 v. ®i)x. bie fünfte Segion 
unter ffll. £oUtu§ im rechtSrheüufchen Sanbe eine em* 
pfmblicrje Schlappe erlitten hatte, fa&te 2luguftu§ 
ben entfcr)etbenben (Sntfcrjlufj, ©ermanien bi§ $ur (£lbe 
ju unterwerfen. (£§ fodte feine (Eroberung um ihrer 
felbft willen fein, fonbern eine angripweife geführte 
^erteibigung, um ba§ fich nur langfam an bie 
römifche §errfd)aft geroö^nenbe ©allien, ba§ wicrjtigfte 
^oloniallanb 9tom§ unb bie Vormauer Italiens, für 
alle 3 u * un ft 5" ficfjern. 2)er ©rfolg mar gunächft 
glänjenb. 3n einer Steide üorjüglid) geleiteter 3relb= 
§üge r>on 12 t). ©h*. bi§ 5 n. ©hr. unterwarfen be§ 
£aifer§ gleichbegabte Sttefföhne ®rufu§ unb £iberiu§ 
ba§ 8anb bx§ jur @lbe, unb berart wtrfte ber S)rucf 
ber römifdjen 9ftad)t auch auf tiefer lanbeinwärt§ 
fi^enbe Stämme, ba£ SJiarbob (b. i. ber Dtoffefämpfer) 
bie 9ftartomannen au§ bem SJiainlanbe nad) Böhmen 
hinüberführte, ba§ oon ben felttfchen Bojern fd)on 
um 60 t). (Shr. oerlaffen worben mar unb nur noch 
ihren Üftamen bewahrte (93ojor)ämum, b. i. 93ojer= 
heimat). Qmax mißlang ber letjte gewaltige Stöfs 
auf ba§ SJlarfomannenoolf von 9Jtain$ unb (£awun* 
tum OßetroneH unterhalb Söien) f)tx im %af)Tt 6 
n. ©h^v weil ein furchtbarer 5lufftanb ber *ßannomer 
im $rau* unb Saoelanbe bie Börner im SRücfen be- 
brohte, unb 9ttarbob fonnte feine ^önig§hetrfd)aft 
über ba§ ganje g-lachlanb jwifchen G£lbe unb Ober 



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©ermancn unb Körner bis 100 n. Cil)r. 



9 



ausbeuten. 2)er eifetne Üttng, ber bic ©ermanen oon 
ber mittlem $)onau bi§ jur ©Ibmünbung umfpannen 
folltc, mürbe alfo md)t gefd)loffen, aber ba3 roeftüdje 
3)eutfd)lanb gnüferjen fRtyin unb (£lbe friert ber 
römifchen §errfd)aft oerfaflen $u fein. Überall gab 
e£ eine römifdje Partei unter ben (Sbeln ber (Stämme, 
ba§ römifdje Bürgerrecht unb bic römifdje SHttter* 
mürbe würben freigebig aufgeteilt, unb fd)aremoeife 
ftellte ficr) bie tnegfluftige gugenb 3 U & en römifchen 
©ilfStruppen. 3 roar bie Stanblager ber römifchen 
Segionen (bamalS fünf) blieben am SRfjein, weil nur 
oon bort auf (Pallien in (Schad) gehalten werben 
fonnte; aber einzelne fefte ^ßläfce mürben aud) im 
^nnern angelegt (fo oor allem Sllifo bei ^aberborn), 
unb römiferje Sftilitärftrafjen begannen ba§ fianb ju 
burcf)$ief)en, im (Sommer lagerten wohl aud) bie 
Segionen tief im Binnenlanbe, unb unter bem (Statt= 
halter % Cuintiliu§ S8aru§ begann bie Einführung 
römifcher s ßrooin$talorbnung. 

(B mar *u früh. $>er ©roll ber freien © er * erbebung 

unter 

manen über bie „ s Jiuten unb 33eile" ermöglichte e§ sirmin 
Pirmin, einem jungen äflanne auf bem Stönigfftamme 
ber (SheruSfer, ben römifrfje @h*en unb römifdjer 
$tenft nicht feiner §eimat entfrembet hatten, wie 
feinen 93ruber glaouf, einen entfchloffenen SBiberftanb 
ju organisieren. 9Jtit einem ©emifd) oon Umftcht, Mhn= 
heit unb §tnterlift, ba§ ben Römern oöllig unerwartet 
fam, gelang e§ ihm gunächft einige (Stämme be§ 9iorb* 
weftenf, ©herüber, ©hatten, 2ftarfer unb SSrufterer, 
tro^ (£igenftnn§ unb (£vferfud)t unb Untreue einaelner, 
$u einem geheimen föriegfbunbe ju oereinigen, bann 
ben noch mehr forglofen unb oertrauenffeligen al§ 
unfähigen $aru3, ber mit brei fiegionen im <Sommer= 
lager um Sflinben ftanb, oon feiner Sßerbinbungf* 
ftrape über 2lltfo nad) (Saftra oetera (auf bem ^orften* 
berge bei Xanten gegenüber Söefel) hinweg in pfab* 



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10 



$ie ffißanberaeü 



lofen SJtoor gu loden unb f)ier mit Übermacht anju* 
fallen* <So ging im ©eptember be§ 3»al)re§ 9 n. (Sf)r. 
ba§ römifdje $eer, mit ben fdjmadjen |>ilf§truppen 
etroa 20000 3flamt, etngeflemmt aroifdjen SBergmalb 
unb 9floor, im „Teutoburger SBalbe," mafyrfdjeinltd) 
am Sftorbranbe be§ 2Btef)engebirge§ nörbüd) oon D§na* 
brüd, in brettägtgen üerjroeifelten 2flarfd)gefed)ten ju 
©runbe. 2lud) 3llifo mürbe geräumt, nur bie 9iorb* 
feefüfte bi§ gur @m§ behauptet; fonft mar bie römtfcfye 
§errfd)aft mieber bx§ an ben Otfjein $urüdgeroorfen. 

^oms* ® § roar e * n f^ roercg 9fti&gefd)tä/ bodE) bei weitem 
auf Me nid)t fo fdjmer mie mancher UnglüdStag ber altern 
eroberun örömif ^ cn ariegggefäicfcte, unb e§ ift nid)t att>etfel= 
r)aft, bafc ba§ römifdje SBeltreid) bie 2öieberunter* 
roerfung 2Beftgermamen§ l)ätte burcf)füf)ren fönnen, 
menn ber ($ntfd)lu& baju oorljanben gemefen märe. 
S)od) biefer @ntfd)lufj blieb au§. 2)er alternbe 
2Iuguftu§ f)ielt ben ^rei§ nid)t für be§ £ampfe§ 
mert, sumal ba biefer ofyne eine anfef)nlid)e Söer* 
meJ)rung ber an fid) fd)macf)en rötmfdjen $eere3mad)t 
(im gangen nict)t mefyr al§ 300000 SKann) unmöglich 
gemefen märe, unb eine foldje glaubte ber 8aifer au§ 
innerpolitifdjen ©rünben rtid)t magen gu fönnen. ©r 
x>er$id)tete alfo auf bie Erneuerung be§ Untermerfung§- 
friegeS unb begnügte fiel), bie Qafyl ber Dftyeinlegionen 
bi§ auf adf)t $u bringen, alfo faft ben britten Teil 
ber ganzen Slrmee an ber germanifdjen fjront $u 
Bereinigen. 9lud) fein -iftacfjfolger Tibertug ging von 
biefer ^ßoltttf nid)t mefjr ab. ©r lief? nur &u, bafi 
fein Slbopttofofyn ©ermanicuS, ber <5of)n be§ $rufu§, 
in glängenben, aber im ©runbe ergebniälofen unb 
f)öd)ft oerluftreicfjen ftelbgügen 14 big 16 n. ©l)r. bie 
römifcfje SBaffenefjre mieberfjerfteflte; alg bieg ge* 
fdjefyen mar, rief er ir)n ab. Unb bod) mar e§ ein 
fernerer, meltgefd)id)tltd)er, nerl)ängni§ooHer $8erjtd)t. 
$er römifd)en Tf)atfraft, bie im Innern faum me^r 



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(Setmanen unb SHömet bis 100 n. $f)t. 



11 



etroa§ $u tfjun fanb, fehlte feitbem ein grofjeS 3* e *' 
unb ©ermanien blieb frei. 

2öenn bte§ gefdwl), fo war bie§ roefentlicf) ba^^jn^J 
SBerbienft be§ einen 2Jianne§, be§ erften großen gelb* tob« eSbe 
§errn unb Staatsmanns ber ©ermanen. Pirmin imtte 
aud) jefct ben SfriegSbunb jufammenge^alten unb war 
im Kriege unbeftegt geblieben; er hatte eS ertragen, 
bafc fein geliebtes SÖeib £huSnelba vom eignen Sßater, 
bem Sftömling Segeft, ben ^Römern ausgeliefert rourbe, 
unb bafc fein ©ruber ein Sanboerräter blieb, unb er 
hat roohl baran gebaut, eine bauembe polittfd)e 
Schöpfung aufzurichten, darüber geriet er im ^afjre 17 
mit 2RarbobS 27carfomannenreich in offnen Äampf. 
©r blieb infofern (Sieger, als Sftarbob, ftc^ gef plagen 
gebenb, nach Böhmen jurüctroich unb fchon im näcfjften 
^ahre oon Unjufriebnen geftür^t rourbe, fobafc er 
auf römifcheS ©ebiet übertrat unb bie ÜWarfomannen 
in eine geroiffe 2lbf)ängigfeit üon SRom gerieten; aber 
3lrmin§ Söerfud), feine herzogliche ©eroalt über bie 
©fjeruSfer unb roohl auch über anbre Stämme in 
eine fömglidje ju oerroanbeln, mifjlang, unb er fiel 
im gahre 21 unter bem Schwerte feiner (Sefdt)Iecf)t§s 
genoffen buref) fchnöben ©errat, roie ber Siegfrieb 
ber Sage, erft 37 ftahre alt. 9lber ber „©efreier 
©ermamenS" blieb er barum bodj, unb fein ©e* 
bächtniS lebte fort im §elbenlieb. 

9lad) bem ßerfalle ber beiben großen WlatyU 3™^$* 
bilbungen im Sftorbroeften unb Süboften Berührten bteitnng 
ftd) bie Stämme ber ©ermanen in innem kämpfen, rö mif^en 
bie offenbar auS ber Sftotroenbigfeit, ihre Sifce ju er* sn*** 
weitem, entf prangen unb rourben, roie £iberiuS, 
ber fie genau fannte, trorauSgefehen hatte, ben Römern 
ungefährlich- Selbft ein »on ben ©ataoern im gahre 
69/70 unter ßlaubtuS ©ioiltS unternommner Slufftanb, 
ber überbieS zur §älfte auS bem fto^en ßorpSgeifte 
biefer tapfern £UfSoölfer gegenüber ben Segionen ent* 



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12 



£ie SDQanberjett 



fprang, änberte md)t3 an ber 9lbhängig(eit be§ <5tam= 
me§. 5lnbrerfeit3 Ratten bie SRömer fd)on feit 47 alle 
SBefa^iingen vom rechten Ufer be§ 9Heberrhein§ jurücf= 
gebogen. Sftur am SJttttet* unb Qberrhein erweiterten 
fie unter ben ftlaoifdjen ßaifem ihre ©renken, inbem 
fie ba§ faft unbewohnte, früher (elttfdhe, niemals ger* 
manifdje fianb in bem 2Öin(el jmifchen dltyixi unb 
£>onau mit gaflifchen Slnfieblern befettfen (bie agri 
decumates, b. i. 3ef)ntlanb) uno ourd) eine au§ge* 
behnte, 542 Kilometer lange mtlitärifch übermalte 
©renjfperre (limes) von 9l^einbrol)l gegenüber ber 
3lt)rmünbung bt§ Oelheim an ber obern 2)onau 
fieberten. 2)ie ©tanblager ber Segionen blieben nach 
roie r»or am linfen SR^einufer ((Saftra ©etera, Üfteuß, 
Bonn, 5ftainj, (Strasburg), bie ftatyl ocr ßegtonen 
aber mürbe allmählich auf oier serminbert, benn bie 
Germanen fd)tenen völlig ungef ablief), unb ber mili* 
tärifd)c @d)merpunft be§ $Heich§ lag feit ber Er- 
oberung $)acien§ unter Srajan (101/2 unb 105/7) an 
ber untern $)onau. 
rdmlföe SBenn bamal§ bie (Germanen it)re Singriff §fraft 
Auitiir in eingebüßt ju haben fdjienen, fo mar ba§ eine mittel- 
bc ÄT bare Wittum oer römifchen Kultur unb ^olitif. 2)iefe 
Kultur (am in ben ©renjlanben längS beS dttyinä 
unb ber 2)onau über ein befdt)eibne3, protrinjialeS 
3ttafj nic^t I>inau§. S)enn fie ging in erfter ßinie 
nicht oon einer planmäßigen frieblidjen ^olonifation 
römifd)fpred)enber (Sinroanbrer au§, fonbern r»on ben 
großen unb (leinen (Stanblagern, an bie fid) junächft 
jur $)etfung ihrer h^h^en SBebürfniffe bürgerliche 
Drtfchaftenfchloffen. (Später, menn bie Semohnerfchaft 
namentlich auch burch bie fid) h* er anfiebelnben ent* 
laffenen (Solbaten gahlreich unb gebilbet genug mar, 
erhielten biefe Drte in Dielen fallen römifcheS ©labt* 
recht, mie Xanten bei ©aftra cetera unb Gaftel bei 
9Jcainj unter Srajan. SRömifche Kolonien finb im 



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©ermoncn unb Börner bis 100 n. 6f)r. 



13 



^cinlanbe nur fehr wenige gegrünbet roorben, näm= 
lieh 5Iugft bei SBafel fdjon unter 5luguftu§, ftbln unb 
£rter unter (£laubtu§. gm $onau* unb 9llpenlanbe, 
rao bt§ auf 9flarc Slurel nur fchroad)e Bejahungen in 
t leinen 8afteflen lagen, brang ba§ römifche Clement 
mehr auf frieblidjem SBege ein unb Inibete §ier an* 
fehnltche Stäbte, nrie 5lug§burg, BregenjCBrigantium), 
2öel§ iDoilaoa), Salzburg (gnoanum); nur an ber 
mittlem 2)onau gab e§ feit Befpaftan grofce Segion§^ 
lager, Btnbobona (2Bien) unb (Earnuntum (<ßetronell). 
$a§ (SrgebmS mar überall eine römifd)*feltifche f)alb 
militärifdje 2Jiifchfultur unb eine römifch*feltifd)e 
Sftifcfybeoölferung. föömifd) in Sprache unb «Sitte 
unb Bauroetfe waren bie ftäbtifdjen Ortfdjaften unb 
ihre nächfte Umgebung, aber fte lagen mie gnfeln im 
mitten einer felttfchen unb nod) im oiertenSahrbunbert 
felttfd) fprecf>enben Beoölferung, unb ba§ mirtfdjaft- 
ltd)e $afein war ganj mefentlich auf ben £anbbau 
begrünbet, ber l)ierf)er bie römifdje S)reifelbernrirt* 
fdjaft unb feit ber Üftttte be§ britten gabrfjunbertS 
aud) ben Söetnbau t>erpflan$te. Swmerbin brücfte 
ba§ römtfche SBefen, ba fich ba§ feltifche «National* 
beroujjtfein, fo roeit ein fold)e§ überhaupt sorbanben 
geroefen mar, rafd) jerfefcte, bem ganzen ©renjlanbe 
ben Stempel auf, unb fdjon in ber $roetten §älfte 
be§ erften 3^l)rl)unbert§ refrutterten fid) bierheimfdjen 
Segionen überwiegenb au§ gebornen ^ßrotnnjialen mit 
römtfchem Bürgerrecht, bie in fdjroffem, lanbfdjaft* 
ltd) gefärbtem &orp§geift ben Legionen von ber $onau 
unb tum Snrien gegenüberftanben. $)a§ ©ehetmniS 
biefer Erfolge liegt nicht nur in ber Überlegenheit 
ber ftäbtifc^en römifchen Kultur, fonbern aud) unb 
oor allem in bem ftreng feftgehaltnen römifchen 
©runbfafc, ben Unterroorfnen bann erft unb nur 
bann bie politifche Gleichberechtigung gu gewähren, 
wenn fie ftd) in Sitte unb Sprache romanifiert hatten. 



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14 



Sie aöanberaett 



® e .*' 9luf bie ©ermanen roirftc weniger ber Slnbltcf 

inarufdje 

»otfg- ber römifchen Kultur an ihren ©renjen, al§ ber tyarte 
totrtfc^aft ^^(xng^ oe n ihnen bie römifche©renjfperre auferlegte. 
2)enn biefe oerhinberte fie an roiüfürlicher 9Iu3behnung 
if)re§ ©ebtetS unb nötigte roenigften§ bie unmittelbar 
baoon betroffnen roeftlichen ©tämme, $u einer etnm§ 
tntenftoern ©obennutmng überzugehen, um auf bem* 
felben ©oben eine größere Sflenfchenaahl ernähren 
ju fönnen. $ll§ bie einmanbernben ©ermanen ihr Sanb 
in ©eftfc nahmen, ©erteilten bie einzelnen ©tämme ihr 
©ebiet $unächft roohl nach ber einzigen Drganifation, 
bie ein manbernbeg Söolf haben fann, ber militä* 
rifchen. Seber §unbertfcf)aft, b. i. 120 Kriegern, 
bie mit ihren fjfamilien ohne bie ®necf)te etroa 600 
bi§ 800 ©eelen zählten, rourbe ein Sanbftrich con 
einigen ©eoiertmeilen (2 bi§ 6) $u gemeinfamer 
9htfcung $ugen>iefen, Urroalb, (Sumpf, £etbe, SBeibe* 
lanb unb fruchtbarer ©oben. S)aoon rourbe nur ein 
Heiner Steil für bie 2lu§faat von ©ommergetreibe be* 
nütjt, unb $roar jebe§ Sahr *w anbre§ ©tücf, fobafj bie 
9lcferflur gemiff ermaßen burd) ba§ ganje anbaufähige 
ßanb toanberte, unb mit tt)r ba§ au§ leichten £olfc 
Kütten beftehenbe S)orf. Slucfc als nach (Säfarg 3eit ber 
2lnbau bebeutenber unb bie ©e^aftigfeit entfd)teben 
rourbe, blieb ber 2lcf erbau Siebenfache, bie #auptfad)e 
3agb unb ©ieh$ud)t, unb bie SBirtfchaft mar noch gan& 
fojialiftifch, fobafe ber einzelne ein Eigentumsrecht nur 
an ber gahrniS (einfchltefcltcf) be§ §aufe§) unb an ben 
Söiehhetben, am ©oben nur ein SftufcungSrecht hatte. 
9hm nmchS auch oa§ $orf am ©oben feft (lar, Ort, 
gritjlar), an einem SBaffer (affa, baher 5lfd)— äffen— 
bürg , ©urg am @f chenroaffer), an einer Quelle (mar, 
baher ©ei3— mar), am 2Balb (loh, ©üter§— loh); al§ 
3lcf erlaub mürbe ein beftimmter, ihm näher liegenber 
Seil ber ftlur aufgetrieben, innerhalb beffen noch 
alljährlich awifchen ^fluglanb (@fch) unb Söexbelanb 



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©crmanen unb Börner 6i§ 100 n. 6t)r. 



15 



(2)reefd)) gewedjfelt würbe; aüc§ übrige blieb für 
§ol$fd)lag, SBeibegang, :3agb unb ftifdjfang (fpäter 
5lHmenbe, gemeine 9Jlarf) liegen, unb aud) am Sßflug* 
lanb l)atte bie gamtlie nur 9iufcung§anteile. 2)a 
ba§ für ben Slnbau benufcte Sanb bei ber raffen 
SBeoölferungSjunahme eine§ jugenbltdjen *8olfe§ unb 
ber Unmöglichfett, größere Waffen aufcer £anbe§ gu 
feinden , rafd) au eng nmrbe, fo mußten immer neue 
Öanbftücfe ((Gewanne) unter ben ^ßflug genommen 
ober aud) neue §öfe unb Dörfer angelegt werben, bie 
tnbeS mit ben 3Hutterbörfern in 3Rarfgenoffenfchaft 
blieben. $te Käufer würben anfehnlicher, mit @rb* 
färben bunt bemalt, bie §öfe ber (£beln unb dürften 
weitläufige, mit ftarfer plante (£>ofwehr, §ofraithe) 
gefd)üfcte Äompleje oon ©puppen, ©täUen, halbunter* 
irbifdjen Vellern (thung, bung) unb 2öohnräumen, 
unter benen bie grofje £>ade hervorragte, gefchmürft 
mit Seuteftüden, SBaffen unb frönen ©efäfcen. Sftod) 
genügte ftd) jebe Sftarfgenoffenfchaft im wefentlichen 
felbft. $)ie 3agb unb bie gerben lieferten bie 8oft, 
Söilbpret unb 9JHlch, fowie §äute unb 2öofle jur ®let* 
bung; grauen, $ned)te unb 9flägbe fpannen, webten 
unb nähten biefe Äleibung unb fertigten bie einfachen 
2öer!aeuge; nur bie Töpferei unb bie §d)miebearbeit, 
beren $auptgegenftanb fdwn feit bem ^weiten t)or* 
djriftlichen ^ahrhunbert ba§ mühfam au3 SKafen* unb 
Sumpfergen au§gefd)mol$ene ober oon aufcen §er 
eingeführte, baher lange noch fefjr foftfpielige @ifen 
war, ^tten ftd) fdjon gu mehr hanbwerf§mäf?igen be- 
trieben auSgefonbert. ©inen 58imtenf)anbel oon Stamm 
§u ©tamm gab e§ höchftenS ba, wo feltene Kobern 
ergeugniffe, wie 2WetaÜe, beruftem unb @alj in be* 
trad)t famen; wa§ fonft an §anbel oorhanben war, 
ba§ bewegte fich gu unb oon ben römifchen ^rooingen 
üterwiegenb in ber gorm be§ §aufter- unb £aufch*, 
hanbet§, ber ^elje, £äute, £aare, ©änfefebern 



16 



Sie aHanberjett 



©cfjmfen, <§eife, Skrnftein u. bergl. gegen ©ewürje, 
Söetne, @d)mucffachen au§ SBronje, ©über unb ©olb, 
oor allem gegen eiferne 2Baffen unb ©eräte umfefcte. 
(Betbft bie römtfdjen <Silbermün$en beftimmter fpät* 
republtfanifcher unb frühfaiferlicher Prägung — ©olb 
nahm man nur ungern -- bienten weniger al£ ©elb 
wie al§ £aufd)mittel unb würben nrie ©olbfchmucf 
unb ©olbgerät gern $ur Slnfammlung etneS ©dja^e§ 
»ermenbet. $te Sanbwege waren breitgetretne Söölfer* 
pfabe, bei naffem Söetter faum paffierbar; bod) tum* 
metten fich bie SMftenanwormer frü^eitig jur ©ee in 
plumpen rieftgen ©inbäumen, fpäter in xwrjüglicf) ge* 
bauten, fchlanfen becflofen (Schnell feglern. 
%icstänbc S)ie ftänbifche ©lieberung unb ber Aufbau be3 
©taatS entfprad) biefen einfachen SBerhältniffen. 2)ie 
9Jiaffc be§ Sßotf§ bitbeten bei allen Stämmen bie 
freien, gleichberechtigten Krieger, bie nur bem Kriege, 
ben ftaatlicrjen ©efcfjaf ten unb bcr fyofyen %aQb auf 
bie Ungetüme be§ Urwalbä lebten; bie wirtfchaftltche 
Arbeit blieb, abgefehen oon ben grauen, ben Unechten. 
Urfprünglid) faum fefjr gasreich, Unterworfne, ßrieg^ 
gefangne unb beren Sftadjfommen, waren bie 8ned)te 
rechtlich (Backen unb ftanben jur wttlfürlichen 93er= 
fügung be§ §errn, mürben aber, bei ber ©leidjheit 
ber 8eben§ljaltung beiber, im ganjen milb behanbelt, 
oft mit einem befonbern ©runbftücf au^geftattet unb 
nicht ganj feiten auch freigelaffen, wag aber noch 
nicht bie ftaatliche Rechtsgleichheit mit ben freien 
begrünbete. 

^unbc?*' ^ cr ^* a ff c fecr S reicn h^ten fid) fchon früh* 

fiaft,' jettig eble ©efcfjlechter erhoben, bie burch bebeutenbe 

St ftaat eS " ©igenfchaften unb Seiftungen ausgezeichnet waren, ba* 
her auch eine 2lrt oon Vorrang behaupteten, einen 
großem Anteil an ber Rufcung be3 ©runb unb 
$8oben§ genoffen unb in ber Regel bie früfjrer be§ 
$8olfe§ ftellten. 3)ie Urteile be§ germanifchen Staats 



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©crtnaucn unb fRömct bis 100 n. GI)r. 



17 



war, rote überall, ba§ ©efcf)led)t. ©ifenfeft umfd)loß 
e§ nod) feine 9Kitglteber. Unbefdjränfte ©emalt übte 
ber §au§oater über bie ©einigen, roenn er aud) bie 
grau al§ ebenbürtige ©enofftn im £>aufe achtete unb 
an ber ©iner)e ftreng feftfjielt; aud) ber €>of)n mürbe 
bem Söater gegenüber niemals münbig, mod)te er aud) 
fd)on burd) bie feierliche 2Baffnung nor ber S3olf§ge= 
meinbe beren üoOberecrjtigte^ ©lieb unb f elbft ©atte unb 
Sßater fein; bie $od)ter trat nact) bem $obe be§ Sßaterg 
unter bie ©dju^geroalt (raunt) be§ älteften Kruberg, 
bei ber Sßermäljlung im iRtngc ber @efd)led)t3genoffen 
unter bie ©eroalt be3 2Wanne§. Sftur al§ Sftitglieb be§ 
©efd)Ietf)t3 fjatte ber einzelne ba§ SHedjt auf bie roirt* 
fd)aftlt<$e, polittfdje unb militärifdje (Stellung in feiner 
£unbertfd)aft, benn e§ gemährte ifjrn 9*ed)t§fd)u& burcr) 
©tbe§f)ilfe, Unterftüfcung bei ber 3af)lung be§ 2Ber= 
gelbe§ unb bei ber SBlutradje. $)ie unterfte politifdje 
SBübung mar nicfjt bie $)orfgemeinbe, fonbern bie 
£>unbertfd)aft, bie mit ber 9Karfgenoffenfd)aft ur* 
fprünglid) burd)au§ unb oft roofjl aud) fpäter |u» 
fammenfiel unb, nod) et)e ba§ $8olf gan$ fe^aft 
geworben mar, einen beftimmten örtlichen $8ejirf bar-- 
fteHte (©au, gottfd)gavi, urfprünglicf) SBeibe, gegen * 
über bem SBalbe, lateinifd) pagus). 2)ie freien 
2Känner ber ^unbertfdjaft bilbeten im regelmäßigen 
£f)ing (b. t. Dermin) $u 91eu- ober SBoflmonb an ge- 
meinter Sftalftatt (oon mahal, fpredjen) t»or ädern ba§ 
regelmäßige ©ertd)t, ba3 für ba£ gan$e $Bolf§gebtet 
guftänbig mar. ©ine SBötferfdjaft (Stamm, civitas) 
umfaßte fictjer nid)t mefyr al§ einige SHifcenb §unbert* 
fdjaften, fdjon meit jum $8olf§tf)ing alle freien roaffem 
fähigen Männer pflid)tig maren, bie ©ntfernung 
alfo jur HWalftatt be§ ^olU (roie 93. 2flattium, 
ie^t Stäben bei Raffet für bie (Ratten) nidjt nie! 
mefyr al§ eine £agereife betragen burfte; ba§ gefamte 
©tamme^gebiet mar bemnad) burd)fd)nittlid) etma 100 

Xcr aOÖerbeßang beS beutfd&ett Sßolfeä I 2 



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18 Sie aOÖanberjeit 

Cluabratmetlen grofc unb jaulte meift tr»of)l nicht über 
5—6000 waffenfähige SKänner. SfteS $8olf3thing, ba§ 
oermutltd) nur halbjährig jur SBinter* unb (Sommer* 
fonnenroenbe unter bem <5d)ufce be§ ©otte§ 3iu au* 
fammentrat, entfd)ieb nach SBorberatung ber ange* 
fef>nften 2ttänner über 93ünbni§, Krieg unb grieben, 
machte bie Jünglinge rr)er)rc)aft unb wählte bie SBor* 
fteher be§ S8olf§ in (Stamm unb $unbertfchaft 
Könige, $ e in ßroeifel, bafc urfprünglid) überall ein König, 
Sürpen au§ einem befttmmten ©efchlecfjte gewählt (Kuninc von 
kunni, ©efchlecht, gottfcf) thiudans, r»on thiuda, Söolf) al§ 
r)öd^fter Beamter, nicht al§ £err fraft eignen 9ted)t§, 
ba§ ^Botf al§ oberfter Heerführer, 9ttd)ter unb s #rtefter 
leitete, wofür er einen £eil ber ©ericht§bufjen, frei* 
willige ©efc^enfe unb einen Sanbanteil empfing. Slber 
fchon im erften ^afjrhunbert n. (S^r. mar bieg Königtum 
auf bie fuebifchen unb oftgermanifchen (Stämme be= 
fdtjränft, beren f ortbauernbe§ J)albnomabifd)e§ Söanber* 
leben eine einr)cttlict)e, monarchifche fieitung notwenbtg 
machte. 93ei ben Söeftgermanen mar e§ oerf chwunben ; 
hier er^ob bie 93olf§gemeinbe nur für ben Kriegsfall 
einen §er$og (heritogo); im ^rieben matteten über ba§ 
SBolf nur bie erwählten „gürften" (principes) in ben 
§unbertfdfmf ten als Seiter be3 §unbertfd)aft§thütg3, 
alfo be§ ©erichtS, unb al3 Anführer be§ 2lufgebot§. 
2)af3 dürften unb Könige berechtigt waren, ftd) in Krieg 
unb Jn^en ein bewaffnetet ©efolge (fränfifch trustis) 
auä jüngern unb ältern Männern $u halten, bie ftch 
ihrem ©efoIg§hcrrn freiwillig auf ßeben unb Sob zu* 
fchmoren unb bafür ihren Unterhalt unb <Spenben au§ 
feinem „£jort" (8ct)at$) empfingen, ba§ gab ihnen noch 
ein roeit über ihre Amtsgewalt hinauSreichenbeS 3ln= 
fehen unb bem ganzen germanifchen Seben eine r)öc^ft 
eigentümliche SluSbilbung ber perfönlichen Streue al§ 

©eri^t Sftod) befchränfte fich bie Aufgabe be§ germanifchen 



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©ermatten unb SRömer bis 100 n. Cfjr. 19 



<5taatS auf ben 9ted)t§fdmfc im Innern, ben 20 äffen* 
fd)ut$ nad) aufcen, benn fdjon lange war jene ro^efte 
SBorftettung überwunben, bafe ber @d)Ufc ober bie 
SKadje be§ ©enoffen nur <5ad)e fetne§ ©efchled)t§ fei, 
unb eine fernere 9ted)t3oerIefcung erfdjien bereits al§ 
eine Verlegung be§ grieben§ ber ©efamtheit Stur 
bei ben fcfjwerften <§d)äbigungen (£otfcf)lag, fcfjwerer 
Söerwunbung, ©Ijebrud)/ gfrauenraub) blieb bem ®e* 
fdjäbigten ober feinem ©cfdjlecftt bie SSaljl awifdjen 
SÖIutra^e (3rcr)bc) unb 8lage. S)od) mufcte jene burd) 
einen ©ü^neoertrag beenbet, biefe com Verlebten 
vorgebracht werben, worauf ba§ oom fHic^tcr cor* 
gef cfjlagne, oon ber ©erid)t§oerfammlung beftätigte 
Urteil beim ©eftänbniS be§ 5Ingeflagten bie ju Ieiftenbe 
©üfjne beftimmte, im anbem gaHe oorfdjrieb, oon 
wem unb in melier SBetfe (®ib mit @ibe§^elfern unb 
©otteSurteil burd) So§ ober ßweifampf) ber ©emeiS 
ber ©djulb ober Unfc^ulb ju führen fei. $otfd)tag 
unb fdjwere föörperoerlefcung mürben burd) eine SBufce 
in S8iet){)äuptem nad) bem <Stanbe be§ Verlebten (ba§ 
2Bergelb) gefütjnt, mit bem Stöbe nur Verbrechen 
gegen bie ©efamt^eit (SanbeSo errat, 3r a hnenflud)t, 
Feigheit, §eiltgtumfdjänbung), ber ftriebengbrud) mit 
ber 2Iu§ftofiung au3 ber ©emeinfd)aft, bie inbe§ burd) 
eine 93ufee mieber aufgehoben werben tonnte. grei= 
I)ett§ftrafen gab es md)t. 

3um ©d)u^ nad) aufien oerfammelte fid) nad) &*m%- 
Söotf3befchtu& an ber SWalftatt ba§ Stufgebot ber toefen 
waffenfähigen freien Scanner jum 2lu3$ug unter bem 
Äönig ober bem §erjog unb ben dürften, gegliebert 
nach §unbertf djaften unb ©efdjledjtem, bie 9Jcehr$ahl 
ju fjuf*, bewaffnet mit Speer (framea) unb ©d)üb, 
nur bie @beln unb ba§ befolge ber dürften §u SRofc 
unb mit £elm, SBrünne unb ©d)wert beffer gerüftet. 
$ie SluffteHung be§ ftufcoolfeä in einer 2lnjat)i 
furjer Kolonnen (Äeil, cuneus) mar nur für ben ftür* 

2* 



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20 



$te aSonberjcit 



mifcrjen Anlauf brauchbar, worauf auch bie Stteiterei, 
mit raffen ftu&gängern (ganten) untermifcht befon* 
ber§ eingeübt mar; ein anhaltenbe§ ©efecht oermochten 
bie ©ermanen nicht $u führen, unb gegen bie Börner 
mar immer am erfolgreichen bie ©chmarmtaftif in 
Sumpf unb Söalb, ba fie bie förperliche Überlegenheit 
ber ©ermanen jur ©eltung unb bie römifche £aftif 
möglichft aufter (Spiel braute. Sängere ftelb^üge 
waren biefen Aufgeboten unmöglich, fdjon weil fie 
nicht lange verpflegt werben fonnten. ©egen bie 
Börner fjalf am beften bie ©rmattungSftrategie, bie 
r»or bem einbrechenben ^Jeinbe bie SBehrlofen unb 
Söie^erben in Söalb* unb 93ergt>erftecfen ober in 
rohen ©teinfchanjen barg, ihnen bie faft wertlofen, 
rafd) wieberherauftetlenben §öfe jur S8ernid)tung ober 
^ßlünberung überlief, fie burch §tn* unb germclrfdje 
auf fd)led)ten SBegen ben ©ommer über ermübete 
unb nur bei befonberS günftigen Gelegenheiten ben 
offnen ®ampf wagte. 3h r oerbanften bie Germanen 
bie Behauptung il)rer fjreiljeit. 

Über ben <Stamme§ftaat reichte ber <§<t)\x% nicht 
hinauf. 3enfeit§ feiner ©renjen mar ber einzelne 
recht* unb frieblo§, wenn er nicht förmlich in ben 
©crjutj eine§ anbern ®taat§ aufgenommen mürbe; aud) 
eine Bereinigung mehrerer (Stämme mar immer nur 
eine oölf errechtliche Söerbinbung unb gewöhnlich t)on 
fur$er 2)auer. 

6e unb ße8 Obwohl bie ©ermanen ihre SKunenfchrtft, eine 
rcitgtöfes Umbilbung be§ griechifchen Alphabets, erft im jweiten 
ßcbcn g^fjtfyun&ert erhalten hatten unb fte auch bann noch 
nicht ju Aufzeichnungen, fonbern nur jur Bezeichnung 
be§ SBeftyeg al§ £au3marfe unb zum 2o§merfen benütj* 
ten, alfo thatfächlich fd>riftto§ blieben, fo hatten fie bod) 
ein rege§ getftigeS fieben. 2)ie Sinearoerzierungen an 
erhaltenen ©eräten unb SBaffen beuten auf ein fünft* 
•lerifcheä BebürfniS, ihre flangoolle, fdjon in zahlreiche 



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©ermanen unb Börner btä 100 n. ßfir. 



21 



Sttunbarten au§einanbergef>enbe ©pradje oerriet eine 
rege, finnlicrje unb finnige ^ßf)antafie, oor allem in ber 
Sftamengebung; in epifdjen Biebern in ber uralten 
3rorm be3 <§tabreim§ befangen fte iJjre Reiben, unb 
fie prägten ba§ @rbe be§ arifdjen ©ötterglaubenS 
eigenartig au§, wenn fie aud) ben Sftorbg ermanen barin 
nid)t gleicfyfamen, weil btefe erft weit fpäter oom 
(£f)riftentum erfaßt würben. SDSie ftd) iljnen ba§ 3>af)r 
in ben furzen, warmen ©ommer unb ben langen, 
garten Söinter teilte, fo traten aud) in iljrer ©ötter= 
weit, bem befeelten Abbilbe ber Sftatur, bie menfdjen-- 
freunblidjen Afen unb bie menfdjenf einbüßen liefen 
(Surfen) einanber in beftänbigem Kampfe gegenüber. 

würben aber feine3meg§ überall biefelben ©ötter 
oerel)rt, vielmehr traten bei ben einzelnen Stammet 
gruppen beftimmte ©ötter Ijeroor. 3)en jum ©ott be§ 
Krieges, bafjer be§ £f)inge3 geworbnen einarmigen 
§immel§gott £iu ober 3iu (@r, ©ad)§not) oere^rten 
befonber§ bie Saufen, bie ©ueben unb bie ©oten, 
ben einäugigen SÖoban, ben ©ott ber bewegten fiuft, 
bann be§ ©eifte§, bafyer ber §eerfüt)rer, gelben unb 
£>idjter, befonberS bie fpätern granfen, bie Sango* 
barben unb bie gngäoonen; ber rotbärtige S)onar, 
ber ©ott be§ ©ewitterS, bafjer be§ AcferbauS unb 
aller Kultur, fam erft mit ber Ausbreitung be§ 93oben* 
anbaut ju allgemeinerer Anerfennung. S)ie weibltdjen 
©ottfyetten (ftrija, §olba, 9lertl)u§) gel)en woljl auf 
eine ©rbgötttn al§ ©ematjlin be§ £>immel§gotte§ 
jurücf, bie ebenfo al§ SobeSgöttin wie al§ näljrenbe 
Allmutter aufgefaßt würbe. Alle biefe ©Ortzeiten wie 
ba§ ©ewimmel ber Alben, 9Hjen unb ßwerge, bie 
Sdjtcffalsjungfrauen (SBalfüren, 3bift) unb bie Sftor* 
nen fmb weber allmächtig nod) allwiffenb nod) ftttltdje 
53orbilber nod) ewig. SBereljrt aber würben fie oljne 
©ötterbilber unb £empelgebäube in ^eiligen Rainen 
unb auf Söergen mit Opfern unb mannigfachen 



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22 



Sie aOßanberaeit 



finnigen 93räucf)en, bic bag gan$e fieben be§ einzelnen 
roic ber ©efamtfyett burdjäogen unb umgaben, bi§ $ur 
SBeftattung im SBaumfarge ober burd) fteuer mit bem, 
mag bem SBerftorbnen lieb geroefen mar. 2)en SöiHen 
ber ©öfter, alfo bie 3ufunft, fucfyte man bei ^eiligen 
grauen, au§ bem 2Btef)ern ber meinen SRoffe 2öoban3, 
bem SRaufcrjen ber @id)e $onar§ unb bem SBerfen 
von £o§ftäben ju erfunben, benn in jebem Slugenblicfe 
füllte ftd) ber fromme @mn be§ ©ermanen gebunben 
an bie überirbtfdjen ©emalten. 



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neue Bngriflfe auf Etmt bte 375 



in t>oflc§ SaWunbert faft ununterbrochen 3rrie= 5Ö0 "^ er ' 
ben§ mit ben Römern §atte bic $Bolf3$af)l bcr mc runs 
©ermanen offenbar rafd) t>erme^tt; bie 3rolge war, 
ba& fie, fobalb fie in ben tfynen gezognen ©renken 
md)t metjr Sttaum fanben, ftärfer unb ftärfer gegen 
Otyetn unb $)onau brängten. 5ln ber $onau aeigte 
fid) ba§ am früfjeften unb am Ijeftigften, weil bie 
oftgermanifdjen (Stämme mit ibrer immer nod) Ijalb 
nomabif djen SEBeiberoirtfc^aft rafdjer an ber ©renje 
iljrer innern 3lu§bebnung anlangen mußten unb leic^* 
ter beroeglid) waren al§ bie oöHtg feftyaft geroorbnen 
ÜÖeftgermanen. 

3n bem fogenannten 3Jiarfomannenfriege, JJjJL 
ber gmeiten großen germanifdjen Söanberflut (161 big mannen« 
180 n. (£f)r.), überfdjroemmten 2ttarfomannen, Ctuaben, !m9 
germunburen, Sangobarben, Söanbalen jum erften* 
male bie römifdjen SJonaugrenjen unb fogar Ober* 
Italien. 9tod) gelang e§ bem trefflichen ®atfer ÜJtarc 
5lurel in ferneren kämpfen, fie aurürfaubrängen unb 
bie S)onaulinie burd) ^mei neue fiegionSlager ©aftra 
regina (SRegenSburg) unb Sauriacum (fiord) bei (SnnS) 
3U ftdjera; aber nod) vox ber ©eenbigung be§ ftriege§ 



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24 Sic SÖcmbetaeit 

ftarb er in SBien (17. aflärj 180), unb fein Sotjn 
(Sommobug mu&te (Sparen von ©ermatten in ben 
untern $onaulanben anftebeln, ifjnen alfo ba§ begehrte 
8anb, wenn aud) unter römifdjer $errfd)aft, gewähr en. 
3)ie frieblicrje ©ermamfterung römifdjer ©renjlanbe 
begann. 

Stamme" *>°&>9 M * m 3twtero $eutfd)lanb§, 

mme t?on ben Römern faft unbemerft, eine entfdjetbenbe 
Umroanbtung. 35ie flehten 93ölferfd)aften, bie burdt) 
junefymenbe 9tobungen einanber örtlich immer näfjer 
gefommen fein müffen, ballten ftd) ju großem ©ruppen, 
§u ©tämmen im neuen Sinne jufammen. Um 213 
taurfjten längS be§ 8ime§ bie fuebifdjen Sllamannen 
(©djroaben) auf, beren nermutltdjeS ßernnolf, bie 
©emnonen, bamalg it)re alten 2öof)nfiöe äraifrfjen 
Ober unb (£lbe, von ben SBurgunbem gebrängt, oer* 
laffen Ratten unb fübn>ärt§ geroanbert roaren. Um 240 
erfd)ienen bieftranfen, b.i. bie freien, im mef entließen 
bie 3ftäoonen, burd) fyermtonifcf) = fuebifd3e SBeftanb* 
teile oerftärft, am 2ttittelrt)ein, unb enblicf) nerbanben 
• ftd) bie 9Kaffe ber 3ngät>onen unter ^ityrung ber 
©acr)fen ju einem <Stamme3bünbni§ biefe§ ;iftamen§. 
9lod) mar ber 3ufammenl)ang oer Stämme fo lotfer, 
bafc bie einzelnen Seile nid)t feiten gan$ felbftänbig 
auftraten, aber im ganzen gelten fie bod) jufammen 
unb machten bieg ben Römern balb fd)tner$lid) 
fühlbar. 

»u8- 3nbe§ ntdjt non tfynen, fonbern von ben Oft* 

DTCliUltQ 

ber ©oten germanen, oor allen oon ben ©oten, ging bie britte 
SBanberung au£. $enn biefe. breiteten ftd) von ber 
untern 2üeid)fel tjer fo unmiberfteljlid) über ba§ weite 
ofteuropäifdje Sieflanb au§, bafc fie um 230fd)on bie 
Sflorbfüfte be§ Sdjmar^en 3Keere3 erreicht Ratten unb 
235 bie grtedjifdje Kolonie Olbia eroberten. $m Qaljre 
238 überfdjritten fie $um erftenmal bie untere $)onau; 
nad) bem %aüz be§ ®aifer§ $)ectu3 bebzdttn i^re 



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ÜÖieberÖeginit ber aOBanberunflen 25 

flotten ba§ ©chroarje unb ba§ &getfche 97ieer, itjre 
friegertfdhen SluSmanbrer bie ©renaprooinjen an bei 
untern 2)onau, plünbernb, oerroüftenb, erobernb. £)te 
Zerrüttung be3 römifd)en SRetd)3 burd) ^^ronfriege, 
s £eft, roirtfd)aftlid)en Verfall unb ©hnftenoerfolgungen 
bahnte ihnen ben SSeg. @rft ber erfte ber großen 
iflnrifd)en ©olbatenfaifer, bie ba§ jerfaüenbe iHeid) 
nod) einmal einigten unb retteten, ßlaubiuS IL, warf 
bie ©oten 268 burd) ben Ungeheuern (Sieg bei 
9taiffu3 (Stifd) in Serbien) jurücf, unb fein Sftad)* 
folger 9lurelianu§ (270—275) oerbrängte bie 9Jlarto* 
mannen au§ Statten. 9lber bie ruhmooüe Eroberung 
£rajan§, ba§ fdjöne ©olblanb $acien, permochte 
aud) er md)t $u retten, er 50g bie römifd)en 93efa^ungen 
unb ben $ern ber römtfd)en Slolomften jurüd unb 
überliefe bie ^ßrooinj ben ©oten, bie bamit bi§ an 
bie untere 2>onau oorbrangen. s 2lud) gegen ben Simeä 
unb ben Ctyein war ber 5lnbrang ber SBeftgermanen 
fo geroaltig, bafe bie 3*hntlanbe bauernb in bie gänbe 
ber Sllamannen fielen, unb ßaifer ^ßrobuS (276— 282) 
nur mit äufeerfter $lnftrengung bie JRf)eingrenje 51t 
behaupten oermochte. $)iefe SBefteblung jroeier au§= 
gebehnten römifchen @renaprooin$en genügte inbe» 
bem ßanbbebürfniS ber ©ermanen nod) feine§roeg§. 
Vielmehr mürben au&erbem ßunberttaufenbe ger= 
manifd)er ®oloniften al§ hörige, an bie @d)olle ge= 
feffelte dauern (coloni) ober al§ freie SBauem (Säten) in 
nölferfd)aftlid)en SBerbänben in ben oermüfteten ©ren^ 
prooinaen, namentlich in ©allien unb ^ßannonien an* 
gefiebert. @o nahm bie frieblidje ©ermanifterung ber 
römifchen ©renjlanbe unter ber Roheit be§ ^Hetd>g 
ihren fjortgang. 

2)od) babei blieb e§ balb niebt mehr. 2) er ge* eftrtftji^- 
waltige Sünner $ioftettanu3 (284-305) hatte Auitur 
bem deiche in orientalifch-beSpotifchen formen eine ©ermonen 
neue haltbare *8erfaffung gegeben; ßonftanttn ber 



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26 



S)ie äBanberaeit 



©ro &e (324— 337) nahm bie unüberroinblich geroorbne 
djriftliche &ird)e in ben SRetdjSorganiSmuS auf, er* 
richtete neben ben ©ren^truppen eine ftarfe ftelbarmee 
unb t)ob bie altrömifche SBerbinbung von ^Beamten* 
unb Offi^ierSlaufbatm auf. £>urch beibe Sttajsregeln 
öffnete er ben ©ermanen einen breiten 3 u 9 an Ö ™ § 
römifche §eer big in feine !)öd)ften ©teilen hinauf, 
unb biefe tro^igen, treuen Sflänner hielten balb baS 
Oicid^ in ihrer Siedeten, ja fte Ralfen bie (Srbltchfeit 
beS ÄaifertumS burchfeijen. SlnbrerfeitS erfuhren auch 
bie freien ©ermanen jenfeitS ber ©renje ben ©tnflufj 
ber römifchen Kultur. Sie Sllamannen in ben 3ehnt* 
lanben, auf altem feltifch- römifchen SBoben, roaren 
bereits ein ganj fe&hafteS, n>ot)l§abenbe§ SBauernoolf 
geworben. $)ie 2Seftgoten in S)aäen Ratten ftet) an 
fefte 2Bohnfttje unb Sanbbau, allerbingS mit bem 
Übergen>id)te ber Söiehsucht, gewöhnt, »or aUem aber 
Ratten fte 3um größten £eüe baS ©hriftentum in ber 
ftorm beS im ganzen Dften beS SRetchS fyerrfdjenben 
SlrtaniSmuS angenommen, unb ihr erfter SBifdfjof 
SBulftla (UlftlaS) fchenfte feinem Söolfe in feiner 
gotifdjen SBtbelüberfetjung baS erfte $)enfmal ger* 
manifchen Schrifttums , bis eine J)eibmfd)e SReaftion 
unter 2ltf)anarid) i^n um 348 mit feinen Anhängern 
aus bem Sanbe trieb unb ihn anmng, ftdt) in 2flöfien 
um SftfopoliS (2trnon>a) unter römtfehem @d)u&e an* 
juftebeln. 2)od) erftarfte baS ©t)riftentum in 2)acien 
roieber, eS überftanb um 370 bie erfte G^riftenoer* 
folgung, bie ©ermanen als 93Iutjeugen fanb, unb 
auf ben Stuf beS d)riftlichen Häuptlings ftrithigern 
überfchritten 372 römtfehe Gruppen &um ©chufce ber 
©hriften bie S)onau. ©in djriftlidjer SBeftgotenftaat 
fdjien bie Vormauer beS 9teicf)S gegen Horben werben 
§u f ollen. 3)ie Dftgoten aber roaren junächft bem 
^Reiche ganj ungefährlich, benn Äönig ©rmanartch 
hatte ihre VJlatyt über ben größten Steil beS heutigen 



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aOßteber&egtnn bcr aBanberimaen 27 



SRufilanb verbreitet unb ftd) jafylreidje finmfdje unb 
flanrifcfye ©tämme unterworfen. 

2)aljer waren e§ biegmal bie 2öeftgermanen, von »*• 
benen ber eierte grofce ©tofe ausging, feine Söanbe* 
rung, fonbem eine friegerifdje Eroberung. Um 385 srcnje 
brangen fjranfen unb 9Uamannen big tief nadj 
©allien cor. 3nbe§ ber Gäfar ^ulianug brängte in 
ber <Sdjlad)t bei Strasburg 357, bem legten großen 
SRömerftege über (Germanen, bie 9llamannen über ben 
SRtjein surücf unb unterwarf bie grauten, bie fdjon 
in Trabant (Sojanbrien) ftanben. S)en ©tofc ber 
Ouaben über bie 2)onau wieg Sfatfer $Balentimanu§ um 
375 jurücf. 



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Mt x*#g*rmattirrfi2 Btflfortoantorung • 
unir B?grfintatti0 gBrmamJtfisr 
Staaten auf hreJIrömtJxJism tevtert 

375 bte 493 

Biäfjer Ratten alfo bie ©ermatten nur einige ©renj* 
protrin$en abgeroinnen fönnen, unb ot)ne 3weifel 
hätte ba3 römtfd)e SHetd) in feiner neuen Drgantfa* 
tton, roenn e§ in ber bisherigen SCöeife fortgegangen 
märe, nod) geraume ßeit bie ©töfce ber ©ermanen 
abjuroehren, ihrem fianbbebürfnte burd) 3lnfteblung, 
ihrem £E)atenbrange burd) ©infteflung in§ römtfd)e 
©eer $u genügen, burd) beibe§ bie fcfynrinbenbe S3e= 
oölferung be§ $eid)3 $u ergänzen unb aufeufrifchen, 
bie einftrötnenben germanifcfjen Staffen allmählich 
$u jerfe^en unb auf juf äugen oermod)t. 3 U ^ner 
politifd)en unb nationalen Erneuerung @uropa§ wäre 
e3 bann nid)t gekommen. @ine fold)e mar erft mög* 
lieh, toenn burd) ben Übertritt ganger großer ger* 
manifcfjer Wülfer ba§ SReid) felbft gefprengt mürbe. 
$aju ben 9Infto& gegeben $u haben, barin unb nur 
barin liegt bie roeltgefd)id)üid)e SBebeutung ber $un* 
nett, eine§ oerfprengten SKefteS ber finnifch*ugrifchen 
fiiungmu Sie fogenannte SBölfermanberung aber, 



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£ie oftgermctnifdje JBölfertoanberung 



29 



thatfäcrjlicr) nur bie fünfte unb größte aller, ift eine 
%fyat ber Dftgermanen; bie roeftbeutferjen (Stämme 
ftnb nicht geroanbert, fonbern fte haben, ihre alten 
<Si$e fefthaltenb, nur bie nächften römifchen ©renj* 
lanbe langfam erobert 

tiefer tiefgreifenbe Unterfd)ieb hat ba§ ©efd)icf M «Beft. 
ber germanifdjen Söölfer beftimmt. S)ie Dftgermanen im oft* 
roanberten in ihrer 3ttaffe in bie römifchen Kultur* r gJJ|]$ en 
Iänber au§ unb gingen bort nach lurger poIitifdt)er 
§errfchaft al§ Nationen ju ©runbe, nachbem fte bie 
gealterte romanifche Söelt aufgefrifcht Ratten. 2)ie 
Söeftgermanen, jäh an ber §etmat haftenb, erroei* 
terten nur ihren SBoben unb legten ben ©runb &u 
einer beutfehen Nation. $)en Anfang ber 2öanbe= 
rung matten bie ©oten. $8om (Einbruch ber ^unnen 
getroffen, fiel ba§ oftgotiferje Oteid) 374 aufammen, 
unb bie Dftgoten folgten ben §unnen al§ abhängige 
SBunbeSgenoffen roeftroärt§. Sie I)eibnifc^en 2Beftgoten 
unter Slthanartch leiftctcn oergeblichen Sötberftanb; 
bie d)riftlicr)en unter grithigern fugten 376 3uflud)t 
unb 2öof)nfi^e im römtfehen SReidje, roie früher it)rc 
SßolfSgenoffen. ©ereilt oon ber Ungebühr gemiffen- 
Iofer Beamten rourben fie inbe§ au§ bienftroifligen ©im 
roanbrern ju gefährlichen g-etnben, plünberten jähre* 
lang bie Sftorbprooinaen ber SBaltanhalbinfel, f crjlugen 
ben Sfaifer S3alen§ am 9. Sluguft 378 oernichtenb bei 
Slbrianopel unb rourben erft nach langen kämpfen 
unb $8err)anblungen r»on feinem Nachfolger £heoboftu3 
bem ©ro&en (379-395) big @nbe 382 allmählich gur 
9*ur)e gebracht, ©ie erhielten al§ göberaten (freie 
S3unbe§genoffen unter nationalen Beamten) 2Bof)nfit$e 
in Sttöfien unb £fn:afien, bie ihnen nachbrängenben 
oftgotifdhen ©chroärme im roeftlidhen ßleinafien. 
$iefe %oxm ber $lnfieblung ift für bie roeitere @nt* 
roieflung ber oftgermanifchen Söanberftämme entfehei* 
benb geroefen. S)enn fie traten nicht fdjlechtroeg al§ 



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30 



S)ie SlBanberäeit 



Eroberer auf, fonbem fchloffen mit bem deiche, beffen 
$oheit fie anerfannten, einen Vertrag (foedus) unb er- 
hielten baburcf) gegen bie Verpflichtung jum &rieg§- 
bienft vermutlich fd)on bamal§, ftdjerlicf) aber fpäter 
nach ben Veftimmungen be§ römifchen ©inquartie* 
rung§gefelje§ von 388, mit ihren Angehörigen al§ ein 
angefiebelteS §>eer Quartier bei ben römifchen ©runb* 
beftfcern, bie ihnen einen X eil be§ §aufe§ unb be3 
VobenS $ur 9ht$niefmng einzuräumen hatten, em- 
pfingen junächft roohl auch Verpflegung, fie traten 
alfo in ben engften ^ufammenhang m n e [mx flamm* 
fremben unb r)ör)er fultioierten Veoölferung. 
® ic 9hm beruht ber Unterfchieb jnrifchen bem ©efchtcf 
in Italien be§ oftrömifchen unb be§ roeftrömif djen Geichs, bie 
fich nach bem 2obe be§ £heobofm§ 395 enbgilttg 
fchieben, barauf, bafj e§ bem oftrömifchen gelang, bie 
angefiebelten ©ermanen mieber auSjuftofjen, roährenb 
ba£ roeftrömifche immer ftärfer t>on ihnen überflutet 
rourbe, trot$ aller 9lnftrengungen be§ größten römiftf) 5 
germanifchen (Staatsmannes, be§ Vanbalen ©ttlifo. 
3mar junächft erjmangen fich bie Söeftgoten unter 
ihrem neugeroählten ftönig, bem jungen fühnen Valien 
9llarid), burd) Sttaubjüge bis in ben ^eloponneS r)incin 
beffere Quartiere unb Verpflegung in (5piru§ (398); aber 
fd)on 401 roanbte fich Altrich gegen Italien, ba§ er 
erft nach be r ©flacht bei ^odentia am obem ^anaro 
(6. 3lpril 402) roieber räumte, aber nur, um fich fpäter, 
mit anfehnlichen Sahrgelbern unterftü^t, in Borkum 
einzulagern (406). 5lud) bie oftgotifch 5 fuebifcf)en Scharen 
be§ SHabagaiS mehrte Stilifo 406 noch ab; boch al§ er 
im 3luguft 408 einer thörichten, rcenn auch begreiflichen 
römifchen JReaftion zum Opfer gefallen mar, mar* 
fchierte 9llaricf> 408 oon ©rnona Cggg bei Saibach) h c * 
jum jmeitenmale in Italien ein, um feinem Volte 
günftigere SBohnfi^e gu ermerben, erfcfn'en, beftänbig 
oerhanbelnb unb bann mieber jutn «Schwerte greif enb, 



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$ie oftgermanifdje 93ölferh>anberuttg 



31 



breimal cor 9tom, nahm unb plünberte bic §aupt* 
ftabt ber Söelt im Sluguft 410 unb cnbetc fchüe&lich 
noch in bemfelben ^afyre, mehr roie ein norbifcher 
SEöiftng at§ wie ein ßönig, ofme fein 3tel erreicht $u 
haben. Mut ben Often ^atte er t>on ber brüefenben 
Saft ber eingeroanberten Germanen befreit in Italien 
aber fanb fein Söolf feine neue $etmat; üielmehr führte 
Slthaulf, 2Ilartch3 Schwager, bie Söeftgoten 412, halb 
im (SinoerftänbntS mit bem ftatfer §onoriu3, um 
beffen fcfyöne gefangne Schroetter ^taeibia er warb, 
nach ©aflien hinüber. 

(Sr fam, al§ ba3 £o§ (SaHienS unb @panten§ 6in6 e r r ud & 
bereits entf d)ieben mar. S)enn im ^ahre 405 n>ar bie «ßanbaten, 
§auptmaffe ber a§bingifd)en unb filingifchen $8an- 
baten in Sdjleften, oerbunben mit fuebifchen, wohl 9llancn 
meift quabifcfjen Scharen unb ben nicht germanifc^en 
Allanen, bie burch bie #unnen oon ber untern Söolga 
her weftwärt§ mit fortgeriffen worben waren, au§ ber 
©eimat aufgebrochen. Sie überf dritten im Januar 
406 ben obem 9tf)ein, um nun ©aUien jahrelang oer- 
heerenb p burchjtehen, ba oon SRom her feine gilfe 
fam, unb ber Ufurpator ©onftantinu§ nid)t§ gegen fie 
vermochte. (Snbltd) aber, im §erbft 409, brangen fie 
über bie nid)t oerteibigten ^ßnrenäenpäffe nad) Spanien 
ein, unb na<f)bem fie bie§ oon 33arbarenetnfäü*en bi§* 
her noch ganj unberührte ßanb $mei $ahre plünbernb 
burchjogen r)atteit, warfen fie 411 ba§ So§ über biefe 
^roüinjen, inbem fte fich nach ben geltenben römifchen 
Sefttmmungen unb unter Slnerfennung ber römifchen 
§or)ett bei ben ©runbbeftö^n einquartierten, bie 
(Sueben unb bie a^bingifchen Sßanbalen in ©alicien, 
bie ftlingifchen SSanbalen in ber SBätica (9lnbalufien), 
bie Allanen in Sufitanien unb ber (SarthagimenftS; 
nur bie Sarraconenfiä blieb unberührt unb unter ber 
Verwaltung römifcher Beamten, ^n^mifchen waren 
auch kie S3urgunber burch ba§ ©ebiet ber 9Uamannen 



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32 



Üte SOßanbcrjeit 



fyinburdjgegogen, unb tfjr $önig ©untafjari, ber 
©untrer be§ 9ttbelungenltebe3, f)atte 411 in Hflatnj 
einen üornefjmen ©aflier, ^oüinug, gum ßaifer er* 
Ijoben; furj barnad), 413, fieberten fie fid) UnU vom 
Dreine in ber ©egenb an, roo fie bie beutfdje 
§elbenfage geigt, um 2Borm3 unb im nörblidjen (Slfafj. 
S)ic9D3cft= g n biefe roirren $8erf)ältniffe, bie burcf) rafd) 
Spanien 1 roed)felnbe Ufurpatoren nod) mefjr t>erroirrt rourben, 

eaSfen f ü ^ rtc 412 ^ a " l f f eine Sßeftgoten hinein. 3m ^nter* 
effe be§ £onoriu§, mit bem er ftet§ eine frteblidje 
SBerftänbigung roünfdjte, befiegte er :goüinu§, befefcte 
aber bann, um bie Verpflegung feinet $8olf§l)eere§ 
gu ftd)ern, ba§ fübIidE>e ©aflien mit Sftarbonne, £ouloufe 
unb SBorbeaur. unb t>ermäf)lte fid) Januar 414 ™ 
$ouloufe mit ^lacibia. 2) od) ba £>onorüt3 oon einer 
Söerftänbigung aud) jefct nichts roiffen roollte unb if)m 
bie @eegufuf)r fperrte, fo gog ber ©otenfönig gu @nbe 
be§ $af)re3 414 ü& ct ^ e ^9*enäen nad) ber £arra= 
conenft§. $ier nafjm er feinen Sit* in Barcelona unb 
liefe trtumpfyierenb feinen unb Sßlacibia§ ©olm nad) bem 
faiferltdjen ©rofroater $f)eobofiu§ taufen, benn in itjm 
faf) er ben gebornen §errfd)er ber ©oten unb Diömer; 
aber furg nadjfjer, im $uli 415, fiel er germanifd)er 
93lutrad)e gum Opfer. (Srft fein Sftadjfolger 2öaÜia 
(415—419) fe§te enblid) 416 einen 58ünbni§u ertrag mit 
bem ftaifer burd), unb 419 erhielten bie SBeftgoten 
unter 3uftimmung be§ fübgaüifdjen ^ror>ingiallanb= 
tage§ gu 2Irle§ brei fübgaüifdje öanbfdjaften, nämlid) 
einen Seil Aquitaniens mit 58orbeau£, Sftcroempopulana 
(©aicogne) unb bie roeftlidje Sftarbonnenftö mit £ou= 
loufe, alfo bie f)errlid)e ©egenb an ber ©aronne an* 
geroiefen. ©ie nahmen groei drittel jebe§ ©runbftürfS 
für fid) unb mürben nad) ifjrem 9ied)te üon ifjrem 
ftönig unb feinen Beamten regiert, tiefer erftredte 
feine ©eroalt aud) über bie römifdje SBeoölferung im 
tarnen be§ ftaiferS, bod) blieben tfjr bie alten @in= 



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2ic oftgcrmaiuftyc ^ötfcrtuaiiberuug 



33 



rtd)tungen unb ihr eigne! 9ted)t. 2öic fid) bic 93ur= 
gunber am Iinfcn fH!)einufcr eingerichtet haben, läfjt 
fid) nid)t fagcn; {ebenfalls gerieten fte mit ben SHömem 
in ^onflift, verloren, 437 von ben hunnifchen $ilfS= 
trappen angegriffen, ben größten Steil it>re§ f>eer* 
bannet unb ftebelten fid) balb bamadh, 443, mit 
römtfeher ßuftimmung im nörblicfjen SHbonelanbe, ju^ 
nächft in ber fogenannten Sabaubia (Saoonen) an, 
roo fie jebem ftamilienhaupte bie £>älfte eines römi* 
fdjen ©runbftütfeS jumiefen. s Üf)nlid) geftalteten fich 
bie Söerhältniffe in ben oon ben ©ermanen befefcten 
teilen Spaniens. 

Einberg als in ©aüien unb (Spanien traten bie $ie »au- 
^anbalen in Slfrifa auf. Won ben Söeftgoten unb «frifa 
Sueben gebrängt, führte 8önig ©eifertch, fein £elb, 
aber ein n>eitfid)tiger, energifd)er unb herrfchgemaltiger 
Staatsmann, im 2Jtai 429 fein ganjeg $8olf, nicht 
mehr als 80000 $öpfe, über bie Meerenge von (Gibraltar 
nad) Sftorbafrifa hinüber, roofyin ihn ber natürliche 
jReic^tum biefer ^ornfammer beS SBeftenS nicht tne= 
niger lodte, als einerfeitS baS gefpannte Verhält* 
niS beS Statthalters SBontfaciuS ju bem leitenben 
StaatSmanne 2öeftromS, bem gewaltigen 3Jiöjier 
9IetiuS, einem £albbarbaren faft wie Stilito, anbrer^ 
feitS bie nationale, feciale unb firchliche 3erfe$ung 
biefer buntgemifd)ten 93eoölferung r»on römifchen unb 
pumfehen ®runbt)erren unb ©ro^^nblern unb hörigen 
ober nomabifd)en, baher freien Berbern. 3n jähre- 
langen kämpfen erjroang er 435 bie Abtretung ber 
Africa propria (£uneften) unb beS weftltchen Sftumibien 
(Algerien), nahm aber fd)on 439 auch Karthago ein 
unb bel)nte fchlie&lid) feine Httacht über baS ganje 
S^üftenlanb oom 2Itlantifd)en Djean MS $ux kleinen 
Surte auS. SBalb mad)te er feine mit ^ßuniern unb 
Berbern bemannte flotte ^um Schretfen beS SJtittel* 
meereS unb Italiens. °$n $lfrifa aber uerjagten bie 

25er aSJerbeßang beä beutfäert Jöolfeä 1 3 



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2>»e Sßanberjett 



Vanbalen al§ Eroberer cinfacf) btc römifrfjcn ©runb= 
berren $unefien§ von tfjren ©ütern unb richteten fid) 
l)ier ofjne Canbteilung at3 ein glänjenber fnegertfdjer 
2lbel über einer bienftbaren, einfjeimtf djen 93et»ölfe= 
rung ein. 

bruc^ ber nabme Italiens von oftgermamfdjen WolUtytxtn in 
tytnnen <g e j-^ genommen roorben, bod) meift burd) Verträge* 
bie eine friebltcrje 2öeiterentundlung biefer merfroür- 
bigen S8erf)ältniffe ju uerbürgen fdnenen, al§ biefe 
ganje ©eftaltung ber $inge roieber in S^ge gefteüt 
rourbe burd) einen neuen 5flad)tauffd)nnmg ber Tünnen. 
550m ungarifdjen $icflanbe au§ tjatte ber erfte gro&e 
SD^ongoIen^errfdjer Attila, ber Sofjn 2ftunb$uf§, feit 
etroa 444 ein Dietd) jufammengejnmngen , ba§ §ar)t= 
reiche oftgermanifdje ©tamme, cor allem bie Oftgoten 
in s ßannonien unb bie tljnen ftammüerroanbten ©epiben 
in Marien in lofer 3lbl)ängigfeit umfaßte unb weft* 
märt§ trieüeidjt bi§ nad) Düringen reid)te. (Seinen 
©etreuen ein gebtetenber, aber aud) gnäbiger §err 
faft nad) germanifetjer $lrt, ein „Vater," roie fein 
germanifdjer 9fctme fagte, obroobl in fetner ©rfdjetnung 
ein edjter Mongole, aber gegenüber feinen 3fetnben 
„ein ©Breden aller Sänber," fo fjatte er in fortge* 
festen nerfjeerenben 3ügen oa ^ oftrömifdje SReid) 
tributpflichtig gemadjt, ttmnbte fid) aber, rootjl auf 
Veranlaffung König ©eiferid)§, im $$af)re 451 mit um 
gefjeuern öeereSmaffen gegen ben Söeften. Vei 9ftatn$ 
überfd)ritt er ben 9tt)ein unb fd)Iug ben burgunbtfd)en 
Heerbann an einem ©ebirgSpaffe bi§ jur Vernichtung 
(mit ben kämpfen um 437 ber f)iftorifd)e ©runb ber 
9hbelungenfage). @§ mar ba3 letzte unb größte 
Verbienft be§ 2lötiu§, baß e§ ifjrn gelang, bie rö* 
mifd)en unb germanifd)en <§treitfmfte unter feiner 
3rüt)rung gegen bie $unnen ju vereinigen. Sie Ve= 
lagerung von Orleans mißlang biefen, unb in ber 



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Xtc oftgermanifd&e SßölfertDanbcrung 



35 



fagenumroobnen 9Jlorbfcf)lad)t auf ben fatalaunifcfyen 
©eftlben in bet Sftäfye von Üroneg im Quli 451 
mußte ftdf) Attila gefdjlagen geben unb roid) jurüd 
Seinem ©tnbrucf) in Qtalien 452 geboten militä* 
rifd)e S3ebenfen unb abergläubifcfje (Srmägungen bei 
SJlantua §alt, unb fcfjon 453 ereilte ir)n ein plöfc* 
Hdjer £ob. 5)amtt jerfiel ba3 SHetd) be3 ©eroalt* 
f)errfd)er3, bie germanifdjen Stämme warfen bie 
£>errfd)aft ber Tünnen ab, unb bereu iHefte r»er* 
fcrjmanben in ben Steppen DfteuropaS. 9Iber unoer= 
tilgbar fjat firf) bie frembartige ©eftalt be§ Jpunnen* 
fönigg unb feines cölfermimmelnben 6ofe3 bem ©e= 
bäcr)tni§ ber ©ermanen eingeprägt. 

@rft 3at)re nacf) 2tttila§ £obe, al3 %'tiu§ berate 
finbifdjen (Siferfucrjt be3 fdjmacrjen ®aifer3 SBalenti* 
nian III. im September 454 erlegen mar, magte ©eifc- Ä t a u ! £j" 
riet) ben Angriff auf SRom, ber, roenn er gleichzeitig 
mit 2lttila§ geere§$ug ausgeführt morben märe, 
ba§ Sdn'tffal be§ 3Beften§ entfdjieben f^ben mürbe. 
5lber bie tmnbalifcrje ^ßlünberung ber 2öettl)auptftabt 
im 3uni 455 liefe nur ba§ (£l)aoä hinter ftd) unb 
mürbe nid)t ber Anfang einer neuen Drbnung für 
Italien, fortan übte r>ier ein fuebifdjer 9Jiacritf)aber, 
Weimer, bie tf)atfäd)lid)e £>errfcf)aft im tarnen fdjroa* 
cfjer, rafd) roedjfelnber ®aifer (45(3—472), ät)nIidE> mie 
brüben in Oftrom ber ©ote 9l§par. 3lber mehrere 
Unternehmungen gegen ba§ Sßanbalenreid) mißlangen, 
felbft ber gemaltige gefamtrömiferje See* unb §eere3* 
jug gegen ßarttjago im 3al)re 4(i7, bie Sßeftgoten 
breiteten it)rc §errfd)aft fiegretcf) einerfeitS über bie 
ganje gafltferje Sübfüfte mit 5lrle§ unb 9TcarfeilIe, 
anbrerfeit§ über ben größten £eil Spaniens au3, 
roobei fie inbe§ immer Aquitanien al§ if>r §auptlanb 
(in ber Sage ba§ SBeftgotenlanb fd)led)tmeg), Souloufe 
al§ §auptftabt feft^ielten, unb al§ SRictmer 472 ge* 
ftorben mar, fanbte ber £jof uon Äonftantinopel bem 

3* 



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Sie aOßanbcractt 



SBeften feine ®aifer, alä ob fallen ein oftrömtfcher 
SöafaHenftaat fei. dagegen erhob fid) enblid) bie 
hanbfefte @elbftfud)t ber buntgemtfd)ten germanif djen 
Sotbtruppen in Italien unter bem s Jtugier Oboater, 
inbem fie ein drittel be§ ®runb unb S3oben§ jur 
3lnfteb(ung forberten. $a ber jugenbliche ^aifer 
s J*otnulu3 SflomnüuS ober trielntehr fein SBater Orefte§ 
biefe 3 umu ^ un 9 abroieg, fo riefen bie ©ölbner im 
s 2luguft 476 Oboafer ju ihrem ftönig au£ unb ent= 
thronten ben Staifer, wenige 3ahte nadjbem in &on= 
ftantinopel s 2l3par befeitigt unb bamit bie ©etoalt 
germanif d)er 3Jladt)tt)aber in Oftrom enbgiltig ge= 
brodjen roorben mar (471). 

inb*s$eo ® oc ^ ^ z ® n ^ ronun 9 e * nc ^ roeftrömtfchett 
boric^ ®atfer§ burd) ©ermatten mar ba3 9teue, fottbern bieg/ 
bafj Oboafer ftd) bie ©enbung etne§ ftatferg au§ 
^onftantinopel oerbat unb bie ©eroalt über Italien 
felbftänbig in bie §anb nahm. $at)er betrachtete 
itjn Oftrom al3 Ufurpator unb oeranla&te im ^ahre 
489 ben ftöntg ber Oftgoten, Sfyeoborid), mit bem 
e3 feit Sauren in unftc^ern Söerhältniffen ftanb, in 
feinem Auftrage Italien gu erobern. 3n mehr* 
jährigen, t)elbenmütigen dampfen namentlich um feine 
£>auptftabt Diaoemta, bie nod) lange in ber (Sage 
oon ber 9iabenfd)lad)t nad)f langen, erlag Oboafer 
enblid) 493 feinem großen ©egner unb feinem ge= 
fd)loffenen 33olf^l)eere. 3n SHaoenna nahm aud) %tyo> 
borid) feinen 6i$, unb er fcfymücfte bie unbejroiitglid)e 
©eefefte mit Sßalaft* unb Kirchen bauten, bie nod) heute 
befunben, roie ftdjer er fid) füllte, aber aud) in Verona 
hielt er fid) gern auf, unb barnad) fyat if)tt bie Sage 
5)ietrid) von 93ern genannt. Unb nun unternahm e§ 
biefer ©otenfürft, im Innern fetne§ i'anbeS ©oten 
unb SRönter al§ gleichberechtigte, aber felbftänbige 
Nationen jebe mit eignem SRecht unb eigner Verwaltung 
unter fetner ßerrfd)aft gu oereinigen, nach au&en bie 



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Sic oflflermanifrfic gföfttttoftttbetuitg 

■ 



H7 



gcrmanifcfyen Staaten unter feiner Jüfyrung friebltd) 
nebeneinanber galten, unb fidjer war er ber erfte 
©ermanenfÖnig, ber feinen StammeSgenoffen al3 
ebenbürtiger 9lad)folger ber roeftrömifdjen Sfoifer er= 
fd)ten. 

$ie 2Bcftt)älfte be§ römifdjen meid)3 mar in ger* 
mantfd)e Staaten aufgelöst. 

Ob freiließ biefe Stämme, inmitten einer roma- Sa 9 e be . r 
nifdjen, an 3 a ^ un0 93ilbung i^nen weit überlegnen f<$en 
«eoölferung angefiebelt unb meift burd) »ertrage mit 
bem $eid)e an ben geltenben 9*ed)tS$uftanb gebun* ^jj*" 1 
ben, it)rc nationale Eigenart lange mürben feftl)altcn Cl e 
fönnen, ba§ mu&te gerabe bei ifyrer eignen SBilbungS* 
fätjtgfeit unb bem engen, tagtäglidjen SBerfefjr mit ben 
Diomanen von Einfang an äufcerft jmeifel^aft erfdjei* 
nen. 3 unä ^ fd)üt>te nod) ber fird)lid)e ©egettfafc 
bie ©ermanen, ba biefe roäfjrenb ber SBanberungen, 
ofme baf* fid) ba3 (Sinjelne immer verfolgen Uefce, 
ben 2lriani§mu3 angenommen Ratten, ber ben nicä* 
nifdjen (fatljolifdjen) Romanen als ^etjerei galt; aber 
e3 mar bie gfrage, ob fid) biefe im römtfdjen SReidje 
fd)on allerorten erlegne 9iid)tung tuerbe behaupten 
fömten. Söerfc^manb fie aud) bei ben ©ermatten, bann 
fiel bie ftärffte Scfyranfe jmifdjen ©ermatten unb 
^Römern. $)a§ ift überall früher ober fpäter einge* 
treten, bie arianifd) bleibenben Stämme (Sßanbalen unb 
Oftgoten) aber fmb $u ©runbe gegangen. $a$u fam, 
baf? bie ©ermanen überall in einen burdjauS franfen 
fokalen unb mirtfdjaftltdjen 3uftattb eintraten, in bem 
ein erbrürfenbeS Ubergenridjt be§ ©rofcgruttbbefifceS unb 
bie üofle^örigfeit ber SSauernfdjaften l)errfd)te, bie ba- 
gegen in frud)tlofen s 2lufftänben ankämpften; eStuar ba§ 
(SrgebmS alter, oorrömifdjer $8erl)ältniffe, beSrömifdjett 
Kapitalismus unb beS immer erbarmungSlofern Steuer* 
brudS einer feit Saljrfmnberten furchtbar bebrängten 
Regierung. S)ie ©ermanen brachten junädjft burd) 



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38 



Sic Sßanbcrjeit 



ttjre Slnfiebtung eine getoiffe £öfung ber ftriftg, bemt 
fie fcfyufen einen ©tanb mittlerer freier Jöefi&er, ger* 
fdjlugen bie ungefjeuern Satifunbten unb befeitigten 
bie quälerifdje SBefteuerung, fobafc ba§ Sanb aufatmete 
unb bie £err[d)aft ber Barbaren oft al§ eine 3BoI)l= 
tf)at empfanb. $lber nur $u balb begannen jene SBer* 
l)ättniffe mieber auf bie (Germanen tjerüberjunrirfeu/ 
bie Ungleichheit be§ *8efitje3 griff and) bei ifmen um 
fidf), unb bie Jöauernfreifyeit geriet in ©efafyr. 

(Sobalb bie§ aber gefcfyal), würben bie germamf djen 
©runbfjerren burd) i^re fojialen unb rotrtfdjaftlichen 
Sntereffen enger mit iljren romanifc^en @tanbe§ge= 
noffen oerbunben al§ mit ifyren germanifdjen SanbS* 
leuten, unb bamit fanf eine jmeite ©djranfe atotfdjen 
beiben Nationalitäten. 2)a§ ©rgebnig mar überall, 
bajj bie eingemanberten ©ermanen mit ber römifdjen 
SBeoölferung in Sprache, ©Ute unb Kultur oerfdjmotjen 
unb i^re germamfdjje (Eigenart oerloren. 
»ebeutung ©erabe in biefer auffrifdjenben 2Birfung beruht 
b , C ni^ ö un e 9 r, bie roeltgefcfyidjttidje Söebeutung biefer SBanberftämme. 
$lber fie get)t nod) barüber fytnauS. S)ie ©ermanen 
brachten getotf3 eine ungeheure Störung über bie 
anttfe ßulturroelt, bodt) fie gerf erlügen aud) bie§ Söelt* 
reid), ba§ &u ©unften eines §errenool(e§ im Söeften 
alle Nationalitäten gerfettf unb jebe felbftänbige ©nt* 
mieflung ber Söölfer unb Sanbfcfyaf ten, bie 83ürgfd)aft 
aller gefunben Kultur, unterbunben unb oertjinbert 
J)atte. ftür eine fold)e fdjufen bie ©ermanen bie 
©runblagen, unb inbem fie tfjren @taat nidjt auf bie 
Stabt grünbeten, fonbem auf ben ©au, vermittelten 
fie ben Ubergang oom antifen <§tabtftaat jum mober* 
nen glädjenftaat. $n ftaatltcfyer $3e$iet)ung mürbe 
Söeft* unb ©übeuropa alfo germanifiert. 
sDertuftbcs 2lber freiließ für bie ©efamtfjeit ber ©ermanen 
gingen biefe ebeln ©tämme ooüftänbig oerloren. Nur 
ein ibealeg ©rbe hinterließen fie ihren SöolfSgenoffen 



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25ie oftjjcrmanif^e SfölfcTtoanbcrung 



89 



al3 Ergebnis eine§ 3alj)rfyunbert§ doU ungeheurer 
&f)aten unb ©dntffale, eine großartige $elbenfage. 
Unb mit jenem erften Söerluft »erbanb fid) ein ^weiter. 
2)a§ toette glad)lanb jenfettg ber (£lbe, bie erfte 
^iftorifdt) nachweisbare £>eimat ber ©ermanen, war 
je$t üon feinen alten Söeioofjnern big auf geringe 
Oiefte uerlaffen unb ftanb ber geräufd)lofen ($tu= 
nmnberung ber Slawen offen, bie fcfyon in ber ^weiten 
gälfte be§ fünften gafyrtjunbertö begann, Somit 
üoüsog fid) bie erfte »on jenen gro&en *8erfcf)iebungen 
ber territorialen ©runblage ber beutfcfyen ©efd)id)te, 
bie auf ben ©ang ber ©nttmcflung fo beftimmenb unb 
entfdjeibenb eingeroirft l)aben. 



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Bnmfer Bnfraum 

unter ber Umlrfjaff bes fränhtfrfjcn KcidjCt 

500 Ins 018 n. CI;r. 



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Wxt Biltrung itBd BeuJ]* unter tum 

ie meftbeutf djen ©tämme Ratten fid) oon ben®^ beut* 
wanbernben Dftgermanen ntcrjt mit fortreiten ©tämmt 
laffen. 3t)re Ausbreitung trug trielmefjr ba§ ©eoräge 
erobember ^olonifatton. $)od) fie fdjlugen babei r»er= 
fd)iebne Söege ein. Scharen von @ad)fen unb Angeln 
(im heutigen (5d)legnrig) waren, mit 3>üten (2)änen) 
©erbünbet, feit etroa 450 bem Hilferufe ber von ben 
(eltif d)en giften unb ©foten bebrängten Griten nad) 
©nglanb gefolgt, ba§ bie römifdjen fiegionen fctjon 
418 geräumt Ratten, unb begannen bort, fid) balb 
au§ *8unbe§genoffen in SBebränger oerroanbelnb, im 
ebnen Dften unb ©üben SkitannienS ein rein ger* 
manifcfjeS StaatSmefen aufjuridjten, inbem fie bie 
nur oberfläcrjüd) romanifterte feltifcrje Söeoölterung 
ausrotteten, oertrieben ober fnedjteten. @o mürbe 
©nglanb eine Kolonie norbbeutfdjer (ingäoonifd)er) 
©tämme. Aber für baS £eimatlanb gemann biefe (£r= 
oberung feine SBebeutung; fie führte nur baju, bajj 
fid) in bie entoölferten 2öol>nftdtten berAngeln bie 
STCorbgermanen (S)dnen) bis zux (£iber uorfdjoben. 
AnberS bie Sötnnenftämme* hinter ben $rte ( fen, 
bie in unoeränberten ©i^eu bie Sftorbfeetufte unb 




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44 



$ie Stoinmcöjcit 



ihre Unfein oon ber (Sdjelbemünbung big nach bem 
weftlichen @d)legwig faft ol)tte Unterbrechung erfüllten, 
breitete fid) bie §auptmaffe ocr Sadjfen über bag 
weite grt a( *) lano üon oer untern (Slbe big ju ben 
weiten 9flooren im SSeften ber ©mg, t>om 3ufammen* 
fXu^ ber SBerra unb gulba big gur föiber aug. <§üb* 
lid) oon ihnen beherrfd)ten bie X Düring er, bie 
alten £>ermunburen, bag ganje weite ©ebiet com 
Sübfufje beg §ar$eg big gegen bie obere 5)onau fyin, 
t>on ber (£lbe big an bie SBerra. 3ng menfchen* 
leer gemorbne, verheerte Möttau- unb SUpenlanb aber 
waren um 500 bie 2Hartomannen aug SBö^mcn ein= 
gerürft, bie von biefer ihrer §etmat ben neuen 
Flamen ber SBajurmren, b. i. Söewofmer beg Söojerr 
lanbeg (Samern), empfingen unb, fid) bie fpärltd)en 
romanifdjen SBeoölferunggrefte (2Bald)en) im heutigen 
Oberöfterreid) unb in einzelnen Zfy&Uxn auch Sftorb* 
tirolg gingbar machenb, bag Sanb norbmärtg big gum 
3rid)telgebirge, fübwärtg längg ber SBrennerftrafje big 
über 93ojen ^inaug, oftwärtg big jur ©nng, weftlid) 
big jum 8ed) befefcten unb befiebelten. Qftre num 
mehrigen Nachbarn, bie 311 a mannen mit ben 3u* 
jungen (©ueben, Schwaben b. i. Semnonen), Ratten 
ben 3ufammenbrud) ber römifchen ^errfdjaft in ©al= 
lien benutzt, um fid) über ben dfytin big jum Söaggen* 
walb unb big nad) bem St. ©ottfjarb r)in augjubreiten. 
Qt)nen gur Seite im Horben ftanben bie granfen, 
bie (Stämme ber alten Sftctoonen, bie ftdj in bie fa* 
Uferen unb bie ripuarifchen ftranfen, jene am untern, 
biefe am mittlem SRfyein, f Rieben unb auch inner* 
halb biefer beiben §auptmaffen in Heine ©aufönig* 
reiche jerftelen. Unterftütjt von ben Chatten (Reffen), 
waren fte fdjon feit bem oierten $ahrhunbert im (jalb 
erobernben, halb folonifierenben Vorbringen nach 
©allien hinein. $ie Rührung hatten babei bie fa* 
lifdjen g-ranfen (Sigambrer unb ©hamaoen), benn 



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2>tc Sötlbuttä bcä 9ictd)8 unter ben 'JJtcrolu intern 45 

biefc befetjten von ber alten $atat>erinfel an ber 
3ffel CSfafo, ©ala, nach ber fie fyeifjen) au§gehenb, 
fd)on um 360 mit nachträglicher SBenntligung Üiomg 
Soyanbrien (9lorbbrabant), eroberten faum ljunbert 
3af)re fpäter unter ftönig (Sfjlogto (geftorben 447) ba3 
ßanb bi§ $ur ©omme unb machten 3)oorntf (£ournan) 
$u ihrer £auptftabt. 2öäf)renbbem breiteten fich bie 
Ripuarier ($lnftoarier unb ©J)attuarier) unb bie (Rat- 
ten bt§ gur 9Jcaa3 unb an ber 3ftofel aufwärts bi3 
über Syrier hinauf au§, ba3 fie enbltcf) 418 er* 
oberten. 3)te burch Kriege, roirtfehaftliche 9tot unb 
(Seuchen fd)on arg gelichtete römifd) -feltifdje 93e- 
üölferung würbe überall »erbrängt ober unterworfen 
unb allmählich aufgefogen, bie £änber würben burd) 
beutfehe 93efteblung üöUtg germanifiert unb mit bem 
alten germanifchen ©tammlanbe fefit-erbunben. 

5lber biefem ßanbgewinn im SBeften be§ SR^eing efotoaiibc. 
unb im ©üben ber $onau ftanb ber SBerluft be§ 
ganzen DftenS »on ©ermanien jenfeitS ber @lbe 1,11 c ^ e " 
gegenüber. Qwax betrachteten bie auggewanberten 
oftgermanifchen (Stämme bi§ tief in§ fechfte 3af)r= 
hunbert hinein bieg „2flaurungalanb" noch al§ germa= 
nifch, unb völlig entfehieb fich fein ©dn'cffal erft, al§ 
568 bie Sangobarben ihre Söohnfifce in ^annonien oer= 
trag§mäfjig ben Goaren überliefen, um nach Sta^n 
ju wanbern, unb bie legten tiefte ber Sftorbfueben 
mit ihnen nach ©üben &ogen. 9hxr fch wache ger* 
manifdhe SBeftänbe blieben r)ie unb ba im Often ber 
($lbe $urücf, nachweislich befonberS oon ben filingifchen 
Söanbalen, nach benen <Scf)lefien noch f)eute heifjt (flaw. 
Slenzi, fprtch ©lengfi). $n bie oerlaffenen ßanbfcrjaften 
rücften langfam, ohne $ampf unb baher geräufd)lo3 
©tämme ber ©lawen (2öenben) ein. ©ie befetjten 
feit ber 2Kitte be§ fünften 3ahrf)unbert§ ba§ ftlach* 
lanb bi§ an bie (Slbe, bann Böhmen, bie alte §eimat 
ber 9Jtart*omannen, alfo gerabe ba§ altgermanifche 



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46 



3)te ©tammeSjeit 



©ebtet, ba§ am leicf)teften ber Sitj einet germantfcr)en 
3entralmad)t, ber ^ern einer reingermantfd)en $Reid)§* 
bilbung hätte werben Statten, unb ba§ nun ben £fd)e- 
d)en in bie fiänbe fiel. 9Beiterf)in würben aud) 
9JläI)ren unb ba§ gan$e Oftalpenlanb bt§ an bie obere 
$rau unb bie (SnnS flamifdjeS ©ebiet. 
Stammes. 3I u f faum bie £älfte be3 UmfangS oon TO* 
f^iebe germanien waren baburd) bie fed)§ beutfd) bleiben* 
ben Stämme, bie ^riefen, Sadjfen, Düringer, SBaoem, 
2ttamannen unb ftranfen äitfammengebrängt. Schroff 
fd)ieben fte fi$ burd) SRedjt, Sitte unb aWunbart, bie, 
feitbem etwa um 600 bei ben Dberbetttfdjen bie Saut* 
oerfdjtebung (t in unb 3, f in d), p in f) begann, 
eine neue Sdjeibelinie $wifd)en bem Horben unb Süben 
30g, unb fte fyattax unter fid) nod) gar feinen ftaatlidjen 
3ufammenf)ang. (Sin fold)er würbe irmen erft burd) 
Eroberung auferlegt; aber bie granfen, bie itm 
Ijerfteflten, bitbeten nid)t ein beutfd)e§, fonbern ein 
germanifcr) = romamfcr)e§ SReid), inbem fte audj ganj 
©aflien eroberten, unb fie oermod)ten bie innere Selb= 
ftänbigfett ber beutfdjen Stämme niemals ju brechen. 
2)arjer behaupteten biefe Stämme in i^ren alten 
Sßoljnftfcen if)r SBolfStum, unb bie ftaat3red)tttd)e 
©runblage biefer 9ieid)§bilbung war burd)au3 ger* 
manifd). 

^»eSS? 8 ® ic ® runoun 9 oe§ ftänfifd)cn SReid)§ war bie 
flrünbiiHfl perfönlidje £f)at eineS ber falifd)-fränfifd)en ©au* 
fönige, be3 SJlerowingerS (£f)lobwig (481 bis 511), 
eine§ garten unb f) er vfd) gierigen (Eroberers. 9ln ber 
Spitje eine§ ftarfen ©efolgSfjeereS, ba§ wof)l auS 3ln* 
gehörigen aller fränfifd)en Stämme gufammengefloffen 
war, zertrümmerte er $unäd)ft in ber Sd)latf)t bei 
SoiffonS 486 ben legten $eft römtfd>er $errfd)aft in 
9JorbgaUien, »erlegte feine $auptftabt mitten in§ 
romanifdje ©ebiet, nad) ^art§, oerteilte bie fjerrem 
lofen Sänbereien unb ba§ Staatsgut an feine ©e= 



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Sic 2?ilbi;t:ij bc§ 9ieicf)i unter bcn 'JOtfrouungrrn 



47 



folg§leute, liefj aber ben JHomanen (Eigentum, grei* 
f)eit unb s $rioatred)t $lud) bie feltifdje Tremor ica, 
ba§ 8üftenlanb amifdjen ber ©eine, bem Speere 
unb ber ßoire, unterwarf ftcf) balb barnad) bem 
Eroberer. $lnbrerfeit§ aber jmang biefer 496 nad) 
blutigem Kampfe aud) bie 5l(amannen unter feine 
§errfd)aft, unb inbem er einem ©elübbe, fidjer aber 
aud) ftaat§Huger 58ered)nung folgenb, in 9leim§ jum 
tatfjoltfdjen (nicanifdjen) 33efenntni§ übertrat, al§ ber 
erfte aüer ©ermanenfürften gemann ©fylobroig in ben 
s 2lugen aOer Romanen ©allien3 baä $lnfef)en be3 
legitimen ®önig3 gegenüber ifjren artantf d)en £erren. 
@o machte er fcfyon 500 ba3 Söurgunbifdje Sftetd) von 
fid) abhängig, bann entriß er 507 burd) ben Sieg bei 
SBouifl« ben SSeftgoten ifjr gan$e§ gaßifdjeS §aupt= 
lanb, ba§ ©ebiet jmifc^en fioire unb ©aronne, unb 
nad) ber graufamen 5lu3rottung fämtltcrjer fränfiferjen 
©tammeSfürften Bereinigte er aud) alle Seife ber 
fttanfen unter feiner £errfd)aft. 

$ie Seilung be3 *Reid)§ nad) (Sf)lobmig§ £*be ««W**. 
511 unter feine oier ©ityne gemafc ber prioatre^tlidjeniDdfer"^. 
«uffaffuttg ber ©ermanen löfte bie (Einheit be§ 9ieid)§ oberu " 9eu 
feine§roeg§ grunbfätjlid) auf, fonbern mar mel)r eine 
Seilung be§ ®rongut3 unb ber 8önig§gemalt al§ be§ 
8anbe§ unb fytnberte $unäd)ft nidjt einmal ben gort* 
gang ber (Eroberungen. SBtelmefjr mürben 531 mit 
§ilfe ber ©ad)fen bie Düringer unterworfen, oon 
bereu au§gebef)ntem ©ebiete nur ber mittlere Seil 
bem (Stamme oerblieb unb ben Üftamen behielt, ber 
nörblicfye $mifd)en |>ar$ unb (Elbe al§ 9torbtf)üringer= 
gau r»on ben ©adjfen befet3t, ber f übliche, ba§ Sttain- 
lanb, an fränfifdje 2lnfiebler verteilt mürbe, mäfjrenb 
ber Dften jenfeitä ber ©aale ben oorbringenben 
©lamen anheimfiel. SBenige $cä)xt barnad), 534, 
rourbe aud) Surgunb bem fränfifd)en SHetdje einoer- 
leibt, unb nid)t lange barauf fteüten fid) au<$ bie 



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48 



Sic StammeSjeit 



Magern freiwillig unter fränfifdje §of)eit. Von allen 
beutfcfyen ©tämmen behaupteten nur bie @acf)fen unb 
^riefen ifjre Unabhängigkeit. 
Smtere %n ben bamalg feftgelegten ©renken b^tanb ba§ 
©eaeniäfee fränfi ^ e mei $ mc ^ r alg mt{ $ a l)xt)\mt>extt lang, 

of)ne wefentlicf)e Vergrößerung. $enn Stellungen unb 
Vürgertnege jerriffen e§ faft unauSgefeljt. 3n biefen 
wirren, ibeenlofen kämpfen entfalteten per) in ab* 
ftoßenber Verbinbung alle bie fd)led)ten ©eiten be§ 
germanifc^en wie be§ romanifd)en SBefenS, auf ber 
einen Seite ©ewalttyätigfett unb SRoheit, $errfd)* 
fudjt unb gabgier, auf ber anbem ©raufamfeit 
unb £>interlift, unb aud) bie furchtbaren ©igen* 
fdjaften germanifcher grauennatur famen in ben 
Königinnen grebegunbe wnb S3runl)ilbe jur entfe$ 
liehen ©rfd)etnung. Kein Söunber, wenn fid> ber 
©laube befeftigte, bie fo mit ©ünbe unb ftreoel 
aller Art erfüllte Söelt eile ihrem ©nbe au. 9htr 
zweimal oereinigte auf wenige Qahre ein fERerowinger 
ba§ SReid) wieber in feiner £>anb, ($hlobwig§ ^weiter 
6of)n, (F^lott)ar L 558 bis 561, unb fein ©nfel 
<£l)lotl)ar II. (313 bi§ 624. SBä^enb biefer ßeit traten 
weniger bie rafd) wechfelnben unb oft wunberltch in 
einanber gefdjlungnen Seilreicrje, al§ bie großen, na* 
türlicrjen SHeicrjSteile immer felbftänbiger rjeroor: im 
©üben Vurgunb unb Aquitanien, ba§ alte Sßeftgoten* 
laub, im Horben 9leuftrien, ba§ 8anb ber falifcr)en 
grauten mit bem größten Seile be§ romanifchen 
s ^orbgalIien unb Auftragen (Dftlanb), ba§ ©ebiet 
ber ripuarifchen ^raufen mit einigen rontaniferjen 
Sanbfdjaften. ®an$ abgefonbert ftanben wieber bie 
oftrI)einifd)en ©tämme noch unter ber nominellen 
Roheit be§ Dteidjg, aber unter thatf ablief) felbftän^ 
bigen monarchifchen ©ewalten, ben £ersögen, unb 
felbft in Aquitanien tritt eine foldje frühzeitig ty x * 
uor. 3 u 9^ e i4 ö ri ff oer nß we Abel, ber fidc) au3 ben 



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$ie »ilbiuifl bcö ateidjä unter ben 9ta»toitt&eni 



49 



mit erobertem Sanbe auggeftatteten frranf en unb au§ ben 
©efd)le<f)tem ber römifc^en ©runbljerren bilbete, unb 
ol)ne ben ftd) fein £eilfönig me^r $u behaupten oer* 
mod)te, im ^ntcreffe ber ©elbftänbigfett beS @tanbe3 
unb ber einzelnen oon ifym bel)errfd)ten Sanbfdjaften 
immer entfcfyeibenber in bie ©efd)ttfe be§ JHeid^eä ein 
unb errang auf ber <Heid)3oerfammlung oon ^ßartS 
im Oftober 614 feinen erften großen Erfolg. (Shlotyar II. 
verbürgte bamalg jebem SBolfe be3 ^Heict)^ fein befom 
breS SRedjt, beftätigte alle <Sd)enfungen unb Verleihun- 
gen an ©etftltdje unb ßaieu, oerfprad) jeben „iRid)ter" 
au§ bem ©au, ben er oermalten follte, au mahlen, 
geftanb bie freie 2Baf)t ber SHfd&öfe *>« rd ) ftleruS unb 
Volf, oorbel)ältlich föniglidjer ©eftätigung, au, befreite 
bie ©eiftUdjen in mannen ©ejiefyungen oon ber melt* 
lidjen ©erid)t3barfeit unb oeclief) ben ©ifd)öfen fogar 
eine 2lrt 2luffid)t3red)t über bie weltlichen Beamten. 

(Sine oöflige Sßanblung ber s Jietd)3oerfaffung Ädntgtuw 
fünbigte fid) bamit an. S)enn urfprünglid) mar ber gSJt», 
fränfifcfje ßönig burd) (Srbltdtfeit unb Eroberung flemeinbe 
au§ bem l)öd)ften Beamten be3 VolfS ju feinem 
§errn nad) eignem SRed)t geroorben, tl)atfäd)ltd) unb 
red)tlid) unumfdjränft, foroeit überhaupt bie Aufgabe 
be£ bamaligen @taat3 reichte. 3)er üttonard) reftbierte 
meift abmedjfelnb in gröfcern ©täbten ober auf länb- 
liefen ^faljen, umgeben oon ben ^Beamten jebe§ 
großen beutfdjen (SbeH)of3 (£rud)fefj ober ©enefdjalf, 
©d)enf, 2Jtarf djalf , Kämmerer), moju fpäter mit ber 
Vergrößerung be§ dltid)3 nod) ber 3Jiajorbomu§ al3 
Seiter ber gefamten Verwaltung be§ ftömgSgutS unb' 
nac^ römifdjem VorbUbe ber ßanjler (SReferenbariuS) 
für bie Ausfertigung ber fömglicfyen Urfunben famen. 
tiefem Königtum gegenüber IjÖrte bie altgermanifcfye 
fouoeräne Volfägemeinbe in ben überoriegenb roma- 
mfcfyen ßanbe^teilen mit il)rer meit oerftreuten ger= 
manifdjen Veoölferung gan$ auf, in Auftragen beftanb 

2er SÜerbeßaug beS bcutf$en 93oIfe8 I 4 



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50 



Sie StommeSjcit 



fic nur noch al3 jährliche £>eerfcf)au im 9Jtär$ (baher 
Campus Martius) ohne polütfche Söebeutung fort. 
$at)er ging ba§ ©efefcgebungSrecht an ben König 
über, bcr e§ fraft feines 2lmt3red)t3 (Sann) burcf) 
feine Kapitularien ober burcfj ©rtetlung r»on ^ßriot- 
legien übte, foroeit ihn nicht ba§ oolfSmäfiige ®e* 
mofmheitSrecht ber ©tämme befchranfte. ©benfo mar 
in ber Söerroaltung ba§ t»olf§mäf?ige (Clement cor ber 
KömgSgeroalt in bie fleinern Greife surücfgemichen. 
2)er alte, com Sßolfe gerodelte SBorfteher ber gunbert* 
fdt)aft (bei ben falifcr)en granfen thungimis, lat. cen- 
tenarius) erhielt ftch; aber ber $orftef)er be§ ©au§ 
im neuem @tnne, b. h- be§ alten *Bölferfd)aft3gebiet§ 
(in ©aHien ber civitas, bie urfprünglid) nicf)t§ anbreS 
mar), mürbe ein fömglid)er Beamter, ber ©raf, für 
Öeitung be§ ©erichtS, SBafjrung be§ ftriebenS, ©tn= 
Stehung ber föniglichen ©tnfünfte, 3rührung be§ 2luf* 
gebotS. fjrür eine ©elbftoermaltung ber (Stäbte mar 
in biefer SBerfaffung nirgenbS SRaum. 3ln ber Rechte 
pflege behaupteten bie freien Scanner einen maj^ 
gebenben Anteil, inbem fie am eckten $iug ber 
§unbertfrf)aft, bem eigentlichen ©erid^t§r)ofe für ben 
ganzen ©au unter Söorfifc be£ ©rafen, ben ber (£en= 
tenariuS unterftütjte, ba3 Urteil „fanben." Über 
@taat§oerbred)en aber, fomie über Pbere Beamte 
unb ©eiftltche richtete jefct nicht mehr bie $8olföge= 
meinbe, fonbern ba§ ©erid)t be§ Königs, ber übrigens 
auch jebe anbre Klagfache an ftdt) stehen fonnte. 3n 
.allen gäüen mar baS ©ertrf)t an baS S8otf§red)t beS 
Sßerflagten gebunben, benn jeber Stamm beS SReicrjS, 
ja jeber einzelne, mo er auch mar, auch bie SRomanen, 
lebte nach feinem «StammeSredht, baS allerorten ba* 
malS auerft aufgezeichnet mürbe (bei ben falifchen 
Jranfen unter ©hlobmig, bei ben Ripuariern unter 
©hilbebert II. um 580, ben Qllamannen unter ©hlo* 
thar II., ben Söanern unter Dagobert 622 bis 637). 



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Sic »Übung be§ IReid^g unter ben SDlerotoingcrn 51 



$)och gewann ba§ falfränfifdje 9}ed)t, namentlich auf 
ben sprogefjgang, balb !)errfd)enben ©influfr, unb bie 
®trd)e al3 ^örperfdjaft lebte überall nad) römifchem 
fRec^t. 2Bte ber $önig ber oberfte SRichter geworben 
war, fo war er auef) ber ^rieg§t)err. SRid^t mehr bie 
Söolfggemetnbe, fonbem ber $önig erlief je^t ba§ all* 
gemeine Aufgebot (Heerbann) an bie freien; bod) roi(^= 
tiger al§ biefe fd) werfälligen Staffen mürben ihm 
balb bie beweglichen ©d)aren feiner mit fianb au§= 
gematteten, berittenen ©efolg3leute. Jgm wef entlichen 
etroa§ ganj neue§, auf römifd)en (Einrichtungen be* 
ruf)enbe§ roaren bie finanziellen 5lnfprüd)e be§ ^önig§ : 
fein 9*ed)t auf alles ^errenlofe Sanb im weitesten 
Umfang, auf QöUt ber t>erfchiebenften 2lrt, in ben 
romanifdjen Sanbfdjaften aud) auf birefte steuern. 
Über bie (Erträge ^atte er allein ju verfügen; für 
öffentliche 3mede (SBrücf en, ©trafen, gfeftungen, ^Reifen 
be§ §ofe§ unb ber Beamten, Verpflegung be§ §eere§) 
hatte ba§ Sßolf unmittelbar burd) 2>tenfte unb Siefe* 
rungen aufeufommem 

Sftur feljr unoollfommen fyatti ftd) bie römifche $ ic ßir $ c 
$ircr)e in biefe§ germamfdje ©taatSwefen einfügen 
laffen. SWerorten, auch WtaflS beg $Rheine§, hatten 
bie ftranfen Bistümer t»orgefunben, bie im feften, 
weilen fo gut wie erblichen Sefifc r»on ©efd)lechtern 
be3 römifchen ^roüinjialabelS waren unb biefem 
in Söerbinbung mit feinen ©runbherrfcr)aften ein ge* 
wältiget, gar nicht $u befeitigenbe§ Slnfehen verliehen. 
S)ie Könige verftärf ten biefe§ noch burd) ©üter* 
fchenfungen unb Privilegien, unb fie befchränf ten 
ihre Stacht über bie Kirche barauf, fid) bie $8e= 
ftätigung ber 93ifdt)of§ wählen unb ber ©onobal* 
befdjlüffe vorzubehalten unb bie SBifcrjöfe $ur Seil* 
nähme an ben D^egierungSgefchaften ^eran^vx^ie^en. 
2)ie ftolge war weniger bie Unterwerfung ber 
Kirche unter ben ßöntg, all bie Überlastung ber 

4* 



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52 



Sic Stctmmeäacit 



33tfd)öfe mit weltlichen ^ntereffen unb eine $8er= 
meltlid)ung ber fränftf djen SUrdje, bie fie faft jebe£ 
tiefergehenben fittltcrjen ©influffe3 beraubte unb fte 
nicht einmal bagu fommen Itefi, ihre nächfte unb 
bringenbfte Aufgabe, bie ^Belehrung ber noch immer 
hetbnifchen binnenbeutfrfjen @tämme, $u löfen. 
»oj». <5o mar ba3 fränfifche SKeid) eine SBerbinbung 
nr wa\ inncrlidb fehr felbftänbiger unb gleichberechtigter 
(stamme, $uf ammengehalten nicht burch ein ^err^ 
fd)enbe§ SBolf, mie ba§ römifdje SReid), auch nicht burcr) 
ein mirflidjeS ©emeingefühl feiner ©lieber, fonbern le* 
biglid) burd) bie§ Königtum unb feine 93eamtenfchaft. 
3lber ba3 Königtum mar nur fefjr feiten ein einheit* 
lid)e3, unb bie Beamten fannten eine mirfliche (Staate 
gefinnung umfo meniger, al§ fie mit ben von ihnen 
»ermatteten fianbfdjaften auf 3 engfte r>erroachfen 
maren. 2)a$u mürben Königtum unb SReich^etnhett von 
einer unaufhaltfam norbringenben mirtfc^aftlic^'foaia- 
len (Sntmirflung bebroht. $iefe beruhte einerfettS 
auf bem allgemeinen mirtfchaftlichen töüdgange 2öeft= 
europag infolge ber Sßölfermanberung, anbrerfeüS 
auf bem (Eintritt ber f^ranfen in bie gaUifct)=römifc^e 
©rofjgrunbmirtfdjaft mit ihrer l)örigen SBauernbeoöl* 
ferung. $ie langbauernbe rechtliche Unficherhett unb 
friegerifd)e ©emaltthat l)atten ba§ (Eigentum maffen- 
l)aft jerftört, ben 9Serfet>r unterbrochen, ba§ @bel= 
metall au3 einem Umfat>mittel $um ainSloS UegenDen 
93eftanbteil jahlretcher ©chatwnfammlungen gemacht, 
bie ftäbtifctjen ©emerbe be£ größten £eil§ il)re§ 9lb* 
fafce3 beraubt, tfaufleute unb £>anbmerfer genötigt, 
dauern $u merben, um ba§ fieben ju friften. $ie 
bäuerlichen ©emohnheiten ber germanifdjen Herren 
beförberten noch t>iefe Ummanblung. <So mich bie 
römifd)e ©elbmirtfchaft ber germanifchen Natural* 
mirtfchaft; auch bie Stäbte würben su großen, befeftigten 
Dörfern, bie beuor^ugte SBohnftätte aber mar ba§ Xorf, 



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$ie ÜBitbimg bc§ ^ctc^S unter ben ütterotoinflern 



5B 



eine gan$ regellofe 9lnt)äufung oon jefyn bi§ breifng 
©efjöften, im eroberten ßanbe aud) ber urfprünglid) 
telttfdje ©injelrjof, ba§ t;errfd)enbe (Bewerbe würbe bie 
ßanbwirtfcrjaft, bie ftd) jefct in ben eifernen formen ber 
römiferjen $)retfelbermtrtfcr)aft bewegte. S)iefe lief* 
etwa bie £älfte ber glur al§ Sllmenbe liegen, teilte 
ba§ Slrferlanb in brei 3r e I 0C * (Sdjläge, Qüqzxi), von 
benen fie jebeS brüte %at)T ein§ al§ $8rad)e benutzte, bie 
beiben anbern abmedtfetnb mit Söinter* unb (Sommer* 
faat beftellte; bie $Bief)äud)t wieS fie faft gang auf ben 
Söeibegang in ber $8rad£)e, in ber 9ttmenbe unb im 
SBalbe an. ^ebem einzelnen £>ofbeftfcer teilte fie in 
jebem %tlbe unb in jebem ber nad) ber ©üte be§ 
93oben£ gefdfjiebnen, urfprünglid) fer)r aafylreicrjen ©e* 
manne innerhalb jebe§ gelbeS einen beftimmten Anteil 
(jufammen §ufe, burd)fcfmittlid) feerjaerm #eftar) $u 
unb unterwarf burd) biefe „©emenglage" ber 2lcf erftürf e 
jeber ßufe jeben SBefitjer bem §lur$wang, ber gemein* 
famen 2öirtfd)aft§orbnung ber $)orfgenoffen. $)a noef) 
immer jebe Sftarfgenoffenfdjaft unb jebe ©rofjgrunb* 
fjerrferjaft ftd) f elber genügte, fo mar ber Sinnen* 
§anbel geringfügig, reger nur ber auswärtige $8erfel)r 
mit bem bt)$antinifd)en iHeidt)e unb ben Arabern; bod) 
ging bamat§ ba§ germantfcr)e (Bewerbe bei ben dio- 
manen gelehrig in bie (Sdjule, lernte r»or allem ben 
(Steinbau unb eine oerbefferte 9ftetallted)nif. Unter 
btefen Umftänben war ber ©elboorrat überall fefjr 
fleht, auger etwa bei gröfeern Äirdjen unb ßlöftern 
unb ben fcfwn stemlid) garjlreicr)ett $uben, ber Strebit 
fer)r gering, ber ßin^fug r)od), eine 9Inleir)e faum 
anberS al§ burcrj Sßerpfänbung oon ©runbbeftfc möglid). 

S)a nun ber ©runbbefUj bie wid)tigfte $orm be§ Wnajmc 
93efi£e§ überhaupt war, unb ba§ ganje Seben auf 
ir)m beruhte, fo war e§ t>a§ natürliche Streben jebe§ frei ^ eit 
einzelnen, nor allem ber weltlid)en unb geiftlid)en 
©rogen, trm nid)t nur f eft$ul)atten , fonbern aud) 



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54 



Sic StammcSjett 



möglichft vermehren burd) ©chenhmgen be§ ^önigg 
ober burd) ©rroerbung von jinSbarcm SBauernlanb. 
$)a3 gaUtfch=römifd)e SBorbitb unb bie ungünftige Sage 
be§ f leinen 3flanneg aud) germanifchen ©tammeS in 
©aflien infolge ber mangelhaften 9?echt3ftcherhett, ber 
häufigen ®rieg§unruhen unb be§ ferneren S)rucfe§ 
ber ^hingpflicrjt urie be3 §eere§bienfte3 bei ben jetjt 
häufigen weitem gelb$ügen förberten biefen ^ßro* 
gef?. (Sin großer Seil ber freien fränfifchen dauern 
geriet sunächft in roirjfchaftliche, baburd) aber fchliefc 
lief) aud& in rechtliche 2lbl)ängigtett, inbem fid) ein 
SBauer oon einem ©runbfjerrn ein ©ut gum Wiefc 
brauch meift gegen 3in§ übertragen lief? ober fid) 
burch ben $lft ber commendatio unter feinen @chufc 
(patrocinium, mundium) ftellte, um fid) beffer ju 
fiebern. 2öährenb fomit bie 3af)l ber freien ger* 
manifchen $8olf3genoffen in ©aflien rafd) abnahm, 
befferte fid) bie Sage ber Unechte tetl3 burch oen ®* ns 
fluf* ber Kirche, bie grunbfätjüd) bie ©Hauerei be= 
fämpfte, teils burd) 3-reiIaffung r bie befonberS ber 
ftönig vornahm, teils enbltd) unb t)auptfäcf)lid) ba= 
burd), baf} geiftliche roie weltliche ©runbherrn einen 
grofjen £etl ir)rc§ 93oben£ an ®ned)te $ur felbftänbigen 
SBeroirtfchaftung au§thaten, um fid) eine beffere unb 
bequemere Verwertung if)re§ Eigentums &u fid)em, al§ 
bie birefte iöeftellung mit ©flauen nach antifer 2öeife 
gemährte, unb bafe fie mit foldjen nur einen »erhält; 
ni§mäfng Keinen Steil ihrer ©üter oon ihren £erren* 
höfen (curtis salica, solihova) au§ bemirtfehafteten. 
^"tbef 116 Sn^em fomit ber größte Seil ber SBeoölferung 
irgenbroie oon ben ©runbherren abhängig mürbe, 
unb fid) ber Unterfdjieb jwifd)en freien unb Unechten 
halb oerwifdjte, bilbete fid) au§ ben mit Sanb au§= 
geftatteten ©efolgSIeuten be§ $ömg3 (3lntruftionen) 
unb ben föniglichen Beamten ein burd) höheres ^ ers 
gelb gefdjütjter (Staub, ein neuer $lbel, ber auf bem 



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SDte SBübung beg {Retdjg unter ben SDtcrotuingent 



55 



perfönlicfjen £reuoerhältni3 jum $öntg, alfo auf einer 
burch unb burch germanifdjen gbee beruhte, unb btefe 
Siriftofratie begann im SBunbe mit ber ebenfalls reich 
begüterten, meift romamfehen l)öl)ern ©eiftlic^feit ba§ 
£anb ju beherrfchen. 2)em Königtum trat bie©runb; 
herrfchaft gegenüber, ber :gbee be§ ©taatS ba§ per- 
föntid^e ^ntereffe. Unb inbem nun bie Könige, oon 
ber ganj orioatr ertlichen 9luffaffung ihres 5lmte3 
unb SBeft^eS auSgehenb, bie tnelleicht nicht allgemein 
beutfd), ficher aber fränftfeh ift, bamit begannen, auch 
ihre ©infünfte unb fechte in einzelnen Orten ober 
ganzen ©auen an ©runbherren, namentlich an SöifcJ)5fe, 
3u übertragen, einem foldjen aber, wenn er ein föntg* 
lidjeS ©ut erroarb, bie biefem juftefjenbe greifjeit oon 
öffentlichen Saften Immunität) ebenfalls aujugeftefjen, 
gaben fte §u, baß ftaatliche fechte an Untertanen 
übergingen. 

%n ben binnenbeutfehen £anbfd)aften, bie halb Grße&mffe 
ober ganj unabhängig oom fränfifchen SReiche ge= 
blieben roaren, traten alle biefe SBeränberungen noch 
nicht tyxvox. £>ier erhielt fid) teilroeife fogar ber 
alte ©eburtSabel, unb ficherlich überall bie $8otf^. 
freiheit. Slber fonft waren ©infehränfung ber WolU* 
freiheit burch baS Königtum unb ben neuen 2)ienft* 
abel, Übergewicht be§ ©ro&grunbbefitjeS, SBefchrchttung 
be§ Königtums burch biefe ©runbherrfchaften mit bem 
Überrouchern ber prioatrechtltchen Sluffaffung ftaaU 
licher Söerhältniffe bie (Srgebniffe ber erften anbert* 
halb 3ahrhunberte be§ meroroingif djen Regiments 
unb bie SöorauSfefeungen ber folgenben ©ntmieflung. 

3u biefen Gräften ber Sluflöfung innerhalb ber »Ubuna 
roeftlichen ^etch^teile unb ju bem ©egenfatje biefer 
urfprünglich römifchen Sänbermaffe §u ben beutfehen 
©auernlanbfchaften im Often be§ 9tt)t\nt§ trat nun 
eine bunte SJttfcrjung ber $8ilbung3elemente. 3m Often 
ftanb ba§ §eibentum unb mit il)m bie fchriftlofe, 



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56 



©ie <2tamtne§5cit 



oolf3tümlid)e germanifche Sage ungebrochen aufrecht, 
im gafltfd)=röniifchen SBeften fämpfte mit biefen Über* 
lieferungen ber fränftfchen Eroberer bie ganj formale, 
im ©runbe leere litter cmfdje 93übung ber alten rö* 
mifdjen dU)ztoxzn\d)uUn unb bie fiefyre ber d^riftlid^en 
Kirche. 3 ene 33ilbung lehnten bie germanifcfjen ßaien 
faft oöfiig ab, unb fte fanb, ba bie romanifcfyen ßaien 
mit ihren beutfcfjen <5tanbe§genoffen mefjr unb mehr 
unter berfelben ©Ute oermuchfen, fchlieftftch tt)rc An- 
hänger nur noch unter ben fünftigen ©eiftlichen beiber 
Nationalitäten. S)ie djriftlidje SSilbung aber erfüllte 
biefe abfterbenben formen mit neuem ©etfte unb 
brachte in ©regor oon £our§ (f 594), bem @pröf$= 
ling einer oornehmen römifcf^galltfchen gamilie, ben 
erften Vertreter ber kirchlichen ©efchichtfchreibung 
be§ 5lbenblanbe§ tyxvox, bie nach 2luguftinu§ ben 
©taat unb bie SBett al§ ba§ ^etd) ber ©ünbe gegen* 
über bem deiche ©otte§, ber Kirche, betrachtete unb 
ba§ (Snbe ber SBelt, ba§ jüngfte ©ertcht nahe 
mahnte, bamit aber jebe unbefangne, mahrhaft hifto- 
rifche Auffaffung ber (Sreigniffe unb ^erfonen auf 
oiele ^ahrhunberte t)inau§ oerhinberte. 



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Ü}arfit{|ß^ß irta Keirfi0 unter bett 
Karolingern 

^t£ätten bie $tnge üjren Sauf begatten, fo würbe fid) xic erftcn 
JE? ber romanifdje Söeften t)om germanifd)en Dftcn 
gan$ gefd)teben l)aben, unb btefer raäre in feine alte 
3erfplitterung in einzelne uöflig getrennte Stamme 
gurücf gefallen, im Söeften aber märe ba3 Königtum ber 
übermalt ber geiftlidjen unb weltlichen ©runbfyerren 
erlegen, tiefer oielgeftaltigen Sluflöfung ftemmte ftcf) 
bie gemaltige Kraft eine§ beutf^en grunbfyerrlidjen 
©efd)lecf)t3 fränfifd)=ripuarif(f)en Stammet entgegen, 
inbem e§, bie ©onberintereffen be§ eignen @tanbe§ 
t>erleugnenb, bie $bee ber 9£eid)3 etnl)ett unb be§ 
Königtums ergriff. 2)er 5tt)nl)err ber Karolinger, 
^3ipin ber filtere (t>cm Sanben), burd) $8ermäf)lung 
feiner £od)ter SSegga mit $lnfegifel, bem ©ohne be§ 
SifdpfS Arnulf t>on aflefc, biefem mächtigen ®e* 
fd)led)te oerfchwägert, leitete mit Arnulf jufammen 
ben jungen König Dagobert I. (623 bi§ 633) juerft in 
9Xuftraften, fpäter im ganzen deiche. 9cod) mißlang 
ber füfme SBerfud) feinet <Sof)ue§ ©rimoalb, nad) 
bem £obe ^ßipin§ 639, ba§ SJcajorbomat genriffer* 
maßen al§ ®rbe in SBeftfc §u nehmen; aber ^ßipin 
ber Mittlere (t)on §eriftal), be§ altern ^ipin unb 



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58 



$te ©tninmeSjett 



2trnulf§ ©nfet a\x§ jener <$he, atfo thatfäd)Uch fein 
Karolinger, fonbern ein 9lrnulftnger, Bereinigte bie 
©üter unb bie SWa^tfiedung beiber ©efchlechter unb 
regierte al§ „§erjog ber fjfranfen" für Dagobert II. 
gunächft Sluftrafien. ®eine§ ©efd)lecf)t3 unb feine 
eigne gefd)td)ttidt)e ©röfie aber begrünbete er bamtt, 
bafj er fid) mit biefer Stellung nicht begnügte, fonbern 
im fingen mit Sfleuftrien beffen 9Jtajorbomu§ 93ertf)ari 
bei Steftri unroeit @t. Cuentin 687 oollftänbig fcrjlug 
unb fid) bamit jum 9Jtajorbomu§ be§ ganjen Dieidr)§ aufs 
fd)roang. ©ein $erfud), auch bie oftrhetnifchen «Stämme 
in ben $Hetd)§3ufammenhang roieber Ijineinjugroingen, 
hatte nur bei ben ^riefen einigen ©rfolg; immerhin 
unterste er bie Arbeit ber d)riftlid)en ©lauben§* 
boten in biefen Sanben unb bereitete baburd) ihren 
feftern 2lnfd)lu& uor. $)a§ SBerf be§ $8ater§ führte 
nach ppin§ £obe 714 fein britter @otm Karl 9flar* 
teil (oon einer Sftebenfrau) weiter, ©enriffermafjen 
aB Ufurpator an bie ©ptfce 3Iuftrafien§ tretenb, 
nötigte er burd) bie Siege oon $tnct) unweit ©ambrai 
717 unb Soiffon£ 719 ben neuftrifchen $lbel unb ben 
ohnmächtigen König (Sr)ilperid> EL, ihm aud) in 9^eu« 
ftrten unb Söurgunb ba§ 3ttajorbomat 31t übertragen, 
fteüte juerft über bie SBanern unb Schwaben bie 
frdnfifd)e $of)eit roieber f)^r unb beugte it)r bann 
auch bie ^riefen. 

@3 mar eine roelthiftorifche ftügung, benn iti* 
5mifd)en $atte ftd) bie Söeltfteüung be§ fränfifdjen 
SKetch§ oon ©runb au§ geänbert. Urfprünglid) ein 
germanifdjer ©rofiftaat unter mehreren mar e§ je$t 
ber ein$ige. SBon ben Dietdjen ber Dftgennanen am 
Sflittelmeer roaren bie ber Söanbalen unb Oftgoten 
fdjon in ber erften .gälfte be3 f elften ^ahrhunbertg 
bem bnjantimfchen ^Reiche erlegen, ba§ nicht ohne 
(Srfolg ben 9lnfprud) erhob, ber SRed)t§nacr}f olger be§ 
alten 9iömerreich§ ju fein. $ann hatten feit 568 bie 



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S)ic 2ftad)tf)öt)e beS 9letdj8 unter ben Karolingern 



59 



ßangobarben in Italien ein ganj germamfd)e§ @taat§* 
wefen über ben untermorfnen Romanen begrünbet, 
aber fie vermochten bie $8n$antiner weber au§ 8üb* 
italien noch au§ 9iom unb großen ßanbftrtchen ber 
Oftfüfte $u oertreiben unb würben baburd) gehtnbert, 
eine in ftd) gefeftigte Großmacht $u werben, obwohl 
fid) feit ihrem Übertritt jum $atholiat3mu§ im fteben* 
ten 3af)rf)unbert ber ©egenfatj $u ben SHomanen 
allmählich au3gltd). $)a§ weftgotifd)e [Heidt) enbltd) 
hatte ben 2öeg jur 9luflöfung buref) ba§ ungefunbe 
Überwuchern ber ©roßgrunbherrfchaften fo rafch ju- 
rüdgelegt, baß e3 711 ber jungen ftegeäfreubigen 
SÖeltmadjt ber mohammebanif djen Hraber ohne jeben 
nachhaltigen SBiberftanb $um Opfer fiel. 3h re weitern 
frortf abritte im 3lbenb(anbe ^inbern, bie d)riftlid)e 
germamfch*romanifche Kultur vox ber Überflutung 
be§ i§Iamitifd)en ©emitentumS $u retten, ba$u war 
atiein ba§ neugeeinte fränfifche SHeid) imftanbe. 

®arl 9Jlarted löfte biefe Aufgabe in ber gewal* jWjj^JJjjjj 
tigen $Berteibigung3f d)lad)t jwifchen £our§ unb ' 
<Pottier3 im Oftober 732; er entriß ben Arabern 737 
3ltrignon wieber unb befiegte fte bei Starbonne. Slber 
bei feinem £obe 741 ju Quiercn an ber Oife geigte ftcf> 
bod) wieber, baß bie prioatrec^tlid)e 5luffaffung ftaat* 
lieber ©ewalt aud) ba§ SJcajorbomat ergriff, benn 
wie ein ftönig hinterließ Äarl feine Söürbe in 9lu- 
ftrafien feinem altern ©ohne ftarlmann, in Steuerten 
bem jüngern Sßiptn (bem kleinen). SBeibe wirlten 
inbeg jufammen jur gemaltfamen Stieb er werfung 
S3anern§ 743, beffen $er$og Obilo nur als fränfifc^er 
SöafaH fein Sanb wieber erhielt, währenb fein junger 
Sohn ^h^ff^o 748 e§ fogar nur al§ Sehen (boneficium) 
unb gegen Seiftung be§ £reueibe§ empfing, unb fie »ofl* 
jogen bann bie Vernichtung be§ alamannifd)en £er* 
3ogtum§ 747. (Sbenfo war ba§ gemeinfame Söerf 
beiber trüber eine £eere§reorganifatton im größten 



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60 



Xic StommeSgcit 



©til. @ic gogen nämlich, nach oeretnjelten Vorgängen 
fd)on unter Karl harten, mit 3ufttmmung ber roelt* 
liehen unb geiftltdjen ©ro&en einen £eit be§ Kirchen* 
gut3 in ber Söeife ein, bafj e§ nicht al§ (Eigentum, 
fonbern nach bem oon ber Kirche felbft fdjon früher 
beobachteten Verfahren &u fielen (ex beneficio) gegen 
3in§ unb Streueib an Säten (SöafaHen) jundc^ft auf 
SebenSjeU oergabt tourbe al§ (Sntfchäbigung für ben 
oon ihnen geforberten Krieg§btenft $u föofj, genriffer* 
mafien al§ eine im ©runb unb ©oben fapitaltfterte 
SBefolbung. S)en anbern £eil beliehen fie ber Kirche 
ober gaben Um, foroeit er fcfjon früher eingebogen 
toorben mar, aurücf. 2)a bie neuen ^afaflen (oom 
feltifdjen gvas, b. t. Knecht) biefen SBeftfc ben Karo* 
Ungern oerbanften, fo geroannen biefe in ihnen ju* 
gleich eine fefte ©tüfee ihrer ©emalt. 35a§ mar bie 
eigentliche Söegrünbung be§ 8ehn§ioefen8 im fränfifdjen 
Bleiche, ber eigentümlichften p olitifcfjsf oktalen 93ilbung 
be§ ganzen abenblänbifchen 2fttttelalter§. 

©Ieichjeitig mit bem 5luffommen ber Karolinger 
ooU$og fiel), oon ihnen oielfad) geförbert, ber Über- 
gang ©hfiftentume bei ben oftrheinifchen ©tarn* 
men, foroeit fie fchon ber Roheit be§ $eid)3 unter* 
raorfen rcaren. 2)amit fiel jugleid) bie ftärffte @<f)ranfe 
jtoifchen bem romanifd)*germamfchen Söeften unb bem 
rein germanifchen Dften. 

^unb^bk 6 von ^ er ^ rer ^ u fö aJ)C » ergeffenben frön* 

fränftfäe fifdjen ©eiftlichfeit unb nicht oon bem bebrängten 

in^eutfef). ^ om 8* n 9 °* c *8 e f e h run Q au ^ fonbern oon ber irifch- 
lanb fchottifchen 9iationaltirche, bie bem S8tfd)of oon SRom 
feinerlei Obergewalt gugeftanb unb bie mit ber 
93ifd)of3toürbe befleibeten s Übte ihrer großen Klöfter 
(„Kathebralflöfter") ohne i>ierardt)ifcf)c Unterorbnung 
nebeneinanber ftellte. $$xe mönchifchen ©laubenSboten 
grünbeten feit 600 juerft in ©chtoaben mehrere Klöfter 
(St. ©allen, Reichenau) al§ 9Wiffton§ftationen, gegen 



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Üte üftadjtljöfje bcö 9teid)§ unter ben flarolincjerit (Jl 

(Sube be§ ftebenten ^af)r^unbcrt§ im fränfifd)en2ftain= 
lanbe (Söüraburg) unb in §effen ($lmeneburg). Um 
bicfclbc 3eit begannen fränftfcje Sflifftonare, auerft 
von £er$og St^eobo gerufen, bie Söefejrung ©aoernS, 
teilmeife in einer gemiffen SBerbtnbung mit SHom, 
SHupredjt in ©aljburg (3ut>aoum) 696, (Smmeram in 
9iegen3burg feit 712, (£orbtmanu§ in Reifing furj 
vox 730. 3[nbe§ gelangte fpäter aud) in ©anern 
buref) ben tfyatfräftigen ©Rotten Virgil, ben W)U 
bifdjof von Salzburg (743-784), bie trifcH$ottifd>e 
9iid)tung $ur$errfd)aft. $on t)ier au§ trugen banrifcfye 
^ßriefter ba§ ©jriftentum aud) in§ floroenifdje Dft= 
alpenlanb, oa§ bereite in einem 2lbf)ängigfeit3oerf)ältm3 
$u ben gerjögen ftanb. ^ebenfalls mar fcfyon im erften 
drittel be§ achten 3>at)rt)unbert3 ba§ füblicfye 2)eutf<f)s 
lanb im mefentlidjen djjriftttd), aber nad) irifd^fcfyot* 
tifcfyer SBeife, nod) olme ^ierard)ifcjen ßufammenfjang 
mit ber franftfdjen $ird)e ober gar mit SRom. 

S)a waren e§ angelfäcfyftfcfye 9Jliffionare, bie unter ^j^Kfi* 
bem @df)utje ber Karolinger bie römifdje ®ircf)enorb= gjtqjum; 
nung im ganzen fränfifdjen Diethe begrünbeten unb 500 " 1 ^ 1 " 8 
jugleid), aber erft in jroeiter Sinie, ben d)riftttd£)en 
©tauben aud) in ben mittelbeutfd)en Sanbfdjaften 
unb an ben lüften ber Sftorbfee pflanzten. 3uerft 
im flammt) er manbten grie§lanb begannen um 716 
SBiüibrorb unb SBinfrieb (agf. Sönnfretf), b. i. ©lücf & 
frieb, tat $Bontfatiu3) ifyr SBerf. 2)ann aber jolte 
fid) Söinfrieb in SRom 718 bie 33oiImad)t für ein felb= 
ftänbige§ Auftreten in $eutfd)lanb, 722 aud) bie 
$8ifdjofSroeif)e unb arbeitete al§ 93efel)rer in Reffen, 
mo er bie fyodjoerefyrte S)onareid)e bei ©etSmar 723 
faßte, unb in Düringen, roo er ba§ Softer Dfyrbruff 
ftiftete. 2113 ©rjbifdjof (732) unb 8egat be§ römtfdjen 
@tul)l§, vom £>er$og Obito unterftü^t, orbnete er bann 
(738) juerft bie banrifdje Kirche in römifdjer SBetfe, 
of)ne jebod) in (Salzburg gegenüber Virgil bamit burd)= 



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62 



$ie ©tammeSaeit 



bringen fönnen, unb begrünbete, t>on ^ßtpin unb 
ftarlmann fräftiger geförbert, römifdje Bistümer für 
Springen in ©rfurt, Büraburg bei grtfclar für Reffen, 
©icrjftätt für ben banrifd)en Sftorbgau unb 2öür$burg 
für baS fränfifcfjc Sftainlanb, von benen inbeS nur 
bie beiben legten feften Beftanb gewannen. $luf bem 
auftrafifdjen ©oncilium ©ermanicum erreichte er 743 
bie Slnerfennung md)t nur biefer <Sinrid)tungen, 
fonbem aud) bie ©infüfyrung ftrenger ßirdjenaucfjt, 
bie Unterorbnung ber Sllöfter unter bie Bifcrjöfe unb 
bie 2lnnafyme ber Benebiftinerregel für bie Älöfter. 
©ine neuftrifcfye ©nnobe in ©oiffonS 744 befd)lofj 
baSfelbe unb bie ©rridjtung von brei ©rabtStümem 
für biefen SReid)Steil, unb eine gemeinfame ©nnobe §u 
CeftineS im £ennegau 747 befeftigte noefj biefe GHnridj* 
tungen. Bonifatius naljm feit 747 feinen er$bifd)öf liefen 
@ifc im altrömif d)en 2Kain$ unb leitete von bort auS 
nid)t nur bie ältem Bistümer beS fränfifd)en 9tf)eins 
lanbeS oon Utred)t bis ©peier, fonbem aud) bie fcfjroä* 
bifcfjen (Strasburg, ®onftan$, 5lugSburg), bie bemnad) 
ade in alten SRömerftäbten ifjren ©ifc Ratten, unb bie 
neugegrünbeten in Oftfranfen, Reffen unb Springen; 
nur bie banrifcfyen entzogen fid) nod) feinem §irtem 
ftabe. (Sonft mar baS bem fränfifcfjen D^eidje unter* 
morfne $)eutfd)lanb eine römifdje ®ird)enprotrin$ ge= 
roorben. Unb bod) enbete Bonifatius nid)t als ®ird)en* 
fürft, fonbem als ©laubenSprebtger unter ben Speeren 
f)eibnifd>er ^riefen am 5. $uli 754 in ber 9iä&e oon 
Loccum. ®o erblaßte t»or bem ©lorienfdjetne, ber 
beS SttärtnrerS ©ruft in feinem SieblingSftofter ftulba 
umftrafylte, baS ^Inbenfen an feine ftrdjenpolitifcfje 
Srjätigfeit, unb er galt ber 9lac^roelt balb fd)led)t* 
roeg als ber „Slpoftel ber $)eutfd)en." 
Xic ü^ c 3 um ^f^nmalc r)atte jefct bie römifdje Kultur 
im ©eleit ber d)riftlid)en £el)re Boben im innern 
mm 2) e utfcr;lanb gewonnen unb beffen ifolierte ©tämme 



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$ie üfla#tt)öf)e be8 tReic^S unter ben ftaroltußcrn 



63 



in Sßerbtnbung mit ber füblänbifchen ßulturroelt uttb 
mit ihrem getfttgen Sftittelpunfte, mit diom, gebraut, 
Sftur in biefer Berbinbung tonnten ftch beibe burch* 
fefcen unb behaupten, barin liegt bie Rechtfertigung 
für ba§ 2öer! be§ Bonifatius. 9lber nicht bie BifchofS* 
fttje unb auc^ nicht bie nocr) feJ>r bünn gefäten oer* 
einleiten Kirchen, faft immer noch fchltchte, fletne 
Holzbauten, fonbem bie Benebiftinerftöfter, bie nad) 
bem 9Jtufter von ftulba (gegrünbet 744) auf bem von 
dürften ober <$beln gefcfjenften Boben balb zahlreich 
entftanben, mürben bie roirffamften dächte ber neuen 
chriftlich s römifchen Kultur. $)enn ein Softer mar ba= 
malS nirf)t nur eine (Stätte frommer, roeltabgemanbter 
9lftefe, fonbem oor aflem ber roirtfchaftliche unb geiftige 
3Kittelpunft einer oft auSgebehnten Sanbfcrjaft, eine 
blühenbe Kolonie im Urroalb, eine planmäßig ge* 
pflegte großartige ©utStoirtfchaft, bie juroeilen über 
taufenbe oon £>öfen unb jingbaren Bauern oerfügte, 
ein Sit* technifcher Äunftfertigfeit unb roiffenfchaft« 
lieber Slrbeit mit geiftlicher Säuile unb Bibliothef, 
eine 3"ffucht aller Bebrängten unb £tlf3bebürftigen 
unb für ba3 ©efcrjlecht be§ Stifterg bie le&te 3u* 
fluchte unb SKufjeftätte, eine Snfel be3 ftrtebeng unb 
ber Kultur inmitten einer gewalttätigen unb rohen 
Umgebung. 

9lber aßerbingS, mit bem ©hriftentum tarn ju^ ermani " 
nächft auch ein ungeheurer SBiberfpruch in ba§ Seben ber Jöe 
ber S)eutfd)en. $enn heibnifcf) im tiefften ©runbe 
blieb ihr 2)enfen in ©Ute, Diecht unb Sage, unb bie 
Kirche mußte ficr) biefen 3lnfchauungen anbequemen, 
um mirffam $u fein. Sie baute ihre Stiftungen oft 
an bie Stelle heibnifcher Heiligtümer, wenn fie biefe 
nicht al3 Stätten ber Dämonen oerrief, fie lehnte ihre 
gefte an alte ©ötterfefte an, fie ließ eS $u, baß chrift* 
liehe ^eilige bie 3üge germanifcher ©ötter annahmen, 
unb baß (&hriftu3 fich in einen mächtigen ©efolgg; 



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64 



3)ie Stamm eäjeit 



Gerrit oenoanbelte, ber feine (betreuen für tfjre burd) 
fromme SBerfe benrief ene £reue J)ienieben burcf) irbi* 
fd)e§ ®lüd unb im ^enfettS burd) bie eitrige <5elig= 
feit belohnte; furj, fie felber rourbe J)alb^eibmfc^. $er 
innere 5lu§gletd) biefer beiben $8ilbung§f reife, be§ 
national f)eibnifrf)en unb be§ römifd)=chriftlid)en, toar 
bie Aufgabe ber folgenben Satjrfyunberte. 
# $8ontfattu3 fyat e§ nod) erlebt, baf* bie oon $nt 
Äbni8 t)ergefteUten engen Beziehungen ber fränftfchen Kirche 

$apfttum * u ^ om * u einer bcr fölgereic^ftcn SBenbungen führten. 
2)emt al§ $ipin, feit bem SHüdtritte feines 93ruber§ 
Karlmann 747 alleiniger §err be§ 2rranrenreich§, fidE) 
entfd)lo&, bem unhaltbaren 3 u ft an & e / öer utero- 
nringifche ©chattenfönig, feit 743 ©hilberid) III., nichts 
unb fein SJlajorbomuS alle§ bebeutete, ein ©nbe $u 
machen unb eine lange ©ntnridlung abschließen, 
erbat er ftd) com s $apft QatyaxiaZ eine 9Irt fd)teb§* 
ridjterlidjen ©utad)ten§ unb lieft ftd) erft baraufhtn 
nach bem unbeftrittnen , nur fehr feiten ausgeübten 
SBolfSrechte ber KönigSroahl 752 ju ©otffong oon ben 
granfen $um König aufrufen, roä^renb er ©hübend) 
in ein Softer fd)idte. S^nt er oann auch bie 
bifd)öflid)e (Salbung empfing, umgab er ba§ junge 
Königtum ber Karolinger mit geiftltchen SBei^en. $)er 
SBunb atüifdtjen ihm unb bem ^apfttum fd)lof} ftd) 
noc^ fefter, als «Stephan III. perfönltd) bie fränfifche 
$tlfe gegen ben Sangobarbenfönig 5Iiftulf anrief, ba 
biefer enblid) bie oon feinem frommen Vorgänger 
£tutpranb nur fycäk gelöfte Aufgabe nad)brüdlid) in 
Singriff nahm, nämlich minbeftenS bie oberttaliemfchen 
Bedungen ber SBnjanttner unb SHom ^u erobern. 3n 
jroei genügen, 754 unb 756, nötigte Sßtpin ben König 
Sliftulf, SRaoenna unb bie s $entapolt3 nrieber fyexauS* 
$ugeben. (§rc übertrug fie ber weltlichen £errfd)aft 
beS ^apfteS, ber eine folche über SRom unb fein ©e= 
biet fdjon tf)atfäd)lid) ausübte, «ßipin felbft aber 

> 



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$ie 2fla($t^ö&e beS tteicfiä unter bcn Karolingern 65 



itahm bcn römtfchen £itel eine§ ^atrtciuS an unb 
bamit bic ©c^u^errfdjaft über ben weltlichen ©taat 
be§ *ßapfte§. <£in germanifcher Sßriefter ^atte bie 
päpftlidje ©eroalt über $)eutfchlanb begrünbet, ein 
germanifcher König begrünbete ben römifchen Kirchen* 
ftaat unb oereitelte bamit bie ©infyeit $talien§ unter 
ber eifemen Krone ber Sangobarben für mehr als 
ein $ahrtaufenb. @§ entfpradf) btefem engen ©rnoer* 
-nehmen anrifchen ben Karolingern unb bem ^apfttum, 
wenn $ipin bie oon Bonifatius begonnene, auf ftrenge 
hterarchtfcf>e ©lieberung, fdjarfe Kirchen$ucf)t unb 
xeinere ©itte gerichtete SHeform ber fränfifc^en Kirche 
weiter führte, unb roenn SBifd>of ©f)tobegang oon 9Jcefc 
bie ©eiftlichen feiner $omfirche $u möndjifdjer Sebent 
genoffenfchaft oereinigte. Unb glänjenb bewährte ftch 
bie neue 3Jlonard)ie al§ bie @d)u^madt)t ber abenb* 
länbtfchen (5^rtftenr)cit, inbem pe Sftarbonne ben 3lra* 
bern entriß unb Aquitanien, beffen £erjog ftch ftetS 
auf biefe ©laubenSfeinbe ftüfcte, enblich unterwarf. 

Unb bod), al§ $ipin bei feinem $obe 7*38 baSjurtunb 
tReid) roieber unter feine beiben ©ötme, Karl (geb. ^ann 
toof)l 742) unb Karlmann (geb. 751), teilte, roar e§ 
fjöchft zweifelhaft, ob bie oon tr)m eingefd)lagne SHtd)' 
tung SBeftanb höben werbe. $)enn ein großer Steil 
t>e§ fränfifchen 2tbel§ war gegen fte, unb biefe Partei 
ftegte junächft. SJctt ben fcangobarben würbe ein enge§ 
Verhältnis tjergcftcllt unb burch bie Vermählung ber 
beiben jungen Könige mit jwei Töchtern be§ 8ango= 
barbenfönig§ $efiberiu§ (©erberga unb $)eftberata) 
befeftigt, wa§ zugleich bie 3lner!ennung einer grö&ern 
©elbftänbigfeit be§ »anernherjogS ^h^ffilo, be§ ©e* 
tnahl§ ber brüten langobarbifchen @d)wefter £iutbirg, 
unb bie Söfung be3 S3erhältniffe§ mit SRom $ur ftolge 
Ijatte. $och ber fchnefle $ob KarlmannS im $e$ember 
771 gab bem ältern «ruber Karl Gelegenheit, mit 
t>em ©riff be§ Söwcn ba§ ganje meid) an fich ju 

2>er aoßerbegang beS beutfd&en SBotteS I 5 



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66 



Xit etammcSjctt 



retten, ^nbem er feine langobarbifche ©emahlüt 
heimfanbte unb bie unzweifelhaften $Red)te feiner 
beiben Neffen, ber jungen Söhne KarlmannS, beifeite 
fcfjob, brach er in ber fchroffften SBeife mit benßango* 
barben. 2)er Konflift oerf durfte ftch, als ber tief* 
gefränfte £)eftberiu3 gegen 9tom vorging, um ^ßapft 
§abrian III. zur Stnerfennung ber KönigSrechte feiner 
(Snfel zu Urningen. 3 um brittenmale Übertritten 77a 
bie fränfifdjen §eerfäulen bie 3llpen, unb biegmal fiel 
baS langobarbifche SReict). SeftbertuS würbe entthront, 
ßarl al§ König ber Sangobarben unb römifdjer 
^ßatrtciuS anerfannt, bie fränfifche ©raffchaftS- unb 
(SerichtSoerfaffung allmählich burchgefüljrt unb ba§ 
langobarbifche Italien ber fräntif d)en SKeichSgefe£= 
gebung unterworfen. 9lur bie Herzogtümer Spoleto 
unb SBeneoent behaupteten eine halbe Selbftänbigfett 
Später, 780, übertrug Karl feinem ©ohne <ßipm bie 
Verwaltung Italiens mit bem KönigStttel. 2)ie Söer^ 
einigung ber beiben einzigen noch beftehenben ger~ 
manifch-romanif^en ©rofcftaaten in einer £anb be* 
grünbete eine alles überragenbe 3D^adt>tfteHung be§ 
fränfifdjen SReidhS im 5lbenblanbe, bie Unterwerfung 
ber Sachfen fchuf bie SBorauSfefcungen zur 93ilbung 
einer beutfdjen Nation. 
$ie Sftoch immer häuften bie Sachfen in ihrem un« 
»egfamen Söalb* unb Sumpflanbe als ein lofer »unb 
von tner felbftänbigen Stämmen (Söeftfalen, (Sngem, 
Dftfalen unb Sftorbalbtnger) in faft unoeränberten 
altgermanif djen Drbnungen, ein SBolf freier 93auern 
unter einem burd) ein fyofytä, fedjSfacheS Söergelb 
ausgezeichneten friegerifdhen 2lbel, regiert von ben 
„ s Ülteften" ber ®aue unb ber SöolfSgemeinbe, nur im 
Kriegsfälle oon einem Herzog für jeben ber oier 
Stämme geleitet. 2)urd) Söohnfitje, «Sitte, Religion 
unb Sprache ihren ffanbinaoifchen Nachbarn, ben 
$änen, näher geftellt als ben chrtftlichen Stammen 



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Sie 3tta($U}ö$e bc8 9iei($ö unter ben Äarolingcrn (57 

beS SBimtenlanbeS waren bie Sad)fen biefen oöllig 
entfrcmbct unb baburd) bie (Sntftefyung einer beutfdjen 
Nation oerfytnbert worben, fyätte nid)t ßartS eiferner 
Slrm ifjre politifdje unb religtöfe ©onberfteUung jer* 
fd^agen. greüid) gefdjat) ba§ in ferneren, mörbe* 
rtfd)en Kriegen (772 bt§ 785), bie um fo Ijartnätfiger 
waren, je weniger bie fdjwerfäfligen militärifdjen 
Greifte be§ fränfifdjen 9ieid5§ $u einem ©roberungS* 
frtege unb $u Iangbauernber Söefefcung eines feinb- 
liefen SanbeS roirflid) ausreichten, unb je §äf)er 
fiel) ber trotzige Sinn ber Saufen unter tfjren §er* 
Sögen SBtbuftnb unb Slbbio mit §ilfe ber S)änen 
bem boppelten Socfje beS fränfifdjen Staats* unb 
^trdjenwefenS entgegenftemmte. 2)ie ©tnfüf)rung ber 
fränfifdjen ©au* unb ^eereSoerfaffung unb bie 93c* 
grünbung ber Äirdje im ^afjre 782 erwieS ftd) nod) 
als r»erfrüE)t; erft bie blutigen Stege bei $etmolb 
unb an ber £afe 783 brachen ben 9flut ber @ad)fen 
unb bewogen 785 fogar it)rc beiben §erjöge $ur 
Unterwerfung. ^ereinselte ©r^ebungen fm*> nod) 
bis 803 au betampfen gewefen; aber unröiberfter)ltcr) 
fefcte ftdj) bie fränfifdje Söerfaffung unb bie ®ird)e 
burd). 2)amit trat baS Otetct) aud) mit ben oftelbtfcrjen 
(polabifdjen) ©tarnen sunt erftenmale in SBerbinbung, 
fcunädjft nur, um fte gegen bie @ad)fen &u benufcen. 
3lHe biefe (Stämme, fdjon 780 bie Obotriten in 
üflecflenburg, bann bie (Sorben jwifdjen ©aale unb 
93ober, enblid) 789 aud) bie SBiljen jwifcfyen @lbe 
unb Ober ernannten bie Dberljofyeit beS granfenfönigS 
an, atlerbingS unter SBafyrung iljrer innern ©elbftän* 
bigfeit, ^mmer^in mar eine germanifdje §errfd)aft 
über biefe alten ©tammlanbe ber ©ermanen wieber* 
J)ergefteHt. ©egen bie S)änen aber würbe bie (£iber- 
grenje fräftig behauptet unb burd) Burgen gefiebert. 

fßon mdjt geringerer 2Bid)tigt*ett mar bie oödige ®^JJ r " 
Unterwerfung 93anernS. Seit Styaffilo 763 baS Säger Söterns 

5* 



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68 



Sie ©tammcsjctt 



ftönig SßipinS auf einem ^Ib^uge gegen Aquitanien 
eigenmächtig oerlaffen fyattt, ftanb ba3 weitauSge* 
behnte §er5ogtum ber 9lgilolftnger thatfächlicf) al§ eine 
felbftänbige 3Jladt)t $wifchen bem fränfifchen unb bem 
langobarbifchen SRetche. @§ ^atte auch bie (Slowenen 
unterworfen unb bamit bie fcrjönen, fonnigen %f)älex 
ber Oftalpen ber banrifcfjen Äolonifation eröffnet, e§ 
befeftigte bie banrifche fttrche burd) zahlreiche ßlofter= 
grünbungen be§ ftürftenhauf e3 n>ie ftremämünfter (777) 
unb ber ebeln ©efd)Iedf)ter, e3 fudt)te noch 766 ihre Un* 
abhängigfett burd) bie ©nnobe von 31) ctjrjeim ju ftd)ern. 
2Iber feitbem 2$afftto 773/4 thatenloS bem Untergange 
be§ langobarbifchen SReicheg, feine§ natürlichen $8un* 
beggenoffen, augefehen, ^attz er nur noch bie Söahl 
jmifchen Bezweifeltem SBiberftanbe, felbft mit §ilfe 
ber rohen Sfoaren, unb bebingung§Iofer Unterwerfung. 
$)och unftcher fchwanfenb jwifchen beiben 3ftöglich s 
feiten Ieiftete er 781 bem granfenfömg swar ben ge* 
forberten £reuetb, weigerte ftch aber 787 auf ber 
SReichSoerfammlung $u SöormS §u erfcheinen unb be* 
fdt)wor baburch ba§ SBerberben über ftch h«<*uf. 9* ac *) 
bem £obe SBigtlg oon (Salzburg 784 ber baurifchen 
SBtfcfjöfe nicht mehr ficher unb oon einer gewaltigen 
$eere§macht im ©üben, SBeften unb Horben gleich * 
jeitig bebroht, unterwarf ftch Shafftlo im Dftober 787 
ohne ©egenwehr bem ftönig im Säger *or Augsburg, 
würbe aber 788 trofcbem wegen jener „Fahnenflucht" 
(herisliz) im 3ahre 763 oom ®ömg§gericr)t in 3ngel= 
heim §um £obe oerurteilt. Söährenb er, oon $arl be 5 
gnabigt, im Softer ßorfch t>erfcf)wanb, trat Söanern 
unter bie fränfifche ©raffchaftSoerfaffung. 
eroberung bie ©inoerletbung SBanernä fcrjlofj ftch W« 

atJtWtai ^etnic^timg be§ aoarifchen $äuberftaat§. 3n einer 
n*m SReihe von getbjügen 791/95, beren erften 8art felbft 
führte, ging ber aoarifche 2lbel faft gan$ ju ©runbe, 
bie mefte wichen hinter bie $h*i& $urücf ober unter* 



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£te 3Jiacf)tf)öf)e bcg SReidjS unter ben Äarolingern 



69 



warfen ftd) bem fränftfcfyen SHetcfye unb nahmen bag 
©Ijriftentum an. $er roeftlidje £eil tyreg alten ©e* 
bietg, bag alte ^annonien unb bag $>onaulanb annfdjen 
ber @nng unb bem Söiener SSalb, früher bie $eünat 
ber Dftgoten unb bann ber fiangobarben, trat unter 
fränfifdje ©rafen fogut wie bag ©loroenenlanb (®aren= 
tanien) mit Strien, Sftorbbalmatien unb ftriaul, unb 
ein unerme&lidjeg Slrbeitgfelb eröffnete fid) r)icr ber 
beutfcfyen Kultur. 

©lüeflid) überall gegen bie beutfdjen unb fremben ÖJ^!* 1 
(Stämme beg Cfteng fdjetterte $arl gegen bie bem h fle 
frcinttfcfyen Sfteicfje an Kultur weit überlegnen fpantfdjen 
5lraber. ©ein eigner ftelbflug "ber bie ^nrenaen 778, 
ber auf ber Hoffnung beruhte, bie grojje Spaltung 
ber tglamittfd&en SSelt $nrifd)en ben Slbbaftben von 
Söagbab unb ben Omajjaben von (Eorbotm &u einem 
roudjtigen (Schlage gegen bie £errfd)aft ber Araber 
in (Spanien augaunufcen, ©erlief erfolglog, unb bie 
nod) big 811 fortgefefcten kämpfe führten nur $ur 
©rünbung einer fpamfdjen 2Jtarf aroifc^en ben Oft* 
pnrenaen unb bem untern @bro. 

©ine ©errfdjaft nrie biefe farolingtfdjje war feit emeuc- 
ber Sluflöfung beg meftrömifcfyen SHeic^S nicf)t meines aatfer. 
gefe^en toorbetu SBon ben jürften ber 2lngelfad)fen temÄ 
unb ber d)riftlid)en ©panier wie oon bem großen 
abbafibifdjen Kalifen #arun*al*$Rafd)ib in SBagbab 
rourbe ßarl alg ber Dberljerr beg 9lbenblanbeg an* 
erfannt, unb fein befeljlenbeg SBort galt oorn ©bro 
big an bie pannonifcfye $)onaugren$e, r»on ber ©iber 
big aum Qtorigliano. ©iner folgen SBölferoereinigung 
entfprad) ber £itel eineg ftöntgg ber ftranfen unb 
Öangobarben nur fe^r unooHfommen. 9täf)er lag e§ 
Diefer 3ett, ™ oer °* e ©nunerung an bag aud) nodi) 
im Verfall impofante römifdje ^aifertum nod) fe^r 
lebenbig mar, an biefeg an$ufnüpfen, jumal ba nad) 
ber f>errfd)enben Sluffaffung bag lefcte ber com $ro* 



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70 



$ie ©tammegjctt 



pheten 2)aniel $ap. 7 t>erfünbigten trier 2öeltretd)e 
ba3 römifche mar unb bi§ an§ (Snbe ber 3*iten baucrn 
foflte, aber bi§^et feit 476 im SBeften nur in ber 
Sbee fortlebte unb nur im Dften thatfäd)lich fortbe* 
ftanb. ©ehr praftifche politifdje Erwägungen famen 
htn$u. 2)ie einheitliche ®ircf)e meinte nur in einem 
einheitlichen deiche t>oHe Sicherheit finben ju fönnen, 
unb ba§ ^apfttum mar nur bann gegen ehrgeizige 
römifche Parteien unb gegen bie feine3tt>eg§ aufge- 
gebnen 9lnfprüd)e DftromS gefchüfct, wenn im Söeften 
rcieber ein fetbftcinbigeS ftatfertum beftanb. 3lu§ 
foldjen 2Infd)auungen unb SBebürfniffen Iateinifch ge* 
bilbeter unb ftrchlicf) geftnnter Greife entfprang ber ©e= 
banfe, e§ 311 erneuern unb bem Könige ber granfen §u 
übertragen, eine echte SRenaiffanceibee im grofeartigften 
Stil. 2Il§ baher ßarl im 9?ot)ember 799 ben «ßapft 
Seo III. burch feine ^ommiffare fyaüt nach SHom 
gurücf führen laffen unb ein ^ahr fpäter al§ römifcher 
<ßatriciu§ jmifchen bem <ßapft unb feinen SBiberfachem 
©ericht gehalten hatte, ba befct)lofj eine große *8er* 
fammlung fränfifcher unb römifcher ©etftltchen unb 
Saien, bie ^aifermürbe ju erneuern unb ®arl bem 
©rojjen $u übertragen, $n ber Erinnerung ift biefer 
grunblegenbe SBefchlufc fynttx ber Krönung $arl§ 
burch ^Papft Seo III. im 6t $eter am erften 2Beih= 
nadjtSfeiertage be§ gahreg 800, bem Anfange eine§ 
neuen 3ahre§ unb $ahrhunbert§, oöHtg juruef getreten^ 
befonberS roeil bie Sßäpfte fpäter au§ ber mahrfchetn* 
lieh ben Äönig felbft überrafdjenben fjorm ber Krönung 
bie meiteftgehenben Folgerungen gebogen h^ben. Sie 
neue ßaifermürbe gab feinen 2ftacht$uTOach§, aber fte 
enthielt einen großartigen ©ebanlen, ber feine 93e- 
beutung behauptet hat, auch al§ bie bamal§ ihm ge- 
gebne gorm jerfiel, bie Sbee, bafj bie chriftlichen 
SBölfer be3 romanifch-germanifchen 2lbenblanbe3 eine 
unzertrennliche SMturgemeinfchaft bilben foüten, unb 



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£ie Üttad)tf)öf)e beS 9teid)§ unter ben Aarolingcrtt 



71 



foroeit ba§ 2Jlenfd)cn(raft t»ermocf)te, hat Karl baran 
gearbeitet, fte ©erroirfltchen. 

©ein SRetd) follte in ber $h a t roie ba§ römifdje, Craani. 
«in einheitliches ©anje bilben. $ie 9*eich§oerfamm* bes a Äs 
lung, ba§ „2flaifelb," nicht mehr bie alte SBolfäge* 
meinbe, fonbern eine Bereinigung weltlicher unb geift* 
licrjer ©rofcen, entfaltete in ben „Kapitularien" eine 
allumfaffenbe SHetchSgefe^gebung in weltlichen wie in 
firdjlichen Angelegenheiten; bie fränfifc^e ©raffchaftS* 
oerfaffung war im ganzen SHeid)e burchgefefct, aufjer in 
ben halbunabhängigen ©ebieten ber $8a3fen, Söretonen 
unb ©lawen, fowte in ben Herzogtümern ©poleto 
-unb 93ener»ent unb würbe in ben ©renjgebieten ju 
einer umfaffenben ©eroalt, ba bie Sttarfgrafen bie 
Warfen (bie bämfche an ber (£tber, bie fäcrjfifche 
im öftlichen $olftein, bie forbifche läng§ ber ©aale, 
bie böl)mifcf)e im banrifrfjen Sftorbgau, bie atmrifdje 
^mif d)en @nn§ unb Söiener SÖalb, bie fpamfche $wifd)en 
^ßurenäen unb ©bro) mit ©ren$graffchaften serbanben 
unb ba§ Aufgebot auf eigne Verantwortung erlaffen 
ionnten. «Seit 802 überwachten föntgliche Kommiffare 
<missi dominici), ein 93ifd)of unb ein fiaie in jebem 
ber fet)r auSgebeljnten Amt3be$irfe, bie ©efd)äft§= 
füf)rung biefer Beamten, bie lebtgltcf) Beamte unb 
Liener be3 Königs bleiben, nid)t Herren werben unb 
be§f)al& i^r Amt nicht erblid) in ir)rcr gamilie 
wachen foOten. @o einheitlich roie bie ©taatSoer* 
-waltung geftaltete Karl bie Verwaltung ber Kirche. 
%üx bie beutfcrjen Sanbe rourben 789 äJlainj, £rier unb 
Köln bie erjbifchöflichen ©tfce; r»on ben fecr)§ (fpäter 
ad)t) fächftfchen VtStümern traten fünfter, DSnabrücf 
unb 9ttinben unter Köln, Sßaberborn, §alberftabt unb 
Verben unter SWainj. 2für Vauern unb bie füböftlid)en 
Warfen erhielt ©aljburg 798 erjbifchöfliche fechte. 
35ie (Ernennung ber 93ifd)öfe lag tt>atfädt)Iidt) in ben 
£änben be§ Königs, ebenfo bie ber Äbte in ben 



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72 



Xtc ©tammtSjeit 



Slbftern, bic auf bcm »oben oon Königägütern be* 
grünbet roaren, unb ba§felbe SHec^t für ihre (Sleift* 
liefen, ja fogar ba§ iKed)t ber Verwaltung unb- 
Sftufcung Ratten bie @runbf)erren bei ben fcfjr $a1)U 
reichen von ihnen geftifteten Kirchen (©igenfird^en)^ 
Xte (Sine jentralifterte Verwaltung oerfudfjte Kart 

^uu 9 r ' au $ f ür bie «»i*ttöfte Oueüe feiner (Sinnahmen, für 
bie KönigSgüter, $u grünben, bie, aujjer bcm §au3gut 
ber Karolinger, au§ ben frühern meronringifchen unb 
langobarbifdjen Domänen, forote au§ bem herzoglichen 
©ut in Vanem unb ©chroaben, enblich au§ bem ge* 
famten ©runb unb ©oben in ben eroberten Warfen 
beftanben, alfo einen Ungeheuern Umfang Ratten. 
Sftarf) bem Capitulare de villis Don 812 verfielen biefe 
Domänen in einzelne grofje ©ruppen (fisci) unter 
Amtleuten (iudices); jebe umfaßte einen „@al(£erren> 
bof" mit $ahlreichen Lorffctjaften unb ©injelgütern, 
bie nad) ber 3<*hl unb SRechtäfteflung ihrer §ufen al£ 
freie, Stten* unb ®ned)t§t)ufen entroeber Natural- 
lieferungen ober 3r*onbtenfte,tn§befonbre auch geroerb* 
liehe 3lrbeit an ben §errenhof §u leiften Ratten, unb 
jroar nad) ber (Steuereinheit be3 Servitium, b. h- ber 
Verpflegung be§ königlichen $tfd)e§ für einen £ag. 
gür bie Abführung biefer Erträge bilbeten bie meift 
an ober in ber 9?ähe oon Sßafferftra^en gelegnen 
Äöniggpfal^en bie SDRittelpunfte: (Eompiegne, Dauere», 
$lttigni, §eriftal, 2)üren, Slawen, 9ttefc, Liebenhofen, 
Srier, Sflimroegen, Ingelheim, 9Borm§, ©peier, granf* 
furt, 6el$ an ber fränfifchen ©aale; roa8 ber $of 
nic^t oerbrauchte, rourbe oerfauft. 3 U ähnlichen 
Seiftungen rourben aber auch Vigtümer unb bie 
$Reid)3abteien hingeflogen, 
stauen 2)a§ geralanb be§ Geichs bilbete alfo ba§ beutfehe 

* auptftabt 2luftraften mit bem oftrheinifchen ^raufen unb bem 
angrenjenben Steile 9teuftrien§, faft burdjroeg altrömi* 
fche§ ©ebiet, von bem etnftSRom gleichseitig ©allien 



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£ie 3flac$tf)öf)e beä SReicf)3 unter ben Karolingern 73 

unb ©ermamen im ©c^orfam erhalten fcatte, mit 
jaf)lreid)en SBaureften biefer Qtit, * m 8 an S en oa ^ 
mittlere unb untere SRfjeinlanb, baS burd) bie günftige 
©eftaltung fcincS 3rtu&nefceg einen (eichten SBerfefjr 
geftattete. Sa^er tf>at Slart nod) einen weitem (Stritt 
aur ßentraltfation; ftatt bie (£rträgniffe ber $omdnen* 
gruppen in beren 9JHttelpunften, ben Sßfaljen, auf ju* 
brauchen, alfo bie SHeftbenj beftänbig au medrfeln, 
na^m er in ben legten beiben 3af>raef)nten feiner 
Regierung feinen ftänbigen @tfc in $lad)en unb machte 
biefe ^Sfala, bie aunädtft nichts mar als eine gro&e 
®ut§Tüirtfd)aft, tf)atfäd)lid) jur §auptftabt feines 
weiten SRetdjS. 

Sein SBerfud) nriberfprad) jebod) ber nnrtfdjaft* ®eSfe5" 
liefen (Sntu>icflung§ftufe feiner «ölfer, ber bur ^ roe 0 @TU Ä„ 
Jjerrfcfcenben ^aturalnrirtfd^af t. $iefe führte einerf eit§ ™Vft n 
in SBerbtnbung mit ben fteigenben militärifdjen 5tn* 
forberungen eines ©rofjftaatS a u einer immer roeitern 
Ausbreitung be§ SefjnSroefenS , ba§ aümäfyttcf), aud) 
in ben oftrfyeimf d)en Sanben, ben größten £etl ber 
»ermögenben ftteitn in bie ©efotgfdjaft be§ ftönigS 
unb feiner Beamten brachte unb bie fernere SReiteret 
jum eigentlichen ßern be§ £>eere§ machte, anbrerfeitS 
begünftigte fie bie 5lu8bet)nung ber ©runbfjerrfdjaften 
aud) im redjtSrljeimfdjen $eutfd)lanb, befonberS burd) 
bie ©rünbung aaf)lretd)er neuer Jöiötümer unb ßlöfter, 
beren oft nad) taufenben von £ufen ityUnbt unb 
über oiele einzelne Drtfd)aften t>erftreute ©üter (bafyer 
©treubefttj) in ähnlicher Söeife beiuirtfrfjaftet mürben 
nrie bie ßömgggüter. 93eibe Urfadjen arbeiteten an 
einer ftetigen ©erminberung unb ©infdjränfung be3 
freien 5Bauernftanbe§, ber in immer gröfjerm 3Jcafeftabe 
in 2Un)ängigfett von ben ©runbtjerrn trat, unb feine 
alten 2Jiarfgenoffenfd)aften burd) biefe 2Ibf)ängigfeit 
einzelner §ufen von ben ©runbfyerren beeinflußt, oft in 
ber freien STCu^ung i^rcr Slflmenben bebro^t fal). ftarl 



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74 



Sie 2tammcä3ctt 



fud)te al3 ©ojialreformer btefer Umroanblung ent* 
gegen$uarbeiten, inbcm er bic £f)ingpflicht burch 93e= 
fchränfung ber eckten (allgemeinen) £$tnge in ber 
fmnbertfchaft auf brei im ^af>re unb bie §erabfefcung 
ber ben nun tael häufigem gebotnen ^t)ingen 
verpflichteten freien auf fieben (r»ermögenbe) (Schöffen 
erleichterte, unb inbem er ba§ Aufgebot bei ir»eitern 
grelbjügen gelegentlich, nicht grunbfäfclicf), nur auf einen 
$eil ber freien ausbeute, aber grünblich f>elfen 
fonnten biefe gutgemeinten Verfügungen nicht. Senn 
gleich grofi roar ber mtlttärifche nrie ber nrirtfehaft* 
Iirfje 2rortfcrjritt bei biefer Umroanblung. Sie frän= 
fifdjen DSeiterljeere erlangten einen erftaunlictjen ©rab 
©onSeiftungSfähigteit, bieörofegrunbherrfchaften aber> 
bie ir)re abhängigen Seute nach einem beftimmten 
^piane arbeiten Iaffen fonnten unb baburef) Überfchüffe 
über ben eignen Vebarf erhielten, burchbracfjen bie 
Sfolierung ber alten SJtarfgenoffenfchaften unb er- 
zeugten einen regern Vinnenoerfehr. Siefer fnüpfte 
fief) junächft an bie ^faljorte unb S8if<^of§ftäbte, bie 
SJKttelpunfte ber größten ©ut^oerroaltungen, fjalf ba= 
burch anfelmliche Sflarftorte, auch an ben ©renken 
(3ttatn3, Sorftabt, Schleimig, Lüneburg, ßorch an ber 
(£nn§) bilben unb führte §ur Errichtung zahlreicher Sflün^ 
ftätten, übrigens nur linU r>om Olf^ne, bie feit $ipin 
nach ber biefer 2öirtfd)aft3ftufe allein entfprechenben 
©ilberiüährung prägten; ja er gab hie unb ba fogar 
fchon jur Errichtung großer SBertehräanftalten (ber 
SRfjeinbrücfe bei 9flain$, bem Verfuch einc§ ®anal§ 
Zroifchen Slltmühl unb SRejat, alfo bem Sonau* unb 
^heingebiet 793) Veranlaffung. Sie größte Seiftung ber 
©runbherrfchaften aber, ^u ber bie ifolierten Säuern* 
roirtfehaften gar nicht fähig geroefen wären, nmr bie ®r= 
Weiterung be§ 2lcf erlanbe§ burch umfängliche 9tobung§= 
arbeit unb planmäßige 8olonifation, teil§ in ben bin* 
nenbeutfehen Sanbfchaften, n>o bie Ebeln mit Vorliebe, 



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2>ie 2ttac$tf)öf)e bc§ «Rctdjä unter ben Äaroiingern 75 



bie SUöfter ftetS Sßalbfolomen anlegten, unb jaf)lIofe 
Ortsnamen auf —reut, — robe, — fdjlag, — fcfjroanb, 
— branb nod) heute biefe 2:ptig(eit bezeugen, teils 
in ben jüngft eroberten, bünn beoölferten füböftlidjen 
Warfen, roo tjorneljmlid) bie banrifdjen S3i§tümer unb 
ftlöfter ben faft tjerrenlofen ©oben bi§ tief narf) 
Kärnten unb ^ßannonien hinein in ©efitj nahmen unb 
fomit bie erfte ©ermamfterung flan>ifd)en 8anbe§ ein= 
leiteten. $ie herefdjenbe ftorm mar babei bie ßönigS* 
ober Söalbfmfe, bie einen langen, fdjmalen, aufammem 
hängenben Sanbftreifen r»on ber boppelten ober brei* 
fachen ©rö£e ber ®emannlmfe (32 bis 50 £eftar) 
bilbet unb auerft auf ben 8onig3gütem bei Söalb- 
robungen angeroenbet roorben ift. 

2Bäf)renb ftd) biefe ftortfehrttte mit einer genriffen j^JJjJJ, 
Sftaturnotroenbigfeit vollzogen, trug ba§ geiftige geben 5? 
biefer 3«it oen (5^ara!ter einer beraubten SHenaiffance, 
2Bie bie SBieberfjerfteQung be3 römifd^en ÄaifertumS 
im ©runbe nidjtS anbreS mar, al§ eine fold)e, fo ftrebte 
&arl aud) barnach, minbeftenS bie leitenben Greife 
feiner Golfer mit litterarifd^er, römifc^er ©Übung ju 
burd)brtngen, obrooljl ober aud) roeil er fte in feiner 
^ugenb entbehrt hatte, ©eine „$offchule" foflte auch 
©ornehmen Säten biefe ©Übung vermitteln, woran 
bamalS im 5lbenblanbe aujjer in Italien niemanb 
backte; au§ bem Greife oon (Mehrten, ben er um fid) 
oerfammelte (©inharb, Slngilbert, 3llcuin, s £aulu3 
2)iaconu3, ^ßetruS r»on ^ßifa), ging eine in ihrer 
3lrt l)öd)ft ad)tunggroerte jeitgenöfftfehe ©efchtd)t= 
fdjreibung unb eine biefer 3 ß ü fl a "i unentbehrliche 
Sitteratur gelehrter £anbbücher tyxvox; bie ^alaft* 
unb &ird)enbauten, bie Starl in 9lad)en, 9hmtt»egen 
unb $ngelh eim jum Seil mit römifchem Material 
ausführen liefe, burften fid) roof)l benen %tyot>o= 
ridjg in föaoenna &ur Seite ftellen, beffen Leiter* 
ftanbbilb beaetchnenberroeife ben s £lafc r»or ber $fat$ 



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76 



Sie ©tammegjeit 



ju 9lad)en fdjmücfte, unb unermübltd) fdjufen fleifnge 
3ttön<f)e in ben Venebiftinerflöftern an ben Söcrfcn 
bcr ftleinfunft in SJhniaturmalerei unb ©Ifenbetn* 
fcfyniöeret. 

r feit l "bafe er fld^ tro^ aller Venutnberung für bie anttf* 
römifcfye Shtltur bod) ein n>arme§ gntereffe für bie 
$etbenfagen ber §eimtf cfyen Söorjcit bewahrte unb fie 
fammeln lief?. $)emt in ber nmcfjtigen, tmpofanten 
(Srfdjeinung unb in feinen 8eben3gen>oJ)n{)eiten, in 
Neigungen unb ßetbenfd)aften mar er burd£)au§ ein 
$eutf<$er, ein f efter Leiter, S^ger unb ©cfynrimmer 
big an fein SebenSenbe, ein järtltcfyer, obwohl nidjt 
gerabe immer treuer ©atte unb Vater, beljjaglidi), un* 
befangen, oft fcfyulmeifterltdj lc^rt)aft im Vetfeljr mit 
feinen Vertrauten, e$rlid) mo^Irooflenb gegen jeber* 
mann unb bod) ooH föniglidjer SBürbe, furchtbar, 
^ermalmenb in feinem Qoxn, rafd) unb ftat)Ujart in 
feinem (Smtfdjlufj, nüchtern unb fcfyarf in feiner ©in* 
ftd)t unb bod) ootl ibealer ^ntereffen. 2113 ben Vor* 
fämpfer ber (Sfjriftentyeit gegen bie 9flol)ammebaner 
unb Reiben ^aben iljn bie Romanen im ©ebäd)tni§ 
behalten, al§ geroattigen §errfd)er, 9ttd)ter unb ©efefc* 
geber bie 2)eutfd)en, al§ ben „ßöntg" (fral) fd)led)t* 
meg bie ©laroen, unb ba§ aöe§ ift biefer größte 
ftürft unb Staatsmann be§ 9JlitteIatter§ aud) nrirflid) 
geroefen. 



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mnb bod) foflte c§ ftd), al§ er am 28. Januar 814 ©rünbe 
in Slawen üerfdjieben war, nad) wenig 3^ r ^ ^ufiöfun 
geigen, bafc ftd) bie fttaff e 9>leid)getnl)eit, bie er gefdjaff en 
fjatte, ntctyt galten liefe, ©eine ungeheure persönliche 
ftraft hatte ftdt) bem natürlichen ßaufe ber S)inge 
fdjeinbar mit ©rfolg entgegengeftemmt, jefet bradj fid) 
biefer unnriberftefyltd) auf§ neue 93a1jn. S)enn bie§ 
fränftfdje SReid) beruhte feineSroegS auf ben Slnfdjaus 
ungen unb 33ebürfniffen feiner Söölfer ober aud) nur 
feiner I)enf(^enben ©tcutbe, fonbern auf bem Söitten 
eine§ Keinen ÄretfeS leitenber 2Ränner unb auf ben 
JJntereffen ber 8trdje. $)em Saienabel lagen nur feine 
grunb!)errfd)aftlid)en ^ntereffen am $er$en, unb e§ 
fehlte i^m jebe <5taat§gefinnung, bie Staffen ber Söölfer 
lebten in flehten lanbfdjaftlidjen Greifen olme jebe 
enge unb rege mirtfdjaf tlidje SBerbinbutig bal)in. 

tiefer örtliche unb Ianbfc^aftlid&e ©onbergetft, 
nid)t ba§ Söiberftreben ber nod) faum jum SBeroufet* 
fein erroadjten ^Rationalitäten f)at ba§ $Retd) gerfprengt, 
ba§ ber 33ilbung§ftufe ber Götter weit t>orangeeilt mar, 
al§ eine einer roett höfcern Kultur entlehnte %oxm, 
unb nur bie Äirdje ift folgerichtig unb auSbauernb 
für bie @rf)altung ber $Reich§etnt)eit eingetreten. 



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78 



Xit StammeSjeit 



®*t$£p m 3n)iftigfeiten im ßömgS^aufe, bie golge bcr un- 
unb augrottbaren prümtrecrjtUcrjen Sluffaffung r»om ®önig- 
Rettungen ^ förbcrten bic siuf löf ung. ßubroigberftromme 

(814 - 840), von ben brci (Söhnen ßarl§ ber jüngfte 
unb ber einzig überlebenbe, nahm fd)on 817 feinen 
älteften ©o^n fiothar jum Sflitregenten an unb roie§ 
Subroig IT. (bem 2)eutfcf)en) Magern mit ben füböft* 
liehen Warfen, Sßtptn Aquitanien al§ abhängige $err* 
fchaften au, nm§ fi$ mit ber 9ieicf)3einheit noch vertrug 
unb är)nlicf) aud) unter 8arl bem©ro&enmü Italien ge* 
fcr)ehen mar. Aber bafj Subroig biefe Drbnung unb ba* 
mit bie Oteid^§einr)cit ju ©unften fetneS @ohne§ ^roeiter 
(£fye mit ber barjrifchen ©rafentodjter Subita, ßarl 
(be§ Bahlen, geb. 823) mieber unb roieber erfchiitterte, 
ba§ befchroor eine SReic)c hä&licher gramittenfrtege unb 
immer neue Zeitteilungen ohne jebe $auer herauf. 
Al§ ber £ob ihn 840 hwroegnahm, brach ^mif^en 
feinen brei (Söhnen (Sßtpin mar 838 geftorben) ber 
offne ßampf um ba§ (Srbe au§. $n ber mörbertf d)en 
SReiterfchlacht bei ftontanetum aroifc^en Aujerre unb 
S3ourge§ am 25. Sunt 841 erlag ßothar unb mit ihm 
ber ©ebanfe ber Dleic^§einr)eit ben beiben jungem 
trübem, unb al3 biefe ihren 5hmb im ftebruar 842 
ju Strasburg burd) feierliche @tbe bekräftigt Ratten, 
billigte Sotfjar im Auguft 843 in bie Stellung von 93er* 
bun, bie bie Sänbermaffe ßarlä be§ ©ro&en in brei 
unabhängige SRetche fdjieb, obxvoty ßottjar allein ben 
ßatfertitel führte. Öubmig erhielt ju SBaqern ade fianbe 
rechte vom ^eine unb ba$u bie UnfSrheinifcrjen ©aue 
von 9ftainj, ©peter unb 2Borm3, ®arl ju Aquitanien 
noc^ Sfteuftrien unb ba§ norbroeftliche SBurgunb, 
Sotfjar faft gana Auftragen, 93urgunb unb Italien. 
Cbroohl biefe Teilung ebenfo wenig al§ eine bauernbe 
gemeint mar, nrie bie frühem, fo hat fie bod) ben 
©runb jur felbftänbigen AuSbilbung eines beutfehen 
unb eines franaöfif d>en SReid)e§ gelegt; aber bie <fta* 



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Sic Huflöfung bc8 9Reid)3 



79 



tionalitätcn f)abtn weniger biefe deiche, al§ bic 
Sonberreiche vielmehr bie Nationalitäten gefchaffen. 
Nur ba§ unnatürlich gebilbete Neid) 8othar§ löfte 
fid) fd)on mit feinem £obe 855 burch bie Leitung unter 
feine brei Söhn* Subroig II., Sfarl unb Sothar II. in 
bie brei alten (Gebiete Italien, SBurgunb unb 2hiftra|ien 
(feitbem Sotharingien) auf, unb ba bie beiben jungem 
trüber rafdj ^intereinanber ftarben, fo teilten $arl 
ber ßahle unb fiubroig ber $)eutfd)e 870 Sluftrafien 
unter fid), bis fd)lie&lich fdjon 879 aucf) ba§ tr»eft= 
fränfifd) geworbne ßotharingien an ßubroigg be§ 
$eutfcrjen Sohn ßubnng III. fiel unb bamit bie 
Neid)§gren$e nach SBeften ^in abgefdjloffen rourbe. 

2)ie Kirche hatte biefe 3erfe£ung, bie Diele tyrer^^ 
Sprengel mit Zerrüttung bebrohte unb fte ber ©enmlt* spottttt 
tf)ätigfeit be3£aienabel3 auSfefcte, nicht hinbemfönnen, 
ab er fte f ud) te fid) bur d) neue Littel auf bie neue Sage ein* 
$urid)ten. Sie ftrebte beSljalb barnad), fid) in eine ge* 
fdjloffene, com ^ßapfttum ftraff monardhifd) regierte, 
von ben weltlichen ©eroalten unabhängige ©enoffen= 
fdjjaft &u oerroanbeln. $aher erflärte fdjon 829 eine 
^arifer Snnobe, bie firchliche ®eroalt ftetje über ber 
föniglichen, unb fur$ oor 850 entftanb bie foloffale 
gälfdjung ber fogenannten pfeubotfibortfd)en 2)efre= 
talen, eine feitbem roährenb be§ ganjen untritifchen 
Mittelalter^ für ed)t gehaltne Sammlung angeblicher 
päpftltd)er ©treiben au§ ben erften brei ^ahrhun* 
berten, in benen bie 93ifd)öfe von Nom ade bie Ned)te 
fchon ausüben, bie ihre Nachfolger, bie Sßäpfte, r>iel 
fpäter erft beanfprudjten. 3 u Ö^ e ^ * am °* e &i*d)e, 
um in ben $8olf3maffen f eftere 2öur$eln ju faffen, burch 
SNänner wie *ßafd)aftu3 NabbertuS, 9lbt r»on ©ornen, 
unb ben <£rabifd)of£infmar r»on Neim3 (845 — 882) bem 
Streben ber rohen, noch halb ^eibnifdjtn Golfer 
be§ 2lbenblanbe§, burch finnliche Erfahrung be§ £>eilg 
gerotfi $u werben unb ftd) ba§ Göttliche nahezu- 



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80 



S5te ©tammeSjett 



bringen, entgegen, inbem fie nicht nur ben ^eiligen* 
unb SReltquienbtenft förberte, fonbern auch bisher 
noch beftrittene 3lnfd)auungen, rote bie £et)re t>on 
ber Srotoerroanblung im Slbenbmahle $ur $errfchaft 
braute. Slufjerbem roar fie nach roie vor bie einzige SBe* 
roahrerin unb görberin ibealer Sntereffen unb getfttger 
SBilbung. 2)ie Söenebeftinerflöfter (£ort>eu, 
(St. ©allen, ^Reichenau, ^ßrüm erlebten bamalg ihre 
befte 3eit; fte festen bie farolingifche &eic$g gefönte 
fort, ja bie ©etftlichfeit machte fogar ben Sterfuch, 
ber reichftrömenben, ^alblieibnif^en SBolfSfage Grifts 
lidje Dichtungen in ber SBolfSfprache, namentlich ben 
oberbeutfehen „®rtft" unb ben fäd)fifd)en „#eltant," 
an bie (Seite ju ftellen. 

^unbiSen ® cn ® cbanfcn ' ba§ ^ ai f er tum roenigfteng bem 
fl »ei3e tarnen nach au erhalten, gab bie ftirdje beghalb 
feineSroegS auf, unb roo it)r bie ©eroalt be8 öaien* 
abel§ aHju bebrot)ltch erfchten, ba bemühte fie ftch 
roenigftenS ein SanbeSfönigtum aufzurichten, roie in 
Sttteberburgunb 879, in £ochburgunb 888. (Sie allein 
©erfolgte in biefer cerroorrnen unb aerfahrnen 3ett 
eine fonfequente, roeUt>orau§fcf)auenbe unb baher 
erfolgreiche ^olitif, roeil fte eine Jtörperfchaft mit 
feften unb alten Überlieferungen roar. 
mmt »^tenbbem befeftigte ftch ba§ oftfränfifche 9tetch 
^Rcijintcrunter ßubroigS be§ $eutfchen f efter unb roohl- 
bem 8 mollenber$Regterung(843— 876) immer mehr alSeinfelb- 
$eutf$en ftänbigeS ©anae. 2)te jentralifterte SBerroaltung ßarl§ 
be§ ©ro&en gab Subrotg al3 ungeeignet für bief e oerf ef)r8= 
armen 93auemlanbfd)aften auf; obwohl ihm dauern 
immer fein §auptlanb blieb unb burch feinen gewal- 
tigen Umfang roie burch bie SBebeutung ber befonbern 
ihm gefteüten politifcften Aufgaben im Often eine 3lrt 
Übergeroicht im 9^eid)c ausübte, begrfinbete boch 8ub* 
roig jene ber fpätern beutfehen ^aifergett eigentüm» 
liehe 3Banberregierung, inbem er mit feinem #ofe 



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Xie Kltfftfttng bcö töftdjS 



81 



von s «ßfal$ $u v $fala jog unb bei allen ©tämmen bag 
Königtum in ber für biefe naioe ^ulturftufe mirfungS* 
uoUften ftorm, burc$ perfönlidje Vertretung, sur 
©eltung bradjte. $te innere ©elbftänbtgfeit ber 
(Stämme taftetc er md)t an; aud) gegen bie nad) 
$arl§ be§ ©ro&en £obe roieber einreifeenbe ©rblicfyfeit 
be3 ©rafenamteS tfyat er nidjtS ernftltdjeä unb fal) 
fomit ruf)ig $u, rote in ben einzelnen ßanbfc^aften 
mandje grunbljerrlidje ©efd)led)ter $u einer über* 
roiegenben 9Jcatf)tfteHung gelangten, bie auf einer 93er* 
binbung von Söeftfc unb 5lmt§geroalt beruhte. 2)a= 
gegen förberte er eifrig bie von bem ©rofmater in 
Angriff genommnen Kultur aufgaben. $ie fdjon unter 
Subroig bem frommen vom neuen ©raftift Hamburg 
au3 burd) 9ln3far feit 826 begonnene norbifdje 9Jhf* 
fion errang in 3)änemarf unb @cf)meben einige frei« 
liefe roenig bauer^afte ©rfolge; im ©üboften roirften 
unter ben mäljrtfcfjen ©lamen in Tickten unb ^ßan« 
nonien bai)rifcf)e ©laubenäboten son^affau unb ©alg* 
bürg. (£3 mar ber erfte SRücffcfylag gegen biefe 2lu§* 
breitung beutfd)*d)riftlid)er Kultur, bafj r)tcr feit 863 
bie beiben gried)ifd)en ©lamenapoftel ®griHo3 unb 
2ttetI)obto3, von $apft ^o^ann VIII. bevollmächtigt, 
mit ©rünbung einer flamifdjen, vom grted)ifd)en Qxfr 
btötum ©irmium bei SBelgrab abhängigen National* 
fircfje begannen, unb ba& bann ©roatopluf (flaroifcf) 
©mjangtopolf, bafyer beutfd) Stoetttifolb) feit 871 bie 
Slawen in 2Jlä^ren, Sftorbungarn unb ^annonien 
jum grofemät)rifcf)en Sfteicfye aufammenfafcte. SBeit 
entfernt, ir)re alten 2lnfprüd)e aufzugeben, faljen bie 
weltlichen unb geiftlidjen ©rofeen SBat)ern§ feitbem 
in ben 9fläl)ren ttjre Sobfetnbe. $od) weit gefaxt* 
lieber al§ biefe mürben ben roeftlicfjen unb nörblicfjen 
Seilen be§ fränfifchen 9ietd)3 bie furchtbaren Staub* 
fahrten ber norbifefeen SBtftngerflotten, gegen bie fid) 
bie bisherige $eere§organifation ali oöllig unjuläng* 

$er Jöerbegang beä beutfd&en JöoIfeS I 6 



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82 



Sic Stammesacit 



lid) erwies, weil fic immer erft im Augenblide beS 
ßriegS, alfo $u fpät, in ftraft trat. 3uerft 841 waren 
bie Normannen in ber ©eine erfdjienen, 845 in ber 
untern (£lbe; 850 erzwangen fte ftd) fogar bie Ab- 
tretung eine§ SanbftrtdjS um $)orftabt. 

ffttnKidjc ® a§ ö Pf r * n ^W e 9*«$ berote§ aum erftenmale 
«cid» Halben felbftänbigen Söiüen, ftct) als ein unabhängiges 
8u bem fl ©anje 3« behaupten, als nad) bem $obe SubmigS 
®eutf<*en bc§ fDeutWen (28. Auguft 876 in ftranffurt a. 3«.) 
$arl ber ®af)le (£rbanfprüd)e geltenb machte. $>ie 
6d)lad)t bei Anbemad) 8. Dftober 876, bie erfte 
gemeinfame £f)at beS oftrheinifd)en (beutfdjen) Caien- 
abelS, fieberte ben fjortbeftanb beS 9*eid)S. $ar* 
nad) teilten eS aüerbingS nad) farolingtfd)em @rb* 
red)t bie brei ©öf)ne, Subwig III., ftarlmatm unb 
®arl III. (ber $)ide) unter fid), be^errfdjten aber baS 
870 teilweife, 879 üoüftänbig erworbne Stahringen 
gememfam, f)ielten aud) fonft aufammen, bis enbltd) 
ftarl III. nad) bem Stöbe feiner trüber 882 baS gan^e 
oftfränfifdje SReid) wieber in feiner fmnb Dereinigte, 
maiincji* £rol5bem mud)S bie SBebrängniS burd) bie SRor= 
™t mannen, befonberS feitbem biefe burd) bie fraftoofle 
belaufe 1 ©egenwehr AlfrebS beS ©ro&en von (Snglanb $urüd= 
gewiefen worben waren. Seit 879 wanbten fie ftd) 
wuchtig junächft gegen baS meftfränfifdje SReid^ ; ju 
Anfang beS Jahres 880 aber erlag ihnen ein fäd)ftfd)eS 
Aufgebot unweit ber ©Ibmünbung, bann festen fte 
ftd) in Afd)Ioh an ber mittlem SJfaaS feft unb plün* 
berten non bort auS ganj Auftragen twn &Mn unb 
Aachen bis Srier. $>aS alte ßernlanb ber farolin- 
giften 2Honard)ie mar in ben §änben fyeibnifdjer 
Barbaren, ja in bem ©efühle ber Ohnmacht trat 
ihnen ßarl III. fogar einen £eil ftrteSlanbS a ^ 
Sehen ab. 3n biefer 9tot friert nur eine Söieber* 
herftellung ber alten SRetchSetnhett Reifen ju fönnen. 
Allein bie (Erhebung ftartS ^um Äönig auch beS weft* 



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2)ic «iiflöfunfl bcä 9tei$S 83 

fränfifcfjen $eid)3 im 3Kat 885 t»erfef)lte iljren tfwecf, 
benn er wagte nid)t nur feinen Angriff auf ba§ 
Sager ber Normannen bei Söroen, fonbem erfaufte 
88<> fogar ifyren 9lbjug von bem belagerten ^art§. 
£)a fagten ftd) juerft bie banrifcfyen, fäcfyftfdjen, 
tfjüringif djen unb rr)cinfränfif d)en (£betn r»on ü)tn lo§ 
unb ermatten im Sflooember 887 feinen Neffen, ben 
®ofnt ßarlmanng, Arnulf r»on Kärnten, ber biefe 
Warfen fd)on feit längerer $tit nerroattete, ju ifyrem 
Könige. S)ie 2Beftfranfen folgten i^rem SBeifjriele, inbem 
fte ben ©rafen Dbo t>on SßariS $um ®ömg erhoben, 
unb als ftarl III. fdjon im Sanuar 888 ftarb, unter* 
roarf ft$ aud) 8d}roaben bem £ömg Arnulf. $ie alte 
©infjeit be§ ©efamtreid^§ roar enbgiltig aufgegeben. 

3)te erfte Öeiftung 9lrnulf§ nmr, bajj er bie *™jj[ ei 
Normannen am 1. Sftooember 891 an ber $)nle ent*WVir. 1 
fäeibenb fähig unb fte bamit für S)eutfd)lanb um mö u n n n b cn 
fdf)äblid) machte. $ann löfte ftd) otyne fein 3ut^un^ö^ren 
nad) <SroatopIuf§ $obe 894 ba§ grofte mä^rifd^e SHeidj 
nrieber auf. ®o fonnte ftd) SIrnulf 890 in Italien 
bie Äaiferfrone fyolen, ber erfte ßöntg eine3 felb* 
ftänbigen beutfcfyen SReicfyS, ber in SHom al3 §err 
einjog. 9Ktttlertt>ette aber ftieg im ©üboften be§ 
*Keid)3 eine r-iel fdjltmmere ©efatjr auf, als bie nor* 
mannifdjje jemals geroefen nmr, unb jroar mit bem ©in* 
brücke be§ ugrifd)*finnifd)en Leiter* unb SHäuberuolfS 
ber Jaguaren über bie Karpaten um 896, bem ba§ 
jerfpaltne unb aud) von ben S3at)ern mit blinber @r- 
bitterung befämpfte mäf)rtfd)e SReid) feine roirffame 
©egenroefjr mefjr leiften fonnte. @d)on 898 bebroljten 
bie 2Jlagnaren dauern, 899 oertjeerten fte §um erften- 
male öberitatien. 

Snmitten biefer bebrohlicben 9In*eid)en erlag,, 
Arnulf am 8. fce 8 ember 899 in Kegenkrg einem 11 » 
@$laganfat(. 2öar er mefentlicf) com Saienabel er* 6 $J™ 8 ' 
fyoben roorben, fo war bie ©rfyebung feinet crft fed)3= tütner 

6* 



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84 



Xie ©tommeSjeit 



jährigen <Sohne§ Subrotg (899—911) t>or allem ein 
2öerf ber beutfcfjen $Bifd)öfe, an ihrer @pt£e §atto§ oon 
SJcain*, ber nun bic Leitung ber Regierung übernahm, 
benn bic OeiftlidCjfcit roollte unb mufjte einen abermali* 
gen 3erfaß be3 $Hcic%§ auf alle fjalle $u ^inbern fuetjen. 
Unb bod) trat er ein. $)enn im Pommer 907 erlag 
bie 93lüte be§ banrifchen SlbelS an einem unbekannten 
Orte ber Dftmarf in furchtbarer $ernichtung3fchlacht 
ben fUcagnaren. $amit mar bie beutfdje ©errfchaft 
über bie Oftmar! unb ^ßannonien aerftört, in ben Oft« 
alpenlanben ferner bebroht, ba£ SBerf ßarlS beS 
©rofjen im ©üboften vernichtet, bie tf)atfäd)ttd)e $8or* 
machtftellung S3anem§ im deiche verloren, gana 
Seutfchlanb ben entf etlichen SRaubaügen ber SJtoguaren 
geöffnet, bie nun faft jahraus jahrein bie 3)onau 
hinauf bi§ nach ©achfen unb in§ Oit>eintanb ritten. 3 n 
biefer fchroeren Sftot vermochte nicht ba§ Königtum §u 
helfen, ba ihm feine jentralifierten 2flachtmtttel aur 
Verfügung ftanben, fonbern nur lanbfehaftliche, auf 
Heinere Greife befchränfte, aber hier auch mirffame 
©eroalten fonnten ber ©efahr begegnen. $)aher er* 
hoben ftch in allen <Stamme§gebieten grofce ©e* 
fchlechter $u h er 8oglicher 2Racf)t, in ©achfen unb 
Thüringen bie ßubolftnger, beren erfter bebeutenber 
Vertreter Otto (abgefürater ßofenamc au§ Otbert 
ober Dtfrieb) t»on $önig Slrnulf bie herzogliche 
©eroalt über £h u ri n 9 en erhalten hatte, in Lothringen 
©raf SReginar vom £ennegau, in ©dnt»aben bie 
„ßönigSboten" (roohl Vermalter be§ ßönigSgutS) 
(Srchanger unb ©ertholb; in granfen ftritten ftch um 
biefe Stellung noch in blutigen fjehben bie beiben 
mächtigften ©efchlecfjter ber ßanbfchaft, bie Söaben* 
berger unb ®onrabtner, in dauern rifc fte Arnulf, ber 
©ofm be§ 907 gefallnen ©rafen ßuitpolb oon ber 
Oftmarf, an ftch unb bef eftigte fte baburch, bajj er 
einen gro&en Seil be§ fttrchengutS einbog, um eine 



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Sic «uftöfinifl bc8 flleid)? 



85 



anfeljnlidje SBafallenretterei gegen bic Ungarn auf= 
ftcUcn su fönnen. $luf3 neue trat bie ungebrocrjne 
©elbftänbigfeit ber (Stämme Ijeroor, fte fdjuf fid£in 
ben ^eraogtümern eine erbliche monardjifcrje ©eroalt, 
bie ftc^ al§ eine revolutionäre 3ttad)t tl)atfäd)lid) an 
bie ©teile be§ Königtums fdjob, aber burd)au§ üoIf§* 
tümlid) mar, roeil fte bem <Selbftgefüf)l unb ben $8e= 
bürfniffen ber (Stämme entfprad). $te polttifcrjen 
(Schöpfungen ber Karolinger roaren in $eutfd)lanb 
faft gana gufammengebro^en, al§ iljr oftfränfifdjer 
3roeig mit bem $obe ÖubroigS in 3forcf)f)eim am 
20, Stuguft 911 ruhmlos erlofd). 

£rofcbem mar bai ©efütyl ber 3ufammengel)örig= «onrnb i. 
feit unb augleid) ber Unabf)ängigfeit bod) fo ftarf, 
bafj in bemfelben ftord^eim Konrab I., $>eraog t»on 
ftranfen, (911—918) aum König erhoben unb bamit jeber 
©rbanfprud) ber roeftfränfifc^en Karolinger abgelehnt 
rourbe; nur Sotyringen trat au ifynen über. 5lber 
ber ^erfucrj be§ neuen Königs, nad) bem SBorbilbe 
ber Karolinger bie SanbeStyeraogtümer a u *> crs 
nieten, fcrjetterte nollftänbig, obrootyl ü)n bie Kirdje 
fräftig unterftüfcte, unb er enbete bamit, baf$ er feinen 
gefährlichen ©egner, ben §eraog §einrid) oon Saufen, 
au feinem Sttadrfolger empfahl. $n fünf felbftänbige, 
innerltd) fd)arf gefcfjiebne, ungefähr gleichmäßige 
©tammftaaten anfallen, jerriffcn burd) bie ©egenfä^e 
aroifc^en fiaienabel unb Kircfye, ©runbfjerrfdjaft unb 
SBauernfreiljeit, gelehrter römifdjer SBtlbung unb beut-- 
fc^er (Sage, firc^lidjer (Safcung unb fyeibnifdjer ©e- 
roo!jnt)ett, fo trat bie roerbenbe beutföe Nation in 
eine neue 3eit ein. 



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dritter Brifvaum 



3it beuffdi-cömtfdiB latjcrfrif 

910 bis 1273 



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Begründung und Husfrau tut* tautfrfi- 
rönrirdiim R*Wl*. 919 dt« 1056 

ic attöglidtfeit, bic beutfcfjen ©tämme in eine 
Nation aufammenjufcfyroetfjen, beruhte barauf, ba| 
c§ gelang, bic @tamme§gebiete al§ polttifd)e93ilbungeu 
3U jerfefcen unb eine tf)rer Slulturftufe entfprecfyenbe 
SKeirf)3üern>attung $u begrünben. S8eibe§ ift gelungen, 
aber nur mit $ilfe ber ftirdje unb ber oon xf)x t>er* 
tretnen pf)ern antifen Kultur, alfo einer roeber polt* 
tifdjen nod) nationalen 2ftad)t, unb au§ biefem ©runbe 
nur baburdj, bafc ba§ Königtum über bie ©renken be§ 
beutfdjen $8olfStum§ n>eit IjmauSgriff. <So entftanb 
eine in iljrer 9lrt großartige $Reid5§t>erfaffung, unb 
2)eutfd)lanb gewann bie SBorljerrfdijaft im 9tbenblanbe, 
aber e§ war fein auf feinen eignen roeltltcfjen Gräften 
berufyenber nationaler Staat, unb barum mar roeber 
jene SBerfaffung nod) jene (Stellung von S)auer. 

$ie <$rf)ebung §etnrid)3 L (919-936) ^&ri^lar,€>emr«|§i. 
junäc^ft nur burd) bie ©ad)fen unb ftranfen, fteßte otbnunfl 
ba§ SKedjt ber beutf^en öbeln §ur Äönig§roal)l grunb* 
fäfctid) für immer feft, befeitigte aber audfj für alle 
3eiten bie prioatre^tlid)e 9luffaffung von ber 2etl= 




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90 bcittfö.römifäe flaifcrjeit 



barfeit ber föniglichen ©eroalt, alfo beS Deicr)S, ba 
bem regierenben §aufe ein rechtlicher ©rbanfpruch 
nic^t mehr $uftanb — ein Dütffchrttt unb zugleich ein 
^ortfehritt! 2Jht ber 28af)l eines Sadjfen »erfchob 
fich ber polttifche Schwerpunft beS Deichs abermals, 
bieSmal oom Süboften, von Magern nach bem Horben, 
nach ©achfen, baS feine altertümlichen 3 u f* anoc * m 
mefentlichen immer noch fcfthielt, in bem nüchtern^er* 
ftänbtgen, jähen unb bodj thatfräftigen ©h^rafter feines 
Stammes ben im hohen ©rabe $ur ©taatenbilbung 
befähigten Sftorbgermanen nahe ftanb unb in ben ba= 
malS roichtigften Dichtungen ber auswärtigen beutfehen 
^ßolitif, in bem Verhältnis gu ben Slawen unb $)änen, 
nach oem Dtebergange Jauerns bie Rührung hatte. 
Heinrich I., ber echte StnpuS feines Stammes, ber größte 
©runbherr SadjfenS burch feine ©üter in Söeftfalen 
unb ringS um ben §ars bis jur ©aale unb <£lbe, 
unb emporgefommen in ben ©ren^fehben mit ben 
Slawen, begnügte ftch bamtt, bie $er$öge aller Stämme, 
92(5 enblich auch ©tfelbert von Lothringen, SReginarS 
Sohn, $ur Anerkennung feines Königtums ju bewegen 
unb in allen Stammesgebieten baS farolingifche ®rom 
gut, foroie bie (Ernennung ber 33tfcf)öfe an ftch zunehmen; 
aber bem $er$og Slrnulf von ©anern überlief er auch 
bieS 9ied)t, unb in bie Söerhältniffe ber Stämme griff er 
fo wenig ein, bafj er fie nicht einmal $ur $eereSfolge 
oerpflichtete unb ihnen fogar in ber auswärtigen 
^ßolttif ziemlich freie £anb lief*. So mar Heinrichs I. 
Königtum mehr ein Sinnbtlb ber nationalen ©inheit^ 
als eine 9flacht, baS Deich ein locf erer $unb fouoeräner 
StammeSftaaten. 

ftHnrgsi. n)anbte f einc ^^tigfeit faft auSfäliefc 

über ixty @achfen ju. ©eine erfte ßeiftung mar fyitx bie 
Sttnen unbUmgeftaltung ber Söehrmacht, inbem er, befonberS 
Ungarn mit md ^ t auf bie u„ gar „ ge fahr, bie 924 auch 

Sachfen wieber betroffen hatte, burd) Canöoergabung 



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»cgrünbung unb ftitöbau bcö beutf^«römif(^cn WcidjS 



Ol 



eine ftarfc SehnSreiterei neben bem SBolfSaufgebot 
aufftellte unb in bem nod) ftäbtelofen ßanbe eine 
SKeitje von ^läfcen, metft im Often (3Herfeburg, 
Ctuebltnburg, ©oSlar u. a. m.) als §auptpunfte für bie 
SBertetbigung befeftigte, beren ftehenbe 93efat3ung bie in 
ber Sftctye angeftebelten Vafalleu bilben fönten. 9flit 
biefem §eere gelang ei ihm 927/29, bie (£lbflan?en unb 
bie £fd)ec§en in J8öf)men berart nieberauroerfen, bafj er 
im ©ebtete ber £>eoeHer um Söranbenburg bereits einen 
HJlarfgrafen einfefceu unb im Sanbe ber forbifchen $a-- 
lemtnjter bie SBurg 9Jietfjen anlegen f onnte, roährenb er 
ben Dbotriten unb £fd)edjen ihre ftürften, alfo ihre 
innere ©elbftänbigt'eit, nod) lieft. ®ie§ auf bie $)auer unb 
Doflftänbig niemals roieber erfdjütterte (Ergebnis oer* 
banften bie Sadjfen nicht fo fetjr ihrer n>irtfd)aftlid)en 
als ihrer politifch * militärif d>en Überlegenheit. £)ie 
©laroen roaren längft in zahlreichen fleinen eng ge* 
bauten ©efchledjtSbörfem ijRunblingen ober «Strakens 
börfern)gruppemoeife,baherin$iemltch ungleichmäßiger 
Verteilung angefiebelt unb begnügten fid) mit bem Ein- 
bau beS offnen, leisten SBobenS, liefen bie Ungeheuern 
2öalb* unb ©ruchftreefen gan$ unberührt, fyattm aber 
nicht nur gifcfjetei unb Viehzucht, fonbern aud) baS 
^anbmerffdjon ziemlich roett entmief elt unb ftanbenin 
einem gemiffen Verfe^r mit bem bnaantinifdjen unb 
arabifchen s iflorgenlanbe. dagegen mar bie 3Jlel)raat)l 
ber urfprüngüch freien SBeoölferung ferjon einem zahl* 
reichen 3lbel hörig unb baS ganze Volf nicht nur in 
mehrere grojje ©tämme geteilt, von benen bie Dbotriten 
unb ßiuti^en (Sßiljen) ben ^olen näher ftanben als 
ben ©orben unb £fd)ed)en, fonbern biefe auch in 
zahlreiche f leine ©aufürftentümer, jebeS mit einer 
feften ßanbeSburg (hrad, grad) als politifchem unb 
militärifchem 2JMttelpunft jerfplittert. (Sine Ausnahme 
bilbeten nur bie £fd)ed)en unb ^ßolen, bei benen ftd) eine 
nationale erbliche £erzogSgen>alt, hier ber^taften, bort 



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92 



Sie beittf$«r&mif$e Äatferaett 



ber $rfchemu§ltben über bcn (Sauen erhoben hatte. S)a= 
her waren roenigften3 bie (Slbflamen bem frtegerif dhen, 
nach (Eroberung brängenben, jefct einheitlich geführten 
fdd^ftfd^en 2lbel nicht gemachfen. Sludj gegenüber ben 
$änen nahm Heinrich bie ^ßolttif ÄarlS be3 ©rofcen 
fraftooll nrieber auf, inbem er 934 bie (Siber über* 
fcfjritt unb ben Sanbftricf) bi§ jur ©djlet als Sttarf 
©chlegnrig einrichtete. Slber in ber banfbaren @r* 
innerung feine§ SBotfeg lebte er oor aflem fort al§ 
ber SBefreier von ber Ungarnnot, benn er vernichtete 
im ©ommer 933 nach b*w Ablauf eineS neunjährigen 
2öaffenfttflftanbe§ bei SRtabe (n>o^I ba§ Sftteb bei 
9lrtern an ber obem Unftrut) unb im $)römling bie 
plünbernben föetterfchroärme ber SKaggaren unb 
fdjrecfte fie baburch für immer von Sachfen jurücf. 

cnoVi. 8 @0 f e f* roar ba§ i un Ö e Königtum ber Subolfinger 
burch bie nüchterne unb energtfdje 9lrt feine§ 33e* 
grünber§ bereits gemurmelt, baf$ er furj t>or feinem 
$obe (2. ^uli 936 in Hemleben) ohne (Schmierigfeit 
bie 2lnerfennung feinet älteften ®ohne§ au§ ber 
ameiten <$he mit 2Kathilbe, Otto (geb. 912), 31t feinem 
Nachfolger burchfe^te. 2lber mährenb Heinrich I bei 
feiner ©rfjebung noch bie firchliche 2öeihe abgemiefen 
hatte, fnüpfte Otto I. (9315—978) unmittelbar an ßarl 
ben ©rofjen an unb empfing baljer auf altfränfif ehern 
SBoben nicht nur bie roaffenflirrenbe gulbigung be§ 
beutfdjen £aienabel§ in ber lange oergeffenen faifer* 
liehen Sßfafy gu flachen, fonbern er nahm auch im 
2Jcartenmünfter bie Ärone au§ ber §anb be3 ©rj- 
bifdjofS oon SWainj. 3nbem bann beim ßrönungg* 
mahle bie ©erjöge jum erftenmale bem jungen Könige 
bie §ofbienfte leifteten, befunbeten fte finnfällig, nrie 
hoch fich ba3 Königtum ber Subolftnger über fte er* 

m öoben habe. 

ßtamwe* 2)iefe Stellung $u befeftigen unb bie #er$öge wirf- 
tumc?" lid) in folche^lbhängigfeit ju oerfefcen, baju beburfte e§ 



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23cgrünbtutg unb ?luöbau beä beutfdr-röinifdjeu {Ret<$$ 93 



freilief) nocf) fdjroerer kämpfe. 2)te ©elbftänbtgfeit 
«anernS üerfürjte Otto fofort na$ 9lrnulf§ 2obe 937, 
inbem er fi$ aud) hier fortan ba§ SRedjt, bic 93ifd>öfc 
ju ernennen, porbet)ielt; bie (Empörung feinet altem, 
ntd)t al§ ebenbürtig anerkannten ©tief bruberS ^^anfmar 
unb be§ $erjogg (£berf)arb uon granfen roarf er 938 
fraftooH nieber; eine neue ©rfjebung beSfelben §er$ogg, 
feines Jüngern, unter ber ftönig3frone gebornen ef)r* 
geizigen SBruberS ©einriß unb ©ifelbertS oon fiot&ringen, 
bie von grantreid) l)er unterftütjt rourbe, enbete mit 
bem pralle beiber ©tammeSfürften bei 9lnbernad) 939 
unb ber Unterwerfung §etnrid)§ 941. fjortan bet)an* 
belte Otto ba8 ^erjogtum nid)t als eine erbliche 
©tammeSgeroalt, fonbern al§ ein oom ßönig ofme SHürf* 
ftdjt auf bie ©tammeSangefjörigfeit $u oerletfjenbeS unb 
nrieber 31t ent$iec)enbe3 s Jieid)§amt. 3n grauten liefe 
er e3 ganj unbefefct, in Kötteringen übertrug er e§ 944 
feinem ©dmnegerfof)ne, bem tapfern ftranlen ßonrab 
von 2öorm3, in ©auern 947 feinem ©ruber §einrid), 
in ©djroaben 949 feinem ©olme Subolf aug ber ($f)e 
mit ber ebeln 5lngelfad)fin @bttf)a, alfo burcrjroeg 33er* 
toanbten be3 tönigltd)en §aufe§. ©leic^jeitig übertrug 
er in allen ©tammeSgebieten bie regelmäßige ©teUoer* 
tretung beim ftönig3gerid)t unb bie Verwaltung be§ 
ÄronguteS einem ^ßfafygrafen. (£3 mar ein ernfter 
SBerfud), bie ©tammeSoerfaffung mit ber 9*eid)3einf)eit 
$u aerfölmen, inbem bie ftrone tf>re §äupter oon fid) 
au§ einfette unb it)re 2Jiad)t burd) ^fafygrafen unb 
93ifd)öfe befdjrchtfte, aber bie @tnt)ett unb ba8 SRecfct 
be3 ©tammeä befielen ließ. 

3unäd)ft fdjien ftd) bie neue Drbnung aud) nad) ® ic a |* n 
außen &u bemäljren. $)em 9Iufftanbe eineg £eit§ ber losrtigen 
polabifcfjen ©laroen nmrbe 00m Sftarfgrafen ©ero, er f° l 9 e 
bem eckten £npuS biefeS garten, tnegerifdjen fäd)* 
ftfdjen 2lbel3, burd) bie SBiebereinnaljme SBranbem 
burgS 940 bie ©pitje abgebrochen, barauf mit ber 



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94 



2)ic beutid)*römtfd)c ÄaiferAcit 



©rrtchtung von 93i3tümern im SBenbenlanbe (941 gciüd- 
berg, 946 Ottenburg -©targarb, 948 SBranbenburg) 
unb fogar in 2)änemarf (Schleimig, #Upen, 5larhu§ 
948) begonnen, Böhmen nach ber ©rmorbung be§ 
erften chriftltchen £>er$og3 Söenceflaro burd) feinen 
©ruber Söoleflaro 935 enblid) 950 roieber jum ©ehor* 
fam gebracht @ogar in bie kämpfe ber legten 
fran$öftfchen Karolinger gegen ihre trotzigen ^afaöen, 
namentlich ben übermächtigen §er$og §ugo oon gran= 
den, griff Otto I. 946 gunften König 8ubnrig§ 
gebietenb unb fcfjlicfjtenb ein. 3a er richtete feine 
$Iufmerf[amfett bereite nach Italien, ba§ feit 3at)r- 
jehnten ber (Spielball in* unb au^länbtfcher £l)ron- 
beroerber mar. 3ll§ bort enbltch nach bem £obe 
§ugo§ von Söurgunb fein Nebenbuhler, nftartgraf 
Berengar oon Qfcrea, ftch 950 bie eiferne Krone auf 3 
£>aupt fefcte unb, um bie burgunbifd)en SInfprüche 
für fein §au§ ju geroinnen, §ugo3 £ocf)ter, bie jung 
oerroitroete 2lbelf)etb, zur Gfyt mit feinem ©ohne 
Slbalbert jroingen rooflte, trug biefe ihre £anb unb 
bamit ihre lRed>te bem beutfehen König an, beffen 
©emahlin ©bitba fchon 946 oerftorben roar. Sftocf) 
vox Otto eilten Subolf uon Schwaben unb Heinrich 
r>on dauern, in eiferfüchtiger Nebenbuhlerfdjaft um 
bie 2lu3behnung ihrer 3Jlad)t nach Italien roetteifernb, 
über bie 2llpen, Otto felbft vermählte ftch in $aoia 
mit 2lbelf)eib unb liefe fich im September 951 jum 
König ber öangobarben frönen, inbem er bann bei 
feiner SRücftehr im gebruar 952 bie roeitere 93c* 
fämpfung Berengars feinem ©chroiegerfohne Konrab 
oon Lothringen überlief. 

fÄtibuna«- ® cnn fä> on Probte l cne ©iftrfucht jroifchen Oheim 
fampf mit unb Steffen unb bie S8eforgni§ Subolf 3 vox ben et* 
stammet Taigen 3lnfprüchen eines @tiefbruber§ $eutfd)lanb 
tü r m«n roieber in ®ranb $u U$™> «nb biefe ©efahr trat 
wirf lieh ein, al3 fich ^er^og Konrab, pcrfönlich oer* 



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»cflrünbung uub SttUott bcä bcutfd)«römif$en üRetd)3 95 



le^t, auf be§ ©d) tt> ab enf)er$og§ (Seite fdjlug, roeit ber 
üöniQ fein eigenmächtige^ 2lbfommen mit Berengar, 
monad) tiefem bie italienifcfye ßrone al3 beutfcfjem $Ba= 
fallen blieb, nur jögernb beftätigt t>atte. (gdjlie&ltd) er= 
Ijoben ftd) aud) bie Stenern gegen itjren Ianbfremben 
$er$og £>einricl). ©egen biefe SBerbinbung ganj per* 
föntidjer $8en>eggrünbe unb alter ©tammeSgegenfäöe 
behielt ber ®önig in garten kämpfen befonberg um 
9flatn$ unb *Regen§burg 952/54 ben <5ieg, obroofjl bie 
Ungarn ben Slufftänbifcrjen 954 burd) einen (Einfall 
ju §ilfe famen. 5lber biefer narfte SanbeSoerrat ent* 
fdjteb fd)lief3lid) für Otto, unb bie ©erlöge unterwarfen 
ftd). <Sie mürben begnabigt, erhielten aber tl)re hinter 
nid)t $urüd. <5d)n>aben fam an einen etnbeimifdjen 
@beln, Söurfarb, bie SSerroaltung £otf)ringen3 l)atte 
fcfjon 953 be§ 8önig3 Söruber, (£r$bifcl)of 93runo von 
®öln, übernommen, nad) beffen £obe e§ 959 in jwei 
feitbem meift getrennte Herzogtümer, Ober* unb 
9tteberIotf)ringen, aerfiel. 

Ratten ftd) bie «Rebellen fd)liefclid) fogar bicJJ^ 1 ^ 
alten Öanboerberber, bie Ungarn, ju rufen nid)t ge* "unb 0 ™ 
fdjeut, fo em)ie§ ftd) ba§ ftegretcfje, neu bef eftigte ^rfunft 
Königtum fofort al§ bie einigenbe unb fdjtrmenbe ©e- bcr@latocn 
malt ber Nation. 2ln ber «Spt^e be§ erften gefamt* 
beutfdjen Aufgebots, ba§ ein fiubolftnger in§ gelb 
führte, roie§ Dtto in ber glorreichen Ced)f elbfd)la<$t bei 
$lug§burg am 10. Sluguft 955 bie Jaguaren für alle 
Reiten auS 3)eutfd)lanb jurüd unb bahnte bamit ben 
dauern ben 2Beg jur 2öieberl)erftellung ber Dftmarf, 
bie fdfjon um 970 ir)re Brenge bi§ an bie breite, rei&enbe 
£raifen oorgefdjoben hatte, ftm Dftober beSfelben 
3al)re§ 955 fiel in ber <§d)lad)t an ber SRaja (SRefe* 
ni$) bie ©ntfdjeibung über ba§ feit 954 nrieber em* 
pörte ©laroenlanb, ba3 2Jcarfgraf ®ero bann bi§ 
963 bi§ jur Ober unterwarf. Wad) bem $obe be§ 
grimmigen <5d)lad)tenfteger3 965 teilte Dtto ba§ oon 



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96 Sit beutfd)*römtfd)e Aaifcrjeit 



if)m geleitete ©ebiet in fünf gefonberte 9Jtarfen 
(Sflorbmarf um 93ranbenburg, £auftfc von ber ©aale 
big jum 93ober, 2Ketf?en, SKerfeburg unb 3eifc im 
©orbenlanbe), wäfyrenb ba§ Dbotritenlanb ben fä^- 
ftfcfjen 93iüungern oerblteb. $)er ©runbbefifc blieb 
nur teilwetfe al§ 2tf)n& ober 3™ § 9 ut & en Slawen, 
aum anbern £etle würbe er eingebogen unb an bie 
beutfcfjen ftird&en gefdjenft ober an beutfdje Söaf allen 
»erliefen, befonber§ in ber 9Zäl)e ber SBurgen, bie 
nun al3 2ttilitärfolomen bie StüfcpunJte für bie 
beutfdje $errfd)aft btlbeten. 2)ie weitere 9lu§ge= 
ftaltung ber ßird)enoerfaffung würbe erft 968 mit 
ber Stiftung be§ <Srabi§tum§ Sftagbeburg für ba§ 
ganje ehemalige $8erwaltung3gebiet ©ero§ unb mit ber 
(£rrtd)tung ber brei $8i§tümer9Jteij5en, 3eife unb SJterfe* 
bürg ab gefdjloffen. 
©mnb. SBäljrenb biefer kämpfe unb Söanblungen hatte 
Teu*» 8 '^ tto anbre©runblagen für bie 9*eid)§oerfaffung gcfun* 
ben. S)ie neue ©inorbnung ber Herzogtümer hatte ftd) 
it)m wenig bert)ät)rt. SBenn fogar feine nädjjften Ange- 
hörigen au§ @goi3mu§ unb £eibenfct)aft ju SHebeflen 
an ü)m geworben waren unb bei ifjrem fiaienabel 
Unterftüfcung gefunben Ratten, fo liefe fid) auf biefen 
Saienabel ba3 Oleid) offenbar nid)t grünben. 2)enn 
in biefem 3*italter ber Sftaturatwirtfdjaft, wo ®rteg§* 
bienft unb Amtsgewalt unzertrennlich mit einem be- 
ftimmten ©runbbefi^ 5ufammenJ)ingen,unb beibe bafyer 
unoermeibltch jum erblichen, prümtred)tlid) betract> 
teten 93eft£ be§ ©efd)led)t§ würben, wo ein uennen§ ; 
werter SBerfefyr gwtfchen entlegnem Sanbfchaften beS 
SReicf)§ nicht beftanb, war eine fefte, rein weltliche 
StaatSorbnung nur aufzurichten innerhalb eines Hei* 
nern ©ebietS, wo bie SBerbtnbung ber einzelnen burd) 
Stammeggenoffenfchaft unb Sßerwanbtfdjaft, SHecht, 
Sitte unb Söeftfc unb bie beftanbige perförtlid^c ©in* 
wirfung be§ §errfcher3 bie mangelnbe Staat§gefinnung 



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«egtünbung unb ÄuSbau be8 beuif^«römtfd)cu 9tetd)3 97 



erfefete, ober auf erobertem SBoben, 100 ba§ Sntereffe 
an ber eignen Sicherheit bie fyerrfdjenben (Eroberer 
unter fld^ unb mit ihrem §errf eher $ufammenjn)ang. $)ie 
erfte biefer beiben Vorbebingungen beftanb in $>eutfcf)« 
lanb in ben ©tammeägemeinfdjaften, fpäter in ben 
großen weltlichen unb geiftlidjen §errfd)aften, bie be§* 
halb eine merfroürbige 3^igfeit in ihrem SBeftanbe 
zeigten. 2)ie §n>eite war fyier nur in ben eroberten 
9Jlarfen t>ort)anben, nicht in ben eigentlichen 9ieich§- 
lanben, benn bie 2)eutfd)en faßen nicht auf erobertem 
SBoben unter ftremben, fonbern auflctngft offupiertem 
©runbe, al§ eine rourjelechte, nicht al3 eine aufgepfropfte 
SBeoölferung. $)a ba§ SHeidj auf biefer §meiten ®runb* 
läge nicht beruhte unb auf bem «Stammegftaat nicht be* 
ru^enfonnte,alfoüberbiebamatigepoIitifd)eS8ilbung§= 
ftufe roeit hinaufging, unb boef) fd)on um ber Sicherheit 
unb ber Söeltftetlung biefer Stämme, benen bie (Sin* 
heit gunächft allerbtngf oon außen, burd) bie frän* 
fifdje (Eroberung, auferlegt toorben mar, unter aßen 
Umftänben erhalten werben mußte, fo mußte ba§ 
Königtum feine Stüfcen bei ber 3J2ad)t fucfjen, bie 
wenigftenS bie tiefte einer Pbem Kultur befaß, bei 
ber Kirche. $)enn biefe allein Ijatte bamal§ $been 
unb ^beale, fie erfüllte ihre Liener mit einem ®e* 
famtbenmßtfein unb einer Eingebung ber ©injel- 
perfönlid)Iett an ein großes ©anje unb feine 3wecfe, 
mit einer Selbftbeherrfchung unb Umfid)t, wie fie 
bamalS in Saienf reifen niemals ober nur feiten oor* 
hanben waren, fie überfpannte mit bem üftetje ihrer 
SSiStümer unb Älöfter ba§ ganje tHctd^ unb hatte tfjre 
einheitliche Sptfce im ^apfttum, fie befaß längft bie (Sin* 
heit be§ Rechts unb ber (Sprache unb eine burchgebil* 
bete fchriftliche Verwaltung mit feften, oft ftäbtifchen 
2JUttelpunften, fie bewirtfehaftete ihre ©üter mufter* 
haft unb oerwanbte ihre reichen ©rträge überwtegenb 
ju allgemeinen 3wecfen. Shir^, fie oerfügte über 

2>er aOßcrbegong be§ beittfd&en JÖoIfeS I 7 



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98 



Die beittftfcrömifctie flaifetjett 



alle§, ma§ ein großer (Staat feinem SBeftefjen 
beburfte. 

®ic neue 2)iefe ^irdje oermanbelte nun Otto L in ben mid)* 
finftna" tigften Präger ber 9ieid)3üerroaltung. $enn fraft feines 
bamalS unbeftrittenen (SroennungS * (3nt)eftitur)red)t§ 
übertrug er afle 93i3tümer (bamalS im gan§en 27) 
imb SReidj)8abteien an 9Mnner fetneS Vertrauens 
(953 min an feinen «ruber «runo, 954 2Kain$ an 
feinen (Sohn Söilhelm, 956 £rter an feinen Vetter 
$einrid) u. f. f.), bie, ba für 8if dtjdfc unb Slbte bie @he* 
Ioftgfeit ©efet> mar, nicht baran benfen tonnten, biefe 
$mter in ihrem ©efd)lecht erblidt) §u machen; er 
oermanbte fte al§ Ratgeber, ©efanbte unb jumeilen 
fogar al§ Heerführer, fur$ als SReichSbeamte, er ftat* 
tete bie SUrd)en planmäßig mit großartigen (Sehen* 
fungen meift unfultixrierten 8anbe3 au§ unb nerlteh 
ben S8ifd)öfen unb #bten md)t bloß 3flarft*, 3o£U 
unb 2ftünared)t, fonbern fpäter (juerft an 3Jlainj unb 
min) aud) bie gräflichen fechte auf ihren (Mtern, 
bie baburd) au Immunitäten im neuen (Sinne mürben. 
2)afür nahm er fte aber auch für ben Unterhalt be§ 
£>ofe3 burd) Lieferungen (servitia) unb für ben 9ieid)3* 
fjeerbienft ebenfo in 9lnfprud) mie ba3 D^eichSgut, ju 
bem biefe ftrcfylicfyen Veft^ungen nach wie t>or ge* 
rechnet mürben, mie fie benn aud) meift au3 ihm 
hervorgegangen maren. Jgnbem bie Ärone bamit einen 
großen £etl be§ beutfcfjen 93auernftanbe§ unter bie 
mohlmotlenbe unb oerftänbige §errfd)aft be8 Ärumm« 
ftabS brachte, hat fte mahrfchetnlich beffen ftnedjtung 
burd) ben roeltlichen Slbel cerhinbert unb feine ßraft 
für bie großartigen Aufgaben einer fernem ßufunft 
erhalten, alfo eine fojiale Öetftung erften Ütangeg ooH* 
bracht. 5 rc ^i^ 3 en ^^cgie^ung mit einer 

feften £auptftabt, mie fie 8arl ber ©roße roenigftenS 
erftrebt hatte, mar aud) mit £ilfe ber 8trd)e nicht 
möglich, benn auch fie mar an bie mirtfchaftltchen 



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ajcgrünbimg mib Huäbait be8 beiitfc^-römi^ctt 9teid)8 09 



SBebingungen bcr Qeit gebunben, fonnte alfo tfjre 
ßeiftungen an ben $önig3f)of unb für bett !Hetcf)3* 
bienft nur in ben formen bei Sftaturallieferungen unb 
bcr 5luffteHung eigner SBafaüenreiter machen; auf*er= 
bem forberten bie (sdjnrierigfeiten ber Söerbinbung auf 
weitere Strecfen n>ie bie ©emöfjnung ber fiaien an 
perfönlid)e§ (Eingreifen unb münblid^e Söerfjanblung 
bie ©egenroart be§ ßömgS. $af)er blieben aucf) 
Otto I. unb feine Sftad)foIger bei ber Söanberrefibenj, 
bie if>r 8eben ju einer fortgefetyten SHeife von ^ßfalj 
$u ^ßfal§, von 93tfd)of3l)of $u *8ifd)of§f)of machte, fie 
aber aud) burd) biefe „retftge MgegenTOart" in bt- 
ftdnbige ^erbtnbung mit allen Stämmen braute. 9Hd)t 
ftäbttfd) mar bieg 3)afein be§ beutfdjen 8ömg§, fon* 
bem ba§ Seben eine§ großen ©ut§l)erm, ber überall 
felbft sunt Steckten fietjt, aber umgeben mit ädern 
©lanje ber 2ftadj)t, unb um biefen länblid)en Söanber* 
f)of mit feinen l)unberten Don $8tfd)öfen, @beln, 58a- 
fallen unb Wienern, feinen taufenben von Sßferben 
unb $agbl)unben, feinem rüftigen Weiterleben auf 
ber Sanbftrafce unb ber 2ötlbbat)n bewegte ftd) bie 
gan^e beutfc^e unb nidjt feiten aud) bie europätfdfje 

Um nun aber ber fjoljen (Mftlid)feit, bie jefct wot. 
ba§ SHeitf) vox allem trug, für aüe galle ftc^er ju fein' xmn $ lv 
um ieben Söiberfprud) jrotfdjen ttjrer $Reid)3pflid)t Ädfe* 
unb i^rer ^Pfltd)t gegen bte Sttrdje von üornfyerein ab- 
$ufdmeiben, mufrte ber ßöntg aud) über ba§ ^ßapft* 
tum ebenfo verfügen fönnen, rote über jebeS anbre 
S8i§tum be§ föetd)3. 5Da§ aber vermochte er nur al§ 
römifdjer ^aifer. So führte nicf)t etwa romantifcfye 
€>d)ro ärmer ei, aud) nid)t blo£ bie f arolingifd)e £rabition, 
fonbemberßroang ber neuen auSberÜftotroenbigfeitber 
2)inge Jjerüorgegangnen SReid)3t)erfaffung Otto I. über 
bie ©ren$e beS beutfdjen $8olf3tum§ roeit l)inau§, 
unb bie römifdje 8aif erfrone mürbe nid)t etma ein 

7* 



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1U0 



2üe bcutfd)«röniijdje Aatfet^eit 



©cfjmutfftücf , fonbern ber 8d)luf?ftein be§ beutfrfjen 
©taatggebäubeg. 
limi ®* e nädjfte Söeranlaff ung , bie Otto im (Sommer 
$%t' 961 jum jroeitenmale über ben Brenner führte, war 
bie Untreue Berengars, ©eine ©efettigung machte 
wenig Sdjmierigfeiten , audf) in SRom jog Otto am 
31. Januar 962 ol)ne 6d)wertf<f)lag ein, ntdjt alg Er* 
oberer, fonbern al§ ber gerufne unb berufne ©d)irm* 
Ijerr, unb er empfing r>ier am 2. ftebruar mit feiner 
©emaf)lm 2lbelf)eib au§ ben £änben $apft 3o* 
f)cume3 XII. bie ftaiferfrone. 3)ann oerpflicfytete 
er buref) bag Privilegium Ottonianuai oom 13. 
bruar bie Börner, ben $apft in fanonifdjer Söetfe ju 
meinen unb nt<f)t eljer $u meinen, alg big ber ßaifer 
feine SBeftätigung gegeben tyätte, wäfyrenb biefer felbft 
bie päpftlitfjen «errungen beftätigte. $ocf) bag ^apft* 
tum aug ben s Jiet$en felbftfüdjtiger römifdjer 9lbelg* 
Parteien $u löfen, mar tf)m trot> mefyrfadjem euer* 
gifcfjem Eingreifen nur unüolttommen gelungen, alg 
er 965 nad) $eutfd)lanb aurücffefjrte, unb ba bag 
Neid) mit ber SBefifcergreifung ^talieng in bie lReif)c 
ber 9ftittelmeermäd)te eingetreten mar, fo mufjte eg 
aud) ju einem feften *8erf)ältm§ mit 95njang $u fom* 
men fudjjen, bag nod) immer ben ©üben ber |jalb* 
infel be&errfäte, mä^renb bie Araber auf ©ijüien 
fafeen. Slber wäljrenb feiner britten 9lnwefent)ett in 
Italien (966 big 972) gelang eg bem ftaifer erft nad) 
langwierigen kämpfen unb Söerfyanblungen, bie lango* 
barbtfdjen fjürftentümer ßapua unb Söeneoent bem 
beutfd)4talienifd)en SReicfie anzufügen, um diom beffer 
SU beefen, unb für feinen ©oljn Otto (II.) oon 2Ibel= 
fyetb, ben bie beutfdjen ©ro&en naef) ßubolfg £obe 
957 fdjon 961 alg Sfladjfolger beg SBaterg anerkannt 
Ratten, 972 bie §anb ber bt)aantinifd)en ®aifertod)ter 
$f)eopf)ano §u gewinnen. $ag beutfd);römifd)e ^aifer- 
tum unb bamit bie $orf>errfd)aft beg 9ieid)g im &benb* 



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SBegrünbung unb HuSbau bc§ bcutfd)»rÖmifd)en 5He«$3 101 



lanbe n>ar begrünbet, al§ Otto I. nacf) einer legten 
glän$enben 9ieicf)§üerfammlung in Queblinburg am 
7. Tlai 973 auf feiner $fals Hemleben t>erfd)ieb. 
3 m $)ome t>on 9flagbeburg, neben feiner erften ©e* 
maf)lin @bitf)a, fanb er feine lefcte SRuf)eftätte. 

SBon allen beutfdjen ßatfern t>at allein Otto I. Otto ber 
in ber ©efc$id)te ben SSeinamen be§ ©rofcen beroafyrt. ® rofee 
2)enn bie neue SReicfySoerfaffung, unter ber bie 2)eut 
fdfjen nun $al)rf)unberte lebten, unb bie Söeltftellung 
ber Nation f)at er gef Raffen. 3ttäd)tig mar x\)t ©in- 
fyeitSberou&tfeüt unb if)x @elbftgefüt)l geroacfyfen, fobafj 
au§ bem Üftamen thiudisc, diutisc, beutfefy, b. i. r»olf3* 
tümlid), für bie <§prad)e bamal§ ein nationaler, ein« 
Ijeimtfdjer Sftame für ba§ SBolf felbft ernmcf)3. $>abei 
war Otto in feiner impofanten ©rfdjetnung mit ben 
lebhaften gellen 3lugen unb bem lang fyerabroallenben 
rötlid) blonben 93art nrie in feinem Söefen immer ein 
$)eutfd)er geblieben. S)ie ®rone galt tfym al§ ein 
®efd)enf ©otteä, bag if)m bie §öd)ften $8erpfü<f)tungen 
auflegte, benn er mar ein efjrlttf) frommer attenfef); 
eifern war fein SBtlle, fdjrecfltd), nrie ber eine§ ßöroen, 
fein 3 orn ' ö & er 9^arf)fud)t lag ü)tn fern, unb freigebig, 
gnäbig, Ieutfelig, rooljl aud) launig oerfe^rte er mit 
feiner Umgebung, ©elefyrte 93ilbung fehlte if)m, nur 
mangelhaft oerftanb er Satein, am liebften fpracfc er 
fein fäd)ftfd)e3 <ßlatt, unb am motten mar tljm, 
wenn er in f)etmtfd)er Zta$t, ein fernerer [Reiter 
auf ftarfem föofj, burd) bie *8ud)emr»älber 2t)üringen§ 
unb 6acf)fen§ ftreifte. <Bo Ijat ir)n fein ßanb§mann, 
ber madere 9flönd) 2öibu!iub oon ßoroen, ber 9tad)* 
roelt gef Gilbert. 

2öar Otto ber ©rofje immer ein $eutfdjer, mar Otto n. 
S)eutfd)lanb ifjm ba§ §auptlanb geblieben, fo mar 
e§ bod) fdjon jmeifelfyaft, ob @a<f)fen, bie ©runblage 
be§ neuen 8önigtum§, biefe nad) ber (Srroerbung ^ta* 
lien§ nod) bleiben fönne, unb in berStfjat übertrug fd^on 



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102 $ ic beutfö-ramifäe Äaiferaeit 



Otto I. felbft bem trafen $ermann SBittung herzogliche 
©eroalt im Often beg Sanbeg. SBoHenbg für feine 
Nachfolger beftanb bie ©efahr, bafc ihnen bag Äaifer* 
tum unb Italien aßjufehr in ben Sßorbergrunb traten, 
tiefer ©efahr ift Otto IL (973 big 983), ber ©olm 
einer burgunbifdHtalienifchen, ber ©emahl einer bn* 
$antinifchen JJürftin unb litterarifd) gebilbet, fd)on 
halb, Otto III. ganä erlegen. 3>n ben erften $<rf)ren 
allerbtngg waltete Otto IL gan$ im ©inne beg $8aterg. 
@r nötigte bem ßönig §aralb SBlaatanb, im §erbft 974 
bag 2)anemrfe, bie alte bänifdhe Sanbroehr aroifd)en 
©djlei unb Sttorbfee, erftürmenb, bie beutfcfye Ober- 
f)o^eit auf, er oergalt 978 ben Einfall ßotharg oon 
fjranfreich auf Lothringen mit bem erften beutfehen 
§eereg$uge gegen ^ßarig unb erjroang bie $lner* 
fennung ber alten ©renjen; er überwältigte 976/77 
fraftooU bie Empörung feineg ehrgeizigen SBetterg 
§emridj§ II. (beg erft fpäter fogenannten ^änferg) 
in Magern, ber burch bie SBermählung feiner frönen 
unb flogen ©cfjroefter $abrotg mit bem alternben 
§er$og SBurfarb II. von ©chroaben aud) bieg §er* 
jogtum unter feine ©eroalt gu bringen gebaut hatte, 
unb trennte oon bem übermächtig geroorbnen §er* 
jogtum dauern bie 2Jiar( auf bem Sftorbgau, bie ftd) 
rafd) bie Möttau abroärtg augbehnenbe Oftmarf (beibe 
unter SJiarfgrafen aug bem §aufe ber fogenannten 
Söabenberger) unb bie 2flarf ßarentanien (©tetermarf, 
Kärnten, Ärain, Sftrien) mit ber italtenifchen Wlaxt 
Verona, bie er jum felbftänbigen ^ergogtum erhob. 
@g roar bag erfte Söeifpiel unb ber Anfang $ur 2Iuf= 
löfung ber großen ©tammeggebiete, bie mit ber SReichg* 
einhett unoerträglid) roaren. $od) in Statten ging er 
weiter alg Otto I., inbem er ben 33uäantinern ihre 
§errfd)aft im ©üben ber $albtnfel au entreißen unb 
ben Raubzügen ber ftailianifchen Araber ein @nbe gu 
machen fud)te. fortan foüte bteg©übitalienaum©d)id* 



•s 



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SBegrünbung unb «u86au beS beutfc^römif#en 9ieidj§ 103 



falSlanbe be§ ®aifertum3 werben. 9tad) anfänglichen 
Erfolgen erlitt ba§ beutfdHtalienifche §eer füblicf) 
vom 8ap ©olonne am ©olfe von £arent ben 13. ^uli 
982 gegen bie Araber eine völlige 9Ueberlage. ©ie er* 
fc^ütterte fetneäroegä bie §errfd)aft be§ ßaiferg über 
Italien, beffen ©bie vielmehr auf bem gemeinfamen 
föeid)§tage von Verona im Sunt 983 mit ben beutfcfjen 
©rofcen jufammen bereitwillig ben erft bretj ädrigen 
Otto HI. als Nachfolger be§ SBaterS anerkannten. 
SIber im fernen Norboften erhoben ftch um bie* 
felbe 3 ß ü °* e Flamen anrifchen ©Ibe unb Ober in 
hellem Aufruhr, vertrieben bie beutfcfjen ©rafen unb 
SBifchöfe unb jerftörten alle Kirchen. Nur bie (Sorben 
in ber äTCarf 2ttei&en, &u ber feit etroa 981 auch bie 
Warfen von 2flerfeburg unb 3eifc gefdjlagen morben 
roaren, §ielt 9ttarfgraf ©darb mit eiferner §anb bar* 
nieber. Unter bem erfd)ütternben ©inbrucf biefer 
Äunbe oerfchteb Otto II., fdjon feit einiger ßeit leibenb, 
am 7. ftejember 982 in SRom, roo er in ber SBorhaöe 
ber ^ßeterSfirc^e beftattet mürbe. 

2>em Knaben Otto III. (983 bi§ 1002) erhielt nur °§*J?- 
ba§ entfdjloffene Auftreten be§ ©rjbtfchofS 2ötligi§ 
von 3Jlainj bie ®rone gegen bie 3lnfprüd)e £etnrich§ 
von Samern, begälteften Agnaten, ber inbe§ für feinen 
«erjicht auf bie ßömgSmürbe 985 fein gefd)tnälerte§ 
£er§ogtum aurücferhielt. UnbnunlöfteOttoSII.jugenb* 
liehe 2ötttve, bie ©riechtn 2:^eopl)ano, al§ Negentinmit 
Äraft unb Umfi 4t ihre fchtvterige Aufgabe, bag 9lnfehen 
be§ SReicf)§ unter einem minberj ädrigen §errfd)er ju be* 
Raupten, ebenfo nach ihrem $obe 991 bie greife 9lbel* 
heib. SIber fchon 995 nahm Otto III. bie Regierung 
felbft in bie §anb. Obtvohl er in ©achfen erlogen 
mar, füllte er ftch boch burchauS al§ Börner unb 
SBv^anttner unb verachtete bie „fächfifche Hoheit " 3 U5 
gleich antififterenber Nomanttfer unb fchraärmerifcher 
2ljfet wollte er Stalten als §auvtlanb behanbeln, 



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104 



$ie beutfdKöintfd&e Jtaiferaeit 



nafjm feinen @ifc am Itcbften in 9iom ober 9tat>enna, 
baute fid) feine ^Pfafy auf bem 9loentin angeftdjtg ber 
finfenben krümmer ber ftatferpaläfte unb umgab 
fid) mit ber feierlich fteifen ^ßrad)t be§ buaanttnifdjen 
£ofbraud)3. 

ettos ni. 5)ie§ ftaifertum foflte im engften 93unbe mit bem 
poUttf affetif (^reformierten s $apfttume, bem er 996 in bem 
2)eutfd)en ©regor V., fobann 999 in bem ftran^ofen 
©iloefter II. (©erbert von SHetmS) roürbige Vertreter 
gab, ba§ JHeid) unb bie Äirdje be§ SlbenblanbeS be* 
I)errfd)en. 9Jtttinbrünftiger$nbad)t pilgerte Otto felbft 
ju ben ^eiligen ©rennten föomualb unb SftiluS unb 
befudjte im !gal)re 1000 ba§ ©rab feinet fcrjroärmerifd) 
geliebten 3ugenbfreunbe§, beg 93tfd)of3 2lbalbert oon 
<ßrag in ©nefen, ber 997 al§ SJtärtgrer bei ben Ijetb* 
nifdjen ^ßreufjen gefallen mar. ftür bie prafttfdjen 
Aufgaben ber beutfcfjen Sßolitit Ijatte biefer SRoman* 
tifer fein 9luge. ©r tr)at nid)t3, um bie ab* 
trünnigen (Slawen roieber §u unterwerfen ; ja er be* 
grünbete burd) bie (Stiftung be§ ©r^bi^tumS ©nefen 
im Sa^re 1000 bie fird)ltd)e Unabhängigkeit SßolenS 
unb liefe $u, bafe in bemfelben 3af)re ber ©rünber 
be§ ungartfdjen Königtums, Stepban ber ^eilige, mit 
ber ©rridjtung be§ ©rj$fttft§ ©ran bie alten Ijiftorifdjen 
3lnfprüd)e ^affau§ unb Salzburgs auf biefe ßanbe Der- 
nietete, konnten bod) s £olenunb Ungarn aud) al§ unab* 
gängige STCationalftaaten ©lieber biefeS römtfdjen 
£raumretd)§ fein, ©ine erfdjütternbe ©nttäufdntng 
beenbete biefe in lid)ten Solfen über ber ©rbe 
fdjroebenbe Regierung. %m grollenben 2)eutfd)lanb 
regte fid) ber ©ebanfe an SlbfaH von einem ftatfer, ber 
fid) fd)ämte, ein $eutfd)er $u fein, unb felbft bie SRömer 
erhoben ftd) gegen ü)n, fobaf* er im fjebruar 1001 
feine SRefibenj fjalb al3 ftlücfytling verlief?. $en S&üd 
auf bie „einige Stabt" geheftet, ift er am 23. Januar 
1002 im ftafteH ^ßaterno am jaef igen ©orafte geftorben. 



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SBegrünbiutg unb Kaltau be3 beutfö'Töimfdjen JReidjS 105 

$inter bem büftern 3 u 8 e ' oer °* e 8etd>c biefeS erbebima 
erften unb erlaucfyteften aller beutfcfyen ^omfcfyroärmer el ?i n 5 
feinem legten 2ötüen gemäf? nad) 2lad>en führte, 
brarf) ba§ Söerf Otto* beS ©rofcen in Italien ja* 
fammen, unb in $eutfd)lanb brobte iljm ©efabr. 
2)ort ert)ob ficf> fdjon im Februar 1002 ber SRatfgvaf 
§arbuin von jgarea jum föömg; l)ter ftanb, ba Otto III. 
unuermäfytt geblieben roar, eine rotrfltdje ÄönigSroaljl, 
t)ieüeid)t ein SBürgerfrieg um bie Ärone beoor. 2)emt 
bem $lnfprud)e ^er^og £>einrid)§ III. von Söanern (fett 
995, geb. 973) als be§ £aupte§ ber banrifdjen Sinie be3 
Äönig3f)aufe§ fteüten ber tapfre Sftarfgraf (Srfarb von 
^Keiften unb $er$og §ermann II. von Schwaben tfyre 
^Bewerbungen md)t o^ne ©rfolg entgegen, unb nur bie 
unvermutete (Srmorbung (SdarbS burd) perfönlidje 
geinbein ^ßöf)lbe am Sübljara machte e§ bem SBanern* 
fyer$ogmöglid),burd)$Berf)anblungen einen Stamm nad) 
bem anbern $u geroinnen, aud) bie Sad)fen, benen er in 
afterfeburg bie freie 2öaf)l i^re§ £er$og3 unb ifyv altes 
partes Stamme3red)t &ugeftanb. $)amit t>er$t$tete 
§etnrid) II. (1002 bis 1024) barauf , Saufen als bie 
©runblage ber ®ömgSmad)t feft$uf)alten, leitete bie 
üerljängniSoolIe (Sntfrembung biefeS Stammes unb ba- 
mit beS nörblidjen 2)eutfd)lanbS oom fteidbe ein unb 
üerfdjob beffen Scfyroerpunft abermals nad) bem 
Sfiben, nmfjrenb feine ^olitif ber 3ugeftänbniffe für 
alle ftolge^ett ein übleS Söetfpiel gab. ftnbeS er tt)at 
roobl nur, maS er in feiner Sage tfyun mufete, benn 
er übernahm bie (Srbfdjaft md)t OttoS I., fonbern 
Ottos HL, unb e§ ift fein <Kuf>m, ba& er baS Meid) 
auf bie nationale ©runblage $urürfgefüf)rt unb in 
feiner fd)ltd)ten, ääfyen, bebäd)tigen, pflichttreuen 2lrt, 
in ber man aud) baS (Ergebnis einer geiftltdjen 
^ugenber^ie^ung feigen mag, fein 2lnfef)en nad) allen 
SRidjtungen l)in energifd) unb umfid^tig roieberljer* 
geftellt l)at 



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106 Sie beutfö-römiWe aatferjett 



lieber. $cn mächtigen ©abenberger §eailo ($einrich), 
CT bcö Unö 2flarfgrafen bcr banrifchen Üftorbmarf, ber ftch mit bcm 
mct^s ©öhmenher^og erhob, roeil ber ftönig fein ©erfprechen, 
ihm nach feiner £ljronbefteigung ©anem serlethen, 
nicht gehalten f)attz, warf er 1003 in hartem Äampfe 
$u ©oben unb nahm ihm feine reichen Erbgüter mit 
bem lieblichen Bamberg; nur ben Sftorbgau gab er ifjm 
1007 roieber $urücf. $)en mächtigen ^oc^ftrebenben 
Sßolenherjog ©oleflaro ^robrn, ber ©öhmen unb bie 
Warfen 2tteifcen unb ßauftt> an ftch geriffen hatte, 
oerbrängte er gleich 1004 im erften Kriege au§ Böhmen 
unb nötigte ihn nach langwierigen kämpfen im ^rieben 
oon©aut>en 1018, ftch mit bemÖehnSbeft&berßaufUj unb 
be§ f orbifchen 3Jliljenerlanbe§ (um ©au^en) $u begnügen. 
9ttcr)t3 anbre§ al§ eine befonnene 2Bieberherfteüung3* 
politif oerfolgte er auch in Italien. 3um erftenmale 
geftanb er ben lombarbtfchen ©rofien eine förmliche 
SlönigSroahl $u, beoor er fich ju tyama im2ftatl004 
bie eiferne ®rone auf§ £>aupt fefcte, aber £arbuin3 
£errfchaft erlofch t>öfltg erft mit feinem £obe im S)e* 
gember 1014. ftur$ auoor, imftebruar begfelben SahreS, 
hatte fich Heinrich IL gum ^aifer frönen laffen, boch 
ba§ Sßapfttum bem römifchen ^arteitreiben gu ent- 
jiehen gelang ihm nur ^eitroeife, unb in © üb it alten 
ftanb feit ber üftteberlage Dtto§ II. bie bujantinifche 
^errfchaft unter bem furchtbaren ©ulgarenfteger 93a« 
ftlioS II. fefter unb brohenber ba als je. Sluch ber 
britte 9$om$ug führte nur jur SBieberherfteHung 
ber beutfehen Oberhoheit über Sttonte ßaffmo, ba§ 
reiche SJcutterflofter be§ ©enebif tiner orbenS, unb über 
bie Keinen langobarbifchen ©renjfürftentümer (1022). 
2) afür legte Heinrich ben ©runb ju einer großen Qx- 
roerbung, bie ba§ mitteleuropäifche Szntxalxtid) im 
©übroeften abfchlofj; benn als bem Sohne einer bur* 
gunbifchen fjürftin, ®ifela, ber Tochter $ömg &onrab§, 
übertrug ihm beren ©ruber, ber finberlofe SKubolf III., 



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SBegritnbunfl unb ?üt$bau be§ beutfd)«T&imfdjen 9Uid>§ 107 



bie üftadjfolge in SBurgunb unb überlief ifym fcfyon 
1006 nrie &um Sßfanbe bie @tabt 93afel. 

£rofcfotrielet auSroärtigen (Sorgen gehörten bie ©e* ^ u b 8 e * au 
banfen unb$rbeiten$einricrj§n.bocr)t)or aHem3)eutfcr^ ctto'wen 
lanban. Srte»erfafftragDtto$L weitet au3bauenb,über* »«Mf««« 
trug er in immer toeiterm Umfange ©üter unb $o^eit§= 
rechte, fogar gan$e ©raffcfyaften (bie§ nad) bem SBor* 
gange fd)onDtto3 III.) an Sötfdjöfe unb DtotdjSäbte unb 
gab mit ber @rrid)tung beS «iStumS Bamberg 1007, 
ba§ er reidjltd), befonberg mit bem alten banrif d^en§er^ 
jogggut ber 5lgtlolftnger unb 51mulfmger auSftattete, 
bem bagriferjen, mit ber *8ermet)rung be§ SBefitjeS be3 
©rabi*tum§ ^Bremen * Hamburg bem jungen fädjfifcfyen 
£er$ogtum ber SBtHunger ein ftarfeö ©egengenrid)t 
Um fo ftrenger 30g er bie ®trd)e $u ben SRetcr^ 
leiftungen Ijeran, unb unnad)ftd)tlid) f)telt er an feinem 
:gnoeftiturred)te feft. 

Unb bod) trat gerabe guerft unter biefem Könige, »eginn 
oon feiner eljrlid) ftrd)Iid)en ©efmnung geförbert, &i X % tnt 
in ber ßirdje eine Reform auf, bie fpäter in if)ren re f° rm 
legten Folgerungen bie Ottontfcfje 3Retd)3x>erfaffung 
unb bamit ben SBeftanb be§ 3^eid)§ felber bebro^t fyat. 

Wut ahnten bie Reformer ba§ bamalS fdjroerlid) 
felbft, unb aud) fonft Ijaben fidj oft genug 9tid)tungen, 
bie ftd) logifd) auäfdjliefcen, praftifd) oertragen müffen. 
Sie 3eit faf) tyr fittlid^reltgtöfeS ^beal in bem 
t»on ber fünbigen 2Belt abgenmnbten, baS fünbige 
Srleifd) ertötenben 9ttönd)tum, im meltlidjen Seben ein 
8eben in ber ©ünbe, beffen folgen für ba§ :3enfeit§ 
nur burcrj ftürbttten ^eiliger 2Kenf d)en unb burd) fromme 
SBerfe ber Säten $u gunften ber ßirdje abgeroenbet 
werben könnten. £)a aber aud) ba§ ©ebot ber ©elft* 
licfyleit fraftlo§ rourbe, roenn fie felbft ben Socfungen 
ber SBelt oerfiel, fo mar e§ ba§ §öd)fte $ntereffe 
aud) ber, nrie fte felbft gugeftanb, in Sünben Iebenben 
£aienfd)aft, bie frommen Stiftungen, befonberS bie 



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108 



Sie beutft^röimfäe JRaifcr^ett 



Älöfter, in tfjrer ftrengen 3ud)t beftärfen unb, 
roenn biefc erfdjüttert mar, fte nrieber^eraufteflen. $a 
jebod) bic geforberte ftttltdie 5lnfpannung, namentlich 
in biefem burd) unb burcf) finnltd)en, berb lebend 
freubigen 2flittelalter all§u ftarfe Slnforberungcn an 
bie menfdjlid^e Statur ftellte, fo machte ftd) eine 
„Reform/' $unäd)ft ber ßlöfter, immer roieber einmal 
nötig, unb bie Röntge f elber förberten fte regelmäßig. 
3n biefem Sinne f)atte @r$bifd)of SBruno t>on ®öht 
fdwn feit 953 bie lotfyringtfd)en, 93ifd)of Söolfgang 
üon ftegenSburg (972 bi§ 994) bie banrifdjen Älöfter 
reformiert; ber Sauer ©ottfjarb (®obet)arb), feit 
1022 Sifdjof von §ilbe3Ijeim, übertrug bie Reform aud) 
nad) Reffen unb ©ad)fen. Sftod) gan$ anberS aber prägte 
im burgunbif djen ßlofter (£lunt) (gegrünbet 910) 3lbt 
Obilo (994 bis 1048) ba§ möndjtfdje ^beal auS bi§ 
jur ©rftief ung aller Snbunbualität burd) bie fdjärffte 
3ud)t mit @cf)n>eigen, Unterbrücfung jeber £etterfeit 
unb jeber perfönlidjen ftreunbfcfyaft unb burd) bie 
unbebingte Unterwerfung unter ba£ ©ebot beS S -Hbtec>, 
faft wie fpäter bei ben ^efuiten. 9hm aber wanbten 
bie (Slumacenfer aUmäf)lid) il>rc SReformibeen auf 
bie ganje ftircfye an. @ie förberten bie möndnfdje 
©^elofigfeit aller ©eiftlid)en, für beren niebere ©rabe 
fte bi§ bal)tn weber SBraud) noef) aud) nur SBorfcfyrift 
mar, bann bie greifjett ber $ird)e oon aller weltlichen 
(bemalt, enblid) bie$errfd)aftbe3 affetif ^reformierten 
*ßapfttum3 über biefe ®ird)e. 2)a§ ©ntfdjetbenbe mar 
nun, bafj biefe gorberungen bis ju einem gemiffen 
©rabe fefjr mistigen, praftifcfyen SBebürfniffen ber 
fttrdje entfpracfyen. 2)enn bie fyerrfdjenbe $riefteret)e, 
baS 8ird)enpatronat weltlicher ©runbljerrn unb bie 
^noeftitur burd) fiaienfürften matten bie 2öeltgeiftHd)* 
feit in fef)r ftarfem 2Jla^e abhängig vom Saienabel, 
führten faft unuermetblid) jur «Simonie, b. t),jur(5r- 
roerbung geiftltd>er &mter burd) ©elbaafjlung unb 



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Srgrfiitbuug unb 9lu8bau bcö bcutf^-römtfc^cit 9teid)S 109 



§ur Vergabung folcfjer an ungeeignete 9ttcmner ober 
gar an fiaien, ja roofjl aud) $u einer 2lrt ©rblidjfeit 
ber ^farrfteüen. SBenn bie Reformer flagten, bie 
ßircr)e fei in ©efatyr, von ber 2öelt t?erfcf)lungen $u 
roerben, unb jroar oon einer 2Belt voü (&en>altty&tig* 
feit unb Stofjeit, fo Ratten fte nicr)t ganj Unrecht, unb 
in biefen Söerfyältniffen lag bie tiefe fittlicfje S8ered)= 
ttgung, nrie bie ungeheure ftraft ber cluniacenftfd)en 
Sftrcrjenreform. 

9»d)t ba& fte junäd)ft bie Älöfter 8otf>ringen§ er* ****** 
griff, ntadjte fte wichtig aud) für ba3 iHeid), fonbem if)re «uägang 
firdjenpolitifc^en $onfequen$en. 2)af* fiel) juerft 93ene* 
bift VIII. 1018 gegen bie Sßrieftererje erklärte, unb baf? er 
bie gorberung birefter oberftrtdjtltcrjer <£ntfcr)eibung 
tn(5^efadf)en beutf<$er Säten erf)ob, ba§ rief ben fdjarfen 
Söiberfprucf) ber beutfdjen Söifd^Öfe unb ityreS 
Oberhauptes, be§ (£rabifcf)of§ 3lribo üon Sßtaing, 
be§ Primas Germaniao unb fiegaten be§ römifdjen 
<Stuf)l3, t)ert>or. Unter ben 9lnjeid)en btefeS brofjen* • 
ben $onfltft§ oerfdjieb £önig $einrtcf) II. am 13, ftuli 
1024 ftnberloS in feiner fädjfifdjen $fal$ ©rona bei 
(Böttingen, unb mit ifjm erlofcf) ber 9ftann§ftamm be§ 
rufjmooHen ©efcl)led)t§ ber fiubolftnger. 

Unb unter bem 3 eichen bief e3 f trdjltdjen ® egenf atjeS 
ftanb bteßönigSroaljl, bie erfte unb lefcte, bie memgftenS 
äufcerlicr) bem Qbeal unfrer mobernen S^omantifer ent* 
fpricfyt. 2lber nicfyt in ben glänjenben, maffenfdjim* 
mernben $8erfammlungen ber taufenbe tjon beutf djen 
©beln aller (Stämme, bie im ©pätfommer 1024, bem 
Dtufe be§ @r$bifd)of3 Slribo folgenb, auf ber roeiten 
#tf)etnebene $n>ifcf)en 5Jtoin$ unb 2öorm§, alfo auf alt* 
fränfifdjem SBoben, $u beiben (Seiten be§ grünen 
@trome§ ifjre luftigen 3eltlager auffdjlugen, ift bie 
3öaf)Ientfd)teben morben, fonbem in vertraulichen 93er* 
fjanblungen ber dürften unb ©ifd)öfe. 2Bäf)renb @ra* 
bifc^of ^iligrim oon ßöln unb bie anbem clumacen* 



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110 



In bcutfd)*vömtf(i)e Äaifcrjett 



fifdjen SBifdjöfe für Konrab ben Jüngern, ben @of)n 
be3 oerftorbnen $er$og§ Konrab von Kärnten ein* 
traten, rotrfte Slrtbo für beffen ältern Detter Konrab 
(geboren um 990), ber ein Nachfomme KonrabS von 
fiothringen rote jener unb alfo aud) DttoS I. roar. 
@in 9Jiamt ohne gelehrte Söilbung, btfyalb voxanh 
ftd)tlid) ben cluniacenftfchen ^beaten unzugänglich, 
beroteS Konrab ber ältere juerft baburd) fein 
polxtifcheS ©efdjicf, ba& er fi$ vox ber <£ntfd)ei* 
bung mit feinem Nebenbuhler uerftänbigte. <Bo rourbe 
er am 8. (September 1024 einftimmig gum König er* 
hoben unb am felben £age in aJcainj, nid)t in flachen, 
von 5Iribo gefrönt 
»Ktung SJWt biefer 2Bahl roar bie 2ttöglidhfeit, Saufen 

Äaifer. * um ® crnIan & c ^ e ^ § 3 U machen, enbgiltig aufge- 
!rone unb geben, unb fie ift aud) fpäter nur oorübergefjenb roieber 
»urgunbg au ^g e tauc^t. Gmbgiltig t>erfd)ob ftdt) ber ©d)roerpunft 
be§ SKeid)§ nad) bem ©übroeften, pnächft nad) bem 
fränfiftfjen Nheinlanbe, beffen fefte 93ef)errfd)ung bem 
Kaifer roegen be§ S8crl>äUmffe§ gu Italien unentbefjr* 
lid) roar, unb bie ©ntfrembung ©achfeng r»om SReid)e 
nahm ihren Fortgang. S)enn KonrabIL (1024bx§1039) 
roar ftranfe, eine ftofye, leibenfdjaftliche, fyaxte Natur 
von ehernem SBiöen unb f djarfem, praf tif d)em SBerftanbe, 
burd) unb burd) ein ßaienfürft ohne befonbre ftrct> 
lid)e Qntereffen. Keiner hat gewaltiger über 3)eutfd) s 
lanb unb Italien geherrfdjt roie er. 2JMt feftem ©riffe 
fieberte er fid) auf bem erften Nömerjuge bie Kaifer- 
frone (2ttär§ 1027) unb bie unentbehrliche Oberhoheit 
über bie langobarbifchen ftürftentümer be8 ©übenS. 
2)ie Erwerbung 93urgunb§ für ba3 Neich bereitete er 
umfid)ttg oor, obroohl fein ©tteffohn £>er$og @rnft 
oon ©d)roaben, ber ©ohn feiner ©emahlin ©ifela, 
ber Nichte König DtubolfS III., au3 beren erfter @he 
mit bem ©abenberger (£rnft, ba§ Königreich als @rbe 
feiner SNutter für ftd) begehrte unb ftdt) bafür mehr* 



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aScgrünbung unb Huöbau beö beutjdj=römifc$eu 9teic$§ m 



fad), von feinem fjteunbe Söemer t>on Änburg unb 
anbern ©etreuen unterftütjt, fogar in Söaffen erfjob. 
2113 er fdjliefelid) ben if)tn al§ $rei3 ber SBegnabigung 
angefonnenen SBrud) mit SBerner gurüchmeS, überlief 
tfm Äonrab II. al§ SRebeüen gegen $aifer unb SReid) 
feinem <§d)icffale, unb er fiel im Sluguft 1030, vom 
SBolfe, bem bie einfach menfd)lid)e ftreunbegtreue fytytt 
galt aI3 ftaat§m&nnifd)e ©rroägungen, im Siebe nod) 
lange gefeiert. 9lad) SHubolfS III. £obe liefe ftd) ßonrab 
am 2. ftebruar 1033 jutn Stönig von SBurgunb frönen. 
2)a§ mitteleuropäifdje 3 e " tra ^ re ^ roar x>odenbet. 
2)enn obwohl ba§ Königtum in SBurgunb feine ßron* 
güter fdjon meift ocrloren t)atte unb bafyer audj in 
beutfdjen £änben niemals $u nrirfltdjer fteftigfeit fam, 
fo würbe bod) bie jefcige beutfdje (Sdjroeij für ein 
fyalbeä ^atyrtaufenb an 2)eutfd)(anb gebracht unb bie 
S8erbinbung mit Italien burd) bie 93ef)errfd)ung fämt* 
lieber 2Upenpäff e nod) beff er al§ btöfjer gefiebert, dagegen 
begnügte ftd) Äonrab an ber fäd)ftfd)en ®rense, bem 
9*ad)folger SBoteflaro &f)robrn3 von tyohn, Wlit$to, 
bie von jenem befetjten beutfdjen Warfen 1031 mieber= 
abzunehmen. 2ln eine SBiebereroberung be$ oerlor« 
neu 2Benbenlanbe3 backte er nidjt, fobafe bie fäd)= 
ftfdje 2Wifpon unb ßolonifation imOften oon ber (Slbe 
oöHig ftoeften, unb bie Iängft ferroafjrlofte 9ttart" 
©cfjleSnng, bie Vormauer @ad)fen§ gegen S)änemarf, 
gab er 1036 fogar gän$Ud) auf, um ein guteS Söer* 
^ältni§ &u ber angriffSgeroalttgen norbifdjen Seemacht 
ftnutS be§ ©rofeen $u ftdjern, ber foeben ©nglanb 
erobert hatte. 2Iud) gegen Ungarn rourbe nichts er* 
reicht oielmetjr gab ber ftriebe, ben fein <5oI)n §er$og 
§etnrid) oon SBanem, aflerbing§ eigenmächtig, im 
Sa^re 1031 fd)loi, bie beutfdjen 5lnfteblungen im 
9Kard)felbe roieber preis. 

©in Eroberer nrie Otto I. mar alfo ßonrab II. gar 
nid)t, aber an ber ©efefttgung ber föeid)8oerfaffung 



112 



$ic beutfd}*römif#c Äaiferjcit 



hat er unermüblid), sunt Seil mit neuen Mitteln, ge* 
arbeitet S8on ben §er$ogtümem brachte er brei an 
fein $au3, inbem er 1027 Magern, 1038 ©chroaben, 
1039 auch Kärnten bem Thronfolger $einrich (III.) 
übertrug, bie Kirche behanbelte er burchauS alS 9icidc>§= 
inftitut. (Sr ftd)erte ftd) einen unregelmäßigen , aber 
bebeutenben Anteil an ben ftrdjlichen (Smfünften 
burd) bie Simonie, bie er ungefcheut übte, er begann 
bie Verwaltung ber SReid)3abteten mehr §u aentrali* 
fieren, unb er fefcte bie ^oltttf, burd) SluSftattung ber 
ßtrehe mit §ofjeit£red)ten unb ganjen ©raffd)aften (fo 
Iäng§ ber ganzen Srennerftraße) ben weltlichen ®e* 
malten ein ©egengemicht $u f Raffen, planmäßig fort 
9lber bie großen fianbfdjenfungen t)on ßöntgSgut an 
bie Stirpe ftellte er f aft gänzlich ein, unb er oerfud)te, 
feine $)omänenr>ermaltung auf ©runb fd)riftlict)er 2luf* 
geic^nungen neu ju orbnen. 2)aran fnüpfte fid) bie 
grunbfättftche JJörberung eineS neu auffteigenben 
©tanbeS, ber 2ft imperialen, b. i. ber ritterlichen S)ienft* 
mannen, bie geiftltche roie weltliche dürften für ©ut§- 
oermaltung, §of* unb ßriegSbtenft in immer größerer 
3af)l au§ ihren hörigen bilbeten, inbem fie ihnen 
ein ritterliches fielen (meift oon brei §ufen) über* 
trugen. 3war waren fte noch abhängig t»on 
ihrem 3)ienftherrn, befaßen auch it>rc Sehen nicht erb* 
lieh, aber baburch, baß fte bie alltägliche Umgebung 
ihreS £>erm in $rieg unb ^rieben bilbeten, erhoben fte 
ftd) hoch über ihre frühern ©tanbeSgenoffen, fogar 
über bie noch freien dauern. 3nbem ßonrab auf bie 
@rblid)fett biefer unb anbrer fleiner mittelbarer Sehen 
hinarbeitete, befdjleunigte er bie £>ebung be§ ©tanbeS, 
machte ihn baburd) unabhängiger com höh«" 2U>d 
unb gewann in ihm eine neue ©tüfce für baS Königs 
tum, ba§ allein imftanbe mar, ihn gegen bie $ienft* 

* Ro 'unb 11 *> erren 3 U fchü^cn. 

Italien 3n Italien, mo bie frühern Könige bie ©ifchöfe 



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S3cflrünbuna unb Ausbau beö beutf4>römtf4en ftcid)* ] ] 3 



in faft nod) toeiterm Umfange mit £anb unb §of)eit^ 
rechten auSgeftattet unb, aumal fie meift SDeutfdje 
waren, $ur oornefjmften ©tüfte tfjrer §errfd)aft ge* 
ma<$t Ratten, atoangen ifyn bie Umftänbe, aud) ben 
ßaienabel ftärfer au berüdfidjtigen. (£r oerlief) bafjer 
1027 bem ©rafen 93omfaciu3 oon 9JJobena, Oieggio unb 
Jerrara nod) Stunden unb oermä^lte tfjn fpäter mit 
58eatrt£, ber £od)ter be3 §eraog§ ftriebrid) oon Ober* 
Moringen. $Bor allem griff er entfd)ieben §u gunften 
ber (leinen Sefjnsleute, ber SBaloafforen ein, bie oon 
ifjren £ef)n§f)erren, ben (Sapitanen unb 93ifd)öfen, be= 
fonberg bem (j£rabifd)of 2Xribcrt von 2Jcailanb, bie 
@rblid)feit ifjrer Seijen feit 1035 burd) einen Aufftanb 
au ertrofcen fudjten unb biefem rafcfy aud) einen 
beutfd)feinblidjen (£l)aralter gaben, weil bie 93tfd)öfe 
bie beutfcfye $errfd)aft oertraten. 3)iefer gefährlichen 
93eroeguug entzog 8onrab IL mit einem Dtude ben 
93oben, inbem er burd) ba§ berühmte 8ef)n§gefe£ 
(Constitutio de feudis) vom 28. 2Kai 1037 ben WaU 
oafforen grunbfäfclid) bie @rbltd)feit tfjrer Seijen ju= 
geftanb. ©ereigt baburd) boten Aribert oon SJlaüanb 
unb mehrere anbre lombarbifdje *8ifd)öfe bem ©rafen 
Dbo oon ber Champagne bie lombarbifd>e $rone an, 
aber biefer fiel im Stooember 1037 bei f&ax im Kampfe 
gegen bie fiottjrtnger, unb Aribert mürbe auf 2Jcai= 
lanb befdjränft. 2)ie3 oerftanb er nun atlerbtng3 burd) 
ba§ Aufgebot einer ©tabtmilta, bie fid) um ben ftafynzn* 
magen ((Sarroccio) mit bem ©tabtb anner f Charte, unein* 
netjmbar ju machen. 2öid)tiger, aI3 biefen oerein* 
gelten Sötberftanb ju brechen, fdn'en e3 bem ®aifer, 
im ©üben JBeneoent, (Eapua unb ©alerno gu fidjern. 
fjrcilidr) gemattete er begfjalb bem 5^ r P en SBaimar 
oon ©alemo, SHainulf, ben ftüfjrer oer f e ^ 1030 um 
Aoerfa bei (£apua angeftebelten tapfern normännifd)* 
franaöjtfdjen Abenteurer, bie fd)on feit bem Anfange 
be3 3af>rl)unbert§ jundc^ft al§ ©ölbner in ©übxtalten 

2er aOBerbegang bcS bentf^en 58olfc§ I 8 



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114 



2>ie beutf(f>=römtfct)e ftotfergett 



aufgetreten waren, mit ber ©raffcfjaft Sloerfa $u be- 
lehnen; erlegte alfo felbft ben®runb ju einer neuen 
9Jcacf)tbilbung im ©übern 9Hcht lange nach feiner 
s MdUt)x au§ Italien erlag ßonrab II. im fernen 
Utrecht am 4. 3uni 1039 einem einfalle ber ©icht 
2)och fein ©rab fanb er auf Ijeumfcfjer fränfifcher 
($rbe, im S)ome $u <Speier, ben er in wahrhaft !aifer= 
lieber Spracht errietet hatte. 

eefofUt Unter feinem noch fe^r jugenbltchen, aber längft 
in ben @efd)äften gefcf)ulten Nachfolger (geb. 1017) 
§einrid) III. (1039-1056) begann bie alte Dppofition 
be§ fyotyri 8aienabel§ unb bie clumacenfifche Kirchen« 
reform anaufdjroeHen unb um fid) w Steifen, unb 
mächtig hat £etnrich III. felbft biefe geförbert. Nicht 
bafc e§ ihm an traft be§ SBtHeng gefehlt hatte; er 
mar vielmehr felbftänbig unb gebieterifcf) nrie fein 
Bater, lieft Böhmen unb Ungarn bie traft feines 
$trme3 fühlen unb zeigte auch ber Kirche ben $errn; 
aber geiftlid) erjogen unb eine tief religiöfe Statur, 
ernft, t>erfchloffen, h^chft geroiffenhaft, mar er boch 
üon ber Berechtigung ber cluniacenftf cfjen %bwn le* 
benbig überzeugt unb mürbe buref) feine SBermählung 
mit 9lgne§ von SßoitierS (1043) au§ bem $aufe be§ 
©rünberS oon ©lunt) barin nur noch mehr beftärft. 
@r fah e3 beShalb für feine ftttliche Pflicht an, ihre Ber* 
mirflichung ju förbero, unb hanbelte auch fonft ge* 
legentlid) mehr au§ religiöfen al§ au§ polttifchen 93c* 
roeggrünben, mehr al§ Qfyxtft benn al§ tönig. 

erfotfle im großen Aufgaben im Dften griff er fräfttger 

£ f tcn an al§ ber Bater, wohl weil fle ihm als früherm 
§erjoge t>on Bauern befonber§ nahe lagen. @r 
nötigte ben £>er$og Brettflaro von Böhmen, ber au§ 
Böhmen unb ^ßolen eine weftflawtfd)e ©rofcmacht §u* 
fammenfchmei|en woüte, 1041 in bie befcheibne ®tel* 
lung eineg 9teich3oafallen aurücf unb orbnete bieg 
BerhclltniS Böhmeng fo nachbrütflicf), ba& e8 auf ein 



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»cgrünbung unb Sluöbau be§ beutfrf)*römifd)en 9kicf)* 115 

halbes ^ahrhunbert unerfchüttert blieb. @r griff 
fraftooU bcftimmenb in bcn ungarifchen ^rottftrcit 
$roif d)en ^cter, bem rechtmäßigen Nachfolger König 
Stephans, unb bem h^onifchen ^rätenbenten 5lba 
(Ooo) ein, fc^ob 1043 bie ©renken ber banrifchen 
Dftmarf , an bie fd)on 1041 SöretifCaro ben fianbftrid) 
f üblich von ber X^a\a hatte abtreten muffen, enbgiltig 
bi§ an bie SJlarch unb fieitha vor, erfocht am 5. !guli 
1044 bei 2ttenfö an ber untern diaab ben glänjenbften 
©ieg über bie Ungarn nach berßechfelbfd)lacht unb fefcte 
nach&baS Einrichtung $eter als beutfd)en93af allen auf 
ben ungarifchen £h*0N> inbem er zugleich Ungarn 
unter beutfcheS (banrtfcheS) föecht fteüte. gpaft wie bie 
Karolinger Ijatte er bem banrifchen (Stamme ein 
n>eiteS £errfd)aftS; unb KolontfattonSgebiet im Dften 
eröffnet, bie folgen ber Sftieberlage vom 3af)re 907 
fchienen mehr als ausgeglichen. 2)ie nationalmagna* 
rifche (Erhebung unter 9lnbreaS 1046 machte ^mar 
ber ©errfchaft SßeterS unb bamit ber beutfdjen Ober* 
hoheit ein @nbe unb fonnte trofc großer Slnftren- 
gungen Heinrichs 1050-58 nicht bewältigt werben, 
aber bie neuen ©renken ber Dftmarf blieben unoer* 
rücft, unb Ungarn mar ben (Sinroirfungen ber beutfchen 
Kultur faft ebenfo geöffnet nrie Böhmen. 

Snaroifchen machte bie clumacenftfche Reform b JJ e £™l 
rafche gortfchritte. ^n nrie ganj reltgiöfem (Sinne 'tum? 
Heinrich III. feine SHegentenpfltcht auffaßte, geigten 
fchon bie merfroürbigen perfönlichen SrriebenSgelöb* 
m'ffe, mit benen er 1043 in Konftan$, 1044 in $rier 
unb auf bem (Sdjlachtfelbe von Sflenfö feinen unb 
beS Königtums g-etnben r»erateh, um burch fein fönig* 
licheS 93eifpiel ben gemaltthätigen fiaienabel ju 
gleichem &hun anzuregen; auch Slribert oon SKailanb 
erhielt 93er§eihung. Um fo nachbrücf licher aber griff ber 
König bie Kirchenreform an ber entfcheibenben (Stelle, 
beim ^apfitume felber, an. 9luf feinem erften $om* 

8* 



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116 



35te bcutf'dKömifdje Äaiferjcit 



$uge 1046/47 Itefj er bie brci s .ßäpfte, bic ftd) bama(3 
al£ ^arteifjäupter um bie %xaxa ftritten, auf bcn 6n« 
noben von ©utrt unb 9*om unter feiner Leitung ent= 
fefcen unb ben beutfd)en $Bifd)of ©utbger von SBatm 
berg al§ (&Iemen§ IL ergeben, wobei er felbft al§ 
^atrtctu§ mit ©emifligung be§ römifdjen 3lbel§ unb 
ftleruS bie erfte ©timme bei ber ^ßapftroafyl (prinri- 
patus electioim) für bie ^wfunft übernahm, liefern 
reformierten ^apfttume meinte er augleid) baburd) 
einen befonberS mirffamen ©djutj &u ftcfyern, bafc er 
1047 ben ^ormamtenfüfyrern, bie injroif^en nad) 
garten kämpfen ben 93n^antinern 9lpulien entriffen 
Ratten, bie§ fianb unb bie ©raffd)aft Stoerfa al§ 
Setjen be§ SHeid)e§ übertrug. 

^m^Snb' ^ m cn 9f^ n ® un & e mit *> cm fönfer übernahm nun 
bic ©lernend IL jmeiter 9iad)folger, 8eo IX. (SBruno von 
«form" £° u *> 1047—54), ein ©dnuabe t>on Geburt, aber ein 
feuriger ©lumacenfer, bie 2)urd)fü§rung be§ Reform* 
roerfg, überall mit jugenblidjer griffe perfönlid) 
tfyätig unb auf feinen ©nnoben in stalten, 2)eutfd)* 
lanb unb ^ ran ^ re ^ ©imonie unb bie ^ßriefterefye 
befämpfenb. 9Jht ben erobernb auSgreifenben 9ior* 
mannen fretltd) geriet er balb in heftigen (Streit um 
SBeneoent, ba§ if)tn ber ^aifer übertrug, unb ftreitbar, 
rote ein beutfdjer 93ifd)of bamalä mar, trat er ifjnen 
perf ön(id) an ber ©pifce eine§ beutf d)-italtemf d)en §eere§ 
entgegen. 2)od) in ber @d)lad)t bei ©ioitate am 13. $um 
1053 von ifjnen Döflig gefdjlagen ftarb er fdron im 
2lpril 1054, unb bie Normannen ftiegen nunmehr, 
00m SReidje unge^inbert unb be§ £Heid^e3 ungefragt, 
jur fübitalientfdjen ©ro&madjt auf. 
Valbert 2öäf)renb ftd) fo im fernen ©üben eine neue, felb* 
freuten f^ n ^9 c ' «öenunUige 9flad)t bilbete, t>erfd)drfte ftd) 
in $)eutfd)lanb ber ©egenfafc be§ ßatfertumS unb ber 
&ird)e jum !)ol)en Saienabel mefjr unb mefjr, befonberS 
in ©ad)fen. §ter ftanb feit 1045 an ber ©ptfce be3 



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»egrünbmtg unb «udbau be8 beutj($.röimfc$en 9teicö§ H7 

@r$bt3tum§ 93remen*£amburg bcr Düringer 9lbalbert, 
bic glän&enbfte® eftalt be§ bamaligen beutfd)en ®leru§. 
©nergtfdj nahm er bic lange oerroahrlofte 2JMffton 
roteber auf, einerfeitä im baltifcheu ©laroenlanbe 
öftlid) oon ber ©Ibe, wo er mehrere $8ifd)öfe einfette, 
anbrerfeitö im ganzen ffanbtnaoifchen Horben bt3 
nad) ben Drfneu§, nad) 3^lanb unb felbft nad) ®rön* 
lanb hin* Bremen würbe ba§ SRom für bie norbifdje 
Söett, fein (£r$bifd)of ba§ fird)liche Oberhaupt weiter 
SBölferf reife. Um nun biefen (Schöpfungen bie melt 5 
liehe ©runblage ju geben, Itefj er fid) nicht nur reich* 
liehe Öanbfchenfungen an ^önigSgut machen, fonbern 
er backte aud) baran, im ganzen Umfange feinet 
beutfchflattrifchen (Sprengel^ bie gräflichen Oicd^te ju 
erroerben, unb um feine fird)Ud)e Stellung möglichft 
unabhängig ju machen, lief* er fich 1053 von Seo IX. 
$um päpftlichen Segaten unb Söitar für ben ganzen 
Horben ernennen; fein lefcteS Qid aber mar bie 
Söürbe eineg Patriarchen, beut bann bie leitenbe 
(Stellung in ber ganjen beutfchen Kirche fchroerlich 
hätte entgehen fönnen. (£3 tarnt faum ohne gufam* 
menhang mit biefen Plänen gemefen fein, roenn 
Heinrich III. bie Stellung be£ Königtums in bem 
ihm h<*lb entfrembeten Sachfen mieber mehr betonte 
unb baher als 2fttttelpunft be§ S)omänenfran$e3 um 
ben 4>ara, bie natürliche $od)burg be§ <§achfenlanbe§, 
um 1050 am gu&e erzreichen SRammelSbergeS bie 
ftattliche Pfal$ ©o§lar erbaute. £ter rourbe ihm 
in bemfelben Satjre auch fein ©oljn $etnrtch (IV.) ge= 
boren unb von ben oerfammelten dbeln fofort al§ 
fünftiger Äönig anerfannt. 

2)od) mit machfenbem ©roß fahen bie öillunger jJWj 
unb ber oftfäd)fifd)e $lbel, bem jene felber angehörten, |ä$nfct)en 
auf bieg fchnelle Vorbringen ber föniglichen unb ? * bcl ° 
noch m*h* oer bifchöflichen Stacht S)enn ba ba§ 
§er$og3amt ber Sillunger roefentlid) auf ihrer ©rafen* 



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118 



$ie beittf$*T5mtf$e ÄQtferjeit 



genmlt in ben brei ©auen nörblid^ oon bcr ©Ibe 
(£olftein, Stttmarfchen, ©tormarn) unb in ben 
flanrif d)en Warfen beruhte, im Söinnenlanbe burd) 
bic gräflichen $Red)te bcr ad)t SBiStümer vxtU 
fad) befd)ränft tourbe, fo betrachteten fte unb jener 
friegertfche ©rentabel bie c^rifttic^e SJUffion unter 
ben Slawen, bie ihnen bie gewohnten $8eute$üge auf 
s Jiaub unb ©flaoenfang oerbot unb ihnen burd) @in« 
führung be§ firchltchen &t)rtttn bie Tribute rurjte, 
al§ einen Eingriff in alte fechte, 
jpctnri* 2)er Qwtft, ber hier nur erft glimmte, brach an* 
unb berwärtS in offne glammen au§, juerft in Lothringen. 

öo "on leb & ier cr ^ ob f id > £ er *°9 ©ottfrteb, bem ber ßönig nach 
ßot&rin* bem $obe feine§ $8ater§ ©ojelo nur Dberlothringen 
acn übertragen hatte, toährenb fein «ruber ©ojelo 9lieber= 
lothringen erhielt, nrieberholt, julefct mit 93albuin V. 
oon gplanbern oerbünbet, in Staffen gegen ben ®aifer. 
Söefiegt oerlor er fein §erjogtum, ba§ nun 1048 an 
ben ©rafen ©erfjarb, ben ©tammoater be§ bi§ 1735 
bort regterenben ©efchledjtS, gelangte. Slber einige 
^ahre fpäter, 1054, oermählte ftch ©ottfrteb mit SBea* 
tri£, ber ©rbin be§ mächtigen SJcarfgrafen SBonifaciuS 
oon £u3cien, Um biefe gefährliche SBerbvnbung 51t 
burdjf reuten, zugleich um £eoS IX. Nachfolger, SBif tor II. 
(©ebharb oon (£id)ftäbt), in feiner föwierigen ©tel* 
lung in SHom $u befeftigen, ging #etnrid) III. im Qahre 
1053 flum jioettenmale nach S^lien. $)a ©ottfrieb 
ihm auswich, nahm ber ftatfer 93eatri£ in £aft unb 
ihr gan$e§ ßanb in Söefifc. 3ugleid) unterfagte eine 
©rjnobe in ftlorena unter ratierlichem unb päpftlichem 
SBorfifc alle nicht bem ©tiftungSsioecfe entfprechenbe 
SBenoenbung oon ßirchengut unb traf Verfügungen 
gegen bie fimoniftif d)en 93ifd)öfe, führte alfo bie du- 
niacenfifche 9ief orm weiter. 2)abet herrf chte aber $n>if djen 
ftaifer unb $apft ba§ engfte ©inoernehmen, fobafc 
Heinrich III. bem^apfte nicht nur baS ^er^ogtum ©po* 



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SBegritnbung unb SfuSfcau be§ beutf^»tömift^en ttetd&ö 

Ieto übertrug, fonbern ihn auch au feinem Statthalter 
in Italien ernannte. (Sin 3n>iefpalt aroifchen ben beiben 
Oberhäuptern be§ 3lbenblanbe§ frf)ien unbenfbar. 

S)ie Nachricht t>on einer gefährlichen, gegen fein §einri$g 
ßeben gerichteten Söerfchroörung jroeier unaufriebnen ^ 
Saienfürften, be3 £eraog§ Söelf von Kärnten unb be§ 
erft 1053 abgefegten $erjog§ ®onrab von Söaoern 
mit bem ehrgeizigen 93ifd)ofe ©ebharb von SRegenSburg 
üeranlafjte ben Äaifer plöfcltch nach$eutfchlanb jurüct- 
aufehren, (£r oereitelte baburch ben tücfifchen 2lnfd)lag 
unb war beg SReicheS biegfettS unb jenfeitS ber Sllpen 
pöllig |>err, als er nach ©achfen ging, um auf ben 
.£ö[)en be§ «partes Cfcrljolung fuchen. $ort ereilte 
ihn auf ber Sßfala SBobfelb am 5. Oftober 1056 ein 
früher $ob, gerabe alg bie SReichSoerfaffung ber 
[chroerften Grifte entgegentrieb. 

* * 

2)a§ beutfeh^römifche föeid) mar roeber ein Sfla* $a8 
tionalftaat noch *ta SBeltreid), fonbern ba3 unter ber 
^öorherrfchaft ber $eutfchen vereinigte Mitteleuropa. 
2)a bie SBerfaffung in allen brei deichen auf frän= 
fifcher ©runblage beruhte, fo ging beren ^öerr)ältni§ 
ju einanber über bie reine ^ßerfonalunion mefentltch 
hinaus, ©ine befonbre ^önigSfrönung in Italien 
unb Söurgunb mar teine§n>eg§ SRegel, unb jumeilen 
fanben fogar gemeinfame [Reichs- wie ^irchenoerfamm* 
lungen für mehrere ßänber ftatt, wenngleich eine 
SReichSgefefcgebung nach farolingifdjer 3lrt in feinem 
beftanb, fonbern bie fyortbUbunß be3 Rechts ben 
^ßrioilegien ber Könige unb bem örtlichen ©eroohn* 
heitgrecht überlaffen blieb. 2)ie »erfchiebenheit be§ 
^rioatrecht§ xvax mit ber ©emeinfehaft ber brei deiche 
natürlich ebenfo gut »erträglich roie mit ber mobernen 
beutfehen SRetchSetnhett. 3n allen brei fiänbern mar ber 
Äönig ber oberfte 9iicf)ter, ber oft genug ganj perfönlich 



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faffung 



120 fcie beutfä-romifae Äntfcrseit 

eingriff; er erliefe ba§ Aufgebot, jefct aüerbingg nad) 
eibltd) erhärtetem Söefchlufj ber ©rofeen, au§ beren 
Söafaflenf c^aften e3 beftanb, er mar ber gröfjte ©runb* 
herr beS 9ieid)3 unb oerfügte über bteS König3gut 
üoüfommen nach ©utbünfen, er befefcte bie h*>hen 
Staats* unb Kirchenämter, aüe§ in ber SBeife ber 
Karolinger. 

Än 9 3n brei Dichtungen aber ^atte ftd) biefe «erfaffung 
feit ber SDittte be§ sehnten ^ahrhunbertS umgebilbet. 
$ie Krone mar jetjt nicht mehr ohne roeitereS erblid), 
fonbern bie Übertragung auf einen @ohn be§ regte* 
renben §errn, bie allerbingS bie Siegel bilbete, erfor= 
berte bie 3 u f^ mm w n 9 °er geiftlichen unb weltlichen 
©rofjen, auch wenn fid) nicht eine förmliche Söafjl nötig 
machte, ©obann war bie thatfäd)liche ©rbltd)feit ber 
weltlichen $Reich§ämter im roefentlichen burchgefefct, 
oollftänbig bei ben ©raffchaften, Üflarfgr äff haften unb 
s ^fal3graffd)aften, erft teilmetfe bei ben Herzogtümern, 
©ine rechtliche 8onberfteflung nahm ^Böhmen ein, beffen 
§er$ogtum ftet§ eine erbliche, nationaltfdjechifche Staate 
gemalt unter beutfcher Oberhoheit blieb. 2)a infolge- 
beffen bie alten ©aue jumeileu jroifcheit mehreren ©rben 
geteilt, überbie3 burch bie Immunitäten ber geiftlichen 
Öerrfdjaften burchbrodjen unb serfetjt mürben, fo 
üerfchroanben auch bie ©aunamen bi£ auf roenige 
(SBetterau, Sunbgau), unb bie ©rafengefchledjter 
nannten fich nach ihren Stammten. $a§ 2Imt 
aber mürbe ein 2lnf)ängfel ber ©runbherrfchaften, 
unb ba§ ©rnennung3red)t be£ König§ fdjrumpfte ju 
einem $8elehnung§rechte jufammen, fraft beffen er bem 
Inhaber be§ 2lmte§ bie gahnenlanje al§ ©innbilb ber 
ihm ncrliehenen ©emalt unb ber bamit aerbunbnen 
JHeich§lehn§güter übertrug, ©nblid) mar bie Kirche, 
eben meil bie unaufhaltfame ©rblid)fett ber roett* 
liehen JHeich^ämter, bie biefe ihres 9Imt3charafter§ ent* 
lleibete, $um »ornehmften ©liebe ber DieichSoer* 



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SBcgrimbung unb Hii86<iu bc§ beutf($«romifrf)cn 9tei#3 121 



roaltung geworben unb baher in allen brei Weichen, 
am meiften in Dberttalien, burch Verleihung ber 3m« 
munität unb ganzer ©raffdjaften ju umfangreichen 
weltlichen #errfd)aften gelangt, $a ein geiftlicher $err 
ben «lutbann nicht fclbft üben burfte, fo richtete im 
(Sdjtenbing über freie i'eute ber von ihm ernannte, 
vom ftöntg mit bem Vlutbann beliehne Vogt (ad- 
vocatus) ober (in ben rheinifdjen ©täbten) ber Burggraf, 
immer ein ßaie, im gebotnen $ing über Heinere Sachen 
ber vom SmmunUätgfjerm ernannte, vom Vogt be- 
lehnte 6d)ultf)ei&, alle biefe Veamten mit ©dürfen au§ 
bem Stanbe be§ Verllagten nach beffen ©tammeSrecht. 

$er tveltlid)-'geiftlicf)en Verfaffung bei SReidjS ent- 
fprach bie Umbilbung beg 8önig§hofe3. ©eit ben ö ^° f 
Ottonen bitbete feinen nnd)tigften Veftanbteil bie 
Capelle (in ber Drganifation VrunoS von ftöln) unter 
bem (£r$laplan oDer ftanjler, bie ©enoffenfefjaft be§ 
$>oflleru8 unb bie ^ßflanjfchule für bie geiftlidje Beamten* 
ariftolratte be3 $fleid)3, bie Vifchöfe unb 3teict)3cibte. 
daneben flanben für bie Söer f orgung ber §ofcimter unb für 
bie Verwaltung be§ ßönigSgutS bie föniglidjen VafaHen 
unb 2K imperialen, für bie 9iei$3gefd)äfte eine mit bem 
jeweiligen Slufenttjalte be3 §ofe§ beftünbig tvechfelnbe 
9lngahl von Vifchöfen unb üaienfürften. $)enn eine 
fefte £>auptftabt mar noch immer unmöglich, unb aud) 
§einric^ III. hat getvifc nicht beabfidjtigt, ©oSlar $u 
einer foldjen ju machen. 

Unter biefer Verfaffung hat 2)eutfcf)(anb ein 3af)r* Sfo 
hunbert verh&ltniftnäfng innerer s Jhthe, äußerer ©tcher* i )e rr. * 
heit unb friedlichen ©ebeihenS erlebt tvie niemals JJj^J 
nor^er unb feiten nachher, ein (Srgebnte, ba§ ©«nbe 
bann befonberS fcfjarf hervoroortritt, wenn man 
bie gleichzeitigen fricblofen 3 u ftänbe S r anlreicf)3 
baneben hält. Vor allem bie lanbbauenbe Ve* 
völler ung, alfo bie ungeheure 9Dflef>r^cit , entmtcfelte 
eine nachhaltige mictfchaftliche unb Iriegerifche ftraft 



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122 



Sie beutfdKrömtföf Aatferacit 



von erftaunlicher Seiftunglfähigfeit. Slüerbingl war 
jefct, wenige 2lulnahmen, in gröfjerm Umfange nur 
in ©achfen , abgerechnet, ber freie SBauernftanb in bie 
Slbhangigfeit r»on ben geiftlichen unb weltlichen ©runb* 
herrn geraten; aber bie Seute ber am günftigften 
ftehenben klaffe, bie 3w3&auern ((Senfualen), leifteten 
bem ©rimbfjerrn nur einen rjöcfjft mäßigen QinS unb 
fchulbeten ihm beim Antritt bei ©rbel ben SobfaH (*8eft* 
haupt, balbefteStücf *Bteh)unb, wenn ber bisherige 3n* 
rjaber mit einer nidt)t $u ben Untertanen bei $errn ge* 
hörigen grau ©erheiratet war, ben Zuteil (einen $eil bei 
©utel), waren aber bei brüefenben geerelbienftel lebig, 
genoffen ben wirffamen ©chutj bei §errn unb ftanben 
$u Riecht oor ©chöffen ihrel ©tanbel. ©rö&er war 
bie 3<*ttf bt* a«f £>errenlanb angertebelten Rödgen unb 
ber Unfreien (leibeignen); boch hatten auch tiefe lefctem 
oft ein eignel ©ut ju bewirtfehaften ober burften all 
§anbmerfer ($)agef falte) neben bem, wal fie all folche 
für ben 2)ienft bei $errn ohne Entgelt &u liefern 
hatten, auch für ben Verlauf arbeiten unb waren 
namentlich in »ifchoflftäbten fd)on in 3ünften (officia) 
unter herrfchaftlichen 3wnftmeiftern (magistri ofticiorum) 
oereinigt 2luf$erbem ftiegen fie oft genug $u 3\n& 
bauern, bie hörigen gu 9Jcinifterialen auf, unb biefe 
nährten f«h, obwohl fie eine @he nur innerhalb ber 
5)ienftgenoffenfchaft (familia, gedigene) fchlie&en burften, 
unb ber £err ihre ftinber nach belieben oerheiratete, 
burch Sßaffen? unb £ofbienft in Sebenlhaltung unb 
©eltung ben freien SBafaflen (milites), würben auet) oon 
(Schöffen ihrel Stanbel gerichtet. 2)ienftrechte begannen 
biefe «erhältniffe für bie einaelnen #ofgenoffenfchaften 
gefetjlich ju orbnen. 
pol mt ber Slulbilbung ber 2Jcinifterialitat unb bei 
1 5 ccr fiehnlwefenl twllenbete fich bie tängft angebahnte 
©cheibung jwifchen SJcarjrftanb unb Söehrftanb. $)ie 
SJlaffe ber SBauernfcfjaft war jefct aulfchlie&lid) wirt* 



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Searünbung unb SluSbau beä beutf^-römtf^en $et$S 123 



fchaftlich thättg, ber Söaffenbienft, ben fte, außer sunt 
ßanbe§fd)u$, nicht mehr leifteten, war bie ©adje ber be* 
lehnten freien unb SJttmfterialen geworben. 2)a§ föeid^ 1 
heer war alfo feiner Sufammenfefcung nach eine Serbin* 
bung fleiner Kontingente be§ Könige wie Der geiftlidjen 
unb weltlichen $Heid)3beamten unter beren Bannern, bie 
für ben Krieg $u einem ber ©renje be§ anjugreifenben 
fianbe§ möglichft nahen ©ammelplafce entboten, r»on 
ihrem Se^nS^errn mit einem beitrage ju ber foft* 
fpieligen 2lu3rüftung unterftfifct unb nad) bem meift 
turjen gelbjuge com König wieber entlaffen würben; 
in militärtfcfjer 33e$iehung bilbete e§ ein §eer fernerer 
Leiter in Kettenhemb (Brünne) unb fptfcer ©tahlfappe, 
mit ©chilb, ©chwert unb fianje auf ungepan^erten 
ftarfen§engften; wirf liehe tafttfd)e$8erbänbe gab e§nod) 
nicht. $)aher fehlte im Kampfe jebe eigentliche Befehl 5 
führung, unb bie fechtenben ©efchwaber Iöften fich nach 
bem erften gefd)loffenen Anprall balb in wtlbem ©e~ 
tümmel $u ©injetfämpfen auf, in benen Kraft unb 
2Kut be§ 3J*anne3 entfdjieben. 

Unter ber Leitung ber ©runbherren, namentlich Ä ®oni 
ber getftlichen, hat nun bie beutfehe 93auernfd)aft ba§ fation 
großartige SBerl ber innern unb äußern Kolonifation 
rüftig weitergeführt unb baburd) unferm SBolfe auf 
Sa^rhunberte ein unbeengteS, alfo gefunbeS wirt* 
fdt)aftlid)c§ 2)afein gefiebert. 2)ie 93erbinbung ber 3en* 
tralifation in ber Settung unb ber 3)e§entraUfation im 
^Betriebe ber großen ^errfdjaften burd) bie SBewirt* 
fdjaftung in einzelnen, felbftänbigen, nur irgenbwie r»on 
größern feften 3JlitteIpun!ten abhängigen Söauernftellen, 
ba§ ©egenteil ber altrömifchen Satifunbienwirtfchaft 
mit ©flapenarbeit, wirfte babei außerorbentlich günftig. 
SHe Qrorm ber Einlage war meift ba§ ju Söalbhufen 
ober (im SBruchlanbe) ju ähnlich geftalteten flämifchen 
£ufen au§gethane S)orf, juweilen auch ber (Sinjelhof, 
au3 bem fleh bann wohl ein 3>orf entwicfelte. <5o würbe 



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124 



Sie beutfcHömifti&e Äaiferjeit 



bie innere ßolonifation 5. SB. im Düringer SSalbe, im 
£arjlanbe, im 93öbmern>albe, in ben jugänglichern 
2Itpenthälern biä gegen 1100 in ber ©auptfactje abge* 
fchtoffen. 2>ie äußere ^olonifation war befonberS in 
ben flanschen ©üboftmarfen thättg. SBagrifche SBiStümer 
unb Softer ober weltliche ©runbherren, von ben 
Königen mit auSgebehnten ©djenfungen faft immer 
roilben ßanbe§ begabt, aermanbelten bie Dftmarf 
(Dfterretch, Dftarrichi) junächft langS ber 2)onau au3 
einem Ungeheuern iföalbgebiet in ein blüf>enbe§ Kultur- 
lanb gan$ beutfdjen ©eprägeä. Sn ben Dftalpen* 
länbern fam bie beutfd)e SBefieblung im mefentltchen 
nur bi§ jur ©übgrenae be3 ©aljburger (£räfprengel3, 
ber $)rau, unb ließ bie nod) unfidjern ©renaftriche nach 
Ungarn fytn noch außer ©piet. Öftre ©auptfifce mürben 
ba§ breite %^<d ber mittlem 3ttur unb ber milbe 
Sanbftrid) von ftriefad) bi§ $8iHad>. S)od) gelten ftd) 
^ier SHefte ber ©laroen fogar al§ freie ©runbbeftfcer, 
menngleid) bie 2ftaffe hörig rourbe unb fid), fobalb fie 
belehrt mar, rafch germanifterte. 

Steiße« Snaroifdjen begann nun ein lebhafter roerbenber 
©ewerbe* unb §anbel£betrteb ben SBann ber Natural* 

5öerfet)r§ nnrtfchaft leife §u lodern. $afür ift bie polittfdje 
SBerbinbung mit bein uralten ßulturlanbe Statten, ba§ 
höhere SSebürfniffe roedte unb zugleich 93orbilber gab, 
ftcher oon großer SBebeutung gewefen. $ie unb ba 
arbeitete unter fachlicher Leitung ba§ ßunfthanbwer! 
nicht nur für bie SBebürfniffe ber eignen Hofhaltung, 
fonbern auch fcfton für ben Söerfauf, fo in £egernfee 
bie ©lagbereitung, in £ilbe3heim unter SBifchof Sern* 
warb ber SBron^eguß. Sftorbbeutfche Äaufleute in 
SHagbeburg, Oueblinburg, @o3tar Bereinigten fleh in 
©chufegttben, um braußen in ber recfttlofen ftrembe auf 
gemeinfame Rechnung unb ©efahr §anbel ju treiben; 
fie gewannen oon Dlbenburg unb ©chleSrotg au§ auf 
ber Cftfee, bie nod) auSfchließlid) oon ben Slawen unb 



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Söeflvi'uibiitig unb Ausbau bes beutfdi'iümtjd&fu 9teid)ä 125 



Sftorbgermanen beljerrfdjt würbe, SBerbtnbungen mit bcn 
großen ©tapelpläfcen be§ DftenS, 3ultn (Sumne, 2öoHin) 
auf Ufebom unb SBiSbg auf ©otf)lanb. ©übbeutfäe 
|>ftnbler t)cr!ef)rten namentlich von SRegenSburg au3 bt§ 
nad) Ungarn, ^ßolen, Greußen unb SRufjlanb (8tew); 
fte fliegen von (Sijur, oon 9lug§burg, von ber mittlem 
S)onau auf alten SRömerftrafien ober neuen (Saum* 
pfaben nadjber f onnigen ßombarbet hinunter. 9Iurf)ber 
93mnenocrfef)r naljm &u, befonber3 weil bie SBeftfcungen 
ber ©runbfyerren oft weit auSeinanberlagen unb if)re 
s $robufte au§tauf d)ten , unb unter bem ©d)u£e be§ 
f önigltc^en Wlaxt tfrtebenS bübeten fi<^ anfe&nlidje 2Harft* 
orte, bie gewöfmltd) aud) 2flünsftätten waren, rote ©r* 
furt, Söürjburg, SHegenSburg, 9Iug3burg, ßonftan$, 
SRorfdjad) u. a. m $lm füf)lbarften war biefer $luf* 
fdjwung fldjerlid) in ben 9lt)etnftäbten, benen bie alten 
Stömermauern fcfyon $u eng würben. 3lber and) in ben 
öftlidjen ßolomallanben entftanben raf$ neue 2Härfte, 
fo ®t. gölten, ftriefad), »tHacfc u. a. m. 

9ttrgenb§ tritt bie Söebeutung ber Söerbinbung $ie «unft 
$wifd)en $)eutfdf)lanb unb Italien flarer fjeroor al§ 
im geiftigen Seben, ba§ unter ber fjü^rung ber Ätrdje 
feit Otto bem ©roften einen fröJ)lict)cn 9luffd)wung 
na^m. Sftad) bem Sßorbilbe ber romantfdjen bauten 
DberitalienS begannen au<$ bie beutföen S3i$tütner 
unb ßlöfter bie alten einfachen, oielf ad) gewifj nod) 
f)öl$ernen ftirdfjen burd) mächtige, oft turmreidje Stein* 
gebäube §u erfefcen. $)aggefdjal) in ber^orm ber anfangs 
fladf) geberften, fett bem elften !gaf)rl)unbert fünftlid) 
überwölbten SBafilifa, bie aud) ard)tteftonif$ bie ftrenge 
©Reibung ber ©emeinbe oon ber ©etftlidjfeit burdj bie 
ftarfe @rf)öf)ung be§ auf bie ®rgpta (©rabftrcfje) 
geftellten (£l)or§ über bie weit tteferliegenbe ©emeinbe^ 
fird&e tum 2lu§brurf brachte unb bnxd) aierlidjen 
®d)murf ber ©äulenfapitäle wie burdf) ornamentale 
Malereien be§ fonft einfacf)*ernften ^nnern belebte. 



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126 



$ie beutfdj*römtfd)c Äatferjeit 



3n 9flagbeburg, Gueblinburg, ®o3lar, ©ernrobe unb 
Bremen, in Samberg, s Iflain$, Himburg a. b. §arbt, 
in ©pcier, Stier unb min führten bamal§ geiffc 
Iic^e SBaumeifter unb gum Seil au<$ geifttid^e SBerfleute 
foldje bauten au§. 3)er bof)e£aienabel ftanb barin hinter 
ber Stirdje nod) weit ^urücf, benn beffen ©ut^r)öfc waren 
immer nod) ^ofybauten; ba§ erfte SBeifpiet einer ftatt* 
lidjen fteinernen, funftgefd)mücften ftönigSpfalj im 
inneren $)eutfd)lanb gab ©einriß III. in ©o§lar. 

S^ISS" OoSenbS aller Unterricht unb alle 2Btffenfcf)aft tag 
} mb burd)au§ in geiftlidjen $änben unb mar faft nur für 

****** fünftige ©eiftlid&e beftimmt. ftur mar bie 8ird)e un* 
befangen genug, in ben blüfjenben $)om* unb Softer* 
faulen neben ber ^eiligen ©djrift unb ben ®irc$en* 
tmtern aud) bie Sttdjter unb ©efd)id)tfd)retber be§ 
alten iRom jum ©egenftanbe eifrigften ©tubiumS $u 
machen, vor ädern al§ formale SBorbilber für eigne 
SBerfe in latetnifd^er ©pradje. $)al>er mürben audf) 
meift 9flönd)e, mie Söibufinb oon (Soroen, feltner 
SBif^öfe, mie ber reifige Dietmar von 9flerfeburg 
unter §einrid) IL, bie ©efd)icf)tf Treiber biefer Qtxt, 
ofnte freiließ unter ber £>errfcf)aft ber 9lugufttntfd)en 
5lnfd)auungen ju einer mirfltd) §iftorifdf)en Sluffaffung 
gelangen ju fönnen unb olnte in ba§ SBefen ber 3)tnge 
einzubringen, in benen fte melmeljr nid)t§ fallen al§ 
einzelne Sfjatfadjen. ©oroen, ©anber§ljeim unb £ilbe& 
f)etmtn©ad)fen, SKetdjenau unb ©t. ©allen in ©cfjmaben, 
•lieber s$lltaidf) in SSanern maren bie nridtjtigften 
^flanaftatten biefer ©ef$id)tfd)reibung. Söenn aber 
früher ber £leru§ bie beutfd)e£etbenfage al§ ^etbntfd» 
abgelehnt unb ftd) nidt)t um bie Pflege ber beutf^en 
©pracfje gefümmert tjatte, fo änberte ft$ ba§ je^t. 
3n ©t. ©allen entftanb eine $lrt von Überfefcerfcfjute, 
bie dt>riftli(±> * lateinif d)e ©tücfe in beutfdjer ©pradje 
miebergab, unb ein f^roäbifc^er $i$ter, ©efebarb von 
©t. ©allen (geftorben 973), mar e§, ber einen beutföen 



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23egrimbung unb Sliiäbau beä beuttdj»römifcf)en 9leid>3 ]27 



©agenftoff in utrgilif d)e öerameter go{?, ba§ 2öaltl)ari= 
lieb; ein bagrifcfjer 9Beltgeiftlicr)er, $onrab oon Sßaffau, 
fctjrieb ein lateinifctjeS SWbelungenlieb , wd&renb bie 
waefere 9ionne £rot3foitba pon ©anber3&etm e§ 
unternahm, Saaten unb Öeiben beS fädtfifetjen §errfdjer* 
fjauf e§ in ber f elben epif cfjen fjorm f d)Ubern unb bie leicht- 
fertigen ©tücfe be§ £eren$ buret) ,,cr)rtftltcr)e ßomöbten" 
ju Detbrdngen. Söaren jene epifdjen $icr)tungen fo gut 
wie bie ©efd)id)t3werfe ein SöewetS, bafj bei beutfd)e 
ftleruS trofc feiner lateinifdjen SBilbung national ju 
benfen gelernt fyatte, fo fc)iett aucr) ba3 $8olf an 
feinen alten Sagenftoffen au§ ber Söanbergeit unb 
an ben etwa feit bem achten Satyrljunbert oom Orient 
I>er etngebrungnen nawen $iergefd)tcr)ten feft. <5elbft 
für bie aeitgenöfftfcr)e ©efctjidjte fannte e3 feine anbre 
g-orm ber Überlieferung al§ bie münblicr)e <5age unb 
ba§ Sieb be§ fafjrenben ©pielmannS, ber bei feinem 
fjefte festen burfte. Obwohl wenig geachtet, war er 
bod) eine 3Jcad)t im ßeben be§ 2Jolfe§, beffen Meinung 
über aflenferjen unb ©retgntffe oor ädern er beftimmte. 

Unzweifelhaft waren bie fdjarfen ©egenfäfce, ftaefctiffc 
bie ba§ innere fieben ber beutfdjen Nation feit 
ber SBegrünbnng ber fränfifdjen $errfd)aft unb bem 
©inbringen be§ (SfjrtftentumS jerflüfteten, in ber 9lu§« 
gleicrjung begriffen. D^cic^ unb Sftrdje waren al§ 
93erwaltung3organi§men untrennbar miteinanber t>er* 
fdjmofyen, bie alte ©elbftanbigfeit unb ©in^eit ber 
Stamme§gebiete mar gelocfert, in granfen unb Biebers 
lot^ringen fdjon ^erftört, ba§ Übergewicht ber &to%* 
grunbf)errfctjaften mar feftgefteUt, o^ne bie 93auernfd)aften 
ju fnecr)ten, bie burd) fte oielme^r ju großen, äufeerft 
leiftung3faf)igen Söerbänben &ufammengefafjt waren; ber 
8lero8 war buret) ©runbbefifc unb praftifcr)e Arbeit natio- 
nal geworben, unb bie £aien geigten fierj ooH fircf)lid)en 
©iferS. grreilicr) lehnten fle nod) immer jebe litterartfcrje 
$ilbung ab, jaf)lreicr)e fjeibmfdje 0eroo$i$eiten unb 3ln* 



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128 



Die &eutfd)»römifdje Äaiferjcit 



fchauungen ftanben noch ungebrochen aufrecht, itnb bie 
2)eutfcf)en jener fyit f e *&ft waren ein lebensfrohe^, 
fmnlicheg, berbeS, trofcigeS unb leibenfchaftlicheS ©e= 
fehlest, aber hochfmnig, treu unb unbebingter Eingebung 
fehr roohl fähig, nur burcrjau§ abhängig oon Über* 
lieferung, ©efühl unb ^h^ntafie, baher rafchen, faum 
berechenbaren ©timmung§roechfeln unterworfen, 
«usp^ten 2)a nmrbe e§ nun ein roahre§ 93erhängni3, bafc 
ber roeltfeinbltche firchenpolitifcrje 3beali§mu§ ber 
©tuniacenfer von ftranfreief) unb Lothringen h^ 1» 
9iom jur §errfchaft getaugte unb auch &w beutfehe 
©eiftlicrjfeit $u ergreifen begann. 6iegte biefe SHich* 
tung, fo unterbrach fte ben eingeleiteten inneren 2lu& 
gleich atoifdhen ßleruS unb £atenfchaft unb mufrte 
bie enge SBerbinbung jnrifchen Königtum unb &ird)e, 
auf ber bie ottonifche 9ieid)3üerf äff ung , bie einjige 
bamal§ mögliche, beruhte, befämpfen; fte griff bann 
alfo ben SBeftanb be§ SHetchS unb ber Nation felbft an 
feiner Söurjel an unb befchtoor bamit unabfefjbare 
kämpfe herauf. 



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3tx Kampf um Ütetrfi*- utttr 
ftttdisntarfaflung* 1056 bte 1152 

-f5j\ie 2öud)t btefeS unoermeiblicrjen Kampfes legte fid) ß ö »ifli« 
,4^ in feinen Anfängen auf bie ©djultern cme§ Knaben Äflne8 
unb einer fd)toacrjen, unfelbftänbigen ftrau. Königin 
3lgne3 fannte roeber bie 2ttenfd)en nod) bie $inge, 
folgte bei einer bi§ jur #ngftltd)feit gefteigerten ©e* 
nriffenfyaftigfeit oft ungeeigneten Ratgebern unb war 
bei ir^rer ftreng ftrcr)Iicrjen ©eftnnung ben ctunia* 
cenftf d)en Sbeen gegenüber innerlich wehrlos. @o 
gab fte fcrjon 1056 SuScien an ©ottfrieb oon Sot^ 
ringen aurücf, oerlief) 1057 ©cfyioaben an SRubolf oon 
9t!)einfelben, ifyren fpätern©d)nriegerfo!m, 1061 SBanern, 
ba§ ir)r ©emafyl feinem jungen (Srben §einrid) r)interlaffen 
rjatte, an ben <Sad)fen Otto oon Sftorbfyeim. 3JMt 
Ungarn ftrebte fie ein frtebltd)e3 Söerr>ältni§ an, inbem 
fte it)re £od)ter ^ubitb mit bem ^ronerben ©alomom 
bem ©otyne be§ &imig§ 2Inbrea3, oerlobte, aber fie 
fonnte bann nid)t oerfjinbern, bafc $lnbrea§ 1060 oon 
feinem SBruber Jöela geftür$t nmrbe unb ©alornon 
nad) S)eutfd)lanb flüchten mufcte. 2Utd) frätere beutfd)e 
gelbjiige au feinen ©unften änberten baran nidt)t oiel. 

$et aScrbegaiifl bcö beut}c^cn Jöolfcä 1 9 



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130 



Sie beutfä«tömif($e Äatferjcit 



©ieß ber ^ber ba§ aflc§ trat an Söebeutung weit $urücf 
e »om in hinter ber fir$lid>en SReoolution, bie ftd^ nadf) bem 
Stöbe SMftorg IL (in Slre^o Sult 1057) in Italien 
t)oÜ3og. ©d)on bie 3öat)l Stephans X. (griebrid)§ von 
ßotfyringen, eineS 93ruber§ von ©ottfrieb) burd) ba§ 
römifcfje $ott allein o^ne 93ead)tung ber fönigttcfyen 
$Red)te war ein ©ieg ber SHeformpartei. bann 
nad) beffen rafcfyem £obe im 9Hära 1058 nod) einmal 
ber römifdje 5lbel einen Sßapft, 93enebtftu§ X., erf)ob, 
ba ©erftänbtgte ftd) ber geroanbte unb entfd)loffene 
2rül)rer ber föeformpartei, ber ®ubbiafonu§ £>ilbebranb, 
fernen mit bem beutfdjen §ofe, ließ in ©iena ben 
(Srabifdpf ©erwarb von &Ioren$, ben er gan$ be* 
Ijerrfdjte, jum Zapfte mahlen unb führte ifyn na<$ 
SRom, rvo er am 24. Januar 1059 al§ SftifolauS II. 
im Sateran intfyroniftert rourbe. Unb nun gingen bie 
^Reformer, an ifyrer ®pit>e £>übebranb unb ber ®ar* 
binal Gumbert von ©ifoa ©anbiba, rafdj unb ftdjer 
auf ifjr 3iel Io8. 2)ie§ mar ni$t mefjr bie pttlic^e 
Reform ber $irrf)e im ©inne §einrid)3 III. unb Ceo§ IX., 
fonbern bie JJreifjeit ber $ird)e von ber Söelt unb 
alfo ifjre §errfd)aft über bie SBelt. 2)at)er befdijlofj 
fdjon bie römifd)e Dfterfgnobe 1059, bie SBa^l be§ 
s £apfte§ ben ftarbinalbtfdjöfen (b. i. ben 93ifd)öfen be§ 
römifdjen ©rjfprengelg) unter HKitnnrfung ber (ftabt* 
römifcfyen) ßarbinatpfarrer, aber unter $Iu§fd)lufj be§ 
bt§f)er aflein wahlberechtigten „®leru§ unb S8olf§" unb 
mit Umgebung ber faif erliefen ^ecfjte §u übertragen, 
perbot ben ©eiftlidjen, ein geiftlid^eS 9Imt au§ ber 
§anb eine§ Saien anaunefjmen, unb erneuerte bie Ver- 
fügungen gegen bie ^ßriefterefye. 3 U 9^^ fieberte ftd) 
bieS neue ^ßapfttum eine fefte weltliche 9Jtad)t, inbem 
e§ fraft ber fogenannten ftonftantinif djen ©cfjenfung 
bie ^ormannenfürften Dttdjarb von Sfoerfa unb ßapua 
unb Robert ©ui§carb oon Slpulien mit i^ren öänbern 
wie mit ben erft ju erobernben ©ebieten (Ealabrien unb 



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£er ßaiiipf um bie 9tei$ö« unb «infcettfcerfaffunfl 131 

©Otiten belehnte, unb unbebenfltdj bebiente e§ fid) 
einer rauften geiftüdjen Demagogie, um in ben lombar* 
bifdjen $8ifd)of3ftcibten burch bie ©ibgenoffenfdjaften ber 
„^ßataria" (b. i. be§ SumpengefinbelSj ben ^ßöbel gegen 
bie fimomftifdjen unb ©erheirateten ^ßriefter ju fye^en 
unb batnit bie 93ifd)öfe, bie beften ©tüfcen ber beutfcfyen 
gerrfcfyaft, mattaufefcen. 

Olm* irgenbroelcfee energifcfje ©egenroef)r roid) ber S*jprj9| 
beutle ^ömg§r)of vox biefer fü^nen SReoolution mei^ö- c 
jurücf. 3n>ax oerroarf eine beutfcfye ©tmobe 1060 bie re s teru "3 
römtfcf)en *8efd)lüffe, unb bie lombarbifdjen 93ifd)öfe 
ftellten jufammen mit ben beutfdjen unb mit Königin 
SlgneS in »afel im DI tober 1061 §onoriu3 II. (Ca* 
balu§ von Marina) al§ ©egenpapft auf, aber im SBunbe 
mit ©imomften, nrie biefe $8ifd)öfe meift waren, 
!onnte bie ®rone bie§ reformierte ^apfttum ntd)t 
übernrinben. (53 gelang £onortu§ II. nid)t einmal, 
fid) in 9iom feftjufefcen, ba ©ottfrieb oon %\x§* 
cten eigenmächtig unb etgennüfctg einfd)ritt. ®ur$ 
barnad), im 5Iprit 1062, entführte ber ehrgeizige unb 
energifdje @r$btfd)of Slnno von ®öln, Iängft un^u- 
frieben mit bem fd)laffen, unfichern Regiment ber 
Königin Signet, im ©inoerftänbniS mit (Stöbert oon 
S8raunfcf)raeig unb Dtto von Sftorbheim, ben jungen 
ßönig feiner SKutter in ßatfergroerth unb rif? bamit 
bie Dieidh^regierung an fid). 5lflein fchon im 3»uni 
1063 fetjte e§ $lbalbert oon Bremen burch, bafj ihm 
bie Leitung ber ©efdjäfte übertragen, feinem 2lmt§* 
bruber in ßöln nur bie @r$tehung be§ ®önig§ über* 
Iaffen würbe. Slud) biefer machte er balb ein ©nbe, 
benn au Oftern 1065 lieft er Heinrich IV. in 38orm§ 
mit bem ©chroert umgürten, alfo münbig fpredjen 
unb ©erlegte bann ben @ifc be§ §>ofe3 auf fäcfjftfdjen 
©oben, nach ©oSlar. ©egenüber SRom gcfdt)ac) freiliefe 
trot} langer $erhanblungen nichts entf cheibenbeS ; that* 
fächlich erfannte alfo bie ßrone bie 93efd)lüffe ber 



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V62 



$ie beut|rf)»rötitifcf)e Äaiferjcit 



Ofterfnnobe oon 1059 unb bamit tfyre eigne %\\& 
fd)liefiung oon ber s #apftioal)l an. $enn für ungleid) 
wichtiger galt SIbalbert bie Vefefttgung feiner ers* 
bifd)öfltd)en Stellung buret) bie Verbreiterung tfyrer 
weltlichen ©runblage, unb nriflig förberte üjn barin 
ber junge $Ömg, beffen Vertrauen er oölltg gewonnen 
hatte. Slüein ba er baburd) ben §aji be§ ßaienabel§, 
namentlich be§ fächftfehen, aufs äufeerfte ftetgerte, fo 
tourbe §einrid) IV. auf bem 9teid)3tage oon £rtbur 
im ^ a " uar 1066 gezwungen, ben ©rgbifchof vom 
£>ofe §u entfernen unb ihn feinen fädjftfcfjen ^^nben 
$u überlaffen, bie nun gierig über feine ©üter fyer* 
fielen. $a$u brauen 9lbalbert§ fircf)licf)e Schöpfungen 
im Obotrttenlanbe oor einem fyeibnifcfyen Slufftanbe 
gufammen. Unter biefen Umftänben oermod)ten bie 
jetjt leitenben Scanner, 5lnno oon ®öln unb Otto 
oon 9iorbf)eim, in SRom nicht ba§ minbefte $u er* 
retchen; ja 5lnno tourbe mit anbern beutfehen Vtfd)öfen 
toegen (Simonie gur Ätrchenbufce gejmungen, unb fo* 
gar ber ®önig mufite oor bem neuen ^ßaofttum jurücf = 
toeid)en, benn bie§ oerfagte ihm 1069 runbtoeg bie 
Genehmigung gur Scfyeibung oon feiner jungen Ge- 
mahlin Vertha oon ©aoowen, ber £od)ter be§ OTarf- 
grafen Otto, bie ihm gioar oon feinem Vater fd)on 
in ber ßtnbljeit oerlobt, aber 1066 oon ben beutfehen 
dürften all^u früt) gegen feinen 2ötHen aufgebrängt 
'toorben mar. 

£eittTi($ Solche !gugenberfahrungen toaren nicht geeignet, 
n säbelt einen h«nnonifchen unb ftetigen 6*)arafter $u bilben. 
3n ber %t>at toar ber junge ßönig ftolg, letbenfchaft* 
lid), racr}füd)tig, unbeftänbig, aber ohne .ßroeifel <*ucf) 
hoch begabt, t^atfräftig, unermüblid), finbig in feinen 
9Jtitteltt, batb ein Sfteifter ber Verhanblung unb be§ 
@d)ioerte§, bagu eine fänigliche @rf Meinung. 
mählich begann er f elber &u regieren, blieb meift in 
Goälar, umgab ftd), ftatt mit dürften unb Vifd)öfen, 



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$er ßampf um bic 9*eitf)B« unb ßirrfienüevfaffunß 



133 



bie ihn immer nur getäufd)t unb bebrängt Ratten, 
mit fd^tüäbifdjcn unb fränfifchen SJUnifterialen, unb 
rief fd)on 1069 Slbalbert an ben #of jurücf. Unb 
nun traf feine SRadje juerft Otto von Sftorbheim, ben 
anerfannten 3-üf) rer be3 fächfifchen 2lbel3. 5luf eine 
fd)lecht begrünbete 5lnHage l)\n würbe Otto 1070 
wegen eine§ 9ftorbanfchlag3 gegen ben ftönig geächtet 
unb fein §eraogtum Magern an 2öelf IV. gegeben, 
ben Sohn be3 2Jlarfgrafen 9Ia$o II. von @fte unb 
ber 2Belftn ftumgunbe, ber (Srbin ber fchmäbtfd)en 
unb baqrifchen ©üter be3 2öelfenhaufe3 nach bem 
5lu8fterben feiner männlichen Sinie mit Sßelf III. von 
Kärnten 1053. Sftach hartem Kampfe, in bem Otto bei 
9ttagnu3, bem ©ohne be§ £er$og§ Ohrbulf oon Sachfen, 
Unterftüfcung f anb, würben beibelOTl $ur Unterwerfung 
gezwungen, Otto gwar 1072 au§ ber $aft entlaffen, 
2ftagnu3 aber noch feftgehatten. ®ur$ barnad) ftarb 
5lbalbert in ©oSlar. 

SIber bie SJttfjftimmung in ©achfen würbe noch * tx 
vermehrt, al§ .§einrich IV., um bie Stellung be3 bau 9 unb 
Königtums in biefem ihm lange entfrembeten Sanbe J«^ 
befeftigen, jum ©djutje be§ ®rongut3 ring§ um ben siufftanb 
£>ar$ an oortrefflic^ gewählten Steden einen Strang von 
feften Burgen anlegen liefc, barunter oor ädern bie wahr- 
haft föniglidje £>ar$burg unweit oon (Boslar, unb ba$u 
hier unb ba abhanben gefommne§ $Önig§gut einbog, 
allerorten aber bie ummofmenben SBauern $um gefetjs 
liefen „Surgmerf" tyxan$o$. 2)en grotlenben ©achfen 
erfd)ienen biefe ÜJlafcregeln in Söerbinbung mit ber ©e= 
fangenhaltung be3 jungen 9Kagnu§ auch nad) bem 
iobe feine§ *Bater3 Ofjrbulf al§ Söebrohungen ihrer 
Freiheit nun Heinrich für ben $Iuguft 1073 ein 
Aufgebot gegen bie ^ßolen erlief weigerten fkh oie 
fächfifchen (Sbeln an ber §eerfaljrt teilzunehmen, unb 
furj barnach rief Otto oon 9torbheim in einer großen 
SBerfammlung bei (Stieben bie (Sbeln unb freien 



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134 



Xie beutfcf|«römÜd}e Äaiferjeit 



3Jcanner für bie „Qfreüjett <Sad)fen§" gegen ben 8ömg 
unter Söaffen. if)r Aufgebot am 7. $luguft übers 
rafdjenb vor ber ^ar^burg erfduen, lieft ber ftönig 
2Kagnu§ frei, ritt aber felbft auf Ijeimlidjen SBerg* 
unb Söalbpfaben über ben £mr$ nad) £>er§felb, wo 
ftd) ba§ fränfifdje Aufgebot $um ^olenfrtege fam- 
melte. $a ftd) bie fränfifcfyen $erren jebod) roeber 
bamalS nod) im .ßerbfte gegen bie @ad)fen ftarf genug 
füllten, fo roid) §etnric$ nad) 2öorm§ jurütf. ©rft 
bie bewaffnete ©rfjebung ber bortigen (Senfualen unb 
Rödgen $u feinen ©unften gegen tfyren SBtfdjof, bie 
erfte felbftänbige £l)at be§ roerbenben beutfdjen 
$8ürgertum§, bie ber ®önig feiner treuen <Stabt mit 
bem erften ftäbtifdjen Freibriefe lohnte, brängte bie 
fdjroanfenben fübroeftbeutfdjen 93ifd)öfe auf feine 
(Seite. 9JHtten im Sötnter nad) ber Söerra aufbredjenb, 
mufite er inbe§ ben @ad)fen, ba ber tiefe @d)nee 
jeben Söormarfd) Ijinberte, im SBaffenftiüftanbe von 
©erftungen am 2. ftebruar 1074 *8er$ett)ung unb bic 
Schleifung ber 93urgen t»erfpred)en; nur von ber £ar$* 
bürg foüten ^fala unb ®trd)e fielen bleiben. 
Sien bc§ $a brachte bie blinbe ßeibenfcfjaft ber ©adjfen, 
Stoma* BertragSbrüdjig unb f irdjenf erj änberif d) aud) btefe 
bauten rof) jerftörten, unb bie gurcfjt r»or bem 
Umfidjgreifen ber ftäbttferjen Bewegung, bie ftd) 
$u Oftern 1074 aud) in ®öln gegen ben (§x&* 
bifcfyof 3lnno erljob, eine t>öflige Söenbung ^u ©unften 
be3 ®önig§. Me bie ftoljen fübbeutfdjen Herren 
leifteten if)m jetjt 3 U 3 U 9> un0 am 9 » 3"™ 1075 
erlag tfjren ©efd)tt»abern ber tapfere fädjfifcrje 2lbet 
unter Otto t»on 9*orbl)eim in ber blutigen @d)lad)t 
bei $of)enburg an ber Unftrut. 9tad) fernerer S8er* 
roüftung be§ Canbe§ unterwarfen ftd) im Dftober bei 
<Spira unroett ©onberitjaufen bie fäd)fifd)en ©bellt 
bem jungen ßönig. ©r lieft fte alle in §aft nehmen, 
verteilte ifjre 2ef)en an fübbeutfdjc SBafaHen unb be* 



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£er Stampf um bic ftetd)§' Httb ftirtfennerfaffung. 1 35 



faf)l feine Burgen nrieber aufzurichten. 9tur Otto 
von $Korb$eim begnabigte er unb übertrug ifym bie 
Verwaltung @ad)fen3. 2)a3 Öanb festen üofltommen 
ntebergeroorfen, bie ^önig§mad)t bort für alle 3etten 
begrünbet. 

2)od) nmfjrenb biefer Söirren unb kämpfe machte xoxu 
bie ftrd)enreformatorifd)e Bewegung aud) in $>eutfd)s ^rdien' 
lanb, geförbert burd) Softer, wie ba§ von 9lbt Söilfjelm «form 
umgeftaltete fcr)tt)äbifd)e §irfd)au, unb burd) eifrige 
ü8tfd)öfe, rote 3Htmann von ^affau unb ®ebf)arb von 
(Salzburg, rafetje ftortfdjritte, unb in Italien errang ba3 
^apfttum ©rfolg auf Erfolg. $ie Normannen, feine Va= 
fallen, üoflenbeten bi§ 1076 bie (Eroberung ©übitatien§ 
unb begannen bie Unterwerfung <Si$ilten§, unb in 
9Jlittelitalien roar $n>ar ©ottfrieb 1069 geftorben, aber 
fein <§o!)n ©ottfrieb ber §örfrige überlief SuSrien 
gans feiner ftreng päpftlidt) gefinnten ®emat)ün, feiner 
<§tieffdf)roefter 3Jiatt)iIbc unb beren 9Jcutter Veatrij. 
(Snblid) rourbe in SRom nad) bem £obe 9lle£anber§ IL 
ber bisherige fieiter ber päpftltdjen ^olittf, ber 3lrdf)t* 
biafonuS §tlbebranb, bei ber S3eftattung§feier be3 
Vorgängers in ber Sateranfirdje am 22. Slpril 1073 
etyne jebe 2öaf)lf)anblung, burd) blofmt 3 uru f oom 
Söolfc al§ ©regor VII. auf ben päpftltdjen <§tul)l 
erhoben (geboren um 1025 in <§aona unroeit be§ 
Volfener <§ee§), ein ßinb armer 8eute, fein genialer 
SHenfd), aber mutig, raftloi tf)ätig, leibenfdjaftltcf), 
unerfcfyütterltcrj in feiner tyerarcfytfcfyen Überzeugung, 
beren Folgerungen er unerfdjrocfen unb im beften 
©lauben an fein gute£ iRcctjt oljne 9tücffid)t auf praf- 
tifd)e (Srmägungen unb auf bisher unbeftrtttne 9ied)te 
anbrer $og, ein rabifaler firdt)licr)er ^bealift. 9113 
foldjer führte er auf ber römifdjen gaftenfqnobe im 
gebruar 1075 ben entfdjeibenben @d)lag. ©ie bannte 
bie fimonifttfd)en föäte be§ ®önig§ unb au§ gleiten 
©rünben brei beutfdje «ifd)öfe unb erHärte, ba{3 bie 



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13(3 



2sie beutfä-römtfäc Äaiferscit 



Snoeftttur ber SBifdjöfe burd) ben ßönig gegen ba3 
SKed)t ber ®ird)e fei. 
Sät ^amit legte fte bie 2I^t an bie Sßurjel ber beut* 

$a»ft unb fcf)en $Reid)3üerfaffung. $)enn bem Könige bie 3n- 
»önifl oe p| tur nehmen, ba§ ^tefs t&m ba§ <Red)t nehmen, 
feine nrid)tigften Beamten gu ernennen. Erbittert 
über biefen Eingriff in feine SBefugniffe unb gehoben 
burd) feinen glänjenben Sieg über bie Sacfjfen, roieg 
|>einrtd) bie ihm $u Neujahr 1076 in ©oilar über* 
brachten römif d)en »efälfiffe nid)t nur tuxüd, fon= 
bem ließ nod) im Januar im ^ei&en 3orn burd) 
eine beutf^e <St)nobe in 2öorm§ ©regor VII. feines 
angemaßten 2lmt3 entfetten. 3)er aber antwortete 
auf ber gaftenfgnobe am 21. fjebruar 1076 mit 
ber SuSpenfion ber in SBormS oerfammelt geroefenen 
Sötfchöfe unb mit bem Söanne gegen ben ®önig, 
inbem er gleichzeitig beffen Untertanen vom (Stbe 
ber £reue entbanb. 

(£3 mar ein unerhörter, unglüdf feiiger Schritt, 
bie Sßroflamation ber vävftlityn Söeltherrfdjaft unb 
bie ©rflärung eines Krieges von fünfzig fahren, ber 
baS beutfd)*römifd)e Dteid) bis in feine ©runbfeften 
erfdjjüttert unb ber Ätrche bocf) nicht ben geträumten 
Sieg gebracht fyat. 

fcfrfatt i« $)a§ jcttje Sonbertum ber Saufen t)atte ber 
ZV* ^önig mit SBaffen gern alt gebrochen, mit ben SBeltherr* 
fd)aft§tenbenjen beS ^ßapfttumS allein märe er ebenfo 
gut fertig geroorben roie mancher feiner Nachfolger; 
erft als biefe fid) mit ber Selbftfud)t be§ J)o^en 
beutfdjen 9lbel3 unb bem $rofee beS fächfifchen 
Stammes cerbanben, brach feine SUiad^t §ufammen. 

35enn ein ungeheurer 3lbfa0 folgte bem Söanne, 
unb abermals erhoben ftd) bie Sachfen. Verraten 
unb oerlaffen mußte §einrid) in peinlichen Sßerhanb* 
lungen gu Srtbur im Dftober 1076 bem 93ifd)of oon 
SöormS feine fönigStreuen ©ürger preisgeben, feine ge* 



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Der Äampf um bic 5Reid)§* unb ßtrdjenuerfaffung 



1S7 



bannten SRäte unb 93ifd)öfe com §ofe entfernen unb 
t>erfpred)en, ftcf) ber 9iegierung3gefd)äfte $u enthalten 
bi§ aur fd)teb§rid)terlid)en (Sntfdjetbung be3 ^ßapfteS, 
ber jum 2. ftebruar 1077 nad) 9Iug3burg eingelaben 
umrbe. Überbieg oerftänbigten fid) bie dürften, ba£ 
fHcic^ al§ „oerroaift" $u betrauten, fafl§ ftd) ber 
&önig nidjt binnen $al)re§frift oom Sanne löfe. 

$)a §erri& $etnrtd) mit einem füfmen unb Der* Tic mte 
zweifelten ©ntfdjluffe ba3 um u)n gelegte ftefc. Won J™ fl - rt 
feiner treuen ©ema^lin 93ertf)a begleitet, bie längft 
feine ßiebe geroonnen fyatte, uberftteg er $u Einfang 
Qanuar 1077 im f)ärteften Söinter auf faum gang- 
baren ©aumpfaben im ©ebtete feinet ©djmieger* 
oaterS ben SUlont (Sem3 unb erfdjien überrafcfyenb 
in ber Sombarbet. ^ubelnb boten üjrn bie 93ifd)öfe 
unb @beln be§ £anbe3 ü)r gute§ ©djroert gegen 
ben ^ßapft, unb biefer, fcfyon auf ber Dteife nad) 
$)eutfd)lanb begriffen, fud)te 3uflud)t bei ber ©räftn 
äKatfytlbe auf bem feften ftelfenfd)loffe (Eanoffa 
oberhalb SReggio. $)od) £einrid) wollte nid)t ben 
Stampf, fonbern bie SBerföfjnung. Unb fo ftanb er 
benn mit anbem ©ebannten brei £age lang, Dorn 
25. bi§ jum 27. Jganuar, im ©d)lof$f)ofe oon ßanoffa, 
im Süfcergeroanbe „mit naeften 5 u & en / nüchtern com 
borgen bi§ §um Slbenb, be3 römifdjen <|kpfteS Ur* 
teil erroartenb." $>er aber fonnte unb burfte al§ 
^ßriefter bem Süfjer md)t oermeigern, roa§ er bem 
Könige oerroeigert l)ätte, er liefc ü)n nad) fernerem 
innern Kampfe ein, fprad) il)n oom Sanne lo§ unb 
reidjte U)m ba§ Slbenbma^l. $>amit f)atte ber ßönig 
taufenbe oon ef)rlid)en ©emütern bafjetm beruhigt, 
er fjatte ben Sunb jroifdjen bem Zapfte unb ben 
rebeüifd)cn beutfdjen dürften jerfprengt unb biefen 
ben SHed)t3grunb für tfjren 2lufrul)r entzogen. ^ cr 

$)en 3lufrul)r felber üerljütete er bamit fretlttf) fff* 
t emegroeg§, benn ber Sann mar nur ber Sorroanb für tf)re tvfcg * 



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138 



Die beutfä*rÖimfd)e ßaiferactt 



felbftfüchtigen Steftrebungen geroefen, nicht ber ©runb. 
2>aher n)äf)Iten bie Slufftänbifchen fchon am 13. Wläx$ 
1077 in 3r° rc W e i m Dürnberg ben £er$og s Jtubolf 
r»on (Schwaben ju intern $önig. $od) nur bic ©achfen 
traten unbcbingt für ihn ein, im ©üben nur bic 
3äl)änger im 93rei3gau unb bie 2Belfen im füböft= 
liefen (Schwaben , ba§ übrige 2)eutfd)lanb blieb im 
ganzen bem rechtmäßigen Könige treu, ber $u Anfang 
SJcai oon Kärnten unb Dfterreicf) ^er in SRegenSburg 
erfchien. Snbem er bie $onau* unb ^einlinie be= 
berrfchte, umfaßte er bie f ad) fif che §auptftellung 
OiubolfS, unb im SBefi^e ber 9flainlinie mit bem 
feften 2öür$burg trennte er ihn t»on feinen fübbeut* 
frfjen ©unbeSgenoffen. Um 2öür$burg unb auf ber 
ßinie vom Wlain nad) Düringen unb ®ad)fen fpiel* 
ten ftd> beähalb bie kämpfe biefeS traurigen Bürger* 
friegeg ab. Dbroohl ber SlbfaH 8eopolb§ II. von 
Ofterreich $u ben ©regorianern 1078 ihn ihm SHücfen 
bebrohte, behauptete bod) Heinrich jene fränfifche 
Sttittelftellung trofc ber Sftieberlage von 9Jcelrid)ftabt 
nörblid) von 2Bür$burg am 7. Sluguft 1078, entfette 
SRubolf unb Söelf ihrer Herzogtümer unb übertrug 
©chnmben 1079 an grtebrid) *> on ©üren, beffen ©e* 
fd)led)t, bie $ohenftaufen, e§ feitbem behaupteten. 
@rft at§ fein Singriff auf <5ad)fen in ber @d)lad)t 
bei Flarchheim unroett 9Jtühlh<*ufen in Thüringen 
am 27. Januar 1080 gefdjeitert mar, meinte Tre- 
gor VII. fich offen für S^ubolf entfeheiben &u fönnen 
unb erneuerte be§halb am 7. 9ttär$ ben 33ann gegen 
Heinrich. $och ber ©rfolg blieb au3. $)ie beutfehen 
unb italtenifchen Anhänger fchloffen ftch umfo fefter 
um ben ßömg sufammen. ©ine beutfeh - lombar* 
bifche ©nnobe in SBriyen entfette am 25. Sunt 
©regor VII. $um ^roeitenmale feine§ 2lmt§ unb 
mahlte an feiner ©teile ba§ £aupt ber lombarbifchen 
SBifchöfe, SSibert von SHaoenna, gutn ^apfte. 



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$er Äampf um bie SRctc^S- unb Äircf)cnt>crfaffung 139 



(£f)e fidj §einricf) anfcf)icfte, biefen Urteilöfprucf) 9?3 ^ Ufl 
8tt ooflftrecfcn unb Sötbert nach 9tom $u führen, 
rooUte er bic @ad)fen meberroerfen. ttun blieb ihm Mmm 
jroar in ber Reiften (Schlacht bei $of)enmölfen an 
ber Söeifjen ©Ifter, ber erften in ber blutgebüngten 
Seip^iger (5d)latf)tenebene, am 15. Oftober 1080 ber 
©ieg roieberum oerfagt, aber ba§ ©otteSurteü fprach 
nach ber Meinung be§ «olfe§ für ihn, benn Diubolf 
üon Schwaben fiel tätlich oerrounbet, unb bie (Gegen- 
partei roar für bie nädjfte Seit ohne $aupt @o brach 
ßeinrich im 9Jiär$ 1081 nach Statten auf unb ftanb 
fd)on am 21, 3flat cor Dtom, benn 9Jiatf)ilbe t>on 
$u§rien roar ihrer $8af allen gegen ben ßönig nid)t 
ftcher, unb ber ^ormannenfjerjog Robert ©uiScarb auf 
einem (£roberung§$uge gegen ba§ bnjanttnifche fHcidt) 
begriffen. £rotjbem gelang e3 ben fchroadjen Gräften be3 
$önig§ erft am 3. $uni 1083, bie ßeoftabt $u überrumpeln ; 
bie 5lltftabt dtom übergab if)m bie enbltch friegSmübe 
geroorbne 33ürgerfcf)aft erft im 9JMr$ 1084, al§ ftatfer 
3ltc^io§ I. it)m bujantinif^eS ©olb $ur Verfügung 
gefteflt hatte, darauf intfjronifierte ber ftönig 5ötbert 
al§ (£Iemen£ III. unb empfing au£ feiner §anb am 
31. 3Mr$ im Öateran bie ßaiferfrone. 9tur in ber 
©ngelSburg J>ielt fief) ©regor, unb jefct enblid) fam 
Robert ©utecarb jum ©ntfafce tyeran. Sßor feinem 
übermächtigen $eere räumte ber Slaifer bie „eroige 
@tabt," ber 9cormannenher$og aber »erging, am 
28. 2Jlai burd) bie ^ßorta ^ßia einbringend eine fo 
furchtbare ^lünberung unb Verheerung über SRom, 
bajj ©regor VII. bem ©rtmme ber ©ürgerfchaft 
meieren unb mit ben Normannen abgießen mufjte. 
3n ihrer §auptftabt, bem bergumfränjten ©alerno, 
ift er fd)on am 25. Sftai 1085 geftorben, in ber S8er= 
bannung unb al3 Söefiegter, roie er e§ felbft empfanb 
unb in bittem Söorten eingeftanb. * « 

ber ftöntg nach $eutfd)lanb surütffehrte, tricj? 



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140 



3)ie beutfdj«rBmifc$e Äaiferaeit 



mar ber SBürgerfrieg im gufammenfinfen. $)er 1081 
aufgeteilte ©egenfönig ^ermann t>on Sütjelburg 
(Cujemburg) bebeutete wenig, Otto oon ^orb^etm 
ftarb 1083, ßeopolb von Öfterreid), im 2ttai 1082 
von bem faiferlid) gefinnten SBöhmenfjerjog SBrati* 
flau) bei OTailbcrg oernidjtenb gefdjlagen, unterwarf 
ftdj bem hetmfeljrenben Genfer, unb al§ biefer einen 
legten Angriff ber Saufen auf SBür^burg trofc feiner 
<Sd>lavvt bei <pieid)felb 11. Sfaguft 1086 glütflid) ab< 
gewehrt t)aüz, fügte fid) xi)m aud) ber größte Seil 
6ad)fen§; ^ermann fefjrte nad) Sot^rtngen jurüd, ber 
unberechenbar treulofe SRarfgraf (Sdbert oon Hftei&en 
rourbe 1089 entfetjt, unb feine Wlaxl furj nachher bem 
SUtarfgrafen ber Saufifc, bem Söettiner ©einrieb von 
(Ottenburg, übertragen, bei beffen ©efd)led)te fie feitbem 
»erblieb, daneben trat bie Äird&e energifd) für ben 
ftrieben^uftanb ein, inbem fie nad) fran$öfifd)em Wox* 
bilbe ben „©ottegfrteben" für bie Qtit von Freitag 
bi§ SJiontag unb für afle hohen $ird)enfefte bei ©träfe 
be§ »anne§ gebot ($uerft 1081 in fiüttich, 1085 für 
ba§ gan^e 9tetd)). SDenn bie Söirtfdjaft ber SBiStümer 
unb Abteien n>ar burdj maffenhafte $8erlehnungen ger= 
rüttet, ba§ arme 93olf buref) ben ®rteg entfetjlid) mit* 
genommen, afle fird)Ud>e unb weltliche Autorität burch 
©egenfönige, ©egenpdpfte unb ©egenbifdjöfe erfd)üttert, 
unb ba§ grieben§bebürfni§ allgemein, am tiefften beim 
fchwergeprüften ßaifer, ber 1087 auch feine treue ®e* 
mahlin 93ertha oerlor. 
»erluft Sftur bie Söelfen unb bie 3ät)ringer ftanben noch 
statten« nn ^ x gßaffen, unb bie ftarren ©regorianer, bie t>on 
§irfd^au unb 6t ©lafien au§, befonberS burch ba§ 
neue ftnftitut ber fiaienbrüber (conversi) Schwaben 
beherrfd)ten, wollten ben ^rieben nicht. 3 roar oc * 
hauptete fid) (£lemen3 III. in JHom, aber Urban II. 
(feit 1088), ein ftran^ofe, $ielt an bem für ben Äaifer 
unannehmbaren ©ebanfen oöüiger Trennung ber 



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S)er Äampf um bie 9leid>9» unb ÄiTdjcnöcrfajfung X41 

ftirdje vom ©taate feft, unb er führte einen gefäfjr* 
liefen (Streif, tnbem er 1090 burd) bie läd)erlid)e 
©djeinelje ber feit 1076 perroitroeten 2Katf)übe mit bem 
neunzehnjährigen ©ohne 2öetf3 eine enge $8erbinbung 
junfehen ben fübbeutfehen unb ben italienifc^en ®eg= 
nern §einrid)§ IV. ©ermittelte. Um biefe ju fprengen, 
griff ber ®aifer nod) 1090 bie SBeftfcungen 9flathilben3 
an, nahm Oftern 1091 2ftantua, ihre £>auptfeftung im 
s $olanbe, fcheiterte aber im Oftober 1092 r»or ©anoffa 
unb rourbe burd) eine neue @rf)ebung ber s $ataria in 
Sftailanb, (Sremona, ^ßiacenga unb anbern ©täbten 
auf ben 9torboften ber ^ßotiefebene befdjränft. $)af3 
fein älterer ©ohn Äonrab 1093 nerräterifd) $u ben 
föebeflen übertrat unb bie lombarbifche ßrone in 
Sflon^a empfing, oollenbete ben Triumph ber ©rego* 
rianer in Stalten unb öffnete Urban II. ben ©injug 
in Diom (Sftooember 1093). £riumpf)ierenb erfd)ien 
ber ^ßapft 1095 in Oberitalien unb erneuerte auf 
einer glänjenben ©nnobe in ^iacenja bie 33efd)tüffe 
gegen ^ßrieftcrefje unb Simonie, aber auch bie SBann* 
fluche gegen §emrich IV. unb feinen ^ßapft. 2)ann 
30g Urban II. nach fjranfreid) hinüber, um gegen 
beffen ®önig "$t)itipp L roegen leichtfertiger Söfung 
feiner @he mit Bertha von §oflanb einschreiten. 
5luf ber glanjenben, t»on ße^ntaufenben befud)ten 
ftirchenoerfammlung ^u ©lermont in ber Sluoergne 
im Sftooember 1095 nerfünbigte er ben 93ann über 
ben ungeljorfamen ®önig, jugleidt) aber rief er bie 
abenblänbifd)e fRittcrfdtjaft $um heiligen Kriege, $um 
föreu^uge gegen ben g^lam, jur Befreiung beS 
heiligen @rabe§ auf. 

2)a§ ^apfttum ftanb an ber ©pi^e be§ $lbenb* Ter erfte 
lanbeS, jebe weltliche ©eroalt, aud) ba§ ßaifertum *™ b X ? 
überflügelnb, unb inbem e§ ben $reu§§ug felbftdnbig b * l \" m ^ 
begann, oerroanbelte e§ bie ßbriftenheit in eine grofje e mm? 11 ' 
©efolgfdjaft be§ ^eiligen ^ßetruS unb feineS ©tatt* 



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142 



2>ie beutft-römtfite ÄQiferjeit 



f)alter§ auf (Srben junt Kampfe gegen bie Ungläubigen. 
(£3 war bie Iogifdje Folgerung au§ ber gbee ber 
päpftlidjen 2öeltf)errfd)aft; fte fanb in bem alten, feit 
einigen 3fcf)r$ef)nten befonberS belebten 93raud)e ber 
SBaHfa^rten nad) ben Ijeiltgften «Stätten ber (S^riften* 
l>ett, in ber Slbenteuerluft ber 9Utterfd)aften unb in 
bem Untern etjmungSgeifte ber ttalienifdjen ©eeftäbte 
iljre willigen SBerfjeuge, unb fte machte, ba bie ge* 
wältige Bewegung cor aflem ^ran!rei^ # von 2)eutfd)s 
lanb $unäd)ft nur Sotfjrtngen ergriff, granfretd) ^um 
ßauptlanbe ber päpftltd)en ftirdje. 
Tic Ickten Söoflte ba§ ßatfertum feine überlieferte Stellung 
Ä u!S T " c n ^ t 9 an $Kd) preisgeben, fo mufite eS ben Sßcrfuc^ 
.^einrid)§ machen, bie Söerbtnbung mit ber ®reuä$ugSbemegung 
i\ . n e ^ g en ,umen. @S würbe §einrid)S IV. lefcteS SBer* 

1) ängmS, bafj ifjm bteS trofe aller $lnftrengungen 
mißlang. @r bahnte ftd^ 1097 ben SRütfmeg nad) 

2) eutf$lanb, inbem er ben Söelfen baS §eraogtum 
93ai)ern, ben geringem bie Domäne 3üri(^ mit bem 
£>er$ogStitel übertrug, alfo aud) in ©übbeutfdjlanb 
enbltd) ben ^rieben fyerftellte; er oerfünbete, nadjbem 
bie erfte grofee beutfdje Sfreuafafjrt 1101 in ßleinafien 
jammervoll gef djeitert mar, im Januar 1103 ju 2Kain$ 
ben 9*eid)Sfrieben auf xrier !gaf)re unb feinen (£nt- 
fd)lu£, fid) mit ber Slirdje ju t>erföf)nen unb felbft 
baS £reu$ ju nehmen. S)enn eS mar eine fo^ial* 
polttifdje Sftotmenbtgfeit, bie bid)ten Sparen rttter- 
lidjer $af allen, bie wäfjrenb beS ^Bürgerkrieges auf* 
gefteflt worben waren, unb bie nun, ba fie nad) Sage ber 
®ad)e nid)t wteber ifyrer ©üter beraubt, alfo nidjt ent* 
waffnet werben tonnten, eine fernere ©efaljr für ben 
innern ^rieben bilbeten, auf ein grofceS auswärtiges 
Unternehmen abzuleiten. 211S nun ber ganje ^ßlan 
beS ßaiferS an ber Unoerföl)nlid)feit $afd)altS IL 
f djeiterte, erhoben fid) biefe SBafaflenfdjaften unb 
fanben in beS ftaiferS jüngerm 6ot)ne $einrid) (V.), 



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2>er ÄamW um btc fReidjg« unb ßird&entoerfaffung 143 



ber n>ol)l für feine 9tad)folge fürdjtete, einen ftüljrer. 
(Sin rud^Iöfer Söürgerfrieg tobte 1105 roieber an ber 
$onau unb am 9W)ein, aber nid)t eljrlidjer Slampf, 
fonbem nur ein fc^warjer Verrat bradjte ben 
$aifer im 2)ejember $u fingen üt bie §dnbe feines 
<Sof)neS, ber iljn nun in J^ngelljeim gur förm* 
lidjen SIbbanfung nötigte. 2US er bann feiner §aft 
entfam unb am Sftteberrljetn ben Äampf um bie ßrone 
nochmals begann, nalnn ifm am 7. 3luguft 1107 §u 
Sötttct) ber £ob barmfyerjig auS bem unnatürlichen 
(Streite t)inmeg. (5in ef)rlid)eS Begräbnis nerfagte bie 
&trd)e aud) jefct nod) bem ©ebannten, aber bie 
freuten ber Söitroen unb Söaifen, ber 9lrmen unb 
(Sienben floffen am ©arge eine§ guten SlöntgS. 

S8on ber erfdjütternben £ragtf f einer fturmberoegten fcelnridj v. 
Regierung ftedjen bie erften %äf)tt feines Nachfolgers n ft {$rtfo 
£einrtcrjS V. (1106 MS 1125) feltfam ab. @r fanb ot>ne n. * 
weiteres bie allgemeine Slnerfennung unb Ijatte in ber 
Zfyat bie ganje 5flad)t beS SHeidjeS fjinter ftd), als er im 
2luguft 1110 mit breifngtaufenb Seifigen nad) Italien 
aufbrad), um bort ben ftird)enftreit $u ©nbe ju bringen. 
$er merfroürbige SbealiSmuS ^afdjaliS II. bot Upn bie 
aHöglidtfeit §u einer rabifalen Söfung. ^n ge= 
Reimen Vertrage oon ©utri, 4. ftebruar 1111, »er$td)= 
tete ber ßönig auf fein 3noeftiturred)t unter ber 
Sebingung, bafc bie 93ifd)öfe unb SHetd)Säbte ir)re §0= 
ljeitSred)te unb ©üter an baS SKeid) aurürfgäben. 2HS 
jeboch ber Vertrag am 12. Februar oor ber ßrö- 
nungSfeier in ber SßeterSfircrje beriefen mürbe, ba er^ob 
fid) bagegen ein fold)er ©djret ber (Smtrüftung, bafc 
ber ßönig auf ben alten 9Red)tSboben jurüdtreten ju 
motten erwarte, unb ba ber $apft bieS ablehnte, ü)n 
mit fedfoetm ®arbinälen in ber ftirerje Beruften liefe, 
©rft nad) langem Söiberftreben gab SßafdjaliS nad), 
frönte geinrid) V. unb löfte pgleid) §einricf) IV. 
oom 93anne, ber nun an feinem Sterbetage mit 



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144 



S)ic bcutfd)«römifdje Äaiferjcit 



glänjenbem ©epränge im $ome ju Speier bcftattct 
umrbe. 

ßot^attoon $Iber ber ftrdjenpolitifdije Zeil be§ Vertrags er- 
«nrt)ic» a jg unbur^fü^rbar. 2)enn bic ©regorianer, 

bie au<$ in $)eutfd)lanb allmäljltdj bie 93i3tümer 
eingenommen Ratten, wollten baoon nidjtg työren 
unb fanben balb SKüdfjalt an ben meiften n>eltlid)en 
dürften, cor allem an ifyrem anerfannten Raupte, 
bem §er$og Öotfjar non ©adjfen (feit bem 5lu§* 
fterben ber SBillunger 1106;, ber mit biefer SBürbe 
bie Söogtei über ba3 @r$bi§tum Bremen unb bie 
reichen ©üter feiner ©emaljlin SHid^enja (um Sflorb^ 
f)eim unb 93raunfd)roetg) t>erbanb unb fein £>er$ogs 
tum al3 eine nationalfäd)ftfd)e 9Jlonard)ie in ber 
Söeife $einricf)§I. betrachtete. 2)af)er erblicfte er in ber 
2öieberf)erfteHung ber beutfdjen §errfcr)aft über bie 
©laroen jenfeitä ber (Slbe unb in ber Üluäbebnung feiner 
t>oÜen©eroalt übergan§@ad)fen unb feine 9flarfen,enb= 
lirf) in ber Sßafyrung mögltd)fter Unabfyängigfett feine 
Aufgabe. 9tacf)brüdlid) t>erfod)t er baju im SReidje bie 
unbefdjränfte ©rblidjfeit ber großen £Hetd)§ämter unb 
iHeid)§lel)en aud) in ber n>etblid)en ßinie. ©ein erfteS 
Auftreten in biefer $8e$tef)ung, in bem ©treite um 
bie tf)ürtngifd)e ©raffdfjaft 2öeimar*£)rlamünbe, n>ar 
allerbingS unglüdltd), trot> ber Unterftüfcung 8ubnrig§ 
»on Düringen unb 3Xbalbert§ oon 9flain$; bei SBarn* 
ftäbt unmeit Cueblinburg am 21. g-ebruar 1113 ge= 
fdjlagen unb feiner Hoffnung auf englifcfjen SRücfljalt 
burd) be3 $aifer§ Sßermäljlung mit 2Katf)iIbe, ber 
£od)ter ßönig §einricr)3 I. 1114 beraubt, unterwarf 
er fid). 5lber fdjon im^uni beSfelben 3^re§ erhoben 
fid), gereijt burd) bie $8erf)aftung be§ fianbgrafen 
Subroig (be§ ©pringerg) t»on Düringen unb burd) 
bie fortgefefcte ^erleifjung r*on fjreibriefen an rljei* 
nifdje ©täbte, bie meiften nieberlotfjringif cfjen unb 
roeftfälifdjen ©rofeen, an il)rer ©pifce ©rjbifdjof 



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3>cr Äampf um bie 9te'i($3- unb ßirdjenberfafTung 145 



griebrid) von ftöln, auf§ neue, ßotfyar fd)lo& ftd) innert 
an unb fiegte am IL grimiar 1115 am 2Belfe8l)ol$e bei 
©anbergleben über ben Äaifer, unb päpftlicfje Segaten 
certunbeten auf§ neue ben SSann gegen §einrid) V. 

9lu§ biefer unerträgltd) gefpannten Sage fudjte Xtx ü ^ d): 
fid) ber ßaifer baburd) $u befreien, bafc er im Februar 9tugfliei<$ 
1116 $um aroeitenmale na$ Italien ging, um ftd) 
perfönlid) mit $afd)ati3 IL ju nerftänbigen. ©r 
nat)m bort olnte gtnberotS ba§ ganje reiche ©rbe 
ber fur$ juoor (3>uli 1115) oerftorbnen ©räftn 2Ra* 
tf)ilbe, ba§ biefe, gegen alles beftetyenbe *Ked)t, mit ben 
9tetd)3leljen bem ^eiligen Stuhle t»ermad)t fjatte, für 
bie 8rone in S3cfi^ unb $og Oftern 1117 in 9*om ein. 
Mein fon>ol)l *pafd)ati3 II. al8 fein 9tad)folger ®e* 
lafiu§ II. nrid) ifym au3, unb bie geplante $Berföf)nung 
fam nid)t nur nid)t auftanbe, fonbern §einrid) V. riß 
ben 3wicfP<*ft n oc *) meiter auf, inbem er in ber 
^ßerfon be§ portugieftferjen ©r$bifd)of§ 58urbinu§ oon 
Söraga einen neuen ©egenpapft (©regor VIII.) auf* 
[teilte, eine unbebaut* unb uöüig unmirffame 3Jfaf?* 
reget. 2Ilfo blieb bod) nid)t§ anbre§ übrig, at3 um 
mittelbar mit feinen beutfdjen ©egnem bie $erftän* 
bigung ju fudjen. @ie rourbe baburd) roefentlid) er« 
leidjtert, baf* inanrifdjen bie beiben f)ot)enftaufifd)en 
SBrüber, griebricr) unb ®onrab, tfyre unb bamit be§ 
ftaiferS 9Wad)t in ber gefamten oberrtjeintf djen £ief? 
ebene feft begrünbet unb baburd) ba§ ©leid) gemixt 
roieber fjergeftellt Ratten. $)a alfo aud) für bie ©egem 
partei eine aflöglid)fett, ben ^aifer fällig $u über* 
wältigen, nid)t metjr portag, fo befcfytöfj ein $Hetd)3tag 
in SBür^burg im ©eptember 1121, ein allgemeiner 
triebe foUe fjerrfdijen, Oicidt) unb fttrdije tf)re oertornen 
©üter surürferfjalten unb ein allgemeines ßon$il bie 
3m>eftiturfrage löfen. 3u einem folgen fam e§ im 
be§ ntcrjt. SBietmefyr Itefj fid) ber 1118 neu geroafjlte 
^ßapft (£alutu3 IL, ber burgunbifcfye ©rabifdjof ©uibo 

$er XBerbegang bcö bcut|d)cu 93otfc8 I 10 



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146 



$tc bcutfdj.römifd&e Äoiferjeit 



oon kernte, atfo ein *8afaH be§ 9teid)§, baoon über; 
jeugen, bafc ber Äaifer bie Snoeftitur ntd)t aufgeben 
fönne. ®o fam e§ 311m $Iu3gleid) im Söormfer &om 
forbat oom 23. (September 1122. $)a§ früher nur 
einzelnen 58i§tümern unb SReid)§flöftern juftetjenbe 
$ed)t ber 2öaf)l burd) ba§ „Kapitel" ber $)oml)erren 
(ftatt burd) meru§ unb $8olf) ober burd) ben ßlofter* 
fonoent würbe ifjnen allgemein jugeftanben, bod) blieb 
bem ßönig ba§SHed)t, babei felbft zugegen $u fein ober 
fid) oertreten $u laffen, foroie bie Qnoeftitur mit bem 
@$epter, bem ©tjmbole ber weltlichen §of)eit§red)te 
unb Söefifcungen, bie in $eutf$lanb oor, in Italien 
fed)§ Söodjen nad) ber geiftlicfyen 2öeü)e be§ ©e^ 
wählten unb ber $noeftitur mit 9ting unb <Stab, ben 
©innbilbern ber geiftlidjen 9ttad)t (burd) bie 9Jlit= 
bifdjöfe), ftattfinben foflte. 3)ie ®rone behauptete alfo 
ben midjtigften Steil it)re§ alten 3noefttturred)t§, nur 
ba& e§ in Italien unb SBurgunb weniger roirffam 
mürbe, aber tt)r ©influfe auf bie ^ßapftroatjl mar auf- 
gehoben, unb bamü ber ©d)lußfteiu ber Dttomfdjen 
$Keid)3oerfaffung oerrüdt. 
Iteitima ctnmg roefentlid) neues mar in biefe einge* 

ber dürften brungen mit ber entfd)etbenben SJiitmirfung ber melk 
lidjen fjürften an ber 9teid)§oerroaltung. %a §ein- 
rid) V. l)at nod) erleben muffen, bafj Sotfjar oon 
©adjfen gegen feinen au£brüdltd)en SBiden 1123 in 
ber Öauftö $Ubred)t (ben Söären) oon SBaöenftebt, in 
ber maxi 9Keifeen ftonrab oon Settin einfette. OJme 
bagegen mirffam einfdjreiten %\i Vinnen ift er am 
23. 3flai 1125 in Utred)t geftorben. 
yotfnu 28oüte bie fird)lid)-fürftlicf)e Dppofttion ifyren 
mtie falben @ieg fidjern ober oeroollftänbigen, fo rnufcte 
fie ifjr §aupt, ben §erjog ßotfjar oon <Sad)fen, $um 
ßönig ergeben. $te§ fet3te fte in ber glänjenben 
2öat)loerfammlung ju SJtainj im 2Iuguft 1125 aud) 
nrirflid) burd), aber nur burd) Überrafdjung unb gegen 



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2)cr Äcunpf um bic SlcidjS* unb ßtrdjenüerfaffung 



147 



ben lebhaften SSiberfprud) ber beiben 5Jtttbero erber 
griebrichä von (Schwaben unb Seopolb§ III. oon Öfter* 
retcf). fiotfyar felbft aber mu&te feine äBahl burd) ben 
Sßerjtcht auf feine ®egemt>art bei ben SBtfchof Strehlen 
foiüie auf ben SehnSeib ber 93ifd)öfe erfaufen unb 
gemattete aud) in 3)eutfcf)lanb bie SBethe vox ber 
weltlichen gnoeftüur, gab alfo ba§ Söormfer ®on- 
forbat faft »öflig preis unb bamit aud) jebe S8eljerr= 
fchung ber fttrd)e. $>afür rourbe ©achfen roieber 
ba§ |>auptlanb be§ 9leiche§, unb al§ £>erjog oon 
@acf)fen r)at Sothar aud) ba§ bebeutenbfte geleiftet. 

£)enn er nahm bie 2lu3behnung3politif ber «Heberte 
fiubotfinger nach Dften roieber fräftig auf. $er fg^* 8 
SBerfud), Sööhmen burch friegerifd>e§ Eingreifen in *«« 
bie fortgefe^ten ©rbfotgeftreittgfeiten be§ ^rfdjemnS^ücrluHfl^ 
UbenhaufeS in ftrengere Sibhangfeit ju bringen, fd)eu J^tk 
terte 1126 aflerbing§ oöflig unb führte fogar jur siatucn 
Socferung feine§ $8erhättmffe§ jum SReiche, fobafc ber 
§er$og von ^Böhmen fettbem nur noch bie 2^n§- 
J)ulbigung leiftete unb jum SRömerjuge breifjunbert 
Leiter fteHte; aber bie Übertragung ber norbelbifc^en 
©raffchaften an $lbolf von ©chaumburg (1110) unb 
ber üftorbmarf (ber jetzigen Wittmar! um ©aljroebel 
linf^ von ber @Ibe) an 3llbred)t ben SBären von 2In= 
halt (im ©e(fetf)ale) 1134 fieberte ba3 erobernbe 
3ortfd)reiten auf flaroifdjem ©oben, jttmal ba 
ßothar, mit ber alten miffio ttSf einblich en ^politif 
ber ©iÜunger bredjenb, ba§ 93efehrung3tt>erf auf§ 
eifrigfte unterftütjte. 2lu§gang3punft ber Unter* 
roerfung be§ DbotritenIanbe§ grünbete er 1134 bie 
SBurg (Segeberg, SJttttelpunft ber SJttfftonSarbeit 
rourbe ba§ ^rämonftratenferftift ^otbera (9leu* 
münfter), bie ©rünbung be§ SBeftfalen Söt^elin; %U 
brecht ber $8är aber eroberte fdjon 1136 bie ^ßriegnifc 
nörblich von ^aoelberg unb erlangte oon ^ßribiftam, 
bem chriftlichen dürften be§ £>aoetlanbe§, bie 3u< 

10* 



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148 2>« beiitfdi'römifäe Äatferjcit 

fidijerung ber Sftadjfolge in btefem ©ebiete. $)aß bic 
$eutfd>en jenfeitg bcr @lbe enblid) rotcber crobemb 
vorgingen, mar um fo bringenber nötig, al3 §er$og 
SBoleflam III. t>on ^olen bamalä Bommern (§n)ifdt)en 
Ober unb 28eicf)fet) unterworfen l)attc unb bie SJlif- 
fton be3 8tfdf)of3 Otto t>on Bamberg (1124/25 unb 
1128) unter feinen <S$ufc fteUte; fcf)on 1139 trat I)ier 
in bem großen (Stapetpla^e be§ 2Benbenlanbe§, 2öol* 
lin, ein 93t3tum in§ Seben. $o<f) mußte 1135 93oIe- 
flau) III. für Bommern unb tilgen bem Steide ben 
ßef)n§eib fcfyroören. 2)a§ lange oerma^rlofte SBerf 
Dtto§ be§ ©rofjen mar energifd) unb glücflidj mieber 
aufgenommen, ba§ nod) t)cibmfc^e 2öenbenlanb an ber 
Oftfee oon Söeften unb Dften f)er gleichzeitig umfaßt 
•Oeinrici) 3 u 9^ e ^ befeftigte Sott)ar bie Stellung biefer 
«otfard ° nationalfäd^fifd)en 2ftonarcf)te, inbem er feine ©rb* 
^ rt,c tod)ter ©ertrub mit bem Söelfen §etnrid) (bem 
©tollen), bem @ot)ne unb ©rben £er$og §einrtd)§ 
be§ ©djroaraen oon Sanern, oermäf)lte unb biefen 
and) al§ feinen 9lad)f olger in Saufen in 3lu§fid)t 
nafym. 2)amit mar eine bnnaftifcfye Sßerbinbung ber 
beiben ftärfften Herzogtümer be§ 9Reict)§ in bie 9cäl)e 
gerüeft. 

Seifen fjreilid) oerf djärfte biefer gamilienaufammen^ang 
üofjeV i m &%ft ocn ®egenfa^ aroifd^en ber ftegreidjen ftrdj* 
ftaitfcn lic^?fürfttid)en$olitif Öott)ar§ unb ben Überlieferungen 
be§ falifd) = fränfifd)en ®önig§l)aufeg, bie jetjt bie 
$>of)enftaufen oertraten, unb legte ben ©runb $u bem 
t>erf)ängm3t>otlen ßnriefpalt ber SBelfen unb ber 
£of)enftaufen. $>enn jener ©egenfat} führte sum 
SBrudje, al3 Sotljar von ben fd)toäbifd)en trübem 
nad) bem Urteil einer ftürftenoerfammlung in SRegenS* 
bürg im üftooember 1125 alle üjnen von $>einrid) V. 
oerltefjenen $leid)§güter, barunter bie Domäne 9lürn* 
berg unb bie ÜJtotfjilbif d)en SMobten in Italien, 
äurücfoerlangte unb fie ästete, al3 fte ftcf) nid)t 



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S)er Ramp\ um bic 9tei#8« unb ßirdjenberfaffung 149 

fügten, 3>n bem nun begtnnenben SBürgerfriege, in 
bem bie SBelfen $um erftenmale bcn §of)enftaufen 
feittbtid) entgegentraten, Seopolb III. von Dfterretcfy 
auf ber ©eite feines (SdjroagerS ftrtebrid) von 
(Sdjroaben ftanb, mürbe im 2)e$ember 1127 ftonrab 
(III.) in ©peier al§ ©egenfönig aufgeteilt unb cm* 
pftng im 3uni 1128 and) bie lombarbtfcfye ^rone ju 
9tton$a. Slber tnanrifdjen gewann öot^ar burd) bie 
@tnnat)me son Dürnberg unb ©peter auf bem beut* 
fdjen ßriegäfdjauplafce ba3 Übergenridjt unb befrfjto^ 
barauf, e3 aud) in Italien l)er$uftellen. 

2)enn in ber ^apftroaf)l be3 Q[a^re§ 1130 tjatte ßot$atunb 
üornetjmlid) ber ßroiefpalt ber betben großen fran* ^ ox . 
5örtfd)e«3Wön^§genoffenfd)aften ber (Siftercienfer unb ***** 
*ßrämonftratenfer jum offnen 93rud)e unb ^ur 9luf* 
ftetlung praeter ^ßäpfte geführt, 2lnaflet§ II. unb 
Qnnocena II V unb mit biefem Qmtft t>erflod)t ftd) ber 
©egenfatj arotfdjen bem beutfd^römtfdjen SRetdje unb 
bem 9lormannenftaate, wo Stöger IL von ©ijilien 
aud) SIpulien unb ©alabrien in SBefifc genommen unb 
gegen 9lnerfennung ber jufHec^t beftefyenben päpftlidjen 
Dberf>ol)ett von knallet IL im Sluguft 1128 bie ßönig§= 
frone erlangt t)atte. dagegen traten bie großen 
2Jtäd)te SJlittel* unb SöefteuropaS für ^nnocen* n. 
ein, unb ßotf)ar führte auf bem erften SRömersuge 
biefen im Slpril 1133 roirflid) nad) ^om, tt»o er nun 
felber bie ^aiferfrone unb bie 9Jtatf)ilbtf d)en 9Illobe, 
aber nur al§ päpftlidjeg Seijen empfing. $)ie Unter* 
raerfung ber gebannten 0ot)enftaufen (1134/35) mar 
bie ftolge biefe§ glüdlidjen Unternehmend. Sftur mar 
ßot^ar nidjt imftanbe, dlom bauernb gegen bie Sftor* 
mannen $u fdjüfcen, trielmefyr fettfe SRoger fefjr balb 
9lnaftet IL roieber ein. 3)er in fetner Anlage nrie 
in feiner 9Iu§fül)rung gleid) großartige jroeite SRömer* 
jug 8otl)ar8 (1136/37), an bem bie bebeutenbften 
beutfd)en dürften perfönltd} teilnahmen, entriß aroar 



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150 23> c bciitfd)«römifdje Äaiferjcit 

ben Normannen ba§ ganje fübitalienifdje fjeftlanb, 
aber ofyne ©ijilten mar bie§ nicfyt ju galten, unb ein 
Angriff auf bieg eigentliche Slernlanb be3 norman* 
nifdjen s Jkid)§ roar otme flotte unmoglid). @o ging 
rafd) ade§ wieber oerloren, nod) ef>e ber ertranfte 
ßaifer ben beutfdjen $8oben roieber erreicht fjatte; 
untenoegS ift er auf banrtfdjer (£rbe Einfang $)e= 
$ember 1137 oerfcfyteben. 

^crlf f fof)ne§einrid) oon Tawern fein §er$ogtum ©adrfen unb 

»aSern bie SMd)§infignien übergeben, fortan bel)errfd)te alfo 
uttö berSöelfe bie beiben gro&en fternlänber be§ ÜftorbenS 

^° cn unb beS ©übenS. (Sine (luge unb roeitrecfynenbe ^ßo= 
tittl ftanb am 9Ibfd)lufj. 2)enn rourbe §einrid) ber 
©tolje $um Könige gewählt, woran er felbft triebt 
$n>eifelte, bann rourbe <§ad)fen in ber oon Sot^ar 
neu begrünbeten engern SBerbtnbung mit bem Königs 
tum erhalten unb biefem augleid) bie £>errfd)aft über 
ben ©üben gefidjert, ber ben 93efitj ^talienS oerbürgte. 
9lad) menfd)li^em ®rmeffen wäre bamit bie 9ieic^§= 
einfjeit unter einem fraftooüen, t>or ädern auf ber 
bunafttfdjen 3lnf)ängltd)fett ber beiben ftärfften unb 
umffengetoaltigften ©tämme beru^enben ^önigtume 
bauernb geftdjert geroefen. 
Äonrabin. Slber fo ftarf fügten ftd) bereits bie <Reid)3fürften 

Mfte uub ^öifc^öfc, unb fo wenig wirtliche (StaatSgefinnung 
war in tfynen lebenbtg, baf$ fie ein fräfttgeä ftönig* 
tum al§ eine ©efafyr für fid) felbft anfafyen. ©ie 
wählten be§f)alb, befonberä auf ben betrieb $Ubero§ 
oon £rier, ofjne ben oon ber ®aiferin=2öittt)e SRidjenja 
auf ben 2Jtot 1138 nad) üflain$ auSgefcfyriebnen Söa^l- 
tag abzuwarten, fd)on im 9Mr$ ju SSoblenj ben 
^o^enftaufen ftonr ab III. (1138—52), ben alten 
fteinb ber Söelfen. Überrafdjt unb beftür^t lieferte 
£einrid) ber ©tol^e bie <Reid)3infigmen auS ; bod) als 
ber neue ftönig oon i^m bie Abtretung eines feiner 



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$er Aam*)f um bic ffiei<$ä- mib ÄirdjenDerfaffung 151 



beiben £>eraogtümer forberte, weil fonft bie Ärone 
neben ber welftfd)en 2ftad)t wenig bebeutet ptte, 
wte§ er ba§ gurücf unb würbe geächtet (Sin fyeiU 
lofer S3ürgerfrieg begann; bie Gräfte, bie für 9tetd)3* 
cinfjeit unb Königtum gefammelt waren, wanbten 
fid) aerftörenb gegen beibe. 9iad) langem fingen 
fefcte ftonrab III. feinen Söiflen burd). §etnrid) ber 
Söwe, be§ ©tollen Sof)n unb 9?ad)f olger (feit 1139) 
unb 2ott)ax$ jttgenblid)er @nfel, oer$td)tete 1142 auf 
Sägern, bag an £eopolb IV. von Dfterreid) verlieben 
würbe, unb befyanbelte fortan (Saufen al§ fein £>aupt* 
lanb, aber feine $lnfprü$e auf Magern lebten fort, 
unb ©ad)fen entfrembete ftd) aufS neue unb bauernb 
bem 9teid)e. (£3 I)ängt woln* bamit jufammen, ba(3 
ftonrabS (Singreifen in bie polnifcfyen 2:l)ronftreitigs 
feiten nad) SBoleflawS III. 2obe 1138 erfolglos blieb. 

3n biefer unflaren unb cerworrenen Sage ließ Ici * lücite 

Streuung 

er ftd) tn ba§ unabfetjbare Unternehmen be3 5 wetten 
^reu^ugeg üerftrtdetu 2)ie Vormauer ber tner fran* 
jöfifdjen SHttterftaaten in ©nrien, bie ber erfte $reu$* 
jug begrünbet ijatte, (Sbeffa, mar 1144 gefallen, unb 
abermals, wie fünfaig 3af)re auoor, rief ba§ ^apfitum, 
oor allem burd) ben feurigen 9lbt 93ernl)arb oou 
©lahwaur., ba§ 9lbenblanb §um Kampfe gegen 9flo* 
hammebaner unb Reiben unter fetner Rührung auf. 
$rei grofie 9flaffen festen fic^ feit 1147 in Bewegung; 
bie Könige twngranfreid) unb 3)eutf erlaub marfdjierten 
gu £anbe gegen ©nrien, eine norbbeutfdj * englifdje 
ftlotte nahm ben bireften €>eeweg um SÖefteuropa 
herum, bie fädjftfdjen gürften brachen gegen ba3 
hetbmfd)e Slawenlanb an ber Oftfee auf, unb bie 
au§fd)weifenbften Erwartungen burchaitterten ba§ 
s 2lbenblanb. 2>a§ ^apfttum follte bie $robe feiner 
2öeltpolitif beftehen; wer wollte ihm bie bauernbe 
Rührung be§ 5lbenblanbc3 ftreitig machen, wenn 
e3 biefe Sßrobe beftanb* ©in furd)tbarer SKürffchlag 



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152 



2)ic beutfdj«rdmtfd)e Pniferjcit 



folgte. $a§ beutfdje unb fran$öftfche ^reua^ccr 
gingen auf bem enblofen Sanbmarfche größten* 
teils fchon in ftletnaften ©runbe; bie [Hefte, bie 
bann auf bem (Seewege (Snrien erreichten, fonnten 
nur mit §ilfe ber inanrifchen glücflich bort ange* 
langten norbbeutfchen unb englifchen 8reu$fahrer bie 
im ©runbe aroecttofe unb jebenfaflS vergebliche 93e* 
Iagerung oon 2)ama3fu§ unternehmen, unb ber ganje 
©rfolg bei ®lamenfelb§uge§ ber ©achfen 1147 mar 
ber, bafc bie angegriffnen (Stämme bie Saufe gelobten. 
2)a3 größte Unternehmen be§ *ßapfttum3 mar trofc 
aller SBegeifterung uollftänbig gef Deitert, unb bie§ 
^ßapfttum, ba§ ftch bie 2öelt unterwerfen mollte, mar 
nicht einmal §err oon SRom. 2)enn bie römif che ^Bürger* 
fchaft hatte ftch nach bem SBeifptele ber lombarbifchen 
©täbte eine felbftänbige weltliche Regierung gefegt, 
unb ftonrab III. oermochte nicht %u ty\\zn. 
er im ftrühiahr H49 au§ bem Dften $urücff ehrte, 
empfing ihn eine neue (Erhebung ber 2öelfen, unb er 
ftarb nach einem mi&glücften Angriff auf ©achfen am 
15. Februar 1152 in Starnberg. 



srflcbniffc ©*gebm§ ber rabifal4bealifttfchen Kirchen* 

nlat politil feit ©regor VII. mar bieg. Sie Kirche hatte 
^mutl ftch burd) ba§ Söormfer ftonforbat, mehr noch °urch 
bie Nichtachtung ber (Schränken biefeS Vertrages feit 
fiothar t»om (Staate faft nöHtg freigemacht; fie mürbe 
je^t nicht mehr com ftaifer, fonbern r>om unabhängig 
gemorbnen Zapfte regiert. Um biefe $tele 8 U Ws 
reichen, hatte fie überall bie oorfjanbnen 2luflöfung§- 
tenbenjen be§ fiaienabelS geförbert. Sie längft be= 
gonnene Söerroanblung ber hohen 9teich3ämter in erb* 
liehe 5J ur f^«tümer hatte jefct auch oie Herzogtümer 
ergriffen, unb lebiglicf) t>on ihren bgnaftifchen ober 
lanbfehaftlichen ^ntereffen liefen ftch biefe ftoljen 
.gerrengefchtechter fortan leiten. Slnbrerfeitg ftanb 



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£er flampf um bic 9teid)Ö* unb Äirdjenöerfaffuuü 



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ba§ SHedjt ber ©rofcen, ben $önig roäljlen, feftev 
als jemals, fobafc faft jebcr 8ömg gejtoungen mar, 
um oorübergefyenber Vorteile mitten bei ber Söetoer* 
bung unb oft genug aud) fpdter immer mef)r oon ben 
SBefifeungen unb $ed)ten ber $rone abbröcfeln ju 
laffen* Um ba3 ©emonnene $u behaupten, Ratten 
93ifd)öfe unb Saienfürften oereinigt bie 9Jtöglid)feit 
einer SBefeftigung ber Oteicf^einljeit auf einer neuen 
©runblage, ber bonaftifdjen SBerbinbung <Sad)fen§ 
mit Söaoern, oereitelt, fobafc ftd) @ad)fen bem Äönig* 
turne für alle Sutunft entfrembete. £)a3 SRetd), ju 
beffen ttrid)tigfter <Stü£e fie Otto ber ©ro&e gemacht 
hatte, ba§ fjatte bie Kirche zerrütten Reifen, bodj it)r 
gaupt war feitbem felbft in Italien fdm£lo§, unb 
ihre 2öeItherrfd)aft§poltttf hatte ju einer furchtbaren 
ßataftropfje geführt, bie bie ©{)rtftent|eit irre machte 
an bem ftrd)lid)en $beal. 

Üftun erioud)§ biefer Hierarchie au§ bem ©chofre 
ber Sfbee, auf ber ihre eignen Hnfprüdje beruhten, wönStum 
ein neuer mächtiger fteinb, ba§ roeltentfagenbe, re* 
formierte 9flönchtum erft ber (Slumacenfer, fpdter 
neuer fran§öfifcher Drben. 2)enn jene ftrebten nad) 
möglichfter ©elbftänbigfeit oon ben SBtfdjöfen, nad) 
ftraffer 3 u f ammc nf a ffcng ihrer ©enoffenfdjaften in 
birefter Unterorbnung unter ben $apft. 3af)IIofe 
Äloftergrünbungen weltlicher dürften oerbreiteten fie 
oon ber ©tfet bis nad) Kärnten unb (Steiermark oft 
oon £irfd)auer SRönd^eit geleitet $)od) fte mürben 
balb toeit übertroffen burd) bie (Stftercienfer (feit 
1098) unb bie ^ßrämonftratenfer (1119). 2Iuf ©runb ber 
oerfchdrften JBenebütinerregel erftrebten bie einen, in 
ben formen ber 9luguftinerd)orf)erren bie anbern 
SBeltentfagung burd) 2lrmut, emfige Arbeit unb fromme 
^Betrachtung in tieffter ©infamfeit. 

5lber gerabe biefe 2Beltflüd)tIittge, bie fern oon sicffoto 
allem «erfehr für ftd) unb ihre SKitchriften bie emige [ 



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Stil beutfi$.römif$e ftatfcrjett 



§eimat ju gewinnen ftrebten, Ralfen mader mit ba$u, 
baS irbifdjc SJaterlanb be3 beutfdjen *8olfe3 au t»er* 
fdjönern unb erweitern, bcnn fie würben föolom* 
fatoren großen @til§ (9Jtarta 8aad) in ber (£tfel 
1093, 2lltenfamp bei ©elbern 1121, SRemfjarbSbrunn 
in Düringen 1085 u. f. f.). $nbem bie ©runb^erren 
burd) ba§ prafttfcfjc *8ebürfm3, bie 3*rcüttung iJ>re§ 
$8efÜ3eS wäfyrenb be§ langen SöürgertriegeS , ber fie 
ju maffenfyaften Verlegungen gebrängt fyatte, $u 
feilen, nad) berfelben 9itd)tung gebrängt würben, 
fcrjritten fie aud) im innern $)eutfd)lanb ju ben legten 
gro&en Diobungen alter 2lrt (a. $8. ber Söalbungen 
be3 9?f)eingaue3 1130, 93erd)te3gaben§ 1111 it. a. m.) 
unb jur Urbarmachung ber ©rudjlanbfcfjaf ten mit 
§ilfc flämifc^er 3lnfiebler in flämif djen $mfen (fo im 
(Sraftift Bremen unb um $ilbe3f)eim). Sßor allem 
breitete fidt> ber Slnbau in ben Warfen aus;, geroifc 
baburd) wefentltd) begünftigt, ba& fid) In' er früf); 
zeitig gro&e ©efd)led)ter erbticfj mit bem Stteid)3amte 
oerbanben. SBon ben norböftlidjen machte nur 3Jlei&en 
rarere ftortf dritte, benn In' er erreichte bie aufammen; 
l)ängenbe beutfd)e «efteblung burd) fränfifdje unb 
tfyüringifcrje, auweilen aud) flämifdje ßoloniften (um 
Seipjig, fdjon 1017 genannt, s ßegau, Surfen, Ulenburg 
im gladjlanbe, um 2öeiba, flauen, 9ieid)enbad), 
3wxrfau im SBerglanbe) fcrjon bie 2Jiulbe, unb ben 
Slnbau be3 faft menfdjenleeren (SragebirgeS begann 
ba§ Senebiftinerflofter G^emniö, bie Stiftung ÖotfjarS. 
3m ©üboften fam fie bagegen in biefer Qeit beinahe 
aum 9lbfd)lufj. %n Öfterreid) bebedte fie jefct aud) bie 
(Seitentäler ber 3)onau unb bie SBalblanbf duften bar* 
über big an bie fieitfja unb SKard) mit taufenben von 
Ortf haften, ntcfjt §um roenigften burd) bie Arbeit ber 
neuen ftlöfter (©öttwet& 1083, Älofter Auburg um 
1108, $eiligenlreua 1136; 3wettl unf 1139), unb ba§ 
altrömifdje SBien mar bereits ein anfe^nlictjer v #laö. 



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£cr Äampf um bie 5Reid)8. unb Äird&enberfQffung 



155 



!gn ben Dftalpenlanben ftieg fie auch in bie Sfteben= 
tf)äler ber 3Jlur unb 2)rau hinauf, fte fd)ob bag 
beutfdje ©ebiet big an bie jetzige ungarifche ©ren$e 
t>or, machte bie alte §engftburg (®ra&) jum Sifce 
ber 2ftarfgrafen oon Kärnten aug bem $aufe (Steter 
(bafyer SteiermarE) unb seranlaßte im $er$ogtum 
Kärnten fchon 1072 bie Segrünbung beg SBigtumg 
©urf. Salb follte bieg beutfdje Seben, bag in biefem 
alten $loaren= unb ©laroenlanbe mit fo rounberooUer 
«Sc^neUigfeit emporfam, bie ebelften Blüten beutfcher 
3)id)tung zeitigen. 

2)ag alleg roaren nod) bie großartigen Stiftungen itchnmitt 
einer gefunben Sftaturalroirtfchaft. 9lber ihre Socferung bci l ^ r t f l>t; 
hatte weitere gortfchritte gemacht, benn ber 53er* faffun«cn 
fct)r unb bie ©eroerbthättgfett fteigerten fid) roefent* 
lid) burd) bie roachfenben 3ufammenhänge ber ©runb= 
herrfdjaften unb ber ftirchenoerroaltung wie burd) bie 
Rrieggsüge unb bie maffenhaften 8ir Neubauten. 5lm 
lebhafteren mar beibeg im äußerften üftorbmeften, 
bamalg bem einzigen fünfte, roo bie großen 2Belt= 
hanbelgftraßen 2)eutfchlanb berührten. 93eibeg brängte 
§ur rechtlichen ©onberung ber nod) immer §alb 
länbltchen, rafd) fid) oermehrenben unb fdjnetl fid) 
üergrößernben ftäbttfchen Drtfdjaften, alfo $u einer 
felbftänbigen ©tabtoerfaffung, bie in ben früher ent* 
roidelten 9cad)barlänbem Stalten unb grranfretd) be* 
reitg eine %\)at\a<fye mar unb bort fogar jur Sefettigung 
ber bifdjöflidjen ober gräflichen 6tabtherrfd)aft geführt 
hatte. 3n $)eutfd)lanb ermud)g bie fpätere ©tabtoer* 
faffung aug einer nrirtfdjaftlichen unb rechtlichen ©d)ei= 
bung ber ©tabt »on ber ©auoermaltung. 3>ene be= 
ruhte in erfter ßinie auf bem oon ben Königen feit 
bem jehnten ^afjrhunbert verliehenen 3flarft* (unb 
2Hün$)recht, in jmeiter auf ber Befreiung oon Qöüen 
an beftimmten 3oöftätten, bie juerft Heinrich IV. an 
SBounS, Heinrich V. aud) an anbre rt)einifd)c ©täbte oer* 



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15G 



3>tc beutfd)«römif($e Äatferjcit 



lief), unb von befttmmten ^ofred)tltcf)en Seiftungen 
(juerft 1111 ©peier vom SButetl). 2)ie red)ttid)e 
©elbficmbigfett f)tng teil3 mit bet wirtfdjaftltd&en 
jufammen, ba bie 5lufred)terf)altung bet aflarft* unb 
©trafjenpolijei zuweilen einer ftabttfd)en §anbetS* 
gilbe anvertraut würbe (wie in Äöln um 1102 ber 
richerzeche), teils ging fte au§ ber geridjtltcfjen 
emtion ber ©tabt fjenwr, inbem für fie ein befonbreS 
©d)öffengerid)t au§ ben bürgern, wenn au<% nod) unter 
bem borfifc ftabtl)errfcf)aftltd)er Beamten, be3 93ogt§ 
unb bei ©djultfyei&en, gebilbet würbe (fo in (Strasburg 
1129). S)ie erfte roefentlic^e Erweiterung biefer Sterte 
gemährte $onrab von geringen ber ©rünbung fetne§ 
SöruberS bert&olb IL, greiburg t SBr. 1120 in ber 
erften beutfetyen ©tabtt>erfaffung§urftmbe, bie ben 
bürgern bereits freie Verfügung über ifjren 93eft^ bie 
jä&rltc^e SBabl be§ ©djultyetjjen unb bie «ßoliaeioer* 
waltung unb 9ied)tfpredfmng burdf) ein Kollegium von 
t)ierunb$wan$ig Consules (nad) italienifcfjem borbilbe) 
jugeftanb. $)ie $errf<f)aft be§ ©tabtfyerm mürbe grunb= 
fäfcltd) noef) nirgenbS in ftrage geftellt, aber bie @r= 
Hebungen 2öorm§ 1073 unb in £öln 1074 benriefen, bafc 
biefen ©ürgerfdjaften felbftänbig $u benfen unb $u 
tyanbeln begannen. 

3)iefe ©elbftänbigteit be3 UrteiB rourbe burd) 
nict)t§ mefyr geförbert all burd) ben ^noeftiturftreit 
mit feinen Sftadjwirf ungen , benn er erfdjütterte §um 
erftenmale in weiten Greifen bie ©eltung ber Über* 
lieferung unb jwang jeben beteiligten, ftd) felbft eine 
Meinung über s Jied)t unb Unrecht ju bilben. S)te3 
93ebürfni§ führte $undd)ft ju einer Umgeftaltung ber 
geiftlid)=litterarifd)en 93ilbung. 2)ie flafftfdjen ©tubien 
traten, ofme bajj man ba§ 3iel e * ner fprad)lid)=rl)eto* 
rifcfyen $lu£bilbmtg au§ ben Slugen oerloren fjätte, 
bod) jurürf vox ber ©djolaftif, ber „©d)ulwiffenfd)aft," 
bie mit£Ufe ber bamal§ erft wieber entbeeften arifto; 



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$er Äampf um bic fRcid^S- unb fltr(f)ent)erfaffunft 157 

telifchen fiogif ftirchenlehre unb £irchenred)t oerftanbeS* 
mafng $u erfaffen unb $u begrünben ftrcbte unb von 
ihren frangöftfchen Sitjen, crft bcm Softer 93cc in 
ber ■ftormanbte, bann uon ^ßartS ^er aud) auf bic 
beutfdje ©eiftltchteit hinüber nrirfte, befonberS feitbem 
bie Ausbreitung ber ©iftercienfer unb ^tdmonftratenfer 
einen fet)r engen geiftigen 3ufantmen^angmit ^ranfreid) 
begrünbet ^atte. Qn gahüofen Streitf Triften befämpften 
ftd) bie ©egner. 3lber aud) bie ©efehuhtfehreibung t>er* 
roanbelte fid) Dottftänbig ; fie mürbe eine 2öaffe ber 
^arteten, r»or ädern ber firdjUdjen, bie in Cambert 
von £er§felb ihren glän$enbften unb mafwollften, in 
SBifcrjof Dtto von frretfing, bem£albbruber $tmrab3III., 
ihren geiftreidjften unb tiefftnnigften, freilich gang in 
3luguftin§ SBorfteHungen befangnen Vertreter fanb, aber 
fie gewann auch an ßeben unb Vertiefung. Dbjeftioere 
Haltung bewahrten nur bie SSeltchrontfen unb lanfc 
fd)afttid) * örtliche 2>arfteHungen, wie 2lbam§ t>on 
Bremen treffliche ©efchid)te ber ©r$btfd)öfe von §am= 
bürg (bi§ 1072), aber auch fte Iaffen einen beftimmten 
perfönlichen Stanbpunft ber Söerfaffer ertennen. So 
rourbe $um erftenmale in ber beutfdjen ©efchichte bie 
Sitteratur eine praftifd) roirffame SKacht. 

aJie^r al§ früher fud)te bafjer bie ©eifilic^fcit auch ^timn 
auf bie ungelehrten Saien ju roirfen. Sie begann bie 
oerfcr)iebenften Stoffe, geiftliche unb weltliche, in fird) s 
liebem ©elfte, aber in ber SUiutterfpradje ju behanbeln. 
©ine öfterreichifdje Spönne, 9loa oon ©öttroeih, fdu'l* 
berte Schöpfung unbSünbenfall, ein öfterreichifcf)er£aien= 
bruber, Heinrich von 3ftelf, machte fich jum Sittenrichter 
aller Stänbe. 2)a§ „SInnolieb" ftedte ben finftern, 
ehrgeizigen ©rjbifchof al§ ba§ Sflufter etneS ^eiligen 
bar, bie „ßaiferchronif" gab ber ganjen SBeltgefchichte 
bi§ auf ®onrab III. firchliche $enben$, bie gelben ber 
frangöfifchen ftarlSfage würben im „9*olanb§liebe" be§ 
Pfaffen ftonrab (um 1130) jum Vorbilbe ber ®reua= 



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158 



2)ie t>eutfd)«rBmifdje tfaiferjcit 



aüge, unb ba§ burct) biefe geroecfte Qntereffe am 
rounberreid)en Orient führte $u einer pr)antaftifc^ um- 
geftalteten $)arftellung im „Slleranberliebe." daneben 
trugen bie meltltd)en ©pielleute bie alten ©agen ber 
2öanber$eit non Sanbfdjaft Sanbfcf)aft unb gelten 
fie überall mit leifer Umbilbung lebenbig. 
(£rge*ittffe <& 0 mar bie§ ftürmiferje 3af)rl)unbert be§ Kampfs 
um bie föeid)^ unb ßtrcfjenüerfaffung eine 3ett ber 
lebhafteren SBeroegung, be§ rüftigen fJortfchrittS. $m 
roirtfdjaftlid)- fokalen ßeben nerbanb ficr) mit ber un= 
aufhaltfamen ©rmetterung be§ bebauten ©runb unb 
93oben§ bie beginnenbe Durchbrechung ber reinen 91a- 
turalmirtfctjaft unb ber Übermacht ber ©runbherren 
burd) ba§ Aufblühen ber ©täbte, im geifttgen Seben rang 
fich bie ^erfönlid)feit langfam non ber unbedingten §err- 
fcfjaft einer ohne Prüfung hingenommnen Überlieferung 
lo§. Slber bie ©eftaltung ber SReid)3oerfaffung mar 
unfertiger al§ je. Sollte bie Nation nicht verfallen, fo 
mufjte ba§ Königtum feine faft nerlorne Söerbtnbung 
mit ber S!ird)e roieber ^erftellen unb unter feiner 
Rührung ben Ungeheuern, oorroärtSbrängenben, roirt- 
fchaftttchen unb militarifchen Gräften ber 2)eutfcf)en 
SKaum jur Entfaltung fchaffen. $8on ber 2lrt, mie e§ 
biefe Ungeheuern Aufgaben löfte, hing feine unb be§ 
SKeicheS 3 u hwf* ab. 



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uni> bit <&tvmm\X\tvun$ l&# Bjfen« 

1152 frte 1273 



ie 9Köglid)feit $ur SöieberberfteHung be§ Königtums ^™J*$ n 
lag $unäd)ft in bcm 3urücfroetcf)en bcr firccjticfjen 



Qbeen nad) bcr tiefen (Ermattung be§ langen ©treit§ 
um bie ftnoeftttur unb ber ferneren Sftieberlage ber 
päpftlirf>en ©eltfjerrfcrjaft^polittf. @ie erfaßt unb be* 
nu^t 5U tjaben ift ba3 Sßerbienft be§ §errfcf)er§, ber 
fdjon am 5. 3Wär§ 1152 ju granffurt a. Tl. ein- 
ftimmig geroäfjlt würbe, am 9. 2Här$ gu Hachen im 
farolingiferjen fünfter bie $rone empfing. $)er §o§en* 
ftaufe gr^&^d) l (H52 bt§ 1190), ©erjog r»on 
©djnmben, ber Sfleffe be§ nerftorbnen ßönigS (geboren 
um 1123), ift unter allen beutfd)en §errfcr)ern be§ 
2WttteIaltcr§ ber populärfte unb in ber Erinnerung bie 
Söertorperung beutfdjer $atferf)errlid)feit geworben. 
SDenn er mar in jebem 3 U 9* uri* bie 

Steutfcrjen bamal3 begehrten, nrie in feiner freubig* 
fiegreidjen ©rfcfjeinung mit bem fetten 93licf ber 
blauen Otogen, bern feinen 9Jiunbe, bem germaniferjen 
§od)b!onb feinet £>aupt= unb 93artfyaare§ (bem er ben 
Beinamen SBarbaroffa oerbanft), fo in fetner jugletd) 



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IGO 



$ie beutfdj-römifdje ßaiferjeit 



majeftättfchen unb ritterlich liebenSmürbtgen §altung 
unb in feinem Söefen: ber erfte Krieger feiner 3eit, 
ein Staatsmann , ber bei einem oft allgu rjofyen Qrlug 
ber ©ebanfen boctj im entfchetbenben 3lugenblicf STiafe 
ju galten muffte, Ieibenfchaftltcr) unb herrifch, oornehm 
unb Imlbuoll, gütig unb freigebig, funftfmnig unb 
prad)tltebenb, ein gemanbter Dfabner unb ein ©önner 
ber aufblühenben beutfcrjen Dichtung. 9ln feinem 93ilbe 
richtete fldt) nach langer Ermattung bie Nation roieber 
freubig empor unb bemahrte eS fpäter in trüber 3eit 
al§ einen ©egenftanb beS StolseS unb eine 93ürgfd)aft 
ber Hoffnung. 

Hiatitid) freilich, er ftanb unter bem 3roange ftarrer Verhält* 
«Seifen niffe. ©r mar nicht mehr ber gebietenbe§err einer 9ietchS* 
beamtenfchaft, fonbern nur noch baS Oberhaupt einer 
ftoljen, eigenwilligen unb felbftfüchttgen Slriftofratie 
geiftlicher unb roeltltcher durften, bie roieber ihren 
eignen Vafallen feljr ähnlich gegenüberftanben. ©eine 
SRegterungSthätigfeit mar namentlich barauf gerichtet, 
bie einen gegen bie anbern auS$ufptelen unb fo bie 
2ftad)t ber ft'rone ju behaupten. 2)ie nnchtigfte ftrage 
babei mar aunächft eine brniafttfcrje, feine ftaatSrecrjt* 
liehe, baS Verhältnis ber £>ohenftaufen $u ben SBelfen, 
$u benen griebrtch als ©olm $ubithS, einer Schroetter 
§einrid)S beS Stoljen, in erleichtern ben ^Beziehungen 
ftanb. Sftacf) einem oermutlich balb nach 00er W ber 
3:h^onbefteigung gegebnen Verfprechen übertrug er 
fchon im Df tober 1155 Stenern roieberum Heinrich 
bem fiömen, feinem Vetter, unb entfehäbigte bafür ben 
bamaligen Qnhaber, Heinrich (Safonvirgott) oon Öfter * 
reich baburef), bafc er ihm im (September 1156 bie 
9ftarf Dfterreich als ein felbftänbigeS £>er$ogtum t»er* 
lieh, kaS erblich auch in ber weiblichen Cime fein 
fönte unb jur SRetcrjSheerfahrt nur in ben Machbar* 
lanben, ju ben Reichstagen nur bann, wenn ftc in 
Vanern abgehalten mürben, oerpflichtet mar. 3ft öem 



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Sie SkltmatitDolittf beS Äaifertuntö 



161 



er zugleich bcm $er$og bie solle ®erid)t§bar!eit ein* 
räumte, fchuf er zum erftenmale ein vom Reiche an* 
erfannteS erbliches felbftänbigeS SanbeSfürftentum unb 
bereitete bie fünftige ©onberung DfterreidjS cor. 

(seit biefem Slbfommen beruhte ftriebrichS I. ganze «stemm 
Stellung auf bem Verhältnis ju ben Seifen, bie nun 
bie beiben ftärfften beutfchen Herzogtümer oereinigten, in 
Italien aber £uScien unb ©poleto (unter Söelf, bem 
Dtyim £einrichS) befafjen unb baburch mächtiger 
waren als ber König. 5luS biefer unnatürlichen Sage 
ergaben fid) mit Rotroenbigfeit brei Folgerungen. 3 Us 
nädjft nahm ftriebricf) bie ©errfdjaft über bie Reichs* 
lirche in bem oollen Umfang beS SBormfer KontorbatS 
roteber in 5Infpruch unb fanb barin bei faft allen 
beutf djen SBifdjöfen umfo willigere Unterftüfcung, als 
biefe bie Übermacht beS SaienfürftentumS z u fürchten 
hatten, unb bie beiben £>auptoertreter ber ftrchltchen 
SBeltherrfchaft, ^ßapft (Sugen III. unb Vernharb oon 
(Slairoauy, fd)on im 3^re 1158 furz fnntereinanber 
ftarben. 6obann arbeitete er mit allen Mitteln baran, 
bem Königtum bie fefte ©runblage einer gefcfjloffenen 
Xerritorialgewalt zu f djaffen, roie fte etwa bie fran- 
Zöfifchen Äapetinger im Herzogtum 3r r <*ncien befafjen. 
$aS Herzogtum «Schwaben, baS nur fehr wenig oon 
geiftUdjen Immunitäten burchfefct mar, behielt er tfjat-- 
fächlich in feiner §anb, obwohl er eS junäcftft feinem 
unmünbigen Steffen ftrtebrich oon Rothenburg über* 
trug, unb nahm eS 1168 nach beffen £obe ganz an 
ftd); er übernahm felbft gegen ben bisherigen brauch 
zahlreiche ßtrchenlehen unb erwarb allmählich burch 
Sauf ober ©rbfchaft bie ©üter einer ganzen Reihe 
fchmäbifcher ©rafengefcfjlechter; er übertrug feinem 
©ruber ßonrab 1156 bie anfehnlich oerftärtte frän* 
tifche (rheinifche) Sßfalzgraffchaft, erroarb felbft burch 
feine erfte ©h* ntit Eibele oon Vohburg baS ©gerlanb, 
1156 burch feine zweite Vermählung mit Veatrtr. bie 

£er aöexbeaang bcS beutföen 93olfc8 I 11 



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162 beutfd&-römifäe Äaifcrjeit 



^falagraffc^aft SBurgunb (Franohe Comte), alfo ben an 
<5d)u>aben angrcnjcnben £etl be§ $fmnelanbe§. $)ie 
fd>önften / frucfytbarften, htltitnerteften ©ebiete an bcr 
©rcnafd)cibc bcr brci SHetdf)e maren in bcn $änben 
ber ©taufen. 

ttmge» @bcn biefe 93erl)altniffe nriefen enblid) ben König 

3Ä tt * u f ammcn mit ber ^wWtion auf Stalten 2lu$ 
hier moHte er etroaS anbreS al§ feine Vorgänger, benn 
er ftanb, minbeftenS in Dberitaüen, gan$ anbern SBer* 
bältniffen gegenüber. 9Hd)t mehr bie SBifdjöfe be* 
berrfdjten feit bem elften ^a^unbert ba§ £anb;triel* 
mehr Ratten bie ©täbte, begünftigt burch bie rafche 
©ntmicflung von §anbel unb ©emerbe befonberS in- 
folge ber Kreu^üge, in bem weithin cer^roeigten fd)iff* 
baren glu^ne^e be§ SßotieflanbeS ihre alte Übermacht 
über ba§ platte fianb miebergeroonnen, inbem fkh bie 
Kaufmannfchaft mit bem Sanbabel jur „©emeinbe" 
(commune) oerfcfnnolj; biefe aber ^atte ftch md)t nur 
eine felbftanbige Jöeprbe in ben Consulos gefefct, fon* 
bem aud) bie bi§^er uon bcn S3ifd)öfen auggeübten 
$of)eit3red)te (Regalien) in <Stabt unb ©ebiet an fid) 
genommen unb aud) bie fünfte ber bisher §of Rödgen 
§anbroerfer gum Söaffenbtenft für bie Söerteibigung ber 
©tabt herangezogen. $)te ßombarbei verfiel größtenteils 
in eine $ln$ahl oon ©tabtftaaten , bie oft erbittert um 
9Jlac^t unb SBeftfc mit einanber fämpften. 2>amtt 
mar ber alte £Heic$§bienft ber 93tfcf)öfe unmöglich 
geworben, ba§ SefmSmefen zerrüttet, alle ©runb« 
lagen ber fömglidjen ©eroalt t>erfdjoben, ohne 
bafi biefe bi§l)er auch nur cerfudjt hatte, einju* 
greifen. $)tefe rotlbgeroachfene, ftaatSredjtlich re* 
oolutionäre ©ntroidlung neu $u regeln mar unbebingt 
notroenbig, aber e§ rourbe bem beutfehen König ba« 
burch er f chroer t, baf? fte ben ariftofratifc^naturahmrts 
fchaftltchen Slnfchauungen feiner Staatsmänner pnädjft 
unoerftänblich unb roiberroärttg mar, unb bajj ba3 



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2>te 2öcttmadjtpolitif bc§ AaifertumS 163 



^apfttum jeber Befefttgung ber &ömg§geraalt in Qta= 
lien mi&trauifd), ba§ Sftormannenreid) feinbfelig gegen« 
über ftanb. 

2Öie wenig ftrtebrid) anfangt biefe Sage überfa^, (frfoiae in 
jeigt ber erfte ftömeraug (1154/55). (Sr begriff balb, StftUcn 
baj* er mit feinen 1400 Gittern ni$t imftanbe fei, ba§ 
gewaltige 9Jtoxlanb $ur Qrretgebung ber beiben von 
if>m jüngft unterroorfnen ©emeinben ßobi unb (£omo 
3U fingen, begnügte ftdt> be§f)alb bie ©tabt ju ädjten 
unb ba§ if)r oerbünbete £ortona, ba§ bie Strafe nad) 
©enua befyerrfcrjte, ju ^erftören, roa§ audj erft nad) 
jroeimonatiger Belagerung im Slpril 1155 gelang. 
S)ann brad) er nad) SRom §ur Staiferfrönung auf. 
$)a e§ für tfm tnel mistiger fein mufite, fidf) mit bem 
^apfte §abrian IV. ju fteHen, al§ mit ber gegen biefen 
aufftänbifdjen ©tabtgemeinbe föom unb ifjrem ibea- 
ltftifcr)en Dteformprebiger Slrnolb oon BreScia, ber ben 
S8er^idt>t ber ftirdje auf alle roeltlid)e |>errfd)aft for* 
berte, fo gab er beibe pret§ unb empfing am 18. 3uni 
1155 au§ ben £änben £>abrian§ IV. bie &aif erfrone. 
Wlit ganj anbern Streitkräften, von allen dürften 
unterftüfct unb mit Haren Richten trat ber ßaifer ju 
^fingften 1158 von 2lug§burg auS bie sroeite $eer* 
fafjrt nad) Italien an. ®raft be§ römifdfjen ßaifer* 
re<f)t§, ba3 nad) ber Sefyre ber neuen Surtftenfdjule 
oon Bologna bem 5ttonarcr)en ba3 alleinige ©efetj* 
gebung§recf)t unb alle ^ot)eit§rerf)te jufprad), mollte 
er biefe ntd)t etroa ben Sifdjöfen jurüdgeben, mel* 
me^r fte felbft an ftcrj bringen, ftd) fomit anfteHe ber 
oeralteten Sftaturallteferungen ftd&ere «unb anfefmlidje 
©elbeinfünfte (in ber ßombarbei 30000 «ßfunb ©Uber 
jäfjrltd), b. i. etwa l&f s Millionen Tlaxl nad) heutigem 
ßaufroert) uerfdjaffen unb bie Berroaltung biefer 9*ed)te 
unb ©infünfte weltlichen Beamten übertragen. (Mang 
bie§, fo war ba§ alte Königtum ber Sangobarben in eine 
natjeju unumf darauf te, wefentlid) auf (Mbnrirtfcfjaft 

11* 



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164 



2>te beutfdKömiföe Äaifcrjcit 



berufjenbe 9ftonard)ie oerroanbelt, unb bamit eine fefte 
©runbtage be§ ßaifertum§ aud) gegenüber 3>eutfd)* 
lanb gewonnen. Sie erften @rfolge entfpradjen ben 
©rtoartungen. S)a§ geächtete SHailanb rourbe ©nbe 
Suli von 1O0O00 SJiann, jum £etf Iombarbtfcrjen $on* 
tingenten, eingefcfyloffen unb am 7. ©eptember $u einem 
(SrgebungSoertrage gelungen, inbem bie mächtige ©e= 
meinbe bie ©täbte Sobi unb (Somo freiließ bie gan$e 
9iorbt)ätfte tl>re§ ©ebiete abtrat, bem ßaifer ben Streuetb 
Ieiftete unb afle Regalien einräumte, eine $fal$ in i&ren 
9Jtauern$u erbauen oerfpracr) unb bieSBa^l ifjrerfömfuln 
taiferlicfyer SSeftätigung unterwarf, darauf befcf)lof$ 
im S^onember ein beutfd)*itaUenif<$er 9tei<f|3tag auf 
ber s Jioncalifcrjen (Sbene bei ^ßiacenja, baf$ bem ßatfer 
allein ba§ ©efefcgebung§redjt gebühre, ftraft bief e§ «Heltes 
nafjm er afle Regalien an ftdfy, fall§ bie ©täbte ntcrjt 
itjrc ©rroerbung burefy faif erliefe Söerleifyung nadE) weifen 
fonnten (roa§ faft nie ber ftafl war) ober jefet neu er* 
warben, behielt fid) bie Ernennung faiferlidjer Beamten 
für beren Verwaltung unb bie SRedjtäpflege cor, oer* 
bot afle ©ibgenoffenfd&aften in unb awifdjen ben 
©täbten, fdjärfte bie 8etm§pflicf)t ber SBafaflen ein unb 
gebot enblid) einen ewigen ^rieben. Semgemäfj festen 
ju 3lnfang 1159 feine ^ommtffare in aflen ©täbten 
bie faif erliefen Beamten (föeftoren, ^ßobefta) ein. SNur 
in SJtoitanb frieden fte auf SBiberftanb, benn bte§ be* 
rief fid^ auf feinen ©onberoertrag, unb ba§ Heine 
tapfere ßrema fdjlofj ftd) tljm an. 2)a Qrriebrtd) fein 
£>eer bereits entlaffen batte, fonnte er über Sttailanb 
nur bie $l<f)t oerpngen, aber (Srema jwang er nad) 
fyelbenmütiger ©egenmefjr ®nbe Januar 1160 jur Über* 
gäbe, trieb bie 93ewof)ner au§ unb jerftörte bie ©tabt. 
siurf) mit geftaltete ftcf) bie Sage oerwtcfelter burd& ben 

9?om Qwtft mit bem Spapfttum. <Sd)on auf einem burgun= 
btf<f)en 9teidE)§tage in 83efan<?on im £)f tober 1157 §atte 
§abrian§ IV. £egat ßarbinal ftolanb runb §erau§ be- 



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Sic 2Bettmci$tpolitit be§ Äaifcrtumö 



105 



Rauptet, ber ®aifer fyabe ba§ Neid) vom ^apfte, jur 
Icb^afteftcn (Sntrüfiung ber beutftfjen ©beln. Sefct 
forberte er bie $luff)ebung be§ 8el)n§eibe§ ber italie* 
nifdjen Söifd^öfe unb ben SBcr^id^t be§ £aifer§ auf alle 
SHegaften in 9*om unb auf bie 2JJatf)übifrf)en ©üter. 
®em gegenüber gelten bie beutfdjen 3Mfd)öfe, an if)rer 
©pifce föatnalb oon Raffet, ©rjbifdjof von ftötn, an 
ber $bee feft, ba& bie meid)3rtrd)e ba§ ^apfttum be* 
f)errf<$en müffe, unb fdjon breite ber Srurf), ba ftarb 
£abrian IV. am 11. September 1159. Slber jum S3rud)e 
fam e§ trotjbem. 3)enn bie üftefjrbeit ber Starbinale 
wählte jenen ßarbtnal Dtolanb aI3 Slle^anber III., nur 
eine 9JHnberf)eit €)ctat>ianu§ al§ iUftor IV., ber 
ßaifer aber ließ burdj eine 9ieid)3fmiobe in ^aoia am 
11. JJebruar 1160 SBiftor IV. anerfennen, unb Weyarn 
ber III. fprad) am 24.9Jiär$ ben93ann übertriebne!) au§. 

2öte feJ>r ftd) bie 3 c iten geroanbelt Ratten, jeigte 8giw tun« 
fretlid) bie SBirfungSloftgfeit be§ 93annftraf)l3 in £)eutfcf)= 1 ' 
lanb, xvo nur ©ber^arb oon Salzburg fldj für 9tf eranber 
erttärte, unb ber ftaifer tonnte, burdj beutfdje 3 u 8 ü 9 e 
oerftärft, ntdjt nur ba§ päpfilicfje ©ebiet befefcen, fon- 
bern im Qanuar 1162 jum jmeüenmale bie Belagerung 
von 2ftailanb beginnen unb am 1. 2ftärj bie Ubergabe 
auf ©nabe unb Ungnabe erzwingen. £)ie ©tabt mürbe 
jerftört, bie Bewohner in mer offnen länbUd)en„3rlecfen 
angeftebelt, unter einen beutfdjen ^ßobefta gefteöt unb 
jur Abgabe von jmei drittel tyrer SBobenerjeug- 
niffe »erpfli^tet. @8 mar trieUeidjt ein mit bar* 
barifdjer ©nergie unternommner Söerfud), bie ben 
3)eutfd)en unoerftänblic^e ftäbtifdje Kultur ber 8om= 
barbei an einem entfdjetbenben fünfte nieberju^ 
roerfen unb eine fdfjon mefentlid) l^anbel* unb geroerbe; 
treibenbe 93eoöfterung roieber auf bie Stufe ber au§* 
fdjliefjlidjen -ftaturalroirtfdjaft eine§ beutfcfyen ^ßfaljs 
gebiete jurücfjujmingen. $)od) eben bieS ftadjelte bie 
lombarbifdjen Stabte $um oeqroeifelten Söiberftanbe 



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16G $ie beutfä-Tomtfae flaiferjeit 



an; nic^t foraofjl aroet Nationen, al§ jroci Kulturen 
unb jmei politifdje ©gfteme ftanben im Kampfe, länb* 
Iid)'ariftofratifd)e Natural* unb ftäbttfdje ©elbrotrt* 
fdjaft, ©täbtefreifyeit unb 3flonard)ie. 
2er Sdjon 1 1 63 traten fünf © täbte aum SBeronef er 93unbe 
wSmS? ä u f ammen ' uno °* c Belagerung Veronas auf bem vierten 
l Td°c ^ ömer 3 u Ö c HW frud)tlo§. Srofcbem befyarrte bie von 
@tötie< SRatnalb geleitete beutfdje ftirdjenpolitif auf ber rücf* 
bm,b fid)t§lofen Setämpfung 2lleranber8 III. $>er gewaltige 
©rabifd^of fefcte nid)t nur nad) bem £obe SBiftorS IV., 
1164, bie fofortige 2öaf)l eines 9tad)folgerä, ^aföft* 
U3 III., burd), fonbern gewann für biefen aud) 
§etnrid) II. t>on (Snglanb unb beroog fogar auf bem 
9ietcf)§tage von Söüraburg im 9flai 1165 ben ^aifer 
roie fämtlidje anroefenbe dürften unb 93ifd)Öfe §u bem 
(Sibe, 9Ilejranber III. niemals anjuerfennen. 2lber balb 
barnad) jog biefer, ber in SBefteuropa allgemein aner* 
fannt mar, im Sftooember 1165 roieber in SRom ein, 
von Sizilien unb iBnjana unterftüftt, unb bnjantinifc^e 
Gruppen befet3ten 3lncona, um ben faiferfeinblid)en 
Sombarben einen 9iüdf)alt ju gewähren. Sftur eine 
grofte frtegerifcfye 9lnftrengung tonnte biefen 2Öiber- 
ftanb brechen, ©ie fd)ten anfangt )U gelingen; bie 
beiben ftrettbaren ©rabifdjöfe von ßöln unb aHaina, 
JHainalb t>on Gaffel unb ©fjxiftian von 93ud), fd)lugen 
am 29. 2flai 1167 ba§ Aufgebot ber Börner bei 
culum im 2Ubanergebirge, fjfriebrtd) felbft erftürmte 
am 29. 3uli bie Ceoftabt unb bie ^eterSfirdje, jagte 
9ller;anber III. nad) Seneoent unb fefcte SßafdjaltS III. 
ein. %a mürbe aüe§ (Srrungne mieber oernidjtet burd) 
eine urplöfclict) auftretenbe ftieberfeudje, bie ben fönfer 
ju fd)leunigem föüdauge trieb unb unterroegS faft fein 
gan$e§ geer t)inroegraffte, am 14. 5luguft aud) Rainald 
von Gaffel. 5)en 3 u f ammen ^ ruc ^ feiner italienifdjen 
Stellung ooöenbete ber 9lbfci)luf} be§ lombarbif djen 
GtäbtebunbeS, ben fcfjon am 8. ÜJMra 1167 sunäd)ft 



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2)ic aBettmadjtyoIttif beS ßatfertumS 



1G7 



©remona, Bergamo, *8re§cia unb 9ftantua gegen bie 
neue $8erfaffung ber fiombarbet eingingen unb rafd) 
über eine größere 2lnjaf)l von ©emeinben auSbefjnten ; 
$ugleid) fteUten fie 2Hailanb wteber f)er. ®eine§ #eereS 
beraubt unb faft von allen 9Upenpciffen abgeritten, 
fefjrte Orriebridt) im ftrübjafcr 1168 über ben Sflont 
(£eni£ nad) 3)eutfd)lanb jurücf. 

SBä^renb nun ber $aifer an ber SBefeftigung ?cuc 
feiner beutfdjen (Stellung weiter arbeitete, behüten bie iSm^'t 
Sombarben if)ren S3unb felbft über bie SRomagna unb 8 J^ tt0 
bie 9Jiarfen weiter au§ unb grünbeten gegen Söeften 
al§ neue§ SöoHwerf bie ©tabt $Heffanbrta, bie fte $u 
(Sfjren be§ Sßap fte£ alfo tauften. $)enn auf§ engfte 
waren jet3t beibe ©ereinigt, $umal ba auf ^ßafd)ali§ III. 
im ©eptember 1168 ein neuer ©egenpapft, (£alt£tu§ III., 
gefolgt war. $urd) ba§ alles war eine frieblidje 
Söfung, wie fte jefct bie 9Jtef)r$a^l ber beutf djen 
$8tfd)öfe wünfd)te, auf§ äu&erfte erfdjwert. $)a fie 
nur burd) eine milttärif<f)e Sftieberwerfung ber Som* 
barben möglid) fdnen, bie ifyren 33 unb mit bem Zapfte 
5IIeyanber III. fprengte, fo Ieifteten bie beutfd)en 
S8ifd)öfe a« einer foldjen bereitwillig §tlfe. ©djon 
im 3at)re 1171 ersten &f)rifttan oon ättatna al§ 
faiferlid)er ©enerallegat in Stalten, gewann ©enua 
unb SBenebig, £u8cten unb bie föomagna; nur nor 
3Incona fdjeiterte er 1173. S)rauf überftieg 3*riebri<^ 
im £erbft 1174 ben 9Jlont 6eni§ mit 8000 beutf d>en 
Wittern, natym ©ufa unb belagerte 2Heffanbria ben 
ganzen Sinter burd). $)urd) ben Slnmarfd) eineS 
lombarbifdjen (SrfatjfyeereS jum 2lb$uge gezwungen, 
fcf)Io& er inbe§ $u SttontebeHo am 17. 9lpril 1175 
einen Söorfrieben, ber ben fiombarben bie £>erftellung 
be§ 3"fton&8 unter £einrid) V. gewährte. $a e§ je* 
bod) nid)t gelang, bie $8eiftimmung aller 93 unbegabte 
ju erreichen, fo entbot ber föüfer feine beutfd)en Wa- 
fallen jum @ntfd)eibung§fampfe. $afj il)m ©einriß 



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168 ® ic beutf#»römifäc ßaiforjeit 

ber £öroe im legten 91ugenblicfe, fogar bei einer per* 
fönlicfjcn 3ufammenfunft in ^ßartenfirchen ober ©hiß 5 
»enna (SKärj 1176), ben 3u$ug t>ertt>eigerte, braute ben 
ßatfer nod) tjor^er in STlad^teil. SERit gan$ un$uretct)enben 
Gräften roagte er trofcbem, auf feine unbewegte beutfdje 
OWterfchaft unbebingt oertrauenb, am 29. Slftat 1176 
bei Segnano an ber Strafe von ©omo nach aJtaüanb 
bie ©df)lacf)t unb uerror fie nach blutigem ^Hingen voü- 
ftänbig; er fetbft enttarn aernmnbet mit 3Kü(je nach 
^avia. 

*frf!füffc 8s ^ um cr f* enmöIc wax b* c °cutfc^e SRitterfchaft im 
Don ^cttc= freien 3^lbe ben 2Jlili$en ber Iombarbtfchen <§täbte 
MtSiftoitj wiegen. SDet (Sinbrutf mar foerfchütternb, baß gftiebrid) 
an ber gemaltfamen Stteberroerfung ber öombarben 
t>erjtt>etfelte unb unter Vermittlung ber beutfehen 
»ifdjöfe ben ^rieben fitste. $aß e§ ihm babei 
fchlie&lid) gelang, bie Sache be§ ^ßapfteS von ber lom* 
barbifcfjen ju trennen, war ein glän^enber biploma* 
tifd)er ©rfolg, ber bie nulitärifdje 9Heberlage faft auf- 
roog» @o rourbe in Slnroefenheit beiber Oberhäupter 
ber triebe gmifrf)en ßatfer unb $apft am 1. Sluguft 
1177 in Söenebig feierlich oerfünbigt. griebridj nmrbe 
vom Banne gelöft, anbrerfeitS 5Uejanber al§ Sßapft 
anerfannt. S)ie Beziehungen $u ben Bifdjöfen blieben 
auf bem Boben be§ SSormfer 8onforbat§ beftehen, 
unb faft alle ber roährenb be§ ßirdjenftreUS ©om ftaifer 
eingefefcten Btfcf>öfe bereiten ihre SBürbe. 9ücht ber 
ßaifer mar alfo ber Beftegte in btefem Sieben, benn 
er hatte, inbem er in ber ^erfonenfrage nachgab, in 
ber Sache, in ber Behauptung ber Berbtnbung jroifchen 
ftrone unb ßircfje gefiegt unb ben ßombarben nur 
einen fed)3jä£)rigen 2öaffenfti0ftanb gemährt, ber nichts 
aufgab. 2iuf bie Bebingungen be3 enbgiltigen ^riebenS 
in föntftanj am 25. Sunt 1183 fyat bann ber ftaH 
©cinrid)§ be§ Dörnen 1181 entfdjeibenb eingemirft. 2)er 
®aifer gewährte ben lombarbifchen Stäbten bie föega* 



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2)ie SBeltmad&tpolitit be3 ÄcufertumS 



169 



lien innerhalb be§ 9Jiauerringe§ unbebingt, in ber 
©tabtflur nur nact) bem 31t erroeifenben gegenwärtigen 
©tanbe ober gegen eine jäf)rlid)e 3af)lung von 2000 
^ßfunb ©über, ba$u bie niebre ©erid)t§barfeit unb bie 
freie 2Bat)l ber ftonfuln, bie er nur ju betätigen fyatte, 
alfo bie <Se(bftänbigfeit ber innern SBerroaliung, behielt 
fid) aber ba§gobrum($eere3r>erpflegung) bei allen feinen 
üalienifcf)en ßriegSjügen unb ben Sreueib ber gefamten 
männlichen SBeoölferung cor. dagegen blieb ba3 Sanb* 
gebiet (bte„©raffcf)aft") jeber ©tabtbem $aifer unmittel? 
bar unterworfen unb unter ber SBerroaltung weltlicher 
faiferltdjer Beamten. 5)er faiferlicfje ©enerallegat, ein 
beutfdjer $8tfd)of ober $etd)§mintftertal, ftanb an ber 
©pifce, ein „§of gerieft", au§ ttalieniftfjen ßaienrtdjtern 
unter 93orfi£ eines „§ofrid)ter0" (viearius) gebilbet, ent- 
fcfjieb in f)öd)fter Snftanj. $>eutfcf)e93urgen mit beutfdjen 
S3efa^ungen befjerrfdjten ade mistigen 93erbtnbungen. 
@§ mar ein 9lu§gleic§ jmifd^en ber lcmbltcf)*ariftofra« 
tifcfyen beutfdjen unb ber ftäbtif d) • italienif d&en $er* 
faffung, ber bem ßaifertum bie §errfd)aft über bie 
Sombarbei beffer fidjerte al§ jemals r»or^er. $)a ber 
ßaifer felbft t?om Zapfte sugleid) bie 2ttatf)ilbifd)en 
©üter auf fünfjefjn Satyre al3 Seijen erhielt unb fid) 
00m alten Söelf, bem Dfyeim ©einrid)3 be§ ßöroen, 
nod) ©poleto unb bie 2Harf SIncona abtreten liefe, fo 
beljerrfdjte er aud) SJlitteXitatien faum weniger al§ 
©c^maben. 

tiefer fübbeutftf) * itaUenifdjen 2Tiad)tbilbung ber ^ 
§of)enftaufen ftanb ein Sftenfcfyenalter fyinburd) bie norb* feindet)* 
beutfdje ber SÖelfen mtnbeftenS gletd) ftarf , faft unab* 2ö b ^ n 
gängig unb unberührt t)om ©influffe be§ ®aifertum§ 
gegenüber. Qum erftenmale in ber beutfdjen ©efdjid)te 
trat ein fdjarfer S)uali3mu8 jmifc^en bem Horben unb 
bem ©üben t)eroor, r»or allem in ben Qietm ber ^ßolitif. 
2Ba§ fein ©rof?uater £otf)ar angebahnt, ba§ fjatte 
©einriß ber ßöroe mit ganzer Energie unb glänjenbem 



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170 



$ie beutffyTömifäe ßaiferaeit 



(Erfolge burdjgefefct, nach au&en nne nach innen. 3" 
einer SHetbe von genügen unterwarf er, geftü^t auf 
ein engeg (Einvernehmen mit SBalbemar I. von Däne* 
marl, ber bie Söehrfraft feinet SBolfeg neugeorbnet 
hatte, 1160 big 1166 bag gan je Ob otritenlanb big jur 
Sßeene, beließ ben ^aajfommen beg dürften üftiflot nur 
bie öftliche §älfte beg Sanbeg mit ber §auptftabt 
9Jcecflenburg (b. i. bie grofce $8urg) bei Söigmar unter 
feiner Dberherrlichfeit, gab bagegen ben ganzen Söeften 
an bie beutfehen ©rafen von ©d)tverin, föafceburg unb 
Dannenberg, föraft beg ihm 1153 verliehenen Snoeftt* 
turrechtg organifierte §einrid) auch bie beutfehe ^ird^c 
im eroberten ©latventanbe, fefcte Söicelin alg Söifd^of 
nac^ Olbenburg, ©mmenbarb nach üttecflenburg, SSerno 
nach ©chivertn unb verpflichtete bie ©tarnen jum 
„»ifchofgjtng," einer feften Abgabe ftatt beg (beutfehen) 
3ehnten. SBetter im Ofien eroberten bie Dänen im ©om* 
mer 1168 bag meerumfpülte SIrfona, bie Sempelfefte beg 
tveitverehrten haften ©otteg ber baltifchen ©laiven, 
©mantemit, in beffen Dienfte fie weit unb breit ihre 
fchneden SRaubflotteu gegen bie chriftlichen Hölter um 
bie Oftfee fanbten, brachten bamit föügen unb bag 
gegenüberliegenbe freftlanb unter ihre Roheit, mußten 
aber bie £>älfte beg £ributg Heinrich bem Söiven über* 
laffen. ©chon griff bie gemaltige $anb beg §erjogg 
fogar über bie Ober: im ^afpre 1170 trat ©ogiflam 
von ©tettin unb Bommern alg $erjog von Bommern 
in ben beutfehen SHeichgverbanb ein, tvährenb *>ag öft= 
liehe Bommern (^ommereßen) mit ber §auptftabt 
Dan$ig ftch an s $olen anfehfofj unb bamit vom alten 
©tammlanbe fchieb. 
? wA Sf ©efcheibner tvaren im ©innenlanbe bie (Erfolge 
l$4en Sltbrechtg beg 93ären, ber fleh, feitbem er bie §aupt= 
ftabt beg §avellanbeg befefct hatte, nach ihr BJcarfgraf 
von Söranbenburg nannte. Um fich &u fichern, vertrieb 
er nach einer let3ten (Erhebung 1157 ö * e SBenben au§ 



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3>te 2ßeamad)tpotitif be8 ÄaifertumS 



171 



ber @tabt unb befeftigte bie Oftgrenje burd) eine SHcifje 
von SBurgen (Dremmen, ©panbau, *ßotgbam u. a. m.) 
an ber $aoel unb STCuthe. Sein @ohn Otto 1. (1170—84) 
fd)ob bic ©ren$e norbmclrtS nad) bem 9l^in twr. 
Unb frf)on öffneten fidf) weitere 2lu§fid)ten im Tinnens 
lanbe be§ fernen Ofteng. $enn fdfjon 1163 fefcte ber 
ftaifer burdt), baf? ben Söhnen be§ polnifchen Seil* 
f)er$og§ Sölabiflaw IL, ber t>or feinem ältefien SBruber 
Söoleflaro IV. nad) $eutfchlanb geflüchtet war unb fid) 
hier 1154 mit ^riftine, 2IIbredjt3 be3 «ären Zoster, 
»ermäf)lt hatte, Schlefien überlaffen würbe. 5)amit war 
ber Anfang jur Trennung be3 alten $8anbalenlanbe3 
uon ^k>len, ju feinem $lnfcf)luf? an 2)eutfchlanb gemacht. 

Sollten nun bie beutfdjen Eroberer ba§ fpeer- ^ l ^ i uc 
gewonnene Öanb für fi$ felbft recht nufcbar machen, fation 
fo tonnten fte fid) nicht mit ben Tributen ber unter- 
worfnen (Slawen begnügen, bie gruppenweife über ba§ 
fianb $erftreut nur ben leidsten ©oben be§ offnen 
Canbe§ mit tfjrem ^afenpfluge obcrfIädt)lidt) bearbeiteten ; 
fte mußten beutfdje Sauern anfefcen, um ben 2öalb $u 
roben, bie 93rüd£)c ju entfumpfen unb ihrem tief* 
greif enben beutfehen 9iäberpflug aud)ben ferneren 33 oben 
$u unterwerfen. So bahnte ein fmanjwirtfchaftltcheS 
93ebürfni§ bie folgenreiche ©rofstfjat be§ beutfehen 
9JUttelalter3 an, bie Sefieblung be§ SftorboftenS, bie 
©ermanifterung be§ Slawenlanbe§, bie gewaltigfte unb 
bauertjaftefte Erweiterung beutfehen 9?attonalgebiet§ 
feit bem (Snbe ber SBölfermanberung. ®enn eine im* 
erfchöpfltche S8olf§fraft ftrömte au§ bem 9Jlutterlanbe 
nad) bem Often. 9Hdf)t eigentlich bie SRot trieb biefe 
5lnfiebler aul ben fränfif djen unb frieftfehen 9Heber- 
lanben, au§ SBeftfalen, Düringen unb granfen fort, 
fonbern ba§ fraftoolle Streben nad) größerer fataler, 
rechtlicher, wirtfchaftlid)er fjrci^cit, nad) ßöfung com 
3rlur$ wange ber alten ©ewannbörfer, nach Unabhängig! eit 
oom £ofrecf)t, nach 2lu3behnung be§ SBefi&eS. $a§ 



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172 



®ie beutfcfcrömifdje Äaiferaeit 



aHe§ fanben ftc im Dften. Stenn ein fefter Vertrag, 
ben ein Unternehmer (locator) ober eine ftommiffton 
in Vertretung einer gefchloffenen ©ruppe von 3lu§- 
wanberern mit bem ©runbherrn fchloß, regelte ihre 
Verhältniffe. ®ie erhielten bie gufammenhängenben 
großen fränftfehen ßönig^ ober bie flämifchen äftoor* 
hufen ber abgefteeften £)orff!ur gegen einen (Srb$in§ 
an ben ©runbherrn unb ben^^nten an bießirdje, waren 
freie, friegSbienftpflic^tige fieute unb ftanben in ge- 
ringeren fräßen SRtdjt oor ihrem (Srbfdjuljen (bem 
locator), auf beffen $)oppelgute (©rblehngertcht) bie 
©anbhabung biefer SKed)tfprecf)ung unb ber ^olijei, 
wie bie ©chanf* unb frletfchereigerechtigteit lag. $ie 
Slnfiebler nahmen balb unbebautes Söilblanb ober 
altflamifcheS ©emeinbelanb (obschtschina), balb eine 
flanrifche $)orfflur, gan$ ober teilroeife, nad) 3Iu3* 
roeifung ber «Slawen in Vefttj, beren tarnen fie bann bei= 
behielten, wdfjrenb eine ©rünbung auf neuem Söoben 
nach bem Unternehmer benannt mürbe. 3^re§öfe bauten 
fie in langer offner SReilje ju beiben ©eiten ber ©traße, 
am Vach ober am 2Jioor hin unb maßen jebem bie §ufe 
8U, bie ftch oom £>ofe au§ etwa redjtwinflig $ur (Straße 
al§ ein langer fchmaler Sanbftreifen oon 32 bi§ 50 ha 
nach ber frlurgrenje hin erftreefte. So mürbe ber Sftorb* 
often im wefentlichen eine Kolonie freier Vauem, im 
©egenfafc jum Süboften, too bie görigen unb ßeib- 
eignen großer ©runbljerren überwogen, frürften, 
Vifchöfe, Softer, oor allem bie ^ßrämonftratenfer, feit 
1170 befonberS bie ©ifteretenfer, VafaUen unb fERinifte^ 
rialen riefen metteifernb biefe Einlagen in§ ßeben. 

ftolftelit, ®en Anfang machte im Dftfeelanbe ©raf 2lbolf II. 

"SSST von © oI f tei « 1143 im oeröbeten buchengrünen (See? 

Bommern U nb £ügellanbe Söagrien mit Söeftfalen, §oHänbern 
unb ^riefen; inbem er bamalS ba§ altflamifche Sübecf 
al§ beutfehe Stabt mieber aufbaute, öffnete er bem 
beutfehen ©anbei ben ßugang Oftfee. 2113 ©ein? 



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2>ic $ü3eltmad)tpolitit be8 ftaifertums 173 



ri* ber Söroe bem ©rafen 1158 bie ©tabt abnötigte, 
übertrug er jroar feinem SBogt ©erid)t§pflege, $oU unb 
Sflünae, gewährte i&r aber aud) einen freigeroäfjlten 
©tabtrat von 24 „ßonfuln" für ^ßolijei unb Söerroaltung, 
ba§ roeftfältfcfye ^rioatr ed)t von ©oeft unb eine grofje 
©tabtflur, t>erf Raffte il>r freien SBerfe^r mit ben nor* 
bifdjen SReidjen unb Otufjlanb unb machte fic 1163 jutn 
©tfee be§ S3i3tum§ Ottenburg. 3n ber ©raffdjaft 
Dtafceburg roaren fcfyon 1230 oon 125 Orten nur nod) 
4 flarotfcfy, um ©d)roerin roar bie ^olonifation fd)on 
1191 frricfjroeife ooflenbet, ba§ ganje Sanb aber arotferjen 
ber ©iber unb bem ©d)roeriner ©ee be§eid)net ber 
roadre Pfarrer §elmolb von S3ofau bereite um 1171 
al3 eine „einige fäcfyftfdje Kolonie," — $n ben unter 
flaroifdjen Herren oerbtiebnen ßüftenldnbern fnüpfte fldt> 
bie erfte 93efteblung unb SBerbeutfdjung an bie beutfd)en 
$löfter, bie, vom ßanbe§l)errn mit auSgebefjntem SÖilb* 
lanbe begabt, burd) Slnfefcung beutfdjer dauern aunädjft 
Heine beutfd)e (Miauen fdjufen, fo im Obotritenlanbe 
$obberan (1170) unb $argun (1172), auf SHügen bergen 
(1193), in Bommern ©rabe auf Ufebom (1150) unb 
SBroba bei ©targarb (1180), öftlidj r»on ber Ober 
Sautert^al bei ßolbaj (1175) unb Olioa bei $an$ig. 

gn Söranbenburg, roo bem 9Jtarfgrafen all ©teil* stanten* 
Vertreter be§ ßönigS trolle ©eroalt unb ba§ Ober* burfl 
eigentum an allem ©runb unb SBoben pftanb, 
roetteiferten in ber SBefieblung bie $13! anter, bie 
S8i§tümer Sftagbeburg, ©aoelberg, Söranbenburg unb 
ba§ um 1133 neu begrünbete ßebu§, enblidf) bie 
Älöfter. 3llbredjt ber S3är befiebelte ba§ 2Karfd)< 
unb S8rud)lanb um ©aljroebel unb gab ben gröf?ern 
Ortfdjaften ber Slltmarf roie ber Wlaxt Söranbenburg 
bereite ©tabtredjt; ©r$bifd)of Std&mann fiebelte um 
fein ^Prämonftratenferftift Qertdfjoro unb um Jüterbog 
befonberS ftlamänber an (baljer ber STCame beS Fläming); 
Älofter 3inna (1171) begann bie Arbeit im S8rudE)lanbe 



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174 3)ic beutfä=römtf<$e Äaifcracit 



bcr Sftuthe, fdjon jenfeitS ber ©aoel Sehnin, bie Stiftung 
DttoS L 1180, baS Erbbegräbnis ber SISfamer, bie 
auch nach ihren ©rblanben fjlaminge beriefen, nament- 
lief) in bie ©egenb oon Seffern. 3" ber 3 wehe folo* 
nifierten befonberS bie $8af allen. $)ie ©lamen würben 
oerbrängt MS auf wenige IHefte , bie nur in bürftigen 
fjif^erbörfern (ftiefcen) ohne ftelbmarf eine geit lang 
noch ihre 9lrt bewahrten, unb SBranbenburg würbe ein 
faft ganz beutfcheS Sanb, mit beinahe burchauS nieber- 
beutfehen Überlieferungen fogar in feinem Sagenfdjafc 
aufser im Geltow. 
mühen 9lnberS im ©ebiet ber Söetttner, im Sfteifjnerlanbe 
ßaiijjf unb in ber Saufifc, roo ber ßampf mit ben ©laroen weni- 
ger hartnäefig gewefen, bie beutfehe £errfchaft feit bem 
Zehnten Qahrhunbert niemals auf bie 2)auer untere 
brocken worben mar. $)aher behauptete ftd) bie flawifcbe 
Söeoölferung noch überall im glacfjlanbe, weftlicf) oon ber 
SUlulbe big in§ oierzehnte, um SKeifjen big inS fünfzehnte 
3af)rhunbert, in ber Saufifc bis tyutt. SKeinbeutfch 
würbe junädjft nur bie Umgebung ber früh mit beut- 
fdjem ©tabtrecht bewibmeten gröfjem ^ßlä^e, oon benen 
bie beutfehe ©ieblung beim wenbifchen fjriföerborfe 
SipZt (Seipaig) am ÄreujungSpunfte ber oftweftltcfjen 
unb ber norbfüblichen «Strafe oon Otto bem deichen 
(1156—90) magbeburgtfcheS Siecht unb eine auSgebefmte 
©tabtflur erhielt, unb ebenfo ganz beutfetj baS oon ben 
Slawen wenig befefcte ©ebirgSlanb, befonberS feitbem 
bie Slufpnbung reicher ©ilberabern im „Erzgebirge" 
auf bem 93oben beS 1162 geftifteten ßlofterS «Hltenzelle 
bei hoffen um 1168 jenen Otto zur Segrünbung oon 
ftreiberg unter einem $8ogte mit 24 ftäbtifchen ©e* 
fchwornen oeranlafjt f)attt. Snbem nun nieberfädjfifche 
Bergleute unb thüringifche dauern in bieten ©ct)aren 
einwanberten , erwuchs fjreiberg rafcb, jur größten 
ftäbtifchen Slnfieblung beS 9fteifmerlanbeS, unb baS 
Erzgebirge bebeefte ftch mit langgeftreeften beutfehen 



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2>ie SEÖeltmad&tpotitif bcS ÄQtfertum« 



175 



föetyenbörfern in ßönig§f)ufen. ©o entroicfelte ftd) 
t)ier im alten ©orbenlanbe rafäer als irgenbroo 
fonft auf kolonialem 53 oben ein gelbmirtfdjaftlicfjs 
inbuftrielleS ßeben. Über bie @lbe brang big etroa 
1200 bie beutfdje Äolonifatton nur in einzelnen 
Slnfäfcen. gn ber Sauft**, mürbe ba§ &tftercienferfttft 
$obrilug it)r erfter SHittetpunft (1165), in Sc^lefien 
feit 1163 Seubug an ber mittrern Cber burdj 93oleflaro h ' 
ben Sangen, einen ber ®d)üttfinge Staifer 3rriebrid)§. 
Um 1200 flofj bie G£Ibe, ber alte ©renjftrom gegen bie 
©lamen, nörblid) oom ©ebirg burd) beutfdjeS Sanb, 
unb 2Hagbeburg, ber ftrd)üc$e unb roirtfd)aftltd)e 
2Jcittelpunft eines weiten SänbergebietS, erhielt 1188 
ein für ben ganzen Dften t>orbüblid)e3 ®tabtred)t. 

$)a§ politifdö ©ntfdjetbenbe für bie 3ufunft 2)eutfd)* awa*t ; 
lanb§ lag bar in, bafj biefe ganje reiche (Sntnricflung JallS 
ftd) oljne ba§ ftaifertum, burd)au§ unter ber Leitung i#j j£* n 
ber weltlichen unb geiftlid)en dürften DoHjog. ©ie 
oerftärfte aud) bie Stellung §einricf)§ be§ Sömen im 
fädjftfdjen 2Jcutterlanbe. §errifcf) brachte er bie meiften 
oftfädjfifcfyen ©raffdjaften, bie md)t bei ttym, fonbern 
.bireft beim ®önig %w fielen gingen, burd) ®auf an ftd), 
naf)m bem ©rafen Slbolf von $olftein Sübecf, fud)te 
bie roeltüdje 2Kadt)t be§ ®raftift§ Bremen ein* 
jufcrjränfen unb wehrte il)m allen ©influfj auf 
feine flaroifd)en 93i3tümer. ©ine bewaffnete @r* 
Hebung ber geifttidjen unb weltlichen ©rof?en Oft* 
fadjfenS unb ber Sparten 1166/68 überwältigte er 
mit be§ ftaiferä £jilfe, er ftdjerte ftd) burdt) feine S3er* 
m&fyhmg mit aflatbübe von (Sngtanb, einer $o$ter 
ftönig £>einrid)§ II., 1168 einen ftarfen SRüdtyalt unb 
errichtete ftd) in 33raunfd)weig bie ftolje Sßfalj %anh 
nmrberobe mit bem ehernen Söroen baoor. @r mar 
in ber £t)at ber ungefrönte ßönig von IWorbbeutfd) 5 
lanb, bie SRetdtjSgeroalt mar in ®ad)fen cerfdjwunben. 
3fn Magern, xoo bie Immunitäten ber 93ifd)öfe unb 



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176 



S)ic bciitfg'töiniftyc Äaifcractt 



bic ©rafen unter ber ©erichtSbarfeit be§ §er$og§ 
ftanben, gelten ihm bodj bie Sßfalagrafen oon Sittels 
bad) unb bie mächtigen ©rafen oon $lnbech3 unb £trol 
(bei afleran) einigermaßen ba§ ©egengetoicht; boch 
nahm er auch ^ier h^rifch feine gntereffen toahr unb 
begrünbete Sftünchen an ber neuen Qfarbrücfe $um 
©cfjaben ber fretfingif djen SBrücfe bei fröhring, bie 
fd)lte&lid) 1158 tf>re einträglichen 3ollrechte an biefer 
alten ©aljftrafje au3 bem Dften oerlor. 
stua 5luf bem Verhältnis ber SBelfen unb §ohenftaufen, 
bcTsöwcit auf bem frteblichen 3)uali§mu3 ber beiben äftachtbil* 
bungen, bie jebe it)re befonbre Aufgabe felbftänbig 
löften, beruhe ba§ SRcic^. £)ieS überaus fünftltche 
Verhältnis erhielt ben erften ©toß, als Heinrich, oer* 
mutlich nur, tt>eil er feine eignen ^ntereffen höhet fteüte, 
bem^aifer 1176 bie bis bahin ftetS geleiftete £eereSfolge 
in Italien oermeigerte. £)od) h^tte biefer baS gute ©in* 
vernehmen offenbar gern nrieberhergefteHt, hätten nicht 
nach feiner $eimfehr 1178 bie fädjfifchen fjeinbe beS 
$er$ogS, cor allem bie SBifchöfe oon §alberjtabt, 
fünfter unb ßöln, bie fchon feit 1177 mit biefem in 
Q-ehbe lagen, ihn mit klagen toegen SanbfriebenSbruchS 
überfchüttet, fchliefjlid) ©einrid) fogar beS £>od)oerratS 
berichtigt. $>a nun Heinrich an oier ihm gefegten 
Terminen nicht erfchien unb gütliche SluSgletchoerhanb* 
lungen mißlangen, fo mürbe er nach bem ©pruche 
eine§ gürftengerichtS in 2öür$burg am 18. 3anuar 1180 
geächtet unb am 13. 2Iprtl in ©elnbaufen feine 
9letchSleben vom ®aifer oerteilt. 3n ©adrfen erhielt 
ber ©rjbifchof WKPP *>on ßöln baS §erjogtum Söeft* 
falen, 93ernharb oon Inhalt baS gerjogtum ©achfen, 
bie Vifchöfe nahmen ihre Set)nSgüter jurücf. 3n 
Magern mürben ©teiermarf als felbftänbtgeS £erjog= 
tum unter ben Dttolaren oon ©teier an ber £raun loS* 
getrennt, ßrain unb Qftrien mit ben auSgebehnten 93e* 
fifcungen unb SietchSlehen ber $lnbechfer in $irol oerbun^ 



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Sie 2ßettmad)H)0litir bc§ flatfertumö 



177 



ben, bie bifd)öfüd)cn fielen bcm £>er$ogtum entzogen. $)en 
SReft beg Lanbe§ erhielt alg £>er$ogtum ^Bauern bcr 
treue ^falsgiraf Otto oon Söittelgbacf). Sfloch fefcte fich 
Heinrich in ©achfen grimmig unb erfolgreich gur 
2Bef)r; aber alg ber ftaifer im 3uli 1180 bie 9^cic^§- 
heerfahrt gegen ihn gebot, griff ber 5lbfaH unter ben 
$af allen rafd) um fidt), unb alg f5ricbricr> felbft im 
©ommer 1181 mit fübbeutfdjen Gruppen gegen ihn 
oorging, gab ber £er$og ben ßampf auf unb ging nach 
©tabe. Sflur Cübecf hielt ihm bie Sreue, big eg 
mit feiner 3uftimmung bem förifer ergab, ber nun bie 
©tabt an bag Dieter) jurücfnahm. ©nbltch im Sftooem* 
ber 1181 unterwarf ftd) ihm Heinrich in (Srfurt. 3 roar 
erhielt er bie reichen ©rbgüter feinet §aufeg mit 
SBraunfcrjtoeig unb Lüneburg jurücf, aber er rourbe nach 
(£nglanb oerbannt, unb bie 9flacht feinet §aufe§ mar 
für immer zertrümmert. 

Söorübergehenb mar bie eine SBirtung biefer ßata* "c» c 
ftrophe, bie Unterwerfung ber ^Sommern* unb Obo* jtaitfc 
tritenfürften unter bie bänifche Oberhoheit 1186, bauernb 
bie folgen für bie 9teid)3oerfaffung. 3Ifle ©tammeg* 
herjogtümer, mit Slugnahme ©chroabeng unb beg 
fct) wachen (Ober*) Lothringen, waren jetjt in mittel* 
grofce weltliche gürftentümer unb geifttiche $errfcrjaften 
aufgelöft, beren Inhaber bie 9lmtggemalt noch im 
tarnen beg ftaiferg, aber alg 3ubehör ifjreg Sehng* 
unb (Sigenbeftfceg augübten unb mit bem SKeichgober* 
haupt nicht mehr ftaatgrechtlich burch bag 9lmt, fon- 
bem nur noch perfönlicr) burch bit SBelehnung 511= 
fammenhingen. S)ag Dieicf) roar alfo in eine gro&e 
fiehnggenoffenfchaft oerroanbelt. $8on biefen ©rofjen 
aber empfingen jefct bie SBelehnung vom ßaifer un- 
mittelbar nur noch bie $er$öge (dauern, ©chwaben, 
©achfen, Lothringen, Trabant, b. i. Üftieberlothringen, 
Kärnten, Böhmen, Öfterreich, ©teier), bie ^ßfaljgrafen 
oon ©achfen unb JJranfen (bei Ot^cin)^ bie Sflarlgrafen 

$cr aüerbfflanö beä beittfd)en UJolfcS I 12 



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178 



$te beutfd)'römifcf)e flaiferjeit 



von SBranbenburg, 9Jieifjen unb ber Öaufitj, bie ©rafen 
von Thüringen unb Slnhalt, im ganjen fechjehn, unb 
neben ihnen fämtliche „^ßfaffenfürften," eine bei roeitem 
größere 3ahl. 2lu§ ber 9flaffe ber großen beamteten 
ßehnSträger t)atte ftd) alfo eine fürftlidje Oligarchie 
erhoben, unb in biefer überwogen weitaus bie geift* 
liefen ftürften. Sie galten jetjt roteber faft roie ju 
Otto3 be§ ©rofcen 3*iten al§ bie „«Säulen be3 9*eid)3." 

»nfäfee #1 $a afle biefe dürften, ©tfchöfe unb ©rafen nicht 
neuen mehr auSführenbe Organe be§ 8önig§ unb einer §zn* 

Ä wammfl trafoerroaltimg, fonbern Herren $u eignem Diente 
maren, alfo fid) jroifchen bie Slrone unb bie 2ftaffe 
be§ SBolfS gehoben Ratten, ba ferner auch bie fird)= 
liehe ®err»itienpflid)t ber Ottomfchen 9teich§t>erfaffung 
in ben ©türmen be£ 3nDeftiturftrcit§ untergegangen 
mar, fo nerfud)te ftriebrich I. ©rfafc $u fchaffen burch 
eine neue Organifation be§ ftaufifdjen $>au3gut§ unb 
ber immer noch fet)r bebeutenben, befonberS längS be§ 
W$z\n%, in Oftfadjfen unb Düringen, an ber obem 
©aale unb Alfter auSgebehnten ftrongüter. @r fdr)ü^te 
fte burch zahlreiche SBurgen unb prächtige ^fal$en 
($rifel§, Hagenau, ©einkaufen), befonberä in ber ober* 
rheinifchen Stiefebene, unb »ertraute ihre $ermaltung 
einer zahlreichen, belehnten Sftimfterialenfchaf t an. ^freilich 
mürbe baburd) eine mirfUcr)e 9tekh§oermaltung umfo 
meniger Ijergeftetlt, al3 biefe 9Einifterialen fehr un= 
gleichmäßig über ba§ Dteid) oerteilt maren, unb auet) 
ir)re Sehen unb Slmter balb erblict) mürben, eine feftc 
§auptftabt aber noch immer unmöglich mar. 9hir 
ber Übergang oon ber Natural« jur ©elbtmrtfchaft, 
bie eine SBefolbung an bie ©teile ber $8elef)nung mit 
Sanb fetjte, r)ätte bie 2lu§bilbung eine§ mirflicr)en f8& 
amtentumS ermöglicht. Solche ©tnfünfte lieferten ab er faft 
nur bie ftäbtifdjen dürfte unb 3oHftätten, namentlich 
am Sltyin, unb mittelbar, menn auch ohne benm&ten 
Sßlan, hat griebrich biefe Ghttroitflung begünftigt, inbem 



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3>te 2BeUma<$tpoIitif be8 JtaifertumS 



179 



er bie roirtfdjaftlidje fjrci^cit ber (fömgltchen) ^ßfalj* 
ftäbte (Slawen, EuiSburg, Utrecht, ©oSlar, Dürnberg) 
unb ber 93ifdE)of§ftäbte (SlugSburg, Samberg, <Regen§burg, 
©peier, Vremen u. f. f.) burd) Bollbefreiungen unb @r= 
leicrjterung ihrer h°f rechtlichen Verpflichtungen be* 
förberte, roährenb er eine Ghtroeiterung politifcher Un* 
abhängigfett nur für Sübecf 1188 gewährte. 

tiefer Umgeftaltung ber Verfaffung entfprach bie £>eenucicn 
neue Drbnung be§ SHetchSheerroefenS, bie nur noch 
lehnte umfd)Iof$, alfo dauern unb Bürger auSfchlofe. 
$en erften „£eerfcf)ilb" führte ber ßönig, ben aweiten 
bilbeten bie grojjen geiftlicrjen unb weltlichen Vafallen, 
ben brüten bie mittelbaren freien Vaf allen, ben eierten 
(feit ber 2JUtte be§ jwölften SahrhunbertS) bie 2Jlinifte^ 
rialen, $u benen in ©übbeutfct)lanb noch al§ fünfter 
bie unfreien bitter famen. 

60 fcharf fict) biefe Gelehnten oon bem übrigen mm*m 
Volte fonberten, fo eng fchloffen fie ftd) trot> be§ SHang* ^ llm 
unter fchiebeS an einanber in ben gemeinfamen 2ht* Äi b t c t ]; 
fchauungen unb Vräuchen ber Sttttterfdjaft. 3n Woxfc fdjaft 
franfreich auf bem ©runbe fa$3 germanifchen Sreube* 
grifft unb romanifcher Reinheit erwadtfen auS einer Ver* 
binbung be§ zeitlichen unb firchlichen 3beal§, ergriff 
biefe neue Vilbung im Verlaufe ber erften ßreujjüge 
ba§ ganje 9lbenblanb unb oerwanbelte bie belehnten 
Ärteger aller Völler unb 3 un 9 en * n e * ne gto^e ein- 
heitliche ©enoffenfehaft, ohne SRücfftcht auf bie Slbfunft. 
$)enn nicht biefe machte ben bitter, fonbern bie mili- 
tärifch'höpfd)e (£r$iehung am £>ofe be§ 8ehn§h**™ 
burch bie Stufen be§ ©belfnaben (junfherrelin, garpn, 
Sßage) unb knappen (armiger, scutifer) hwburch 
jur feierlichen ©wertleite (föttterfchlag) im ^roanjigften 
ober einunbjmangigften SebenSjahre, ber altgermanifchen 
Saffnung. ©inen breifachen Eienft nahm ber bitter 
auf ftd), ©otteSbienft, gerrenbtenft, grauenbienft, eine 
ftrd)ltche, ftaatliche, gefeUfchaftliche Pflicht, unb er 

12* 



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180 



$ic beutf($'röimfcf)e £aifer$ett 



folltc fic üben mit staete ((£f)arafterfeftigfeit) unb niäze 

l93efonnenheit) in hövescheit (courteoisie), mit fct)arfer 

Zügelung be§ unfteten, letbenfehaftlichen ©inne§ mittel* 

alterlicher 2Henfchen, roie fie bisher nur bie ßirche tonnte. 

S5er „$)ienft" für eine „§errin" (frouwe, damo, domina), 

ftetS bie grau eine§ anbern, Ijatte ftttlicr) unftreitig 

fein ebebentttcfye (Seite, aber er geroöfmte auch an ©elbftbe* 

herrfdjung unb Eingebung, er hob mächtig bie ©eltung 

be§ 2öeibe§ unb löfte ben ©hm non ben ftarren Ueffeln 

ber überlieferten <£ptf jur perfönlichen, lurifchen (Sm* 

pfinbung. $)te anbern Pflichten erforberten bie forg* 

fältigfte mititärifche s ilu§bilbung jebe§ einzelnen Zitters 

für ben ftampf §u SRofc burcr) bie ßampffpiele, ben 

3n>eifampf (£joft, justa pugna) unb ba$ 2ftaffengefecht 

(Surnei, furnier), bei befonbern geftlichfeiten oor ben 

klugen ber tarnen, au§ beren§anbbie6iegerben„$anf" 

empfingen. Qn benfelben fcfjarf umfdjriebnen formen 

gingen bie ritterlichen ©efcrjroaber in3 ©efecht, bie Leiter 

auf fdjroeren, mit farbigen $)ecfen befangnen hoffen, 

im ©ehmuef ber bunten SöaffenrMe über bem ftlbet* 

fchimmernben ßettenpanjer, bie „ßteinobten" auf ben 

gefchloffenen SMfterhelmen unb bie Söappenbilber be§ 

©efcf)lecht3auf ben breieefigen ©djilben, unter ben langen 

blitjenben gafynenlanjen unb ben roallenben Bannern 

ihrer £ehn§h*rren, ein ftoljer, phantafttfeh « prächtiger 

s ilnblicf ; aber ein erheblicher taftifcher ober gar ein ftrate* 

gifcherfrortfehritt mar mit biefer Verfeinerung ber Sech* 

nif be3 Kampfes nicht oerbunben, benn eine ©Übung 

fefter taftifcher Körper blieb bei ber 3ufammenfet>ung 

biefer ©efchroaber unmöglich. 

lic 3)ie großen SD^enfchenanfammlungen, bei benen 
»urgeu ancin bic§ ^ ö p We unb miIitäriWc fieben rc ^ t 

entfalten fonnte, roaren freilich nur im ©ommer 
benfbar. $>enn anberä n>ie ber italienifche Slbel, 
ber fd)on längft meift in ben ©täbten roohnte, fyaitt 
ber beutfdje @ble feine laublichen ©emohnheiten 



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$te 2Deltmac$tpotttif bcS Äaifertum§ 



181 



beroafjrt; nur Raufte er jefct nicf)t mefjr auf einem 
offnen ©ut^ofe, fonbern meift auf einer feften 
23urg, bie al§ „Söafferburg" in ber ©bene r»on 
einem tiefen ©raben, al§ „£ölj)enburg" im 93erglanbe 
fdjon burdj i^rc Sage gefdjüfct war. ®iefe 93auroerte, 
meift fefjr mä&igen Umfangt oon einer $anb r»ofl £eute 
$u »erteibtgen, waren eine Sßerbinbung be§ römifcfien 
2ftauerbau3 mit bem beutfdjen £>ofbau, um ben 93erg* 
frieb, ben §auptturm, ben ^ada§ unb bie Kemenate 
(grrauengemad)) gruppiert. Sie bebeeften feit bem 
elften ^a^r^unbert ju taufenben $eutf<$lanb unb roaren 
mit bem begriff beS Hilters unaertrennlid) oerbunben. 

3n ben formen be§ SetynSmefenS unb be§ Dritter* Xa§ 
tum§ Ratten ftd) alfo fdjltefjlid) bie ^errfdjenben^^ahJ! 
Stäube be3 SHeid)3 vereinigt, unb ber SRufjm ^aifer 
3rriebritf)§ mar, bafc er alä ber größte SefynSfyerr unb 
ber erfte JRitter be§ SlbenblanbeS auf jenem glänzen* 
ben «Pfingftfefte bei 3Jlaina 1184 erfd)ten, bei bem fi<$ 
3ur freier ber Sroertleite feiner beiben älteften Sityne 
£>einrtd) unb griebricr) bie SRttterfcfyaft faft be§ ge= 
famten SlbenblanbeS um it)n oerfammelte, bie ftrat)= 
lenbe Sonnende be§ gefamten 9ttttertum§. 

Serjon Ijatte bamalS ber ^aifer ben fünften 93ov6c= 
@d>ad)3ug feiner Sßolitü vorbereitet: er marb für lcit ^ l ! ulir 
feinen *Ka<i)folger £einridf) (VI.) um bie £anb ber gjjß 
©rbin Si^tlten^, ber £od£)ter Hogers IL, Äonftan$e, 
unb lief* am 27. Januar 1186 bie Trauung be§ jungen 
$ßaare§ in 2ftailanb ooE^ieljen. (£r meinte bamit bie 
$errfd)aft feinet §aufe§ über Italien gu ooflenben 
unb bort eine fefte erbliche |>au3mad)t at§ ©tüfce be§ 
^aifertumS ju erwerben, roa§ itym in ber Sombarbei 
unb in £)eutfd)lanb nur Ijalb gelungen mar, boefy er 
fd)ür$te baburdf) für fein §au§ ben knoten feines 
Sd)icffal§. 2)enn bamit oerfdjob er ba§ gange $8er= 
t)ältni£ ber 2flütelmeermäd)te; er machte je£t erft 
Italien $um 9JHttetpunfte ber ßatferpolitif unb fteüte 



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182 



2>ie beutfä«römifcf)e ßaiferaeit 



bannt bte Unabpngigfeit beS päpfilid)en ©taatS, ja 
be§ ^apfttumS felbft in ftrage, regte alfo überall 
bie fjeftigfte geinbfdjaft gegen ftdt) auf. Urbans III. 
$8erfud), beS ®aifer§ Söaljnen mit |)ilfe beutfdjer 
«ifdjöfe, namentlich <pt)iltpp§ von ßöln, unb 
§>einrid)3 II. t»on ©nglanb $u freujen, unb einen 
neuen ^rinstpienftreit $u entfachen, fdjeiterte an 
ber entfdjloffenen galtung ber beutfcfjen 3# r ft en 
unb an bem (£im>ernel)men ftrtebridjS mit Philipp II. 
5luguft üon ftrantreid); aber ber erzürnte ^ßapft fd)idte 
ftd) bereits an, ben SSann gegen ben §of)enftaufen ju 
fdjleubern, ba ftarb er plötjlid) in fterrara am 
20. Df tober 1187, unb in benfelben £agen lief bie er* 
fd)üttembe Shtnbe ein, bafj baS ©fjriftenljeer am 6ee 
Liberias gefcfylagen unb ^erufalem in biegänbe be§ 
SultanS ©alabin gefallen fei. 
Ter bvittc SBor biefer großen ftataftroplje traten ade Streitig* 
* r unf 0 fciten Surücf. «ßapft ©öleftin III. rief ba§ Slbenblanb 
SrKbnd)^ 3um ^reujjuge auf, unb im 3lpril 1188 empfing Slatfer 
griebrtd) felbft mit feinem Sof)ne ^riebrid) t)on 
©cfyroaben unb aatjlretcfyen gürften inSJlainj baS Äreuj, 
auf ber götje feiner 9ftad)t, mit befonnenem (Srnft, md)t 
in unklarer 9lufroaüung. S)aS ftaifertum alfo natym 
bie ftüfjrung be§ ganjen 9Ibenblanbe§ in bie §anb, 
benn ftrtebrid)§ überragenber^erfönlidjfett mürben ftd) 
aud) bie Könige oon granfretd) unb (Snglanb unter* 
georbnet fyaben, unb alleS fdjten milttdrtfd) unb 
biplomatifd) auf 3 treff tiefte unb umfid)tigfte georbnet, 
al§ er mit minbeftenS jmanjigtaufenb roof)lbe* 
roaffneten Gittern am 11. 2Hai 1189 oon SReg.enS= 
bürg aufbrad). 3Jlit ruhigem, aber unmiberfte^lic^em 
•Iftadjbrud fieberte er feinem geere trofc aHeS Übel* 
rooHenS unb SJMfjtrauenS ber ©riechen 2ftarfd) unb 
Ouarttere im bt)$antmifd)en $Hetd)e unb überfdtjritt 
(Snbe 9Hära 1190 bei ßaHipoliS ben geUeSpont. 2IIS 
er enblid) in Rleinafien t>on Saobicea auS ben S3oben 



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$>ie aöeltmad&tyotttir bcö AaifettumS 



183 



be§ ©ultanatg von Sfonium betrat, ba überroanb 
bie §elbenfraft feiner beutfdjen SRitterfdjaft ebenfo* 
rooljl bie (Strapazen be3 äflarfdjeg burd) bie bürren, 
fdjattenlofen §od)ebenen rote bie bieten Sparen ber 
türfif djen SReitermaffen an ben glorreichen <Sd)lad)t= 
tagen bei ^fjilomelium am 7. SERai unb ^fonium am 
18. 9ftai, unb jroar tjart mitgenommen, aber nod) 
fdjlagferttg erreichten bie $)eutfd)en über bie fdjrom* 
belnben ©aumpfabe be§ £auru§ hinüber bie reichen 
Ebenen (£tlicien§. Sa, mitten in ber froren 3uoer= 
ftd)t enblid)en ©eüngenS, ertranf ber greife ßaifer in 
ben falten fluten be§ reifcenben ©alepf) unroeit %ax\o§ 
um bie 9Jtittag3ftunbe be§ 10. %\m\ 1190, fern von 
ber ßeimat, an ber ©djroeHe be§ fagenfjaften SJlorgen- 
lanbe§. 

3)amit roar ba§ (Scheitern beS beutfdjen ®reu$* scheitern 
3uge§ entfd)ieben. SDenn ^roar brachte §erjog$riebri<i) beutfefien 
einen £eil be§ $eere3 bi§ vox SIHon, ba§ ftömg ©uibo $h ' eil ^ u 0 c * 
oon S^rufalem mit fd)roadj)en Gräften feit bem £>erbfte 
be§3^re§ 1189 belagerte, unb fdron oorljer roaren bort 
jur ©ee ftarfe ©djaren norbbeutfd)er ßreujfahrer mit 
öanbgraf ßubroig III. von Düringen eingetroffen; 
aber bie meiften 2)eutfd)en, aud) §ergog grtebrid), 
erlagen ben folgen ber 3lnftrengungen unb bem un* 
geroofjnten ftlima. 9htr $er$og Seopolb V. oon Öfter* 
reidj naf)tn an ber (Eroberung 3lffon§ im $uli 1191 
nod) Anteil. 2)a3 einzige praftifdje Ergebnis be3 
geroaltigen Unternehmend roar für bie 2)eutf djen bie 
öegrünbung be§ beuifdjen §ofpüal§ vox Stffon, einer 
ßroetganftalt be§ fd)on vox 1118 in fterufalem ge* 
ftifteten, nad) beffen (Eroberung 1187 bort aufgegebnen 
beutfdjen ®ranfenf)aufe3, aber e3 fottte ber ^eim be§ 
beutfdjen SRitterorbenS roerben. 

2)ie umoerfale ^otitif, bie ftriebrtd) Söarbaroffa Geti»tU$ 
*ule^t mit bem ^reu^uge unb nod) mehr mit ben mit* btc 
Vorbereitungen sur Erwerbung ©ijiliend eingefc^lagen ^f* 1 



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184 



Sie beutfdj«römtf(f)e Äaiferjeit 



hatte, fetjte in ber fünften unb umfaffenbften SBcifc 
fein Nachfolger fort, Heinrich VI. (1190 big 1197). 
©rroar gar fein Krieger, nrie ber Vater, fonbcrn burch 
unb burch Staatsmann, §art unb f chonungSloS, oon cif er* 
nem 2Biüen in ber Verfolgung fetner großen Qidt* 
Sftocr) al§ Regent für ben Vater brücfte er einen Stuf ~ 
ftanb Heinrichs be§ fiöroen nieber, ber im §erbft 1189 
wortbrüchig jurücf gef cl)rt mar, boch größere Schmierig* 
feiten machte ihm bie Durchführung feines @rban* 
fprucrjS auf Stsilien. S)enn bort mar nach SBtlhelmS II. 
£obe im Dejember 1189 ein Vaftarb be§ auSge* 
ftorbnen ftönigShaufeS, £anf reb oon Secce, $um 8öntg 
erhoben unb oon ^apft ßöleftin III. fofort anerfannt 
roorben, unb hatte ftch anbrerfettS burch ein VünbniS 
mit SRicharb Söroenhera oon ©nglanb, bem Schwager 
Heinrichs beS ööroen, $u fichern gefucht. 3)er erfte SRömer* 
gug$einrich§ VI. oerfcrjaffte biefemjmar bie $atf erfrone 
(16. $Ipril 1191), aber er f erweiterte t»or Neapel infolge 
oerheerenber Sommerfieber. 211S ber ßaifer heimfehrte, 
erhob baher bie roelftfche Dppofition auf 3 neue trofcig 
ihr £>aupt, unb fie fanb Unterftüfcung gunächft bei ben 
meiften nieberrheinifchen dürften, teils roeil biefe 
roegen ber ftäbtifdt) -n>irtfct)aftlid)en ftntereffen $u 
(Smglanb unb alfo $u ben Söelfen neigten, teils weil 
fte ftch burch bie eigenmächtige Verfügung be§ ftaiferS 
über ba§ VtStum Süttich #x gunften Ulberts oon $>od)* 
ftaben oerle&t fühlten, unb Heinrich VI. bie ©rmorbung 
beS SftitberoerberS Gilbert oon Trabant ungeftraft ge- 
laffen hatte, ftnbem ftch nun ßueh n0( $ Ottolax L uon 
Böhmen, 9Jcarfgraf Wibrecht oon 9fteij}en unb §ermann 
r»on Thüringen anfchloffen, umfpannte bieg gegen bag 
ßatfertum unb feine Söeltpolitif gerichtete VünbniS, 
(Snglanb unb Sizilien mit eingefchloffen, ben |>oben= 
ftaufen oon allen Seiten. 3)a fam biefem ein uner* 
hörter ©lücfSfaü $u §tlfe. Dttdjarb ööroenher^ fiel 
auf ber SRücffehr oon Sorten im Dezember 1192 auSöien 



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2>te äBetttnaiStpottttr beS ÄaifcrtumS 185 



in bie §änbe be§ $erjog§ Seopolb von Dfterretd), ben 
er vox 9lfton auf§ fcfjmerfte beleibigt fyatte, inbem 
er fein Söanner von ben 5Jtauern ber genommenen 
Stabt !)erabreif?en lief*. @rft auf bem $)ürrenftein 
an ber S)onau, bann auf bem ftaupfc^en £rifelg 
rourbe ber ®önig in §aft gehalten. $)ie dürften* 
oerbinbung mar bamit gelähmt unb löfte fid) auf. 
£emrid) VI. aber benufcte biefe (Sunft be§ ©cfjicffalS 
nid)t nur, um SRidjarb ein ungeheures ßöfegelb, 
juletjt jel)n taufenb Wlaxl , etwa einunbbreifng 
9Jhßionen s Jieicf)§marf, fonbern auef) ben Se^n^eiD 
für (Snglanb ju erpreffen. @rft bann mürbe ber 
ßöntg am 2. gebruar 1194 in ©peter entlaffen. fturj 
bar auf, im 9ttar& 1194, cerföfmte fxd) aud) §einrid) 
ber Söroe auf ber ^falj £ifleba am Sfyfffyäufer mit 
bem &aifer; ja biefer miüigte fogar in bie S8er* 
mäf)lung feiner (Soufine 2Igne3 von ber ^fal$, ber 
@rbtod)ter ßonrabS, mit §emrid) von $raunfd)tt>eig, 
bem @of)ne §einrid)§ be3 Söroen, unb üerfprad) biefem 
bie 93elef)nung mit bem mistigen bi^er ftaufifdjjen 
©ebtet. 8ur$ barnadf), im Safyre 1195, ftarb ber 
grofce @ad)fenf)er$og unb mürbe im $8laftu§bom ju 
93raunfd)metg, feiner Stiftung, betgefefct. 

tiefer SluSgang ber antiftaufifd&en (Srtyebung »ep* 
cntfctjieb in Sßerbtnbung mit bem £obe $anfreb§ am ei8 "in n? 
20. Februar 1194 ba§ <§d)itffal @i3tlien§. Sei ber ei ^ ilicn 
51nnäfyerung be§ faiferli^en £>eere§ unter bem 9teid)§* 
trudjfejj 9flarfroarb von 2lmx>eiler, einem ftauftfcfyen 
2flinifterialen, unterwarf fief) ba§ ganje geftlanb mit 
2lu§naJ)me von Saterno, ba§ aber nur einen £ag 
nriberftefjen fonnte, unb nad) feinem (Siege bei (£a* 
tania 50g §einrtd£) VI, am 20. $)e$ember mit glänzen* 
bem ©epränge in Palermo ein, wo er ftd) am 2öeÜ)* 
nad^tStage frönen lief?. $)en reiben ßronfcfyafe fanbte er 
nad) b em Trifels, bie ® önigtn=2öitroe SibnOe von Stcitien 
unb ifjren jungen Sofm 2öilf)elm nad) Schwaben, ©ein 



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186 bcutfd) römtj^c «aiferieit 



©lud festen ooüenbet, al£ i()m in benfelben Sagen feine 
©ema£)lin ftonftanje in $efi bei Slncona einen @ol)n, 
g-rtebrid) SRoger, gebar. @ie übernahm bann bie 
Regierung be§ -ftormannenreicrj^, beraten von ^onrab 
üon Urilingen al§ $Heid)3otfar. 5Iud) im ®önigreid) 
3talien rütften $)eutfd)e in bie työcfrften Stellungen 
ein. ßonrab mürbe §er$og oon ©poleto, $Jlaxh 
warb r»on 9lnroeiler 9Jlarfgraf von 5lncona, £>er$og 
ber SHomagna unb oon Dtaoenna, ^tjilipp, be§ ®aifer§ 
SBruber, 9flarfgraf von £u§cten. 2)a§ mitteleuro* 
pätfdje ßentralretd) fyatte mit ber Erwerbung (Siziliens 
bie territoriale (£tnf)eit gtalieng in tyren ©runb^ügen 
gef Raffen, e§ tyatte bie beijerrfdjenben «Stellungen im 
£er$en ber aflittelmeerlänber inne, unb r»ornel)mltd) 
burd) beutfd)e Gräfte, burd) beutfcfye ©bie unb 
niftertalen rourbe e3 juf ammengefyalten. 
Tcv üxb- Um aber biefe aunädjft nur äufcerlid) vereinigte 

j^ c ^ f ür bic $> auer "*tt einanber ju oerbinben, 

vi. beburfte e§ einer neuen ftaat§red)tltd)en ©runblage. 
5)af)er forberte §einrid) VI. im 2)e$ember 1195 von ben 
JJürften bie gefefclid)e ©rblidjfett ber beutfdjen unb 
ber italienifdjen Slrone für fein $au8, inbem er ifynen 
bafür bie ©moerleibung ©i$tlten§ in ba§ ftönigretd) 
Italien unb bie ©rblid)fett tfjrer SKetd)3lel)en aud) in 
ber umblicken Cinie anbot. ©3 mar bie entf^eibenbe 
£f)atfad)e für bie 3ufunft be§ iHeid^g unb ber §ofyen- 
ftaufen, bafi biefer großartige tylan an bem SBiber* 
fprudje ber fädjfifdjen unb nieberrfyeinifdjen grürften, 
if)rer alten ©egner, f ^eiterte; nur bie Slnerfennung 
fetnc§ <Sof)ne§ $riebrid)3 II. tum Sftadrfolger im 
SReidje oermod)te £einrid) VI. im §erbft 1196 burd)* 
aufe^en. 

$einri$s &ür bie näd)fte ©eneration roenigftenS mar ba* 
mttiu m *t °* c 33crbinbung be§ ljof)enftaufifd)en ©rbfönig* 
"m?*? retd)§ ©ijitien mttbem$aiferreid)e gefid)ert,unb unauf- 
un ° l)altfam brang oon ©Milien au3 im Umgreife ber 



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Sie äDBeltmad)tpofitif bc8 ÄaifertumS 187 



ÜJJittelmeerlänber §einrtd)3 VT. Unioerfalpolitif »or, 
oor aHem im 2Jlorgenlanbe, roo ©atabinS £ob 1193 
unb bcr rafd)e Verfaß ber bnjantinifcfyen 9Wad)t fett 
ber S^ronbefteigung bcr Hägltdjen 5lngeloi 1185 eine 
neue ©eftaltung ber $)tnge §u ermöglichen festen, 
©erjon 1194 tjutbigte 8eo II. von ßleinarmemen, 1195 
Slmalrid) von ©npern, ©nbe 1196 erfannte aud) 
93r)$an$ bie Oberhoheit be§ §ohenftaufen an, ber bie 
$lnfprüd)e feiner ©djroägertn, ber ^olben $rene 
(3Karia), ber (Gemahlin feinet SöruberS W^PP* be= 
nüfcte, um nad) bem ©turae ir>reg *Bater§ Sfaaf burd) 
beffen SBruber SUegtoS (9Ipril 1195) ben feigen Ufur* 
pator burd) 55rof)ungen etnjufd)üchtem. (Inbltd), 
nad)bem er eine t>er$n>eifelte (Shrfjebung ber gebrüeften 
©tjiltaner niebergeroorfen unb mit graufamer £ärte 
beftraft hatte, lief* er ju Anfang September 1197 auf 
einer geroaltigen ftlotte fedfötgtaufenb beutfdje 
Sreujfahrer unter feinem banaler, bem Eifdjof ßonrab 
oon ^ilbe^^eim, nad) ©nrien in ©ee gehen, ©ie nahmen 
SBerntuS (^Beirut) mit ber ganjen umliegenben fnrif d)en 
tfüfte in SBefife unb erhoben im Sö^ärj 1198 bie beutfdje 
§ofpitalbrüberfd)aft gu 6t harten in 9lffon jum 
beutfd)en9tttterorbenmübem fd)maraen®reua im meinen 
ftelbe, bamit fortan bie $eutfd)en in ©nrien eben* 
bürtig baftünben neben ben romamfdjen Golfern. 
2)od) mitten in fo roeltumfpannenben Unternehmungen 
unb (Sntroürfen raffte nad) furjer ßranfheit ein plöfe* 
lieber %ob ©einriß VI. am 28. ©eptember 1197 §u 
9fleffina hinweg. 3m S)ome von Palermo ruhen nod) 
heute bie Werblichen SRefte be§ fühnften ber $ofjen= 
ftaufen. 

„(Sr l)at ba§ beutfdje ^ßolt tyxxlid) gemacht oor $kit 
allen «Rationen/ fagt Otto oon ©t. Mafien; „®%wtU 
gen bedte alle ßanbe, jebe ©tabt war in fturc^t, 9?ation 
nirgenbä gab e§ mehr Kriege/' fo fcfylbert ©ottfrteb 
»on SBiterbo bie Sage nad) ber Eroberung ©ijilien^ 



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188 ®« beutfö-römiföe flatferaett 



unb al§ „Sd)ieb§richter ber Nationen'' bezeichneten 
ftrembe neibooll bie 3)eutfchen. So fehr war bie 
I)oJ)cnftauflfcf)c Sflachtbilbung ein Stola unferS SBolfeS, 
unb fo gewaltig ber (Stnbrucf auf äße 2Belt. $)enn 
ba§ Mittelalter lebte eben nicht in ben immerhin engen 
Gegriffen be3 9tationalftaat§, am wemgften biefe Qtü, 
xoo eine ftirdje unb eine ritterliche ©Übung ba§ 2lbenb- 
lanb beherrfdjten; ba§ politifche Sbeal blieb tnetmehr 
ba§ ben ^rieben gebietenbe SBeltreicf). Unb meld) eine 
3ufunft fchten fich ber beutfchen Nation aufauthun! 
SBährenb if>rc Siebler unaufhaltfam über ben fyalb* 
barbartfchen Dften bahinfluteten, war fie auch am 
SJtittelmeer in ben Säubern alter Kultur bie I)err* 
fdjenbe 9Jiacf)t geworben, fraft ihrer politifchen unb 
militärifchen Energie, mit bemfelben fechte, mit bem 
bamal§ ber englifdje 2lbel Söeftfranfreich beherrfchte, 
fpäter bie ©panier bie amettfantfchen SMturoölfer, 
englifche ^aufleute Snbien unterjocht fyabtn, unb in 
eblerm Sinne al§ fte alle, 
ßrttnbe Slber eine unnriberftehltch uorbringenbe nrirtfchaft* 
sjenbimß licrj^osiale Umwanblung hat in SÖerbinbung mit einer 
neuen gemaltigen (Erhebung be3 ^ßapfttum§unb mit bem 
abermaligen Aufbruch einer alten tiefgehenben ©pal« 
tung im deiche biefe großartige Sßeltftellung ber beut« 
ftfjen Nation jerftört unb bie ©runbtagen be§ alten 
£aifertum§ enbgiltig untergraben. 
icutfcfi= Seübem bie italtenifdjen Seeftäbte mit bem S8e= 
csiiitrltt in 0^ nnc öcr Äreuj^üge ben morgenlänbifdfjen £anbel 
ben nett» ooUftänbig in bie eigne §anb genommen hatten , unb 
' ft c noch mehr feitbem beliebig mit ber Eroberung r»on ßon> 
ftantinopel 1204 an beffen Stelle jut Seherrfcherin 
be3 gefamten 2Jcittelmeeroerfehr§ geworben mar, hatte 
fich ber alte 3ug oer weftlichen 2öelthanbel§ftraf$en 
oerfchoben; er führte jetjt über bie Oftalpen nach &er 
mittlem $onau, nach 2öien hinüber, burch bie QtnttaU 
alpen nach oem 9l^eint^a(e, bem natürlichen SBerfehrS* 



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3)ie SBeltmadjtpolitif be8 ßaifertum« 



189 



roege nach bem Horben. £ier würbe 9Jiain$ ber 
aJlittelpunft eine! roefentlicr) auf ben 9lu!taufcr) x>on 
Vobenprobuften gerichteten ©anbei!; in &öln bagegen, 
bem ©nbpunfte ber ©eefdjiffahrt für biefe 3ett, liefen 
bie SBeaieljungen mit bem Dberrhein, mit ftlanbern, 
mit (Snglanb (namentlich feit ber Vegrünbung einer beut* 
fchen „§anfe," b. h. ®ilbe in Sonbon um 1130), mit 
©achfen unb bemOften $ufammen (befonber! fett ber @r* 
roerbung be! $eraogtum! Söeftf alen 1180). 2öie rafd) bie 
©tabt aufblühte, beroetft bie ©rbauung ber großen 
neuen 3Jtauerltme feit 1200. 3m Dften, ber burch 
ben uralten „©eflroeg" über $)ortmunb unb ©oeft mit 
bem -iftieberrfjem in Verbinbung ftanb, ftieg fiübeef unter 
ber untüchtigen Verwaltung feine! Eaufmänmfchen 
9tat!, begünftigt burch ben «erfaß ber ältern ^läfce, 
©chle!nrig! nach ber ^lünberung einer ruffifdjen 
§anbel!flotte (1157), unb Sulin! fett ber bänifchen 
93efitjergreifung (1183), mit rounberbarer ©chnettigtett 
gur h^rfchenben Stellung an ber Dftfee empor. 2Jlin* 
befien! feit bem Anfange be! jtnölften ^ahrhunbert! 
hatten bie £)eutfcr)en etne£anbel!nieberlaffung in SBübn 
auf ©otlanb, ber Heinrich ber 8öwe 1163 einen beut* 
fcr)en Vogt fetjte; oon biefer au! grünbeten fte um 
1170 ben §of $u ©t. ^eter in Sftorogorob, ber rafer) 
ben Verfeljr an biefem uralten nörbltdjen ©nbpunlte 
ber rufftfdjen 2öelthanbel!ftrafee oom $njepr her an ftd) 
rt&; fcfjon um 1200 beherrfchten fie auch bie geroinnreiche 
Ausbeutung ber Ungeheuern £ering!aüge auf bem 
bänifchen ©chonen. 

©ine ftäbtifche Veoölferung biefer $lrt, bie immer «us* 
reichcr, weltfunbiger, felbftänbtger mürbe, mu&te We @S e ^ 
engen formen ber alten ftabtherrfchaftlichen Ver* M»«b 
faffung notmenbig fprengen. Smmer zahlreicher mürben 
bie ßünfte ber föanbroerfer; au! ben ßaufleuten, ben 
alten (Senfualen unb ben 2JKnifterialen be! ©tabtherrn, 
ermud)! über ihnen ein ftäbtifche! ^atrtsiat, ähnlich 



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190 



$ie beutfä'Tömifd&e Äaiierjeit 



nrie in Stoßen; ok alten hof rechtlichen, binglichen unb 
perfönltchen Befchränfungen unb Verpflichtungen nmr* 
ben immer mehr abgeflogen, bi§ ber ©runbfat} burch* 
brang, baß ftäbtifche Suft frei mache, fo baß alfo nicht 
nur in bem 3Jlauerringe alle £örigf eit aufhörte, fonbern 
auc^ jeber §örige, ber ftch %a$T unb £ag in ber Stabt 
aufgehalten hatte, von felbft ein freier 3Wann rourbe. 
©nblid) begann ba§ ^ßatrijiat bie ©tabtoenoaltung 
felbft an fidt) $u nehmen. ($3 bilbete baju entroeber 
einen SRat neben bem alten Schöffengericht, ober ba§ 
Schöffengericht bemächtigte ftch auch *>er Berraaltung, too= 
bei inbe§ bie Settung ber ftabtherrichaftlichen Beamten, 
be§ (föniglichen) Burggrafen, Bogte§ ober Schultheißen, 
noch nicht befeitigt rourbe. 2lm rafcheften ging biefe 
ganje (§mtnricflung in ben rheinifchen Bifchofäftäbten 
oor ftch, mahrenb bie fächftfchen Bifchofgftäbte (Bremen, 
fünfter, Soeft, 3Jtagbeburg) noch oormiegenb unter 
ftrengem ©ofrecht blieben. 3n ben föniglichen Sßfala- 
ftäbten begann ba§ Sd)öffenfoHegium ben föniglichen 
Beamten beifeite ju fchieben; bie laienfürftlichen 
Stäbte (ftreiburg, Bern, fieipjig, Söien) erhielten 
tt>enigften§ vielfach eine SKat3oerfaffung. 
xic 3ugleich gingen bie Stäbte mehr unb mehr $ur 
leuSStrt* ©elbroirtfchaftiiber, oermanbeltenihre Seiftungen an ben 
föaft unb Stabtherrn au§ Sftaturallieferungen in ©elbfteuern, 
Vnin bt * überflügelten burch i^r größeres unb leichter beroeg« 
licheS Kapital ba§ platte fianb, beffen naturalnrirtfchaft* 
liehe Berhüttniffe naturgemäß ftationär blieben, würben 
alfo auch al§ Steuerquellen für bie Stabtherren immer 
wichtiger. Um fo mehr fahen ftch biefe gebrängt, bie 
ber ftrone juftehenben t)erfeht§n)irtfchaftlichen Re- 
galien, oor allem bie 3öße unb ba§ 3Jlünjrecht, in 
ihre $änbe au bringen, um bem StiUftanb ihrer lanb- 
roirtfehaftlichen ©innahmen ein ©egengenricht au geben, 
dagegen märe e§ nun bie Aufgabe be§ Königtums ge* 
roefen, bie£ unter allen Umftänben au oerhinbern, bie 



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$te 933e(tma<f)tpo(tttf be§ ÄaifertumS 



101 



Regalien unb bie Steuern ber €>täbte $ur($runblage einer 
neuen gelbnrirtfdjaftlidjen SRetd^oermaltung §u machen, 
um enblid) ein roirttidjeS, befolbeteS, nid)t belef)nte§ 
9tetd)§beamtentum ju begrünben, alfo bie (Stäbte ber 
$etd)3r»erfaffung feft einjuorbnen. $)enn nid)t nur waren 
bie einft Ungeheuern ^ronbomänen burd) bie fortgefefcten 
Vergabungen fet)r aufammengefdjmoljen, fonbern aud) 
bie nod) t>orf)anbnen waren tf)atfäd)lid) in eine 2lrt 
üon ©rbpadjt ber erbltd) geroorbnen Vern>altung§be- 
amten (Vögte) oerroanbelt, bie baoon nur nod) ein 
feljr mäßiges, feftftehenbeS Seroitium an bie Ärone 
leifteten. 

Völlig ift bie STCotwenbigfeit, biefe Aufgaben ju siufaabc 
löfen, ben Xrägern ber ®rone nid)t entgangen. 2)ie gjet^er^ 
italienifdje ^olitif 3rriebrid)3 I. unb bie Erwerbung 
©ijilienS burd) §einrid) VI., alfo bie §errfd)aft über 
ftäbtifd)*gelbmirtfd)aftltd) entnrirfeltefiänber, ift offenbar 
mit au§ biefer @rfenntni§ entfprungen unb mar alfo in ben 
beutfd)en 3**ftanben begrünbet Senn in S)eutfd)lanb 
bie notroenbtge Umbilbung ber $Heid)§t>erfaffung nicr)t 
gelang, wenn hier trielmehr ba§ Königtum oon ben£aien* 
unb ^faffenfürften fd)liefjltd) aud) finanziell matt ge* 
fetjt nmrbe, fo Hegt bie§ aber bod) aurf) in bem 
Langel an flarer @infid)t bei ben 2Jtonard)en, nod) 
mehr freilid) in ber fd)on allju feft gegrünbeten fürft* 
liefen ©eroalt unb ben ftd) barau§ ergebenben ©egen- 
fäfcen, weiter in ber gerabe baburd) unoermeiblid) immer 
ftärtern SIblenfung ber $ohenftaufen auf italienifche 
Angelegenheiten unb enblid^ in einem neuen 9Jtad)t- 
auffc^wunge be3 päpftlic^cn 2öeltherrfd)aft§gebanfen§. 

9JMt ber ganzen ©nergie eine§ eifernen SöiflenS anmocens 
unb eine§ ho<*)9efpannten 3beali§mu§ arbeitete ber un "^ ic 
nod) jugenblidje Qnnocenj III. (1198 bi§ 1216) baran, »«Wj* 
bie &ird)e im Orient $u fernen, fte überall auszubreiten 1pa ng 
burd) bie 2JHffion, in ihrem Innern jebe abroeidjenbe 
Dichtung ju oernidjten, fie ber unbebingten gerrfdjaft 



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192 



3)ie beuif{f>«römtf$e Äaiferaett 



be3 $ßapfttum§ $u unterroerfen unb biefem aucr) aße weit* 
liefen gfürften unterjuorbnen, gleichwie ber SJlonb fein 
2id)t von ber ©onne empfange. %&f)alb erftrebte er auch 
bie Unabhängigkeit unb Slbrunbung be§ ßirchenftaatS, 
alfo bie Trennung ©ijtlienS oom deiche, ^n ber erfien 
©eaiehung war ihm fd&on §einridh§ VI. Eeftament ent* 
gegen gefommen, inbem §einrtcr) bie Rückgabe be§ 3J2a? 
t^itbxfdt)en ©ute§ unb be§ Patrimoniums petri au bie 
Kirche, foroie bie^lnerlennung ber petpftüchen Roheit über 
föaoenna, Slncona unb <§poleto oerfügte, freitidt) unter 
ber ©ebingung, baf? ba§ ^apfttum bie Perfonalunion 
©ijilien§ mit bem deiche unter feinem Sohne ftrtebridh II. 
anerkenne. 5ln btef er hatte er alfof eftgehalten unb be§t)alb 
feinen ©ruber PhWpP *>on Schwaben nur al§ 9teich§ s 
oermefer nach S)eutfrf)tanb gefcrjicft. £)och ba fidt) bie 
fäcr)fifcr)-nieberrr;einifchen dürften ferjon rüfteten, einen 
nid)tftaufifc^en $önig ju wählen, fo erhoben bie füb* 
beutfcr)en ©rofcen, cor ädern bie ftauftfehen 9JHnifte* 
rialen, am 8. 3Jlärj 1198 ^h^pp $um ßönig, bie 
anbre Partei aber rodelte am 9. 3uni in ®öln ben 
Söelfen Otto IV., ben jüngften Sohn §einrtch§ be§ 
ßöraen, ben Neffen ßönig SRicharbS r«on ©nglanb unb 
©rafen t>on ^oitou. £>er nrirtfehaf tliche ©egenfafc unb 
bie alte SJembfcfyaft ber beiben großen ©efcr)lecr)ter ri{$ 
ba§ 9teid) abermal§ in Stüde. Papft Snnocenj III. 
hatte fict) junäc^ft begnügt, bie mittelitalienif djen San* 
bestelle für bie Äirche in SBcfife gu nehmen unb bie 
©ormunbfehaft für ben jungen Biebrich IL nad) bem 
$obe feiner Butter ftonftanje (27. STCooember 1198) 
an fich §u reiben; erft al3 Otto IV. im ©ertrage t>on 
9teufc 8. 3uni 1201 auf alle SReichSrechte in ben 
päpftlichen „Dtefuperationen" Berichtete unb Sizilien 
für bie ßirerje ju oerteibigen oerfpraöh, trat ber 9ßapft 
3taufifd). au f bie @cite be§ Sßelfen unb fprad) über ^ilivv 

l 3t . am 3 * ^ uIi 1201 ben ® ann aug> 
incfl hierauf traten mehrere ©ifchöfe, Ottofar I. r»on 



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2>ie SBßcttinad^t^olitir bc§ Äaifertumö 



193 



Söfjmen unb ber treulofe ©ermann oon Düringen ju 
Otto über. 3Iber bic grofie 9flaffe ber ftauftfd>en 
gartet blieb in ber «Stimmung, urie fie 2Öaltljer oon 
ber Söogelroeibe in patriottfdjem Qoxnt über fürftlidje 
(Setbftfudjt unb päpftüdje §errfd)fucf)t augfprad), iljrer 
(Sadje treu, unb Otto untergrub fetbft feine Wlad)t, inbem 
er mit bänifdjer ©Ufe bie grofje beutfdje ©teflung feine§ 
©aufeS ju erneuern fudjte unb bafyer Söalbemar II. 
bem (Sieger, ber 1201 fdEjon ©olftein unb Hamburg 
erobert fyatte, auef) ßubeef unb bie beutfdjsfforotfdje 
Oftfeefüfte förmli* überlief (1203), um feine £ilfe au 
genrinnen. $en beutfcf)en (£E)arafter biefer Sanbe 
unb ben Fortgang ber beutfcfjen ßolonifation be* 
einträd)tigte ber ftaat§fluge $)änenfönig mdf)t im 
minbeften; aber bie fjurd^t oor einer neuen toel* 
fifd&en 9Jtod)tbübung trieb 1204 felbft ben (Srjbifcfjof 
2Ibolf oon ßöln unb ben ©erjog oon Trabant auf bie 
(Seite $&üipp3, ber biefem faft afle§ 9*etd)3gut in 
feinem ßanbe unb bie toeibltd^e Erbfolge jugeftanb. 
9?ur bie Stabt ®öln E>telt tapfer au§, bi§ $ßf)Uw 
buret) ©inrtcrjtung neuer 3°öftdtten am dU)zxn unb 
enblidf) burd) bie Sperre be§ Strömt ifjren ©anbei auf§ 
äufeerfte fcfjäbigte unb fte baburdfc im September 1206 jur 
, Unterwerfung braute. SBäljrenb Otto IV. naef) (£ng* 
lanb ging, um ©ilfe $u tyolen, gelang e§ ^ßf)ilipp buxd) 
SBerJjanblungen unb $)rofmngen bie $luff)ebung be§ 
oljnefjin faft toirfung3lofen S3anne§ $u erlangen (Sluguft 
1207). (Sermon rüftete er fidE) jutn Dtomjuge, ba fiel er 
am 21. guni 1208 auf ber Ottenburg bei Bamberg 
al§ Opfer perfönlid&er Stocke unter bem (S^roerte be§ 
roilben ^faljgrafen Otto oon SöittelSbad). 

@o gewann Otto IV. mit einem Sdfjlage ba§ Dtto l^ v 
fdfyon verlorne Spiel, benn bie ©ofyenftaufen roarenjefet y$lm 
in$eutfdf)tanb ofyne Vertreter. gfvefli$ erfaufte ber 2öelfe 
bie ©ulbigung be§ erften dürften, be§ @r$bifd£)of3 WbaU 
bert oon 3flagbeburg, mit unerhörten, oert)ängni§ooüen 

$et SÖerbegang beä beutföen SJottcä I 13 



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194 



$ie bcutfd&«römtfdje Äaifcr^eit 



gugeftänbniffen. (£r überlief ifnn nictjt nur adeS it>el= 
ftfd)e $au§gut in SSranbenburg unb in bcr Söifcrje 
unb alle magbeburgifdjen ®ircf)enlef)en £>einricf)g be§ 
Söroen, fonbern er oerjicfitete aitcf) auf ba§ oielum= 
ftrittene (Spolienrecht (am 9tocf)la& von ©eiftlicfjen) 
unb oerfpradf) im ganaen ©rjftift feine Abgaben für baS 
SHeicf) mefyr au ergeben, feine neuen aKünj* ober 3od- 
ftütten anzulegen, tt>a§ eine aroeite Urfunbe auf ben 
ganzen Sftagbeburger ©prengel unb auf ade fiänber 
be§ 3Jlagbeburgifd)en SRed)t3, b. f). über ben ganzen 
Sfiorboften, au£beljnte. $amit gab ba§ Königtum faft 
alle feine 3rinanjregalien in ben jufunft§reia^en ftolo* 
niallanben öftlid) oon ber@lbe unb ©aale auf. $lflerbing§ 
traten nun ade dürften be§ 9? orboftenS ^u Otto IV. übet, im 
©üben ljulbigten oor anbern bie ftaupfctjenSWiniftertalen 
in JJranffurt (SNooembet 1208), unb inbem ftet) Otto mit 
^f)tlipp§ jugenblicrjer £ocr)ter 93eatrij oerlobte, trat er 
üöBig al§ ©rbe ber £of)enftaufen auf unb fieberte fiel) 
bie Unterwerfung auef) be§ ganzen ©übenS. $)em ^ßapft 
gegenüber erfannte er im Vertrage oon ©peier 22. SER&ra 
1209 nidjt nur feine frühem 3 u 9 e ftönbniffe an, fon* 
bem er gab aud) ba§ ©polienrectjt überhaupt auf, 
fieberte oolle greifet ber fircrjltctjen 2Öab^en unb ber 
Appellationen naef) SHom ju, lieg alfo ba§ 2öormfer 
ftonforbat, bie ©runblage be§ SBerfjältniffeg ^miferjen 
ftrone unb Si\xd)Q, act)tlo§ unb furjfidjtig faden. $113 
er im f>erbft 1209 mit ftartem §eere in Italien er* 
fcfjien, jog er gletdjrooljl ade „SRefuperationen" ber 
ßirerje für ba§ itReid) ein, eramang am 4. Oftober 1209 
bie föriferfrönung unb roarf fictj im näcrjften 3af>re 
auf ©übitalien, um e§ für ba§ SRetd) in 93efifc ju 
nehmen. $)er SÖelfe trat unter ber Öeitung bet 
©rudi ftauftferjen 2Ktnifterialen oöOig in bie ftujjftapfen 



3n allen feinen (Wartungen getäufd)t unb auf§ 



catj in. äu&erfte erbittert fcfjleuberte ba ^nnocena HI. am 



Äv. CeinrW VI. 




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2>te aöeUmadjtpolitif beS fiaifcrtumS 



195 



18. Sftooember 1210 ben SBann gegen Otto IV., unb 
fofort begann ber 9IbfaH ber beutfetjen dürften, bie 
nict)t§ me^r fürchteten, al§ eine (Erneuerung ber 3eiten 
.£einricr)3 VI. <Sd)on im ©eptember 1211 fpracben fle 
fief) in Dürnberg für 3friebricr) II. von ©Milien au§ 
unb beriefen if)n nact) $)eutfd)Ianb. 

S)a§ jroang Otto IV. im 3früf)ja§r 1212 $ur $>etms ®jeg 
fe§r. Sftoct) fprengte er bie Partei ber Un^ufriebnen x m ii. 
unb rourbe, gerotf* im ©inne meler, von 2öaltf)er von 
ber Söogelroetbe mit warmen Söorten begrübt; aber al§ 
er per) auf ^ermann von Thüringen roarf, erhielt er 
bie Sftactyrtdjt, baf? JJriebricr) II., vom ©egen be3 
^ßapfteS begleitet, von ©enua t)er über bie 3Ilpen 
Jomme. ®urcr) ben 2lbt t>on ®t. ©allen unb ben 
$8ifd)of uon ©fjur auf fdjroäbifcrjem SBoben fofort an= 
ertannt, erreichte unb gewann griebrict) ßonftanj 
wenige ©tunben t»or DttoS 3lnfunft, ber fofort aurücf* 
widj, unb empfing barauf bie §ulbigung erft 6d)wa* 
ben§, bann S3öl)men§; am 5. 5)ejember 1212 rourbe er 
in fjrantfurt förmlid) gewallt, am 9. S^ember in 
9Jtain$ gefrönt. $)ann gewann er Sot^ringen buret) 
(Mb, ba§ #au§ SSittelSbad) buret) bie 2Iu8fkr)t auf 
bie 93elel)nung mit ber S^einpfafy nact) bem £obe be3 
Seifen Rehmer), ber 1227 ftarb, unb erneuerte bie 
alte ftaufifct)e SBerbinbung mit ftranfreicr). S)a enl 
fctjteb benn ber Sieg Wlipp $luguft3 bei 93ouoine§ 
in glanbern am 27. ^utt 1214 über ba§ engliferj* 
welftfctje £eer Äönig $of)ann§ unb DttoS IV. bie 9Heber* 
läge be§ welftfdjen ftaiferS aurf) in Deutfd)lanb. 25enn 
nun fagten fid) auef) bie nieberr^einifcr)en unb fad)* 
fifdjen ©ro&en pon biefem lo3, unb nereinfamt ift 
Dtto IV. am 19. SJcai 1218 auf ber £>arjburg geftorben. 

2Il§ Orriebncf) EL aud) in $eutfcr;lanb $ur $err* 
fdjaft gelangte (1212 big 1250), roar er, obwohl erft u 1 
ad^tjer;n %a\)te alt, boef) fdjon ein fertiger 9Jlann. ©e= 
reift in ber Sftot einer trüben, oon Untreue unb Verrat 

18* 



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190 



$ie beut|dj*römif<$e Jtatferaett 



umgebnen 3^9^/ fanö* 3*ü einmal fetne§ (Srb* 
lanb§ Milien fieser, fjatte er frü§ bie Sflenfdjen beob* 
achten, fennen unb benutzen gelernt. $)ie tiefe Setben* 
fct)aft feiner Statur $ügelte er burdfy fefte ©etbftbe^err* 
fdmng; immer erfdjten er Dornebm4ieben§roürbig unb 
in ruhiger $ol)eit; aber mit jd^er <£ntfd)loffenl>eit 
©erfolgte er feine 3iele, unerfcf)öpflic^ unb unbebenfttcf) 
mar er in feinen Mitteln, t)ofl ariftofratifd^meltmännifd) 
überlegner SRulje im §anbeln, allem roben, baber aud) 
allem friegerifcfyen SBorgetyen grünblid) abgeneigt, obroofjl 
er ein furdf)tlofer Sftann mar. $8on glänjenber Begabung, 
t)atte er ftd) auf bem nodj tyalb arabifdjen ©Milien, 
roo bie ©erfdjiebenften ßulturelemente unb alle ftnter* 
effen ber 9Jhttelmeerlänber $ufammentrafen, eine um* 
faffenbe SBilbung angeeignet unb fiel) burdjbrungen mit 
ben 2Beltt)errfd)aft3gebanfen be§ *8ater3. ©ein Sbeal 
faf) er in ber reifen unb reichen ftdbtifdijen Kultur be§ 
©übenS unb in ber ^oHgeroalt arabifd)er ftürftenmadjt. 
SHf ftrd)li$en ^been liefen ifm ffilil, unb in $eutfcf)* 
lanb füllte fid) biefer geiftoollfte aDer £obenftaufen 
aU ein grembling; %a§ ift fein unb feines $8olfe3 
Unglücf geworben. 
f*tfcte ® enn °* e Ghmnblage feiner 3ftad)t unb ben 2JHttel* 
J%Ä punft feiner Sßeltpolitif fal) er fteti in feinem fi$tlifd)eu 
nmtn bie ©rbretd). 3tt>ar fjatte er e§, um bie päpftlid&e 3uftimmung 
SürfSn" * ut Ü&e rna *) me oer beutfd^en ®rone ju gewinnen, feinem 
erft einjährigen ©olme £>etnrtd) unter ber D^egentfdmft 
feiner ©emal)lin ^onftanje oon 5lragonien übertragen, 
aber er l)ielt immer an ber Sßerfonalunion ©ijilienS 
mit$eutfd)lanb feft unb fud)te fidjbafür bieUnterftüfeung 
ber beutfe^en dürften mit allen, aud^ ben bebenflidjften 3u- 
geftänbniffen ju fi^ern, obne einen Söerfud) $ur bringenb 
notmenbigen S^eugeftaltung ber beutfdjen föeid^oers 
faffung &u machen. 2)a§ o^ne^in lodere S8erl)ältni§ |it 
53öl)men loderte er nod) meljr burd) ben Vertrag oom 
26. September 1212, inbem er Dttofar I., abgefefjen t»on 



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2)ie SöMtmad&tpotttir beS ftaifcttumS 197 



ber 3 urt, eifung bebeutenbcr ©ebiete auf bcr nörblidjen 
Slbbadjung be§ @r$gebirge3, bic &önig§roürbe beft&tigte, 
bic ^noeftitur bcr $8ifd)öfe jugeftanb, ifm vom Sefud) 
ber 9ietd)§tage au&er in Dürnberg, Samberg unb 
SJierfeburg entbanb unb ben böhmifdjen 3^ug für bie 
ftomfaf)rt auf 300 2Nann fjerabfefcte. SÖett tiefer griff 
e§ nod), wenn er in ber ©olbbuöe oon (Sgeram 12. 3uli 
1213 ben geiftltdjen dürften unb bem Zapfte ade 3« 5 
gcftänbniffe OttoS IV. beftdttgte unb am 11. 9flai 1216 
aud) nod) bie fogenannten Regalien (bifd)öflid)e ®m= 
fünfte n>äf)renb ber Sebi§r»afana) bem ^apfte überlief 
(£nblid) verbot er in bem ^ßrioilegium com 26. 2lpril 
1220 bie @rrid)tung neuer (nämlid) föntglidjer) 
unb 2Jiün$ftätten in ben geiftltd)en Territorien unb bie 
Ausübung irgenb welcher §ol)eit§red)te burd) föniglidje 
Beamte in ben 8ifd)of3jtäbten, t^at aud) fonft alle§, 
um bie felbftänbige ©ntnritflung biefer ©emeinben §u 
fn'nbern. ^nbem er fomit auf bie nridjtigften finanziellen 
SRedjte ber ^rone S3erjid)t leiftete, ftatt fte au§$ubtlben, 
legte er ben ©runb jur »ollen Canbe§l)of)eit $unäd)ft ber 
geiftlidjen dürften. Unb in bemfelben $Iugenblirf, roo 
biefe tf)atfäd)lid) aufhörten, „bie ©äulen beS 9tetd)3" ju 
fein, begannen aud) bie 2THnifterialen, burd) Segnungen 
mefjr unb me^r felbftanbig geworben, if>rc SBebeutung 
al§ juoerläffige 9teid)§beamte $u verlieren. Wlit fo 
Ungeheuern Dpfern an 9*eid)§red)ten ertaufte f^riebridt) 
im Slpril 1220 bie ®rf)ebung feine§ jungen ©of)ne§ 
§einrtd) (VII.) jum beutfdjen Slömg, alfo bie (Sicherung 
ber ^erfonalunion beiber SReidje. fjür feine eigne be= 
uorftefyenbe Slbroefenljeit übertrug er bem ($r$bifd)of 
(Engelbert uon ®öln bie DleidjSoernxferfdjaft, zweien 
ftaufifdjen S ITC imperialen bie @r$iel)ung be§ jungen 
ßöntg§ unb bie SBerraaltung ©djroabenS; nodjmalS 
übernahmen alfo geiftlidje dürften unb 9*eid)3minifte* 5debv{rf) 
xialen mit 2tu3fd)lu& aller Saienfürften bie Oberleitung. 

$a§ afle§ ^atte öriebrid) nur mit beftänbiger $apfitum 



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198 



Die beutf#«römtf<$e flaifcrjctt 



föücffidjt auf ba§ ^apfttum orbnen fönnen, benn bem 
©runbgebanfen ber ftauftfdjen ^olitif ftanb bie§ fetab* 
Ii er) gegenüber. 2Jcit bem großartigen ßateranfonjil 
im Sftooember 1215, ba§ burd) bie 3lnna^me bet 93rot* 
oern)anbIung§Ief)re im 2lbenbmaf)l bie 2ttittlerfteHung 
be§ ßleruS anrifcfjen ©ott unb ben aHenfcfjen bogmatifcrj 
aoDenbete unb gegen alle 9lbroeid)ungen r»on ber Stireren* 
lef)re Steuer geriete oerorbnete, l)atte ba3 ^ßapfttum 
eine biätyx unerhörte £>öf)e be§ 3Infer)enö erftiegen. SDie 
römifcfje Ätrd)e, ntd)t ba§ römifdj'beutfcfje Dieid) erfdnen 
al§ bie gemeinfame Organifation ber crjriftli$en Söelt. 
2lber jur $urd)fül)rung be§ eben bamalS betroffenen 
$$reuj§uge§ mar für Qnnocenj III. bie §ilfe be§ ftatfer* 
tumS unentbehrlich, unb fein ^tacfjf olger |>onoriu§ III. 
(1216—27), ber nur biefen Plänen lebte, ließ ftd) be§* 
rjalb nicfjt nur bie $lnorbnungen 3rriebrid)§ II. gefallen, 
fonbern frönte tfm auef) am 22. 9lot»ember 1220 an* 
ftanb§lo8 $um ßaifer gegen ba§ ©elübbe be§ ftreu^ugg. 

2>ic9{ctc^§= 2)ie ©runblagen ber 2öeltpolitif §einrtd)§ VI. 

«IriSfrS?« maren mit ber 3uftimmung be§ $apfttum§ nrieberge* 
n. monnen. ©ijilien wollte ftriebrtcf) al§ unumfrfjränfter 
§err, Italien nad) ber Söerfaffung ftriebrid)§ L, 3)eutfd)* 
lanb im ©inoernef)men mit ben geiftüerjen durften 
regieren; ber nod) roef entlief) länblicr)*ariftofratifd)e 
Horben foflte xr)m bie militärifdjen, ber ftäbtifd)e 
<5üben bie finanziellen Gräfte liefern. $lber er felbft 
er f djütterte ben innern 3ufammenl)ang feines mitteleuro* 
päifd)en *Keict)§ baburd), baß er ben beutferjen s JJlinifte= 
riaten bie SBerroaltung §t$ilien§ naf)m unb im ftönigretd) 
Italien ba§ 93urgenfnftem jum Steil aufgab, obroorjl 
er 3)eutfd)e bort noef) in ben oberften Stellungen ließ, unb 
er mar ntcfjt imftanbe, bie Sombarben, bie mäfjrenb 
be§ 93ürgerfrieg§ bie Regalien größtenteils an fid) ge* 
riffen Ratten, unter bie S3ebingungen be3 Äonftanjer 
ftriebenS surüefaugmingen ; fie fdjloffen r>ielmef)r im 
s Uiär$ 1226 einen neuen ©täbtebunb, unb aud) ber 



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$te SÖeltmacMiotMF be3 ßaiferttimS 



199 



©chiebSfpruch be§ $apfte§ 1227 ftellte bie faiferliche 
Autorität über bie ßombarbei teine§meg§ ^cr. 

Unbeirrt baburcf) »erfolgte 3rriebrich feine oor 8M*fcrM()« 
allem gegen ben Often gerichteten Söeltmadjtptcine. @r mttt\ 
erhob ben großen §ochmetfter be8 beutfdjen DrbenS, ben jjjggj 
St&ürtnger ^ermann oon ©alja, zum SHeichSfürften ««* Jj* 
unb wie3 i^m ba§ z u erobembe $reu&en mit allen ' jug " 
$oheit§rechten zu (1226), um an bem Crben eine fefte 
©tütje im Orient zu gewinnen; er »ermählte ftd^ 1225 
mit Solantha oon ©rienne, ber Gfcrbtochter be§ König* 
reicht ^erufalem, um einen felbftänbigen 2lnfprud) auf 
biefe Krone zu erwerben; er fdjob enblich ben mehrfach ge- 
lobten Kreuz$ug hinauf um bie 2Jctttel zu befefjaffen, 
ihn al§ datier, nicht al§ Kreuzfahrer zu unternehmen, 
©rft al§ ber Nachfolger ßonoriug HL, ber leibenfehaft? 
liehe ®rei§ ©regor IX. (1227-1241), ben Kreujjug 
fturmifch forberte, nachbem bet 1217 begonnene in 
s 3ignpten 1221 fläglich gefcheitert mar, fammelte g-rieb- 
rieh 1227 in &en apulifchen §äfen etwa 50000 meift 
beutfehe Kreuzfahrer. 5lHein Krantyeiten, bie t>iele, 
barunter ben Sanbgrafen ßubwtg IV. oon £hü*ingen, 
ben ©emahl ber ^eiligen (Sltfabeth, wegrafften unb 
benKaiferfelbft ergriffen, §n>angen ihn, ba§ Unternehmen 
aufzugeben. 3" tfnnlofer ©ntrüftung bannte ©regor IX. 
ben angeblich wortbrüchigen Kaifer; ber aber fegelte 
bennod), bem SSanne trofcenb, im 3uni 1228 mit etwa 
11000 üftann t>on Sörtnbift au§, zwang unterwegs 
Gnpern zur Erneuerung be§ Sehn§eibe§ unb lanbete 
am 7. September in 3lffon. Obwohl twn bem päpft* 
liehen 93anne auch h^r oerfolgt unb oon bem Übel* 
wollen ber franzöfifchen SRitterorben, ber Johanniter 
unb Templer allerorten gehinbert, erlangte er bod) 
burch getiefte SBenufcung ber Sage vom ©ultan 
(Sl*Kamtl am 18. Februar 1229 einen «ertrag, ber 
ihm 3erufalem, Bethlehem, Sflazareth unb ©ibon, 
fowie bie fianbftriche jwifthen Qerufalem unb Qoppe, 



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200 



2>tc beutfd)*römif(l)C Äaifcrjctt 



•ifta$arert> unb 3lffon überließ. Söentge ©tunben lanb* 
einwärts oon 9IHon grünbete bamal§ ^ermann von 
Salja ba£ £>auptf)au§ be§ beutfdjcn €)rben§, bic 
(starfenburg (SWontfoTt), griebrid^ II. aber fefcte fid) 
am 18. Wläx$ in ber ^eiligen ©rabe§fird)e bie £imig§= 
frone von Serufalem auf3 £aupt, obwohl ba3 päpft* 
Itd)C ^nterbift auf ber fyeiltgften ©tätte ber (£t)riften* 
r)eit lag. darauf eiligft fyeimiefjrenb, oerjagte er 
mit feinem beutfdf) * arabifcrjen ©olbfjeer bie päpft* 
liefen „©djlüffelfolbaten," bie injmif^en in Spulten 
eingerüeft rnaven, mit Ieidjter 9Jlüf)e au§ bem ßanbe 
unb erlangte im ^rieben von ©an ©ermano am 
28. Sluguft 1230 bieSöfung »om ©ann, inbem er ber 
®ird)e bie mittelitalienifcrjen „SRefuperationen" jurücf= 
gab. Unatoetfelfjaft fjatte feine 2Mtpolitif einen glän= 
jenben ©ieg baoongetragen, unb er benutzte ben ^rieben 
mit bem ^apfte, um burd) bie „ftonftttuttonen" oon 
9Mft im SJuguft 1231 fein ft$ilifd)e3 ©rbreid) ooüenbg 
in einen ftnanjfräfttgen, abfoluten Beamten* unb 
SRilitärftaat urnjuroanbeln. 
auk bev Allein bie beutferje Nation folgte biefen SBeftrebungen 
.^rniSafl «t(^t me&r, roie einft unter ftriebrid) «arbaroffa, fie 

l Set 6 ^«S 10anbtc ^ rc Ära P mc ^ 9 c 9 en bcn ® ÜDe «/ fonbern nad) 
bem Dften unb Horben, unb ba oa§ ßaifertum biefen 93e* 

ftrebungen fernftanb, fo blieb if)re ßeitung, roie fett 

rmnbert Sauren, bem ftürftentume m0 ben aufblü^enben 

©täbten. 3rriebrid) II rjatte bie bänifcfje $errfdjaft 

im Dften ber (£lbe 1214 burd) förmliche SInerfennung 

befeftigt, if>re ^erftörung mar ba§ felbftänbige Söerf 

ber lanbfcfjaftltcfyen ©eroalten, ^ßerfönlid) geregt be* 

mäd)tigte fict) ©raf §einrid) oon ©djroerin im 3Hai 

1223 bei einer Qfagb auf ber Qnfet finö im fleinen 93elt 

ber ^erfon ßönig SöalbemarS II., unb ba biefer ben 

oon ber bäniferjen unb ber beutfe^en SRetcfjSregterung 

gefd)loffenen 3lu§Iieferung§oertrag ntd)t anerfannte, fo 

oerbanb fid) §einrid) mit bem ©rafen 5lboIf IV. oon 



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$te aoßertmad&tyolitif bc8 flaifertumS 



201 



£>olftein unb bem ©r^bifdjof ©erwarb II. von Bremen 
unb fdjlug mit tfjnen im Sanuar 1225 bie £)änen bei 
Wöün. Muri gab Söalbemar nacf>, t>erfpra<f> 45000 Waxl 
Silber (über 10 mü. Wlaxt) $u jaulen unb bie beutfdjcn 
£anbf d)af ten f üblid) von ber @iber ju räumen. s 2töein t aum 
war er frei, fo liefj er fid) oom Zapfte be§ @ibe§ ent* 
binben unb brad) im ftebruar 1227 in £>olftetn ein. 
$a erlitt er am 22. Quli bei 93ornf)öüeb nörblid) von 
©egeberg gegen bie Dereinigten ©treitfräfte ber dürften 
be§ 9?orboften§ unb ber ©täbte Hamburg unb Sübecf 
bie t>ermd)tenbe 9Heberlage, bie ber bänifdjen §err* 
fd)aft im ©üben ber (Siber ein @nbe machte. 3)ie 
©d^aumburger fefjrten nad) £>olftein §urücf, bie $>iet* 
marfdjer traten roieber unter bie lofe Dberfyofyeit be§ 
©rjbigtumg Bremen, ba§ gleid^eitig bie oielbeftrittne 
©raffdjaft ©tabe enbgiltig erroarb, fiübecf fiel unter 
einem faiferlicf)en 93ogt an ba§ $eid) unb bewährte 
feine junge ©eemadjt in bem deinen fiege bei Sßarne* 
münbe 1234, ber bie beutfcfye Dftfeetyerrfdjaft einleitete. 

Snjroif d) en fyatte Engelbert oon ®öln feine ©teQung äonfim 
felbft untergraben, inbem er unter bem (Stnfluffe feiner f^j^ 
nieberr^einifc^en Überlieferungen, alfo im ©egenfafce ^ . 
jur ftaufifdien ^ßolttif, bie $8ermäl)lung be§ jungen rtduvn.) 
ÄönigS §einrid) (VII.) mit einer englifdjen ^ßrinjefftn er* 
ftrebte. £)er ßatfer aber oerlobte ir)n mit 2ftargaretf)a 
von Dfterreidj (9tooember 1225) unb erljob, al§ @ngel= 
bert eben bamal3 tion einem perfönlidjen ftetnbe, bem 
©rafengrriebridöoon^fenburg, ermorbettoorbenroar, im 
3uni 1226 einen meltlidjen gürften, ben ©erjog Cubroig 
von Säuern, jum 9ietd)§oertt)efer. $)od) ba biefer bie 
©täbte adjufeijr begünftigte, fo erf)ob fid) §einrtd) (VII.) 
fdjon 1229 gegen it)n unb bilbete eine neue 9ftinifterialen* 
regierung, bie nun freilief) ba§ gan$e gürftentum gegen 
fid) Ijatte unb aud) ber faiferlidjen Seltpolitif ntd)t 
entfprad). $)enn bie alten großen ©eftdjtSpunfte Ratten 
bie 9ftimfterialen auS bem 3luge oerloren, tt)r 3iel 



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202 $ie bcutf*.römtf4c Äaiferaeit 



war jefct, $>eutfdf)lanb unter bet felbftänbtgen Regierung 
§einrid)§ (VII.) oon Statten unb ©ijilien *u trennen. 
Um bafür aud) bie dürften *u gewinnen , gewährte 
ifjnen §einrid) im Januar unb 2ttat 1231 neue um* 
faffenbe 3ugeftänbmffe. @r oerfprad), feine neuen 
©tübte *um Sftadjteil ber ftürften *u errichten, oerbot 
ben ©täbten bie Slufnaljme oon (aufcertjalb wol)nenben) 
Pfahlbürgern unb alle ftäbtifd)en ©inungen ober SBünbe, 
wenn fie nidjt bie gemeinfame 3uftimmuug be3 $önig§ 
unb ber dürften ptten. 9lufjerbem oerbriefte er biefen 
nidfjt nur alle erworbnen 9tod)te in it)ren Territorien, 
fonbern gab tljnen audfj nodj ba§ 93efeftigung§red)t unb 
ba§ 9tedjt ber Territorialgefefcgebung mit 3uftimmung 
ber Notablen (magai et meliores). griebrtd) II. aber 
wufjte bie ©efaljr für fid£) nur baburdfj abzuwehren, 
baj$ er auf bem 9tetd)§tage oon föaoenna im Qanuar 
1232 alle olme Erlaubnis ber *8ifd)öfe etngefetjten 
ftäbtifdjen Horben aufhob unb ben »ifööfen bie 
Verwaltung ber Stäbte unb iljrer Regalien allein über= 
trug. $n ber fdjroffften Söcifc nal)m fomit bie ftrone 
für bie fürftlicf)e Territorialgemalt gegen bie Stäbte 
Partei. S)en näd)ften Qrotd erreidjte fjrtebrid), benn 
£>einr id) unterwarf fid) im Slpril 1232 bem SBater 
in ©ioibale; aber baburd), bafj er im Sftooember 1234 
ein geheimes 93ünbni§ mit ben lombarbifäen Stäbten 
fdjlofj, trieb er ben ®aifer §um äufjerften. $>urcf) feine 
SBerbung um ^fabelte oon ©nglanb entzog er bem 
<Sofme ben oon biefem erhofften 9tüdf)alt unb erfd)ten 
im ©ommer 1235 mit glänaenbem fremblänbifdjem 
©epränge in 2)eutfd^anb. Von ben dürften oerlaffen, 
unterwarf fl$ §einrid) am 12. 3uli in 2öorm3 olme 
SBtberftanb, bie ftaufifdjen 3Kinifterialen in Schwaben 
fügten fid) nadj furger ©egenmefyr. 
m ? ic v 55er lefcte fcbwacfye 2lnfa£ au einem SReidtöbeamten* 
SHeid^ßuts tum war bamit enbgiltig befeitigt. Übrig blieben für 
bie unmittelbare $Retd)3üerwaltung nur nod) bie 9*eid)3- 



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$ie 90ßettmac$n>oritif bcS AatfettumS 



208 



ftäbte unb einige jerftreutc Domänenbejirfe; fonft ftanb 
ba§ SKeich im roef entließen unter ber Terrttorialhoheit 
ber ftürften, bie ftriebrich II. felbft fdjon 1231 al§ 
w 2anbe§f)erren" (domini terrae) bezeichnete. $er Sfaifer 
organifterte jene Domänen algßanboogteten unb begnügte 
ftd) im übrigen auf feinem legten glänjenben 9letch§tage 
in aJtoüta Sluguft 1235, einen allgemeinen ßanb* 
frieben unter ben dürften ju gebieten, inbem er al§ 
feinen ©tedoertreter unb oberften @d)ieb8rid)ter ben 
„gofrichter" Q'udex curiae) einfette. $)abei erhob er 
bie roelftfchen ©rblanbe jum §erjogtum Sraunfchroeig* 
Lüneburg, alfo ju einem gefchloffenen reid)3fürftlichen 
Territorium. @ine2Nöglichfeit, bemftatfertum eine f efter e 
«Stellung ju oerfefjaffen, bot ftd) jefct nur noch in ber @in< 
äiehung größerer fürftltcher Territorien für ba3 Dtcid). 
3)a§ gefdjah fdjon 1235 mit Schwaben, 1237 nach ber 
Ächtung ftriebrichä be§ Streitbaren (1236) mit Dfterreicf) 
unb ©teiermarf. 9tocf)bem ftriebrich bann in SBien 
noch feinen ©ohn ftonrab (IV.) jum Nachfolger hatte 
anerlennen laffen, oerltefj er im Sluguft 1238 3)eutfd)' 
lanb ^um jmeitenmale. Sein unb feineä §aufe§ Schief fal 
ooflsog ftd) fortan in Italien; auf $)eutfd)lanb hat 
feine Thätigfeit nur noch mittelbaren (Sinflujj 

geübt. 

Wlit bem^apfttum hatte er feit 1230 äußerlich in *£ emta 
gutem ©inoernehmen geftanben. @r hatte bie neuen r ° mm " 
bemofratifchen 93etteIorben ber ftranji§faner uno 
$)omtnifaner, bie al8 eine ftraff jentralifierte ftreitbare 
WIM* ber ftreitbaren Ätrche bie oernachlaffigte Seel* 
forge burch ^rebigtunb Söeichthören, oor allem in ben 
©täbten, übernahmen, in ihrer rafcfjen Ausbreitung eher 
begünftigt al§ gehemmt, gegen bie ßefceret fogar 1220 
unb 1232 graufame ©bitte erlaffen unb ben furcht* 
baren Äefcerrichter ßonrab oon 3J?arburg gemähren 
raffen, bi§ er 1233 crfchlagen rourbe, unb ein föetch§= 
tag in Sranffurt 1234 bie klagen gegen ßefcerei an 



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204 3>w beutfä-Tömiffle Äaifcracit 

bie orbentlichen ©erichte oernrieS. 3n bcmfelben Safere 
aber erlag am 27. 2Kai bei Dtbenefch bie freie friefifd)e 
33auernfchaft ber ©tebinger jroifc^en gunte unb SBefer 
nach ^elbenJ)after ©egenroehr bem fünften ^reu^eere, 
ba§ ihre fürftlichen Nachbarn unter bem 93ornmnbe 
einer Kefceroerfolgung gegen fte heranführten, um ihre 
alte frreihett §u oerntchten. 
fiomw mit ^rotj btejer $)eootion gegen eine unbulbfam wer* 

Ö barbctr s kwbe Äirdhc, bie bem greigeift ^riebrid) nicht »on 
ffcuÄ' £erjen fam, beftanb fein (Snnnernehmen mit bem ^ßapft 

"Sopft? 1 W* ^ßrobe md)t, al§ er baran ging, bie Roheit be§ 
9*eich§ über bie Sombarben roteber aufzurichten unb 
fomit thatfachlicf) bie territoriale Einheit Statten? ab* 
jufchliefjen. 9ktdh feinem gldnjenben Stege über bie £om* 
barben bei ßortenuooa am Dglio im SJZooember 1237, 
ber ihm faft alle ©täbte mit 9lu§nahme von $Ueffanbria, 
SJtaitanb unb wenigen anbern unterwarf, begann er auch 
im Königreich Stalten eine ber foilianifchen nachgebilbete 
S3ermaltung burch italienifche Beamte einzuführen ; er er* 
nannte folche auch für *>ie päpftlichen SRefuperationen 
unb übertrug 1238 fogar bie 3nfel Sarbimen, bie feit 
§onoriu§ III. unter päpftlicher Roheit ftanb, feinem 
ßiebling§fohne ©nsio. $>a§ führte $um ©ruche. Schon 
im Sflooember beSfelben $ahre§ oerbünbete fich ©regor IX. 
mit ben noch unabhängigen Sombarbenftäbten , oor 
aflem mit ©enua unb $enebtg, unb fchleuberte am 
20. 2ftär$ 1239 jum zweitenmal ben SBann gegen ben 
Kaifer. 

etcfl bes S)et erbitterte Kampf, ber nun begann, war oiel 
fttijfer»; me ^ r cin fingen um bie Einheit StalienS unter bem 
«ionaoicit^ Kaifertum als ein ^rinjipienftreit, erregte beShalb in 
vw* 2) CU tfchlanb feine gro&e Teilnahme. 9?ur JJrtebrich ber 
Streitbare ertrofcte 1240 bie föücfgabe feiner Sänber; 
bie faiferlichen unb bifchöftichen Stabte ftranfenS unb 
Schwabens fanbten bagegen fd)on 1239 §üfgtruppen 
nach 3talietl. 9Jht folcher ©Ufe breitete ber Kaifer 



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S&ie aOßettmac^tpotitif beS Äaifertumä 205 



burd) ©njio feine |>errfchaft über ba§ päpfilid)e OTittet* 
ttalien au§, naf)tn felbft SHawnna unb gaenja 1241, 
liefe burd) ©n$io eine genuefifd)e glotte, bie cnglifd)c 
unb franjöfifdje S8ifrf>öfe jum Äon^tl nach dlom führen 
follte, am B. 2flai 1241 bei ©Iba wegnehmen unb fcf)lo& 
bann dlom felber ein. SBcficgt unb ^alb Bezweifelt 
oerfchieb ba ©regor IX. am 21. Sluguft 1241 faft 
hunbertjährig. 5luf ben ©ang be§ gewaltigen Kampfes 
übte felbft bie furchtbare 3Jlongolengefahr, bie 1241 au§ 
bem fernen Ofien bli^fchneD heranzog, feinen befonbern 
©influfe. $enn bie rohen Staffen biefer ©teppenretter 
brauen fid) an bem SBBtberftanbe ber beutfchen Kultur 
in ©d)lefien unb Fähren, an ben feften dauern ihrer 
©tcibte unb SSurgen unb an bem §elbenmute ber 
SRitterfchaft $er$og £>etnrid)§ von ©chlefien, wenn 
biefer auch ber Übermalt auf ber „Söahlftatt" bei 
Siegnifc am 9. 9lpril 1241 erlag, unb fo rafch wie fte 
gekommen waren, fluteten bie t>erheerenben Söogen 
wieber jurücf nach bem Dften. 

©o beherrfdjenb mar nun bie © eflung be§ ftaiferS sniwcenj 
im ©üben, bafc ber päpftltche ©tubl oolle anberthalb U1 f ö v bic 
Sa^re unbefefct blieb unb bie 2Kögltchteit auftauchte, ®ntigunn 
bie päpftliche ©eroalt werbe gänzlich üerfchwtnben. m\zta 
$ie§ aber erfüllte bie großen dächte roie bie beutfchen 
93ifd)öfe mit ber äufjerften S8eforgni§ um ihre eigne 
©elbftänbtgfett. $)af)er fdjloffen ©iegfrieb von 2ftatn$ 
unb ®onrab von ftöln ein $8ünbni3, anbrerfettS brängte 
£ubwtg IX. von ftranfreid) in dlom ju einer neuen 
s £apftwahl. $)er ihm in $eutfd)lanb brohenben ©e* 
fa^r fudjte ftriebrtch baburd) s u begegnen, baf? er bei 
feiner legten 2lnmefenheit in S)eutfd)lanb im 5lpril 1242 
ben Canbgrafen föeinrtd) SHa§pe t>on Springen unb 
^önig Söenjel von Böhmen $u feinen ©teHoertretern im 
deiche ernannte unb einer SHeihe von ©täbten tyxivu 
legien gab, alfo bie Saienfürften unb bie ©täbte gegen bie 
^faffenfürften auSfpielte. $ie neue ^apftroa^l aber 



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206 



3)ic beutf(^römifd)e ftaifcrjeit 



erhob am 25. 3um 1243 ben ©enuefer Simbalb ftieäco 
©rafen von fiaoagna al3 3nnocen$ IV. (1243—54). 
93igf)er ein ftreunb be§ ßaiferg, fcfjlofj er mit biefem 
am 31. SHärj 1244 einen billigen ^rieben unb r»erfprad) 
feine Vermittlung für bie Sßerhanblungen mit ben £om- 
barben; ba btefe jebod) Schmierigfetten machten unb 
bie innere ^onfequenj feiner Stellung ihn auf bie Seite 
ber ©egner be§ ®aifer§ brängte, fo ging er $u 3lnfang 
Quli mit ben ^arbindlen nach ©enua unb t>on bort 
über bie $llpen nach Snon. .gier, außerhalb be§ faifer* 
liefen S3ereich§, berief er ein ßon$il, unb bte§, mit be* 
rechneter Überftürjung corgehenb, fprach am 17. 3uli 
1245 über ben Äaifer roegen Satrilegium, Felonie, 
5Jieineib§ unb ßefcerei bie ©ntfetmng au§ unb löfte 
feine Untertanen vom (Sibe ber £reue. 2>a§ Sßapfttum 
hatte bie fteilfte $öhe feiner 9Jtod)tanfprüche erftiegen. 
9iun mahlten am 12. 2Kai 1246 bie brei rhemifchen 

«X- ® r 5 bi W ö f c mit eini 9 en Mb*™ 3U Sßeit§^öd)f)eim bei 2öür^ 
5rtcbrid)g bürg ben Canbgrafen $ ein rief) 9ta§pe von Xljü ringen 
jum ßönig. £)och hielten ftch bie weltlichen dürften gan$ 
jurücf,unb bteStäbte be§@üben§ unterftüfcten ben ßöntg 
ftonrab (IV.) fo energifch, baf* biefer ft<h behaupten 
fonnte, jumal ba ber ©egenfönig fdjon am 17. Februar 
1247 auf ber Ijeunifd&en SBartburg oerfchieb. ©rft 
ber 9lbfafl ^ßarma§ com ftaifer, ber bann In* er am 
18. fjebruar 1248 eine fernere 9heberlage erlitt, er* 
mutigte bie rheinifchen (Srjbifchöfe, am 3. Ottober 1247 
in ber Sßerfon be§ jungen ©rafen Sötlhelm oon ©oflanb 
einen neuen ©egentömg aufstellen, unb roieberum 
mafien fich bie Gräfte ber nieberrheinifchen unb ber 
fd)tüäbifd)-oberrI)emifc§en 8anbe in »erheerenbem 93ür* 
gerfriege. 2lber bie Sache be§ $aifer§ behauptete fid) ; 
ja er fonnte fogar nach bem ftaüe 3r^ eDr ^ § oe * 
Streitbaren gegen bie Ungarn bei SBiener *9leuftabt am 
15. 3uni 1246 Dfterreid) unb Steiermarf für baS fteid) 
eingehen unb fpannte bie legten Gräfte fetneg fljilifd^cn 



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2)te aoßeltmadjtpolitif beö Äatfertumä 



207 



(Srbreicf)§ a u einem neuen ©tof?e auf dlom an. $)a er* 
eilte ben föaftlofen am 13. S)ejember 1250 in feinem 
<5d)loffe gfattntino bei fjoggia in 5lpulien ber £ob. $ln 
ber ^etfonalunion ©ijUienS mit bem SHetdbe unter &on* 
rab IV. unb an ber Unabhängigkeit be§ ßatfertumS vom 
s £apfttum, alfo an ber ©letcrjberecrjtigungbeiber ©eroalten 
bat er unerfdjütterlid) nod) in feinem £eftamente feft» 
gehalten. $>arin liegt feine ©rö&e. 9lber feiner bat 
mebr al§ er bap beigetragen, bie ©efamtoerfaffung 
ber Nation aufaulöfen unb bie fürftüdje territorial 
bobett au förbero, um feiner 2Beltmacf)tpolittf roiHen, 
bie mit feinem £obe ju @nbe ging. 

£rofcbem bat ttjm ba§ beutfdje Sßolf lange 3^it ite 
ein treue§ Anbeuten bewahrt. S)emt ftriebrieb IL roar Ärtl!crfaflC 
ber lefete SBertreter be§ alten $atfertum§, unb je troft- 
lofer nad) feinem ©nbe bie 3uftänbe mürben, um fo 
mef>r oerflärte ftä) in ber Erinnerung fein SBilb. $a§ 
S8oIf rooUte nidjt glauben, bajj ber ftaifer, ber fern von 
ber £>eimat oerfebteben mar, rotrflief) geftorben fei; e§ 
üerfdjmola feine ©eftalt mit ber ®arl§ be3 ©rofcen unb 
bietete, baft er in einen 93erg entrüeft fei, aber bereinft 
roieberfebren roerbe, um ba§ jerrüttete SReid) ju erneuern 
unb bie entartete ßtrdje au beffem. 2ftebr unb me^r 
fnüpfte ftd) biefe ©age an ben Änfföäufer bei ber 
^obenftaupfeben ^ßfala £iüeba; erft unfre Qtit §at fte 
auf fjriebrid) 93arbaroffa übertragen unb mit biefem 
nrieber ^aif er 2öilf)elm§ I. ebrmürbige ©eftalt oerfnüpft 

fJriebrtd^S $au§ fanb im ©üben ben Untergang, untergan« 
©dron im §erbft 1251 gab ftonrab IV. $eutfd)lanb auf, §o£\u 
um fein fiailifd)e3 ©rbreid) anautreten. 2113 er bort im ^ufen 
2Hai 1254 ftarb, ging ber SInfprud) auf feinen ©obn, 
ben Knaben (Sonrabino (geb. 1252) über, bie tfyaU 
fäd)lid)e §errfd)aft auf feinen ©tiefbruber 2ftanfreb, 
ber fie erft in ber <5d)lad)t bei 33eneoent am 26. ftebruar 
1266 gegen ben päpftltdjen SBeroerber ßarl oon SInjou 
cerlor. ^onrabin aber enbete, nadfjbem er biefem 



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208 



Sie beutfd^römifd&e Äatferaeit 



bei 2agUaco33o in ben Slbru^en (23. Sluguft 1268) 
unterlegen roax, auf bem ftarmelttermarfte in Neapel 
am 29. Df tober al§ DiebeHj burch ba3 genfer* 
beil. $)och auch nach bem tragifchen Untergange be§ 
hochbegabten ©efchlecht§ lebten feine ©runbgebanfen 
in ber Partei ber ©hibeMnen unfterblicf) fort, fie oer* 
fchmoljen fpater mit ber ttalienifchen Sflationalibee 
unb haben fchltefjltch bod) über ba§ weltliche Sßapfttum 
triumphiert. 

Xcr 2tf> cr junächft waren in Qtalien wie in S)eutfcf) s 

©Ä' Ianb bic aIten @runbIa 0 en ber ^eich§einheit oöflig 
buttD jerftört, obwohl ßönig 2öilhelm hier feit 1251 allgemein 
anerfannt mürbe; nicht einmal bie urfprünglichfte aller 
ftaatlidjen ^flidhten, bie SBahrung ber Sicherheit, t>er* 
mochte ba§ Königtum non fich au§ in bie §anb &u 
nehmen. %a traten jum erftenmale, auch für bie 
Seitgenoff en fiberrafchenb, bie weftbeutfehen ©täbte als 
eine politifche Stacht heroor unb nahmen „wunberbar 
unb gewaltig" bie Behauptung be§ 9ietch§frieben§ sunt 
©chutje be§ freien $8erfehr§, ihre§ ßeben§element§, 
felbftänbig in bie §anb. 9lu§ einem 93ünbni3 jwifchen 
aRatnj unb 2Borm§ (ftebruar 1254), ber Stiftung be§ 
reichen 2lrnolb oonSBalpob in äftamj, erwuchs fchon 
1255 ein «urfb, ber gegen fiebrig ©täbte be§ 9ihem= 
lanbe§, be3 SftecfarthaleS unb ber äßetterau, oon $effen, 
Thüringen unb 2öeftfalen umfaßte unb balb nicht nur 
bie rheinifchen ©rafen unb Herren, fonbern auch 
größere gürftentümer i Bauern unb Thüringen) an ftch 
50g. £tug unb umfichtig trat ßönig Wilhelm felbft 
an bie ©pifce unb fuchte eine bauembe Organifation 
3U fdjaffen, inbem er feinem £ofrid)ter ben Sßorfifc be§ 
93unbe3tage§ übertrug, burch biefen einen 2lu§gletd) 
jwifchen ben fürftlichen unb ftäbtifchen Sntereffen 
anbahnen unb bie Abhaltung oon jährlich tner 93unbe§= 
tagen befchlie&en liefe. 3m ^iooember beftätigte er biefe 
Befchlüffe unb befteUte gu Schiebgrichtern in ben 



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£te.8GBeama#tpolittf bcS flaifertum« 



©treitigfeiten ber S8unbe£glieber feinen £ofri$ter unb 
ben 0teidj3fcf)u(Ujeij?en oon ftranffurt mit ©ieranbern. 
©in au§fid)t§rekf)er Anfang, ba§ 9ieid) auf ber ®runb= 
läge einer goberation ftöbtif <$er ■ unb territorialer ©e* 
walten unter ber Seitung be3 Äömgtum§ »»ieberfcerju* 
fteflen, war gemacht. 

3um Unheil für S)eutfd)lanb fiel ßönig. SSUljelm Xic 
fd)on am 28. Sanuar 1256 im Kampfe gegen bte auf* ^Sfu 1 
ftänbifdjen ^eftfriefen. Ob e3 nun ein Huger 99efd)lu& 
be§ r&etnif<$en StäbtebunbeS war, fu*) in ber.grage 
ber ftÖnigS mal) l für i neutral §u erflären unb nur ben 
Sd)ut3 be$ DfatcfySguteS $u übernehmen, ift fef)r jwetfel* 
^aft, benn baburdj überliefen fie bte (£ntfcf)eibung ben 
Surften unb bem ^apfttum allein. Unter ben S8k^U 
(Sur)fifrften aber, einem SluSfdjufc beS ftürftenftan* 
be3, ber jefct bte ®önig§tt>al)l in >bie §anb na^m, 
überwogen bie Catenfürften bie getftlü$en, von benen 
nur bte brei rfjeinifcfyen (£r§bifd)öfe jugelaffcn rour&en, 
ein S3ctt)ci§ / bafc ba§ politifdje 9lnfefyen ber SBifdjöfe 
fefyr fdjneU ^urücfging. £u- einer $erftönbtgung aber 
fam e§ ntd)t. «ielmefyr wallten bie rfjeinifcfyen ^ur* 
fürften (ßöln, SAatn*, ^Pfala) im Sonuar 1267 einen 
englifdjen ^kinjen, ben ganj unbebeutenben #iid>arb 
von ©ornroafltö, bie anbern ($rter, ©ad)fen, SBranben* 
bürg) im Slprtl 3llf<m3 X. non ©aftilten, ben <$nfel 
£onig >WUwS, für ben fid) f#on 1254 bte italieniföen 
©fjibeflinenftäbte auSgefprodjen Ratten. SSebeutung 
gewann feiner biefer beiben ©d>attenföntge, non&enen 
nur 9ii$arb twrübergefyenb in 3)eutfd)lanb erfdjien, 
aud) $u einem neuen Söürgerfrtege fam e§ baber nid)t, 
it>ot)l aber fpaltete bie $>oppelwa§l ben rljeimfcfjen 
SBunb, unb fo ging ber erfte $8erf ud) gu einer föbera* 
ttoen «erfaffung be§ 9ietd)§ fläglirf) ju ©runbe, .unb 
ber ©onbergeift behielt junä^ft ben Sieg. fbbere^ 
war e§ ba§ 33erl)ängni§ be3 beutfe^en R3olfe§, ^eUfiSbet 
bafj gerabe in bem Slugenblkfe, wo feine wirtfd)aftltd)e Mf»«fl 

$er 3Dßetbcgaug bcS beut|d>en S)olfc§ I 14 



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210 



Sil beutfdHÖmifd&e Äcuferaett 



©ntmtdlung roeit genug tjorgefdjritten war, um mit ber 
naturalrovrtfchaftltd)en $8erqutrfung be3 SlmtS unb ber 
93elehttung mit ©runbbeftfc au brechen unb ein mir! 
lic^eS befolbeteS $eid)3beamtentum aufjufteüen , bie 
Crgane unb bie Sfttttel ju biefer Reform festen. 
9Hd)t bem deiche fam baher biefe 2ttöglid)feit ju gute, 
fonbern ben dürften unb ben ©täbten. Auf biefen 
beiben neu auffteigenben dächten beruhte fortan bie 
polttifdje ©ntmirflung ®eutfd)lanb§. $)enn bie dauern, 
bie grofje 3Jiaffe be§ $8otfe§, waren längft nur nod) 
mtrtfchaftlich tfyätig unb nahmen am ©taate nur noct) 
mittelbar in f (einen Örtlichen *8erbänben teil; ber niebere 
Abel aber, mit bem bie 2JhnifteriaIen aflmählid) t>er* 
fdjmolaen, mürbe jefct, ba ihm faft ade gröfjern Auf- 
gaben burdj ba§ ©Reitern ber ßaiferpolitif ©erfperrt 
waren, unb ihm eine anbre al§ eine friegerifcrje Xfyixtify 
feit al§ unroürbtg erfchien, §u einer Saft, ja $u einem 
Sanbfdjaben ber Nation, au einem geinbe aller ftaat* 
liefen Orbnung. 

Am fchnellften unb fräfttgften bitbeten bie ©tabte 
eine moberne, fonaentrierte, auf (Mbfteuern unb per* 
fönlichen fieiftungen beruhenbe Sßerroaltung au§. $>iefe 
lag noch Dööig in ben £änben beS neuen ©tabtabelg 
(^ßatrijiat, ©efdjlechter), ber ftcrj au§ ben cenfuatifrfjen 
ßaufleuten unb ben in ber ©tabt angefeffenen 2JHnifte~ 
rialen gebilbet ^atte; bie nunmehr persönlich unbmeift 
auch binglich freien £>anbroerrer maren amar in 3ünften 
unter patriaifcr)en SJieiftem vereinigt unb frieg§bienft= 
pflid)ttg, entbehrten aber nod) bie innere Autonomie 
(alfo bie gerichtliche, polizeiliche unb ftatutarifdje ®e* 
malt in ihren Angelegenheiten) unb ben Anteil am 
©tabtregiment. $>a§ ©treben ber ©täbte ging nun jefct 
gegenüber bem ©tabtherrn barauf h™** 1 ^/ oie oon 
beffen Beamten nermalteten §oheit3red)te in bie $>änbe 
be§ ftäbtifd)en diat§ a u bringen, ©elang bte§ ooEU 
ftänbig unb amar fo, bafc bie ©tabtherrfdjaft überhaupt 



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$ie aDertma^tpoIttif be« ÄcttfcrtumS 211 



abgeworfen würbe, fo trat bie ©tabt unmittelbar unter 
ba§ SReid) unb würbe jur iHetd)£ftabt (civitas imperii), 
nur bem ftatfer oerpflichtet; behauptete ber ©tabtherr 
minbeftenS feine Roheit bei Söahrung innerer 5luto* 
nomie, f o blieb fte ßanbftabt. 3u SHeichSftäbten würben 
ohne eigentlichen äampf bie fönigltchen $fal$ftübte, 
beren ©tabtherr eben ber ßaifer war (Dürnberg, 
grantf urt a. Tl.), unb nad) oft heftigem unb langwierigem 
^Ringen bie meiften ©ifcbofgftäbte, oon benen fid) 
ßöln, bie größte unb wiebtigfte aller beutfeben ©täbte 
biefer 3eit, in blutigen unb erbitterten kämpfen 
(1251 big 1271) oon ihren ©rsbifchöfen Stonrab oon 
£od)ftaben unb Engelbert II. lo§rang, Strasburg flcf) 
mit Unterftüfcung be§ ©rafen SRubolf oon £ab3burg 
bie Freiheit in ber Schlacht bei $au3bergen am 8. 3ftära 
1262 oom SBtfchof SBaltber oon ©erolbSecf erftritt. 
SBon ben Sanbft&bten gelangten bie bifdjöflic^en bamalS 
nur teilweife ju einer fräfttgen Autonomie, wie ba§ 
er jbif höflich lölnifche ©oeft, beffen ©tabtoerfaffung 
unb ©tabtredjt bann weitbin im folonialen $)eutfd) s 
lanb ©eltung erhielt, unb in größerer 3<*bl bie laien* 
fürftlidhen ©ememben, wie 33raunfchmeig, ba§ febon 
1227 bie $er$ogltc$e Wogtet erwarb unb ben 3ünften 
0 rofce ©elbftänbigfeit oerlieb. Sie SHeichWftbte über; 
wogen im ©üben unD Söeften, fcb,on weil e§ bort 
größere gefdjloffene 2erritoriaIfürftentümer nicht gab, 
bie ßanbftäbte im Horben unb Dften unb oor aOem im 
folonialen 3)eutfchlanb, weil t)icr ba3 Kaifertum längft 
jurücf getreten war, unb bie 2Hacf)t ber Saienfürften in 
biefen eroberten Säubern oon Anfang an fefter ftanb. 
3)a e3 auch fpäter ben ©täbten nirgenbS (aufjer in ber 
nachmaligen ©d)mei$) gelang, ba§ platte fianb, 2Ibel 
unb ^Bauern, im weitem Umfange ihrem Kapital unb 
ihrer §errfcf)aft $u unterwerfen, wie e§ in Qtalien 
gefchehen war, ihr fianbgebiet alfo überall Hein blieb, 
fo bewahrte Seutfcblanb faft burchweg feinen monar* 

14* 



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212 



$te bcutfd&*Tömtföe ßaifcrjett 



d)ifct)en (Sf)arafter, unb ba§ platte £anb feine ©elb* 
ftäribtgfett, bdfür aber entwirf elte ftd) f)ter artet) eilte 
®$ätfe ber ftänbtfäen ©egenfä^e, wie fie Stalten nie* 
mäl§ gefannt f>at. 
xic fürft- £inter beit ©täbten ftanben an innerer S)urtr)btl* 
xerrfto bung bie fürftlicf)en Territorien nocr) lange 3*tt'fe$r 
vicn weit jurücf. $)enn biefe beruhten nict)t mef)r aufbeut 
©tamme§$ufammenl)ang, ber Dietmar feine polittfcfje 
SSebeutung oerloren ^atte/fonbern aufber oft wtflfür* 
liefen unb zufälligen t&erbinbung von ©igen* unb 
fiefjnbeftö, oon grunbtyerrltctjen, le§n§redjtltcf)en unb 
amtlichen 33efugntffen, oon ©tabt unb Sanb, ht gu^ 
weilen weit entlegnen unb oon fremben *8efvt$uitgen 
äfjnlidjer 2Irt burcfybrocfmen ©ebteten, unb fte würben 
jufammengefjalten lebigltd) buref) ba§ f)errfd>enbe ©e* 
fäled&t, noef) feine§weg§ burdj gemeinfame ©inrtcrj* 
tungen, bafjer geteilt, oerf auf t, t>erfcr)enft wie cht 2lcfer= 
gut ; fte waten ftfytn be§ ^etct)3, feine Staaten. Sie mit 
allen Mitteln $u oergrößern unb abjurunben, baranf 
lief lange ba§ ganje ©treben biefer $erren r)inau§; 
fte bauten lebiglitf) brmafttfcf), nicf>t poftttf^/unb att 
ba§ 3ntereffe be§ großen ©anjen überhaupt gar nict)t. 
Wut im f olonialen 2>eutfd?lanb gab e§ bamalS größere 
ßiele unb eine planmäßigere ^ßolitif. 

Trot> foldjer SJcängel mürbe aber boct) in ben 
Territorien wirfltd) regiert, gut ober fcf)lecr)t. SMe 
Untertanen empfanben ba^er basalten tyrer Öanbe3= 
Herren oiel (ebenbiger al§ bie Tfjätigfeit ber tfnren 
fernfteljenben Slaifer unb bezeugten* wieber i^r Sntereffe 
an biefen mitunter fefyr ausgeprägten ^erfönlicr)feiten 
fd)on baburd), baß fie i^nen d)arafterfftifcr)e ©einamen 
oerlteljen, bie ben Äaifern faft ©ölltg fehlten. 
^Tcr Slm größten mar bie ^tuftöfung im Seften be§ 
"Im™ 9teitf)3. $ier lag neben ben ja^lreict/eit geiftHc^en 
Silben Territorien be§ 5Hl)etnlanbe§ ein einziges großes 8aien= 
fütftentum, ba§ l)albfranjöfifrf)e (Cber*) Kötteringen; 



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2>te SEÖcttma^tpotttif beS Aaifertumö 213 



ba§ alte Sftieberlotfyringen war fdwn gegen Chtbe be§ 
elften Qa^r^unberti in eine Dteilje fleinerer Terri* 
torien aufgelöft, oon benen bie §er$ogtümer Trabant 
unb ßimburg, bie ©raffdjaften 9tomur, ©elbern unb 
$ennegau (feit ber SKitte be§ elften Sa^unbertä ge* 
wöf)nlid) mit bem fran$öfifd)en glanbem in einer £anb 
oereinigt) bie wid)tigften waren. Smgerjen be§ altenger? 
jogtumS Schwaben brachten bte@rafen oon 2Bürtemberg 
(Söirttneberg, b. I). grauenberg bei (Sannftatt) erft feljr 
Iangfamein etwa§ größeres ©anje.jufatumen, inftremfen 
fonnte fein weltlich Territorium neben beuauSgebeljnten 
SMfdjofSlanben oon Samberg unb 2Bür$burg auffom* 
men. dagegen beljerrfdjten in Tawern bie ©erlöge 
au§ bem gaufe 2Bittel§bad) ben größten Teil be3 
£anbe3 unb oerbanben bamit 1231 bie fcfjöne SRfyein* 
pfalS/ serriffen aber i^r ©rbe 1255 burdj bie ftd) audj 
fpdtcr oft einmal wieberfwlenbe Teilung in Sftieberbanern 
unb Dberbagern, beffen §auptftabt bag junge 9flünd}en 
würbe. Qm banrifcfyen 5llpenlanbe legte bie Bereinigung 
be§ @rbe§ ber 3lnbec^fer unb ber ©rafen oon Tirol 
(bei Sfteran) ben ©runb ju einem neuen anfel)nlid)en 
fjürftentum unter Otto IT. oon 9lnbedj3, nad) beffen 
Tobe 1253 fein ©djwiegerfofm 9fleinl)arb oon ©örj 
aamä&lid) ba§ ©anje, aud) bie $oljeit über ba§ ©tift 
Trient, an ftd) 30g. Um 1271 tritt bann juerft ber 
jufainmenfaffenbe neue SanbeSname ,,©raffcf)aft Tirol" 
(Comitatus Tirolensis) auf. $8on ben bagrifdjen kolonial* 
lanben im Dften oon ber ©nn3 waren Dfterretd} unb 
©teiermarf, betbeS fefjr gefcf)loffene, oon geiftlidjen 
munitäten nur wenig burd)fet>te Wlaxt gebiete, 1156 nad) 
bem 9IuSfterben ber fteirifdjen Dttofare unter ben JBaben* 
bergern oereinigt worben, ba§ buret) geiftlidje $err* 
f djaften fefcr eingeengte gerjogtum Kärnten (mit Ärain) 
bagegen unter wed)felnben ©efdjledjtern für ftd) ge* 
blieben. 2118 bie Söabenberger mit griebric^ bem 
Streitbaren 1246 geenbet Ratten, gelang e§ nad) ßaifer 



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214 



2>te beutf<$'tömif<$e Äaiferjett 



ftriebrtdjg II. $obe bem l)od)ftrebenben ^ßrfdjemugltben 
Ottolar II. von Söötnnen unb 2Jiäljren im Söettfampfe 
mit Ungarn 1251 Öfterretd), 1259 aud) ©tetermarf 
burd) Vertrag mit bem 2lbel an ftd) ju bringen unb 
ben ungartfdjen 9lnfprud) burd) ben glänjenben ©teg 
auf bem 2ftard)felbe am 12. guü 1260 jurüdjuroeifen. 
liefen ©rraerbungen fügte er 1270 nad) bem $efta* 
mente beg legten ©erjogg Ulrid) aug bem r^einifc^en 
gaufe Sponheim «Sananttljal (1268) nod) Kärnten unb 
flrain ^inju. Söom 3lbriatifd)en SReere big an ben 
ytorbabfyang beg ©rjgebtrgeg reichte bag (Gebiet btefeS 
beutfd)flaraifd)en SBötjmentönigg. 
lieber- ßaum minber gerfa^ren alg ba§ fübraeftlidfje 
fa 2K" $eutf$lanb mar nad) bem galle §einrtd>g beg ßöraen 

Düringen ber Horben, bag alte$eräogtum@ad)fen. 2Bagnod)biefen 
tarnen führte, waren Heine ©renglanbf haften an ber (Slbe 
um Wittenberg unb Sauenburg. 2öid)ttger mar bag rael* 
fifdje ßerjogtum SBraunfdjroeigsßüneburg, aber baneben 
nahmen bie grofjen ©tif tggebiete einen f aum minber grofjen 
JRaum ein alg im SR&einlanbe. ©an* felbftänbig neben 
©ad)f en ftanb bie Canbgraf f d)af t Düringen, bie unter bem 
fränftfdjen $aufe Subroigg beg »artigen (fl056) 1137 
mit ber Sanbgraffdjaft Reffen Bereinigt roorben mar 
unb i&rem 3n^aber fjeraogltcrje ©eraalt oerlielj. 3113 
bieg @efct)led)t 1247 mit $einrid) Sfagpe in feiner 
männlichen Sinie augftarb, fiel nad) langem Streite 
1264 Reffen an bag §aug Trabant, Düringen (mit 
ber iura nad) 1200 erroorbnen fäd)ftfd)en ^ßfaljgraffdjaft) 
an bie SÖetttner, alfo an bie Vertreter praeter roeib= 
liefen Nebenlinien, unb trat baburet) in enge SBejie* 
jungen ju bem folonialen $eutf erlaub. 

SfeBetti* $enn raie auf biefem erft eroberten 93oben im 
San*" Soften, fo entraidelten fid) aud) im Norboften unter 
bem graange beftänbiger Slbraefjr auf ber ©runblage 
marfgräflidjer ©eraalten fraftooHere Staatengebilbe, 
bte auf ber miUtärifct)en Sanbegeinteilung in 93urg* 



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ZHc SDeltmad&tpotittf beS ÄaifcrtumS 



215 



warte eine weltltdt)e Sßerroaltung burd) $ögte grünbeten, 
if)re 93afaHen ftraff im 3aume gelten unb bie »i§= 
tümer entroeber unter iljre $>oljeit brauten ober fi* 
roenigften8 $u feinen umfänglichem Söefitjungen fommen 
liegen. 3>a8 dltefte biefer 3flad)tgebilbe tft ber 93efife 
be§ §aufe§ Söettin, bie 3ttarfen Zeigen unb (lieber*) 
Saufifc. 9Hit i^nen »ereinigte §einrtcr) ber Erlaubte 
(1221 bi§ 1288), ber beibe oon feinem Sßater 2)ictrict) 
bem ©ebrängten übernommen fjatte, 1246 nod) eine 
au§gebefmte 9teid)§bomäne, ba§ ^ßleijmerlanb, junäctjft 
als ^ßfanb für bie SKitgtft ber ®aifertodt)ter 2flargaretf)e 
von §o^enftaufen bei ber Verlobung mit feinem ©olme 
3Ilbred)t (bem Entarteten), 1264 aud) Düringen. 2lber 
er jerftörte biefe jufunft§reid)e mittelbeutfctje 9flad)fc 
bilbung nrieber, inbem er 1265 Düringen unb bie 
^Pfalj <5ad)fen an 5llbrecr)t, bie fogenannte Sttarf 
SanbSberg an ben jüngern 6o^n $)ietrict) oerliel) unb 
baburdt) 9lnlaf* ju einem langen, roüften 93ruberfriege 
gab, beffen <ftad)tüirfungen bie 2öcttinifdt>c afladtf 
oölltg aufjulöfen bro^ten. 

2Öäf)renb Ijier bie ©renken im Often fd)on lange öortnaita 
roefentlid) feftftanben, fdjoben fie fttt) in ben nörblict) oon ggfamu 
Zeigen gelegnen ©roberungSgebteten f ortroäfyrenb roetter f atiou 
nor. $ie 2lu§geftaltung biefer Sänber f)ängt alfo mit 
bem Fortgänge ber beutftr)en ßolonifatton aufg engfte 
gufammen. 

2)a bie Entfaltung ber beutfdjen Sßolf Straft nur 
nod) im geringen 2Jcaf$e oon ber faiferltdjen ^ßolitif ab= 
t)ing, fo bebeutete eben ber Verfall oe§ ®atfertum§ md)t 
ben Verfall ber Nation. Söielmeljr noHenbete biefe mitten 
in ber Sluflöfung ifjrer alten $Heid)§orbnung unter ber 
Sprung nid)t be§ ßatfertum§, fonbern ber gffirften 
bie ©ermanifterung be§ OftenS unb erzeugte au3 ftd) 
l)erau§ eine neue, glänjenbe, roeltlictje SBübung. 

Wlit bem beginn be§ brennten Satyr t)unbert3 Mol o,![ al 
trat neben bie bäuerliche ftolonifation bie ftäbtifetje, ö ftä>te ' 



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216 



2>ie bMitfdj*römtf(f>e Äaiferjcit 



unb mit reifjenber Scfynelligfeit bebecfte ftd) feitbem 
bag weite öanb big $ura: finnigen SReerbufen unb 
big s» ben fiebenbür gif d>en Karpaten mit beutfd)en 
^flanaungen unb (Staatenbilbungen. &amalg würben 
für 3afcrf)unberte bte ©ten$en beg beutfdjen Sßoifg* 
tuutg: feftgefteOt unb brei fünftel feineg je&igen ®e* 
bietet ttmt erworben. 2Bie bag beutfd^e $>orf, fo ent* 
fianb bie bcutfdje ßolonialftabt auf bem 93oben einer 
flawifdjen Drtfdjaft, bereu« tarnen- ftc bann annahm; 

^^^Br* . C^flTt^ 4 W TT t^C (T Tlt C ITT ^/^IT^C/ TTTct^i dOlTTli^lTCt^/ 

fonbern bitrdj; einen bemühen (Shrünbunggafti in gang, 
regetmäfriger Anlage (recfytwinf lig ftd) t reu^enbe ©trafen 
um einen» grojsen trieeeefigen Sftarft) unter eine* freien 
©tabtoerf äff ung, bie« im Farben i ro*d) . lübif djem ober 
magbeburgifd)em> alfo fä^fifd^m, im ©uboften nad) 
fdjmäbifc^em oberfränfifc^em ^erf>te eingerichtet mürbe. 
Söo'bewtfc^e^htfieblungen untereiner fremben Staat^ge* 
walt; ecwucfyfen, ba burdjbradje« fie bag etn^ennifdje 
0*ed)t burd> \f)t 2fü3nafratere<&t; n>aren beutfd)e ©pra<l> 
unb Äulturtnfeln inmitten einer tiefer fte^enben fremben 
»etJ^Iferung. Sfber mir ba,nmrge{te baS 2)eutfc^tum für 
aOe \3*tten feft; wo eg ifym gelang, aud) bag platte Sanb 
jU'befiebeht unfr bie (Staatsgewalt $u erwerben; wo 
bieg ntdjt gef djtof?, ift & fpäter. wieber oerfümmert. 
Tie 2)ie beutfe^e ftolomfattotii unter beutfdjem 
uinbc @taatgred)t oofljog ftcf) aunädjft an ber ganzen Oft* 
feefüfte big ffefti jur SBetdjfeL 3m ©botritenlanbe 
(©laroien) entftanb> 9*oftocM217 alg betttf^e @tabt, 
oor 1220 Söigmar, unb wetteifernb fDlomfiertett bie 
(Snyter Da» iömnemano. iätnnen wentgen ^apren 
Iag ^ar-^im in beutfd>er Umgebung; bag Sanb 2WaId)in 
war 1240* eine „weite (Sinobe," 1247 eine blüt>enbe 
betttfd^e Äolonie. 2)ie flanrifdje ftafteöauatgoerfaffung 
würbe burrfj bie beutf dje S8ogteit>erfaffung)nerbrängt ber 
flatmfdje SIbel unterwarf ftc^ bem beutfdjen 8el)ng* 
wefen; ber $of< ben Obottitenfürften würbe beutfd), 



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Sie SBeltnuuWotittt beS Jtaifertumft 217 



unb bie flawifche SBeoölferung ^iclt ftch nur noch in 
entlegnem ©trieben. $m Srürftentum SHügen, ba§ bi§ 
1325 unter bänifdjer §oi>ctt blieb, erhielt boch ©tral= 
funb, wahrfchetnlid) $uerft eine bänifche ©rünbung 
Äönig 2Balbemar8 IL, föon 1284 lübifchcS ftecht; auf 
bem ©runbe be3 £lofter§ ©Ibena entftanb noch oor 1248 
bie (Stabt ©retfSwalb, unb ba§ ganje fianb nörblid) von 
ber £>9lbe (SRnf ), urfprünglich Urwalb, war big 1250ger* 
manifiert. 3luf ber Snfel SHügen ^ielt fich ba3 fla* 
wifdje SBefen länger, aber um 1250 er f deinen auch 
hier beutfehe Söögte. $er ©ermantfator Bommerns 
war §er$og Barnim 1. (1220 bi§ 1278). ©charenweife 
wanberten ^ier eble ®efchled)ter au§ §olftein, ©achfen, 
Düringen unb ben Dt&eutlanben ein, unb auch bie 
wenigen übrig bleibenben flawifdjen ©efd)led)ter fügten 
ftch beutf ehern £ehn£red)t unb £>ofbrauch. $>ie bäuer* 
Iich=ftäbttfche ßolonifation überwog am rafcheflen ben 
fruchtbaren ßanbftrid) swifchen ^ßeene, §nlbe unb %oh 
lenfe; Shtflam erhielt 1244, SBolgaft 1257 beutföeS 
stecht, ber uralte flawifche |>anbel3pla£ J^ulin (SBoHin) 
üor 1264. 3m Uferlanbe entftanben ^renjlau unb 
^ßaferoalf um 1235; ja feiner eignen §auptftabt Stettin 
öab Barnim 1234 beutfd)e§ Sied*, unb er fiebelte felbft 
nac^ bem neuen beutf chen ®amm über. $a3 ßanb 
öfilich twm ber Ober bebedten befonberS bie Softer unb 
bie f)izx reichlich begabten SRttterorben mit beutf chen 
Dörfern, bie Johanniter um ©targarb, bie Tempelherren 
in ber fpätern Sfteumarf um ^üftrin; bie wichtige ©tabt 
Dolberg erwud)8 an ben reichen ©anquellen unweit 
ber fSerfanteraünbung al§ eine Kolonie oon ©reifSwalb 
1255 auf bem ©runb unb 93oben be$ 33i§tum§ ©am- 
min« SÖeiter oftwärtS im flawifdjen fjürftentum ^ßom* 
xnerellen beftanb unter ber §er$og3burg ©ban§! fchon 
1263 bie beutfehe Stobt Sandig. ***** 
£>ftwäri§ von ber SBeichfel aber begann in ber erften im oj ten 
§älfte be£ breijehnten 3af)rhunbert§ ein gewaltiges asetSfei 



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218 $fe beutfö'rölmfdje Äatferaett 

friegerifcheS fingen, ba3 beutfdje Sftachfpiel ju ben 
färeujjügen. @3 unterwarf bieg ganje ®üftenlanb bi§ 
an bie Üflarowa hta/ ein unermeßliches, fdjwer gang* 
bareS ßanb ooü Urwälber unb SHoore, wo in 
gruppen weife jerftreuten, bünnen SBeftänben litauifdje 
unb finnifdje Stämme faßen, bie Greußen gwifchen 
Söeichfel unb fernen, bie ßetten bi§ an ben Sßeipu§= 
fee unb bie (Smbad), bie finnifdjen (£ften im Horben 
beiber, binnen einem falben Saljrhunbert beutfdjer 
§errfd)aft unb Kultur. Söie immer in biefer 3eit 
war ba§ ein gememfameS 2Berf aller Stänbe, beut* 
fdjer bitter unb ^ßrtefter, Bürger unb SBauern; aber 
e§ ooH$og ftch ^ier unter ber Rührung nicht ber 
dürften, fonbern geiftltch* ritterlicher ©enoffenfchaften, 
benn nur foldje waren bamalS $u ber planvollen 
©nergie befähigt, bie bort ben erobernben ftolom* 
fator befeelen mußte, 
stoianb $eutfche Schiffer auS ©otlanb waren e§, bie 
jmifchen 1164 unb 1170 juerft in bie breite SWünbung 
ber 3)üna einfuhren. 2)och feften grüß faßten fte 
erft, al§ ber Sluguftiner 2fteinharb oon Segeberg 
1185 in ÜjfüH (Steffota) eine Kirche, 1188 ein 
93i§tum (unter Bremen) grünbete, unb fein Nachfolger 
SBertholb bie erften beutfdjen Äreujfahrer an bie $)üna 
führte. £)a§ Sßerf beiber fettfe ber Wremer Domherr 
Slbalbert oon 9lpeIborn fort, einer ber größten ftolonU 
fatoren germanifchen Stammes. @r ftiftete 1201 JRiga 
als neuen SU3 feines 23tStum§ unb rief 1202 ben 
neuen föitterorben ber Schwertbrüber nach ber SHegel 
ber Sempier ins Seben, ber nun unter ber Oberhoheit 
beS 93i3tum§ Dfäga planmäßig bie Eroberung be§ untern 
3)ünalanbe§ begann, Schon 1207 würbe bal ©ebiet 
als 9tetd)Slehen anertannt, bis 1219 auch Semgallen 
unterworfen, noch früher bie Schwingung auch (Sft* 
lanbS begonnen. $alb im 93unbe, halb im SQ&ettftreit 
mit ben $>änen, bie hie* 1218 erfcf)ienen, gelang e§ 



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2)ie aaßeltmact)tpDlit« bcS ftoiferium« 219 



bis 1224 ba§ Canb oöHtg ju bemeiftern, auch bie 
lefcte Eftenfefte fcorpat. $en nörblichen STcit Eftlanbg 
behaupteten bie kälten, ben ffibltcfjen $eil unb etroa 
ein drittel SiolanbS ber ©chroertorben, beffen 3fteifter 
feit 1224 auf bem flogen ©djloffe Senben fafc; ben fteft 
nahmen bie $8i3tümer ©elburg (für ©emgallen), $>orpat 
unb Öfel für Efilanb, alle al§ SBafallen be§ J8ifdE)of§ 
Don 9tiga, beffen Eroberungen ßaifer fjfriebrtch II. 
1225 alg 9ttarfgraffd)aft be§ SHctdt>§ anerfannte. $>od) 
nur bie ©täbte, vor allem SHiga unb ba§ eftnifche 
SReoal (1248) unb ber alSbalb einttmnbernbe ßehnS* 
abel waren beutfeh, bie Sanbbeoölferung nahm sroar 
ba§ (£f)riftentum an unb mürbe ben Eroberern leibeigen, 
hielt aber bie einheimifche Sprache unb ©itte feft, bie 
©ermanifierung be§ 8anbe3 blieb alfo unooHenbet. 3)a 
nun Siolanb aud) politifdj feine ftrenge Einheit, fonbem 
ein locfrer, oft sroieträchtiger geiftlicfjcr ©taatenbunb 
mar unb jebeS territorialen 3ufammenhange§ mit bem 
beutfehen 2Jtutterlanbe entbehrte, fo mar bie 3 Us 
fünft ber Kolonie auf 8 äufierfte gefä^rbet^ al§ bie 
gesplitterten ©tämme be§ großen SitaueroolfS im 
weiten ©interlanbe ju einem ©rofjfürftentum $u= 
fammenrouchfen unb ber tapfere DrbenSmeifter SBolfmtn 
am 22. (September 1236 in ber (Schlacht t>on 2llt*SHh ao *n 
(®aule) in fturlanb ber h^onifchen Übermacht erlag. 
Stetten fonnte nur ber fof ortige enge 2lnfchlu| £iolanb§ 
an bie junge Stacht, bie foeben an ber untern Sßeichfel 
emporftieg, unb er rourbe ohne 3ögern Dofl$ogen; tm 
Wlai 1237 fprach ©regor IX. ju «iterbo bie «er* 
einigung ber ©chroertbrüber mit bem beutfehen bitter* 
orben $u 6t. 2flarien auS unb leitete bamit eine neue 
glorreiche Sßeriobe in ber @ef Richte ber Dftfeelanbe ein. 

$er beutfehe bitter orben umfaßte bamalS nur eine xer 
Heine Slnjahl von Stttterbrübern, bie burch ba§ mer* 
fache ©elübbe be§ ©ehorfam§, ber 3lrmut, ber ßeufch* 
heit unb be§ ^ampfe§ gegen bie Ungläubigen gebunben 



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220 



$ie beutfd)«römifcf)e Äaiferaeit 



waren; bie aftef^a&I beftanb au§ fiaienbrübem unb 
bienenben trübem, bie ben $8erwaltung§gefcrjäften 
unb sur ßranJenpfleaje oerwenbet würben. $ie Dritter 
bieten alfo nid)t ein $eer, fonbern nur ben 
©en«ralftab., eine. füfjrenbe 3lriftofratie, aber eine 
©eraeinfdjaft blinb gef)orfaraer, entf ersoffener, auf- 
apferung£fäf)iger Scanner, in mb'ndjifd) * militärtferje 
©ruppen von je #r>ölf trübem (^onnente) unter einem 
Komtur (ftommenbator, ©ebietiger) gegliebert, beren 
mehrere untet einem Sanbmeifter oereinigt waren, wä> 
renb bie Oberleitung be£ ganzen Orben§ in ben £>änben 
be3 |>od)meifter3 unb bei „Kapitels" ber Komture lag. 
ürftc 3)er ©ebanfe, bie §aupttbätigfeit be§ OrbenS oon 
ietfuiifl Ijalbuerlornen ©nrien hinüber naefc Ofteuropa 
$rai|eitg ^ u fcnfen, entfprang bem Raupte be£ erften grofjen 
§ocr>meifterg, be§ £büringer§ ^ermann non <§al$a. 
®aum war fein erfter fübner SBerfud) in Siebenbürgen 
1225 aufgegeben (f. S. 227), ba rief ber polnifcrje ©er^og 
ßonrab t»on SHafornen, bebrängt von ben burd) 93e* 
fe^runggoerfuc^e gereiften beibnifdjen Greußen, bie 
fogar fein ßulmerlanb erobert Ratten, 1226 ben Orben 
an Die Söeidjfel. 93ebäd)tig ließ fid) ^ermann vom 
ßaifer bie 6d)enfung be§ SMmerlanbeS betätigen unb 
ba§ $u erobernbe Greußen auwetfen, com ^apfte bie 
Erlaubnis jur ^reujprebigt geben, benn polmfdjer 
SöafaU wollte er nidjt werben, ßaum Ratten ftd^ nun 
Heine Abteilungen oon trübem feit 1226 am linfen 
2öeidj)felufer feftgefettf unb red)t§ vom ©trome ßulm 
in 93efit> genommen, ba begann ber Orben feine er* 
obernbe ßolonifation mit mufterfjafter Umfidjt @r 
fieberte fid) feine Operationslinien ftetS burcr) ^ßfaljl* 
bürgen, fiebelte unter ifjrera ©crjufce fofort eine ftabtifer^e 
SBeoölferung nad) lübifd)em dkdjte an unb brang oon 
biefen feften fünften au§, oon balb fd)mäd)ern, balb 
ftärfem ßreu^eeren unterftüfet, Stritt für 6d)ritt 
ins innere r»or. $ie Greußen, in felbftänbige flehte 



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3>ie ©cttinQd^tpotitif be§ Äatfett.tmS 221 



©tämme jerfpltttert, eine bienftbare 58et5ölferung unter 
einem §a$ltettfjen, roaffentüdjtigen Vilbel, leifteten 
trMfit feinen geftf)loffenen SBtberftanb. ©ofe^ob ber 
Orben, feitbem 1231 ber Sanbmetfter $ermann Skrif 
bie mtitytl uberf dritten J>atte, feine «ur^en unb 
Stäbte binnen einem ^rae^nt bi§ an ben untern 
$regel t>or, gtünbeienod) 1231 Stjorn, 1233 nad) bem 
©iege an ber ©trguna (<5orge) STtarienroerber, 1237 
(Sltrtng unb eroberte 1239 ba$ fefte SBalga am griffen 
§aff. ©inen erften gro&en Wüfftanb ber unterwotfnen 
Stämme, ben ber §er$og ©roantopolf oon ^ommereHen 
unterste, warf er 1242/49 in garten kämpfen au 
93 oben, gewährte aber ben bef ehrten ^ßreufjen gleid)e£ 
9te<f)t, orbnete 1243 bie fircr)lid>e Organifation be§ 
£anbe£ in oier SHStümer (^ßomefanien, £öbau, ©rmlanb, 
©amlanb) unb natmt augletd) bie länblidje ftolonifation 
in Shtgrtff, inbem er beutfäen ©beln fie^nib^ über^ 
trug unb beutf^e IBauern nad) flctmifdjen $ufen an= 
fefcte. $>ann ftiefj er füfm nad) Sftorböften t>or, grün= 
bete 1252 bie SWemelburg am $urtfd)en §aff, um bie 
$erbinbung mit ßtolanb au fiebern, unterwarf gu Anfang 
1255 mit $ilfe eines ßreua^eereS, ba§ ftonig Ottofar 11. 
tu>n SBöfjmen unb Ötto III. ©on SBranbenburg äber 
ba§ ©t£ be§ g-rifc^en §aff§ heranführten, ©amfonb 
ürib legte ju beffen ©d^utje am 9lu§fluffe be£ ^ßregelS 
Königsberg an, ba§ feinen tarnen ju ©fjren be§ 
»öhmenfönig§ erhielt. 

$>a entfeffelte bie blutige «ftieberlage be§ Itolänbifdjen «ttffiant» 
*5anomet|ters Jourraro oon «pomyaujen gegen ote cubfliitig« 
ßitauer am Würben öftlid) oon Öibau am 13. ftuli 
1260 ben a weiten unb furdjtbarften ^reufjenaufftanb, 
ber afle§ ©roberte roieber in ftrage fteflte. 9iod) im 
©ommer be§felben 3al)re§, am 20. September, erfjob 
fid) ba§ ganae *8olf mit einem Schlage unter ber 
Qrüfjrung feine§ erften unb legten gelben, §einrid) 
SWonte, ber in 2flagbeburg djriftlid) erlogen, aber 



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222 $ie beutfä.rötniföe Äaifetaeit 



^reufce geblieben mar. 2Ba§ fid) t)on $eutfd)en nid&t in 
bie Söälber unb SBurgen fluttete, mürbe erfragen, unb 
überall würben bie fianbfirc^en $erftört. %n grimmigen, 
erbarmungSlofen Kämpfen rangen djriftlidje SBegeifte- 
rung unb f)eibnifd)e Söul, beutfcfje Kultur unb flamifdje 
Barbarei; bod) gingen fcpefjltd} im Dften alle Surgen 
nerloren bi§ auf bie ©eepläfce 9Hemel, Königsberg unb 
S3alga, unb aud) im SBeften behauptete ber Drben nur 
nod) ^ßomefanien unb ba§ Kulmerlanb, ba£ redete 
äöetdjfelufer. 2)aju fluteten gegen ßiotanb bie oer* 
bünbeten fiitauer unb Muffen §eran, um bie auf- 
ftänbifdjen Kurlänber unb Semgallen ju unterftüfcen. 
@rft bie Segrünbung ber $8urg 2Jiitau 1265 jroang bie 
Kurlänber 1267 $ur Unterwerfung, bie SHuffen mürben 
Anfang 1268 bei 2Jtaf)olm an ber Dftgren$e <£ftlanb£ 
glüdlid) abgewehrt, enbltd) 1273 aud) bie ©emgaflen $ur 
Ergebung genötigt. %a§ wirfte audj auf Sßreufjen jurüd. 
SBom $af)re 1265 an gelang eS, ©amlanb roieber ju be* 
äwingen, 1270 fügten ftd) bie ©arten, 1272 au$ bie 
Sftatangen, 1273 bie ^ogefanier; im felben Safere fiel 
©einrief) SJionte bem Drben in bie $anb unb ftarb ben 
$ob burd) |>enf erlaub; enblid) ootlenbete ber 8anb; 
meifter Konrab von Kierberg bis 1283 bie (Eroberung 
ber nod) freien litauifdjen Sanbfd^aft ©ubauen. ©egen 
bie Litauer aber erfjob fid) fd)on 1274 baS fefte 
2)ünaburg. $ür bie Unterworfnen waren jefct bie 
3eiten ber Sftilbe ju ©nbe. ©te mürben allefamt un= 
freie fieute, bie treugebliebnen bagegen ju freien ober 
(Sbeln erhoben. SBie beutfdje ©errfdjaft t>on ber untern 
2öeid)fel bi§ jur Sftaroroa mar begrünbet 
■"Jg** fiangfamer feftoben bie SISfanier in 93ranben- 
UVÖ bürg, bem Kernlanbe ber norboftbeutfdfcen Kolomfatton, 
if)re ©renken cor, teils oftmärtS mit 93efeitigung ber 
legten nod) ein^eimifc^en dürften big an unb über bie 
Ober, teils norbroärtS auf Soften ^ßommemS, auf baS 
fte, wol)l mit Berufung auf bie 3eit §einrid)g beS 



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$ie SÖBeftma^tyoWif bc§ Äcnfertumä 



Söroen, oberlefmgherrliche Slnfprüche erhoben, bie fie fid) 
1231 t)on ßatfer griebne*) II. betätigen Ite&en- Unter 
Wibrecht II. (1205 big 1220) unb bem einträchtigen 93rüber* 
paare Qobannl. unb Otto 111.(1220 big 1266) rourbe 1215 
Oberberg an ber ©renje gegen Bommern begrünbet, 
bann Geltow unb 93arnim $u beiben ©eiten ber untern 
©pree erworben, 1236 nach J>cf tigern Kampfe im $8er* 
trag von Dremmen bie ßanbe ©targarb unb Söuftroro, 
ungefähr bag heutige 9Jcecflenburg*©treltfc, enbltdt) auch 
bie fruchtbare Ufermarf ben Bommern entriffen, big jutn 
^afjre 1260 enbltch f d)on jenf eitg ber Ober bie Heumar! unb 
bag polnifche Sebug buret) ftampf ober ®auf erworben, 
roährenb im ©üben bag ßanb SBubtffm (Sauden) 1261 
alg Mitgift ber böhmifchen «ßrinjeffin «eatrir. an 
Otto III. fiel. $>ie länbliche Äolonifation war babei 
überwiegenb bag Söerf ber neugegrünbeten ßlöfter, 
3ebbenif in ber Ufermarf 1249, grieblanb 1250 unb 
©fwnn 1272 im Barnim; bie ftäbtifdje mürbe bie 
Aufgabe ber £anbegherren, bie feit 1225 eine ganje 
SKeibe t>on ©tabtgemeinben nach oem SSorbilbe 93ranben= 
burgg unb ber altmärfifchen ©täbte grünbeten: ©pan= 
bau, Berlin unb $öln (einanber gegenüber an einer 
Teilung ber ©pree) um 1230, 9ieu*grieblanb 1244 unb 
s J^eu-93ranbenburg 1248, beibe im altpommerfchen ©e^ 
biet, granffurt a. D. 1253, ßüftrin unb Sanbgberg an ber 
Sartre 1257 gum ©chufce ber Dftgrenae gegen ^olen. 

3frieblicf) wie bigfyer blieben bie 3-ortfc^rittc beg steiften 
£>eutfcf)tumg in ben Sanben ber Söettiner jwifchen ""jf^JJ, 
©aale unb 93ober. $)ie ©ermanifierung beg „S8ogt= 
lanbeg" an ber obern Alfter nollenbete ber 3)eutfche 
Drben, ber bamalg in flauen einen feiner §auptfifce 
hatte; bie ftäbtifche Sefieblung beg ©rjgebirgeg fnüpfte 
ftch im mefentüchen an bie grofse ©trafje, bie längg 
feiner nörblichen flachen 9lbbachung über greiberg jur 
@lbe führte (3wicfau um 1212, ©lauchau 1261, ©hem^ 
nit> 1264); bie bäuerliche fdjob fi<4 weiter fübwärtg 



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224 



ftte beutfdj'töimföe Äatfer^eit 



nad) bem Sammc hinauf, erreichte tfm aber bamal§ 
nod) nid)t überall. S)a, too biefe ©trafte bie <£lbe be= 
rüfjrt, entftanb nod) t)or 1215 $>reSben al§ beutfdje 
©tabt unter bem ©d)ufce einer mar! gräflichen 33urg. 
$)od) nrid)ttgcr mar bamal§ ber (Slbübergang ber fo= 
genannten Ijoljen ©trafie von Düringen über öetpjig 
narf) bem Dften. Unweit oon if)tn ertüucf)§ nodj x>or 1270 
©ro£ent)ain ju einem bebeutenben §anbel§plafce, unb 
läng§ ber gortfefeung biefer ©trafje burd) ba§ alte fflWI* 
jenerlanb über Staufen nad) bem 93ober §in entftanben 
in ber erften $älfte be§ brennten 3a$r$unbert3ait'ben 
fjertömmltd)en Sfaftfteflen ber grutjrleute beutfdje ©tabt* 
gemeinben: ftamenj, SBau^en (bei ber alten forbiftf)en 
SanbeSfefte), S&bau, ®örli^, Sauban nad) magbe* 
burgifdjem 9ted)t, *um Steil mit einer flamifdjen £anb* 
roerferbeoölferung. @ine jroette Sinie für ba§ Sßox- 
bringen beutfdjer unb jrnar länbltdjer Söefieblung führte 
vom bifdjöflid) meifmifd)en 93ifd)of§n:>erba in ba§ faft 
unbemofmte malbbeberfte ©ebtrgSlanb läng§ ber SRorb= 
greife $8öt)men§ nad) bem bamalS nod) böfjmifäen, 
faft menfd^enleeren ©au3agoft (b. hinter bem Söalbe) 
l)in, too SReidjenberg unb ^fti* 0 * 0 * 0 um ^50 al§ 
beutfdje 5)ötfer entftanben, unb ba§ ältere Qxttan 1255 
von Dttofar II. beutfd>e§ ©tabtred)t erhielt, ©o würben 
bie alten Söofjnftye ber ©orben um Sßaufcen ring§ im 
heften, ©üben unb Often von beutfdjem kolonial; 
boben umfdjloffen unb behaupteten nur im Horben 

einen territorialen 3 u f ammerr ^ an 9 m ^ oen forbifd)en 
©tammoerroanbten in ber (9tteber=)8auftfc, bemt bie§ 
©umpf= unb ©anblanb blieb bi§ tief in§ fed^nte 
Safjrtmnbert größtenteils flanrifd) unb rourbe nur 
infelartig oon beutfdjen ©tabtgemeinben (©üben 1235) 
burdjfe^t. 

Scftfcücit 2lber ba§ ganje nod) forbifdje 8anb n>ar fdjon 
bamalä jur ©pradjinfel geworben, benn unauf&altfam 
flutete ber ©trom ber beutfdjen Wnftebler, ©ad)fen, 



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Xtc 2Bettmad)tpolitir be§ Äatfertuiu« 



225 



franftfd)e s Jtyetnlcmber, Springer über bie s Jieitf)§grenae 
hinüber nad) bem polnifdjen <5d)lefien, ber alten 
Söanbalenljetmat. $>a bort ba§ Staatsrecht nod? lange 
flanrifd) blieb, fo grünbeten fie ifjre £>rtfcr)aften nad) 
9lu§nat)merecf)t, unb eifrig förberte biefe (Sntnricflung ba3 
polnifdje gürften^aug ber Sßiaften. $enn um ifjre @elb* 
ftänbigf eit energifd) ju behaupten, nmnbten ftd) bie nieber* 
fdtfefifdjen ^taften, befonberS feit §etnrid) bem bärtigen 
(1202 bi§ 1238) unb §emri# IL, bem frommen, ber 1241 
gegen bie Mongolen al§ SBorfcimpfer $>eutfcl)lanb3 fiel, 
in beraubter 2Ibfel)r oom ^olentume bem beutfdjen 
Sßefen au, fperrten tfjre ©ren$e gegen ba§ polntfd) 
bleibenbe Dberfd^lefien burd) ben großen „Storkau" 
OPrefjefa), ber von SBartfja an ber 9teif?e quer burd)§ 
fianb bi§ SftamSlau unb ^reujburg reichte, unb oer* 
fd)tt>ägerten f\<fy mit beutfcfjen gürftengefd)led)tern. 3atyl= 
reiche von iljnen geftiftete ftlöfter (ßeubug, £einrid)au, 
Srebnifc, bie 2luguftiner von $re§lau) erfüllten ba§ 
Sanb von ben ©ubeten bt§ an bie polnifcfje ©ren^e 
mit beutfetjen Dörfern, beren bi§ 1300 im ganzen gegen 
1500 angelegt würben. S)ie fianbeS&erren bemibmeten 
aud) hier meift ©täbte mit beutfdjem (magbeburgtfcrjem) 
9led)t, juerft 1211 ©olbberg an eben aufgefunbnen 
©r$lagerftätten, 1222 Steumarft an ber grojsen ©trafte 
nad) ©üboften, in befonberS rafcr)er fjolge nad) ben 
fdjrerflicrjen Se^ren be§ 9Jiongolenfturm§ von 1241 : Streb- 
nifc 1241, ©triegau 1242, Sanbe§I)ut 1249, <8rieg 1250, 
Stegmfc 1252, ©logau 1253. «reSlau, ber tHrdjlidje 
2Jiittelpunft gan$ <§djlefien§, Ijatte fdjon ju Anfang 
be3 3al)rljunbert§ eine TOaflonifd)*beutfdje Kolonie unb 
erhielt 1263 für bie SUtftabt magbeburgifd)e3 Died^t. 

3)ie brei grofien Sanbfdjaften, au§ beren gufammen* $„icu 
fdjlufj nachmals ber preu&tfdje (Staat eru>ad)fen follte, 
ba§ baltifd&e Slüftenlanb, Söranbenburg unb <§d)lefien, 
roaren alfo nod) oor bem ©nbe be§ brennten ^aftr* 
ljunberte bem $>eutfd)tum gewonnen. 3Iber e§ blieb 

S)er aöerbegcutg beä heutigen Jöolfc§ I 15 



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226 



35te beutfd&.römifd&e Äaiferacit 



eine bauembe, noch heute nicht überrounbne ©cfjroädje 
ber beutfd&en (Stellung im Dften, baf? im fternlanbe 
$olen§ auf abliefern ober föniglichem 93oben feine 
beutfehen Dörfer, fonbern nur beutfehe Stäbte, meift 
mäßigen Umfang§ unb roefentlich al3 ginanafpefula* 
tionen be§ ©runbherrn entftanben, nrie ftrauftabt cor 
1204, «ßofen 1252, Pratau 1257, ©nefen oor 1262, ba§ 
platte 8anb alfo pointfch blieb. 
Kfflmteit g^n ganj anbrer 2öeife roieberum ergriff bie beutfehe 
SKSfjrett ßolomfation bie alten tfdjechtfchen SHetch^lanbe $8öh ; 
men unb Sttähren unb roeit im Dften Ungarn. £>enn 
unter ben gleich ben fchlefifchen ^iaften beutfehfreunb* 
liefen $rfcf) eingrüben oerroanbelte bie bäuerliche beutfehe 
SBefteblung, auch fjier übermiegenb oon ben ©iftercienfern 
unb Sßrämonftratenfern (2ÖaIbfaffen, Off egg, £epl, 
£>o£an, Sßlafj, £>ohenfurt, ©olbenfron), baneben von 
ben Johannitern unb $eutfchher*en, juroeilen unmütel* 
bar oom Sauberen* geleitet, ba§ ganae, oon tfc^cd)i* 
fdjer SBeoölferung faft unberooljnte ©ebirgS* unb SBalb* 
lanb im Horben, Dften unb Söeften 93öf)mcn8^ auch 
ba§ 1093 einem polnifchen ^iaften $u ßehen gegebne 
herrliche ©lafcer Sanb, in ein gefd)loffene3, beutfcheS 
Kultur- unb Sprachgebiet. Zugleich entftanben burdh 
ba§ ganje fianb hin, jum Seil heroorgerufen ober ge* 
förbert burch ba§ Aufblühen be§ ©ilberbergbaueS, 
beutfehe Stabtgemeinben, bie, roenn ftc auf föniglichem 
©runbe lagen, oon ber ©ertcf)t3barfeit beS $8e$trf§* 
oorftanbeS, be§ <51)uvar\, befreit unb unmittelbar bem 
f öniglichen Unterfämmerer untergeorbnet mürben. Otto- 
far L, 2öenjel unb Ottofar II. riefen über &nmn$ig 
fönigliche Stäbte in§ Seben (Ceitmerifc, 3luffig, 93rü£, 
Ellenbogen, ^tlfen, 93ubroei§, ftolin, Suttenberg, Seutfch* 
brob, 2Jtte§ u. a. m.), barunter neben ber altern Slltftabt 
<ßrag bie Sfteuftabt bei @t. ©alluS unb bie ^(einfette 
unter bem £>rabfcf)in, ber $ömg§burg. Söeniger ge~ 
fchloffen gestaltete ftd) bie beutfehe Solontfation in 



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Sie 2ßeUmcu$tpolittf bei Äaifertumä 227 

STCäfjren, wo bie ftäbtifdje mit ftreubent&al 1213, 
^ä^rifd)*9leuftabt, Dlmüfc, $8rünn um 1223, 3naim 
1226, bcr fpäter burd) x\)x 93ergrecf)t weithin roirffamen 
SBergftabt Sglau vor 1227, früher begann al§ in 
Söhnten, bie länblicfje uor ädern ba§ 2Berf ber 
möndn'fcfjen ©enoffenfdjaften (ber 3of)anniter, ber 
(Stftercienfer von SBeOe^rab unb DSlaroan, ber ^rä= 
monftratenfer von £>rabifd}, ber öenebifttner uon 
$rebifd) unb Walgern) mar, aber ba§ 8anb nur ftrid)- 
roeife bemeifterte. 3n beiben Säubern blieb bafjer ber 
®ern ber ©eoölferung, obroo^l von beutfdjer SMtur 
überflutet, bod) flaroifd), baber aud) ba§ Staatsrecht 

©elbft Ungarn, beffen SKaubfdjaren 2)eutfd)lanb fo unflorn 
lange oertjeert Ratten, öffnete ftdj unter bem (£influffe stetem 
ber von ©tep^an bem ^eiligen (995 bt§ 1038) begrün* Wt0ei1 
beten fttrdje unb be§ anfdnx>eOenben S3erfet)r§ roä^renb 
ber ftreu^ugSaeit beutfdjer ©tnroanberung. $odt) fam 
e§ ju beutfdjen 2flaffenanfieblungen nur in einigen 
entlegnen, nocf) unbebauten ©ebirgSlanbfdjaften, in ber 
norbungarifcfyen 3ip § &n ber tyoljen $atra (bie fpäter, 
1271, iljre gemeinfame Drbnung erhielten) unb in 
ber fernen ©inöbe „jenfeit§ be§ SBalbeS," wo fdjon 
unter ©etfa II. (1141 big 1161) nieberr^einifc&e ©tebler 
ben tyerrlidjen ©au von <Bxbxn anbauten unb nad) ilmt 
bem ganzen fianbe ben Flamen (Siebenbürgen gaben, 
©anj an ber ©üboftecfe biefer natürlichen ©ebirg& 
baftion, „im öben unb unbetonten $8ur$enlanbe" 
um 8ronftabt, begann unter 2lnbrea§ II. ber beutfdje 
SHitterorben feine feften 93urgen gegen ba3 SRäuberoolf 
ber humanen ju bauen unb beutfdje dauern f)eran$u* 
$ier)en. 9113 er fein ©ebtet i>on Ungarn losreißen unb 
bireft unter $om ftellen moüte, »erjagte ber ßöntg 
1225 bie bitter, aber il)x ßulturroerf blieb aufregt. 
SBenig fpäter entftanb bie beutfdje Kolonie im 9tö§ner* 
gau an ber obem ©$amo§. 3)er ©emeinfcf)aft (Uni- 
versitas) ber „«Saufen'' um §ermannftabt aber gab 

15* 



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228 



$te beutf$«röintic$c Äaifcvjeit 



9lnbrea3 II. fdjon 1224 felbftänbige SBerroaltung unter 
ifprem ©rafen (Comes) gegen 3af)re§§ui§ unb ®rieg§; 
bienft. 3m übrigen Ungarn entftanben faft nur beutfdje 
©tabtgemeinben nad) magbeburgifdjem ober bagrifdjem 
SRedjt, in 21nlet)nung an bie fönigltdjen unb bifcf)öf; 
liefen SBurgen ober al§ 93ergroerf§orte, befonber§ nad) 
ber $erftörenben mongolifd)en ©turmflut vom Qa^re 
1241 unter 8ela IV. (1234 big 1270): ©tul)ln>et&em 
bürg, Ofen, Leutra, SKaab, ßomorn, ßafdjau, ©d)em* 
mtj, ßremnitj u. a. m. £)iefe ftarfe SBeimifdjung beut* 
fd)er SBeoölferung fyat feitbem ber ungarifcfyen Kultur 
ifjren ©^arafter aufgebrüdtt, aber fte mar $u fdjroad), 
aud) ba§ ungarifdje StaatSroefen $u ergreifen, unb $u 
u>ett entlegen nom 2Ttutterlanbe, al§ baf? fte in tyrem 
nationalen *8eftanbe gefiebert fein fonnte. ©o fmb 
bamali ju bem ©efd)tde be§ jufünftigen ©roßftaatS 
Dfterreid), ber auf ber Söerbinbung ber faft gan$ 
berbeutfdjten $)onau* unb Sllpenlänber mit roeit großem, 
im ßerne frembfprad)igen, nur teilroeife von einer 
beutfd)en93eoölferung befe^ten unb bürdeten ©ebieten 
beruht, bie SBorbebtngungen gefdjaffen morben. 
öcbeutung 2Bie biefe großartige beutfdje ftolonifation ein 
stofamb öemeinfameS SBerf aller beutfdjen stamme war, fo 
fotipit §at fte aud) auf ba§ ©d)irffal ber gefamten Nation 
für alle 3ufunft entfd)eibenb eingemirft. ®d)on gegen 
@nbe be§ brennten 3af)rt)unbert§ oerfdjob ftd) Ujr 
politischer 6d)roerpunft au§ bem in jafyllofe f leine 
§errfd)aften j erfahrnen Slltbeutfdjlanb, ber §eimat 
be§ ftatfertumS, nad) ben großen gefd)loffenen $erri; 
torien be§ folonialen Seutfdjlanb, bem flaffifdjen 93oben 
be3altgermanifd)en Königtums, ber <5d)öpfung be§ neuen 
territorialen $ürftentum§, unb er ift feitbem bauernb Ijier 
nerblieben. $at)er b<*t bie fpätere Sfteufdjöpfung be§ 
$Retd3§ nid)t an bie SHefte be§ alten ßaifertumS, fonbem 
an ba§ foloniale ßanbeSfürftentum angefnüpft. 2Htt 
ber mächtigen ©rraeiterung if)re§ $errfd)aft§- unb 



4 



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$te 9ä)ertina<f>tpotittf be§ $atfertum3 229 

3öirtfd)aft§gebiet§ gemannen aber bie $)eutfd)en auch 
ben beflimmenben Einfluß auf Dfteuropa, unb inbem 
fie au ihrem alten $erfehr mit bem ©üben unb 2Seften 
ben Canbhanbel im Dften unb bie ©errfdjaft über ben " 
regen Sßerfehr ber Oftfee hinzufügten, traten fie in ben 
3J2itteIpunft be§ gefamteuropäifchen *8erfcbr3 unb gingen 
mit aune^menber (Sdjnefligfeit in ein 3^ita(ter über* 
miegenber (Mbnrirtfchaft über. 

tiefer Erweiterung be3 räumlichen ^orijontg geht ®\- 
eine nicht minber bebeutfame be§ geiftigen ©efichtS* 
freifeg jur Seite. 2Iuf 8rieg§= unb $anbeI8fahrten nach ^ ] c f. 
Stalten unb bem 9ftorgenlanbe, nach ben baltifchen w* 
©eftaben unb nach 9*ufclanb lernte ber $)eutfd)e Hölter \%x$imnq 
ber t>erfdnebenften Utrt unb Kultur fennen, unb er 
fd)ftrfte an folgen ^Beobachtungen ebenfo fe^r fein fclb- 
ftänbigeS Urteil, roie an ben dampfen ber ©egenfönige 
unb ber großen ©eroalten in ber ß^riften^eit, bie ihn 
nötigten, Partei ju ergreifen. <5o mürbe bie Saienroelt, 
cor ädern ber gefellfchaftlich unb polttifch I)errfd)enbe 
SRitterftanb, münbtg, unb fein 3*^ wax nicht mehr 
2ßeltflud)t, fonbern SQBeltoerflärung. 2öa3 bie ßirche 
begonnen hatte, um ihre §errfd)aft über bie SÖelt §u 
Doflenben, ba§ eben untergrub biefe §errfdjaft. ®ie 
ficf)tliche Ermattung ber geiftlichen 93ilbung fam hin^u. 
©eitbem bie ffaffifchen ©tubien hinter ber ©cfjolaftif, 
unb bei ben neuen Drben bie ©tubien überhaupt hinter 
ben großen nrirtfchaftltchen ober praf ttfcE) * fir etlichen 
Aufgaben jurüeftraten, ©erfielen bie geiftlichen ©djulen. 
$iegeiftltche©efchichtfchreibung nahm roährenb ber glor* 
reichen 3eiten ftrtebrtch§ I. unb §einrich§ VI. in ben 
großen Söerfen Dtto§ »on gretfingen, D?agerotn§ unb 
DttoS oon St Mafien (bi§ 1209) ihren legten glän* 
jenben 9Iuffchnnmg; feitbem 50g fie fich gan$ auf bie 
t)on jeher eifrig gepflegte 8anbfchaft§* unb ^erfonal* 
gefliehte jurücf, bie noch manche? treffliche 2öerf her* 
vorbrachten, roie bie unfehlbare ©lamenchronif £>el= 



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230 



$tc beittfd&'römifd&e ftaifetseit 



molb§, bie 2)arfteHungen 9lrnoIb§ von ßübecf unb bc§ 
fietten £>einrid> oon Stotanb übet bic ©efdjidjte bcr 
beutfcfyen ^olonifation. 
xct 2öie felbftänbtg unb reif fi$ aber tnjurifcfjen bie 
fÄr 5 ßaienbilbung entroicfelt hatte, ba3 bemeifen gleicf) i^re 
erften beiben, auf fächftfdfjem $8oben, auf bem ©cf)au* 
platje ber ©djöpfungen £>einri<f)3 be§ Söroen erroacf)fenen 
SBerte, bie fogenannte fädtjfifdöe ,,2öeltcf)romr7' ba§ 
erfte ©efd)id)t§it)erf in beutfcfjer ©pradje, unb cor allem 
ber „©adjfenfpiegel" be§ roacfern ©Höffen (Stfe (©cfarb) 
von Sftepgoro (D^eppic^au bei 2lfen a. @.) um 1230, 
eine 3ufammenfaffung be§ alten fädtfifcljen Sanb* unb 
£et)nred)t§ auf ©runb ber Sefyre von ber ©leia> 
bered)tigung ber weltlichen unb geiftltdjen ®en>alt, ber 
„beiben ©djroerter" be§ ßaifer§ unb be§ ^apfte§, coli 
SDßatjrtjeitgaebe, ©otte§furd)t unb 3Jtenfrf)enfreunbUd)* 
feit. Obwohl eine ^rtoatarbeit, gewann ber ,,©ad)fen= 
fpieget" bodf) weithin praftifdje ©eltung; er befyerrfdjte 
gegen @nbe be§ 9JUttelalter§ ein drittel ber ganzen 
Nation unb fanb eine Nachahmung im fübbeutfchen 
„©chroabenfpiegel." 
Tic 2)och bie felbftänbige weltliche Dichtung fanb ihre 
t} ^pu' c ^ßffcgc uornehmlich im ©üben 2)eutfchlanb§, auf bem 
S3oben t)ot)enftaufifcr)er ßaiferl^errlidjfeit. §ter bilbete 
pef) auf ©runb ber fchroäbtfchen SDtunbart bie von ben 
©ebtlbeten überall oerftanbne oberbeutfehe ©chrift* 
fprache, ba§ ^Utelhocf)beutfche, hierher fam r»on SSeften, 
t>on ftranfretcf) ()er mit ber ritterlichen ©itte auch bie 
fran^öfifd) = f eltifdtjen ©toffe au§ bcr ßarlSfage, ber 
5lrtu§fage unb antifen (£pen unb traten neben bie alt* 
einheimifchen ©agen au§ ber Söanberjeit, bie cor allem 
in Dfterreich unb ©achfen ihre ^p^ge fanben. SRttter* 
liehe ©änger roaren bie Präger ber $)id)tung, an ben 
£öfen be§ $lbel§ unb ber dürften fanben fic ihre Qu* 
börer, unb für biefe Greife junäd^ft bieteten fte. bie 
fremben ©toffe meift gana frei unb eigenartig geftaltenb, 



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$ie 9Qßettma($tpoIitif bc8 ÄaifertumS 231 



vor allem pfucfyologifd) vertiefenb unb äu&erltdj au§* 
malenb. Sftur bic erften Vertreter biefcr §öfifd)en 
ftunftepif tvaren 9torbbeutfcb,e, sunäc^ft ein fHittcr 
£einrid)§ be§ ßörven, (Silfjarb von Dberge (um 1170), 
bann ein 9Ueberlänber, ^einrieb, von SBelbete, ber am 
£ofe §ermann§ L von Düringen feine „@neit" ( s 2(neibe) 
fdjrieb; balb aber verpflanzten bie ^unft nad) bem 
©üben ber ©cfytvabe $artmann von $lue unb ber 
©Ifäffer ©ottfrieb von Strasburg, unb ein SBaner, 
SBolfram von (£fdjenbact), fcfyuf im „^ßarcival" ba§ grofc 
artigfte mittelalterliche SBilb menfd)ltd)en 2eben§ unb 
©trebenS von jugenblicfyer Unerfahrenst (tumpheit) 
burcr) ben 3 roe if e l (zwivel) fytnburcf) jur ©eligfeit 
(saelde) im ©enuffe beä t)ödt)ftcn irbifdjen unb fjtmm* 
lifdjen ©lücfä. 

Snatvifdjen ernmd)§ in einem ßoloniallanbe, im xic 
babenbergiföen Öfterreicb, balb nach 1200 ber für JgH 
un£ namenlofe 2)id)ter, ber in einer n>ot)t von if)m W 
erfunbnen nmdjtigen vierteiligen ©tropbe nac^ ben 
alten Biebern von ber Sfttbelunge 92ot, fie mit viel* 
leicht unberoufjten Erinnerungen au§ ben Ungarn? 
fämpfen verbtnbenb, ein grofeeg (£po§ geftaltete, mit 
treuer Söa^rung ber£)aupttt)atfacb,en unb ber gewaltigen, 
balb l)eibnifd)en ©haraftere i^rer gelben, ben Spiegel* 
bilbern ber Reiben aud) ber altern ®aifer$eit, wenn* 
gleich mit leifer Umbilbung ber ©Ute gu cf)rtftlid)er 
unb mittelalterltc^öftfd)er 5lrt. Unb ein ßanbSmann 
au8 Dfterreicf) ober ©teiermarf verarbeitete wenig fpäter 
einen norbifdjen ©toff $um ©ubrunliebe. SBeibe fmb 
lieber von ber &reue jroif d)en JJürft unb 93afaU, 5m if d)en 
SKann unb 2öeib unb bar um e$t germanifd). 9luch 
ben 3eitgenoffen mar ber tiefe ©egenfa^ &Tvifd)cn biefer 
ernften, ftrengen, burch unb burd) nationalen Dichtung 
unb ber im 8erne fremben f)öfifd)en ^unftepif mit 
ihren fyalb finnlichen, f)alb überfpannten 9flenfd)en 
ivohlbetvufjt; in ber ©age vom ©ängerfrieg auf ber 



232 



Sie beuttö-römiftfe ßaiferaeit 



2öartburg (angeblich 1206) t>at er feinen SluSbrucf 
gefunben. 

Wattfe ^ ne ^ oI * c ® c Ö en f a ^ e entfaltete ftch bie Snrif, ba§ 
Satire' ®rjeugni§ ber felbftänbig geroorbnen Sßerfönlichfeit. 
3n engfter Söerbinbung non Söort unb 9ftufif, in 
rounberbar mannigfaltig unb fein burcfjgebilbeten 
©trophenformen — benn jeber dichter mar ftol$ bar- 
auf, einen neuen doa, fein litterarifcheS (Eigentum, $u 
erftnben — brachte fie bie ibealen (Smpftnbungen ber 
ritterlichen ©efeUfchaft wie bie naioe ftreube *> er 
Seutfdjen an ber 9catur, an ftrühling, 33lumen, $8ogel* 
fang unb ©onnenfcr)ein ju einem ebenfo allgemein 
giltigen wie ganj perfönlichem 9lu§brucf, unb nach 
wenigen Vorläufern in ©chroaben, nrie fjriebricr) von 
Raufen, ber 1190 bei s ßE)ilomeUum blieb, SReinmar 
bem Gilten t>on Hagenau, §artmann von 2lue, er* 
reifte nrieber ein Dfterreicher, Söalther von ber SBogel* 
roeibe, bereits ben t)öd^ften ©ipfel ber ^unft. 2öa§ tyn 
aber höhe* f)ebt al§ alle feine ©enoffen, ba8 ift ba§ 
nationale $atf)o3, ba§ ihn erfüllt, äöährenb eine§ 
langen 2Banberleben§ in ber glänjenbften 3eit be§ 
ßaifertum§ $u feftem ^ationalftol^e, in einem trau* 
rigen Söürgerfrtege $u felbftänbigem Urteil gereift, 
trat er al§ ber freimütige ©precher ber beutfdjen Säten* 
weit in feinen „<5prüchen" unerfchroefen ein für ba§ 
fcaifertum gegen bie @elbftfud)t ber dürften unb bie 
2lnmafmngen ber ^äpfte, obroohl ober auet) weil er 
eine ehrlich religiöfe Statur war. Unb biefe Selb* 
ftänbtgfett be§ perfönltchen UrteiB mürbe bie ©runblage 
ganjer litter artfdjer ©attungen, ber Spelle unb be§ 
©chroanfS, be§ ßet)rgebid^t§ unb ber ©atire, bie alle 
auf fcharfer Beobachtung be§ eigenartigen einer 
heroorragenben ^erfönlid)feit ober ©rfcfjeinung be* 
ruhen, dhrgreifenber unb roahrer ift bie anbreetjenbe 
S8erberbni§ be§ 9^itterftanbe§ unb ba§ ungefunbe 
drangen bäuerlicher Greife nach biefem <Stanbe niemals 



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Sie SSeTtmad&tpolitif be§ ÄaifcrlumS 



233 



gef Gilbert roorben, aU im Sfleter £elmbrecht be§ 
bagrifchen $lofterbruber§ 3öeraer oon 9tan§hofen am 
9fnn (jnnfchen 1225/50), unb bic ganje freie unb babei 
tiefreligiöfe 8eben3roeiSheit feine§ ©tanbe§ nach eigner 
unb frember Beobachtung t)at ein ©chroabe unter bem 
tarnen greibanf in feiner „Bef Reiben f>eit" $ufammen* 
gefaxt. 

§inter biefer in erftaunlid) furjer &\t aufblü- Wetftticfic 
henben ritterlichen Dichtung in ber SBolf^forache tritt 1 ttfl 
bie getftltche lateinifche ganj jurücf. 3bre halbbrama* 
tifdjen ^Spiele" (ludi), bie au§ ber fird)lid)en Siturgte 
heroorgingen, gelangten noer) nicht §u einer feftenßunft* 
form, unb bie „fahrenben ©chüler" (Vaganten, ©o* 
liarben), geiftlid) gebitbete Öeute, bie e§ niemals ju 
einem geiftlichen $lmte brachten, f onbern fid) al§ ©änger, 
©pa&macher ober oertraute ©djreiber oornehmer ©erren 
in rjolbem fieichtfinn burchfcf)Iugen, gingen in ihren 
flangooflen Iateinifct)en Oteim- unb Slccentoerfen ganj 
unb gar auf ben leichtfertigen unb fiunltchften %on 
ber weltlichen ©efeUfchaft ein, feiner genialer unb lieber 5 
lieber al§ ber „9lrchipoeta," ber unter ßaifer griebricr) 
Barbaroffa im $)tenfte be§ großen (Sr$bifchof§ SHeinalb 
oon $)affel ftanb. 

$)od) fo rafd) bie ritterliche Silbung unb Öitteratur »etfafl ber 
ihren ©öhepunft erreicht hatte, fo rafch fanf fie roieber 'tÄJ" 
herab. ®enn fie umreite nicht in ben breiten ®d)id)Un 
be§ 93olfe§, f onbern nur in einem herrfchenben ©tanbe, 
biefer aber oerlor feit griebrief) H. feine Berbinbung 
mit ber !aiferlichen SBeltpoltttf, alfo bie großen 2luf* 
gaben, unb oerfanf feitbem in fleinliche ^ntereffen. 3ln 
©teile ber feinen ©itte, ber höfescheit, trat bäurifche 
Hoheit, dörperheit, unb bie Sbeale be§ Rittertums 
würben bei Scannern toie bem fteirifchen bitter Ulrich 
oon Sichten ftein burch läppifch^^toentale Übertreibung 
jum ^errbilb. 9?ur auf f olonialem Boben, an ben fürft- 
liehen §öfen in Böhmen, 2fleifjen, Branbenburg, 



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234 



3>te bcutfdHömifd&e ÄQtferjeit 



©chtefien bewerte mit bem weitem ©eftd)t§ftet§ bie 
ritterliche fitjrif in ben fonoentioneHen formen noch 
bi§ jum @d)tuffe be§ 3ahrf)unbert§ fort. 
SBirffatm 2öie nun bie Ermattung ber ftrchluhen SSilbung 
»ettrt" baS 2tof fomm * n *> er weltlichen Sitteratur begünftigt 
ovben hatte, fo nahm, at§ biefe oerfiel, bie Kirche unter bem 
neu erftarften ^apfttum ben ßampf um bie §errfchaft 
ber ®eifter wteber auf, mit neuen Suchtmitteln unb 
mit fteigenbem (Srfolge. Die neuen SBettetorben, oor 
ädern bie Qftmt^fcm**/ vertreten burch fo mächtige 
^erfönlichfeiten wie 93ertE)olb oon <Regen3burg (f 1272), 
ftrebten burch ©eelforge unb ^ßrebigt befonberS bie 53e- 
üölferung ber auffteigenben ©täbte, bie naturgemäß 
Don ber ritterlichen ©Übung nur wenig berührt mar 
unb fogar ju ifjren Prägern in immer fdjärfem ©egen- 
fafc geriet, für ihre Slnfdjauungen oon ber Sftichtigfeit 
aße§ ©rbenlebenS unb für innre Umfehr ju geroinnen, 
unb ein Dominicaner, ber 6chwabe Ulbert von SBoH* 
ftäbt (Albertus Magnus, 1192—1280), ber erfte große 
beutfehe ©cfjolaftifer, machte ben großartigen SBerfuch, 
mit umfaffenber SSenüfcung ber erft bamalS burch ara* 
bifche Vermittlung ooflftänbiger befannt geroorbnen 
Schriften be§ 5lriftoteIe§, alfo be§ erweiterten <Srbe§ ber 
antifen Söiffenfchaft, grunbfäfclich au fcheiben $wifd)en 
bem philofophtfehen unb bem theologifdjen ©rfenntniS* 
gebiet, jwifdjen ber Vernunft unb ber Offenbarung, bie, 
richtig oerftanben, einanber nicht roiberfprechen, fonbern 
fid) ergänzen, weil feines oon beiben allein genügt. 
Gilberts größter Schüler, %§oma$ von 3lquino, rourbe 
barnach ber Sehrer be§ ganzen 9lbenblanbe§. 

S)och mit aHebem gewann bie Kirche ihre alte 
§errfchaft über bie ßitteratur nicht surücf. «alb trat 
ba§ 93ürgertum bie ©rbfehaft be§ SHittertumi an, unb e§ 
bereitete, inbem e§ fich au immer größerer ©elbftänbig? 
feit be§ Urteil burcharbeitete, bie Sprengung ber alten 
Kirche uor. 



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3)te 2Öeltma$tpolitif bcS AaifertumS 235 



SBiel langfamer gewann bagegen bie fiaienfchaft roni ^Jf- d , e 
an ber Pflege bcr bilbenben fünfte einen felbftänbigen »auhmft 
Anteil. $)enn nur bie Könige unb Surften begannen 
ihre ^faljen unb Burgen jefct f ünftlerif ch 3U fchmücf en ; bei Ootti 
bie £of>enftaufen bauten Trifels, Hagenau, ©einkaufen, 
bie Söelfen $anf warberobe , bie thüringifchen fianb- 
grafen bie Söartburg unb bie Neuenbürg über ftrenburg 
an ber Unftrut u. f. f. $ie Sflaffe ber SHitterftfce blieb 
bagegen blofjeShtfcbauten. 2Beitau§ bie größte 3<*h* aller 
funftlerifchen 93auwerfe waren alfo nach wie cor firch* 
lieber 9Irt, unb geiftliche ©erfmeifter führten fie au§. 
$)aher tragen biefe Sauten be§ blühenben romanifchen 
©til§ ein gewiffeS einheitliche^ ©epräge, ba§ nur burd) 
©tammeSart, befonbre SBebürfniffe unb bie Söefchaffen* 
heit beS ©orhanbnen 2Jtotertal§ umgeänbert wirb. 
3n ben SSirchenbanten brang ba§ £reu$gewölbe ftatt 
ber alten ©alfenbecfe burd), bteüftmbbogenfenfter würben 
burd) gierüche 93ogenftelIungen geteilt, bie tiefen portale 
reich mit 93ilbt)auerarbeiten gefd)mütft, bie Sttauer* 
fläzen burd) ftransgefimfe unb ßifenen belebt. 3Kit 
bem ©inbringen be§ norbfranftöfifchen ©pifcbogen§, cineg 
3unad)ft ted^ttifc^cn gortfehrtttö, ba biefer 93ogen 
fd) wacherer Stufen bebavf, etwa feit 120O, mürben bie 
©tilgen im Innern zierlicher, bie Kapitale leichter unb 
freier, aud) ber fyoty &$ox niebriger, ba bie ftrnpta 
wegfiel, ba§ ganje innere gewann alfo größere ©in- 
heit. 3n biefem „ÜbergangSftil" finb bie fünften 
^Bauten gegen ba§ ©nbe ber $of)enftaufenjeit ent* 
ftanben. 5)ie reine ©oüf f äffte, von Sftorbfranf reich 
einbringenb, juerft am Steine gujj unb würbe auch 
t>on bürgerlichen SBaumeiftern gepflegt, ©onft trat 
eine gewiffe ©elbftänbigfett ber Saien junächft in 
ben ättintatur maier eten ber ßieberljanbfchriften tyxvox, 
bie in leichter, immer noch Jonoentionefler 3eicf)nung 
bod) fchon lebenbige 5ttenfchen in mannigfachen natür* 
liehen Situationen fchilbert; bie§ wir!te bann auch 



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236 



$ie beutfd&«römif$e Äaifcrscit 



auf bie fircfyttdje Sanbmalerei hinüber, unb jugleicrj 
entfaltete fict) überraferjenb in ©adjfen wie in Düringen 
eine ©tetnptaftif, bic auf genauem ©tubtum ber Ieben= 
bigen Statur beruhte. 
SBe Jük mb Vorangingen in biefer ganjen ßunftentfaltung bie 
beutfölanb 9*f)etnlanbe, entfpred^enb i^rer l^eroorragenben politU 
fd)en unb nnrtfdjaftttdjen Söebeutung in biefer Seit. $ie 
alten £)ome von 2flain$, ©peier, 2öorm§ würben ba= 
mal§ umgebaut alle mit ber farolingifd^bujantinifctjen 
Kuppel über ber Vierung, wie bie fed)§türmige 93ene? 
biftinerfir^e oon SJtoria Saact) in ber ©ifet $n ®öln 
bezeugen ©t ©ereon, ©t. Slpofieln, ©t Pantaleon ben 
^Beginn einer neuen großen 93auperiobe nad) bem 
93ranbe r»on 1149; fjier legte bann ©rjbtfcfjof ßonrab 
non §oct)ftaben 1248 ben ©runbftein $u bem gotifdjen 
(Sfjor beS neuen ungetjeuern $>ome§ in genauer Sftad)' 
bilbung be§ £)om§ von 2Imien§, naefjbem ferjon feit 
1227 bie SiebfrauenfirdEje in biefem ©tile begonnen 
roorben mar. 5lm meiften ©tnfluf? übte bie rr)einifc^e 
3lrdt)itcftur auf bie ftammoerroanbten £anbfcx)aften 
fjranfen unb Reffen in ben dornen non SBür^burg 
unb Samberg unb in ber 2lbtetfircr)e von $er§felb; 
bagegen jeigen bie banrifetjen unb frf)roäbifd)en bauten, 
bort bie $)ome von greifingen unb SRcgenSburg, In' er 
bie Älöfter £>trfcrjau unb 2ftaulbronn in it)rer ur* 
fprünglidjen gorm, bafj man meljr an ber ältern 
Söeife feftf)ielt. 3m ^oloniallanbe Öfterreid) begann 
eine regere SBauty&tigfeit erft -mit bem Übergang^ 
ftil unter italiemfcfyem (Sinflufc, unb ba bic ein^eimi- 
fcfjen 93ifdt)of§fl^c # ©urf unb ©eefau, unbebeutenb 
blieben (nur ©urf baute ftd) einen prächtigen $)om), 
fo leifteten ba§ meifte bie neuen SUöfter, 3*t>ettl, Ciliem 
felb, §eiligenfreus, St ^ßaul in Kärnten. Sag 2Iuf* 
blühen SötenS geigt ber beginn ber neuen ^farr* 
firdje ju ©t. <&ttp\)an feit 1147 nod) in romanifc^en 
formen. 



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Sic aajeltma^tpolttit bcö Aatfettuntd 



2;37 



Sehr felbftänbig ftefjen €>ad)fen unb Düringen 
mit ihren KoloniaHanben. 3n SBeftfalen blieben bie 01 1 
fird)lid)en Sauten trofc ber engen Serbtnbung mit ben 
^^einlanben meift fe()r etnfad) in ©runbrif* unb $lu§~ 
fdnnüdung; fehr reich bagegen bauten bie oftfächfifchen 
unb thüringifchen 33ifd)of§ftäbte §alberftabt, §tlbe3= 
heim, Naumburg, 9tterfeburg, 2Ragbeburg, bod) nicht 
jurürf ftanben bie Senebiftiner von ©anber^eim, 
«PauUnaeae, Königslutter, ber ©rabft&tte Kaifer So* 
tharS, unb bie ©iftercienfer in ^ßforta. Son ben Ko* 
loniallänbem folgte baS rafd) aufblühenbe ftlberreiche 
3tteifmerlanb in bem (fpätern) $>ome Don ftretberg mit 
bem prächtigen Sitberfchmurf feiner „©olbnen Pforte" 
gana biefer Söeife. dagegen aroang im norboftbeutf djen 
£ieflanbe bie ©teinarmut ju bem fchlid)tern 3iegelbau 
nad) bem (Schema ber fächftfehen ^ßfeilerbafilifa, ber 
als fertiger ©tU unmittelbar auS bem lombarbifchen 
ftlachlanbe hierher übertragen mürbe. S8on ben93ifd)ofS* 
ftäbten leiftete babei Sranbenburg baS Sebeutenbfte, 
boch ooran gingen auch hierin im allgemeinen bie 
Klöfter ber ^ßrämonftratenfer (3erid)on)) unb Giftcr« 
cienfer (3inna, 2)obrtlug, ßehnin, Sergen auf SRügen, 
(Slbena, Srebnifc in ©d)lefien). $)ie ©tabtfirdjen blieben 
noch einfach, bie Sanbttrdjen fc3t>tic3c>tc Selbftem* unb 
§ol$bauten. 

* * 

* 

©ine ©ntnritf lung oon brei unb einem falben Sah** 
hunbert ^atte bie alten ©egenfäfce jmifchen ftrchlicr> 
antifer unb heibmfch s nationaler Silbung ausgeglichen 
ober gemilbert, ein reiches Kulturleben erzeugt, baS 
alte naturalnnrtjchaftlidje $>eutfd)lanb in ben aKittels 
puntt beS SBeltoerfehrS gerüdt, bem beutfehen SolfS* 
tum ein neueS ungeheures ©ebiet gewonnen, ihm bie 
SßormachtfteQung im $lbenblanbe gegeben unb bie alten 
$emmmffe feiner (Einheit, bie ©tammeSgebiete, für 



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238 $ ic beutf($«römif<$e Äutferaeit 

immer in Heinere Territorien aufgelöft. 3lber ein neuer 
furchtbarer äöiberfpruch war augleich in fein fieben 
hineingekommen. $)enn ber Langel an roirflic^er 
@taat§geftnnung, bie ©elbftfucht ber fianbeS^erren unb 
ba§ Sntereffe be§ ^apfttumS Ratten bie ©runblagen 
ber mühfam errungnen Einheit, baS Königtum $erftört, 
unb bie ©egenfci^e annfchen ben ©tänben waren $u 
einer Schärfe entnadelt, bie jebe SWöglichfeit, fxe in 
nationalem Sntereffe $u oereinen, au§fd)Iof$. @o ent* 
beerte bie§ grofje, aufftrebenbe SBolf abermals einer 
roirffamen $eich§oerfaffung. (Sechshundert 3ahre lang 
hat e§ biefen SBtberfpruct) ertragen muffen. E3 hat ihn 
fchliefjlich überrounben, weil bie Erinnerung an bie 3eit 
feiner mittelalterlichen Einheit unb bie ©efmfucrjt nach 
ihrer Erneuerung immerbar lebenbig blieb. 



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Bterfer Zeitraum 

1273 bia 1517 



Mt Bilirung tftx grüßen Qzxtitotim 
mtir tfit 1|öf|B ter JJäirtirrfjBtt Ißadif 

1273 bt0 1389 

'fllV* neue ^eriobe begann unter bem 3 e ^ cn oe * ^ c l J ra! Jf t r 
fd)ärfften ftänbifd)en ©egenfäfce. gürftentum unb 101 v ° l 
niebrer 2Ibel, Bürgertum unb Bauerntum rangen miteim 
anber um bie größtmögliche greifceit ihrer ©önberinter- 
effen, unb ba§ Königtum, feiner alten ©runblagen faft 
gänzlich beraubt oermochte fte nicht ju jügeln, gefchroeige 
fte $ur gemeinfamen Arbeit in ben formen einer 9teich§ ; 
nertretung 5ufammen$ufaffen, roie e§ bamal§ in g-ranf= 
reich, (£nglanb, ©panien gelang; ja e§ fonnte ftd) felbft 
nur behaupten, wenn e§ über ein große§ lanbe§fürft= 
lid)e§ Territorium oerfügte. ®in foldjeS ju erwerben 
ober ju oergrößern rourbe baher bie Hauptaufgabe 
jebe§ $önig§. $)a aber banf ber 2Bat)lmonarcf)ie bie 
SKeidjSfrone fortioä^renb oon einem ©ef djledjt §um 
anbern überging, fo fam eine folcrje ©chöpfung bem 
Königtum al§ folgern faft nie ju gute, unb faft jeber 
mußte oon vom anfangen, darüber ging bie alte 
£errfdjaft über Italien un b SBurgunb bi§ auf einige 
fechte unb Erinnerungen oerloren, unb im SBeften ftieg 
ba3 lange jerriffene unb ohnmächtige fjranfreich 
ju immer fefterer Einheit unb Sftacht empor. $>a* 

2)cr SOßerbegang be§ beulen JöolfcS I IG 



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242 



$>ie lanbeSfürftlüMtftbtifd&e Seit 



gegen gelangte im Horben unb Dften bie Übermalt 
ber beutfdjjen Kultur erft jetjt ju uofler Entfaltung. 
$enn ber beutfdje Horben ging jettf mef)r al§ je feine 
eignen Söege, faft ofme 3ufammenf)ang mit bem &aifer= 
tum, ba§ für immer in bie £änbe füb* ober roeft* 
beutfd)er ©efd)tecf)ter geriet, unb in Keinen Greifen, im 
lanbe§fürftlicf)en Territorium roie oor aflem in ben ju 
faft republtfanifdjer ©elbftänbigfeit unb juerft ju einer 
mobernen SBerroaltung auffteigenben ©tabtgemeinben 
entroicfelte bie Nation eine erftaunltdje SebenSfraft. 
Eine großartige Entfaltung oon ©anbei unb ©eroerbe, 
von Shtnft unb öitteratur, t>on SBtffenfdjaft unb Unter* 
rid)t ooHjog fich bamalS, unb groar oorroiegenb in ben 
Sflauem ber Stäbte. £)enn bie roirtfd)aftlid)e unb 
geiftige Rührung ber Nation ging jefct auf ba§ 93ürger= 
tum über, unb in manchen Teilen 3)eutfd)lanb§ roar 
biefe§ jeitroetlig nafye baran, aud) ben politifdjen Vorrang 
ju geroinnen. 3)ie ganje 3ufunft $)eutfd)lanb§ beruhte 
barauf, baß biefer ßampf ju gunften be§ $ürftentum§ 
entf Rieben unb bamit ber monard)tfd)e Etjarafter be§ 
i*anbe§ geroa^rt rourbe. 
Statt Trotj a0e3 <5onbertum§ trat bocl), oiefleicfjt gerabe 
L infolge be§ ^nterregnumg, ba§ feit bem Ausgange 
3rriebrtd)3 II. t^atfäc^lidc) beftanb, nad) bem Tobe 
fötcfjarbS oon (£ornroaHi§ am 2. Slprit 1273 ba§ 93ebürf* 
ni§ nad) einer teitenben ©eroalt ftarf Ijeroor, nid)t nur 
bei ben fleinern freien |>erren unb ©täbten be3 SÖeftenS, 
fonbern aud) bei bem neugeroäfjlten Zapfte ©regor X., 
bem bie auf ^ranfretd) geftü^ten 9lnjou3 in Neapel 
oiel gefährlicher roaren, at§ jemals ba§ beutfc^-ftatlifc^c 
SRetd) ber töttirf) gefaßten ©taufer. 3a ©regor X 
empfanb bie ^otroenbigfeit eine§ beutfdjen Königtums 
fo lebhaft, baß er $ur 2Ba§l mit ber (£rftärung auf* 
forberte, er roerbe fonft fetbft mit ben Storbtnälen ben 
$eutfd)en einen ßöntg fefcen! <So oerftänbigten fid) 
junäd^ft ber @rabifct)of ferner oon 9Jlainj unb ber 



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3>te »Übung ber großen Sertitotien 243 



energifcbe ^faljgraf £>er$og Subnrig oon Dberbanern, 
bann bic übrigen $urfürften mit 3lu§nahme Dttofar§ IL 
von Böhmen, ben fic au§fct)loffen, unb erhoben auf ben 
SBorfchlag be§ Burggrafen fjriebrid^ von Dürnberg au§ 
bem §aufe £ohen$olIern am 29. September 1273 in 
2J2atnj ben ©rafen SRubolf oon Sababurg, einen alten 
Parteigänger ber §ohenftaufen, jum ®önig. Unter 
auf nötigem 3ubel von taufenben empfing er am 
24. Oftober in Slawen bie ßrone. 

SRubolf I. (1273 big 1291) gehörte flroar nicht bem 3W< 
ftürftenftanbe in bem neuern ©inne an, wohl aber 9 * 11 * 01 ** 
einem ber mächtigften (Srafengefchlechter ©chroaben§, 
ba§, feit bem geinten ^abr^unbert befannt, feit 
bem elften oon ber £>ab§burg (£>abicbt§burg) im 
Slargau au§ allmählich bie ©raffdjaften im Oberelfa&, 
3ürid)gau unb Slargau mit mannigfachem (£igen= unb 
Pfanbbeftfc erroorben hatte. ©d)on in reiferm Hilter 
(geboren 1218), erfolgreich in ber Vermehrung be§ 1232 
geteilten §au§befifceg, befonberS burch bie Erwerbung 
ber ßiburgifchen ©üter au§ bem förbe feiner 2Kutter 
£eilnMg, galt föubolf mit SRed)t als tapfrer, Iiftenreid)er, 
unermübltcher $rteg§mann unb al§ ein nüchterner, 
jäher ^olitüer. £$n feinem Auftreten oon bürgerlicher 
Schlichtheit, mar er ben ritterlichen glänjenben ©taufen 
äu&erlidj unb innerlich fo unähnlich wie möglich- 28a§ 
bem deiche an ©ütern unb fechten geblieben mar, 
fparfam unb bebächtig aufammenjufaffen, eine leibliche 
Drbnung h^ufteCTen unb eine ftarfe §au§macf)t $u 
begrünben, rooju er mit Umficht unb ©efehief oor 
allem gamilienoerbinbungen oermanbte, ba§ maren 
feine 3iele. $aher gab Ohtbolf junächft ben Kurfürften 
einen oerfaffungSmäfngen Slnteil an ber SHeichSoer* 
maltung, inbem er fich oerpflichtete, ohne ihre „Söifle* 
brtefe" feine finanziellen Verfügungen au treffen. £)en 
Sßapft geroann er burch Betätigung ber frühern 3u* 
geftänbniffe unb bie 2lu§ficf)t auf einen ^reu^ug, unb 

16* 



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244 lanbe§fürftttcf)'ftäbtifd&e 3eit 

für bic SReorgamfation be§ SKeid)3 gab ber 93efd)(ufj 
be§ SRetd)3tag§ r»on Dürnberg 1274, alle feit 1245 r>er* 
lornen 9*eid)§güter unb afle 9tetd)§Ief)en, für bie ifpre 
Snljaber nicr)t binnen 3a!)r unb $ag bie Belebung 
nactjfudjten, aurücfjuf orbern, bie recfjtlicfje ©runblage. 
3aii @§ mar ber erfte ©treid) gegen Dttofar oon 93öl)men. 
0t u?r rt 3«9^tcJ) ifotierte Ohtbolf ben mächtigen SSönig plan* 
Cftcrvci^ mäjjig, inbem er bie beutfd)en 93ifd)öfe burd) 93e* 
ftätigung tfjrer ^rtoilegten r»on 1220 gu fxc^ l)erüber$og, 
m toxm* mlt ben Mnfäen SMfäöfen nähere Skrbinbungen 
anfnüpfte, enbltd) §einrid) oon S^teberbanern unb 
äfleinfjarb t>on Strol (burd) bie SBermctfylung mit feiner 
£ocf)ter ©lifabetf)) für ftd) gewann, darauf ©erhängte 
er am 24. 3utt 1276 bie 9tetd)§ad)t über Dttofar, ba 
biefer feiner Borlabung gefolgt mar, unb rücfte in 

M 

Dfterreicf) ein. $)a nun gleidjjetttg 2Reinf)arb oon 
$irol in ©teiermarf erfcfjien, unb l)ier nrie in Böhmen ber 
böfmtifdje 5lbel, gereijt burd) feine beutfd)= unb bürgere 
freunblidje Berroaltung, ftd) gegen Dttofar erflarte, fo 
blieb biefem nichts übrig, al§ im Rieben oon SBien am 
21. Sftot)ember 1276 Dfterreicf), ©teiermarf, keimten unb 
®rain f)erau§jugeben unb für Böhmen unb SHäfyren bem 
8önig SRubolf pcrfönlidt) ju fmtbigen. 5luf§ tieffte ge- 
fränft, arbeitete Ottofar jebodt) fofort an ber SBteber* 
fjerftetlung feiner 2Hacf)t, 50g Branbenburg, SRei&en, 
bie fcf)lefifcf)en ©erlöge unb fogar £>einrid) oon lieber- 
banern auf feine ©eite unb fefjrte, um feinen tfdjednfdjen 
91bel an fief) $u feffeln, in fdproffem 2öiberfprud)e mi| 
fetner ganzen bisherigen ^olitif, befliffen ben flanrifcrjen 
©tanbpunft f)ert>or. 2Iber ftubolf fieberte fidt) bie ^>i(fc 
Ungarn^ burd) bie Bermäfjlung feiner $od)ter Siemen ttne 
mit^Önig^nbreaS unberfcrjien, roäbrenb Dttofar f oftbare 
3eit mit ber Belagerung nieberöfterreid)ifcf)er ©renj- 
plätje oergeubete, in SÖien. $n beffen 9Jäf)e, auf bem 
9Jlard)feibe bei $ürrnfrut, fiel am 26. Wuguft 1278 bie 
(£ntfd)eibung. 9tad) tapfrer ©egenroe^r mürben bic 



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$ie SBtlbung ber großen Serriiorien 245 



Vöfymen jerfprengt unb burd) eine fdjarfe Verfolgung 
oöüig aufgelöft; Dttofar felbft rourbe im ©etümmel ge* 
fangen unb von fteirifdjen Gittern, perfönlidjen ©egnern, 
unritterlid) erftoc^en. 3n Vöf)tnen übernahm barauf 
Sftarfgraf Otto oon Vranbenburg bie Vormunbfd)aft 
für ben minberjäfjrtgen üBenjel, ber gugteid) mit S^ubolfä 
$od)ter ©utta verlobt mürbe; Öfierreidj unb ©teier= 
mar! aber übertrug JHubolf auf bem SHeid)§tage oon 
2Iug§burg im $e$ember 1282 feinen beiben ©ö&nen 
2Ubre<$t unb SHubotf ju gefamter $anb, roäfjrenb fein 
©djroiegerfofjn 3tteinf)arb oon Sirol Kärnten erhielt» 
Stte ^abgburgifc^e £>au3mad)t im folonialen ©üboften 
be§ SReid)§ mar gegrünbet. 

Von ben (Srgebniffen feiner Regierung blieb bieg atuboifc 1. 
ba§ mefentlidje. 2)ie übrigen maren fct>r befdjeiben. ^mr 
5)ie beabftdjtigte SBieber^erfteüung be§ $erjogtum§ 
©djnmben Vetterte an bem SBiberftanbe be§ ©rafen 
©bertjarb oon äöürttemberg, fobaf? fid) föubolf bamit 
begnügen mufcte, ben £Heft ber $eitf)ggüter (bie meiert 
lanboogteien Dber* unb lieber fetyroaben, Ober* unb 
■ftieberelfafc, ©peter, Söetterau, SHotfyenburg an ber 
Sauber unb Dürnberg) neu ju orbnen unb bie beiben 
erften feinem £>aufe $u fidlem. 5)en s $lan, ba§ Äönig* 
reict) Vurgunb feinem ©ofme §artmann ju übertragen 
unb baburd) mieber enger mit bem SReid^e ju oerbinben, 
oereitelte ber j&fce Zoo be3 jungen 9flanne§. 1281 ; nur ben 
©rafen ^eter oon ©aoonen nötigte SHubolf burdt) jmei 
gelb^üge 1283 unb 1289 §ur §ulbigung. $)enfianbf rieben 
ma^rte er fräftig, fo meit feine Littel reichten, and) 
buret) perfönlidjeS eingreifen, befonberS in Springen 
1289/90, roo bie 3ramiltenf)änbel be§ £aufe£ Söettin 
alle§ in railbe Sluflöfung oerfetjt Ratten. $)ie dltid)& 
ftäbte befyanbelte er lebiglid) al§ ©elbquellen, o^ne in 
ein fefteS Verhältnis ju ifmen ju fommen; fte gingen 
be§f)alb mefjr unb me^r i^re eignen Sßege. Vor allem 
rif? ftd) ^ötn mit £>ilfe VrabantS burd) ben glänäenben 



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246 



Sie IanbcSfürftltcWtäbtif($e 3*ü 



©ieg bei SBorrtngen am 5. !guni 1288 oon feinem @r^ 
btfdjof ©tegfrieb oon Söefterburg, ber in bem ©rbftreite 
um ba§ £>er$ogtum Simburg jtoifäen SHainalb oon 
©elbern unb Slbolf oon 93erg auf ber ©eite ©elbern§ 
ftanb, mit bergifdjer §ilfe oöfltg lo§, ofme ba& SRubolf 
in biefe Söirren eingegriffen fyätte. 5luf einem 3^9* $ur 
©idjerung be§ Sanbfrteben§ ift ber greife ßönig am 
15. 3uni 1291 in ber 9täf)e oon ©peier oerfdjteben. 
«Mm 2U3balb jeigte ftd)g, bafc e3 ben fturfürften nid)t 
mau | 0 fe ^ r um bic ^väftigung be§ Königtums, aß auf bie 

©noeiterung fürftlidjer ©elbftänbigfeit anfam. $)enn 
bie rf)einifd)en (£rjbifd)öfe im $unbe mit SBenjel II. 
von «öfcmen erhoben nid)t etwa SRubolf§ älteften ©o&n, 
2llbrecf)t, ben mächtigen §er$og r»on Dfterretd), fonbern 
ben mad)tlof en ©rafen 21 b o I f von SKaffau (1292 bi§ 1298), 
einen $8ertoanbten ©erfjarbS oon SHainj, ber obenbrein 
biefe 2öaf)l burd) grofje 3ug*fiänbmffe an bie rf)einifcrjen 
($rjbtfd)öfe (^erpfänbung oon SReid)3einfünften unb 
anbern £of)eit§red)ten) erlaufen rnufete. Söoflte er 
nid)t tf>r nrillenlofeS SBerfgeug bleiben, fo mu&te er 
anbre ©tüfcen fudjen, oor allem fid) eine eigne £>au§? 
mad)t f Raffen. Qene glaubte er befonberS in ben freien 
Herren unb ©rafen ©cfjtoaben§ ju finben, bie er reid)* 
lid) mit Vergabungen unb <ßriotlegten au§ftattete, biefe 
erioarb er fidt) toirfltd), inbem er ben ßampf 2llbrecr)t§ 
oon Düringen mit feinen betben ©ö&nen Qrriebricr) 
bem fjretbigen „mit ber gebiffenen 2Bange" unb 3)ie$= 
mann um 2Jteif$en, ba§ Ghrbe §etnrid)§ be3 ©rlaudjten 
(geftorben 1288), bemtfcte, um Düringen um 12000 
3flarf ©ilber ju erlaufen, 9Jlei&en als erlebigte? <Reid)3= 
letyen einjujieljen unb 1296 mit bewaffneter £anb in 
Söefi^ ju nehmen. $)en 9Jtod)tbeftrebungen ber $ab§= 
burger trat $lbolf an einer entfcfyetbenben ©teöe ent* 
gegen, inbem er 1297 ben «unb ber brei 2Balbftätte 
Uri, ©d)iot)a unb Untermalben oon 1291 jur SBefyaup* 
tung i^rer $Heid)§unmittelbarfeit betätigte. 2)enn in 



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Ȇbung ber grofeen Territorien 



247 



biefcn teilen be§ $()urgau§ befafjen von altert fyer bie 
$ab§burger entroeber bie ©raffdjaft ober (in Unters 
roalben) bie SBogtei ber bort gebietenben geiftUcrjen 
Stifter, bie dauern fdjaften aber fjatten in'Urifc^on 1231, 
in ©cfyronj 1240 burdjgefetjt, baf? ein erroä&lter ßanbam* 
mann unmittelbar im tarnen be3 SReid)§ bie ©ertd)t3= 
barfeit übte, unb Unterroalben ftrebte nad) bemf elben QkU, 
tt>äf)renb bie £ab§burger bie SöieberfjerfteHung tyrer 
alten Diente al§ ©runblage einer 8anbe3f)oI)ett im $(uge 
fyatten. 5lu§ biefen ©egenfätyen entmicfelte ftd) natura 
notroenbig ber offne ®ampf jnrifdjen ®öntg 9Ibolf unb 
feinen fürftlidjen Sägern, ©erwarb von attatnj.oer* 
bünbetc ftd) mit 93öljmen, SBranbenburg, <Sad)fen unb 
2übred)t von Dfterreidj sunt ©turje be§ ftömg§ unb 
rief ben £ab3burger nacrj'bem obern Steine. Stadlern 
bie $8erfd)tt)omen*in ganj redjUofer 2öcife am 23. Quni 
1298 bie (Smtfe^ung $Ibolf3 auSgefprocrjen Ratten, fudijte 
biefer nad) feiner tapfern Söetfe bie rafc^e (Sntfdjeibung 
burd) ba§ ©crjroert unb ftarb bei ©öüfjetm am 3)onner§* 
berge unweit von 2öorm§ am Reiften 2. gult 1298 
einen efyrlicfyen SKeitertob. 

$)ie ßrone gehörte bem «Sieger, 5übrecf)t 1.(1298 mnedn 
bis 1308), bem fie bie 2Baf)Ifürften fd)on am 28. 3ult 
nod) formen übertrugen. ©etyr balb fafjen fie, baf* 
md)t 2lbolf, fonbern fie felber bie ©efdjlagnen feien. 
3)enn §um erftenmale oerbanb ftd) bie 9ieurj§frone mit 
einem ber ntädjttgften Jürftentümer be§ folonialen 
DftenS, unb fie rut)te^ubem auf bem Raupte eine3 
garten, entfd)loffenen, Jjerrfd&genmlttgen unb [)ody 
ftrebenben 2Kamte§. $a 9ltbred)t bie ©efinnung ber 
geiftltcr)ett ^urfürften au§ eigner ©rfafjrung fannte, fo 
nafym er itynen|ben geroöfynten dlüdfyalt burd) ein enge§ 
(£tnoernef)men mit Wlipp iv.'bem ©cfcönen von ftxanh 
reid), ba§ er burd) bie Verlobung feineS ©otme§ s Jiubolf 
mit <P*)iIipp§ <Sd)tt>efter Planta 1299 nod)tnet)r befeftigte, 
unb fjob bann 130J auf ©runb be§ s J*eid)£gefe£e3 oon 



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248 



2>ie Iaitbes>fürfttid)»ftäbtif($e 3«* 



1274 alle feit 1245 roiUfürlid) neu errichteten 3 oll; 
ftätten am Cheine auf. 2U§ ftd) bagegen bie rheinifchen 
fturfürften auflehnten, n)arf er fie mit §ilfe ber ©täbte 
1301,2 furjerhanb nieber. dagegen mar e§ felbft biefer 
fraftooüen unb felbftbemu&ten Regierung nicht möglich, 
fid) ben päpftlichen 9Jiad)tanfprüd)en ju entziehen. £>atte 
Qnnocenj IV. feine Roheit burct) bie (Sntfetjung ^aifer 
grriebrid)3 II. ernriefen, fo lehrte jetjt Bonifatius VIII., 
baft ba§ geiftliche wie ba§ weltliche ©chmert beim 
heiligen ^ßetruS fei unb fein ©teCtoertreter baS Diecrjt 
habe, Könige ein* unb ab$ufetjen, unb ba Wibrecht bie 
Station noch nid^t hinter fich h^tte, fo mufcte er 1303 
ben ungeheuerlichen ®a(3 anerfennen, bafj ba§ beutfche 
Königtum unb baS 2öal)Ired)t ber ^urfürften auf päpft* 
licher Verleihung beruhten. $ie päpftiid)e Xheo!ratie 
fchien ooflenbet. 

£aö<pawt; 2>od) fie ftanb trotj allebem auf thönernen f£üf?en. 
fmntfl @eit bcm ÄttSgange beS ftaufifchen ^aifertumS ftüfcte 
Mec fich ba£ s £apfttum roef entlich auf frranf reich, &ie wich* 
* ailb tigfte «Pflegftätte ber ©cholaftif, bie bie ^irdjenlehre 
mit logifchen 93emeiggrünben n>ie mit einem unae* 
heuern ©erüft umgab, unb bie |>etmat be£ £>aufe£ 
$lnjou, baS bie ftaufifche (£rbfchaft in ©ijilien übernom* 
men h^tte. 2lber bxeS rcurbe gelähmt burch bit furcht^ 
bare fijiltfche Befper Dftern 1282, bie an bie ©teile ber 
fransöfifchen ©errfcrjaft auf ber ^nfel eine ghibeflinifch- 
aragoneftfdje, alfo papftfeinbliche fefcte, unb in granf; 
reid) felbft ftrebte baS Königtum ber ^apetinger, geftütjt 
auf bie Nation, nach ber oollen Souveränität über 
baS ganje 2anb. $en ßonfltf t, in ben beShalb ^t>üipp IV. 
ber ©d)öne, ein fühler Rechner, mit Bonifatius VIII. 
geriet, beenbete ber ®önig burch einen ©eroaltftreid), bie 
©efangennahme be§ greifen ^apfteS in $lnagnil303, unb 
inbem er bann 1305 burd) bie franjöfifchen Äarbinäle 
einen ftranjofen, (Siemens V., auf ben päpftlichen ©tuhl 
erheben lief*, ber in 3loignon feinen Sifc nahm, brürfte 



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2>ie »ilbung ber gro&cn lenitortm 249 

et bciS weltbeherrfchenbe ^ßapfttum ju einem Serfjeuge 
ber immer füfmer au§greifenben fapetingifdjen ^olitif 
herab, fortan mufjte $)eutfcr)lanb, wollte e£ fict) 
fran$öfifcf)er Übergriffe entwehren, auch ba§ ^ßapfttum 
betampfen. (£3 mar eine burdjauS neue Sage. 

Um fo notroenbiger mar ber Ausbau beS &önig= 
tum3 $u einer atle3 überragenben Serritortalgeroalt, vtibrcctit^ 
unb mit gutem ©rfolge ging 5Ilbred)t baran. Qmax 
ber ^erfuct), £>ot!anb, ©eelanb unb JrieSIanb nach 
bem £obe be§ ©rafen $obann 1300 als erlebigte 
s Jieicf)3lehen einziehen, mar an bem Söiberftreben 
3rranfretch§ gef Deitert. Keffer glücfte e3 in Lohmen. 
$>ier ^atte $öntg Söenjel II. 1304 auch bie polnifche 
ftrone erroorben unb nad) bem Slusfterben be§ un* 
garifdjen 3lrpabenhaufe§ mit 2lnbrea§ III. 1301 feinen 
äiüölfjctyrigen Sohn S&enjel (III.) alg «ertobten 
©UfabethS, ber Softer be§ legten ftömgS, 1302 $um 
$Önig r>on Ungarn wählen laffen gegenüber ben $(n* 
fprüchen ®arl Roberts von Neapel, be§ (5nfe(g 
ber Sftaria oon Ungarn, ber <5d)it>efter £abi§lau§ IV. 
(Gegenüber biefer höchft gefährlichen flamifch^ungarifchen 
2Jiad)tbilbung ber ^ßrfchemnSliben begünftigte Wibrecht 
in Ungarn bie $lnfprücf)e ftarl Roberts, ber fie nact) 
bem plötzlichen $obe 2öen$elS II. im Quni 1305 wirf- 
licr) bürdete, unb übertrug, al§ mit SöenjelS III; 
©rmorbung im $luguft 1306 ber 2flanne3ftamm auch 
ber $rfd)emt)3liben erlofd), 93öhmen alg erlebigteg 
5Reid)3tel)en im Januar 1307 feinem ©ohne SRubolf. 
Unb ferjon fyattt er feine Söögte nach 2fleifjen unb 
Thüringen gefanbt. ©ebietenb umfpannte bie t)<xb& 
burgifd)e OJlafy im Often unb ©übroeften ba3 föeich. 

SIber noch im $af)re 1307 fet)rte Biebrich ber eppofition 
greibige in feine §etmat jurücf, roarf bie föniglichen subrcät; 
93ögte burch ben ©ieg bei ßuefa unmeit Ottenburg am * cm 200 
31. ÜJiai 1307 au§ 3tteiften, geroann 1308 auch Thüringen 
unb ba§ s $lei&erlanb feinem £>aufe jurücf. Sftur bie 



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250 



S)U lanbcSfürftlicMtQbtifäe 3"t 



(lieber-) Sauftt>, bie 5)ie$mann 1304 an SBranbenburg 
oeräujjert t)atte, blieb oerloren. 3 um Unglücf für 
9llbred)t ftarb nun aud) SRubolf oon Sööfjmen fct)on am 
3. 3uli 1307, unb gu feinem $ftad)folger würbe oom 
2ibel ^einrieb, oon Kärnten, ein 6d) wager 2öen$elS III., 
ber frühere Sftitbewerber föubolfS, gewählt. £)aju fam 
bie wacfjfenbe Dppofition ber geiftlidjjen ^urfürften. 
2)a würbe Wibrecht mitten in ben Lüftungen auf $ln- 
ftiften feines unjufriebnen Neffen unb 2MnbelS Sodann 
oon (Schwaben (^ßarriciba) am 1. 3T2ai 1308 an ber SHeufj 
im s 2lngeftcf)te ber £>abSburg rucrjloS ermorbet. fjfür tnefyr 
als ein Safjrfyunbert entglitt bamit bie 9*eicf)Sfrone 
ben §abSburgern, unb eine cjoffnungSoofle 2ftacf)tbilbung 
würbe abermal§ abgebrochen, 
.^cinricf) $)enn bie fturfürften, bie rr)einifc^cn unter bem 
unb bie jugenblid)en ($r$bifcrjof 93albuin von $rier ooran, 
lucSm tt)0 ^^ cn 5 lüar oon Dex ^Bewerbung ®arlS r»on SOaloiS, 
52 beS «ruberS s £f)ilippS IV., nichts wiffen, entf Rieben 
ftd) aber aucf) nidjt für ben £abSburger ftriebrid), 
2Ilbred)t§ I. ©oljn, fonbem für ben Ijalb franjöfifctjen 
unb in ftranfreid) erlognen ©rafen §einrict> oon 
öuyemburg (fiütjelburg), ben Söruber SSalbuinS, beffen 
£>auS feit 1214 bieS nodj wenig entmicfelte, $um Seil 
wadonifcrje SBerglanb befafc. 2lm 27. STCooember 1308 
'formell gemäht ging ©einriß VII. (1308-1313), im 
$eme feines 2öefenS unb in feinem $ufjern eine ganj 
gcrmanifcfje Statur, fofort auf bie Erwerbung einer 
ftarfen |>auSmacf)t im folonialen Dften auS unb fetjte 
ofme befonbre ®d)wierigfetten, ba geinrid) oon Barnten 
fidt) oöHig unfähig geigte, bie Verlobung feines ©of>neS 
3>o^ann mit SöenjelS II. jüngrer Xodjter (Sltfabetl) unb 
bie Übertragung ©öbmenS an ir)n burcr> (10. 5luguft 
1310). 2lm 7. JJebruar 1311 empfing Sodann oon 
9tömcr= fiuyemburg in ^rag bie ßrone ber ^rföemnSliben. 
$ebnU £ cinri *3 ibealifttfdjer Sinn ftanb naa) 

vii. fyöfyxn fielen. $aS ^aifertum wollte er erneuern, 



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®ie ©Übung bcr großen lemtortcn 



251 



unb nirgenbä trmrbe bie§ SBorfjaben mit fyeifjerm 
SBunfcrje begrübt al§ in Italien, roo fett bem $aüe 
ber £>ol)enftaufen bie betbcn Parteien bet franjöfifd)* 
päpftlicf^cn ©uelfen unb bcr faiferlid) geftnnten ©f)ibetH< 
ncn ftd) im enblofcn erbitterten fingen betampften unb 
fid) in jeber ©tabt bie örtlichen ©egenfätje mit biefen 
prinzipiellen verflochten. 3n 2Bieberf)erfteHung 
ber „SHonarcrjie" burd) einen ftremben fat> StalienS 
größter £)id)ter, ber Florentiner $ante 2Uigf)ieri, bie 
Rettung feiner jerriffenen Nation, unb mirflicf) backte 
x\)x ©einrid) VII. ben ^rieben $u bringen, benn er 
tarn nid)t al§ ^ßarteifjaupt, fonbern al§ 8önig. 9tur 
war ba§u bie 9flad)t, bie er @nbe be§ 3a^re§ 1310 über 
ben 9Hont (EeniS r)inunterfüfjrte, 4000 Pannen (etroa 
20000 9flann), bei roeitem ju fd)n>ad). ©o empfing er 
jroar am 6. Januar 1311 in 9ftailanb unter lautem 
Qubel ber ßombarben bie eiferne ftrone; aber bei ber 
©cr)tt>äcrje feiner 3JHttel fat> er fid) balb gezwungen, 
ftd) auf bie ©fjtbeOtnen ju ftüfcen, unb erregte baburd) 
bie Erbitterung ber ©uelfen, bie ifyren ftarfften $8er* 
treter in Robert uon Neapel fanben. £rot>bem gelang 
e§ £>einrtd) nad) fyartnäcfigen kämpfen mit 2ftailanb, 
(Sremona unb 93re3cta, einen £eil 9iom3 ju befe^en 
unb fid) am 29. Sunt 1312 im Sateran frönen §u 
laffen, ja er roagte e£, SHobert non Neapel ju ächten 
unb bie fcr;ieb3ricr)terlid)en Slnfprüdje be§ ^apfte§ JU* 
rücf juroeifen ; ba raffte it)n am 24. 9luguft 1313 gu 
93uoncont>ento bei ©iena ein früfjer %ob fjinroeg. 3m 
ftxüen maleriföen (Sampofanto be§ treuen ^ifa nmrbe 
er beftattet. ©ein SRömerjug, ber lefcte in alter Seife, 
entfdjieb für Statten ba3 Übergeuridjt Roberts non 
Neapel unb bie ©elbftänbigfeit ber italienifdjen ©tabt* 
ftaaten, bie, um für) au§ ben enblofen roütenben dampfen 
tfjrer Parteien $u retten, mefjr unb mefjr ju einer Xomu 
bemofratifc^en SrjranniS (Signoria) übergingen. mf}\ unb 
Srur $)eutfd)lanb t)attc §einrid) VII. ben $ualt§= ajf 



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252 



Sie lanbeSftirftlidWtäbtifd&e Seit 



mu§ bcr Sujemburger unb ber £ab§burger begrün* 
bet, ber fettbem für mehr als ein Sahrhunbert bie 
beutfd^e ^olittf beftimmte, faft rote einft ber ©egenfafc 
ber Söelfen unb £>of)enftaufen. 2)enn obroohl bie 
Sujcemburger in bem noch untnünbigen Johann tum 
Söhnten feinen geeigneten £f)ronbetüerber aufftellen 
tonnten, fo ftimmte ihre Partei (9flain$, &tier, ©ran* 
benburg, ©ac^fen- Sauenburg) nicht für ben unbebeu* 
tenben JJriebricf) von Öfterreich, fonbern erhob am 
20. Df tober 1314 einen 2Stttel§bacher, Cubroig oonDber* 
banern, pm ftöntg, einen ftattlichen, jugenbltchen £errn 
con Ieutfelig milber 5Irt, ber mit einer geroiffen berechnen« 
ben Klugheit ritterliche £apferfeit oerbanb unb foeben 
in einer gamilienfehbe burch feinen ©ieg bei ©ammcl^ 
borf unweit 9ftoo3burg am 9. STCooember 1313 über 
griebrid) oon Dfterreich glänaenben ftrtegäruhm ge* 
roonnen hatte, übrigens burch feine ÜWutter SJiec^t^ilb 
ein @nfel SRubolfS I. fo gut nrie fjriebrtcr) unb mit biefem 
juoor eng befreunbet war. S)ie ©adje ber §ab§burger 
führte nun weniger fjriebrid) (ber ©chöne) al§ fein 
ritterlicher «ruber Seopolb. Qnbe§ fie erlitt gleich 
anfangt einen ferneren @d)lag buref) CeopolbS blutige 
9tieberlage am Sftorgarten 15. Sftooember 1315, wo 
bie fcfjioerfällige fd)ir>äbifcf)e föttterfchaft bem Aufgebote 
ber ©ibgenoffen erlag. 2)iefe erneuerten barauf am 
9. 3)eäember ihren S3unb (oon 1291) in Brunnen unb 
fanben bafür 1310 natürlich bie 3lnerfennung ftönig 
£ubtotg§. gm übrigen ©übbeutfchlanb bauerte ber 
ftampf ohne burchfchlagenbe (Erfolge fort, bi§ enblich 
griebrich bei einem ©inbrud) in 93anern, ber bie (§n\U 
fcheibung gu feinen ©unften bringen follte, in ber 
(Schlacht bei 2flühlborf unb Empfing am 3nn am 
28. September 1322 feinem banrifchen ©egner oöüig 
erlag unb fogar in beffen §änbe fiel. 

mit'bcm 2)0 trat nUTl abCt ^ aP ^ 3°^ ann XXI1 - mit oen 

Äfttum ungeheuerlichften $lnfprüd)en heroor. ßraft feinet ober- 



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£ic SBilbung ber großen Itiritorien 



253 



herrlichen $Hed)t§ ^attc er fdjon 1317, ba ba§ 8aifer* 
tum erlebtgt mar, bie fteEfoertretenbe fHcic^^gcroaCt an 
fid) genommen, Diobert von Neapel ^um s Jteic^§mfar 
ernannt unb bie (Sntfcfjeibung be3 beutfehen %b,Ton* 
ftreitä beanfprucfjt. (£§ fam jum offnen 93rud), al§ 
Submig nach bem Siege oon äftühlborf bie SBiSconti 
von 3Jcaüanb, benen ^einrief) VII. ba§ föeich&rifariat 
in Statten übertragen Ijatte, mit beutfehen ©treitträften 
unterftü^te unb einen beutfehen Stüter, S8ertt)oIb von 
Reifen, als feinen ©eneraloifar nach Stalten fanbte. 
9hmmet)r forberte Johann XXII. ben ®önig am 8. OU 
tober 1323 auf, bei ©träfe be§ 93anne§ binnen brei 
Sttonaten fein Regiment nieberjulegen, ba er bie päpft* 
liehe SBeftätigung nicht nachgefucr)t ^abe. Unb ba £ub* 
roig bie§ Verlangen nicht erfüllte, trielmehr ben fd)ieb§= 
richterlichen Anfprud) be§ ^ßapfte§ mit Berufung auf 
ba§ Steider ed)t jurütf nrieg, fo verhängte biefer am 
23. 3Jcär$ 1824 ben SBann unb ba§ gnterbift. ßubraig 
aber roieberholte in ber Appellation nonSachfenhaufen 
(22. 2flai 1324) nicht nur feine frühem (Srttärungen, 
fonbern berichtigte ben ^ßapft, ba er bie £ef)re oon 
ber Armut (Stjrifti unb ber Apoftet oerbammt t)abe, 
gerabeju ber Stefcerei. 

$enn er ftüfcte ftch bereite auf eine mächtige 95e* g*S& 
roegung gegen bie papftlicrje Sttjeofratie in ber Kirche 0mm ° } 
felbft. ©te ging au§ r»on einer Dichtung innerhalb 
be§ 5ran^i§fanerorben§, ben €>piritualen (^raticeden) 
unb fanb ihren fchärfften litterarifcr)en Verfechter in 
bem englifchen ftranjiSfanerpromnaial Söilhelm oon 
Occam, ber bem ^apfttume ben göttlichen Urfprung, 
ber 8ird)e jebe§ 9iect)t auf weltliche ©eroalt abfprach; 
ihren beften 93unbe§genoffen aber hatte fte in bem 2Öelt* 
geiftlid)en ÜJlarfiliuS oon Sßabua. tiefer lehrte in feinem 
berühmten Defensor pacis (1326) unter bem ©influffe 
be§ AriftoteleS bie ©elbftänbigfeit ber auf 2öat)l be§ 
SBolfS beruhenben (Staatsgewalt, fprach ben ^rieftern 



254 



Sie lanbeäfürftlidWtäbtiföe 3eit 



grunbfäfcltd) jebe roelttidje ©etualt ab, faf) bic t)öd)fte 
SStrdjengeroalt in bcn ftonjUien, unb im ^apfte nur 
beren ©efd)äft§füfn;er in ber 3 ro U4 en 8^- 
Subroifl in <£in lüfyner 9tabifali§mu8 trat bcm ^apfttume auf 
3totten ^ffen e jg ncm g3 0 bcn entgegen, bod) er tonnte nur 
bann fiegen, roenntym eine mächtige nationale 93eroegung 
au §tlfe tarn, Saju war in ber ©tunmung ber 
fübbeutfdjen *8ürgerfd)aften aüerbütg§ ein Anfang oor= 
fyanben, aber junädjft benutzte £eopolb r»on Dfterretd) 
ben ^onflift 8ubn>ig§ mit bem ^ßapfttume, um iljm in 
ber ^ßerfon ®arl§ IV. t»on ftranfreid) roomöglid) einen 
neuen ©egenfönig ju erroeefen. ®ie§ trieb ßubmig $u 
einer frieblidjen SBerftänbigung mit feinem ©efangnen 
ftriebrid) im £rau§nttjer Vertrage oom 5. ©eptember 
1325, in bem er tf)m bic t>oHe 9Jtttregentfd}aft einräumte. 
25a furj barnad), am 28. Februar 1326, fieopolb, ba§ 
§aupt ber IjabSburgtfdjen Partei, ftarb, fo mar ber 
fd)on erlöfdjenbe beutfd&e SBürgerfrteg beenbet, unb 
£ubroig fonnte baran beuten, auf ttalienifdjem $8oben 
feinen $rin$ipienftreit mit bem ^apfttume auSjU* 
fechten. $>ie £>auptoertreter ber fird)lid)en Dppo* 
fitton fammelten ftd? an feinem $>ofe, bie frranjtSfaner 
prebigten in ben fübbeutfdjen ©täbten eifrig für iljre 
©runbfätje unb Subroig§ Sadje, bie ttaltenif d)en ©Ejibel* 
linen boten itjm ifjre £>ilfe an. ©o übertritt er, allere 
bing§ mit fdjroadjen ©treitfräften, im ffll&T% 1327 ben 
SBrenner, ernannte ben ©rafen SÖitfjelm t>on 9Hontfort 
jum 9leid)3ftattf)alter in Qtalien unb eilte bann über 
Sßifa nad) Diom. ßraft S8olI§befd)luffe§ empfing er 
f)ier am 17 Januar 1328 bie ^aiferfrone au§ ben 
§änben be§ gf)ibellinifd)en $8olf31)aupte3 ©ciarra (£o= 
lonna unb aroeier gebannter 93ifcpfe, lief* bann am 
18. Slpril burd) meru§ unb *8olf t>on JRom Sodann XXII. 
aI3 ®efeer unb geinb be§ ftatfertumS abfegen unb am 
13. 9Jtai einen ^ranjiSfaner al3 Sftif olau3 V. jum Zapfte 
wählen. 9Iber freüidj, M Robert oon Neapel feine 



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Sic Sitbutifl bcr qroficn lerrttorien 



255 



Gruppen gegen SRom oorfdjob unb ber föufer ft$ olm= 
mächtig errote§, bie §auptftabt be§ Imperiums ju 
fcfyüfcen, muffte er fte mit feinem Zapfte am 4. 9luguft 
unter ben ©teinroürfen be8 erbitterten S8oIf§ roieber 
räumen unb fonnte bann aud) in Dberitalien fo wenig 
93oben geroinnen, bafj er e§ oermutltd) al§ eine ®r* 
leicfyterung empfanb, al§ ifyn ber $ob 3rriebrid)§ be§ 
<§d)önen am 13. Januar 1330 roieber nad) Seutfd)* 
Ianb rief. 

3)er ^rinjipienfampf roar alfo feine§roeg§ ent= t*r «ur* 
Rieben, unb am roenigften $u gunften be§ ßatfer* Senfe 
tum§. S)enn nod) immer fehlte biefem bie oolle Unter« 
ftüljung ber Nation; ja bie Sujemburger, mit fiubroig 
roegen Vereitelung ifnrer $Iu3ftd)ten auf SBranbenburg 
oerfeinbet, oerfud^ten fogar, ftd) im (£inoerftänbni§ mit 
bem Zapfte unb ftranfretd) in Dberitalien feftjufefcen, 
roa§ freiließ ju feinem bauernben (Erfolge führte. 2Benn 
aber auf bie beutfcfyen 3# r ft en feto Verrat roar, fo 
griff aflmäfylid) in ben fräftig aufblüljenben fübbeut^ 
fdjen ©täbten ber 3om gegen bie oerrotrrenben 2flad)t* 
anfprüdje be§ ^ßapfttumS immer weiter um fid&, unb 
inbem Subroig i^ren SBebürfmffen burd) ben ßanbfrieben 
oon Ulm am 30. ^tooember 1331 §u £ilfe fam, geroann 
er fte met)r unb mefyr für ftd). (£nbli<f), aB aud) 3o* 
f)ann§ XXII. milber ^a^folger «enebift XII. (1334 
bi§ 1342) bem ftatfer, obroo^l biefer in banger »Sorge 
um fein eignes ©eelenbeil auf bie bemütigenbften S8e* 
bingungen eingeben roodte, im 3>ntereffe ber fran$ö« 
ftfdjen ^ßolitif bie SoSfpredjung oom Sanne abermal§ 
oerroeigerte, ba madjte ßubroig entfäieben frront gegen 
ftranfreid) unb fd)lo& am 23. Quli 1337 ba3 93ünbni§ 
mit ©broarb III. oon (Snglanb. 3ugleid) traten enb* 
lid) bie fturfürften einmütig für tljn gegen bie 9ln= 
fprüdje be§ ^ßapfttumg ein. 9*ad) oorbereitenben $8e* 
ratungen in Ober «Safmftein fd)loffen fte am 16. ^uli 
1338 ben SSuroerein oon JRenfe, ba, roo bie ©ebiete 



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256 



Xtc IanbeSfürfmtf.ftäbtifd&e 3eit 



aller iricr rf)eimfd)en 8urfürften aufammenftte&en. ©tc 
erklärten in bcn formen einc§ 2öet§tum3, alfo an 
@ibe§ftatt, ba& eine ®önig§roaf)l, bie einftimmig ober 
burd) bie 9ftel)rf)eit ber ßurfürften 31t ftanbe gefommen 
fei, giltig fei oljne päpftlictje 3uftimmung. 9luf einem 
3franffurter 5Keid)§tage im 2luguft würbe bann ergeht* 
jenb fefigefteOt, ber geroäfjlte ftönig fei ipso iure fötifer, 
feine 2Bürbe ftamme von ©ott, ntdt)t com Zapfte; 
jugteid) mürbe ben ©eiftlicfyen bie Söieberaufna^me 
ber fird)lid)en ganblungen, bie megen be§ 3nterbift§ 
oielfad) eingefteflt roorben roaren, bei ©träfe ber 2lmt§* 
entfe^ung befohlen. 3 um wften unb jum legten male 
ftanb ba§ beutfdje SRetct) vereinigt gegen ba§ ^ßapfttum. 
Submtgft 9lber bie perfönltdje innere Unftdjerljeit Öubmig§ 
mm fteßte balb aüe§ ©emonnene mieber in ftrage. Die 93er* 
fölmung mit bem ^apfttume blieb fein fe^nfüc^tigfter 
2Bunfd), er bot bafyer nod) bemütigere 3 u 9 c ftönbniffe 
al3 1336, unb bod) ofme Erfolg. 2U§ er nun 1344 
biefe unrühmlichen Sßerl)anblungen bem $eid)3tage 
»orlegte, ftief} feine fd)roäcr;lid)e s J?ad)giebigfeit auf 
ben entfd)tebenften 58iberfprud), unb bie Stimmung 
begann jid) ntefyr gegen tfm ju roenben, al£ gegen 
ben ^ßapft. gugleid) ^ a ^ e f e * ne § a ftig unb raftloS 
au§greifenbe §au§poütif 3ar)treidt)e bimafttfdje 3nter= 
effen oerletjt. Dafj er bie Canbe ber 9Bittelgbacr)er im 
Bauverträge oon ^aoia 1329 jmar nid)t für unteil* 
bar, aber bod) für unoeräufeerlid) erflärte, fonnte 
aflerbingS ebenfo roenig befremben al3 bie Bereinigung 
9cieberbar)ern§ mit Dberbapern 1340 nacr) bem £obe 
be§ £>erjog§ §einriä); aber bajj er nadj bem 5lu§fterben 
be§ a§fanifd)en §auptftamme8 in 93ranbenburg mit 
SBalbemar 1319 bie§ Sanb im 3Jtära 1323 feinem 
©ofme ßubrotg übertrug unb 3ol)ann oon ©öfjmen 
mit ber Söerpfänbung be§ (£gerlanbe§ abfanb, foftete 
ifjm fdjon bie frühere grreunbfdjaft be§ £aufe§ $ujem* 
bürg. Die ©ntfrembung ftieg, al§ er trotj ber @f>e 



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$ic SHlbung her großen Territorien 



257 



3fof)ann ©einrieb oon $8öl)men mit Margarete WlauU 
tafd), ber (£rbtod)ter £>einrid)§ oon Kärnten, Ärain 
unb £irol unb ber ftd) baran fnüpfenben s 2lnfprüd)e 
ber Luxemburger nad) bem £obe $erjog £einrid)§ 
1335 mit Kärnten unb ftrain bic |>ab§burger belehnte, 
bem Luxemburger nur $irol überlief 3um offnen 
93rud)e führte fcfjlteßlid) bie Serjagung $of)ann $ein* 
rid)§ au§ $irol unb bie $ermäl)Iung ber gar nod) 
nidjt red)tlid) oon tf>m gefdjiebnen Margarete mit 
fiubwig oon SBranbenburg, bem ber $aifer nun 1342 
Sirol übertrug. STCod) fpäter oerlefcte biefer anbre @rb- 
anfprüdje, al§ er 1345 bie burdj) ben $ob feinet 
<Sd)toager§ Söilfyelm IV. erlebigten ©raff haften §ol* 
lanb, ©eelanb, ftrieSlanb unb £>ennegau einjog unb 
fie für feinen nod) unmünbigen <§olm 2öilf)elm V. oer* 
malten lieft. 

©o traten bie Luxemburger für 3>of)ann§ älteften Ctijefiunß 
@ol)n $arl(IV.) oon 9Häl)ren al§ ^ronbemerber auf. Äar £ 0 J v *' 
9lber nur mit einer toaljrljaft fdjamlofen ^rei§gebung 8u JJJ^ 
aller SReid)§red)te unb Otoid)§befd)lüffe, ja aller alten sW™ 
SftuljmeStitel er^anbelten fie ftd) oon bem franjöfifdjen 
^ßapfttume bie beutfdje Ärone. ®arl IV. oerfpraef) 
im $lpril 1346 ju Sloignon bie Slufljebung ber ©efetje 
SubroigS, bie Slnerfennung ber päpftltdjen SBcftätt* 
gung ' ber ßönig§ioal)l oor ber Krönung, ben $8er* 
aic^t be§ !Retd)3 auf Neapel, ©tjtlien, ©arbinien, 
©orfica unb ^Jerrara. S)te Dfomfaljrt oerfyiefj er nur 
mit päpftlidjer SBeroilligung anzutreten unb in dlom 
nur einen £ag ju oerroeilen. Snbem « nun audj bie 
^urfürften um große ©ummen erfaufte, mürbe er mit 
fed)§ (oon fieben) (Stimmen am 11. 3uli 1346 in Wenfe 
gemäht. 5JMt §o!)n begrüßten bie ©täbte biefen 
„^ßfaffenföntg," unb ba $öln unb Sladjen i^m bie 
%f)oxe fperrten, fo mußte er fid) am 26. Sftooember in 
Sonn frönen laffen. 3um ©lücf blieb bem SKeidje 
roenigftenS ein langroieriger SBürgerfrieg erfpart, benn 

©er SDÖerbegang be8 beutföen JöolfeS I 17 



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258 Sic tanbcSfürftlit^.ftäbttf^e 3eit 



Subnrig erlag fdjon am 11. Oftober 1347 auf ber 3ag*> 
beim Softer ftürftenfelb einem ©chlaganfafle. (£r mar 
fein großer Sftann getoefen, aber er hatte, wenngleich 
nicht ohne flarfe Scfyroanfungen, bie Nation gegen bie 
überfpannten $lnfprüd)e be§ ^ßapfttumS aufammengefaßt 
unb bie ©täbte gur Teilnahme an ben SReicf)3gefchäften 
herangezogen; er mar oor allem ber lefcte nrirfltch beutfd) 
gefinnte ®aifer unb ber erfte, ber feine Urfunben in 
beutfcfyer (Sprache ausfertigen liefe, ©eitbem begann fich 
ba§ ®aifertum ber Nation allmählich &u entfremben, um 
t^r fchließlid) im Sunbe mit bem ^apfttume feinbltcr) ent= 
gegenjutreten. 

^iifäiific ®arl IV. (1346 bi§ 1373), beffen §au3 bie ge* 
' fchmälerte ®rone nun faft ein ^abrhunbert ununter- 
brochen trug (geb. 1316), mar ein franjöfifch gebilbeter 
|>albflaroe, eine faufmänntfch berectmenbe, nüchterne, 
nöfltg fchttmnglofe Statur, eifrig firchlich im äußerlichen 
©inne feiner geil, aber ber erfte nrirfltch nriffenfchaft* 
lieh gebilbete beutfetje ßönig, in ©ef «haften früh er* 
fahren unb roeltfunbig. (£§ rourbe ihm nicht gan$ 
leicht gemacht, ftch im deiche feft^ufeften, benn mit 
§ilfe ber fübbeutfetjen ©täbte, bie in SBünbniffe ju* 
fammentraten, fteflten bie 2öittel§bacher am 2. fjebruar 
1349 ben ©rafen ©ünther oon <3chroar$burg al§ ©egen= 
fönig auf, boch erfranfte biefer balb fchmer unb oer* 
Richtete fchon im 5Jcai gegen eine 9lbfinbung§fumme; 
am 16. ^uni ftarb er in granffurt a. SR. darauf 
ließen ftch bie SBittelSbacher burch bie 93elehnung mit 
SBranbenburg, ber (lieber*) Saufttj unb £irol 1350 
nerföhnen; bie 2öiberftanb§fraft ber 6täbte aber er* 
lahmte oöüig unter ben 9lachnrirfungen fehreef lieber 
^ataftrophen. ©eit 1348 hielt ber „fchroarje £ob," 
eine entfetjltche 93eulenpeft, feinen oerheerenben Umjug 
burch ©uropa, gumal unter ber bicr)t aneinanberge- 
brängten $8er>ölferung ber enggebauten, hochummauers 
ten ©täbte. £aufenbe unb abertaufenbe rourben roeg* 



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$te «Übung bcr grofeen 2erritorien 



259 



gerafft, ganje gamilien ftarben au3, unb ber jähe 
^3eft^n>ec^fel rij* manche $u finnlofem Sßohlleben hin- 
ter Aberglaube ber 3*ü aber fah bie ©chulbigen in 
ber reichen Subenfchaft, bie bie Brunnen oergiftet 
&abe, unb in erbarmungSlofen SBranb- unb ÜHorbfeenen 
entlub ftd) ber lang angefammelte £afj, ein trübeS ®e* 
mifch von 9teligionS* unb SRaffenfanattömuS, ©rimm 
über $lu§toucherung unb Habgier auf ba3 unfelige *8olf. 
2lnbre fahen in beiben (Spibemien, ber feelif d)en unb 
ber plmftfchen, b€ti 3<>*n be8 Rimmels unb fugten 
ifcn als ©ei&elbrüber („Flagellanten") burch blutige 
ßafteiungen ju oerfölmen. Söie füllte in einem folgen 
fürchterlich l)eim gefügten, oon ben nuberfprechenbften 
Gfcmpfinbungen jerriffenen ©ürgertume ein politifcher 
©ebanfe möglich fein! 

®o fonnte ßarl IV. ohne Söiberftanb bie SBünb* «u** 
niffe ber fübbeutfehen ©täbte auflöfen. Sftur an einer "Jer" 9 
©teile blieb ihr Söiberftanb aufrecht. 3m SUpenhoch* ^ tn% 
lanbc breitete fich bie junächft rein bäuerliche ©ibge* \im 
noffenfehaft ber Söalbftätten burch Slnfchlufc mächtiger 
SBürgergemeinben unauf^altfam au8, ber Sanbeg* unb 
93ogteigetoalt ber £ab§burger jum £rotj. ©chon 1332 
hatte fich bie oierte „2Balbftätte," ba8 IjabSburgtfcfye 
ßu$ero, angefchloffen, 1351 folgte 3ürich, um feine 
neue bemofratifche SBerfaffung $u fchüfcen, 1352 mit 
feiner £Ufe ©laruS, ein SmmunitätSgebiet be§ ßlofterS 
©äcftngen, unb 3ug, enblich 1353 bie mächtige SReichS* 
ftabt S3ern au§ furcht jugleid) oor ©aoogen unb £>ab§s 
bürg. 2113 ein SReich§h«^ 1354 oergeblich oor 3*"^ 
erfchienen mar, mufjten bie £>ab£burger im ^rieben 
oom 25. 3uli 1355 ben auf ihre Soften begrünbeten 
3uftanb anerfennen. 3)er „S8unb ber acht (alten) 
Orte/' republifanifcher ©täbte unb ßanbgemeinben, 
bie burch ben ©egenfafc $um 2r"tftentum jufammen* 
gehalten mürben, mar nicht mehr ju erfchüttern. Ä & r w,I*' 

21m menigften bachte Sfarl IV. jefct noch baran. pouut 

17* 



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260 



2>te tanbeSffirftlicWtabtifd&e 3«t 



$>al SHeicrj gemäfc ben ttjatfäcrjlid) beftefyenben $Berl)ält* 
«iffcn notbürftig $u orbnen, bic nodj oorfyanbnen 
SKedjte bei Königtum! in £>eutfd)lanb, statten utib 
SBurgunb wenigftenl ber ftorm nad) feftju&atten, vox 
aflem bie luyemburgifc^c §aulmad)t auszubauen, bal 
waren feine $itU. dhc wollte £aifer werben, aber 
nur mit päoftlicfyer 3ufttmmung unb oljne friegerifcfje 
2lnftrengung; bie romantiferjen ^ßfyantafien bei §uma- 
niften Petrarca unb bei „Tribunen" (Sola ba SHienjo, 
bie beibe in $om bie £aur»tftabt ber SBclt unb in 
ber &atf erfrone eine oom römifdjen SBolfe $u oergebenbe 
2öürbefa§en, tagen it)tn unenblid) fern, ©o liefe er ftd) am 
4. Januar 1355 in Sftailanb mit ber eifernen $rone, 
in 9iom am 5. 9lr»rit mit ber ftaiferfrone fdjmütfen. 
S)ie beftefjenben ©ignorien unb SHepublifen erfannte er 
überall an, nur ©elbfteuern erl)ob er oon ben Stäbten. 
©ein fogenannter j weiter SHömerjug (1367/69) tjatte 
nur ben Srved, ben ^ßapft Urban V. nad) Sttom aurürf* 
aufüfjren, unb wenig mebr all eine ftormfaerje mar 
feine Krönung $um ftönig oon 93urgunb in SlrteS 
am 4. ftuni 1365. 

3n £eutfd)lanb jog $arl IV. bie Summe ber big* 
tyerigen (Sntmicflung mit ber ©olbnen S3uUe, bie auf 
ben 9teid)ltagen oon Dürnberg unb Sftefc 1356 feftge* 
fteUt rourbe. $>ie ßöniglwaljl follte burd) einfache 
2Kef)rf)ett bei fturfürftenfoflegiuml erfolgen, ofcne bafe 
babei bei päpftttdjen $8eftättgunglred)tl gebaut rourbe, 
bal man bamit ftiQfd)toeigenb für immer beifeite 
fd)ob; ftutfürften waren bie brei r§etnifd)en (£rjbifd)öfe 
oon SWainj, Srier unb ftöln, ber ftönig oon 93öf)men, ber 
^Pfaljgraf bei 9tyetn, ber §er$og oon ®ad)fen<2Bittenberg 
unb ber Sftarfgraf oon Söranbenburg, alfo brei geiftlicfje 
unb oier weltliche Herren, oon benen btefe jugleicr) bie 
alten ©rjämter bei ©cfjenfen, $rud)fefj, 9Jtarfd)all3 unb 
ßämmererl bei ber Krönung oerfaben. 3>al Meid)!* 
oifariat fjatte bei ©rlebigung bei 2$ronel in ben 



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$te 23tlbung ber großen Territorien 



261 



Sdnbern fächfifchen 9?ed)t3 ber ßurfürft oon ©achfen, in 
benen fränftfcfyen unb fd)tt)dbifchen 9*echt3 ber ^Pfaljgraf 
führen. 2)urdj ©erodhrung faft unoerfürjter 2anbe§; 
hoheit einfdhliefjlid) ber ©remtion ber Surlanbe vom 
®önig§gericf)t buref) ba§ Privilegium de non appellando, 
ber Unteilbarfeit be§ ^urlanbe§ unb ber SBerftdrfung 
be3 SKed)t3fd)ut}e§ für bie ^ßerfon ber Äurfürften gleich 
bem be§ ®aifer§ würben bie Shirfürften noch weiter über 
bie anbem dürften emporgehoben unb zugleich bem 
kolonialen Dften ein ^eroorragenber Anteil an ben 
höchften ©efd)dften be§ 9teich3 eingeräumt, um ihn 
um fo f efter an ba§ SReid) §u feffeln. dagegen blieb 
ben SHetcpftdbten bie Teilnahme am SHeid^tage oer* 
fagt, unb inbem ba§ ©efefc ihnen auch noch bie Auf- 
nahme oon Pfahlbürgern, foroie ben Slbfdjlufj oon 
SBünbniffen au&er jum ©djutje beS SanbfriebenS t>er= 
bot, Iiej3 man bie ©elegenbeit, biefe aufblühenben 
fraftootlen ©emeinroefen nach bem Söorbtlbe &ranf= 
reicht unb ©nglanbä in ein fefteS SBerhciltnte jur 
CteichSoerroaltung $u bringen, ungenüfct unb benad)= 
teiligte fte unbillig $u gunften ber dürften. 

3m 3ntereffe ber Sujemburger mar bie ©olbne $ic 
S3uüe befonberS infofern, al§ fie für Böhmen bie ge- 
legentlich beftrittene ßurroürbe ftcherte unb fte ben * att * ma * t 
#abSburgern trofc ihrer Stacht vorenthielt, unb ftönig 
von SBöhmen wollte ftarl IV. in ber %t)at vox allem 
fein. Auch ber unftdte 3>o&ann hatte grof$e§ bafür 
gethan, benn jwifchen 1327 unb 1339 hatte er bie 
meiften ber piaftifchen Herzogtümer, in bie ©chleften 
burch fortgefefcte Teilungen verfallen mar, unter bb> 
mifche ßehn^hoheit gebracht, fte alfo in eine wenigften3 
mittelbare SBerbinbung mit bem beutfehen deiche ge- 
fefct, unb 1329 baS Sanb ©örlifc (bie öfttiche Ober* 
laufife) auS bem Sftachlaffe ber branbenburgifdjen 9l§= 
fanier erworben, ßarl IV. poHenbete bie Erwerbung 
©chlefienS burch bie Vermahlung mit Anna, ber ©rbin 



262 25" IanbegfüTfttitMtäbttfäe 3ett 

von ©cf)tt>etbnifc unb Sauer, 1353 unb bie ©inoerlet* 
bung beS ganzen Sanbe§ in bic bö()mifd)e ßrone 1355, 
eine rcttenbe 2^at für ba§ fc$lefifcf)e $eutfcf)tum; er 
erfaufte 1353 ben größten Seil ber fogenannten Ober* 
pfalj (um Ilmberg) oom ^ßfaljgrafen SRupredjt, Iöftc 
1364 bic branbenburgifdfje, 1355 an Sftetßen oerpfem- 
bete 9Meberlaujtfc für fk& ein unb nötigte enblid) 
1373, bie SBerroicftungen im Horben benufcenb, Otto 
oon SBranbenburg, ben jüngern ©ofm Submig§ be§ 
Tawern, auf ©runb eineS f<f)on 1363 iljm unb feinem 
Söruber fiubrotg „bem Börner" abgebrungnen ©rboer* 
traget ihm bie völlig nerroahrlofte, mit roüften $lbel§* 
fefjben erfüllte 9flarf abzutreten. Slber größeres als burd) 
fold^e @r Werbungen leiftete ®arl IV. al3 SBerroalter. 3n 
Böhmen unbSJtähren fußte er babei auf benDrbnungen 
DttofarS II. Sftadjbem bie rechtliche ©onberftellung 
ber fttrehe unb ber neuen fömgttdjen (b. h- beutfdjen) 
©täbte bie alte tfd)edf)ifcf)e ©hupenoerfaffung aufgelöft 
hatte, ftanben t)ter nur noch bie unabhängigen, nicht 
lehnSpflichttgen (tfdfjechifchen) ©runbbefttjer unter ben erb* 
lieh geroorbnen ^Richtern (©hupanen), in höchfter Snftanj 
unter bem „Sanbrecht" unb ber „8anbe§regierung," unb 
oerfammelten ftc^ ju ben regelmäßigen (ungebotenen) 
ßanbtagen; bie fönigltchenßehnSleute, ©täbte unbSBurg* 
bejtrfe roaren bagegen ber „§ofregierung" unb bem 
„£ofleI)ngeridf)t" untergeorbnet unb bilbeten bie ge= 
botenen Sanbtage. $ie ßtrehe, uon aUem weltlichen 
©eridjt eyimiert, ftanb unmittelbar unter bem ftönig. 
tiefer eigentümliche $)uali3mu§ ber Söermaltung machte 
bie beutfcfjen ©täbte unb bie Kirche, alfo bie 3ftäcf)te 
ber beutfehen Kultur, ju ben ftärfften ©tüfcen be§ 
Königtums, unb auf alle Söeife hat beSfjalb £ arI IV . 
beibe geförbert. ©r bänbigte bie räuberifche SiHfür 
be§ 9lbel3 burch Anlage oon feften Bürgen jum ©chufce 
ber .£>anbel§ftraßen, wofür fleh fdjon 1346 in ber 
(je^igen) Oberlauf ber balb fraftoofl mirffame ©ecf)§= 



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2)te JBilbung bcr großen Territorien 



268 



ftdbtcbunb gebilbet fjattc, er pflegte ben ©ergbau, baute 
bie ÄarlSbrürfe in s £rag, fchmürfte feine §auptftabt 
burd) prächtige fttrehen, errichtete ben ftarlftein für 
bie Aufbewahrung ber böhmifetjen ftromnftgmen, 
ftattete bie böfymifdje fötrehe fo reich au3, baf? fie 
fchliefclid) gegen hunbert Stifter unb Softer unb ben 
britten Teil aHe§ ©runb unb 93oben§im Sanbe befajj, W 
^ob enblich^ßrag burd) bie©rünbung ber erften beutferjen 
Unioerfität 7. April 1348 jur geiftigen §auptftabt ganj 
Sftittel* unb Dfteuropaä. ©elbft ba§ unter ber mittel^ 
bad)ifd)en Regierung r»erroahrlofte Vranbenburg, 
beffen retd) entroidelteg g-lu&net} et berounberob n>ür= 
bigte, begann fid) rafd) ju erholen unb foHte in langer* 
münbe an ber (£tbe feinen großen Stapelplatz erhalten. 
(£§ fdjien, al§ ob ftd) bod) nod) bie (Gelegenheit böte, 
in bem jefct halbgerinanifierten Böhmen, ber natür* 
liefen Hochburg be§ germanifeften Mitteleuropa, ein fefte§ 
3entrum für ba3 9tetd) beutfdjer Nation $u begrünben. 
Eröffnete bod) auch ßarl burd) bie ©rboerbrüberung 
mit ben $ab§burgern 1364 fdjon bie Au3fid)t auf bie 
Bereinigung ber Territorien betber ©efchlecijter, alfo 
faft be§ ganzen folonialen DftenS, in einer £>anb. 

®enn gewaltig griffen um biefelbe 3eit bie §ab3= Kit* 
burger um fleh, befonberS ftubolf IV. ber prächtige" be fö nfl 
ober ber „Stifter" (1358 bi§ 1365) unb feine beiben J* Ö {SL 
bi§ 1379 gemeinfctjaftlid) regierenben Söhne, ber milbe rfa^t 
Wibrecht III. unb ber ritterliche ßeopotb III. 2öät)*enb 
im alten toeftlichen Stammlanbe ihre §errfchaft cor 
ben ©ibgenoffen mehr unb mehr jurütf nud), gewann 
SRubolf IV. 1363 burch Bericht ber Margarete 3Kaul* 
taufch Tirol, ßeopolb 1368 Biburg im 93rei3gau, 
1375/80 burch &auf bie ©raffchaft Sttontfort * gelb* 
Rrct) (Vorarlberg), 1379 ba§ Vinnenlanb r»on Sftrten 
au3 fc ber ©rbfehaft be§ ©rafen Albert IV. t»on ©ör$ 
nach einem altern (Srboertrage, 1382 bie t»on Venebig 
bebrängte frühere Vifct)of3ftabt Trieft. Vom obern 



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264 



Sie Ianbeäfürfta<Htäbtif<$e 3ett 



Di^ein bi§ jur ungarifchen ©renje unb bi§ an bic $Ibria 
umfpannten bic hab§burgifchen ßanbe in wenig unter- 
brocrjnem 3 u f a *nmenhange ©übbeutfchlanb. QuQUiä) 
fierjerte SKubolf burd) ba§ §au§gefefc oon 1364 ihre 
Unteilbarfeit wentgftenS infofem, al§ ber ältefte ©ruber 
ben übrigen ftetg übergeorbnet bleiben foate, unb för* 
berte fraftooll n>ie feine SanbeSlwheit fo bie wirtfehaft* 
liehe 93lüte unb ba§ geiftige £eben burd) bie Stiftung 
ber Unioerfttät Sien 1365. $8erhangnt3t>oH war e§ 
bagegen, baf? er, tief oerlet>t burcr) bie SBeftimmungen 
ber ©olbnen 93uQe, burcrj ba§ gefällte Privilegium 
majus (angeblich oon 1156), bie Unabhängigkeit tiefer 
o^ne^in an ben äufjerften SRänbern beutfdjer @rbe ge* 
legnen fiänber r»om deiche noch weit über ba3 fefton 1156 
gewährte 2flafj &u erweitern ftrebte. Unb ferjon oer* 
floaten fich bie gramilienbeaie^ungen ber ©abSburger 
wie ber ßujemburger mit bem fernen Dften. Äarl IV. 
vermählte 1372 feinen feiten ©ohn ©igiSmunb mit 
9flaria, ber Qfcrbin ftöntg £ubwig§ I. t>on Ungarn unb 
Sßolen (feit 1370), unb Seopolb III. oerlobte feinen 
©ohn Söilhelm mit beren ©chwefter £>ebwtg. ©o 
würben fdjon bamalg bie ©runblagen für bie felb* 
ftänbige, weit über bie beuten ©renken hinauf 
reichenbe ©rojjmacht Dfterreid) vorbereitet. 
statu iv. deiche befchränfte ®arl IV. feine föegierung^ 

gÄto ft&ttgfeit auf bie §erfteflung eine§ leiblichen &rteben§* 
gute juftanbeS, unb auch bie§ ohne burchfchlagenben ©rfolg. 
CH 3n SBeftfalen übertrug er 1371 bie SBahrung beS £anb* 
frtebens ben fogenannten Femgerichten (veme = ©träfe), 
ba§ h^&t & en alten toniglichen Berichten freier ©djöffen 
unter königlichen „Jreigrafen." $enn bort auf ber „roten 
©rbe" hatten fich biefe erhalten, währenb fte fonft faft 
überall burch lanbeSfürftliche, ftäbtifche unb grunbherr* 
liehe ©ericrjte abgelöft worben waren; fie richteten nach 
alter 3Betfe unter freiem §immel unb am hellen Sage 
am „ftreiftuhl" auf ber SWalftatt unb übten, ba jle 



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$ie Jöilbung bcr großen Territorien 



265 



i^rc ©Höffen überall Ratten unb biefc it>re Urteile auf 
ben $ob burd) ben ©trang („Söeibe") mit erbarmungS* 
Iofer s ^ünftlid)feit ooflftrecften, weithin einen mol)U 
tätigen (Sinflufe, bet fie mit einet abergläubtgen g-urdjt 
umgab. 2lnbre ftriebenSgebote erliefe ftarl 1372 für 
Düringen, 1373 für ©djroaben, 1374 für Bommern, 
2Jiecflenburg unb Söranbenburg. 

2lber ba, n>o bie ftänbifdjen ©egenfäfce am ftärfften «flrttem* 
waren, in ©djraaben, erreichte er am roenigften. §ter bei g c " llb 
nrnren bie ©rafen von SBürttemberg, befonberä ©bewarb ^ t |j$? c 
ber ©rlaucfyte (1265 bis 1325), unb nod) mefyr ©bewarb mmb 
ber JRaufcrjebart ober ber ©retner (1344 big 1392), bie 
i^ren f leinen SBefifc rafd) cergröfierten , mit ben Ijier 
befonberS aaf)Irct(f)en 9frtd)§ftäbten in ebenfo heftigen 
«Streit geraten, nrie bie abliefen SBünbniffe, in benen 
bie vereitelten bitter ©cfyuti cor ben Stäbten unb 
dürften fugten. $arl IV. ftanb ben ©täbten junäcrjft 
nicfyt unfreunblid) gegenüber, ba er fte al§ ©elbquellen 
brauste. $a aber bie 93ürgerfd)aften fürchteten, er 
möchte bie ferneren Soften ber 2öaf)l feinet ©orjneS 
2Ben$el jum römifdjen Siönig (Sfyron folger) burd) 53er* 
pfänbung oon Stäbten an fürftlidje Herren aufbringen, 
fo fdjjloffen fie am 4. $uli 1376 unter güfyrung oon 
Ulm ben fdjroäbifdjen Stäbtebunb auf t>ier Safjre. 
2)aburd) jogen fie fid) bie $ld}t be3 ftönigS ju; bod) 
mannhaft roiberftanben fte öden ifyren ©egnern; Ulm 
fnelt eine Belagerung tapfer au§, unb ©raf @berl)arb§ 
s Jiittert)aufen erlitten am 21. SJiai 1377 bei Reutlingen 
eine oollftänbige Sftieberlage. (£3 blieb bem ftaifer 
barjer nid)t§ übrig, al§ bie 2Id)t aufaul)eben unb ba§ 
StäbtebünbniS im Söiberfprud) mit ber ©olbnen 93uüe 
anjuerfennen (Wlai 1377). 2flit einer mirffamen föntg* 
liefen ©ewalt in @d)n>aben n>ar e§ bamit oorüber. zatma 

Senn nun toenigftenä bie lu£emburgifd)e £>au§* bcr 
mad)t bie ©runblage einer neuen 9*eid)3eint)eit geworben "gSfSen 1 * 
roäre! Slber waä bie franjöTtfcrjen tfapettnger oon * a Q 1 ^; 



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266 



2)ic Ianbe§fürftIt(Htäbttfc$e 3cit 



grancten auS vollbrachten, baran l)at bamalS fein beut* 
fd)eS ftürftengefchlecht gebaut 3roar SenjelS ^Nachfolge 
im deiche 51t ftchern war 1376 roiber bie ©rroartung 
unb hunbertjährigen brauch gelungen, aber feine §au§* 
mad)t brach $arl IV. bei feinem $obe (29. Sftooember 
1378) unter bem QxoariQt prtoatrechtttcher Anfdjauungen 
in ©tücfe. Sen$el erhielt nur 33öhmen unb ©chlefien, 
©iegiSmunb SBranbenburg unb bie 9tteberlauft£ mit 
©örtifc, ©chroetbnifc unb Sauer, Sooft unb $rofop, 
bie ©ölme Johann Heinrichs von Tirol, äftähren. ©0 
oerfanf mit ßarl IV. bie ©röf?e feines ©efchlechtS. 
- öS! ftortan übte baS Königtum, oon 28en$el (1378 btS 
,d?Q ber nfl 1400) ohne ftraft unb Söürbe vertreten, auf baS «Heid) 
ScflcSäJ? nur no * Ö^egcntlicf) einen ©influfc auS. Ungeftört 
im x>on jeber mafägebenben ©eroalt entfalteten ftch bafjer 
lutbSübcnbie ftdnbifd)cn ©egenfätje in ©übn>eftbeutfd)lanb in 
roütenben, oerfjeerenben ftehben. 3e mehr ^ier bie 
©täbte burch bie Ausbreitung beS *Pfahlbürgertum§ 
unb ben AuSfauf beS oerarmenben niebern Abels bie 
fürftltchen Territorien innerlich aug^öl)Iten unb bcn 
Abel fdjroädjten, befto mehr fcfjlofi fich biefer in 
(Schmaben unb im SJtyemlanbe au SRitterbünbniffen ju^ 
fammen, unb ju befto engerer Söerbinbung rourben 
dürften unb SHitter getrieben. ®em fefcte ftch nun 
1379/81 ein umfangreicher rljeimfcher ©täbtebunb 00m 
(Slfafj bi§ granffurt entgegen, ber mit bem fd)roäbifd)ett 
ein fefteS SBünbmS fd)lofj. Sftocf) brachte §er$og Seo* 
polb III. oon Öfterreic^, mit ben fdjtoäbifdjen ©täbten 
als getnb ber Su^emburger bamalS im guten ©inoer- 
nehmen unb feit 1379 als ^Pfanbherr ber beiben 
fd)n?äbifcf)en Sanboogteien an biefen $8erf)ältniffen ftarf 
beteiligt, am 9. April 1382 $u ©bwöen jnrifchen allen 
6tänben ein SanbfriebenSbünbniS aur fjörberung fd)ieb§s 
ritterlichen Ausgleichs au ftanbe (bis 1384^ unb Äöntg, 
2öenjel »ermittelte nach beffen Ablauf im 3uli 1384 
au $>eibelberg ein neueS berfelben Art für gan$ $)eutfd)s 



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2>ie SBübung ber großen Territorien 



267 



Icmb; aber ba roeber bie ftäbtifchen noch bic ritterlichen 
«ünbniffe fid) auflöften unb bie dürften alter Srabitton 
zufolge nicht in bem meifterlofen SHbel, fonbern in ben 
Stäbten ihre fchlimmften fteinbe fahen, fo brängte fid) 
bie fjrage, ob bem ftürftentum ober ben ©täbten bie 
3ufunft be3 beutfdjen <5übroeften3 gehören foüte, immer 
ftärfer auf unb führte enblich ju einer blutigen Gmt* 
fcheibung. 

6ie fiel nörblich unb fübltd) oom SBobenfee in Sic« bet 
oöHig oerfd)iebnem <5inne. 3)er beitritt be§ l)ab§= ÖC noffen 
burgifc^en ©empad) unb ber 9^cidt)§ftabt 9Mlhaufen 
jur (Sibgenoffenfchaft 1385 brängte ben £>er$og fieopolb 
jum Kampfe. Slber am heifjen 9. $ult 1386 oerlor er 
bei ©empad) in blutigem ©emetjel mit ber SBlüte ber 
fdjroäbifchen SHitterfdjaft ©ieg unb Seben, unb eine 
jroeite 9heberlage bei 9töfel§ unroeit ©laru§ am 9. $lpril 
1388 nötigte 1389 feine ©öhne, auf Sutern, 3ug unb 
©laruS unb alle fonft ftreitigen ©eftfcungen $u uer* 
Siebten. $urj bamad), 1393, erneuerten bie ©ibgenoffen 
ihren £hmb, bem nun auch ©olothum beitrat. %\t 
föberatio*republifanifche ©ntroieflung be§ 2llpenlanbe§ 
mar bamit entfdjieben, aber auch feine Slblöfung oom 
deiche bereitete fid) oor. 

Unter bem ©inbruefe biefer glänjenben ©iege be* ^icbcriaßc 
gannen bie fdjroäbifdjen unb rheinifchen ©täbte nad) ^ioät>ü 
Ablauf be§ §eibelberger £anbfrieben§ im ©ommer 1388 JfejÄ 
3Uoerfid)tltd> ben ßrteg. $)od) in mörberifd)en kämpfen «täbte 
erlagen bie fchroctbifd)en Bürger ben ©rafen ©berfjarb 
unb Ulrich oon SMrttemberg bei Döffingen unroeit Sföeil 
ber ©tabt am 24. 5luguft, bie rheinifchen ©tetbte bem 
^ßfaljgrafen Ruprecht bei 2Borm§ am 6. Sftooember. 
$em oon beiben ©eiten mit rafenber (Erbitterung, mehr 
noch ourd) fd)onung§lofe $ernmftung be§ £anbe§ als mit 
ben Söaffen geführten Kriege machte enblich ba§ grieben§= 
gebot ßönig 2öenael§ ju (Sger am 5. SAat 1389 (auf 
fed)3 fahret ein (Snbe. ©ine gemifd)te ablid^bürgerliche 



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268 



2)te IcmbcäfiirfttuHtäbtiföe 3*it 



Kommiffion foOte fünftig bie ©treitigfeiten auggleichen, 
aber bie ©täbtebünbniffe würben aufgelöst, roäljrenb 
bie föitterbünbniffe beftehen blieben. $amit mar bie 
polttifche SHoHe ber füb* unb roeftbeutfehen ©tabte au§= 
gefpielt, ber ©ieg be§ gürftentum§ entf Rieben 
Ti C ^ er 8 um 9lu§trag gefommenen ©egenfätje be= 

ft MHnf? CK ru ^ tcn 9 r ö&tenteil§ auf ber innern Gmtroidlung ber 
täuipfc ©täbte, bie fie nad) jahrhunbertelanger 3 u f amme ^' 
gehörigfeit roirtfchaftlich unb fojial immer mehr von 
bem platten Sanbe, alfo oon bem&bel unb ben dürften 
gefdjieben Ratten. $n roirtf dr)aftlict)er $8e$ief)ung befettigte 
ber rafdje 9Iuffd)roung oon £>anbei unb ©eroerbe ben 
ftäbtifchen öanbbau sroar nidt)t gan§, brängte ihn aber in 
ben £>intergrunb unb führte $ur Anhäufung anfehn= 
lidjer Kapitalien, alfo jur ©elbnrirtfchaft, roährenb bie 
auf ben lanbnrirtfchaftlichen ©infünften beruhenben 
©tänbe fielen blieben, alfo jurücf gingen unb fict) ourd) 
©eleit- unb 3°ßf° roerun 9 en c i nen halbräubertfchen 
Anteil am ftäbtifchen Dtetchtum au [xtyxn fugten, ©in 
fokaler ©egenfafe $nrifd)en fianb unb ©tabt mar anfangt 
faumx>orhanbengeroefen, ba bie ftäbtifchen „©efchledjter" 
gum ^eil au§ frühem SJUnifterialen beftanben unb fid) in 
ihrer ©Ute ritterlich gelten; al§ fte aber nad) wenigen 
Sahrjchnten ju hochmütigen unb geroiffenlofen Oettern* 
fd)aften entarteten, ba erhob fiel) gegen it)re §errfchaft 
bie bemofratifc^e Dppofttion ber 3**nfte mit bem 93e- 
gefjren nad) Reformen unb nach SInteil am ©tabt* 
regtment. ©ie roaren ba$u roohl befähigt, benn au§ rein 
mirtfchaftlid)en ©enoffenfehaften hatten fie ftch gu poli* 
tifchen Körperfdjaften auSgebilbet, inbem fie jefct ihre 
Dbermeifter felbft mahlten, mit ihnen eine felbftänbige 
(5)eroerbegerict)t§barfeit unb ©eroerbepolijei ausübten 
unb ©teuem nrie KrtegSbienfte für bie ©täbte leifteten. 
©o begannen fte feit bem Anfange be3 oierjehnten 
Sahrhunbertö ben Kampf gegen bie Meinherr fchaft ber 
©efdjlechter, balb in heftigen 3"f a mmenftöf3en, balb in 



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Sie »Übung her großen Territorien 



269 



ftiflercm $ähem Düngen, $)ie fiöfung mar eine bret* 
fache. 3Jttnbeften8 festen bie 3ü n f* c Den Antritt in 
ben SRat buret) (fo in Dürnberg, gftanffurt a. Tl.), ober 
fle gewannen eine Kontrolle über bie SRatSoerwaltung 
(n>ie in ©rfurt). 9lnberwärt8, wie in Strasburg, 
SlugSburg, Slonftanj, würbe ber dlat allein von ben 
fünften gebilbet unb Den ©efchlecf)tern ba§ atttoe 
Wahlrecht gan$ entzogen. 3« einzelnen Stäbten, wie 
namentlich in Äöln nad) ber furchtbaren „Söeberfchlacht'' 
1371, würben bie ^atrijier jutn (Eintritt in beftimmte 
3ünfte geawungen, unb auf biefen at§ 3öaf)lförpern 
(©affeln) in ber Verfaffung von 1396 ber diat aufgebaut. 
2öo bie mafjgebenbe ©eroalt in bie §änbe ber §anbs 
werfer fiel, bie bod) meift be§ weitem ©eftcht§rreife§ 
entbehrten ober minbeftenS oon befchränften ©enoffen 
allju abhängig waren, ba würbe alle (Stetigfett ber 
Verwaltung balb fo geftört, baß bie ^ßatrijier nad) furjer 

M 

3eitba§ Übergewicht wieber gewannen. Söobagegen biefe 
gefdjäftSfunbige unb fapitalfräftige klaffe ihren natür- 
lichen ©tnflufj behauptete, wie in Dürnberg, Augsburg, 
Ulm, ßöln, ba fam für bie 6täbte mit bem innern 
fjrieben unb tüchtiger Verwaltung ein 3 c ^^^ cr B^n* 
jenben ©ebeihen§, wirtfdjaftlicher SBIüte unb mili* 
tärifcher Stacht, benn in ber Verteibigung ihrer 
feften dauern waren bie ©täbte unüberwinblich burch 
ihr jünftifche§ ftufwolf wie burch bie neue Artillerie, 
bie ^ßuloergefchüfce, bie fchon 1324 oon Sftefc oerwenbet 
unb recht eigentlich eine ftäbtifche SBaffe würbe. %a* 
gegen erwiefen fich bie fübbeutfehen (Stäbte ju einer 
großen ^ßolitif auf bie $auer unfähig, weil e§ ihnen 
an s^ingenben gemeinfamen Sntereffen unb 3ielen 
mangelte. 

£)ie ©runblage be§ ftöbtifeben ©ewerbebetriebe§ 3»^^^ 
bilbete bie 3 un ft* e ™ c hölbfojialiftifche ©enoffenfehaft ' ° ücr 
aller $anbwerter beSfelben 3«>eige§. ©ie erftrebte bie 
©leichmd&igfeit be§ ©rwerbeS für jeben einaelnen burd) 



i 

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270 



2>ie ianbeäfürftttdHtäbttfd&e 3ctt 



bie ber ©rroerbSbebingungen, beftimmtc baher jebem 
2Keifter bic 3at)l bcr ©efeüen unb Sehrlinge rote bic 
Arbeitszeit, oermittelte ben (Sinfauf ber SHohftoffe unb 
ben Verlauf ber forglid) geprüften ©r$eugniffe, für bie 
fte innerhalb ber Bannmeile ba§ Monopol hatte (außer 
an ben Sahrmärften), fdjüfcte bic ©enoffen burch 
SfranfenunterftüfcungS* unb VegräbniSfaffen für ben 
Notfall unb bübete eine firchliche ©ruber fd^aft unter 
bem Schule eineS §etligen. ©in ehrenhafter, rvofyU 
habenber, felbftänbiger SBUttelftanb unb eine benetbenS* 
werte SBlüte be§ §anbtoerf§ in %ufy unb fieinroeberet, 
in 3rdrberei, Seber*, §ol$* unb 2JletalIarbeiten war bie 
$olge biefer 3unftoerfaffung. $)a ber ganje betrieb 
hanbroerfSmäßtg unb an baS §au£ be3 2fletfterS ge* 
bunben blieb, in beffen $>au§ftanb unb öäterliche 3 uc §t 
bic ©efellen („Unechte") unb ßehrlinge oöflig eintraten, 
fo war bie Verteilung be§ ©eroerbeS über ba§ ganje 
fianb fet)r gleichmäßig, benn große Snbuftriemittelpunfte 
fonnten fid) nicht bilben, fo wenig nrie e§ aHeS weithin 
beherrfchenbe |janbel§$entren gab. 
9trt bes 2)enn bie fchlechten Sanbftraßen unb @chiffahrt§* 
^onbciö ^ inbcrni y| e bcr oer fd)iebenften 2Irt (bic Mheinftrom* 

fdhneüe am Singerloch, bie $onauftrubel bei ©rein 
u. a. m.) erfchroerten ben Verfehl unb bie ßoftfpielig= 
feit beS £ran§port§ würbe teils baburdj, teils 
burch bie faft räubertfef) oermehrten 3oöftätten unb 
baS oft aufgebrungne ©eleit ber großen unb Keinen 
©ebietSherren erheblich gefteigert. $a§ alleS brängte 
jebe ©tabt baju, fich burch monopoliftifche, alfo bie 
§anbelSfreihelt jeber anbern ©tabt oft emppnblich 
hemmenbe Sttaßregeln $u ftchern. £)ie£ waren nament* 
lieh ber Straßen$mang, ber bie Söarenjüge auf be* 
ftimmte ©treefen oerwteS, unb ba§ (Stapelrecht, ba3 
frembe burchgehenbc Söaren eine 3*ü lang in bcr <5tabt 
fefthielt jur bequemen unb billigen Verforgung ihter 
^Bürger. <So jerfiel jebe große 2)urchgangSlinie in eine 



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$ie ©Übung ber flrofcen Territorien 



271 



Slnjaf)! felbftänbiger ©tücfe, unb e§ entnricfelte ftd) eine 
Spenge Heiner er c^enplä^c. 9lu§ allcbem ergab 
fid) bie -ftotroenbigfeit be§ roanbernben (Sigenf)anbel§, 
ba fief) au§ ber fyxnt bie roedjfelnben ^onjunfturen 
nid)t überfein liefen, unb bie Unentbe^rlic^feit großer 
Neffen, bei benen ftd) unter jeitroeiliger §anbelSfreifjeit 
unb t>erftärftem föedjtäfdjufc grofje 9Jtaffen oon 2öaren 
unb £änblern an einzelnen ^ßläfcen anfammelten. %a 
unter biefen Umftänben ber förebtt feljr unentnricfelt 
blieb, fo ftanb ber 3in8fu& f)od> (minbeftenS $el)n bi§ 
§n>ölf ^rojent, oft ba§ doppelte unb 2)reifac§e). £)en 
größten ©eroinn baoon t)eimften lange &\t bie Suben 
ein, bie begfyalb al3 „^ammerfnecfjte" be§ ®aifer§ ober 
eine§ mit biefem SRegal belehnten SanbeSfürften eine 
einträgliche ©teuerquefle bilbeten. (£rft mit bem Auftreten 
ber Sombarben feit bem mer^nten 3af)rljunbert na§m 
ber beutfdje ©elboerfeljr mobernere formen an. 5In 
ben ©elbroedjfel, ber bei ber üflaffe ber fec)r oer- 
fd)iebenartig prägenben 2Rün$ftätten (etroa 600) fefyr 
mistig war, fnüpften fid^ bie Anfange be§ ftäbtifdjen 
S8anfroefen§ (in Ulm fc^on um 1300) unb bie 3af)lung 
burd) Slnroeifung auf ein frembe§ £>anbel§f)au§ (SBedjfel). 

5)er binnenbeutfcfye Kaufmann oerfe{)rte faft burd)* ct»cr= 
weg mit Säubern einer gereiftem Kultur. $8on Söien au§ ^"nb/i 
jog er nad) Ungarn, ^ßolen unb Italien, oon SHegenSburg, 
SlugSburg, Ulm unb ßonftana nad) Sßenebig, mo ba§ 
beutfdje ^auftauS (fondaco dei Tedeschi) am Olialto fdjon 
im 12. 3a^rl)unbert beftanb, unb nad) ©enua über bie 
^äffe ber 3Jttttelalpen. ©trafjburg unb anbre oberrljei* 
nifcfje ©täbte ^anbelten mit bem großen ©eibenmarfte 
Suon unb bem belebten norbfranjöfifdjen Sftefjplafce 
$rone§, fpäter cor allem mit SBrügge unb ßöln. 3u 
ben nricfytigften SKefjplätjen mürbe ftranffurt a. 9Jc\ für 
ba§ roeftlicfje, fieipjig für ba§ mittlere 5)eutfd)lanb, ju 
ber erften ©emerbeftabt ba§ zentral gelegne Dürnberg. 
91u§ bem Dften famen öornefjmltd) SHolrftoffe, au§ 



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272 



2>te tanbeSfürfttidHtäbtiföe Seit 



Italien unb Qftanfretch 2Öetne unb einheimifche ober 
frembe ^nbuftrieprobufte; bafür gab ber beutfcfje Kauf* 
mann borthm (Srjeugniffe be§ beutfehen ©eroerbe§, nact) 
bem 2Öeften unb ©üben au&er ihnen namentlich Voben* 
probufte in Saufet). 

webtet"!)?« ^* ^ cm 11 ^^ )er ^ eu *f^ €n £>anbel§gebtet ftanb bie§ 
nicbcr * oberbeutfehe nur burch Köln, ben alten Knotenpunft 
be§ t&einifchen, englifchen unb fäd)ftf*en Verfehl 
in unmittelbarer Verbinbung. Unb fo fcfjarf ftet) bie 
beiben grofjen §anbel3gebiete äu&erlich fchteben, fo oer- 
fd)ieben waren fte auch innerlich. 2)enn ber nieber* 
beutfehe Kaufmann oerf ehrte mit ben jugenblicr) un* 
reifen. fyalb barbarifdjen, aber an SRohprobuften über* 
reichen unb baber fe^r f auffräftigen Sänbern be§ 9torben§ 
unb OftenS; feiner Überlegenheit in Kapital unb ©e* 
fchäft§erfahrung fiel baher naturgemäß bie mirtfcbaftliche, 
jumeilen fogar bie polttifche Veherrfdmng biefer Völfer 
8u. @r begann mit ber oertrag^mäfjigen ^eftftellung 
ber (Sicherheit für Seben unb (Eigentum unb ber Frei- 
heit feinet Verfehl unb er enbete mit ber Errichtung 
eine§ KaufhofS, einer £anbel§meberlaffung ju eignem 
JRecht ber allen auswärtigen Verfehr be3 fremben CanbeS 
an feine Vermittlung banb unb alle g-remben ^errifc^ 
au§fd)lof?. £)a§ mar ba§ Söerf ber beutfehen §anfa 
(urfpr. = ©übe), be§ grojjarttgften unb mirfungSoofiften 
(StäbtebunbeS aller 3*tt en > Der *> on Stügge bi§ SReoal 
reichte. Doch feinen Kern bilbeten immer bie beutfehen 
KotonialftäbtesroifchenßübecfunbberOber. $)enn babie 
birefte %afyxt oon ber 9iorb (2öeft*)fee §ur Oftfee noct) 
aa,5U gefährlich mar, fo mar biefer ganje Verfchr an 
bie Vermittlung ber baltifchen ©täbte gebunben, unb 
ba§ norbbeutfehe §anbel£gebxet verfiel in jmei aiemftct) 
getrennte, lange $e\t nur burch ben Sanbroeg über 

bcÄ"?: $ oI f tcin »erbunbne S«He. 

Mc au# s 5( U § smei Söurjeln ift bie §anfa ermachfen: au§ 
•Übe? 1 ben Vereinigungen beutfeher Kaufleute im 9lu8lanbe 



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Tie 23itbuug ber großen Territorien 



273 



unb au§ ben $8ünbniffen meberbeutfcfyer ©täbte. $)ie 
ältefte jener ©Üben ber „Dfterlinge"(Cftfeeleute), bie„©e= 
noffenfcr)aft ber ©otlanbfarjrer be§ römifdjen 9tei$8," 
beftanb ferjon im zwölften ^a^r^unbert in Si§bn neben 
ber beutfcr)4<i)roebifd)en CrtSgemeinbe unter bem cor* 
roaltenben ©influffe Sübecf § unb ^ielt bie faft ebenf o alte 
Sftieberlaffung $u ©t. ^ßeter in Sftorogorob junädjft in 
ftrenger 9lbl)ängigfett. ©inen britten $auf£)of erlangten 
bie $eutfd)en 1271 im normegiföen Sergen, mä^renb 
fie ftcr) in 2)änemarf unb ©ergeben mit ber goß* unb 
£anbel§freif)ett begnügten. $)ie „©Übebafle ber QzuU 
fernen" in Bonbon ftanb urfprünglid) unter ber fieitung 
8öln§, t)erfd)moI$ 1282 mit ben fpäter begrünbeten 
beiben ©ilbentjallen ber Hamburger unb Cübecfer 
unb t)atte feit etroa 1320 i^ren ©ifc im „©tabtyof" 
(Steelyard) an ber £f)emfe. üftod) früher, 1252, 
Ratten ftet) „bie ßaufleute be§ römifd)en $Retd)3" in 
2rfanbern gufammengefrf)loffen, roo fic einen ^auffyof 
im 9BeItt)anbel§pta^ Brügge erroarben (mit ber niebera 
®ericf)t3bartett 1307) unb nad) ber Orbnung r»on 1347 
in bie brei ©ruppen ber ©otlanbfafyrer, ber rljetnifd)* 
roeftfältfcrjen unb ber „menbtfdjen" ©täbte verfielen. 

@ben btefe „roenbtfdjen ©täbte," bie beutf djen ©täbte ®Je 
be3 längft germanisierten 2öenbenlanbe3, Sübetf,©i3mar, tü iWbtc 
föoftocf, ©tralfunb, ©reifSroalb roaren eS, bie juerft, r»or 
aöem burd) ba§ gemeinfame Qntereffe ir)rc§ auswärtigen 
£>anbel§ jufammengefüfjrt unb burcr) ba§ gemeinfame 
Iübifdc)e SRed)t von alter^er üerbunbeu, um 1260 ein 
S8ünbni§ jur 93efriebung ber 3Jleere unb §ur ^Beobachtung 
gleichmäßiger Haltung gegenüber ihren Sanbe§E)erren 
fdjtoffcn. $)a§ natürliche Übergewicht £übecf§, ber ein- 
zigen $eid)§ftabt im Dften ber ©Ibe, ber 9Jtutterftabt ber 
Oftfeegemeinben unb be§ größten Umfcblagplat}e§ er* 
hob e§ mit 3uftimmung ber ©täbte 1293 jum Dberhof 
(93erufung§inftan$) für Sftorogorob, enblicf) 1299, unter 
Aufhebung ber alten ©elbftänbtgfeit ber ©übe auf ©ot s 

2)er SBerbegang be§ beutft^en JöotfeS I 18 



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274 3>ie IanbegfürftltcHtäbttf<$e 3cit 

Ianb, jur füfjrenben ©tabt junädjft bcr Dfterlinge unb bcr 
metften fremben ftauffyöfe. $)amit mar bie beutfdje §anfa 
(„$ubefd)e $enfe") im fpdtern ©tnne beS SBortS be* 
grünbet. ®ie bilbctc ftetS ein friebUdjeS §anbel3bünbni3 
fc^r lofer9Irt,aundd)ft ofynepoIitifdjeSroecfe^nbroar nur 
im dufjerften Notfälle ju bewaffnetem @tnfd)reiten geneigt, 
würbe aber balb bie 93ef)errfcr)erin ber ÜJleere unb bie 
wirffamfte Vertretung beutfcr)er Sntereffen im ganzen 
Horben, wo bie SReicf)§gewaIt nidjt§ galt, 
»etfaffunfi $ie3 (Ergebnis beruhte nid)t jum wenigften barauf, 
ßanfo* oa $ ^ e ^olonialftdbte.nieberbeutfd)er©pracr)e unb über* 
ftabte wtegenb fädjftfdjen 9?ecrjt3, obwohl nur eine 9ietd)§ftabt 
unter ibnen toar, von Anfang an eine wenig befcrjränfte 
Autonomie genoffen, unter einem faufmdnntfcrjen, ntctjt 
Ijalbritterlxdijen ^ahijiate ftanben unb i^ren fünften, 
bie fcier nid)t au3 t)oft)örtgen ©enoffenfefjaften fyeroor* 
gegangen waren, f onbern von Anfang an au§ freien Ceuten 
beftanben, einen billigen, aber feinen f)errfd)enben Anteil 
an ber ftäbtifetjen ©efefcgebung unb an ben $efct)lüffen 
über aufserorbentlidje Seiftungen gemährten, 60 blieben 
biefe Stdbte lange 3*it son & en erbitterten unb §er* 
rüttenben 3 u "f^ äm Pf en »erfdjont, unb ber jäljrlidl) 
wed)felnbe dlat au§ a^ölf big tHerunbjwan$ig 2mt* 
gliebern unter jwei bi§ r»ier Bürger meiftern, ber $u* 
gleich al§ t)ödjfte§ SHegierung3foflegium fcrjaltete unb 
burd) bie einzelnen 9tot3f)erren mit einer Slnjafyt be* 
folbeter Unterbeamten bie oerfdjiebnen ®efd)dft8$weige 
t>er walten lieg, entwicfelte eine ftdtige ©efdjdftgfüljrung 
nad) feften Überlieferungen, wie fie bie oft §öd)ft t>er= 
wicfelte Sage oerlangte. 
Xic $)enn beftänbtg mürben bie ©täbte aud) in bie 
bniHdKit £>ä n b c * ^ rer 2anbfd)aften l)ineingejogen, unb ber 
dürften ©egenfafc nod) mef)r jum Sanbabel als $u bem g*ür* 
nmcr ftentum bilbctc ftd) aud) $ier auS. 3u tyrem ©lücf 
fd)mäd)ten bie fürftlidjen ©dufer ifjre 2Had)t burd) 
fortgefefcte Stetlungen. $ie 2l3famer Ratten fd)on 1260 



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2>te S3Übung bcr gtofeen $etritorieit 275 

ba£ f leine ©ebiet be§ neuen §er$ogtum3 ©achfen in 
6achfen*8auenburg unb ®achfen*2Bittenberg geteilt, bie 
ftch fpäter lange in heftigem ©treit um bie ßurroürbe 
entzweiten; bie SBelfen Ratten ftch 1267 in bie beiben 
Sinien SBraunfchmetg * 2Bolfenbüttel unb Süneburg* 
©eile gef Rieben; Bommern, burch ftarfe ©ebietäoer* 
lüfte an 2Hecflenburg (©tacenhagen 1282) unb $8ran= 
benburg (©duoelbein 1290) gefchmächt, jerfiel nach 
langen SStrren 1295 für lange geit in $ommern*2Bolgaft 
unb Sßommern*©tettin. 3n ©olftein, von bem bie bemo* 
fratifcfjen Sauernfchaften ber $)ietmarfchen unter ber 
nominellen Oberhoheit be§ ®rjbi§tum§ Bremen in ber 
eigentümlichen ©efchlechtoerfaffung ihrer oierjehn ßirch* 
fptele um SWelborp ganj getrennt blieben unb oon bem 
fich Hamburg oöUig entfrembete, ging ba§ §au§ ber 
©chauenburger nach 1261 in bie Vieler unb 3ftehoer 
£inie au§einanber, aber ba§ ganb blieb trofcbem in 
feinen ©tänben (5lbel unb ©teibten) ftaatärechtlich 
geeint unb mürbe gerabe burch biefe ©ebeutung ber 
©tänbe größtenteils ein fianb be§ 2lbel§, geriet aber 
baburd) in einen befonber§ lebhaften ©egenfafc §u ben 
£anfeftäbten. 

2)iefer griff auch nach $änemar! hinüber, benn @$(c*n>ig 
mit biefem Sanbe fnüpfte ber holftifche 2lbel balb xiiI ^ nrt 
bie engften Begehungen an. 3unctd)ft ^ a ^ e 
bie Cocferung be§ $8erhültniffe§ sroifcfjen bem $önig= 
reiche unb ©übjütlanb (©djleSnrig) unb beffen $ln= 
le^nung an £>olftein $ur ftolge. 2)etm fchon 1254 
mürbe SBalbemar (III.), ber ©ohn ®önig 2lbel§ unb 
2flechthilb3 von §olftein, nach beutfdjer SBetfe oon $>äne* 
mar! mit bem $er$ogtum ©cf)le3nrig belehnt, richtete 
feinen $of nach beutfcfjer 2lrt ein, 50g ^olfteinifd^e, 
fdchfxfche unb meftfälifche bitter al§ SehnSleute inS 
ßanb, ließ bie ©tdbte (Flensburg, 3lpenrabe, §aber§* 
leben) ftch nach beutfehem 9*echt einrichten. ©0 geriet 
auch ^änemar! mehr unb mehr unter ben (Sinfluß be§ 

18* 



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276 



Sie lanbegfürftli<Wtäbtif<$e 3eit 



beutfdjen 2Ibel§, als ftönig ©rid) 9Jtenoeb (1286 big 
1319) e3 nad) langer ©rfdjlaffung übernahm, bie2Wad)t 
$)änemarf3 über §olftein unb bie beutfd)e Dftfee* 
lüfte toieber bersuftellen. ©r tou rbe babei fogar oon 
beutfd^en dürften unb beutfd)en ©bedeuten unterftüfct, 
bie t)iel mefjr in ben ©täbten, al3 in bem oon xljnen 
t)albbef)errfd)ten $)änemarf tfjre ©egner fatyen. ©<$on 
1300 nafym 9ttfolau§ oon Sflecflenburg Sanb unb ©tabt 
Roffod oon ffönig ©rid) $u fielen, 1307 ftetlte fid) 
fogar ßübeef, in fü^ler ©rtoägung feiner $anbel§- 
intereffen, auf jel)n %af)tt unter bänifdjen ©djutj, unb 
bie meiften norbbeutfdjen dürften traten in engeS 
SBünbniS mit 2)änemar!. Sftur ba8 tapfre ©tralfunb 
ertoebrte fid) mit $ilfe 95ranbenburg§ burdj ben gtän* 
jenben ©ieg oom 21. ^uni 1316 feiner ©egner, aber 
9ftarfgraf Söalbemar rourbe bann nodj in bemfelben 
Safyre bei ftürftenfee unb ©ranfee oößig gef plagen 
unb mufjte ©targarb an 9ttecflenburg abtreten. 

umirTr ^ bic f e 3 cit be§ 2luffd)toung§ folgte eine 3eit 
t'crrUaft tiefer ©d)toäd)e für $änemarf. ©Ijrtftopl) IT., ber 
teittfLt ) un 8 e ^f olger ©rid) 2Henoeb3 (f 1319), bie 5ßor= 
ma« munbfdjaft für SBatbemar (V.) oon ©d)le3totg, ben 
®of)n ©rid)3 II., beanfprud)te, entfdjteb ©raf ©er* 
Ijarb m., „be grote ©Ijert," ein Liebling be§ $olfe§ 
unb ber ©age, an ber ©pt^e be§ abliefen unb bäuer* 
liefen Aufgebots feiner $olften, burdj ben ©ieg oor 
©ottorp im 3uli 1325 baS ©d)tcffal ©d)le3toig3 unb 
bie ©errfc^aft be3 norbbeutf d)en 9lbel§ in $)änemarf, 
benn ©^riftopl) flüchtete oor bem Slufftanbe feineS 
eignen 9lbe(3 (f 1332). tiefer aber mahlte im 3uni 1326 
SBalbemar V. oon ©<$le§toig jum ßönig, ben ©rafen 
©erwarb ju feinem SBormunb, alfo jum Regenten oon 
Dänemark unb ber junge ftöntg gab an ©erwarb ba3 
£er$ogtum ©djleStoig ju fielen. Snbem biefer nun 
©c^aren norbbeutfdjer ©belleute in feine 2)ienfte natjm 
unb einzelnen Herren gan$e ßanbfdjaften jum ^ßfanbe 



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S)ie SBitbung ber gro&en Territorien 



277 



gab, oermanbelte er 2)änemart in ein ©roberung§* 
gebiet be3 beutfdjen 9IbelS. S)od) ben §anfeftabten 
mürben bie Dtaubfa^rten biefer meifterlofen greibeuter 
balb fo läfttg, bafj fie baran backten, ein bämfd)e§ 
Königtum nrieber&erftellen, in Qütlanb brad) ein 2luf< 
fianb au3, unb al§ ©erwarb, ftegreid) wie immer, btö 
SRanberS t>orbrang, rourbe er tyier in feiner SBofjnung 
am 1. SIpril 1340 von einem jütifetyen ©beimann er* 
morbet. ©eine ©öljne oerftänbigten ftd) barauf mit 
SBalbemar V. von ©d)Ie3nrig über bie ©rfjebung be§ 
legten ber ©öfjne (£l)riftopl)§, 2öalbemar IV. Sltterbag 
jum ftönig von $anemarf (1340 big 1375), bie $anfe 
Ieiftete i^m ©ilfe gegen SInerfennung ifyrer Privilegien 
unb braute fd)lie&lid> 1349 einen grofjen ßanbfriebenS; 
bunb mit ben ©rafen non golftein, ben 2flecflenburgern 
unb ©adt)fen*8auenburg $u ftanbe. 

ÜTCur beruhte bie§ nrieberfyergeftellte bämfdje $ömg- ®Mu 
tum fetne§roeg3, rote etnft ba§ 2öalbemar8 II., auf ber Raule* 
ßraft eine§ gefunben $Bo«3tum§, benn ba§ ©inbringen mcu * 11 
be§ 8e^n§mefen§ fjatte bie alte Söauernfreiljeit aerftärt, 
unb ber ßönig mu&te alle 9ttittel biefeS reinen tiefer- 
baulanbeS, beffen £anbel unb ©eroerbe in ^anftfe^en 
§änben lagen, bt§ jur (Srfd)öpfung anfpannen, um 
bie ©djaren ritterlicher ©ölbner au§ $eutfd)lanb ju be* 
jaulen, immerhin vermochte er mit biefen Gräften in 
ben fortgefefcten, jerrüttenben SBirren be§ norböftlicljen 
2)eutfd)lanb§ eine mafigebenbe (Stellung $u geroinnen. 
£)iefe Kampfe bewegten ftd) lange 3eit um SBranben- 
bürg. 9U§ ber fjier regierenbe SWann§ftamm ber 2l§* 
fanier mit SBalbemar bem ©rofjen 1319 auSftarb, mürbe 
ba8 £anb Safjre fjinburdf) jum 3anfapfel ber ©rben au§ 
ben Nebenlinien, bi§ enblid) 8aifer Subrotg nad) bem 
©iege bei 9Hül)lborf im SWärj 1323 bie SBeletntung feine§ 
@ot)ne§ ßubrotg mit ber 2ttarf bürdete. $>abei ging 
bie Wlaxl Saneberg an bie Söettiner, bie Oberlauf^ 
an bie Suyemburger verloren, unb 1338 mujtte SBran- 



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278 



<Dic tanbeSffirftti($.fHlbttfc$e Seit 



benburg auch feine SehnShoheit über Bommern auf* 
geben, baS fcfjon 1325 mit bem ^ürftentum SRügen 
(nach bem Ausgange beS bortigen §errfcherhaufe3) 
oereinigt worben mar; nur baS ©rbredjt auf Bommern* 
Stettin fonnte behauptet werben. 
mxrtn Sfteue SBirren folgten in bem erfdjöpften, mit 
Stauben* ftrtegSfteuern überlabnen 8anbe, als ber ©treit 
*m $nrifchen bem ftaifertum unb ber Shme ausbrach- 
SftirgenbS würbe er erbitterter unb Ijartnäcftger ge- 
führt als hier. S)aS Snterbift, baS über »erlin* 
&öln, IJranffurt u. f. f. oerhängt würbe, führte oiel* 
facr) fogar ju gewaltfamer ©egenmehr. ®aum Ratten 
ftd) biefe ©egenfäfce allmählich ausgeglichen, fo tauchte 
ber fogenannte falfche SBalöemar auf, mit ber ba= 
malS otelfacf) geglaubten unb niemals meber be* 
wiefenen noch wtberlegten ^Behauptung, er fei jener 1319 
angeblich oerftorbne 3ttarfgraf Söalbemat ber ©rofce, ber 
t^atfäd^Iidt) wegen fernerer (Sünbe 28 $af)re lang als 
SBüfcer unb Pilger bie SBelt burchirrt fyab* unb nun 
heimgekehrt fein SRed)t wieberforbre. Unterftüfct oon 
ben anhalttfdjen 3lSfamern unb Dtto oon Sflagbeburg, 
gewann er junächft bie 9lltmarf unb bie ^ßriegnifc unb 
bie 3lnerfennung ber benachbarten dürften oon ^ßom= 
mern, 2Jtecflenburg, Schwerin unb ©olftein, unb als 
ftd) auch Me übrigen SanbeSteile ihm anfcf)loffen, fogar 
bie faiferliche SBelelmung ßarlS IV. am 2. Dftober 
1B48. §atte biefer bodj fein lebhafteres Sntereffe, als 
ben Sittelsbachem, feinen alten ©egnern, überall 9lb= 
bruch &u thun. ©cfjon hatte er baher baS SöittelSbachifche 
SSranbenburg oon allen ©eiten umgarnt, Bommern burch 
bie Söerlei^ung ber SReichSunmittelbarfeit, Sttecflenburg 
burch®rh c ^ un 95 um © er 5°9t um / ölfoin ben SfteichSf ürften* 
ftanb (1348) unb bie 9Iu§ficht auf bie ©rmerbung ber 
©raffchaft Schwerin nach bem SluSfterben beS bortigen 
^errengefchlechtS (1358) gewonnen. SlUetn baburch ge* 
riet er auch i» ©egenfafc $u $>änemart, in beffen ^Rechte 



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Sie SBilbung ber großen Territorien 279 



ober 9Infprüd)e ba§ aü*e§ eingriff. $)aljer trat 2öak 
bemar IV. für bie branbenburgiferjen 2ötttel3badf)er ein, 
Ianbete 1349 in 2Kecflenburg, braute bie§ unb $ßom* 
mem §um 9lnfctjluß unb brang fiegreidf^bt§ Berlin oor. 
$)te§ nötigte ®arl IV. in ber großen 2rürftenoerfamm= 
lung ju Sauden im gebruar 1350 ben 2Bittel8bad)em 
bie Warfen jurüdCjugeben unb bem 3)dnenfönig für 
feine „S)ienfte" fogar bie SReicijSfteuer von Sübecf $u 
überlaffen. Sftad) längern kämpfen ließ ftd^ ber „falfd&e" 
Söalbemar 1355 ettblidt) mit einer (Mbfumme abfinben. 

£)ie bänifcr)e Wlafy erfjob fidj faft fo gebietenb •tunbfoee 
nrie unter Söalbemar II. bem Sieger in ben Sänbem ffonbina- 
ringS um bie Oftfee. Salbemar IV. beE)errf$te nierjt gjjjj 
nur bie beutfdjen ftüftenlanbe, fonbern er brachte aud) 
burdf) bie Verlobung feiner ftebenjäljrtgen £od)ter SJtar* 
garete mit £afon von Norwegen bie folgenreiche ^a- 
miltenoerbinbung ju ftanbe, bie fctjlteßltcf) alle brei 
ffanbinaoifcrjen föeidje unter feiner ftgnaftte vereinigen 
foflte. 3)enn fetjon ftanben ©crjmeben unb Norwegen 
unter einem ®önig§l)aufe , feitbem SJlagnuS von 
©crjroeben al§ ©o^n 3>ngeborg§, ber (Srbtodjter §a s 
fon§ oon Norwegen, bie Ärone audj biefe§ 9ietdt)e§ 
trug, beffen Regierung jefct fein Soc)n §afon führte. 

SBalbemar IV. tjatte bi§ jefct in gutem (Sinoer* 
nehmen auet) mit ben beutfdjen ©eeftäbten geftanben. (£r «Äc" 
loderte e§, inbem er 1360 bie Verausgabe be§ an "JJJ ™- 
©c^roeben oerpfänbeten ©erjonen erjroang unb bamit $anfa 
bie §errfcf)aft über beibe lüften be§ ©unbeS erwarb, 
unb er jerftörte e§ völlig, al§ er 1361, lebigltcf) au§ 
SBeutegier, ba§ fcrjtoebifcrje ©otlanb angriff. Sftacrj einem 
Siege in blutiger 3relbfcf)lacrjt am 27. $ul\ nafym er 
3Bi§brj, ba§ große <5d)afct)au3 ber §anfe, bie üppige 
§auptftabt eines ttjrer drittel unb branbfd&a^te e§ 
oier SBodEjen rjinburdt) fo grünbltd), baß bie raferj 
oeröbenbe Stabt fortan alle Söebeutung oerlor unb 
tyre gewaltigen Kirnen aHmäfjlidj in bie malertfdjen 



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280 Sit lQnbc8fürftIit^.ftäbtif*e 3eit 



krümmer fanfen, bic roir nod) fyeute benmnbern. 
2)od) auf bcr ©teile ©erhängten bie Dftfeeftäbte eine 
SBerfefyrSfperre über $)änemar!, f ^rieben Lüftungen 
auS, x>erbünbeten fid) mit $>olftein, ©djroeben unb 
Norwegen unb fanbten im 3lpril 1362 unter Sodann 
Söittenborg, bem erften Sürgermeifter von Cübecf, eine 
Kriegsflotte von 52 ©egeln nad) bem ©unbe. ftretlid) 
enbete biefe erfte fyanfifdje KriegSfafyrt gegen 3)änemarf 
im 3uli 1362 mit ber ferneren Sfteberlage oor ©elfxng* 
borg, einem übereilten Söaffenftiüftanbe unb fdjliefMd) 
mit bem faulen grieben oon SBorbingborg im ©ep* 
tember 1365, ber bie Ijanfifdjen $8efd)roerben über un* 
mäßige Auflagen auf ifjreg-ifdjjereien tn©d)onen nur teil- 
roeife befeitigte. 3n$nrifd)en ^atte fdjon 1364$llbred)t III. 
oon Meyenburg, ber ©djnriegerfofjn beS Königs 
Magnus, oon bem fdjtoebifdjen Slbet herbeigerufen, 
ber feinem £errfd)er bie ÜJli^cr folge gegen $änemart 
md)t Berjtef), bie fd)roebtfcf)e Krone an fid) geriffen, 
an 3)änemarf aber, baS ftd) nad) ber SBermäfylung 
$afonS unb Margaretes 1363 um fo f efter mit Sftor* 
wegen oerbünbete, 1366 bie ganje Küfte beS KattegatS 
abtreten müffen. Unbebingter als je beberrfdjten alfo bie 
S)änen bie Meerenge. $a fdjloffen 57 nieberbeutfcfye 
©tabte beS DftenS unb SöeftenS am 19. Sttooember 1367 
im „§anfefaale" beS Kölner föatyaufeS 'bie Konföbe* 
ration unter Leitung SübecfS $um Kriege gegen $>äne* 
marf. Mit i^nen oerbünbeten fid) am 2. Februar 1368 
©djtueben, Mecflenburg, $olftein unb fogar ber jütifdje 
2lbel $u bemfelben 3ro*cfe. ©täbte, dürften unb tfibel, 
einanber fonft fo feinblid), ftanben gegen bie alle 
brücfenbe Übermacht $>änemarfS Dereinigt. 
XetStM 3Ingeftd)tS biefer überrafdjenb auffteigenben ©e* 
b wnb*?« f a &* en flüchtete 2öalbemar fleinmütig nadj Bommern 
ÄttcN üoti unb überliefe 2)änemar( ftcb felbft. ©o natjm unb »er* 
ftörte eine ftlotte ber Dfterlinge unter bem lübifdjen 
«ürgermeifter Pernio SBarenborp im Mai 1368 äo* 



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Xte Ȇbung ber flrofeen lerrttorten 



28 t 



penhagen, brachte mit fchroebifchcr £>üfe bie lüften* 
pläfce Schoneng in ihre £>anb unb fchlojj $elfingborg 
ein. 2)ie Schweben befefcten roährenbbem äflöen, fralfter 
unb Saalanb, eine Sftorbfeeflotte aernrnftete bie fübroeft; 
liefen lüften 91orn>egen§ unb gerftörte ben föntglichen 
§of in Sergen, foba(3 £>afon einen Söaffenftiüftanb 
fchlie&en mufjte. £)er holfteintfehe &bel nahm Sütlanb 
ein, bie 2Jiecflenburger fcfjlugen im Sftouember 1368 
bie mit SBalbemar oerbünbeten Bommern bei 2)am* 
garten. (Snblidj, al§ am 8. September 1369 auch £el* 
ftngborg gefallen mar, roidigte bie bänifche Regent* 
fchaft im Sftooember 1369 in einen SBaffenftiOftanb, 
am 24. 3Hai 1370 in ben ^rieben von Stralfunb, ben 
im tarnen ber Stäbte 3afob ^ßleSforö t>on Sübecf, für 
3>änemarf ber SHeichSoerroefer Penning ^utbu§ im Saale 
be§ ^oc^giebligen 9tathaufe§ unterzeichnete, ftäne* 
marf bewilligte ben Stäbten freien #anbel burd) ba£ 
ganje D^eid) ju ben frühern niebrigen ^oflfä^en, räumte 
ihnen Schonen mit jmei dritteln feiner ©tnfünfte auf 
fünfzehn 3ar)re ein unb oerfprach, feinen ®ömg an* 
suner)men aufcer mit ber Stäbte 9kt. £)afür liefen 
biefe bem ®önig Söalbemar gleichmütig freie §anb 
gegen feine fürftlicrjen ^einbe. ®° brachte er fetjon 
1371 Wibrecht von Schweben in bie drgfte 33ebrängni3, 
»erjagte 1373 bie £>olfteiner au§ Süüanb, nahm bie 
$8ormunbfchaft über ben jungen §erjog Heinrich uon 
Schleimig in 5lnfpruch unb unterwarf bie unbot* 
mäßigen Sftorbfriefen, bie in ben furchtbaren „Sflann* 
tränfen" (Sturmfluten) von 1354 unb 1362 einen 
großen Seil it)re§ £anbe§ unb trjrer 9J?enfchen in ber 
wütenben Sftorbfee hatten untergeben fehen. $ur$ 
darnach, 24. Oftober 1375, ftarb Söalbemar IV., ber 
letjte $önig au§ bem Stamme Swen (£ftrithfon§, 
unb faft gleichzeitig ber junge fierjog Heinrich von 
Schleswig. 

Sie $anfa hatte bie ftoljefte $öt)e ihrer wirk 



282 



Sie ranbcSfürpti^ftäbti^e 3ett 



fdjaftlictjen unb polittfdjen Dbmadjt über ben Horben 
erftiegen, nacrjbem ber ftriebe von ®attunbborg, 

14. 5luguft 1376, it)re alte Stellung aud? in Norwegen 
beftätigt j^tte, unb aud) ßarl IV. erfannte bei einem 
SBefudje in 2übecf, im Dftober 1375, mit et)renben 
Sorten bie gemaltige ©ebeutung biefer Stabt unb 
ifjreS SöunbeS an, ber ot)ne jebeä 3 u ^ un öer SRek&S* 
gemalt erroadjfen mar. 5lber bie Hebungen ber 3ünfte, 
bie nun bodt) aud) in einzelnen gröf?ern #anfeftäbten 
ju- ferneren Sirren führten, in ©remen 1365/66, in 
93raunfd)roeig 1374/80, in Hamburg 1376, in ßübeef 
felbft 1380 unb 1384, unb nur burd) geroaltfame 
Littel (in 93raunfd)roeig buret) bie „*8ert)anfung," bie 
2lu§fd)liefeung ber ©tabt oon allem *Berfet)r) unb billige 
3ugeftänbntffe an bie 3önf te unterbrüeft roerben fonnten, 
er f fütterten bie ftäbtifdje 5lriftofratie, unb fte roid) im 
Horben einige ©dritte jurücf. ©ie lief} gefc^e^en, bafc ber 
fünfjährige Olaf, ber So^n §afon§ unb 2ttargareten§, 
1376 in $änemarf, 1380 aud) in Sflorroegen ben $t)ron 
beftieg, alfo beibe ffieidje vereinigte, unb fte räumte 
1386 nertragStreu aber furjftdjttg tfjre (Stellungen auf 
©djonen, gab alfo bie polittfctjen ©rgebniffe i^rer ©iege 
auf. ©nergifcfjer mußten bie f)olfieütifcr)en Orafen ir)r 
Qntereffe au magren: fte ertrofcten oon 2flargareta am 

15. Sluguft 1386 bie Söele^nung mit ©djleSmtg unb 
9torbfrie§lanb. $ie ftaat§recf)tlicr)e Sßerbinbung ®cr)le§^ 
mig§ unb §olftetn§ unter bemfelben $errfd)erl)aufe 
mar begrünbet. 

«u*- Säfjrenb biefeS Bingens ber ©täbte um bie £err* 
br bcr m Waft ber norbifdjen 2Keere ftieg ber beutfäe Orben§= 

waAHi t ^ aa *' c * nc mcr ^ ro " r ^^9 e uno 9lücfti^c # bamalS ganj 
Dftcn einzige Söerbinbung geiftltdjer, abltdjer unb bürgerlicher 
2Kacf)t, jur erften ©rojhnad)t an ber Dftfee empor. 
$a§ ganje weite ftüftenlanb oon ber Dftgren^e 
Bommerns bt§ an ben ^ßcipuSfcc umfaffenb, oermegen 
^ineingebaut jmifdjen ^ßolen, ßitauer unb Muffen, 



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$>tc »Übung ber großen lerritorten 283 



betten allen er ihr natürlichem ftüftcngebiet oorenthielt, 
entroanb er ^ommereflen nach bem SluSfterben fetneS 
flattrifchen §errf eher häuf e3 mit Sfleftnnn 1295 im jähen 
SRtngen ben branbenburgifctjen 5l3laniern (al§ ben 
Se^n§^erren ^ßommeru3) unb ben ^ßolen unb erlangte 
enbticf) unter bem §ochmeifter Subolf König im Sßer* 
trage t>on Kalifd) am 23. 3uli 1343 von König Kaftmir 
bem ©ro&en (1333 bi§ 1370) bie förmliche Abtretung be§ 
ßanbe§. 9lnbrerfeit§ burchfchmtt freilief) biefer König, ber 
Reformator dolens, bem anfehtoeßenben <ScIt>ftgefüt)Ie 
feines $8olfe§ entfprecrjenb, ben engen 3 u f° mmcn ^ an 9 
feiner beutfdjen ©täbte mit bem 2Hutterlanbe, inbem 
er ilmen ben DtechtSgug nach bem Oberhofe 9ftagbe= 
bürg ©erbot, unb bie beutfehe 3uroanberung nach ^ßolen 
ftoefte feit ben Verheerungen be§ „fcf)n>ar$en £obe§." 

Um fo energtfcr)er brang bie beutfehe $errfct)aft in csrtuerbung 
ben Küftenlanbfchaften oor. ©in furchtbarer ©ftenauf* mmfji' 
ftanb nötigte SBSalbemar IV., 1346 ba§ bänifche ©ftlanb 8t JJ£ et 
mit SHeoal an ben beutferjen Orben $u oerfaufen. $)en 
heibnifdjen Litauern aber, feinen eigentlichen $aupt* 
feinben, gegen bie er ba§ Kreuj noch immer prebigen 
lief* unb immer roieber Kreujfahrerfcharen entfanbte, 
entrifc er 1362 Konmo am Seemen, oergalt ihre grim* 
migen (Einfälle mit ebenfo grimmigen ©egenftö&en unb 
brachte ihnen enblid), al§ fte im harten Söinter mit 
großer £eere§macht bie ©renjoerhaefe burchbradjen, in 
ber blutigften 8itauerfd)lacht ber Orben§gef dachte bei 
SHubau nörblich oon Königsberg am 17. ftebruar 1370 
eine furchtbare, lang nachmirfenbe 9tteberlage bei. 
Unter bem glänjenben ^ocrjmeifter 2ötnrich von Knips 
robe, einem Dtheinfranfen (1351 bi§ 1382), erftieg ber 
Orben gleichzeitig mit ber §anfa bie Sonnenhöhe ber 
Stacht unb be§ SRuhmeS. 

@an$ mittelalterlich feinem Urfprunge nach unb «erraff ung 
ganj mobern in feiner <Staat§auffaffung oereinigte ber cxtm^ 
Orben in ^ßreufien unb in ben oon ihm unmittelbar, f laat * 



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284 



S)ic Ianbcgfitrflli^.ftäbti^e 3ett 



raenngleid) meift in SehnSabljängigfeit vom ©rjbiStum 
SHiga beherrfdfjten teilen ÖtolanbS unb (£ftlanb§ nad^ 
hohenftaufifchsnormännifcher gürftenroeife al§ Dber* 
etgentümer be§ ganzen 93obcn§ alle nichtigen £>ohett§* 
rechte, bie Regalien, bie 2JUlitärhof>eit über alle Unter* 
ttjanen, auch bie ber Kirche, unb ba£ ^atronat über 
bie Pfarren in feiner £anb, nahm al3 geiftltche ®e* 
noffenfchaft ben ®irchen$ehnten für fleh, befefcte bie 
bifdjöfttdjen Kapitel in Sßreufjen (aufcer in ©rmlanb) 
mit feinen trübem unb hielt ftch burcb, einen jtänbigen 
©efanbten, ben DrbenSprofurator, in fteter SBerbinbung 
mit ber Äurie. ©einen ©täbten gemährte er eine au£* 
gebet>nte Selbftoerroaltung unb bie Teilnahme an ber 
§anfa, aber er betätigte ben dlat unb bie com ©tabt= 
geriet gefällten £obe§urtetle, bejog jroei drittel ber 
©elbbufjen unb anfehnliche inbirefte Steuern com 
ftäbttfchen Söerfe^r. $)ie beutfdjen Seeleute unb bie 
freien beutfdjen Bauern jaulten einen mäßigen 3™$* 
jene Ratten bie niebre, feiten bie Ijöfjere ©erid)t§barfeit 
über ihre Printer f äffen, meift prige ^ßreufeen, bie von 
ben beutfdjen ©täbten unb Dörfern auSgefchloffen 
waren. 3 um ßrtegSbienft, gur „SRetfe," wenn ba§ 
„ßanbgefchrei" erging, waren bie Untertanen aller 
(Stäube verpflichtet, ©in roirflicheg, nicht ein belehnteg 
Beamtentum, burchroeg DrbenSritler, mit ftrengem 
2lu§fd)lufe ber ßaien, regierte ba§ Sanb. 3n ben 93e* 
jirfen f falteten Äomture, bie auf Drben§burgen, ben 
SJlittelpunften ber Berroaltung unb SBerteibigung, fafsen, 
beraten von Brüberfonoenten, $u ftrenger SRechenfchaft 
verpflichtet unb auf§ fd)ärffte Übermacht; in Ötolanb 
gebot über fie ber öanbmetfter auf Schloß SBenben, in 
^reu&en feit 1309 (nach bem Berlufte <Snrien§) un* 
mittelbar ber £>ochmeifter felbft in ber gemaltigen 
Üftarienburg an ber STCogat, bem feften „§auptbaufe" 
unb bem prächtigen SHefiben$fchloffe be§ DrbenS. %fym 
jur Seite ftanben bie fünf großen ®ebietiger, ber ®rofc 



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$ie SBitbung ber flrofeen Territorien 285 



fomtur für ©djafc, Vorräte unb Schiffe, ber 3Harfchaü 
al3 KriegSminifter unb Oberbefehlshaber, ber ©pittler 
für bie ßranfenpflege, ber $rappterer für Kleibung unb 
Lüftung, ber £reßler al§ ftinanjmimfter. $te hoffte 
@ntf Reibung lag beim „®eneralfapitel," ju bem biefe 
fünf fyödjften ^Beamten mit ben £anbmetftern t«on 2iv- 
lanb unb $)eutfd)tanb berufen würben. 

Unter biefer umfichttgen unb feften SBerroaltung *fto* 
rourbe ber Orben§ftaat bie ftärffte grinanj* unb erbeut 
Kriegsmacht be3 Horbens, bie um 1400 eine jähr* ftaat * 
liehe ©elbeinnabme (abzüglich ber regelmäßigen 53er- 
roaltungSfoften) von 54 000 Wlaxl ©über preußifch 
(faffc 5 1 /, 2Jli0ionen SJtarf nach beutigem Kauf* 
roert) oerrechnete unb ein §eer allein von 10000 
fchmeren Leitern auffteüen fonnte; er mürbe aber 
auch im ©chufce biefer Kriegsmacht, ber feften OrbenSs 
bürgen unb ber faft unburchbringltchen ©renjroilbntS 
im Often unb Süben baS roirtfchaftlich blühenbfte 
Sanb an ber Oftfee. ©ine 2ftaffeneinroanberung au§ 
gan$ $)eutfchlanb begrünbete bis gegen 1400 in Greußen, 
allein 93 beutfdje ©täbte unb 1400 Dörfer unb ger* 
maniperte bieS ßanb fo ooUftänbig, baß ba§ ^ßreußenoolf 
fap ganjlich auSftarb unb auch bie litauifche unb pol* 
nifche (mafurifche) 93ei)ölferung auf einige ©renjftriche 
befchranft rourbe. $)ie (SumpfroübniS beS SöeichfelbeltaS 
»erroanbelte fid) burch riefige $>eicf)bauten unb (§mt* 
roäfferungSgräben in ben üpptgften Sltferboben $eutfd) s 
lanbS, bie ©eeftäbte, baS mächtige 2)an$tg, ber große 
Stapelplatz be8 SBeichfellanbeS ooran, nahmen an ber 
hanftfehen $anbel§h^trfchaft über ben Horben teil unb 
zeigten in gemaltigen fird)lichen unb meltlichen ^Bauten 
nicht minber ihren Reichtum unb Kunftfinn rote ber 
Orben felbft in ber 9J2arienburg, beren fcfjlanfe ©äulen 
unb Sterngeroölbe rote ein *8ilb auS ben ^ßalmenhainen 
be§ fernen ©nrien erfcheinen. eanft"rf)cr 

2lber roeit über bie ©renken Deutfcher §errfcf)aft Wtein 



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286 



Sic Ianbe&fürfiticHtäbtitöe 3eü 



fcinaug mar ber ganje Horben unb Ofien in ein gro&eg 
2Birtfdl)aft§gebtet beS meberbeutfcfyen Kaufmanns oer* 
roanbelt. Sein 3roifd)en s unb 2lu§fu^r^anbcl oerforgte 
bicfe germanifdjen unb flatoifdjen $8ölfer mit bcn ©oben« 
unb ©etoerbeprobufcen 2)eutfd)lanb§ unb ©übeuropaS 
unb bejog von t&nen bic unerfd)öpfltd)en SHoEjprobufte 
t&rer Söälber, JBergroerfe unb $iefyl)erben, bic oon bcm 
blü^enben £>anbtoerfe bei* §anfeftäbte bi§ nadj ^lieber* 
fadjfen unb SBranbenburg hinein für bcn eignen 93ebarf 
wie für bie 2Iu§fuf)r oerarbeitet würben. 95ci biefem ^an- 
bei regneten bie SMeberbeutfdjen im Unterfc&tebe oon ben 
Oberbeutfdjen, bie mit ben SMturlänbern beg 2öeften§ 
unb ©üben§ ttyre (Sefdjäfte in bcr ©olbtoäfyrung nad) 
ber ®ölnif(f)en 2ttarf führten, in ber lübifdjen ©Uber* 
Währung (1 Wlaxl = Vi Wno ©Uber ju B 1 /, bi§ 
3 7 4 Wlaxt §u je 16 ©djitUng lübifd), in 2HetaHioert = 
10 bi§ 12 Wlaxt, im ßauftoert mtnbeftenS ba§ 3ef)n* 
fad)e; baneben 1 $funb ©Uber ober „Sßfunb Sterling/' 
b. i. Easterling, Ofterling), ©ie begleiteten meift felber 
if>re 2öaren, an benen ber Kapitän (©d)tffer) unb aud) bie 
Bemannung getoöfnilid) Anteil Ratten, um baS SHififo 
beffer ju verteilen, oerfauften nur gegen Söarjaljlung, 
Saufrf) ober $fanb mit Eintragung be§ ©efd)äft§ in§ 
©tabtbud), unb fie führten ben Sßerfefjr, ber fid) ganj 
übertoie^nb jur ©ee bewegte, auf ftarfen, gebrungen 
gebauten, aroeimafttgen ©egelfd)iffen, ben Joggen, 8fa£)r* 
jeugenoon 200 bi§ 300 Sonnen, bie mit fco&en „ftafteHen" 
auf bem 5Id)ter* unb SBorberbecf unb ®efed)t3marfen 
(Sftaftförben) $ur $8ertetbtgung gerüftet toaren. S8ei ber 
UnficfjerJjett bcr 9Jieere fuhren ftc, unb jmar nur in ber 
guten 3a^re§aeit, jtoifdjen 8id)tme& unb SRartüu ge* 
it)öt)nlidt> ju regelmäßig oerfefjrenben Rotten oereinigt 
unb oon fdi)ioeren ftrebefoggen (ßriegSf Riffen) gebeeft. 
$)a bie ©djjiffe Hein maren, fo fonnten aud) g-lufjftäbte 
toie Wöln unb Zfyoxn bireft an biefen ga^rten teil* 
nehmen, beren ©ccgefa^ren fid) nur fcl)r attmä^licr) 



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$ie Ȇbung ber grofcen Territorien 



287 



burcf) ©rbauung von Leuchttürmen (bei gfalfterbo, 
£rat)emünbe, £ibben3ö, S^curocrf ) unb ^Bezeichnung ber 
oft fd)tüterigen Hafeneinfahrten oerminberten. 2)ie 
nrid)tigften £iele ber fahrten waren bie großen 
hanfifdjen ^aufpfe (Kontore) in ©rügge, fionbon 
(©ta^l^of), bergen unb Sftorogorob, wohin bie hanftfchen 
Joggen burd) bie -iHewa, ben fiabogafee unb ben 
2öold)ow gelangten. $)iefe allein vermittelten ben*8erfehr 
Swtfdhen ben $eutfchen unb ben (Anwohnern be§£anbe§ 
unb waren nach beutfchem fechte unb unter ber Öeitung 
Sübecf 3 ftreng georbnete, zuweilen, namentlich in SBergen, 
halb mönd)ifcr) lebenbe ©enoffenfd)aften, bie in S^oro* 
gorob au§ ben oorübergehenb fykx oerfehrenben $auf* 
leuten, in bergen unb ßonbon bagegen au§ feft ange* 
ftebelten ©üben beutfdjer §änbler unb §anbwerfer 
beftanben. Unb nrie bie großen Seemächte ftet£ auch 
bie £ochfeefifcheret befyerrfcrjt haben, fo brängten fldt) atl= 
]äc)rlic^ $wifd)en $af obi unb 3JMchaeli§ an bem jetjt oben 
©tranbe jwtfchen galfterbo unb ©fanör auf Schonen 
taufenbe oon gahr$eugen um bie „bitten/ in benen 
bamal§ bie ©eeftfdje, namentlich bie geringe, bie un* 
entbehrliche fjaftcnfpcife befonberS ber Seeftäbte, in 
Ungeheuern Waffen nach & cm 3r^nge eingefallen unb 
oerpatft mürben. 9ftd)t am wemgften biefer 2lu§beute 
ber 5ifd)erei oerbanften bie Dftfeeftäbte ihren rounberbar 
fdjnell erblühenben Reichtum. Söie ba§ alleS auf bie 
©täbte jurücfwtrfte, ba§ geigen noch heute, beffer al§ 
alle etma überlieferten 3 a hten, t& re tieftgen, ho<hö e? 
türmten Kirchen unb SRathäufer in imponterenber 
Steife. 

@o mar bie gewaltige beutfdje Nation, bie einft ©rnefoit* 
Italien beherrfcf)t unb ihr Banner auf ben Stauern t»on 
Serufalem aufgepflanzt hatte, tro£ ih*e* elenben SHeid)§* 
oerfaffung, bie fic lähmte, unb trofe ber ftänbifchen 
©egenfäfce, bie fte $erriffen, burd) bie unoerwüftliche 
Süchtigfeit ber einzelnen unb ber ©enoffenfehaften 



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288 



Tie lunbc3fiirft(i(f)'ftäbtifrf)c Seit 



bte nnrtfd)aftlicf)e unb melfad) aud) bic polittferje ©c^ 
bicterin be§ Horbens unb Dften§ geworben, unb nir= 
genb§ trat fic fo fyerrifd), ftofy unb geit»alttf)ättg auf 
roie l)ier, wo ftc fi$ sugletcrj at§ überlegne Äultur^ 
mad)t füllte. 



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9cr Verfall tor toutfdisn JßadifflfeUung 
im $flfen ani> fra* Sintern ter Esfrrm 
in Sirrin unir &*irfi 
1389 b\* 1517 

Bur 51t balb follten bie $)eutfchen fchmeralich cm* 
pftnben, baf? bie Stiftungen fleinerer Greife nie- 
mals bie Kraft einer organiflerten großen Nation er* 
fefcen fönnen. ©egen bie beutfche Kultur herrfdjaft 
erhob ftch bie SReaftion ber bejnmngnen, aümäf)* 
lieh reifenben Völler, im Söeften unb Dflen ftiegen 
neue geroaltige Kriegsmächte empor, im Snnern 
ging bie ftänbifche 3**fefcung weiter ihren ©ang, unb 
immer lauter erfdjoü ber SRuf nach einer Reform ber 
©erberbten Kirche unb nach einer ©tärfung ber SHeichS* 
gemalt. 

fiangfamer $og bie ©efatjr im Horben tyxatt, $ie Union 
mit unheimlicher ©dmelligfeit im Dften. Stom unju* Haimar 
friebnen fchroebifchen 21bel gerufen, überwältigte 
Margareta bei ftatföping am 24. ftebruar 1389 ben 
Sftecflenburger Wibrecht unb belagerte ba§ ^albbeutfd^e 
©tocfholm, ba§ ftch ^artnäcftg oerteibigte, $umal ba 
bie §anfeftäbte Kaperbriefe ausgaben, um bie be* 
brängte ©tabt mit Lebensmitteln $u oerforgen. 2lber 
bie t>erroognen ©efetlen, bie ba§ unternahmen, bie 
„SMtaltaner," mürben allmählich, nachbem 1395 ein 

£cr aBcrbcgang beS bcutfdjen JöolfeS I 19 



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200 



$te ranbeSfärftlttWtäbttföe 3eit 



breijcthriger SöaffenftiUftanb ben Slampf um ©tocfholm 
becnbigt hatte, ju einer furchtbaren ©eeräuberbanbe: 
fte plünberten 1392 2Kalmö unb SBergen, nahmen 1394 
Sötöbu, unb festen, oon bort burd) ben beutfdjen Drben 
oertrieben, ityx Unroefen in ber Sftorbfee fort, bis it>re 
berüchtigten ftührer ftlauS ©törtebefer unb ©öbefe 
9flichelfon im ftrühjahr 1402 bei Sfteuwer! oon ben 
Hamburgern überwältigt unb mit ihren ©piefjgef eilen 
Eingerichtet mürben. 3namifd)cn hatten fleh $)änemarf, 
Norwegen unb ©chroeben, nunmehr unter Margareta 
geeinigt, in ber Union oon Palmar am 13. 3uni 1397 
ju ©chufc unb Srufc gegen jeben auswärtigen ftetnb 
oerbünbet unb ©rieh von Bommern, ben ©rofmeffen 
ber Königin, al§ ihren Nachfolger anerfannt. Shnt 
übergaben bie §anfeftäbte im ©eptember 1398 ©toef* 
holm, toofür fie 1399 bie 93eftätigung ihrer spriotlegien 
erhielten. Unb boch mar bie Union ber Anfang oom 
@nbe für bie Dbmacht ber Dfterlinge in ben norbifchen 
Neichen, nur ba& fid) wirtfehaftliche Umtoanblungen 
Iangfamer ooüjiehen al§ politifche. 

Um fo rafchcr brach bie Stacht beS beutfehen 
DrbenS ^ufammen. 3)ie SBermählung be§ ©ro&fürften 
SagieOo (Sölabujlaw) von Sitauen mit ©ebroig, ber 
(Srbin ®önig ftaftmir§ be§ ©rofjen oon $olen (ge* 
ftorben 1370), im ftebruar 1386 hatte beibe JHeiche unter 
einer Jerone oereinigt unb zugleich ben Übertritt ber 
Litauer jum ©hriftentum herbeigeführt. $)amit mar 
nicht nur bie Stellung be§ Orben§ in ben ftüftenlanben 
beiber deiche auf 3 äu&erfte bebroht, fonbem auch We 
©runblage feiner ©£tften$, bie ^flicht be§ ftampfeS 
gegen bie §eibenfchaft, ihm unter ben 3rüf?en roegge^ 
jogen. ®a§ roirfte oerhcingmäooH auf ihn felber unb 
f einefidnber §urücf, benn bie f charfe ftttltche Slnfpannung, 
bie er x>on feinen ©liebern oerlangte, liefe fleh jetjt um 
fo weniger mehr behaupten, al§ ber [Reichtum unb bie 
brülle biefeS folonialen ßebenS fte längft gelocfcrt hatten, 



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£cr «öerfall ber bcutj^en Wadjtftellimg im Cften 



2<J1 



unb ben Untertanen be§ DrbenS, bem ftofyen Sanb* 
abel unb ben reiben mächtigen ©täbten, cor allem 
<Preu&en3, erfdjien e§ immer unerträglicher, o^ne jeben 
©influf* auf bie Ceitung be§ 8anbe§, einer geiftlicrjen 
©enoffenfcfjaft blinb $u gef)orct)en, au§ ber mit bem 
3n>ecf aud) ber alte ©eift entroid). ©d)on bilbete 
bie t>albpolnifd)e $itterfd)aft be§ Kulmerlanbeä ben 
„©ibedtfenbunb," unb bie ©täbte blicften neibifd) auf 
ben blü^enben (Sigenfjanbel be§ DrbenS. Erofebem 
entriß biefer ben Litauern nod) ©amogüien, ba§ 
3nrifcr)enlanb jnrifcrjen Greußen unb Kurlanb, unb er- 
warb 1402 von bem oerfommenben lu^emburgifdjen 
§aufe bie Heumar!, fd)ob alfo feine 2ftad)t toefttnärtS 
bis über bie Ober oor. (S§ mar bie größte 2lu§bef)nung 
feine§ ©ebiet§, bie ifym belieben mar. 

$)od) ber ©treit um einige Bürgen in ber Heumar! ©tfia^t 
führte rafct) ben f&xndj mit Sßoten* Litauen ^erbei, Mannen, 
unb am 15. guli 1410 fiel auf ber §etbe oon Sannen* un ^ r r ö iebc 
berg bei ©ilgenburg bie ©ntfdjeibung über unfern t>on sfrora 
Often. 3fa mörberifcrjem Kampfe erlag ba8 Orben§^eer 
be§ $oct)meifter§ Ulrid) von Q[ungingen ber flannfcfjen 
Übermalt, bie burd) tfdjedjtfdje ©ölbner unb tatarifd)e 
Raufen nod) oerftärft mar; ber #od)meifter felber fiel, 
von ben Komturen entfam nur einer. 9htr bie Ber* 
fäumm§ be§ ^olenfönigS, ber in ro^er Völlerei unb 
mit $inrid)tung t>ornef)mer ©efangnen f oftbare Sage 
oergeubete, gab bem tapfern Komtur t>on Sdjroetj, 
©einriß SReufc t>on flauen, bie 9Köglid)f eit , ba§ 
„|>auptl)aug" be§ DrbenS, bie aJtarienburg, $u retten, 
roäbrenb fonft faft ba§ gan$e 8anb fdn'mpflid) bem 
©ieger tjulbigte. SRad) ad)tn>öcr)iger Belagerung oer* 
jroeifelte ber s $olenföntg baran, bie ftefte ju bedingen, 
unb gemährte enblid> ju Anfang be§ SafJreS 1411 ben 
^rieben r»on %f)oxn gegen Abtretung oon ©amogitien 
unb ein fcr)roere§ ßöfegelb für bie ©efangnen. 9lad) 
SBerbienft jum §odjmeifter gef oren, oerlief) ^einricr) 1412 

19* 



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292 



Sic tanbe§ffirfUicMtäbtifc$e 3ett 



bcm ßanbe mit ber Einrichtung beS „SanbratS" eine 
ftänbtfche Söerfaffung; aber fo unoermetblich bieS rvax, 
er hatte bamü baS ©runbgefefc beS DrbenS gebrochen 
unb tourbe baher fdjon im Dftober 1413 fd^impflict) 
auS bem Amte geftofjen. 2)amit erweiterte ftch bie 
unheiloode ftluft snrifdjen bem Sanbe unb bem Drben, 
unb beffen alte ©röfse fcrjroanb bahin, toetl er fid) un* 
fähig acigte, feine SBerfaffung umjugeftalten, wie eS bie 
3eit verlangte. 

pt $enoetlen ftieg im ©üboften ber furchtbare Krieger* 
lürIcn ftaat ber oSmantfchen dürfen herauf. Stach *>er *ßer* 
nichtung beS ferbtfchen SReichS in ber ©flacht auf 
bem Amfelfelbe am 27. Sunt 1389 ftanb ©ultan 
Sajefib ber „93litj" an ber ©übgrenje Ungarns, unb 
am 28. September 1396 erfocht er bei SftifopoltS an 
ber $onau über ein ungarifch = beutfch*fran$öfifcheS 
®reu$heer unter König ©igtSmunb einen glänjenben 
©ieg, beffen Ausbeutung nur bie Annäherung ber 
Mongolen oerhinberte. 
^ntfefeunö Snjtoifchen mar baS beutfche Königtum unter 
»ufit! SBenjelS immer mürbeloferer ^erfönlichfeit gerabeju in 
%S Verachtung gefunfen. gür bie Iujemburgifchen Snter* 
effen gab er bie beS DieicheS preis. Um bie AuSfichten 
ber Habsburger auf Polen (f. ®. 264) ju burchlreujen, 
hatte er bie oerhängniSooIIe Söafjl SagieüoS begünftigt, 
um feinem 93ruber ©igiSmunb jur ungarifchen Krone 
au oerhelfen, jebe entfchiebne Parteinahme in ber 
heillofen Ktrchenfpaltung feit 1378 oermieben; enb= 
lieh warf man ihm oor, bafj er burch bie ©rhebung 
beS ©aleajjo Visconti $um ©erjog oon äftailanb 
1395 bie fechte beS Geichs gefchäbigt habe. (So 
traten fchüe&lich bie Kurfürften nrieber als Präger 
beS Geichs auf, erflärten in ihrer SUcehrjaW am 
20. Auguft 1400 Söenjel als einen „unnüfcen unb oer* 
fäumlichen ©ntglieberer beS heiligen römifchen SReichS" 
beS Königtums für entfefet unb wählten an feiner ©tatt 



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2>er Söerfatl ber beutfd&en gttad&tfteHuna im Cften 293 



ben <PfaIagrafen Ütupred)t (1400 bi§ 1410). $od) ber 
perfönttcf) roadre §err fanb überhaupt nur im ©üb* 
toeften eine 2lrt oon SInerfennung, unb er oerlor aud) 
ba§ wenige, toa§ er oon 9Infef>en fyatte, atö fein mit 
ganj ungenügenben Gräften unternommner Berfucf), 
2ftailanb aurüdaugeroinnen, im Oftober 1401 oor Breicia 
fläglid) gevettert mar. ©cfylte&lid) braute ©r^bifdjof 
Sodann von 9Jtoins, *fo« *>er geroiffenlofeften dürften 
biefer 3eit, snrifdjen füb* unb toeftbeutfäen dürften unb 
©täbten 1405 ben Barbadier Bunb $um ©cfmfce ifcrer 
„tjreifjeiten" gegen ben $önig $uftanbe. Unb nod) 
immer §atte Söenjel eine Partei im föeidje. 2)a ftarb 
9htpred)t am 18. Wlai 1410. 9iun mäf)lte bie 9Jtef)r* 
J>cit ber ßurfürften ben ganj un^uoerläffigen Soft oon 
9Käf)ren, ^fafy unb Srier aber ben Ungarnfönig 
«SigiSmunb. 3um ©Iücf ftarb Soft fdjon am 17. Sa* 
nuar 1411, unb bie biplomattfdje ©emanbt^eit be§ 
Burggrafen grtebrid) VI. oon Dürnberg beftimmte bie 
Äurfürften jur 3lnerfennung ftönig SigiSmunbS, roofür 
biefer am 7. $uli 1411 bem £>of)enäoflern bie Ber* 
toaltung feiner Wlaxl Branbenburg übertrug. $a Söenjel 
feine 9lnfprüd)e nicfyt roeiter betonte, fo fyatte enblid) 
bie beutfdje ftönigSnritrbe mieber einen allgemein an* 
erfannten Vertreter, toenngleid) einen falben 5Iu§* 
länber. 

@§ mar toteber ein Siugenblitf, roo bie ftirdje ntd)t $ C r 
minber al§ ba§ <Hei$ bie frdftige $anb eine§ ®aifet§ 
erfeljnte. (Seit ber Oiüdfefyr ber ®urte oon 9loignon nad) Ät*# c 
SRom 1378, bie ba8 „babnlonifd)e @rU" be§ ^apfttumä 
beenbete, unb feit ber fid) baran fd)liefjenben Goppel* 
roat)t ^atte ber®tuf)l s #etrt $toet $n!)aber, jebenmit einem 
Siemttd) feften Greife oon Säubern, too er anerfannt mar. 
S)em römifdjen ^apfte geF)ord)ten Statten, (Sngtanb unb 
3)eutfd)Ianb mit bem Often, bem aoignoneftfdjen ba3 
übrige romantfdje 2lbenblanb. §atte nun fcfyon oor 
1378 ber #of oon Sloignon feine finanziellen 9lnfprüd)e 



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294 3to lanbeSfürfiltcfKtäbtifdje 3ctt 



roefentlich t)öf)er gefpannt, ba bie italtenifchen (Sin- 
fünfte oft oerfagten, fo fliegen fte nach ber &irct)en= 
fpaltung in§ Ungemeffene. ßag e§ bod) nahe genug, 
bie beanfprucr)te Slllgeroalt be3 ^apfttumS auch auf ben 
SBeftö be§ unermeßlichen ßirchenoermögen§ au^ubehnen. 
SBegünftigt nmrbe bie§ baburef), baß bie naturaltoirt* 
fchaftltchen ©emeintotrtfehaften namentlich ber Stifter 
bamalS allgemein in eine Slnjahl einzelner ^frünben 
aufgelöft worben waren, bie nun ohne IHücfftc^t auf 
bie 3uge^örigfeit be§ @mpfönger§ oft in größerer 5ln= 
jabl an einen einzelnen oergeben würben. $)ie $8er* 
leihung btefer ^ßfrünben nrie ber fyotyn &ircr)enämter 
an ftd) in reißen unb barauS buret) fcfjamlofe Sünonte 
©elb ju fctjlagen, toar ba§ ganje SBeftreben ber Shirie. 
Unb ba fte fich fein ©eroiffen barau§ machte, auch 
^irchenftrafen gegen eine ©elbjahlung $u frommen 
gtoeefen ju erlaffen (9lblaß), fo tourbe nicht nur bie 
®urte ju einem großen 93anff)au3 enttoürbigt, fonbern 
auch ade regelmäßige SBertoaltung ber JRirche zerrüttet 
unb ba§ religiöfe Seben ber Saien oergiftet. S)a ging 
nun ber SRuf nach „Reform ber Kirche an $>aupt unb 
©liebern" nicht oon ber oerberbten Hierarchie, fonbern 
oon ben großen fcholaftifchen Unioerfttaten 9öefteuropa§ 
au§, unb ba e8 eine Autorität, bie bem Unfug eineä 
boppelten ^apfttumä f>ätte fteuern fönnen, bei bem 
3erfall ber ftaifergeioalt nicht gab, fo fam man auf 
bie fonjiliaren ©ebanfen be3 oierjehnten 3abrf)unbert3 
Surücf. @in ®on$il al§ bie fouoeröne Vertretung ber 
Kirche foHte alfo ben Streit flüchten unb bie Kirche 
reformieren. $)och ba§ in ^ßifa 1409 oerfammelte »er* 
fchlimmerte nur noch bie Spaltung, benn e8 mählte 
2lle;ianber V., ohne bie beiben anbern oon ihm entfetten 
^äpfte aur Slbbanfung anfingen ju fönnen, unb in* 
jroifchen begann in ben Siefen be3 mißhanbelten niebem 
®leru§ eine gan$ anbre, eine rabifale SReformberoegung. 
mlu\ Sie beruhte auf ber oft oerbunfelten, aber niemals 



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$er 2)erfafl bct beutfäen 2na<$tfteflung im Cften 295 

ganj oergeffenen eoangelifdjen ©runblage ber ßirdje 
unb auf bcr aRgftif, beren 3ie( bie unmittelbare @e* 
meinfetjaft $u>ifctjen ©ott unb bem 2ftenfd)en war. $ie 
prafttfdjen Folgerungen barauS 50g bamalS $unäd)ft 
Sofcn SBMclif in Drjorb, $u einer 3*ü> roo ftd) unter 
ber ruljmoollen Regierung (SbroarbS III. ba§ lange unter- 
brütfte angelfädtfifcrje Söefen roieber fraftooll gegen 
ba§ herrf<$enbe franaöpfc^'normannifc^e ©lement erfy ob 
mit bem aud) bie Qbeen von ber 9lllgen>alt be§ ^apfttumS 
in§ fianb gefommen waren. äöiclif oertoarf bie «Sieben* 
jaf>l ber ©aframente unb bie $8rotoenoanblung§lef)re, 
alfo bie 2JtittlerftelIung ber ©eiftli$feit mit allen ihren 
Folgerungen ; er fah bie ßtrdje nicht in th*, | onbern in 
ber ©emeinfehaft ber ©laubigen, beren £>aupt ©hrtftuS 
fei, nidt)t ber ?a»ft, unb nahm beS^alb für fie aud) bie 
Verfügung über ba§ ßircfjengut in 9lnfprucf), für ben 
(Staat aber bie Unabhängigkeit oon ber Kirche. $8on 
ben päpftlichen $Berbammung§urteilen nicht erreicht, 
ftarb Söiclif 1384 frieblich auf feiner Pfarre; aber mehr 
al§ in (Snglanb rotrfte feine jugleid) eoangelifdje unb 
oottStümltche, in ber *8olf§fprache oorgetragne Sehre 
in ^Böhmen, junäcrjft an ber Unioerfttät Sßrag, bie mit 
Drjorb in befonberS engen ^Beziehungen ftanb. 

$ier würbe fte oon jroei ©elehrten tfcr)cdt>if(ät>cn Cannes 
Stammes aufgenommen, oon ©terongmuS, einem Spanne ^ u8 
au§ alttfc^ecr>ifdcjem $Ibel, unb bem 93auernfof)ne 3o* 
hanneS §ug au§ £mfineä bei ^ßrad)atft> (geboren um 
1360), ohne felbftänbige SBeiterbilbung, aber mit einer 
tfcrjecr)ifd)snationalen SBenbung, bie längft oor^anbnen 
nationalen unb fojialen Strömungen im flanschen *8oIf§< 
reben SBöhmenS entgegenkam. Denn mit £aj? unb 9ieib 
far) ber flatoifche 9lbel auf bie blühenben beutfehen Stabt* 
gemeinben, bie befte ©tütje be§ Königtum?, ber mifc 
hanbelte tfchechifcf)* 93auer auf ben mel günftiger ge* 
fteflten beutfehen, bie fehlest befolbete, mangelhaft ge* 
bilbete niebre ©eiftlid^feit auf bie fdjtoelgenben unb 



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296 Sie IanbeSffirftltcMtäbtifd&e 3eit 

nid)t§thuenben Prälaten. SBelchen ©inbrucf mu&te e§ 
ba nun machen, wenn §u3, feit 1402 s ßrebtger an ber 
93etJ)Ief)em§f apeüe bei Sßrag, bie fiehren SBtclifS oer* 
fünbigte unb zugleich bic ^fdjedjen al§ „bie ©ohne be§ 
Geichs," bie 3)eutfchen al§ ©inbringünge bezeichnete! 
®ie Unioer fltät ^Srag, von beren oter „Nationen" 
(ßanbSmannfchaften)brei, bie bagrifdje, bie fächfifch* unb 
bie polnifdje, beutfd) waren, oertoarf begreifltchertoeife 
bie ©ätje SBiclifS; aber §u§ erfocht ben erften Sieg ba* 
burd), bafc Slönig 2öen$el, gegen beffen Neutralität 
bei ber ßirchenfpaltung fich bie Unioerfttät gleich- 
falls ausgebrochen hatte, burdj ba§ S)efret von Hutten« 
berg am 18. Januar 1409 bie alte Sßerfaffung ber 
Unioerfttät umftürjte, inbem er ber böhmifchen Nation 
brei, ben anbern brei SanbSmannfchaften gufammen nur 
eine "Stimme zuteilte. 5)te alfo ben Stechen ausgelieferte 
Unioerfttät ^rag ©erliefen bie beutfcfjen Sßrofefforen 
unb ©tubenten, um nach ©rfurt &u gehen ober in 
Seipjig 1409 eine neue ftrengfirchlicfje §od)fchule ju 
begrünben, unb bie Söelthochfchule $arl§ IV. fanf ju 
einer tfchedjtfchen ßanbeSanftalt tyxafo. hinein ben 
ßampf, ben bie Unioerfttät hatte fallen laffen müffen, 
nahm alSbalb bie Hierarchie junächft in Söhnten auf. 
$)er (Srjbifchof oon $rag bannte $>uS, im Sahre 1411 
auch ber ^ßapft; bie ©tabt oerfiel bem ^nterbift. 
©chlie^lich tonnte auch Söenjel ben fühnen Sßrebiger 
nicht mehr halten; aber als §uS im $)e$ember 1412 
^ßrag oerlaffen mufjte, fanb er 3uflucht auf ben 
©chlöffern beS tfchechtfchen SIbelS unb oerbreitete nun 
feine £ef)re burch Söort unb ©djrift über baS ganje 
fianb. 

£a8 SerettS war feine ©ache ju einer national 
ft Don lt tfchechifchen geworben, als ftönig ©tgtSmunb, un* 
ftonftanj zweifelhaft ein leichtfertiger unjuoerläffiger §err ohne 
innere Söürbe, aber, wie bie meiften ßuremburger, be* 
gabt unb gut gebilbet, als Sßogt ber Kirche ^ßapft 



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$cr ÜöcrfaU bcr bcuttdjen «Dladjtfleitunfl im Cften 297 

Qofjann XXIII. in SHom beroog, für ba§ $ahr 1414 
ein allgemeine^ ®on$il nach ßonftanj, alfo auf beut? 
fdjen ©oben, $u berufen. @§ war bie glanjenbfte unb 
5ar)lreic^ftc Kirchen* unb g-ürftenoerfammlung, bie ba§ 
2KitteIalter jemals gefehen hat. ©ie hatte bie ßtrehen* 
fpaltung ju beenben, über gm§ §u entferjeiben, ber oom 
?apft an ein ®on$il appelliert hatte, bie Reform ber 
ßircfje burchaufetjen. $lbroeichenb von bem bisherigen 
brauche, aber bem ftärfer heroortretenben SBenm&tfein 
ber Nationen unb ber Saien entfprechenb, fonftituierte 
jid) ba§ ftonatl am 7. gebruar 1415 in fünf Nationen 
als gefchloffenen Körper f haften, beren jebe eine ©timme 
führte, unb behnte ba§ 3lbfttmmung§recht auf bie gra* 
buterten (promooterten) (Mehrten au§. 3nbem fomit 
ba§ fonft unoermeiblidje Übergewicht ber unoerhültniS* 
mäfng zahlreichen metft päpftlidj gefinnten italienifchen 
SBtfchöfe aufgehoben nmrbe, »erfügte baS Äon^il 
al3 fouceräne ©eroalt ber ^ircfje am 29. SJtoi bie 
(Sntfetjung Johanns XX1I1., beroog ©regor XII. in 
SImgnon am 4. $uli gur ©ntfagung unb behanbelte 
SBenebift XIII., ber nur in Spanien Anhang hatte, 
junächft nicht als $apft, bi§ e§ enbltch am 26. guli 
1417 auch feine förmliche Slbfe^ung auSfprad). ffllefyx 
al§ jroei Qahre burcr) mar bie abenblänbifche Kirche 
o^ne anerfannteS Oberhaupt, it)rc Seitung lag in ben 
§änben be§ ÄonjUg. 

9Joch blieb bie§ einträchtig bei bem Verfahren urte« 
gegen £u§, ber am 3. Sftooember 1414 unter freiem 
faiferlichem ©eleit in ^onftanj anfam, aber txofy ®£^f 
bem tur$ barnad) verhaftet rourbe, ohne bafj ©igtSmunb 
etroa§ gegen bie SSerletjung feine§ $8erfpredhen§ 
gethan t)ättc. $a §u§ ben geforberten SSiber* 
ruf feiner ßefcerelen nur bann leiften ju wollen 
erklärte, wenn er au§ ber heiligen ©chrift ober mit 
Söernunftgrünben roiberlegt werbe, alfo felbft bie $luto= 
rttät be§ ®onjtl£ in ©laubenSfachen nicht mehr an? 



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298 SWe lanbeSfürfmdWtabtifäe Seit 



erfannte, fo verurteilte ihn bie§ am 6. Suli 1415 jum 
geuertobe be§ ftefcerg unb liefe ihn an bemfelben Sage 
nerbrennen. 5ln berfelben ©teile enbete am 30. 2ftai 
1416 fein grreunb §ieronumu§ von ^rag. $lber alS nun 
bie pofittoen fragen ber ftirchenreform an bie ©er* 
fammlung herantraten, ba fpaltete fte fidt). 3>ie roma» 
ntfehen Nationen beftanben auf ber 3Öaf)l etneg SßapfteS 
cor ber Reform, bie germantfd)en auf ber Reform cor 
ber SÖafjl, unb biefe gaben enblich nur unter ber 28e? 
bingung nach, bafj ber fünftige ^Papft boJ ßon$il 
nicht cor bem 2lbfchluf} ber Reform auflöfen bürfe 
unb !ünftig aller jehn 3ahre ein Äonjil berufen werbe, 
©o nmrbe am 11. STCooember 1417 ber ßarbinal Otto 
von ©olonna aO SWarttn V. erwählt. %tx aber raupte 
getieft bie fet)r oerfchiebne Stellung be§ SßapfttumS 
&u ben einzelnen Stationen ju benüfcen, um ftch burd) 
Sonberoerträge (Äonforbate) mit jeber einzelnen abju- 
ftnben, inbem er überall eine ©rmä&igung ber päpft- 
Hdjen Steuerforberungen unb (£rnennung§rechte $uge= 
ftanb, jebod) immer nur auf fünf Sahre. 3lm 22. 3lpril 
1418 hielt ba§ ftonjil feine lefcte Sifcung. 
xer ^ufft- Die ßirdjenreform war nur fcheinbar gelungen, 
ti8mud unb bie $uffttife$e äefcerei, bie man erftieft ju haben 
meinte, flammte hoch empor an bem geuer ber 
Scheiterhaufen von Äonftanj. Schon im September 
1415 fprad) ftch ein großer ^eil be3 tfchedjtfchen 
2lbel§ für $u§ auS unb bilbete auf fech§ Safyxt einen 
§errenbunb für bie Freiheit ber Kirche unb 9lner* 
fennung ber bifchöf liefen ©eraalt, foraeit fte mit ber 
heiligen Schrift übereinftimme, unb erfannte bie 
Untoerfttät $rag al§ höchfte Autorität in ©laubenS* 
fachen. Snbem biefe fobann nach ber fiehre be3 3afob 
Don 3ftie3 ba§ Slbenbmahl unter beiberlei ©eftalt 
(sab utraque specie) für oerbinblich erflctrte, gab e8 
ber neuen ^irchengemeinfehaft ein ftchtbareS, colfStüm* 
lidjeS Snmbol. Obwohl fich nun fdran am 1. Oftober 



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2>er Söerfatt ber bcutfd&cn 3flac$tfteflun{i im Often 299 



ein beutfd)-fatbolifcber £errenbunb bübete, unb obroobl 
ba§ fraget $)omfapitel ba§ ^ntcrbift über bie §aupfc= 
ftabt oerfjängte, f o ergriff bod) bie ©eroegung, von König 
2öen$el burd) Untptigfeit gebetft, rafd) aud) bie Staffen 
be3 tfdjedjtfdjen Sanbt>otf§ unb Kleinbürgertums unb 
nabm in ben großen S8oIf§oerfammlungen $ur fteter 
be§ 2lbenbmabl§ in brüberlicfyer Siebe unb eintragt 
aller ©tänbe (fo auf bem „$abor" an ber öufdjnhj 
am 22. $vlU 1419) einen fcbroärmerifd)srabttalen ©ba* 
ratter an. $ll§ enblid) König Söenjel erfdjrorfen ein? 
len!te unb bie ^rager Kirnen ber neuen ©lauben§* 
genoffenfd)aft gu entheben befahl, aud) einen altgläu* 
bigen diat in ber ^rager Sfteuftabt einfette, ba {türmten 
am 30. Suli 1419 fanatifierte 93olf§baufen ba§ SRaU 
bau§ unb ftürjten bie neuen dtatfyzxxtn &um ftenfter 
binaug. Unter bem ©inbrucf be§ fcbrecflicben (Sreig- 
niffeä oerfd)ieb Söenjel am 16. Sluguft auf ©d)lofc 
Kunbratifc, in ^ßrag aber würben nun Kirnen unb 
Klöfter oerroüftet, ©eiftlidje unb 2flönd)e erf erlagen 
ober ©erjagt. 3n fanatifdjem s Jiabtfali3mu8 wollten 
biefe „$aboriten" t>on ibrer 1420 neugegrünbeten 
£>auptftabt Stabor au§ Staat unb ©efeüfdjaft be§ 
„beiligen" tfd)ed)tfd)en $8oIfe§ umformen in eine t^eo- 
(ratifebe ©enoffenfetjaft auf „btblifeber," alfo in 
biefem fJaCfe fommuntftifd)er ©runblage; bie „Sßrager" 
ober Utraquiften (©alirtfner), b. f). ber 2lbel unb bie 
Unioerfität erftrebten nur bie Reform ber Kirche in 
national^tfd^e^ifcbem ©inne. 

SUlit biefer immerbin gemäßigten Partei märe KuStcu* 
nun ein SluSgletd) n>or)t mögüd) geroefen, aber ©igi§* Kumten, 
munb, SÖenjelg bitter gebauter 9tad)f olger in 93öbmen, fric9§ 
n>ie§ nid)t nur ibre SBebingungen fur$ft<$tig jurürt, 
fonbem liefe au$ am 17. HHärj 1420 in 93re3lau 
bie päpftltdje ftreuftugSbuUe gegen bie fet>erifd)en 
JBöbmen tierfünben. $amit eröffnete [er ben greuel- 
oollften SReligionS* unb SRaffenfrieg. $>enn roäbrenb 



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300 



S)ie lanbe§fürftltcMtäbtifd&e Seit 



bcr fatfjolifche $errenbunb in ^tlfen unb anbcm 
föniglichen (beutfchen) ©täbten feine ©tilgen fanb, 
fünbigte jefct auch ber utraquiftifd) * tfdjecfnfche Abel 
bem ftönig ben ©ehorfam auf, bie tfd)e<$ifd)en Staffen 
oerjagten bie beutfchen au§ ^?rag, nahmen ihre ©üter 
in SBcfift unb ftürmten allerorten im Sanbe bie Kirchen 
unb ßlöfter. Dirne il)re SBefonberheiten aufzugeben, 
einigten ftch bann bie beiben huffitifchen Parteien auf 
bem £fd)a§lauer Sanbtage im %VLm 1421 in ben „^ßrager 
Artikeln" über bie ben beiben Dichtungen gemeinfamen 
£auptpunfte (freie ^rebigt be§ göttlichen Sorten Abenb* 
mahl unter beiberlei ©eftalt, ©injieljung be§ ®ircf)engut§, 
ftrenge 93eftrafung ber „$obfünben") unb traten nach 
aufeen gefchloffen auf. 2) och bie friegerif che $auptfraft 
fteßten bie £aboriten in ihren fo gut nrie ftehenben 
„gelbheeren" (neben ben gelegentlichen „Aufgeboten" 
ihres Anhangs unb ber „^rager"), für bie ber ein* 
äugige Sodann 3i§fa (fprich <5djifcf)ta) oon fcrotfaV 
non), ein Sftenfd) „ofme fjur^t , ofme 83ilbung, ohne 
Erbarmen," bie neue mitttärifcfje Drbnung fdmf: 
ftatt be§ SRitterheereS ein SBauernfufjoolf mit ®refch* 
flegeln unb (Speeren im ©cfmfce feiner für üflarfd) unb 
©efecht gleich beweglichen „Wagenburgen." 
©ic crftcn 2)iefe feine3n>eg§ befonber§ zahlreichen §eere (aüe§ 
Äreit3äü fl e| n aßem etma 2B000 gft ann ) f^fagen fiegreich bie erften 

beutfchen ^reujheere ©igi§munb§ jurücf, am 14. $uli 
1420 am 3^berge oor Sßrag, am 1. Sftooember am 
gu&e be§ alten ßönig§fchloffe3 Sönfchehrab, ba§ nun 
völliger 3e*Prung oerftel. SKun fielen unter unfäg* 
liehen ©reuein bie meiften beutfchen 8täbte 93öhmen§ ben 
£aboriten in bie £>änbe. 9leue ©iege über neue ®reu$s 
heere folgten: am 2. Df tober 1421 bei ©aaj, am 8. 
nuar 1422 über ©igiSmunb bei $)eutfch=93rob; nur in 
9Mhren behauptete fi<h mit einigem ©rfolge be§ 
nig§ ©chwiegerfohn Wibrecht oon Dfterreich. 3ugleich 
fuchten unb fanben bie Sfchechen Anlehnung an bem 



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3)er öerfaü bcr beutfdjen gJlacijtfteaiing im Cften 301 



ftammoermanbten ^olen, von wo au§ ihnen bcr ^ßrin$ 
©igiämunb ßornbut im Wlai 1422 $u gilfe fam. Sluch 
ber £ob 3i§fa§ am 11. Df tober 1424 fpaltete jmar 
bic £aboriten, ba feine etfrigften Anhänger fich al§ 
bie „Söaifen" (©irotfi, Drphaniten) i&reS „SSaterS 
3igfa" oon ben roilbeften 9iabifalen abfonberten; aber 
bie güfjrer beiber, bie beiben ^rofop, ehemalige 
SJcönche, hielten feft $ufammen, eroberten bie beutfchen 
Stäbte am fju^e beS (£rjgebtrge§ , vernichteten in ber 
2Korbfcf)ladjt be3 16. $uni 1426 bei Muffig ein metfc 
ntfch s thüringifche3 §eer, ba§ $um (Sntfafce ber Ijartbe* 
brängten <5tabt heranaog, unb erftürmten biefe felbft. 93i§ 
auf geringe SRefte mar ba§ blühenbe beutfdje S3ürger= 
tum 58öhmen3 oerntchtet, feine ©täbte mürben gemalt* 
fam tfdjecfjifiert. Sftad) folgen (Erfolgen gemannen 
ooHenbS bie Dtabifaten ba§ Übergeroicf)t, unb nach 
ftorqbutg ^alb erjmungnem SRücftrttt 1427 trat ^ßrofop 
ber ©rofce an bie <Spi%c aller £uffiten. 

Sftun begannen entfefclich oerheerenbe $pitmberung§* SD« 
fahrten in bie üftacfjbarlanbe ringsum, nach ©chlefien, au&crjatl) 
ben Sauften, 9Jcei&en, «ogtlanb, Thüringen, «rauben* ®^ mn * 
bürg, bis jur Oftfee. Schimpflich offenbarte ftch bie Un* 
brauchbarfeit ber beutfchen Söehrfraft, bie immer erft au§ 
lauter Keinen felbftänbtgen Aufgeboten, SßafaUenfchaften 
ober ©ölbnerhaufen &ufammengefefct roerben mu&te. 
3)aS platte Sanb mar regelmäßig nicht gu haften, nur 
bie feften ©täbte oerteibigten fich meift mit (Srfolg; 
aber bie mühfam $ufammengebrachten großen Sfreua* 
heere michen immer nrieber ohne ernften ßampf oor 
ben oiel fchroächeren Oufftten, am 3. Auguft 1427 bei 
2Rie§, am 14. Auguft 1430 bei £auf$. Smmer mieber 
ergoffen fich baher bie tfchechifchen Diaubfcfjaren über 
bie ©renjen unb erreichten 1433 bei Stonjig fogar bie 
Dftfee. 3öie ein tobenber, oerheerenbe ßaoaftröme 
auSfenbenber Söulfan lag bie§ Böhmen fynUx feinem 
«ergringe. 



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302 



Sil Tanbe§ftirftli(Mtäbtif<$e Seit 



i T ei*mii ® a aDe kiegerifd)«! SDWttÄ t>erfagten, fo blieb 
aC bem nur ber ftrchliche $lu§gleich burd) ein 8on$tl, unb 
* »afet° n n>irflic^ rang ©igiSmunb SWartin V. bic Berufung 
eine§ folgen für 1431 nach Safel ab, fo abgeneigt auch 
biefer wie fein Nachfolger ©ugen IV. (1431 bi§ 1437) ber 
Serfammlung lange gegenüberftanb. 3™** mißlangen 
bie Serfjanblungen mit Sßrofop bem ©rofcen unb 
feinen £abortten, bie im Januar 1433 felbft in Safel 
einritten; boch gelang e§ mit ben gemäßigten Prägern 
auf ©runb ber „Präger ßompaftaten," b. h- ber etma§ 
abgefchwädjten ^rager Slrttf el, am 30. Sftooember einen 
oorläufigen 2(bfchluf$ $u erreichen, darüber fam e§ 
Swifchen ben huffttifchen Parteien §um offnen Kampfe. 
3n ber furchtbaren Schlacht bei $8öhmifch=93rob unb 
Sipan am 30. Wlai 1434, wo oon 18000 Stabortten 
unb 2Baifen 13000 auf bem ^lafce blieben, ging ba3 
rabifale friegerifdje $uffitentum ju ©runbe. S)ie 
SRefte ber SBaifen fc^loffen fid) ben Prägern an, bie 
&aboriten blieben fortan auf £abor befchräntt. 
eraebnis 9hm nahm auc^ ber bötjimfdje ßanbtag im ©ep* 
Quinten» * emocr 1435 ^ompaftaten an unb wählte einen 
fcfiSl Utraquiften, Johann SKofnaana, jum ©rabifchof oon 
$rag, ba§ ßonjil aber hob 1436 ben Sann über bie 
huffitifchen Söhnten auf unb erfannte fte al§ treue 
@öhne ber Kirche an. $>ie SöieberherfteHung ©igiSs 
munb§ gegen ©emährung einer SImneftte unb 5lner* 
fennung ber neuen Drbnung ootlenbete ben Ausgleich, 
aber über Ruinen. S)enn bie beutfehe Kultur SöhmenS 
mar fo gut wie oernichtet, ba§ Sanb faft oöllig 
tfchechipert unb ber §errfchaft eine§ $lbel§ unter* 
worfen, ber, ba ihm bie beutfdjen ©täbte fein ©egen- 
gewicht mehr boten, feine Säuern in rechtlofe Öeib= 
eigenfehaft nieberbrüefte unb bem Königtum balb 
über ben Slopf wud)3. Sange 3eit ba§ föauptlanb be§ 
SReid)§, ftanb jefct Söhnten wie eine barbarifche, ftamm* 
frembe unb fefcerifche 28elt ben $eutfd)en im deiche 



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£er 33erfaH ber beutfdjen SWad&tfteHung im Oftcn 303 



gegenüber. 9iur ein (Srgebnte f)at eine allgemeinere 
Bebeutung für bie 3ufunft gehabt: $um erftenmale 
fjatte ftrf) gegen SRom eine tl>atfäcf)lidf) fefcerifdje 8anbe§* 
ftrdje behauptet. — 3före 3lnerfennung blieb bie einzige 
pofttioe Seiftung be§ Basier ftonjilg. $enn fobalb e§ 
an bie Reformen, alfo an bie Befdjränlung ber päpft* 
liefen Befugniffe ging, geriet e§ in ©treit mit Otom. 
©nbltd) erflärte @ugen IV. im Suli 1437 ba§ Äonjit 
für aufgelöft unb berief ein neues fton^il nad) fter- 
rara. 3unäd)ft freiließ blieb bie §auptmaffe ber md)t $ 
ttattemfdjen Prälaten in Bafel, oer^ing am 24. Januar 
1438 bie ©ugpenfion über @ugen IV. unb fefcte bie 
Beratungen fort. 

3)od) in biefem 5lugenblicfe mar ba§ ßaifertum subred&t 
nid)t einmal mefyr burd) einen 2ftonard)en roie @tgi8* 11 
munb oertreten, ber am 9. Sejember 1437 geftorben 
mar. 2Htt il)tn erlofd) ba§ lujemburgifdje §au§, unb 
ju feinem -Iftadtf olger mürbe am 17. Sflärj 1438 fein 
©cfyroiegerfoljn 911 brecht II. oon Dfterretcfy geforen, ber 
bie faft tnerfjunbertjäfyrige 9teif>e ber fyabSburgtfdjen 
Äaifer eröffnete. Dbgletd) er oon ben feit 1379 ge= 
teilten Säubern feinet §aufe§ nur Dfterreidj bel>errfd)te, 
fo mar it)tn bod) traft jeneS ©rboertrageS oon 1364 
aud) Böhmen augefaflen unb als bem ©ematyl ber 
(Sltfabetf), ber £od)ter ®tgi§munb§, bie ungarifc^e 
ßrone. $lber eben biefe auswärtigen Bedienungen ent* 
frembeten ifm von Anfang an bem beutfd)en SKetc^e, 
um fo meljr, al§ bie £ürfengefal)r für Ungarn immer 
brofyenber mürbe. Dfyne aud) nur ©emenbria entfetten 
3U fönnen, ftarb er fdjon am 27. Oftober 1439 in 
©ran an ber Sagerfeudje, nacfybem er $)eutfd)lanb 
roäfjrenb feiner Regierung niemals betreten tyatte. 

@o blieb bie ftrageber 9ieid)§reform, bie biefurd)t* reform ; 
baren (Srlebniffe ber §uffttenfriege auf§ bringenbfte J$$$ n 
gefteHt Ratten, ebenfo unerlebigt roie bie ßirdjenreform. *»«itt 
gür jene roaren Borfd)läge, rote fte fdjon um 1433 ber ^apfltum 



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504 



Sit lanbegftivftlidMtäbtttöe 3rit 



fonfenmttoe ftarbtnal 9lifolau§ (SufanuS (8reb§ oon 
(£ue3 an ber 9Jlofel) unb gegen 1438 ber rabifale 
(Sdjwabe JJriebrid) Reifer vertraten, an ftd) burd)au§ 
ausführbar, benn fie beruhten auf ber nicfyt meljr $u 
erfdjüttemben bünbifcfyen ©runblage, forberten ftnam 
jtefle (Stärfung ber SRetd)3gewalt burd) eine SHetd)3* 
fteuer ober (Sinjtefmng von ßircfyengut, «Sicherung be§ 
SanbfriebenS burd) eine ®rei§einteilung, regelmäßige 
Berufung ber Otetcfystage mit Teilnahme ber 9teicf)S- 
ftäbte. Über eine ^reiSeinteilung würbe audf) wirflidj 
in Dürnberg 1438 von ben (Stäuben ©erljanbelt, aber 
$uftanbe fam nid)t§. $n ber ßirdjenreformfrage 
fc^lugen bie ßurfürften, bie berufnen Vertreter ber 
Nation, ba ber Äaifer außer 8anbe3 war, junädjft 
ben richtigen 3Beg ein. (Sie t>erpfltd)teten fid) im 
9Jiär$ 1438 jur Neutralität in bem (Streite jwifcfyen 
bem s $apfte unb bem ®on$il von 93afel unb überließen 
bie beutfcfye ^ird^e ber Verwaltung tyrer $8ifd)öfe, er- 
fannten aud) fpäter eine SReifje von SReformbefd&lüffen 
be3 S8a§ler Rott)iI3 an. @§ waren bie einleitenben 
(Schritte jur SBilbung einer beutfdjen SanbeSfirdje, wie 
fie batnatt in fjranfretdj burd) bie pragmatifdje (Sanf- 
tion oon 1438 wirHtd) begrünbet würbe. 2)od) ba3 
&on$il oerfperrte fid) felbft fdjließlidf) ben 2öeg ba$u, 
inbem e§, ftatt fid) wie gfrantreidj mit @ugen IV., bem 
ftd) bie au§tänbifd)en 8trd)en allmät)lid) faft burd)* 
weg jugewanbt fyatten, ju aerftänbigen, if)n am 
25. Suni 1439 förmlich entfette unb am 5. Sftooember 
2lmabeu§ oon (Saoonen al3 fjelij V. wählte, 
enbc bcs 2öo waren aber bie 2flad)t unb ber 2öille, bie %oU 
^onsiil; Ölungen au§ folgen SBefdjlüffen ju gießen? (Sicher* 

?on r Si?n Iic ^ nic3 &* bei * m am 2 - Slpnl 1440 ttyobntn Staifer 
""ftrtebrid) III. (1440 bi§ 1493), bem (Sofme ffirnft« 
be3 (Sifettten t>on 3nneröfterreid) (Dfterreidj, ©teier* 
mar!, Kärnten, 8rain, trieft), ©eifteäträge, ot)ne 
Sinn für perfönlidje unb nationale ©Ijre, fjatte er 



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2>cr S3crfatt ber beulen 2Jla$tftelluit8 im Cften 305 



nur eine fürftlidhe ©igenfchaft, bie 3ä^igfeit bie frei* 
lieh an fataliftifchen ©leidhmut gegen alle Söibermär* 
tigfeiten grenzte. Die nationale ®trd)enreform mar ihm 
fo gleichgtlttg, bafj er ftd) von feinem gemanbten ®e* 
hetmfchreiber, bem feinen, geiftoollen Italiener @nea 
Silmo ba ^iccolomim au§ Stena (bem fpätern ^apft 
*ßiu3 II.)/ gegen fie ftimmen liefj. 3n einem geheimen ©er* 
trage oom 9. gebruar 1446 oerpfltchtete er ftch, gegen 
(Einräumung gemiffer fachlicher fechte (nämlich für bie 
fed)3 an feinen (Erblanben beteiligten 93i3tümer ßanbi* 
baten vor jufchlagen, eine Slnaahl s £frünben einmalig &u 
befefcenunb bie ftloftertrifttatoren *u ernennen), benSBunb 
ber fturfürften, bie Stufte be393agler ßonailS, aufjulöfen. 
Durch ein hinterhältiges Doppelfpiel gelang bie3 fo 
mol)l/ bafc bie beutfchen gfürften nach bem £obe 
(SugenS IV. 1447 feinen Nachfolger Shfolaug V. an* 
erfannten. 9JKt biefem fchlofc bann ftriebrich III. am 
17. Februar 1448, ohne ba§ 9ieid& auch nur $u be* 
fragen, ba§ Sötener ^onforbat. @§ überlief bem ^apfte 
bie meiften SReferoationen (b. i. bie feiner 93efeftung 
unterliegenben^frünben)unb feftte bie 5Innaten(3ahre8* 
ein!ünfte eineS erlebigten 93i3tum§) feft. 9htr einzelne 
SanbeSfürften erraarben ähnliche fachliche 93efugniffe, 
nrie ftriebrich III. für feine (Erblanbe, nämlich bie geift* 
liehen fturfürften, Salzburg, Stleoe, Sachfen unb SBranben* 
bürg. So betritt ftd) bie lanbegfirchltche Schließung ber 
Territorien in ähnlicher 2öeife an nrie ihre polttifche 
Selbftänbigfeit. Sonft aber mar Deutfchlanb feitbem 
einer ärgern päpftltchen StuSbeutung überliefert, als 
jebe§ anbre Sanb (Europas. 

Äurj bamach löfte fich ba§ SBaSler 8on$il/ baS ©teo bes 
guleftt, weil ihm ber $aifer baS freie ©eleit entzogen * 
hatte, nach Saufanne übergeftebelt mar, förmlich auf 
(26. Slpril 1449). So ftegte baS ^apfttum über bie 
fongüiare SHeformbemegung, foroeit fie nicht burch eine 
ftarf e, gef chloffene Staatsgewalt unterftüfct mürbe, unb 

Xcv ^Jeibegang be$ beutfdjcn 83oIIc§ I 20 



806 



Sie Ianbc8fürftlid&.ftäbtif$c 3«t 



triumpljierenb faf) e3 im „Subeljahre" 1450 in hunbert* 
taufenbcn ©on pilgern bag ganje 2Ibenblanb $u feinen 
ftüfien. 3n 2)eutfd)lanb jumal bebeutete e3 fettbem 
weit meJ)t als ba§ ftatfertum, beffen entnuirbtgte 
förone griebrid) III. mit feiner ©emafjlin ©leonore oon 
Portugal am 19. 3ttär$ 1453 in SRom faft al§ ein päpft* 
ltd)e3 ©efc^em! empfing. 3)te3 ^apfttum aber, baS, 
feiner fyoljen Aufgabe uergeffenb, bie Reform vereitelt 
^atte, um feine ©infünfte mcf)t $u fdjmälem, verfiel 
alSbalb bem oerbienten ©efdjicf, ein SBerfyeug rein 
weltlicher ^ntereffen $u fein. Unb ba3 gefdjal) in bem* 
felben 9Iugenblicfe, wo bie Surfen ßonftantinopet er* 
oberten (29. 3Wai 1453) unb biefe neue furchtbare 
©rljebung be§ ftreitbaren 3§tam eine gemeinfame 2lb* 
mefjr be3 cfjriftlidjen ($uropa§ gebieterifd) forberte. 
?tufröfunfl S)ie 3 er f e ^ un 9 9tetcf)ggewaÜ buret) ©onber* 
bürgten gemalten, bie ben flägltchen StuSgang ber 8ird)en* 
ma$t reform auf beutfdt)em ©oben ganj befonberS üerfchul* 
bete, fanb il)r ©egenjtücf in ber Sluflöfung ber fcerri* 
torien burd) fürftlidt)e ©rbteilungen unb ftänbifdje 
©egenfä^e, alfo burd) ba3 fortgefe^te Überwuchern 
prioatredt)tlic^er 9Infchauungen unb perfönltcher %nter* 
effen. 9hcht $um wenigften bie ^ab§burgifc^en ©ebiete 
litten barunter, ^ahraelmtelang rang ftriebrtch IV. von 
%\xol mit bem „Sanbfdjabenbunbe," ben fein 3lbel juni 
©d)ut$e ber ftänbtfchen Sntereffen gegrünbet hatte (1407 
bi§ 1423). 3n 3nneröfterreid> entwtcfelten ftch befonberS 
mächtige Slbelggefchlechter, t>or allem bie ©rafen von 



7=3 




IS 





bie §ab§burger felbft, it)re SBefifcungen unb ^Beziehungen 
bis tief in bie fTawtfche unb ungarifche Sftachbarfchaft 
erftreeften. 3n Öfterreich wie in ©öfjmen unb Ungarn 
mar 2llbrecht3 II. nachgeborner (Sohn ßabiSlauS 
^oftumuS 1440 ber ©rbe be8 SöaterS geworben 
unter ber Eormunbfchaft Biebrichs III., aber bießanbeS* 
regierung in Dfterretch führte ein 2lbel3au3fd)ujj 



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$cr Verfall bcr beutfdjen Jülüd&tftcüung im Cften 307 

unter Ulrich (£natng, in Ungarn (feit 1446) ber „©über* 
nator" 3ot)anne§ £unnab, in Söhnten (feit 1452) ber 
£uffit ©eorg tum ^objebrab. @d)liefjlid) rifj ber 
gewalttätige unb e^rgei^ige ©raf Ulri* von ©iHt, 
ber ©emabl einer ferbifrfjen 3rürftentod)ter unb ber 
®d)n>ager ©ultan 2Hurab8 II., 1452 nid)t nur in Öfter* 
reid), fonbern aud) in Ungarn ba§ Regiment an fiel) 
unb »erbünbete fid) mit ©eorg von Sßobjebrab „jutn 
beften beS £önig§ ßabtelauS." Stuf bent ^reu^uge 
gum ©ntfafce be§ belagerten ©elgrab, ben 3o^anne§ 
gunnab am 23. 3uli 1456 glänjenb t>oflbrad)te, um 
Iura barnad) (11. Sluguft) $u fterben, fiel ©raf Ulricfy, ber 
lefcte feines $aufe£, auf ber iBurg von 93elgrab burd) 
£abi3lauS $unnab am 9. Sftooember, unb 3*i e & r i3> EI. 
jog feine ftemfd&en ©üter ein; aber ber jugenblidje 
SabiStauS ftarb am 23. SRosember 1457 eine« plöfc* 
lid&en $obe§. 2Mt il)m erlofd) ba§ $au§ 5llbredt>t§ IL, 
unb bie roeitüerjmetgte 2Jiad)t, bie er begrünbet Ijatte, 
fiel in 6tücfe. $)enn in Sööfnnen nrie in Ungarn fiegte 
bie beutfdtfeinblidje SHeaftton unb bie 2lbelgfretf)ett 
(Sibertät). $>ie Ungarn erhoben am 23. Januar 1458 
ben @ofm be3 unoergefmen 3of)anne§ |junnab, WlaU 
tljiaS ©oroinuS, jum ftönig, bie 93ö^men gegen ben 
entfdjiebnen Söiberfprud) ber beutfdjen ©täbte SWä^renS 
unb ®<f)leften§ am 3. 3ttär§ ©eorg t>on ^objebrab. 
9lur in Dfterreid) gelang e§ ftriebridj III. feine 9ln* 
erfennung burdflufefcen, aber milbe 9lnard)ie, abliefe 
Räuber unb $ud)tlofe (Sölbnet wetteiferten mit junger 
unb ©eueren im SBerberben ber unglürflidjen IßevbU 
ferung. 

$Iud) bie 2öittel3bad)er cerfanfen burd) neue «Bauern 
Teilungen in Df)nmad)t. darüber gingen 1438 bie 
nieberlänbiföen SBefifcungen (§oHanb, ©eelanb, §enne* 
gau) an Wltpp ben ©uten von SBurgunb verloren, 
unb in Sanem felbft erfüllte fiubmig ber bärtige von 
Sngolftabt (1413 bis 1447) trpfcig unb raufluftig ba§ 

20* 



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808 



Sie IanbeSfürfititMtäbtifäe Seit 



fianb fortroäljrenb mit gehben, big er 1443 enblich r>on 
feinem eignen, boshaften Sohne ßubrnig bem |jöcfrtgen 
in Sfteuburg gefangen genommen rourbe unb 1447 im 
Sterfer ftarb. Sein ©rbe fiel größtenteils an $einrich 
von ßanbShut, beffen Sohn Submig ber Deiche (1450 
bi§ 1499) enblich bem geplagten Sßolfe ben gruben 
$urücf gab unb für fid) eine geartete Stellung im Deiche 
erroarb, rote in $anern*9Jcund)en Wibrecht III. 
&iettfieiii* 2)aS $roeite Sanb ber SöittelSb acher, bie Dhein* 
lrtUbc pfala, hätte in biefem ^erfahrenen Söeften baS ftärffte 
ftürftentum fein fömten, namentlich nach ber Dücf* 
erroerbung eines £etlS ber luyemburgifch geroorbnen 
Dberpfaty, wenn nicht Ruprecht III. (Äönig 1400 btS 
1410) baS Sanb burch bie Teilung unter feine oier 
Söhne (ßurpfalj, ßroeibrücfen, ©immern, Jßelbena) für 
alle «3*iten jerfplittert hätte, dagegen vereinigten fich 
am Dieberrhein anfehntiche Territorien in ber £anb 
eines ©efchlechtS. 3unächft verbanb fich 1368 bie 
©raffchaft Stleve mit ber roeftfälifchen ©raffefjaft 3Jcarf 
unb erhielt 1407 ben ^erjogStitel. ©benfo hatte ©raf 
©erharb von Jülich mit ber £>anb Margarethas ba§ 
rechtSrheinifche SBerg unb Davensberg an ber Söefer 
erroorben, fein Solm Söilhelm II. gewann 1380 für 
SBerg ben ©ersogStitel, fein Oheim Söilhelm II. von 
Jülich als ©emahl äflariaS von ©elbern 1372 bieS 
anfehnliche ©ebiet. Dach bem SluSfterben ber jülichfchen 
£ergöge 1423 ging ihr ganger SBeftfc mit SluSnahme 
©elbernS, baS an bie hollänbifchen ©rafen von ©gmont 
fiel, an 93erg über, 
ßeffen, gm iveftlichen 2Hittelbeutfchlanb arbeitete ftd) 

Tapfen ^ermieb, $u einer anfehnlichen ©eltung empor. Sie 
ertvarb feit Heinrich II. bem ©iferoen (geftorben 
1377) ©chmalfalben aus bem Nachlaß ber fränfifchen 
©rafen von $enneberg, bie ©raffchaften 3iegenhain, 
Dibba unb Sfafcenellenbogen, bie Wogtet über bie ftlöfter 



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$er »erfnfl ber beutfd&en 9flad&tftet(Mtg im Dften £09 



^>cr§fctb unb ©oroen, bie £ef)n§f)of)ett über bie ©raf* 
fd^aft SBalbecf u. a. m. 9lod) bebeutenbereS errangen bie 
Söetttner trofc fortgetjenber Teilungen aunäcf>ft nament* 
IidE> im Seften auf Soften ber erblid) geroorbnen Steide 
oögte t)on flauen au§ bem §aufe (SHei&berg (föeufj) 
unb auS ber $ennebergifd)en @rbfd)aft (Coburg, £üb* 
burgfjaufen u. a. m.). *ßor allem aber gewann 5*ieb* 
rid) ber Streitbare (1381 bi§ 1428) bie fäc^ftfd&e ®ur 
mit bem ©eraogtum ©adtf en*2Bittenberg, bie if)tn ftaifer 
©igiSmunb nad) bem SluSfterben biefer ßinie ber 
Lanier mit 2Ubred)t III. at§ 8oIm für feine SHenfte 
im $>uffitenfriege am 6. Januar 1423 übertrug, unb 
ber SAarne ©adjfen verbreitete ftd) feitbem attmäfylid) 
über ba§ ttyüringifd) * fränfif^e ßoloniallanb an ber 
mittlem @Ibe, rodfjrenb er in feiner §eimat faft unter* 
ging, ftdebric^ ber Sanftmütige (1428 bi§ 1464) er* 
warb bie ©urggraff haften 9ttetf?en unb Ottenburg unb 
burd) bie *öermäf)lung feine§ jüngern ®ot)ne§ 511bred)t 
mit Sibonie (ßbenfa), ber Softer ©eorg ^ßobjebrab§ 
von 93öt)men 1464 (ber ©tammmutter be§ jefcigen 
fäd)fifd)en 8ömg§Ijaufeä), bie er$gebirgifd)e $errfd)aft 
Schwarzenberg unb erweiterte 1457 bie fädrftf dHefftfdje 
©rboerbrüberung von 1373 burcf) ben beitritt ber 
branbenburgif djen ^o^engodern. 5iber ernermitfelte fid) 
mit feinem unruhigen ©ruber 2öiU)elm trofc ber Teilung 
von 1445 in ben nerfjeerenben fäd)fifd)en ©ruberfrieg 
(1446/50), ben erft nad) ber barbarifdjen 3erftörung 
©era§ im Dftober 1450 burd) SöttyetmS jud)tlofe b'öty 
mifd)e Sölbner, bie QtbxaUn, ber ©ertrag twn Softer 
^forta bei Naumburg am 27. Januar 1451 abfcfytofj. 
©in von ber ^fjantafie be§ ©olfe3 ntel befyanbelteS 
9^od)fpieI be§ Krieges mar ber „^rinjenraub / bie 
©ntfütyrung ber ©öfme $riebrid)§, (Srnft unb 3Ubre$t, 
burd) ben unjufriebnen Dritter Äunj von Häufungen 
au§ bem Sdjloffe non 9tttenburg am 7. $uli 1455. 
(Sine fel)r unbequeme fjeffel mußten fid) bie Söettiner 



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310 



2>ie ranbegfflrftlicWtabtifäe 3eit 



baburct) auflegen, bafc fie im Vertrag von @ger am 
25. 9lprtl 1459 bie böl)mifcr)e 8er)n§f)or)eit über üjren 
Anteil am Söogtlanb unb fogar über metfsnifctje ©e* 
biete anerfannten, bie für bie meiften bi§ 1806 aufregt 
blieb. SBütjelmS finberlofer Zob 1482 braute alle 
roettinifcfjen Sanbe in bie §änbe ber feit 1464 gemein* 
fam r)errfd)enben SBrüber ©ruft unb 9Ubrecr)t, aber bie 
Seipjiger Teilung t>om 26. 9luguft 1485 jerrifj ben 
3ufammenf)ang biefeS anfer)nlict)en jufunftSreicfjen ©e* 
bietS für immer, ©mft erhielt aum ßurlanbe ©acfjfen* 
Sötttenberg ben größten Seil Düringens mit bem 
Sßogtlanbe unb bem ^ßleifmerlanbe, 5Ubrect)t ÜReijjen, 
ba§ Dfterlanb mit fietpjtg unb ba§ nörblidje £r)ü* 
ringen; aber gemeinfam blieben bie SBergftäote, bie 
Wogtet über ba§ 93i§tum attetjsen, über ©rfurt, 9torb* 
Raufen unb aflürjlfjaufen, unb wa§ ein SBanb ber 
<£tntrad)t fein follte, ba3 ift fpäter jum SInlafs eineS 
für ganj $>eutfcr)lanb oerr)angm§r>oUen 3mifte§ aroifcrjen 
©rneftinern unb Sllbertinern geworben, 
^ttem tn Sö^^renb im alten Sftieberfadjfen bei ber fortge* 
IScaitbcst» festen fhmlofen 3erfplitterung be§ roelftfcrjen S3e- 
burfl fifceS feit ber Teilung oon 1267 eine anfer)nlic§e Wla$t* 
bübung unmöglich mar, errjob ftcr) über bem |>aber 
unb ber <§elbfifucf)t ber ©tänbe im oftelbifcfjen kolonial* 
lanbe, unb bamalS im ganzen Steide t)ier allein, ber 
6taat§gebanfe fraftooü unter ber §errfcrjaft be3 $aufe3 
^oben^oaem. 2)ie§ fcrjwäbtfcrje ©rafengefd)lecr)t, ba§ 
ftct) nact) feinem Stammte, bem ßegelberge Vollem 
(trielletd)t Sulhari, Zolari, bie 93ergfpifce) an ber 9tauf>en 
Slip nannte, fjatte 1192 von ®aifer £einrid) VI. bie 
SBurggraffdjaft Dürnberg erhalten unb von Ijier au§ 
buret) gute 2öirtfct)aft unb SBenufcung glücf lieber Um* 
ftänbe ein ©ebiet r»on etroa 130 ©eoiertmeilen erworben 
(SBarjreutr), §of, Slnäbad), SMmbacr), ©djroabacr), ®r s 
langen u. f. f.), aurf) 1363 bie ^eicr)3fürftennmrbe er* 
langt unb ftcr) im $Retcr)3bienfte oft r)eroorgetf)an. 



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$er SDerfoU ber beutfdjen ©iadjtfteaung im Cften 31 1 

$rei§ träftigcti 93etftanbe§ erhielt enblid) ftriebrid) VI. 
oon s 3(n3bad) vom Staifcr SigiSmunb 1411 bie ^er 
roaltung ber 9Harf Söranbenburg, am 30. 9lpril 1415 
in 8onftan$ bie ©elefjnung mit ifjr unb mit ber 
fiurnmtbe. 3n ©irtfäaftlic^eit, Wi*tgefüf)l unb 
fd)U$ter grömmigfeit ein echter <&ol)n feineS &aufe3, 
mußte tyriebrid) in ber üöflig nentmfyrloften iülaxt, wo 
bie lanbeS&errlidjen ©üter, ©infünfte unb SRecfyte meift 
©erloren, ber 2(bel oernrilbert, bie ©täbte, meift ljanfif<$, 
unbotmäfng raaren, erft einen neuen ©runb fdjaffen, 
unb smar aunädtft allein mit ©üfe feiner treuen frön* 
fifdjen Üiitter. ÜJlit feinen ferneren ©efdmfcen brad) et 
bie Söurgen be§ 5lbel§, jroang bie ©tftbte $ur $ulbigung 
unb entriß ben Bommern bi§ 1427 ben größten £etl 
ber Ufermarf . ©ein ©o^n fjriebric^ II. „mit ben eifemen 
3ctynen" (1 440 big 1470) rourbe fein^be nur in «ranben* 
bürg, mä^renb bie fränfifdjen Sanbe 3ln§badj unb 
©arjreutf) an bie jüngern Söfjne s JUbred)t Sld)iUe§ unb 
3o^ann fielen, ©r bemütigte 1443 bie $)oppelftabt 
SBerlin^öIn burd) ben93au eine§ feften@d)loffe§in ftöln 
(auf ber ©preeinfel), nötigte fte 1447, fid& ©ürger- 
meifter, ftat unb ©Höffen von if)m fefeen ju laffen, 
unb Iöfte bie »ünbniffe ber marfifc^en ©täbte unter 
c inanber unb mit ber £anfa auf. Sftacf) au|en erlangte 
er 1449 ben SBerjtdjt be§ Qpr$ftift3 2flagbeburg auf bie 
8e&n3t)oij)eit über bie Ottmar!, rang, aflerbütgg »er* 
geblid), mit Bommern um ba§ (Srbe ber 1464 au§ge* 
ftorbnen Sinie 5pommern*®tettin, rettete aber au3 bem 
Verfalle ber preu|sifd)en OrbenSmad^t 1455 bie Heu- 
mar! für SBranbenburg unb 2)eutfd)lanb. 

2lud) fonft blieb bie Übermalt be3 ftürftentumS, ^ic 
bie in SBranbenburg befonberS energifd) $ur ©eltung «ü> 3 
gebraut mürbe, unerf füttert. Wut bie färaeiaertfdje 0ei ^f t " 
©ibgenoffenfdjaft von Bürger* unb 93auerngemeinben 
behauptete fld) unb breitete ftd) immer weiter au§. 
6d)on 1401 Ratten fu$ bie Untertanen be§ 5lbt§ oon 



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312 



Sic Ianbe8fürftIidHtäbtifd&e Seit 



61 ©allen in Slppenaell ihr angefdjloffen, 1402 ber 
,,©otte3f)au§bimb" bet Untertanen be3 93ifc^of§ oon 
dfyvLT im ©ngabin, 1418 ber habSburgtfche Slargau. 3U§ 
nun 3ürtch über bie <$rbfd)aft ber ©rafen oon Joggen* 
bürg 1436 mit ©djroga unb ben Urfantonen in offnen 
&ampf geriet unb, arg bebrängt, bie ©ilfe ber §ab& 
burger anrief, ba gewann grriebrich in. für ftdj bie 
furchtbaren ©ölbnerhaufen ber franjöfifdjen SlrmagnacS, 
bie ber 9lbfchlufj be§ franjöfifch^englifchen Krieges 
überflüffig gemalt fyatte, unb gleichzeitig brachte 
5llbrec^t SlcfciUeS im fchroffen ftürftenftola im Sflooember 
1443 ein ftürftenbünbrnS $um ©d&ufce be3 2lbel§ gegen 
biefe „^Bauern unb Äuhtreiber" &uftanbe. ©chon 
Ratten bie 2lrmagnac§, 40000 äftann, unter bem fran* 
jöftfcf)en 2:t)ronfoIger Subtoig (XI.) ba§ ©Ifafc für 2rranf* 
reich unter bem©egen ^ßapft@ugen§ IV. befefct, ba ftettten 
ftch ifjnen auf ben 9iuf be3 arg bebrofjten 8onail3 oon 
93afel am 26. Sluguft 1444 beim ©iedjenhaufe ©t. %atob 
an ber 93ir§ 1600 ©chtoet$er in ben 2öeg. 3h* faft 
über menf etlicher ©elbenmut fehreefte bie ftegreicfjen 
9lrmagnac3 nach tem obern ©Ifafc jurücf, ba§ fte enb* 
lieh nach Vertrage oon Trier im Sommer 1445 
räumten. $)en Slampf in ber ©chioeia beenbete erft ber 
griebe oom 13. 3uli 1450. gürtch trat §ur ©ibge* 
noffenfehaft jurücf, ber fich 1454 auch ©chaffhaufen, 
1464, nachbem ©igiSmunb oon Tirol oerjichtet hatte, 
auch ber Thurgau anfchlof*. $ie habSburgifdje #errfchaft 
in biefen ©egenben mar alfo faft oernichtet, aber ba§ 
linfe D^hemufer, ba§ ber ftatfer fchimpflich preis* 
gegeben hatte, toar burch bie ©chtoetjer gerettet 
»fftien Wümfax$ blieb * n oem fogenannten jtoeiten 

rvürften fübbeutfehen ©täbtefrtege 1448/53 gegen ben dürften* 
süiitcn unb 2l°el§bunb beS 3Jcarfgrafen SUbrecht 3l^ifle§ 
infofern fiegreich, als e§ feine ©elbftänbigfett gegen* 
über Wibrechts $lane, fein faiferliche§ Sanbgericht über 
©tabt unb Machbar fchaft au§$ubehnen unb baburch ben 



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$er »erfatt ber beutfdjen attadjtfteUung im Oftcn 313 



©runb $u einer SÖieberherfteHung be3 §erjogtum§ 
fjranfen legen, behauptete. 3m norbroeftltdhen 
$eutfcf)lanb rang fid> bie fölnifche Sanbftabt ©oeft in 
ber blutigen ©oefter ftehbe 1444 bi§ 1449 com ©raftift 
log, bod) nur weil ber ©ebanfe be§ (SrjbifdhofS $)tet* 
rid^ von ®öln, bie getftltdhen ftfoftentümer am Sftteber* 
rhetn unb in Söeftf alen in fetner §anb $u vereinigen, 
um ber auffteigenben STladjt ber £er$öge von ftler»e 
unb 3ültch*58erg ein ©egengeroid)t ju bieten, auf beren 
entf^iebnen Sßiberftanb ftie& unb ©oeft fich ihrer 
©dhufcherrfdjaft unterwarf. %xz ©täbte waren eben 
jettf ooÜftdnbig auf bie blofje $8erteibigung ihrer ört* 
lidjen ©elbftänbigfeit befchränft, bie ©egenroart unb 
3ufunft $eutfchlanb§ gehörte ben gürften. 

Sflur bafc biefe Surften jeber $unäd)ft an I^JStSL 
Qntereffen bauten unb für bie Nation al§ ©anjeS nur Cl 1 r 1 
feiten etn>a§ leifteten! 3n heftigen 3fet)ben rang Wibrecht 
5Id)ifle3, feit 1455 „§ofricf)ter, §ofmeifter unb $auvU 
mann" be§ $aifer§ im ^Reiche, um bie 2lu£bef>nung ber 
®ompetenj feinet faiferlidhen ßanbgericr)t§ über SBanern, 
bie fiubroig ber deiche von 93at)ern * Sngolftabt 
beftritt unb im «ertrag r>on SHoth am 24. Sunt 1460 
auch rmrflidf) abwehrte. 9lm Dberrhein ftanb griebrief) 
ber ©iegreiche oon ber ^ßfalj, ber fich nach bem £obe 
feines $Bruber§ £ubmig§ IV. 1449 bie ßurwürbe mit 
SBerbrängung feines unwürbtgen Neffen „arrogtert" 
hatte, im Kampfe mit 2lbolf von SWaina, ben ^apft 
SßiuS II. im Sluguft 1461 an ©teile be§ ofme fechte* 
©erfahren entfetten (£rjbifd)of§ Liether erhoben t)atte, 
weil biefer bie Sftrcfjenreform wieber aufnehmen wollte, 
©nblich nahm Slbolf am 28. Dftober 1462 burch nacht* 
liehen Überfall 9flain$ unb awang bie ftolje 9*etch§ftabt 
unter feine Roheit, fjriebricr) aber behauptete nach bem 
©iege bei ©eefenheun am 30. Suni 1462 bie ihm von 
Liether als s $ret£ feiner §i(fe angebotne SBergftrafje, 
unb Liether trat fcf)liefjlicf) aurücf. 



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314 $ie (anbrtfürftltcHtäbHMc Seit 



»euwre- 2Bä&renbbem ftettte ber frteblid&e 3atob oon £rier 
foimpiänc fd)on 1453 einen burifjgearbetteten $Ian jur ^Reid)^ 
reform auf, aber er ftarb 1456, oljne baß irgenb etioaS 
gefeiten wäre. 3)afür griff ber §uffttifcr)e SBöljmen* 
föntg ©eorg oon ^objebrab, eben toeil er über eine 
gefdjloffene Wlafy oerfügte, an ©teile be§ olmmäcr)ttgen 
ftaiferS gebietenb unb fdfjlidjtenb in bie beutfdfjen ©irren 
ein; er bewarb ftd) fdfjon 1460 um bie Söürbe be§ 
römifdjen ßönigS unb fd)lid)tete 1463 a!3 ©d)ieb§ricf)ter 
einen neuen ©trett über bie 2lu§fü^rung be§ $8ertrag§ 
oon IRoti). SIber wie ptte biefer fefcerifdf)e $fd&ed)e bie 
Reform ber beutfcf>en 9*etdf)§üerfaffung burdrfü&ren 
f önnen unb bürf en ! 2öaS fpater, feit 1466, fjriebridt) HI. 
felbft in biefer 9hcf)tung oerfud)te, fam nid)t über bie 
oeralteten fianbfriebenSpläne l)tnau§ unb blieb beäljalb 
ofme fjrudjt. S)ie ftird&enreform ooUenbS fcrjien für 
alle Reiten abgetan, nadjbem $iu$ II. (1458 bi§ 1462) 
in ber $8uHe Execrabilis am 18. Januar 1460 jebe Be- 
rufung oom Zapfte an ein allgemeines Äonjil al3 
fe^erifd^ »erboten §atte. 
3" Unb nun brachen, nactjbem ba§ tfdt)cdt)tficrtc t)ufft* 

bSHS ttW« ©ö^men bem «Reiche entfrembet, Ungarn ben 
p orSaS? 1 £ a & gbur Q ern entglitten mar, aud& bie beutfäen Streng 
ftoats mächte im Sftorboften unb Horben unter bem $rucfe 
ber ftänbifdfjen ©egenfätje jufammen. ©egen bie Slflein* 
t)crrfct)aft be§ beutfdjen DrbenS in Greußen bilbete ftd) 
1440 atoifdjen ©täbten unb Sanbabel ber „preußifdje 
SBunb," unb ba bie ftarrfonferoatioe OrbenSpartei furj- 
fictjtig jebeS 3ugeftänbni§ oertoetgerte, trugen jene 
1454, rud&loS t§re3 2)eutfcf}tum3 oergeffenb, bie £>err* 
fd)aft be§ £anbe§ bem 8önig ftaftmir oon ^olen an 
unb eröffneten bie fjefybe gegen ben Orben. 5ftocr) ein« 
mal ftegte ein ©einriß SHeuß oon flauen bei Äonifc 
im ©eptember 1454; aber bie unbezahlten tfdjed&ifcrjen 
©ölbner be§ DrbenS, benen biefer fogar bie Sttarien* 
bürg jur ©tdjerl)eit oerpfemben mußte, überlieferten ju 



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Xcv Verfall öcr bcntfrfjcit 9Rac^tftc[iiiiig im Cftcn B15 



^ftngften 1457 bie3 §aupthau§ be§ Drben3 ben $olen, 
roährenb bie tapfere Stabt fid) noch brei Qa^re hielt, 
unb prangenb 30g König Kaftmir im ftofyen $>anaig 
ein, bem er bie Königlftone in ba§ Söappen fdjenfte. 
(Snbltd), nach fc^rccflic^cn Sahren, beenbete bet ewige . 
griebe tum 3$orti am 19. Dftober 1466 ben oer* 
wüftenben Krieg. 3)er ©ochmeifter trat ba§ gan$e 
Söeichfellanb mit SDan$ig, ©Ibing, 2ftarienburg unb 
%$oxn famt bem ©rmlanb an Sßolen ab, baS fomit ben 
3ugang $ur Oftfee gewann, unb fchwur für ben SReft mit 
ber nunmehrigen $auptftabt Königsberg ber Krone 
^Solen al§ it)r erfter SöafaH ben @ib. S)a3 polnifch ge? 
roorbne 2öeftpreuf?en aber erhielt eine freie ftanbifche 
SSerfaffung unter Teilnahme ber ©täbte. 

$a§ ftärffte öollwerf ber $eutfchen an ber Dftfee spai; 
mar gebrochen burd) bie ftänbifche ©elbftfucht ber Kl- 
2)eutfd>en felber. ©[einseitig geriet bie ©anbel^err* ^E&fc 
fchaft ber §anfa über ben Horben in§ SBanfen. 9ieue fcoiftcm 
©r^ebungen ber Qüxtftz, 1408 bt§ 1416, erf fütterten a " } 
in ben wenbifdjen ©täbten bie £errfchaft be3 9tat3; 
boch f Flimmer war, bafj bie mehr unb mehr heroor* 
tretenbe 58erfct)iebenr)eit ber §anbelSintereffen bie £>anfa 
in mehrere feinbliche ©ruppen aerrtfj. 3)ie preuf?ifch* 
liolänbifchen ©täbte unter 2)an$ig begrünbeten einen 
fetbftänbigen Kaufhof in Korono (Kauen) am Seemen 
für ben ©anbei mit s }3olen unb SRufjlanb, bie Söefter* 
linge (9tieberlanber) wollten ihren SSerlehr mit ben 
pr eußif d)=Iiolänbif c^cn Stdbten nicht mehr an bie $8er* 
mittlung ber wenbifchen binben, fonbern begannen auch 
felbft bie 7yaf)rt burd) ben @unb ju unternehmen unb 
fanben bafür natürlich bie ttnterftüfcung 2)änemarf3. 21(3 
nun König ©rieh (1412 bi§ 1438) im 3uli 1413 ben 
©chauenburger ©rafen ba§ fianb @d)(e3mtg wegen 
Felonie abfprechen lief? unb eine blutige .fjehbe mit 
©d)le§wig begann, leifteten bie erbitterten ©teibte 1426 ben 
©chauenburgem beim Singriff auf Flensburg bewaffnete 



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316 $ie lanbrtfllrftltcMtäbtifefc 3cit 



$ilfe unb fanbtcn 1427 if>re Rotten nad) bem ©unb, um 
biefen für i^rc aus ber SRorbfee anfegelnben reidjen 
§anbelSflotten frei ju machen. SnbeS bie ©eefd)Iad)t 
am 22. JJuli 1427 blieb unentf Rieben, unb bie beiben 
. erwarteten Klotten fielen bis auf wenige ©d)iffe ben 
$>änen in bie $änbe; aucr) ein Angriff auf Kopen* 
fcagen 1428 Ijatte feinen Erfolg. ©rft nad) ber (Sin* 
nafjme Flensburgs 1431 unb von einem fdjroebiföen 
Slufftanbe bebrängt räumte (Srid) im graten t*on 
Söorbingborg 17. $uli 1435 ber £anfa tljre alten 
$Re<$te wieber ein unb belehnte ben ©rafen Slbolf III. 
r»on $olftein mit ©ctjleSwig. 9ton aber übertrug ber 
bdnifd^e SReid)Stag im September 1448 bem ©rafen 
ßfyriftian von Dlbenburg, bem Neffen 5lbolfS, non fetner 
©d)wefier §eilwig, bie bänifdje Krone, unb biefer würbe, 
als s 2lboIf VIII. am 4. Oftober 1459 of)ne (Srben oer* 
fd)ieb, com fd)lelmig^olfteinifd)en 9Ibel, ber feine ^ßri* 
tulegten fiebern wollte, im üflär$ 1460 unter ber 93e* 
bingung, bajj beibe Sanbe „blioen ewid) tofamenbe 
ungebeelt," jum §erjog oon (Schleswig unb ©rafen oon 
£>olftein erwählt. 2öof)l Ratten beibe Sänber fortan mit 
S)änemarf nur ben SanbeSljerm gemein, aber tfjatf&djlicr) 
l>atte bie ftänbifdt)e ©elbftfud)t, bie «ßreufcen ben *ßolen 
überlieferte, ©d)leSwtg*§olftein aus einem ©ollwerfe 
2)eutfd)lanbS in ein bamfdjeS 2luf?enwerf oerwanbelt, 
r»or ädern gegen bie §anfa. 
ber Unb nun würfen mit ben Spaltungen in ber 
iauber; £> an f<* We geinbfeligfeiten ber oon ifjr banbelSpolitifct) 
bef>errfcr)ten ©blfer. ©eitbem bie &olIänbifcrHeelän* 
bifd)en ©täbte einen SHücf^alt an tyrem neuen bur* 
gunbifdjen ßanbeS^errn fanben (1433), bebnten fte iljren 
bireften £anbel mit ben Dftfeelänbern immer weiter 
auS, trofe aller Ijanfifdjen ©erböte unb Kapereien. $m 
Dften naljm baS feit ber Unterwerfung unter $olen 
mächtig aufblüfjenbe $anjig eine immer felbftänbi gere 
Haltung an, im Söeften ba§ fiol^e Köln, ©on (Sng* 



ftoiugorob 



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Ter gitofaU ber bcutfdjen 3Rad}ttteUimg Im Dften 



317 



Ianb au3, roo fidj fd&on im oicrac^nten jgaljrfjunbert 
bic ©efeflfe^aft ber roagenben ßaufleute (merchant ad- 
venturere) ber §anfa jum %xo% gebilbet fjatte, würben 
bereit Sftorbfeeflotten feit 1449 beftättbig burd) ßaper* 
fahrten belästigt, bi§ bie £>anfa enblid) 1469 ben 58er* 
fef)r mit ©nglanb fperrte, über ba§ wiberftrebenbe ®öln 
1470 bie Söerfyanfung oerfjängte unb feine feefen ftaper, 
barunter ben „garten ©eeaoget" ^ßaut *8enecfe t)on$)an$tg, 
gegen bie Slieberlänber unb Gmglänber IoSItef?. (Snbüd) 
mufete ft<*) ©ngjfonb im ^rieben oon Utred&t 1474 fügen, 
roäfjrenb ftöln erft 1476 roteber in bie $anfa auf* 
genommen mürbe. 2)od) jroei 3a^re fpäter, 1478, oer* 
nietete ber ©rofjfürft ftman III. oon 3fto3fau bie 
§anbel§gröfje 9frm>gorob8, inbem er bie einf)eimtfd)e 
SBeoölferung in§ 3^ nere abführen lieft, unb fein Sftad)* 
folger %man IV. fperrte unb plünberte 1494 au$ ben 
£anftfd>en £of au 6t. $eter. ©nbltd) Nörten feit 1479 
bie fjanftfdjen gtfdjereten auf (Schonen auf, benn fdjon 
feit bem Anfange be§ fünfzehnten Qfa^rt)unbert§ rief)* 
teten ftcf) bie §ertng§aüge nadj ber Sftorbfee an bie 
®üfte ber Sftieberlanbe unb begannen beren Stäbte 
$u bereitem, bie Nebenbuhlerinnen ber Dfterlinge. 
$>er (Stern ber $anfa neigte fief) jum 9ttebergange. 

2öäl)renbbem gerieten aud) bie roeftbeutfcfyen xientcbcr* 
©ren^Ianbe in bie bringenbfte ©efa^r burd) ba8 9luf- tt Ä? 
fommen einer germanifdf)=romanifd£)en fUtadjt, bie an 
ältere ©onberbilbungen im äufcerften Sftorbmeften be§ 
beutf^en 9teid)3 anfnüpfte. SBä^renb bieg bort im alten 
Sftieberlotfjringen audE) romanif rf>e ©ejirle umfaßte, mar 
ba§ rein germanifdfje, falifc^fränfifdje ftlanbem roeftlidf) 
von ber Scheibe feit ber Leitung ©on SBerbun 843 
außerhalb be§ beutfdjen $Reidj§gebtet3 geblieben unb 
franaöftfdjeS geljen geworben, ©erabe hier aber hatte 
fid), begünftigt burd) bie Sage an ber ftreujung 
ber bamaligen großen füb* unb norbeuropäif d^en 
&anbel3ftrafjen bei ben ÜUlaag* unb ©dhelbemün* 



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318 



Sic laHbefcfürftltdHtäMiftfje ^ctt 



bungen unb burcf) ben Reichtum an Schafherben auf 
feinen unermeßlichen Reiben rote auf ben üppigen 
©ragroeiben be§ benachbarten ©nglanb, früher als 
irgenbroo fonft in Storbeuropa etnregegßeben in$anbet 
unb ©emerbe (Suchmeberei), alfo ein ftäbtifcheg S)afein 
entroicfelt, bag ©rügge unweit ber Sinefala (äflaag* 
münbung) $um SBelthafen, ©ent unb g)pern §u großen 
^nbuftrteftäbten machte unb biefen ftarfen ©emeinben 
auch bag platte ßanb allmählich unterwarf, tiefer 
©ntnncflung nährte ftch bag halbfran&öftfche, beutfdje 
SReichglanb Trabant, dagegen blieben bie frieftfchen 
Äüftenftrtche im Horben beg 9Jteereg, mo burch S)trf III. 
(geftorben 1041) bie ©raffchaft §oflanb (b. i. §oltlanb, 
©oljlanb, nach bem alten „SUleerroalb," aflerinribo bei 
2)orbred)t) begrünbet worben mar unb fettfönferßothar 
mit SBeftfrieglanb oereinigt mar, noch lange ein rein 
naturalmirtfchaftHche^ auf SJtehäucht unb gifchfang 
angenriefeneg Sanb. 3n beiben ©ebieten jeboch bilbete 
ftch burch ben emigen Äampf gegen bie milbe Sftorbfee 
unb um bie Urbarmachung beg pfablofen 9ttooreg ein 
geftählteg, freiheitgtrofcigeg unb babei an genoffen* 
f chaftliche§ ßufammenmirfen gewöhntet ©efchledjt gang 
germanifcher 3lrt. 93eibe Staatenbilbungen wetteiferten 
bann um ben JBeftfc ber üflaagmünbungen, big 1323 
Seelanb ben§oUänbern, bag fd)öne2öaeglanb jmifchen 
©ent unb Antwerpen bei glanbem uerblieb. 

Sange Raiten bie ©rafen von glaubem, ob- 
Tixlnhütt) au§ *> em fnmjöfifäen £aufe ber $ampterre 
unb franftöftfche $8afallen, ihre thatfächltche Unab* 
hdngigfeit von bem ftch mfihfam emporringenben 
fjranfreich gemährt. Slflein alg franjöftfche Sitte 
unb franjöfifche Snmpathten unter ben ftäbtifchen 
^atrijiern, ben „Silienfreunben" (ßeltaartg) ©ingang 
fanben, ba bemächtigte ftch ^önig %1)ilivv IV., ber Schöne, 
1300 furjerhanb beg Sanbeg unb fefcte ben ©rafen 2kit 
(©uibo) gefangen, ©rft bie blutigen (Erhebungen ber 



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Xcr Beifall ber - bcittfc^cit Kadjtfteflung im Dfteil 



319 



3ünfte, juerjt in SBrügge unter bem 2öebermeifier 
Rietet be Koningf, vertrieben bie grran&ofen, unb ber 
gewaltige ©teg be§ flanbrifchen $8ürgerfufjt>olI§ über 
bie fran*öfifche mitterfchaft in ber „©porenf flacht" bei 
- Kortruf" (Sourtrai) am 11. 3ult 1302 ficherte bie fjrei^cit 
glanbernS unter feinem alten ©rafenhaufe. $a braute 
nun ber abermalige 2lu§bruch ber franjöfifch-englifchen 
Kriege 1337 eine neue bemofratifc^e(5r^ebung gegen ©raf 
gubnrig unb bie fran$öfifch geftnnten ©efd)lechter unter 
ber Rührung Safobg von Slrtenelbe §u ©ent, unb ba§ 
Übergewicht ber englifchen ©äffen feit bem ©eefiege 
bei ©luuS 1340 ermöglichte bie $8ern>anblung &lanbern§ 
in eine ft&btifche Sröberattorepublif von Brügge, ©ent 
unb 2)pem, beren Oberhaupt (SRuroaert) ben ©rafen 
gänzlich beifeite fdjob, unb bie noch 1356 ben 93ra= 
bantern SJiecheln unb Antwerpen entriß. ©§ mar eine 
©ntroieflung roie in ber ©chroeia; nur trug fie nicht 
biefelbe SBürgfcrjafi ber Stauer in ftch, ba fie noch mehr 
auf ber SBeltlage al§ auf eigner Kraft beruhte, unb 
©nglanb feit bem fjrieben oon SBretigno 1360 fein 
$ntereffe mehr an ihr hatte. 

$te8 führte benn nun ju einer gan$ neuen Söenbung. b ^ 9lü b l j; 
3nbem ©raf Subroig con ftlanbern feine ©rbin Wlax* ntxanx* 
garetha 1369 mit ¥$tipp bem Kühnen, bem jungen 
©ohne König $oh anng be§ ©uten r»on fjfranfretch, 
mählte, vermittelte er biefem ben unmittelbaren SBefifc 
3rlanbern§, ben Philipp nach ber 9Hebent>erfung ber 
bemofratifchen 9lationalpartei unter Philipp t>on 2lrte* 
oelbe 1382 auch mirflich antrat (1385). 2)amit aber bahnte 
ftch auch bie junächft rein bnnaftifche SBerbinbung glan* 
bernS mit bem franjöftfchen ^erjogtum 93urgunb an, ba§ 
bereite 1363 von König Johann an V¥BW übertragen 
morben mar. $a§ mar bie ©runblegung bei neuburgun* 
bifchen SKeichS. SHafch griff e§ um fid). Schon 1384 mürbe 
Philipp auch mit ber (beutfehen) ftreigraffchaft 93ur* 
gunb (um Stefanen) unb mit ber frangöfifchen ©raf* 



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320 Sie Iflnbe*fürftUcHtäbtifäc 3cü 



fdjaft SfleoerS belehnt, ©ein ©nfel, ^ilxvv btx ©ute 
(1419 bis 1467), beruhte bic erneute SBebrängniS be§ 
franjöfifchen Königtums feit 1415, um fuh ^ier SWacon 
unb 3lurerre, bort ^ßonthteu unb SlmienS abtreten $u 
laffen; er faufte 1429 bie ©raffd)aft Sftamur, erwarb 
1430 SBrabant unb Simburg traft etneS feit 1382 be* 
ftehenben ©rbanfpruchS feiner ©rojjmutter 2ftargaretha, 
oerbrängte 1427 big 1433 bie wittelSbadjtfäe ©rbtn 
3afobäa t>on 93anern auS bem SBefttje t>on £oHanb, ©ee* 
lanb unb §ennegau unb behnte biefen nieberlänbifchen 
SBeftfe burch ben $lnfauf bei §er$ogtumS Öuyemburg 
1441 nach bem SluSfterben beS §errfcherhaufeS (1439) 
foweit nach ©üben auS, baf$ ihm nur noch bie Er- 
werbung SothringenS fehlte, um bie beiben §aupt* 
maffen feiner ßanbe in territoriale Söerbinbung $u fetjen. 
äari ber S)ieS neuburgunbtfche Dietd), an ber ©ren&fcheibe 
***** 2)eutfchlanbS unb granfreid)§ gelagert, beiben lehnS* 
pflichtig unb boch bei ber Damaligen Senitttungbeiberxwn 
beiben gleich unabhängig, ein ©emifcf) t»on fransöftfehen 
unb nieberbeutf cfyen ©ebieten, bie nur burch bie$)nnaftte 
jufammenhingen, aber eine fdjlaglufttge, glän&enbe 
föitterfchaft unb bie reichten ©täbte Europas befafjen, 
würbe nun unter Karl bem Kühnen (1467 bis 1477) 
eine fmanjiräftige, gan j mobeme Kriegsmacht mit einem 
ftehenben ©olbbeere (feit 1471) unb einer ftarfen 2lr= 
tiHerie. ©o mar ei jebem Machbar überlegen unb bei bem 
ausgeprägt franjöfifch'monarchifchen Gfyaxatttt fetneS 
§errfcherhaufeS unb feines 5lbelS oor allem ber ftäbtt* 
fchen Freiheit unb $eutfd)lanb gefährlich, beffen dityin* 
lanbe offen oor ihm lagen unb mit ber SSeptjergreifung 
beS gerjogtumS ©elbern 1472 an einer fehr wichtigen 
©treef e beS ©tromS ihm bereits zugefallen waren. Unb 
Karls beS Kühnen Siel war lein geringeres, aI8 bie 
Erwerbung beS Unten 9^^cinuferS mit Lothringen unb 
bie ©rringung ber KönigSfrone. $aS oornehmfte Littel 
baju aber war ihm nicht fein §eer, fonbern bie 



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Icr SkrfnH ber beutfcfjen SWacfjtftcIlung tm Dften 321 

#anb feiner Qxbin Wlaxia, be3 „fträulein§ von 93ur* 
gunb." 

2Bie nun, roenn .biefe burgunbifche ftrieg§macht Äa,, w m 
mit ben Stechen unb Ungarn im Dften beS $Heid)8 Mimifcfo 
irgenbroie gufammenroirfte ? ^ebenfalls lag e§ im ® ronc 
beutfehen ^ntereffe, bie böhmifche 9flad)tbilbung ju 
aerftören, unb ba§ fd)ien nicht fo fehr ferner , benn 
©eorg oon s ^objebrab hatte nur ben niebern 2Ibel 
unb bie ©table ©öhmenS für ft$, ben hoben SXbet 
unb bie meift eifrig fatholifchen Sflebenlanbe 3flähren, 
©gierten unb bie Sauften gegen ftd). $er Angriff 
auf ihn ging aber gunäc^ft nicht von beutfdijer ©ette 
au§, fonbern oom ^ßapft. Sftachbem fchon $tu3 II. 
1462 bie ^ompaftaten aufgehoben, $aul II. 1465 ben 
Söann gegen ©eorg gefdjleubert unb bamit augleid) 
ben Sürgerfrieg unb ben ^rcujjug gegen biefen „®ohn 
be3 $8erberben3" ofme befonbern Erfolg eröffnet hatte, 
gelang e3 1468, SttatthiaS (SoroinuS gegen ben 93öhmen* 
fönig ju geroinnen unb ihn 1470 vom böhmifch*fatho* 
lifchen 3lbel jum ftönig wählen gu laffen. 9tun ftarb 
jroar ©eorg am 22. 2Kai 1471, aber fein 5lnf)anq er* 
fannte nicht 2flatthta§ an, fonbern wählte am 27. 2Kat 
Sölabnflaro oon ^ßolen, ben ©nfel Wibrechts II , unb 
entaünbete bamit in ben böhmtfehen Säubern einen 
lang anhaltenben $h*onfrieg, ber fie für $>eutfcf)lanb 
ungefährlich machte. 

$od) brohenb erhob ftd) bie ungarifche 27tocf>t. $a* 8er|ante 
her f Uchte Biebrich UL eine friebliche 93erftänbigung mit «mtfemtt 
®arl bem kühnen, bem fchon 1469 ©igtSmunb oon Stirol ** x * mt > 
ben größten $etl ber fogenannten oorberöfterretchifdjen 
fianbe in ©djroaben hatte $um ^fanbe geben müffen, 
um feine §ilfe gegen bie 6d)roeia au geroinnen. ®eit 
bem 20. September 1473 unterhanbelte ber ßaifer mit 
bem $eraog in £rier unter Teilnahme furfürftlicher 
©efanbter. $)och gefchreeft oon ben Ungeheuern gor- 
berungen be§ *8urgunber3 al§ ^retö ber Vermählung 

Ter Söcrbcflaiifl bc$ bcutfcfjcn Golfes I 21 



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322 



Die Ianbc*fürftUc$ s fffibttfäc 3«t 



9Jiaria§ mit 9Ha£imiltan, bem ©olme be§ ßaiferS, 
reifte griebridi) am 25. Sftooember olme 9lbfd)lufj 
ab. ®a brad) ber §er$og, ben ©treit ber $ab§* 
burger unb ber s £fcitser um ba§ @r$bi§tum 8öln 
benüfcenb, im Sommer 1474 mit glänjenbem $eere 
in baS ©ebiet be§ <Sttft§ ein unb belagerte ba§ fefte 
fteufc, ben ©d)lüffel be§ 9tteberrf)em3. 3um ©lücf 
erfyob fidj biefer ©efafyr gegenüber ba§ ©efüfjl ber 
3ufammengePrigfeit bei ben norbbeutfdjen dürften 
unb ©täbten in folerjer ©tärfe, baf? ba§ föeicr) am 
31. $)e$ember 1474 ein &rieg§bünbni§ mit bem faum 
minber bebrofjten g-ranfreid^ fdt>Io^ unb unter 9llbred)t 
2ld)ille8 oon SBranbenburg unb 2Hbrecf)t bem SBefyerjten 
von ©adjfen im gfrü|{a(t 1475 ein ftarfeS iHeic^§^eer 
jum ©ntfafce oon 9ieuf3 an ben 9Heberr§ein föicfte. 
S8ei 3on§ gelagert nne§ bte§ am 25. 9ftat bie ftfirmifdjen 
Singriffe ber «urgunber ab unb jroang fte baburd) 
jum s J*ücf$uge, jumal ba bie 5ran$ofen in ftlanbern 
unb ber ^ßicarbte, bie mit if)nen oerbünbeten 6d)iDeijer 
in ber ^reigrafferjaft eingerüeft maren. 

Slber nun gelang e§ ftriebrid) III. am 15. $uni 
mit 8arl bem Kulmen im tarnen be§ beutfdjen 
SReid)3 jum Slbfcrjlufe ju fommen, inbem er bie 58er* 
lobung 2flaria§ mit Sftajimilian jugeftanb, um freie 
£>anb im SÖeften ju erhalten. 9113 nun aud) ftrantreid) 
am 13. ©eptember mit bem £erjog einen neunjährigen 
SBaffenfüHftanb gefdjloffen T)atte, ftanben fiotfjrtngen 
unb bie <Sd)tt)ei& allein bem Q3urgunber gegenüber. 

ufm ?iA 2ßä^renb nun im ganjen beutfdjen SBolf bi§ 
n>eit in ben Horben, trofc ber faiferlid)en ^Solitif, 

ftü&nen *>ie 00 ^ c BAttthttig biefe§ Kampfes für bie (5ad)e 
ber Nation unb ber ftäbtifdjen grei^eit auf8 leb* 
fjaftefte empfunben rourbe, ftürjte fid) ftarl nodj 
im #erbft 1475 auf Kötteringen, eroberte Sftancn 
unb aroang ben $>er$og diene jur Slbbanfung. 2lber 
al« er $u Anfang beS 3af)re3 1476 über bie 3ura* 



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$er Verfall ber beutfcf)cn 2JladjtftelIiutg im Cftcit 323 

päffe in bie 6d)mei$ einbrad), mürbe er am 1. 9J?ärj 
bei ©ranfon am Sfteuenburger @ee, am 22. %\xni bei 
Sflurten ooflftänbig gefdjlagen unb oerlor fdjliefjlict) 
am 22. Januar 1477 gegen biefelben ©d)met$er, bie 
bem §er$og SRenS $u £ilfe famen, bei 9tancu «Sieg 
unb 8eben. $te ©efaljr für ben beutfdjen SBeften 
mar befeitigt. 

üftun mar eä audj eine @ntfd)etbung ber perfönlid)en »uramib 
Steigung 2ttaria§, bafc pe am 19. 3tuguft 1477 ju t>mw 
»rüffel bem jugenbfdjönen, ritterlichen SHarimiltan 
bie §anb reifte. $)a§ reiche (Srbe ber SBurgunber* 
fjerjöge fiel ben §ab§burgern ju. Sang ober ganj 
bem SRetcr)e entfrembete ©ebtete mürben ifjrn jurüefs 
gebracht, unjroeifel^aft ein glänjenber (Srfolg auet) im 
nationalen ©inne, nur bafe er md)t burd) beutfcr)e 
ftraft, fonbern burd) t)öfifd?e Diplomatie erfochten mar. 

«Uber er begrünbete aucrj ben ©egenfafc ber §ab§* «Moiwncn 
burger ju gfranfreid) , ber bie ©efdi)td)te ©uropa§ für gruitfreiti 
metjr al§ anbert^alb ^atyrfyunberte beftimmt f>at. Denn 
auf ber ©teile jog ^ubmig XI. bie franjöftfdjen fielen 
be§ 58urgunberreid)§ ein, unb trofc be§ glänjenben 
©iege§ 3ttajimiltan§ bei ©uinegate am 7. STuguft 
1479 erreichte er bod) im ^rieben oon 2lrra§ am 
23. 2)e$ember 1482, ben bie nieberlänbif djen ©tänbe 
nact) SJcartaä jäljem $obe am 26. 2Mr$ beSfelben 
SatyreS gegen aJca£imilian§ SBillen f d)loffen, bafc er 
bie ^ßicarbie unb SBurgunb behielt, bie jmeijä^rige 
$od)ter be§ $aare§, 9Jlargaretba, mit bem fran$öfifd)en 
$f)ronfolger ®arl (VIII.) verlobt unb jene fielen mit 
ber greigraffdjaft $u ifyrer Mitgift beftimmt mürben. 

2Bäl)renbbem broljte bie t)ab§burgifd)e 9flacr)t im fcftemidfi 
©üboften, in iftren alten fternlanben, bem ungarifcr)en im 0 ön ^ [ 
Angriff ju erliegen. 21m 21. Sttooember 1478 maren 
im ^rieben oon DImüfc bie böbmifdjen Öanbe berart 
geteilt morben, bafc ber ^ßole 2Blabnflam $8öf)tnen unb 
W&fyxen, ber Ungarnfönig aftattf)ia§ ©gierten unb 

21* 



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324 Tic tanbcsfürWlcWtöbtiWe Bett 



bie ßauftyen mit bem bö^mifc^en ®önig§titel auf £e* 
ben§jeit erhielt. 93i§ an bic untere Ober reichte bie 
3ttad)t be§ Sftaguaren. Sftun roar allerbtngg fdjon 
bamalg fein Angriff auf ben treueften SunbeSgenoffen 
be§ ßaiferg, ben ßurfürften SKbredjt Sl^iHeS von 
Branbenburg (1471 bis i486), ben er mit ber £ilfe 
^ommern3 1477 eröffnet fcatte, an ber tapfern unb 
umfidjttgen ©egenroefyr be§ fturfürften gevettert, 
unb bie 3rrieben3fd)lüffe be3 3a^re§ 1479 {teerten 
biefem fogar bie immer roieber beftrittene £eljn§l)ol}eit 
über gana Bommern. $od) im ©üboften Ue& 2Hattf)ia3 
im Streit mit griebrid) III. über bie SBefefcung be§ 
®raftift3 ©aljburg fd)on 1479/80 bie fteirif^en ©üter 
be§ 6tift3 befetjen, mäfyrenb juglei^ ein fürchterlicher 
£ürfeneinfaö ba§ arme üanb bi§ ®raj unb Seoben 
x>erf)eerte; bann jog er ben baburef) fd)recflid) bebräng* 
ten fteirtfäen Slbel ju ftcf) herüber, nafyn nad) ber 
formeflen ftneggerflärung bie alte ©renjfefte §eim- 
bürg am 30. (September 1482, im ftebruar 1484 au<$ 
93rud an ber fieitfja unb ritt am 1. 3uni 1485 in 
SBten ein. $>ie Slu&enroerfe ber beutfdjen Kultur 
längg ber ganjen Dftfront waren in ben §änben ber 
2Jcagnaren unb ©(amen, 
tev ^ $ a rief griebric^ III. in ber tiefften 91ot bie §üfe 
Sinn C be§ 9ieidje§ an unb erlangte in ftranffurt a. SR. vox 
aflem burd) ben (Sinflufj be§ @rjbifc^of§ 93ertf)olb von 
3Jtoins unb be§ SSurfürften 3Ubred)t am 16. JJcbruar 

1486 bie Saljl feines ®oljne3 2Ka£imilian a«nt rö* 
mifdjen ßönig unb ba§ ©ebot eineS a^ttjä&rigen ßanb- 
frtebenS, in Dürnberg bann ben 93efd)lu6 be§ 9teid)§* 
friegeS gegen Ungarn. 5 re ^^ geigte bie Gftfolglofigfeit 
be§ 3relbaug§, ben 9Ubred)t ber SSe^erate von ©adjfen 

1487 nad) Dfterreidj führte, baf$ bie Drganifation ber 
JHeic^§frafte nod) fo unaul&nglid) mar wie auoor. 2)a 
gelang e§ ben §ab£burgern enblich, im 2Jcära 1488 
roenigftenS für einS ber grofien $Reid)§länber, ba3 



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Ter «erfaa ber beutföen 2Had>tfteUunö tm Cftcn 



325 



oööig gerttüftete <5d)roaben, im <Scrjrodbifd)en SBunbe 
eine frdftige föberattoe Drgamfation aller ©tdnbe 
burdföitfefcen. $i e «ßrdlaten unb bic (retd)§unmittel= 
bare) 9iitterfd)aft, bie meid)§ftdbte, SBürttemberg unb 
Sirol oerpfltdjteten ficrj, ityre (Streitigfeiten buref) ben 
Sprud) ftdnbtger gemtfd)ter Slommtffionen entfetjeiben 
$u laffen, alfo ben Sanbfrieben ju magren unb fid) 
gegenfeitig militdrtfd) ju unterftüfcen , wobei ba§ 
Simplum (einfache Aufgebot) 3000 2ftann ju g-ujj unb 
300 Leiter, bie ganje ©trettmadijt unter Umftänben 
ba§ <§ed)3fad)e betrug. SHafdj erweiterte fidt) ber 95unb 
über Dberfranfen unb bie SH^einlanbe, roo ifnn $rier 
beitrat. 

SBefentlid) mit biefen Mitteln gelang e§ nun in mtoam* 
ben nddjften Sauren, überall ba§ f)ab§bur gif dt)e £au§* 
intereffe fräftig raaf)r$unef)men unb bie ®ren$lanbe ju SWa *' t 
fiebern. 5)ie trotjigen ©täbte f$lanbern§ mürben oon 
9flajimilian unb 3llbred)t oon <Sad)fen 1489 jur Unter* 
roerfung genötigt, in §oflanb bie ariftofratifd)=fran$ö* 
fierenben §otU 1492 ber ßanbeSfjofjeit ber §ab§burger 
gebeugt unb burd) einen neuen ßrteg ftranfreid), ba§ ba§ 
Verlöbnis ftarl§ Vlir. mit ÜKargaretya aufgelöst f)atte, 
im ^rieben non ©enü3 am 23. Sflai 1493 gelungen* 
5lrtoi§ unb bie gfreigraffdjaft tierauSjugeben, rodfyrenb 
e§ ba§ #er$ogtum SBurgunb behielt. SXuf ber anbern 
(Seite beseitigte ber Stob be§ ßönig§ SRattyiaS in 2öien 
am 6. Slpril 1490 bie fd)limmfte ©efaljr für ben <Süb* 
often. $)enn menngleidj nunmehr Slabnflaro oon 
SBöfymen aud) jum £önig oon Ungarn gerodelt, alfo ba§ 
gefürd)tete böfjmifcr) » ungartfdjje $>oppelreidj ^ergefteüt 
rourbe, fo mürbe btefe§ in ben fcrjwad)en £dnben be§ 
^ageflonen nur eine ^orftufe für bie weitere @rf)ebung 
ber Habsburger, ©in furjer ftelbjug SWajtmtlianS 
1490 oerbrdngte bie Ungarn au§ Öfterretd), brachte 
Sßeftungam in bie §dnbe ber §ab§burger unb 
nötigte Sölabnflaw im grieben oon ^ßreSburg am 



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326 1 a nbcssf ü r ft l i ci> f t ab tifrf; c .tfcit 

7. Sftooember 1491 iljnen für ben grctfl, baj* bcr jagel* 
lontfdje 5ftann§fiammtn SBöfymen unb Ungarn auSfterbe, 
in beiben $Keid)en bic SRadtjfoIge juaugefteljen. $a nun 
bcr finberlofc unb oerfdjulbete ©tgiämunb von %ixol 
fdjon 1490 ju gunften 9Jia£tmilian§ oeraidjtet chatte, fo 
ftanb bic ^Bereinigung aller altfjab§burgifcf)en fianbe 
in einer §anb in fidjerfter 5lu8fid)t, <*13 fjriebric^ III. 
am 19. Sluguft 1493 oerfd)ieb. 
^lufflobcn 9IIS ©ebieter be§ ©üboftenS wie be§ STCorbroeftenS 
mtv- (f ur f e * ncn *9nen unmünbigen ©ofm ^xixvv oen 
tum* ©c^önen) mar fein 9tad)folger üflajimtlian I. (1493 
bi§ 1519) aflen anbern beutfdjen dürften weit über* 
legen. 9hmmet)r cnblidt) auf bie ftärffte territorial^ 
mad)t im SKeidje geftutjt unb im ^abgburgifc^en gaufe 
fo gut loie erblich, mu(3te jefct ba§ ^aifertum geigen, 
ob e§ nod) fäfjtg fei, bem SHetdje eine neue 93er- 
faffung ju geben, ber beutfdjen ßtrdfje bie Reform §u 
bringen. 

xic 2)ie üolttifdien 3 u ftänbe be§ beutfdi)en SReidjS be* 
Hcffi«r= ruhten nur ju einem Heinen teile auf gefeilterer ©runb* 
mm läge, auf ben Sonftitutionen 3rricbricf>§ II. unb bcr ©olbnen 
SSufle. 3öeit barüber §inau§ nmren in einer rein t^at* 
fädjlicfyen, im ©runbe reoolutionären ©ntroidlung faft 
alle 5>o^eit§red)te unb SBefttjungen be§ !Heidt)§ auf bie 
SanbeS^erren unb Stäbte übergegangen, unb ba§ 9^cic^ 
toar bem Söefen nad) nur nodj eine locfere göberation 
mit einzelnen heften ber alten 2flonard)te. s Jiotbürftig ju= 
fammengefjalten burd) ben ftaifer unb ben föeidjStag, 
iy bem feit 1489 enblid) aud) bic 9letd)§ftäbte neben 
ben Äurfürften unb dürften al§ ein brttteS „Äofle* 
gtum" eine anerfannte (Stellung erlangt Ratten, unb 
burd) bie 3bee, bafe jebeS 9ied)t im fteidje auf ben 
ßaifer jurürfgefie, fcatte bodfc ba§ föeid) roeber eine 
©teueroer faffung nod) eine Söefjrorbnung, !aum eine 
georbnete Steidjäjuftiä unb eine föeid^gefetjgebung, unb 
jebenfaEß feine roirffame, ootI$iel)enbe ©eroalt. Unb 



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^cv Verfall bev beulten v JWad)titcUuitfl im Cftcu 



327 



bod) mahnte baS $luffteigen Q-ranfretchS, (SnglanbS unb 
®panien§ unter einem ftarfen Siönigtume unb bie 9lu3= 
bilbung ber Ualienifdjen ©taaten ju abfoluten, auf 
©elbroirtfchaft unb ©ölbnerheeren beruhenben ganj 
mobemen Monarchien auf§ bringenbfte, bem grofjen 
ßentraloolfe (SuropaS enblid) eine angemeffene neue 
SJerfaffung $u geben. 

$)em ftanben nun aber einerfeüS ber jähe ©onber* 3Jta{imi= 
geift ber Surften unb bie Sursfttyigfeit ber <Stäbte liau 
gegenüber, anbrerfeitä ber überlieferte internationale 
(Sljarafter beS ftaifertumS, bem eS be§h<*lb ferner würbe, 
ftd) auf bie nationalen Aufgaben $u befchränfen, unb 
bie ©efahr, bafc bie iHücffidjt auf bie l)ab§burgifd)e 
|jau§macht, bie ebenfalls mehr unb mehr international 
rourbe, bie fatf erliefe ^olitif übermächtig beftimmte. 
9htn fchien 3Hajimilian I. gan$ unb gar ber SUlann $u 
fein, bie grage im nationalen ©inne ju löfen. üftaje* 
ftätifch unb ritterlich in feiner @rf Meinung, leutfelig, 
offen unb fröhlich in feinem 2Befen, ein fchlagferttger 
föebner, im r)öc^ftcn ©rabe oielfeittg, ein Säger unb 
bitter nach alter Söeife unb bod) ein funftoerftänbiger 
Slrtißerift unb SanbSfnechtführer, fpradtf unbig , ooö 
Qntereffe für bie alte beutfcfje §elbenbid)tung nrie für 
bie neue humaniftifche öilbung unb für bie $unft, burd) 
unb buref) ein Vertreter fetneS 93olfe$ unb feiner &it 
unb ooH beutfdjen, faif erlitten unb ha^burgifc^en 
©toljeS, burd) alles biefeS höchft populär, fo mar er 
mohl befähigt, ber ftührer feiner Nation ju fein. $lber 
er h^tte in feiner unfteten unb phantaftifchen 9lrt menig 
oon ftaatSmännifchen ©igenfdjaften, unb bar um ift er 
au§ bem peinlichen 3 ro i e fP^lt ^mifchen hochftvebenbem 
©ollen unb mangelhaftem können niemals tyxau& 
gefommen; nur bie ©röfce feines §aufe§ fyat er be* 
fl*ünbet. SÄ" 1 ' 

3n ber JHeformfrage trat ihm fofort ber Shtr* I* im 
fürft «ertholb oon a«aina (1484 bis 1505) mit einem * Kg 



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328 SU lanbe»fürfMdMtöbtlfäc Seit 

fettigen ftänbifd^en Programm entgegen. $)emgemäf? 
befd^Io^ ber Reichstag oon 1495 in 2Borm§, bem Katfer 
einen 9ieich§rat au§ fteben fjürften mit ooüer ©eroalt 
beizugeben, feinem mit ihm roanbernben föniglic^en @e* 
rieht (ben fpätern Meirich of rat) ein ftänbtfcheS 9ieich§* 
fammergericht in grranffurt am 2Jcatn zur SBahrung be§ 
gleichzeitig gebotnen QanbfriebenS zur Seite ftellen unb 
zum Unterhalt biefer SBehörben roie für ben Krieg gegen 
bie Surfen unb in Statten eine allgemeine birefte 9teid)§= 
fteuer, ben fogenannten gemeinen Pfennig, burch bie 
Pfarrer ergeben zu (äffen. 2Jca£tmilian nahm roiber- 
willig biefe »efdjlüffe an big auf ben DtöchSrat, beffen 
(Sinfefcung ihm nur ben £ttel gelaffen hätte; benn bie 
fteftfetntng ber ftranzofen er P * m Königreich Neapel 
1495 unb bann, al§ fte bort von ben Spaniern (Slra^ 
gonefen) oerbrängt würben, im SRetchSlehen SJcailanb 
1499 mahnte zum (£infchreiten für bie oerfefcten 3nter* 
effen be§ Geichs. Snbeffen ber gemeine Pfennig 
eimteS ftd) bei bem Sflangel an Verwaltungsorganen 
al§ unburchführbar, alfo auch &ie geplanten Lüftungen, 
unb bie Schweizer (Sibgenoffen, fdjon feit 1474 burch 
Solboerträge an bie Krone ftranfreich gefeffelt, per* 
weigerten nicht nur bie föeidjäfteuer, fonbem auch 
bie Unterwerfung unter ba§ SHeich§fammergericht. 
Umfonft begann ber Katfer, befonber§ mit §ilfe 
be§ fchwäbifchen 93unbe§, 1499 ben 9ietd)3frieg gegen 
fte; nach blutigen 9tteberlagen im Hochgebirge unb 
fernerer Sanboerwüftung mufjte er fie im ^rieben pon 
SBafel am 22. September 1499 oon ihren 9teid)3pfltchten 
Io§fpred)en. Sie waren feitbem nur noch „9*eid)§oer* 
wanbte," thatfächlich ein oöflig unabhängiger ftäbtifch* 
bäuerlicher Staatenbund $)a§ war fyitt ba§ Schluß* 
ergebniS ber ftänbifchen ©egenfäfce. 
sniegscr^ SNun bcfc^to^ ber 9teich§tag oon 1500 in 2BormS 
f itnuc b f bie ^uffteöung be§ <Heich3heereS unmittelbar burch oie 
Pflichtigen unb nötigte bem ftaifer bafür ben oon ihm 



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Der «erfüll ber beutidjen 9Rad)tftelIunß im Dftcn 



329 



big^er jurüefgeuuefenen SHeid^rat mit bem feften ©ttje 
in Dürnberg auf; ber aber fdjlofj in unerwarteter 2Öen^ 
bung am 13. Oftober 1501 mit bem ftöntg Subrnig XII. 
von granfretd) ben ^rieben von Sribent unb belehnte 
if)n im $)eaember 1502 mit ÜJtailanb. $amit erfd)ütterte 
er jttmr ba3 Vertrauen ber Surften noflftänbig, aber ein 
glänjenber ÄriegSerfolg festen plö^Iid) feine ©teflung 
auf§ ftärffte ju bef eftigen. 3 n bem ©treite $roifd)en 
3llbred)t IV. von dauern ^JWündjen unb $upred)t non 
ber s $fala um ba§ (Srbe be3 1503 nerftorbnen §er$og§ 
©eorg beg SKeidjen von dauern ^SanbSfmt nerfügte 
SJtarimiltan junäcrjft bie Teilung be£ 33efi%c§ ner; 
hängte bann über Dtupredjt, ber ftd) nidjt fügen 
rooflte, bie $eid)3ad)t unb ooüftrectte fte nad) bem 
glänjenben ©iege bei 2Jtense3bad) unroeit SRegenSburg 
über bie 93öfmten, WuprecrjtS $8unbe3genoffen, am 
12. ©eptember 1504 unb bie (Eroberung $ufftein§ mit 
folgern ©rfolge, baß bie ©öljne iHuprecrjtS ftd) im 
^rieben t>on Äöln, 3. %uli 1505, mit ber Dberpfalj 
begnügten unb ^ufftetn mit bem untern ^nnt^al an 
$irol abtraten. 

©emunbert von ben jüngern dürften unb umjubelt tojfflttQc 
com SBolfe erfdjten nun 3ftarjmiltan nad) bem ©d)eU ^erÄ 
tern ber ftänbtfd)en SReformpläne unb bem 2obe tfyreS @( ^ er _ 
erften 2tertreter§ 93ertf)olb non SJiain^ im $)e$ember ge&niff« 
1504 auf bem Kölner $etd)§tage 1505 mit einem neuen 
monard^ifc^=|tänbifd)en 93orfd)lage. ©in non ben dürften 
befteflteS 9ieid)§regiment foHte bem ^önig nur mit be* 
ratenber Stimme jur ©eite geftetlt unb eine D^eid)^ 
bet)Örbe unter feiner Leitung für bie Oberleitung be§ 
9teid)§frieg§roefen§ gebilbet werben. 5)ie ©runblagen 
einer wirtlichen unb babei non ben s Jteid)§fürften hin* 
langltcf) beeinflußten föeid^geroalt mären bamit ge* 
roonnen worben. Slber ben ©täuben mar fd)on bie§ 
juoiel, fte lehnten ab unb erreichten fogar, baß bie 
Seiftungen für ba§ JRetd) burd) eine „9Ttotrtfel" ben 



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330 



Tic laiibeäfüriMcHtctottfcfje ^cit 



©injclftaaten al§ Organen be§ 9tetcf)§ übertragen, alfo 
gänjlid) uon ihnen abhängig gemadjt würben. Unb 
bod) unterftüfcte ba3 föetch feinen ®önig, al§ er im 
Januar 1508 enblich jur Äaiferfrönung nach Italien 
aufbrach, auch in biefen neuen formen fo wenig, baf? 
9flartmtlian auf ben SRömeraug oerjtchtete unb am 
4. gebruar in Orient ben £itel „erwählter römifcher 
®aifer" annahm. $)amit war offen au§gef prochen, baß bie 
föuferwürbe von ber päpftlichen Krönung unabhängig 
fei. $>ie folgenben verworrenen italienifdjen kämpfe 
brauten enblich boch 1513 2Katlanb an 2Nartmtlian 
©foraa al§ SBafaflen be§ Geichs. $aheim aber fam e§ 
bei bem allgemeinen Mißtrauen gegen be§ ßaiferS ^o* 
litif $u emfthaften föeichSrefornwerfuchen überhaupt 
nicht mehr. Sic 1512 noch in Äöln befchloffene ®ret8* 
einteilung würbe bamal§ gar nid)t burdjgefüfjrt, unb ba§ 
bfirftige @rgebni§ jahrelanger mühfeliger unb oerbriefs* 
Itcher Arbeit waren $wei rein ftdrtbifct)e 3nftUute, ba§ 
Dteich§fammergertcht unb bie $etch§matrtfel. 
@$uit« Unb nicht beffer waren bie ©rgebniffe ber au§* 
55*3? märtigen <Politif. $n benWeberlanben gewann berffaifer 

*$M 1513 über bie ftranjofen bie Sßicarbie; aber in Italien 
entfcfneb bie ,,9Hefenfchlacht" bei 2ttarignano am 13. unb 
14. «September 1515 ben Übergang be§ £er$ogtum§ 2flat* 
Ianb an ftönig ftranj I. von grranfceich, ber fid) nun 
mit (Spanien in bie ©errfdjaft über Italien teilte unb 
jeben wirtlichen ©influß beS ftaifertumS bort auSfchlofc. 
©egenüber SBenebig mußte ftch 2Kartmilian nach wenig 
rühmlichen kämpfen um bie ©rbfdjaft ber (trafen 
oon ©ör§ mit ber Verausgabe be§ fchon oerlornen 
©örj unb mit ber Abtretung von 3lmpe$30, dio- 
oerebo unb dliva begnügen. SBoHenbg für bie Slufcen* 
poften be3 £Reidt)§ im Dften unb Horben gefchah von 
$Heüh§ wegen gar nichts. Sflod) wehrte mit äußerfter 2ln- 
ftrengung ber tapfre Sanbmeifter von Stolanb, SBalth** 



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Xcv Verfall bev beutidjen SWa^tfteUunfl im Cftcu 331 

oon Plettenberg, in ben ©d)lad)ten bei SJtafjolm am 
7. (September 1501 unb piesfau (Pf ton» am 13. ©ep= 
tember 1502 ben mächtigen 9Inbrang ber Muffen ab; 
aber oergeblid) oerfud)te ber junge $oct)meifter Sllbrecrjt 
oon 93ranbenburg (1511 big 1525) mit feinen fdjioadjen 
Gräften ba§ fianb Preußen ber polmfdjen Dber- 
fjofjeit ju entgehen. 2>ie £>anfa mufjte nad) rütjm* 
liefern Söiberftanbe im g-rieben oon 2Jialmö am 
23. Slpril 1512 ben SBerfe^r mit ©cr)ioeben, ba§ ftdt) 
gegen bie Union oon Palmar erhoben hatte, aufgeben unb, 
roa8 weit fernerer roog, bie Sftteberlänber jum §anbel 
in Norwegen, ©cr)onen unb ©otlanb julaffen. $)af$ 
bie tapfern 2)ietmarfct)er dauern in ber 9ftorbf d)lad)t bei 
gemmingftebt am 17. gebruar 1500 i^re Unabhängig- 
feit gegen ba3 5IbelSr)cer be§ ®ömg§ 3ot)ann oon 2)äne* 
marl auf ein fyalbeS 3af)rc)unbert fieberten, war mer)r 
ein ©ieg ber Sauernfrei^eit al§ nationalbeutfdjer 
Sntereffen. 

@3 war fein ©rfafc für biefen attfettigen lieber* Sie 



gang ber beutferjen Sflachtftellung, roenn augleid) bic laoen bc$ 
ungefügen Umriffe be3 habSburgifdjen SöeltreictjS em* 6u ^ clI 
porftiegen. S)ie Sßermä^lung oon 2JcarimUian8 einjigem «3citrci^ö 
©ohne Philipp bem ©d)önen oon Surgunb mit Sohanna 
(Suana), ber Tochter be§ fpaniferjen $önig3paare3 fjer* 
binanb unb gfabefla 1496 hatte, ba ade ©cfd^roiftcr 
SohannaS oor it)r ftarben unb fie felbft nad) bem frühen 
$obe it)rc§ ©emahlä 1506 in unheilbare ©chtoermut 
oerfanf, bie ©ohne be§ ^aare§, ßarl (V.) unb fterbinanb, 
$u (£rben aller ßänber ihrer (Srofjeltero gemacht, 
©tatt nun, toie ßönig gerbinanb oorfct)lug, für fie 
groei $Reid)e, ein fpanifd)*italienifche§ unb ein öfters 
reicher) *burgunbifcr)e§, )U bilben, fefcte aJlajimilian 
unter bem erfdhütiernben ©inbruefe be3 ©iegeS oon 
üflartgnano burch, bafj biefe ganje, r)öd)ft oerf Rieben 5 
artige fiänbermaffe allein für ®arl beftimmt würbe- 
Unb ba er faft gleichzeitig, im Safere 1515., bie 



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332 



Xic tanbeBfttrftlt$»ftat>tifäe Bett 



(Sdjtoefter ®ari§ 3ftaria mit Cubtoig, bem ©ohne unb 
©rben $önig 2ölnbt)flaro§ oon Sööljmen unb Ungarn, 
feinen ©nfel fterbinanb aDer m ü beffen Tochter $lnna 
oerlobt hatte, fo toar ben #ab§burgern eine boppelte 
ÜHöglichfeit eröffnet, auch in Ungarn unb 93öhmen 
roieber jur Regierung ju gelangen. 

$ie beutfdje 2ftachtftellung toar auf allen fünften 
erfchüttert unb bie Reich^reform mißlungen, aI3 bie fo 
freubig begrüßte Regierung BJcarjmtltanS I. ^offnung§^ 
arm au ©nbe ging. 

* * 
* 

SHeAcptton $)a mürben noch mehr al§ bi§r)er ju Prägern 
römiT*eu ^ cr nationalen ©ntioicflung bie dürften unb bie 
»eg» (gtäbte, jene ber politifchen, biefe ber nurtfehaft* 
liefen. 3n beiben ^Beziehungen ftnb fte geförbert toorben 
burch ba§ ©inbringen be§ römifchen Rechte, genauer 
genommen nur be§ ^rtoatrecfjtS unb mancher ftaatS* 
rechtlichen ©runbfäfce. ®tet§ mar e§ ba§ gemeine Recht 
ber ßirche al§ Körperschaft getoefen, feit ftriebrich I. 
baju al§ faiferlicrje§ D^edt)t anerfannt toorben, unb ba 
junge $)eutfd)e in §unehmenber 3ahl an ben itatiemfehen 
Suriftenumoerfitäten, namentlich Bologna unb ^ßabua, 
ftubierten, fo fanben feine Vertreter balb ©ingang in 
ber faiferlichen Äanjlei (feit Karl IV.) unb im ßaifer* 
gerieft (feit griebrich III.) toie an ben beutfehen Uni* 
oerfitäten unb in ben fürftlichen Regierungen. $ie 
©tärfe biefeä fremben Rechts lag in brei fingen. (Segen* 
über ber 3erfefcung be§ Staats burch bie Übertragung 
oon§o^eit§recr)ten an Untertanen oertrat e§ ba§ SlUetn* 
redjt be§ dürften namentlich auf bie ®efefcgebung (quod 
prineipi placuit, legis habet vigorem); gegenüber bem 
taufenbfacr) $erf lüfteten, lebtglich burch örtliche $e- 
ftimmungen unb ffieiStümer (UrteilSfprüttje) fort^ebtl* 
beten beutfehen Rechte ftellte e§ ein bi§ in§ fleinfte fcr)arf* 
fmnig unb folgerichtig burchbacr)te3 Softem auf; gegen* 



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$cr Ccrfnfl t>cr bcutfrficn 3Warf)tftc«iiHn im Cften 



388 



über bem ganj naturalnrirtfchaftltchen ©cifte beg beut* 
fdjen Dtedjtg war eg bag 9ted)t einer burd) unb burcf) 
fapitalifrifd) = groferoirtfc^aftHd^en Kultur mit mobtli* 
ftertem ©runbbefitj unb freier Verfügung beg einzelnen 
über fein Eigentum. (£g entfprad) alfo ben Sebürfniffen 
ber auffteigenben ftäbtifchen, mehr unb mehr inbimbua* 
lifttfchen ©elbroirtfc^aft unb begftürftentumg in $eutfch* 
lanb. ©erabe beghalb, roeil eg bie Überlegenheit biefer bei* 
ben üftädjtefteigerte, mürbe eg »omfianbabel unb oon ben 
SBauernfchaften mit erbittertem $af$ jurücf genriefen, unb 
ficher ift eg, bafj feine SHejeption in $)eutfchlanb, fic mag 
fo erHärlid) fein, nrie fic xoxü, bie ftdnbifchen unb fojialen 
©egenfä^e in ber unheilooHften Söeife oerfchärft unb bag 
föechtgberou&tfetn beg Söolfg aufg fchmerfte erfdjüttert 
^at; benn bieg neue frembe föecht erfd)ien bem beut* 
fdjen SBeroufetfein thatfächlid) oft genug alg fchreienbeg 
Unrecht bie „Surifien" galten ihm alg „böfe ©hriften" 
unb „SBeutelfdmeiber." 

2)ie rein prioatrechtliche 9luffaffung beg auf ^«j?? t nbf *\ 
©erfchiebenften Otechtgtiteln beruhenben fürftltchen 93e* ganbftsnbc 
fifeeg fanb praftifd) feine ©chranfen junächft in ber 2Iug* 
bilbung ber ßanbftänbe auf ©runb ber ftonftitutionen 
griebrichg IL 3u folgen fchloffen fichfaft überall feit bem 
Anfange ober ber SJHtte beg oiersehnten 3ahrt)unbertg 
bie ©belleute, Prälaten unb ©täbte jufammen, in 
©ranbenburg noch oor, in 93anem, fünfter u. f. f. 
fdjon balb nach 1300, in ben mettinifchen Sänbern feit 
etroa 1350, in Öfterreid) wenig fpäter. ©ie wirf ten 
junächft bei ber Anlage ber alten Canbfteuer, ber fo* 
genannten S3ebe mit, erweiterten balb ihre Stacht, 
wenn ber Sürft über biefe unb über bie (Erträge feiner 
^oheitgrechte unb ftammergüter hinaug oag fianb für 
neue (Steuern ober für bie SBejahlung feiner <5d)ulben 
in Slnfprud) nahm, erlangten enblich für folche^SBe* 
wißtgungen oft wettgehenben ©influf? auf bie fieitung 
ber allgemeinen Angelegenheiten unb fchufen fich in 



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334 $tc (anbeftfdrft(t<9'ftftbttföe 3cit 



ihren 9lu§f Hüffen bafür balb ftänbige Organe. ®ic 
füllten fich nicht al§ Vertreter bei Territorium!, fonbern 
nur ihrer (Stanbelintereffen, aber fte traten fchon bei* 
halb ben fürftlichen Sanbelteilungen juroeilen entgegen 
unb förberten fo bie Übertmubung ber priüatred)tlid)en 
9luffaffung, alfo ben ©taatlgebanten burdt) bie aß* 
mähliche Einführung ber Unteilbarkeit bei Territorium! 
unb bei ©rbfolgerechtl nach ber (Srftgeburt roemgftenl 
in mannen ©ebteten. 5)iefe mürben feftgefetjt für 
bie Äurlanbe fd)on burdt) bie ©olbne 93utlc, für gan$ 
Sranbenburg burch bie Dispositio Achillea bei Kur* 
fürften Wibrecht 1473, für Württemberg bei ber ©r* 
Hebung bei Sanbe! $um ^er^ogtum unter ©bewarb im 
Sart 1495, für ba! alberttnifche ©acfyen 1499, für 
Sägern 1506, ftetl mit 3 u f^ mmuit 9 oe§ Genfer!. 
$te neue Sangfam begann ftch nun feit bem vierzehnten 
waitun?* 3«Wunbert in biefen Territorien eine neue Serroal* 
tung burdt) befolbete abfefcbare Seamte $u bilben; ber 
naturalroirtf<$aftlid)e ammen^ang jroifc^en bem 
$lmte unb verliehenem ©runbbefttj, alfo bie ©efahr 
ber Sererbung bei 2lmte! l)örte auf. $)ie 93efehl!b&ber 
ber lanbelberrlichen Surgen, ber natürlichen SRittel* 
punfte länblidher Sejtrte, 3ttänner ritterlichen ©tanbel, 
übernahmen neben ihren allmählich jurüeftretenben mili* 
tärifchen Sefugniffen all Pfleger (in Sägern), 3lmt* 
leute (im franfifchen Necf)t!gebiet), $rofte (in SBeft* 
falen), Sögte (im folonialen $)eutfd)lanb) bie ^ßolijei 
unb bal Slutgertcht über bie fchroerften Serbrechen unb 
würben nicht mehr belehnt, fonbern auf ftünbigung 
angeftellt unb am liebften mit beftimmten ©elbeinfünften 
unb Naturalbezügen aulgeftattet, alfo vom ßanbelherrn 
ganj abhängig. Neben ihnen ftanben für bie Sertval* 
tung ber fürftlichen „ftammergüter" unter ähnlichen 
Sebingungen bürgerliche „Kellner. * Noch entbehrte bie 
3entraloermaltung ber 6tetigfeit, folange bie ftürften, 
beren ©tnfünfte immer noch tvefeutlich aul Naturalten 



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ter «crfatt ber beutfdjen 9ftn<f)tftcKunfl Im Cftcn 335 



beftanben, ba bic ©täbte ©emerbe unb $anbel für 
ftdt) monopoltfterten unb finanziell ausbeuteten, ihren 
Aufenthalt beftänbig mechfelten, tote einft bie mittelalter* 
liefen ftaifer; jle nat)m feftere gormen erft mit bem 
9luffommen fefter föeftbenjentm f ünf sehnten 3cit)r^unbert 
an. Sieben einanber ftanben junächft ber (geiftliche) 
banaler für ben fdjriftlidjen SBerfehr unb einige oertraute 
(„heimliche," „geheime") SHäte (secretarii, consiliarii), 
bie mit Unterhalt, Naturalbezügen unb ©elbetmtahmen 
au§geftattet roaren. 9HU ber 5lu§bittmng fefter SRefibenjen 
traten bie Anfänge einer SBehörbenorgantfation mit 
fchriftltcher, alfo aftenmäfjiger SBermaltung auf; ein $of* 
geriet mürbe ba§ f)ö#fte ©ertcht be§ ßanbeS, ein Sanb* 
rentmeifter übernahm bie Oberleitung ber fürftlichen 
©inlünfte, bie freiließ immer noch nur jum fleinften 
Teil an biefer 3entralfteHe ©errechnet, meift bireft von 
ben Pflichtigen an bie berechtigten abgeführt mürben. 
9lm fdjärfften hat 9Jto£imtlian I. biefe SBehörbenorgani* 
fation nad) burgunbtfch-- frans öfif ehern Söorbilbe in ben 
öfterreichifchen Sänbern burchgeführt. 2>och überall 
lagen bie Sßolijet unb oft auch minbeften§ bie niebere 
©erichtSbarfeit in ben gänben ber ©runbljerren, unb 
bie gröfjern ©täbte maren thatfächlid) faft unabhängige 
fleine SKepublifen mit allen £oheit§rechten, bie SBirfung 
ber fürftlichen Sßermaltung alfo noch M* befchränft. 
Umfaffenber unb eingreifenber mirfte fchon bie fürft* 
liehe ©efefcgebung, namentlich in polizeilichen $lnorb* 
nungen. 

2Ba§ in ben fürftlichen Territorien erft in ben 2ln* ^ @ tabt 
fängen oorfjanben mar, ba§ hatten bie großem ©täbte njainmg 
auf engerm SRaume mit §ilfe ihrer auigebilbeten ©elb* 
roirtfehaft ooUftänbtg burchgeführt: eine alle ßroeige be§ 
öffentlichen Sebent umfaffenbe ©efetjgebung unb eine 
im föate jentralifterte *8erroaltung burch forgfältig ge* 
fchiebne, ftreng Übermächte unb jum Teil fchon feft 
befolbete Ämter für bie einzelnen 3 roe i9 e > ÖCrcn Träger 



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336 Xic lanbe*füritn(Htäbtifäc Bett 



ftcf) bewufrt waren, nicht für bic ißerfon ober ben ©tanb, 
fonbern für ba§ „gemeine SBefen" ju arbeiten, enblich 
eine burchgreifenbe SBefteuerung ber 93ürgerfchaft burch 
birefte unb inbirefte ©elbabgaben unb einen allgemeinen 
2Baffenbtenft. ©o würben bie großen beutfcfjen ©täbte, 
wie Strasburg, Dürnberg, ßübeef, bie erften Staaten 
im mobernen ©inne, ba§ Söorbilb für bie ftürftentümer. 
Söährenb in biefen baS ©cfüf)t ber 3ufammenget)örigfeit 
noch fef)r fchwad) war, lebte in ben ©täbten oft ein 
fchöner, aufopferungsfähiger, entfchloffener Sofalpatrio* 
ti3mu3 von faft anttfer ftärbung. 
ajaratur SBic 5U allen ßeiten ba§ ftriegSmefen bie polittfehen 
mitte" unb wirtfchaftltchen 3uftänbe auf8 treuefte wieber* 
153?" fpiegelt f o *eigt fid) in ben legten beiben ^ahrhunberten 
lucjcitö be§ 2Jcittelalter§ bie 3erfefcung ber SRetch§gewalt unb 
bie ©djwäche ber fürftltchen Territorien auf ber einen, 
bie ©tärfe ber ©täbte auf ber anbem ©ette in ber 
Unbehilfltchfctt be§ Angriffs unb in ber Überlegenheit 
ber SBerteibigung. $)enn bie ritterlichen SBafallenf (haften 
ber dürften waren gar nicht orgamftert, ferner in 93e* 
roegung $u fetjen, noch fernerer $ufammen$uhatten, ba- 
her wohl 8U furjen s 2lngriff3ftöf}en, aber nicht $u längern 
2relb$ügen oerwenbbar, fo wenig wie bie ftäbtifchen 
SJHliaen; ba$u hatte ftch immer mehr herauSgeftetlt, bajj 
biefe fchweren ^anjerreiter einem ftanbfeften, mit langen 
©peeren ober f5crntt>affen auSgerüfteten bürgerlichen 
ober bäuerlichen ftufwolf gegenüber faft immer ben 
bürgern jogen. dagegen waren bei tapferer S8ertei 5 
bigung fefte ©täbte fo gut wie uneinnehmbar. (Sin 
Umfdjmung jur Steigerung ber Slngripfraft trat erft 
ein, al§ man in ber tmtittn §älfte be§ brennten 
3ahthunberl§ bie treibenbe ftraft ber ©toffe beS alten 
griechifchen Breuers (©chwefel, £ol$fohle unb ©alpeter) 
entbeefte unb feit bem Anfange be§ oier^ehnten junächft 
in gtalien, bann auch in ftranfreid) unb $eutfchlanb 
fchwere s £ulüergefchüöe (93üchfen) für mächtige ©tem* 



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Ter Verfall ber bcutfdjen 9Äa<3f>tfte!Tuitfl im Dften 337 

fugein gofe. Xiefe Artillerie nmrbe rafch bie SBaffc 
ber tedjmfch ^oc^entroicfclten reichen ©täbte, gumeilen 
auch fdjon ber gürften, unb it>r gegenüber jeigten ftd) 
bie s Jlauern bet SBurgen oöflig roehrloS. 

SBa^renb nun ber miittdrifche Söert ber ritter** 
liefen ßriegSroeife immer tiefer fanf, würben durften 
unb ©täbte burd) ihre roachfenben ©elbeinnahmen 
in ben ©tanb gefegt, burd) Anwerbung von be* 
johlten ©ölbnern ein technifd) gut gefdjulteS, leicht oer* 
wenbbareS unb öerhältntSmä&tg auoerläfftgeS ftufc 
voll aufstellen, ba§ bie SBebeutung ber alten £ehn§= 
reiterei noch mehr herabbrüefte. STCachbem bie gtaliener, 
SBurgunber unb gran$ofen (mit ber Anwerbung ber 
©chroeijer) oorauf gegangen waren, fcfnif juerft Katfer 
9Jla$imtltan in feinen nieberlänbifchen Kriegen ein 
nationales, wef entlich oberbeutfcheS ©ölbnerheer, bie 
Sanb§tned)te (b. h- Ktnber be§ öanbe§). 3^re SBerbung 
unb Aufhellung (3Wufterung) übernahm auf ©runb eine§ 
©olboertrageS für eine beftimmte &it ober Aufgabe im 
tarnen be3 ^rieg§^erm ftet§ ein grof?er Unternehmer, ber 
ftelbhauptmann, mit einer Anjahl fleiner Unternehmer, 
ben §auptleuten, bie bie einzelnen „gühnlein" (ju 400 
bi§5009ttann) aufbraßten, ©leidhmäfng mit bem langen 
(Speer, in Keinem Abteilungen auch wtt jmeihänbigen 
©chladjtfchwertern unb mit Feuerrohren bewaffnet, for= 
mierten ftd) bie ßanb§fned)te für bie (Schlacht fjä^nlctn 
für fjähnlein im „geeierten Raufen" unb entfehieben 
ben Kampf nach etnfeitenbem fteuergefecht in furcht* 
barem ^ufammenprafl ber fpeerftarrenben Staffen mit 
ber blanfen ffiaffe. 9iafd) nmd)§ unter biefen ©efellen 
ein ftarfer 3unftgeift au f / ber ftreng auf §anbmerf§- 
rege! unb £anbn> erwehre hielt, baher auch über fernere 
Vergehen ber ©enoffen felbft ba§ Urteil fanb, um e§ nach 
bem „fechte ber langen ©piefje" in ber „©peergaffe" 
ju ooflftrecfen, unb bie Pflicht gegen ben Kriegsherrn 
galt nur foroeit, al£ e§ biefe @h*e $uliejj unb ber ©olb 

Ter ^cvbcflann be* bcutjctjcit ^ollcv I 22 



338 Tic ranbcSfürftltcMtäbtiicfK Seit 



pünttlid) bejaht tourbe, toag nicht oft oorfam. Smmer* 
hin roaren jefct nueber Slrieglunternehmungen in großem 
<5tite möglich- 

»crflbnu S)te Littel $u foldfjen Umgeftaltungen floffen für 
bie dürften am reichltchften au§ bem Bergbau, für bic 
©täbte au3 ben (Srträgntffen be§ §anbel§ unb be§ 
§anbrocrf§. $er Bergbau, allerorten IanbeSfürftlicheg 
föegal, aber oft oon einzelnen ftäbtifchen Unternehmern 
unb ©etoerffchaften auf ©enrinnanteile (^ujce) betrieben, 
blühte oor allem in $8ö(jmen (Sfttttenberg) , im @rj* 
gebirge, n>o 1458 Miltenberg, 1471 (Schneeberg, 1492 
3Innaberg fünbig würben, in $irol, in ben dauern, in 
©teter marf, Kärnten unb ßrain. *8or allem ber 93au 
auf (Sbelmetaüe, namentlich auf ©Uber, lieferte fo un- 
geheure Erträge, bafc überall bie bünnen ©ilbermünjen 
(SBrafteaten) ber frühem 3*i* buret) „$icfpfennige" ober 
„©rofehen (grossi)" oerbrängt tourben unb ber 2öert 
ber ©belmetafle jurüefging, alfo bie greife ber Sebent* 
bebürfniffe ftiegen. 
9ius= ®er £anbel be£ Horbens war mit bem ©inten ber 
be* nÄ §anfa in langfamer Abnahme. S)a ber §of oon üftoro* 

^onbei« g 0roö/ obwohl er 1514 nrieber geöffnet rourbe, bie alte 93e= 
beutung ntdr)t roiebererlangte, unb Brügge, al§ fetn^afen 
oerf anbete, feit etwa 1490 oon Antwerpen überflügelt 
würbe, fo ftanben oon ben alten ftoljen Äaufhöfen 
nur noch Sergen unb Sonbon aufrecht, in ber Oftfee 
aber machte ftch bie ®onfurren$ ber Sftteberlcmber immer 
empfinblicher fühlbar. $>afür gelten bie oberbeutfdjen 
ßaufleute nicht nur ihren alten SBerfehr mit Italien, 
namentlich mit SBenebig, feft, wo it>r gonbaco noch 
1505 neu aufgebaut unb ausgemalt mürbe, fonbern fie 
brangen, inbem fie Söerbinbungen mit bem rafdj auf* 
blühenben Antwerpen anfnüpften, auch in ba§ £anbel§s 
gebiet ber §anfa ein unb gewannen, al§ Öiffabon feit 
ber ©ntbeefung be§ biretten ©eewegeS nach Snbien 
1498 ber erfte Umfchlagplafc für biefen neuen Sßerfehr, 



v 



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Xcr Verfall ber bcutfrfjcn SWacfjtftcUuug im Oftcn 339 

oor ädern mit ©eroürjen, mürbe, rafch unmittelbaren 
Anteil an biefem lange 3 e ^ überaus gemtnnretdjen 
§anbel, unb jroar burd) Schiffe, bie ftc auf eigne föed)* 
nung befrachteten, unb mit eignen 3faftoreten, roie bie 
2Belfer oon 2lug§burg. Daburdj ftieg befonberS ber 
D^^einoerfe^r unb bie SBebeutung ber Steffen oon ^ranf- 
furt a. $Jl. gür ben Stforboften gemann 8eip$ig, beffen 
Steffen Sftapmtlian L 1497 unter ben ©crjufc be3 9^eict)e§ 
fteOte unb 1505 mit bem ©tapelredjt auf fünfeehn Steilen 
in ber 9tunbe befonberä prioitegirte, eine ähnliche 93e= 
beutung, unb bie norboftbeutfdje $uchroebcrei fanb er* 
tragreiche Sflärfte in ^ßolen, Ungarn unb ber dürfet. 

Zugleich nahm ber £>anbel neue grormen an. SS)a 3"i>jyi 
ber 3vn3f u f$ rafch bi§ auf 5 ober 4 ^rojent fanf, ber fapüniut! 
ßrebtt mit ber junehmenben Sicherheit ftieg, fo bilbete 
ftd) ber ©elbhanbel rafch 8« **nem befonbern 3wcige 
au§. ©eit 1400 rourbe auch in 3)eutfchlanb ber 2Bed)fel 
ein gewöhnliches 3 a # u "03mittel, * n SJtcmffurt a SR- 
entftanben 1402, in Sübetf 1421, in Dürnberg 1498 
SBanfen, bie rafch auch ben 5)epofiten- unb ©trooerfehr 
einführten, unb ein fcharfeä ©Aufbrecht fieberte ben 
©laubiger, ftnbem fich nun ba§ flüf fig gemorbne Kapital 
an ben mannichfalttgften Unternehmungen, oft mit 
ungeheuerm ©erotnn, beteiligte, begannen ftd) in ben 
§änben einzelner mit überrafchenber ©chneHigfeit grofce 
Vermögen ju fammeln. 3)iefe ^aoitalbilbung fteigerte 
fich «och, al § fid) ©ruppen oon Unternehmern $u £an* 
belSgefeUfchaften auf gemeinfame Rechnung unb ©efat)r 
jufammenthaten ober gar in ganj moberner SBeife 9iinge 
bilbeten, um beftimmte Slrtifel ju monopolifteren unb 
bie SßreiSbübung fünftlid) ju beherrfchen. So entftanben 
bie erften großen ©elbmächte ber 3*tt, b\t ftüQQtx, 
Söelfer, #öd)ftätter u. a. m. Sie begannen nicht blofc 
ihre ©täbte finanziell ju beherrfchen, de fauften auch 
ben oerarmenben 9lbel au§ unb mürben länbliche ©runb= 
herren, fte untermarfen ftch als ©läubiger oft fogar 

22* 



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340 



£ic tonbeSffttfHidj ftiibtijdje Bcit 



bic s $olittf bet durften. $urd) bie perfönlidje Züdjtifr 
feit be§ einzelnen emporftetgenb , burdjbrac^en fie mit 
if>rer gan$ tnbtoibualtftifdjen 2Birtfd)aft überall bie 
fojialiftifd) S genoffenWaftU^e ©ntmidtung' be§ Littel* 
altert unb matten in fdjroffem SÖiberfprud) mit ber 
naturalmirtfc^aftIict)^trd)enred)tUc^en 9lnfdjauung, bie 
in ber Arbeit unb im $8oben bie nrirtfd)aftlid)en ftah 
toren gefeiten Ijatte, ju beren mtd)tigftem ba§ bemeg* 
licrje unperfönlicrje Kapital. 
CHnfCuft @3 mar nun gar nidjt $u r»erl)inbern, ba& biefe 
"anöÄ inbimbualiftifö * fapitaliftifdje ©ntmitflung aud) bie 
ßünfte ber §anbmerfer ergriff unb bamit bie t ©runb- 
lagen ber 3 un f tüe ^f«ffung jerftörte. ©injelne Sfletfter 
mürben fabrifmäfnge Unternehmer, begannen roo&l aud) 
JHinge ju bilben, erfd)merten, um bie ftonfurren$ ab- 
$ufd)netben, ba§ Üfteiftermerben unb trieben baburct) 
bie ©efeflen, beren nunmehr nur nod) roenige bie§ 3^ 
erreichen tonnten, baju, ftcf> al§ ein befonbrer ©tanb in 
grofeen lanbfd)aftlicr)en Söerbänben im ganzen 9$eid)e ju 
organifteren. $urd) bie bamalS auffommenbe Söanber* 
fcr^aft rourbe ba§ ©efüljt ber ©emeinfc^aft gemaltig r»er* 
ftärtt. ©o brangen bie ©ef eilen in ba§ ©emerbegeridjt 
ber 3 un f* c ™> erlangten ©tnflujj auf bie SInnafyme ber 
Cefyrlinge unb tonnten fdjon burdj umfaffenbe Arbeits- 
einfteflungen auf bie fioljnbilbung einroirfen. $)ie folgen 
biefer Umgeftaltung be§ alten 3unf troefeng maren tec^nifdt) 
infofem günftig, al§ fic bie 5Iu§bilbung be§ Shinft* 
gemerbeS unb tecf>nifdt)c Söerooflfommnungen förberte, 
üor allem bie uennelfältigenben fünfte. Unter biefen mar 
bie mirffamfte aller Reiten, bie 93ud)bruderfunft, 
bie (Srfinbung be3 9flatnaer $atrt$ier§ 3ol)ann ©en§= 
fleifd) jum ©utenberg, furj nad) 1430, ber bamalS ben 
entfcrjeibenben «Schritt com längft üblichen ^lattenbrucf 
jum $)rud mit beweglichen 9ttetafltupen tr>at unb e§ 
nod) erlebte, bafj ficf) feine „fdjroarje ftunft" in Serbin* 
bung mit bem neuen 23ud)l)anbet in reifienber ©dmeflig* 



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Xcr Verfall ber bcitndKit 3Wfld)tfic!lini« int Often 341 

feit über ©uropa oerbreitete. 3n fokaler Ve^iehung 
überwogen bei ber 3crfet3ung ber alten 3unftorbnungen 
bie 9ta$teile: bie faft ^eimatlofe ^Beweglichkeit be§ 
©efeflenfianbeS unb bie Verftärfung btefer un* 
fiesem, oft unjufriebnen SBeftanbteile burch bie jahl* 
reiben bcft^Iofen Tagelöhner in ben ©täbten unb bie 
3uwanberung mittellofer £eute com notleibenben 
platten fianbe. $)a§ afle§ brängte im ©egenfatje 
ju ber ariftofratifd)en dlat& unb 3 un f tocr föffung 
auf eine 25emofratijierung ber ©tabtoerfaffung J)in 
unb führte im fünfzehnten Safjrhunbert in oielen ©täbten 
ju fchweren @rf Fütterungen nur, feiten $u einem fo weifen 
unb billigen $Iu3gleid) wie in Strasburg burtf) bie 9leu; 
orbnung oon 1425 — 33, bie bem rein f auf mann ifchen 
^ßatrijiat unb bem 9fat eine 2Irt oon Unterhaus in brei= 
hunbert ©Höffen au§ ben 3ünften gegenüberfteflte. 

$)ie Verteilung be§ 2öof)lftanbe§ in ben ©täbten mar «u*Wen 

unb Letten 

burch bie neue 2öirtfd)aft§ weife jwar ungleichmäßiger ber etowc 
geworben al§ früher, aber er felbft war roef entlich 
geftiegen. $ie ©inwohner$ahl erfcheint, oerglichen mit 
heutigen 3iff*™/ alg niebrig, aber fte mar weit gleich- 
mäßiger oerteilt, ba wirfliche ©roßftäbte, wie ftranf= 
reich in s £ari§ eine befaß, in $eutfd)lanb nod) gänzlich 
fehlten. Um 1450 (jatte Dürnberg, eine ber anfehn* 
Haften, gegen 20000 ©inwofmer, ©traßburg über 16000, 
Vafel etwa 15000, ftranffurt nur 7000, 9^ainj 5000 
bis 6000, ftoftorf 14000, $)an$tg wofu* über 16000. 
Sttod) trieben faft alle ©täbte ftarfen Sltferbau, unb in 
ber unmittelbaren 9*äf)e ©arten* unb Söeinbau; batjer 
fd)üt>ten fte auch ben weitem Umtrete gewöhnlich burch 
eine „8anbwef)r" (2öaÜ unb ©raben) mit SÖarttürmen. 
dahinter erhoben fid) bie gemaltigen, oft boppelten 
©tabtmauern mit SHauertürmen (Söighäufern) unb 
hölaernem Seegang hinter ben 3innen, an ben feiten 
angebrachten, jumeilen fünftlerifd) geftalteten Thoren 
noch mit ftarfen Vorwerfen gefchüfct. ©ie umfchloffen 



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342 



Sie fontcftfürftlUI »fftttHföe vjcit 

# 



bei alten Stäbten be§ 9Jiutterlanbe3 ein ©eroirr un= 
regelmäßiger, enger ©äffen unb ^ßläfce, in ben kolonial* 
ftäbten metft eine leidet überficfjtliche, rechtwinfltge 2ln* 
läge. $)ie Käufer, mit bem fchmalen, fpifcen ©iebel 
nach ber Straße geteert, waren bi§ in§ oieraefmte 3ahr* 
hunbert burtfjweg au§ §ol$ unb ftachwerf gebaut, mit 
Stroh ober Sd)inbeln gebecft unb enthielten im @rb- 
gefchoß über tiefen Gedern oft hinter fiaubengängen 
Söerfftatt ober tfabeu, in ben obern Stocfwerfen ein* 
fache 2öohn* unb S3orrat§rftume; erft fpäter begannen 
wohlhabenbere Bürger in 3^9^ ooer ^teitl $u bauen 
unb juroeilen felbft ®la§fenfter anzubringen, dagegen 
gelang e§ nur ferner, bie ungepflafterten ©trafen oon 
ben heften rein länblichen $afein§, bem Düngerhaufen 
unb ben frei umherlaufenben Schweinen ju befreien, 
noc^ fpäter, fle $u pflaftern unb mit öffentlichen Brunnen 
§u oerfehen. 93on einer Straßenbeleuchtung war noch 
feine SRebe. Stattlich aber erhoben ftd) oon jeher bie 
hochgegiebelten Otathäufer, bie „2lrtu3höfe" ber h<*n* 
fifchen ©efdjlechter unb manche 3unftbäufer, bie turm= 
reichen Kirchen über ben grünen Mügeln ihrer fjrieb* 
höfe unb bie langen fronten ber 5^löfter. ©inen burch 
£hore ganj abgefperrten Stabttetl bilbete bie 3uben= 
ftabt, unb auch fonft wohnten bie 9Jcitglieber einer ©e= 
noffenfchaft, namentlich ber 3ü n f* e > 9 ern gaffenmeife 
beifammen, an ben SJcauern auch bie öffentlichen kirnen. 
Saut unb geräufchooH bewegte fich ba3 gefellige Seben 
weit mehr al§ tyutz in ber Dffentlichfett, vor allem an 
2Jcarfttagen ober an hohen ßirchenfeften, wenn figuren* 
reiche Slufaüge ober ein „«Spiel" taufenbe oon 3ufchauern 
anjog, ober ber tolle Ubermut unb 3Jiummenfd)an$ ber 
„ftafelnacfjt" burch bit ©äffen tobte, ober an ben großen 
Sctjüfcenfeften, bie fich feit bem oierjehnten 3at)rhunbert 
augleich ju ernfter SBaffenübung unb fröhlichem Spiel 
geftalteten. 2lu§ ber berben fiebenSfreube einel fraft* 
uoüen, finnlichen, leicht erregbaren ©efchlecrjtö ergaben 



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Xcr Verfall ber beulten aWacftfitellunfl im Ofictl 348 



fid) oft grobe 2Iu3fd)reitungen unb in ©peife unb £ranf, 
in ftleibung unb ©cfjmucf ein übermäßiger ÖujuS, 
gegen bie fid) aud) ftrenge Söerorbnungen be§ SRatS 
unb fd)arfe3 Eingreifen ber fyanbfeften ftäbtifd)en s $oli§ei 
wenig wirffam erwiefen. 

$8on allebem, wa3 bie ©täbte förberte, war nun ®^^ bc# 
ba§ platte £anb gegen Enbe be§ 2Jhttelalter3 ftrenger 
auSgefdjloffen al§ je, benn ©ewerbe unb £>anbet waren 
burd)au3 Sflonopole ber ©täbte geworben. S)a3 platte 
Sanb, 2tt>el unb dauern, blieben alfo faft gan$ auf bie 
Erträge einer 9iaturalwirtfd)aft befdjränft, bie nur feiten, 
wie in ben Sftieberlanben unb am Sftteberrfjein, ferjon jur 
ftrucrjtwecfjfelwirtfdjaft mit ©taUfütterung unb gefteu 
gerten Erträgen überging, fonft überall nod) bei ber 
$)reif elber wtrtfdjaft befjarrte unb obenbrein bie greife 
i&rer Erjeugmffe, trofc ber wadjfenben 93eoölferung / 
immer weiter ^erabgeljen fal), ba ber gefleigerte *Ber= 
fefjr jetjt auswärtige 3 u M r ermöglidjte. 9lm empftnb* 
tieften traf bie§ ben 2Ibel, ben einft ^errferjenben ©tanb. 
3n feiner militärtfdjen Söebeutung immer meljr Ijerab* 
gebrüeft, erlebte er nun aud), ba& feine Einfünfte ab* 
nahmen, unb er befdjteunigte feinen wirtfdjaftlicrjen 
Verfall felbft burd) fortgefefcte Erbteilungen, bie f)un* 
berte oon ©efd)led)tern ju ©runbe richteten unb tfjre 
©üter oft an ftäbtifdjje ^ßatrijier brachten. Unb bod) 
wollte ber Slbel nad) wie cor nod) immer nur mit ber 
©äffe bienen. Slber oerf)ältni§mäfng wenige fanben 
im ©olbbienft ber dürften unb ber ©täbte, aud) im 
2lu3lanbe, eine entfpredjenbe $8efd)äftigung; weitaus 
bie 2ftet)rjaf)l oergeubete i&re Äraft in wilben Qagben 
unb wüften 3 cc ^9 e ^ a 0 cn 0Der * n ° cr Söegelagerei ober 
enblid) in red)t* unb finnlofen, lanboerberbenben 3*l)ben 
gegen bie „ßrämer" unb „^ßfefferfäcfe" ber ©täbte. 
®enn mit $af? unb Sfteib fal) ber Ebelmann auf beren 
Söoljlftanb, unb ber SriegSauftanb jroifcrjen 9lbel unb 
©täbten bilbete bie [Regel 



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« 

844 



Tic loubesfürftltcMtQbtifctye 3cit 



frfuH f c ^ n,cr ^ cn ^ a P cn a ^ cr biefer unruhigen Uber* 

bc§ 9 gang3$ett legten ftch auf bie Staffen be3 fianboolf§. 
,böoir * fiängft mar ber Bauer roebrloä, mit Aufnahme einzelner 
Canbfchaften, unb ba§ mar fein grö&teS Unglücf, benn 
nur ein mehrhafteS 33olf ift frei, ©eitbem bann ber 
93eoölferung3abfIu& nach ben ^oloniallanben be§ £)ften§ 
aufgehört hatte, trat im Söeften eine t>erbältni§mäjjige 
Überoölferung ein. ©ie führte jur Teilung ber £ufe, 
foba| baS neue 9iormalgut, eine SBiertelhufe, einer 
SBauernfamilie nicht mehr genügte, bafjer jur Qerfdml» 
bung unb $lu§n>ud)erung burd) Suben unb Qhriften, 
enbltch $ur Seibeigenf djaft ber fianbbeftfclofen, bie im 
fünfzehnten Sahrhunbert an Qcifyl rafd) junabmen unb 
balb ju einem gefährlichen tänblichen ^roletariate 
mürben. 3)aju begannen ftch nun bie finanjiefl be* 
brängten ©runbherren an ihren Sauern $u erholen. 
3n Söeftbeutfchlanb, wo fte faft nur von ben ©elb= 
unb 9^aturaljinfen ihrer Unterthanen lebten, fteigerten 
fie biefe roiEßürlich; fie behanbelten ihre Pächter unb 
3in§bauern al§ fieibeigne, feffelten fie an bie ©chode, 
fürjten ihnen ihr Erbrecht an biefer unb nahmen enblid) 
bie gemeine 2Harf als ihr Eigentum tnSInfprud), entzogen 
alfo ben bisherigen 9ftarf genoffen 2Beibegang, $ol^= 
fchlag unb 3»agb ober gematteten ihnen biefe Sftutjungen 
nur gegen fchmeren ©chliefjlich bebrohten fte feit 
bem fünfzehnten Sahrhunbert jebe Abwehr be§ äcfer* 
oermüftenben §ochroilb§ al§ SBilbfreoel mit ben grau- 
famften ©trafen, fogar mit SBerftümmlung unb SBlen* 
bung. 3)abei mürben fte von ber immer mehr um ftch 
greifenben Mnmenbung römifcher SHechtSgrunbfätje unter* 
ftü^t, bie oon bem harten römifchen ©igentumSbegriffe 
au§ jene halbfojialiftifchen 9hifcung3red)te als ©eroitute 
an frembem ©igentume auffaßte unb nur Colonen unb 
©flaoen, aber nicht bie mannich faltigen formen beä 
CbereigentumS unb ber bäuerlichen $lbbängigfeit3oer= 
hältniffe im beutfchen Agrarrecht fannte. 3nt lolo^ 



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Ter Verfall ber beutfcfjcit TOatfjtftcUimg im Cftcn 



845 



nialen $>eutfchlanb, mo bic ©runbherren felbft nrirt* 
f hafteten, benähten flc ihre ©ericht^ unb ^olijei-- 
gemalt auf? er bem allen noch ba$u, bie ^Bauerngüter 
ju „legen/' b. h- einziehen, um fie im Qntereffe ber 
blühenben ftäbtifchen £uchmacherei in einträglichere 
©chafmeiben §u oerroanbeln. 

Nun gab e§ genug vernünftige unb mohlmollenbe Grünte 
©runbfjerrfchaften, unb in einzelnen ßanbftrtchen, wie 
in Bommern, um Ottenburg, in ftranfen, im ©Ifafj, niele 
mohlf)äbtge dauern, bie ju 3eiten etroa3 brauf gehen 
liefen, aber im ganzen mar boch ber SBauer ba§ Caft? 
Her, ber ^ßaria biefer beutfehen ©efellfchaft geroorben. 
2luf ben engen ©orizont feiner $)orffIur befchränft, von 
aller fjö^em Sötlbung au§gefd)loffen, mürbe er felbft in 
ber ftäbtifchen ßitteratur unb $unft biefer al§ 
Tölpel, Riegel, 5lcfertrappe, furj al§ Inbegriff alles 
2öibermärtigen unb iRotyn nerfpottet. $)a§ alte ®aifer= 
tum hatte ben „Wäfjrftanb" ber Nation buref) feine 
ßirchenpolittf fraftuoll gefchüfct; al§ e§ oerfiel, geriet 
er in bie ®ned)tfchaft ber übermuchernben ariftofra= 
tifd^en ©eroalten. Unb ba§ alleS, roährenb er ftd^ in 
ftranf reich unb ©nglanb ju Freiheit unb ©elbftanbig* 
feit entroicfelte, in Böhmen mit feinen $)refchflegeln bie 
gepanzerten SKitterheere jerfchlug, in ber ©chroeia eine 
bäuerlich 5 ftäbtif che SBunbeSrepubltf begrünbete unb in 
Oberbeutfchtanb burch ben 8anb§tnecf)t§bienft felbft nrie* 
ber mehrhaft $u merben begann. 

3)a büßten benn, nachbem zahlreiche (£rh eDUn 8 cn bäuerliche 
megen örtlicher Söefchroerben im ©übmeften uorange; Wnn, & eu 
gangen maren, rabifat^ommuniftifche Sbeen auf, bie ftch, 
mie bei ben £uf fiten auf bie heilige <5<hrift unb auf bal^r* 
mut§t>orbilb firchlicher Drben beriefen. 3 uer ft gefchah 
bie§ 1476 im Sßürjburgifchen in ben SHeben eine§ jungen 
befifclofen ©emeinbehirten unb 2) orf mutanten, be§ 
Johannes SBöhm in 9itfla§haufen an ber Zauber, unb 
fie fanben bei taufenben, bie ihm von nah unb fern 



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346 



lic (anbcfcfürftlidHtäbtiföe 3clt 



juftrömten, roilligeg ©ef)ör. ©r mürbe furjer £anb 
ergriffen unb al§ Sieker uerbrannt. Slber 2Jcijjernten, 
©eueren (barunter bie neue „gallifche ftranfheit") unb 
ßriegSnot machten ba§ oberbeutfehe Sanboolf unb mit 
ihm ba§ roachfenbe ftäbtifche Proletariat immer em= 
fänglid)er für bie fielen be§ gemaltfamen UmfturjeS, 
ber fogar burch ba§ äöort ©otteg geboten ju fein festen. 
Um 1493 traten fich bie dauern be3 SiStumS ©tra&burg 
unb bie «ürger oon echlettftabt für meltliche unb firch= 
liehe Reformen, unter bem3eichen be§ „93unbfd)uh3," be§ 
93auernfchub£ gufammen, unb feit 1502 überwog Qofjgrriö 
ba§ ganje obere SHbeinlanb burch Sanfterer unb 93aga= 
bunben mit einem SRefce von SBerfchmörungen $ur 58er* 
mcrjtung aller ftürftengeroalt unb jur ©rünbung eine§ 
ftarfen SlaifertumS. $aum mar biefe93emegung im §erbft 
1513 äußerlich unterbrüeft, ba oerfchmor fich 1514 in 
SÖürttemberg ber „armeßonrab," b. t. ber 93auer mit bem 
ftäbtifdjen Proletariat gegen bie graufamen S^gbgefe^e 
be§£er$og3 Ulrich unb ba§ römifche SRecrjt; gleichzeitig 
er hob fich bie beutfdje unb flamifche SBauernfdmft ber 
bftemetdnfdjen ßanbe gegen bie ©runbherren. Überall 
mürbe man noch b*t ©rr)eburi0 burch fchonungSlofe Sölut- 
geriefte £err; aber niemanb nerhehlte für), baß bie 
fonferoatioften ©tänbe, bie dauern unb in oielen 
©egenben auch ber Sanbabel, burch bie einfeitig fajnta* 
liftifche ©ntmtcflung ber <Stäbte rettungslos auf bie 
Söafm ber SHeoolutton gebrängt mürben. $>enn roo mar 
bie monarchifche 3J2acht, bie bie rohe ftänbifdje @elbft= 
fucht aller klaffen ber ©efeflfehaft gebänbigt hätte? 
Haftt ber 5luch oon ber Kirche tonnte bie Rettung nicht 
snr(t,c fommen, benn fie hat abgefehen baoon, baß fie fojiale 
Aufgaben unmittelbar gar nicht löfen tonn, burch *h*e 
Prarte biefe ©egenfäfce noch oerfdjärft. Niemals mar 
bie ©eiftlichfeit zahlreicher unb mächtiger gemef en. Sieben 
ber 2öeltgeiftlid)fett hatten [ich bie DrbenSleute unermeß- 
lich oermehrt; fie befaßen j. 23. in bem einzigen Sftürn* 



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Sex Verfall bev bcutfrfjcn 9Wad)tftelIung im Cftett 347 



berg 9, im 93ranbenburgtfcr)en 85 Jllöfter, bic 9 %om- unb 
^oüegiatftifte noch ungerechnet $er Kirche gehörte ein 
drittel aHe§ ©runb unb $8oben§ im deiche, eine ganje 
2ln$ahl geiftlicher 3rürfientümer, unermeßliche ©infünfte 
au§ ben Ahnten, frommen Stiftungen unb2Iblaf?gelbern. 
SBon jeber weltlichen ©ericr)t§barfeit befreit griff fie 
bod) buret) ihr eignes ©ericht in @he s unb 3ramilten* 
fachen beftänbig tief in ba§ Seben ber Saien ein. 
$8or allem ba§ ganje ftttlicrj-religiöfe fieben ber £aten 
fpannte fie in fefte frornten, befonberS burd) bie 
ßefjre oon ber 58erbienftlid)feit ber fog. „guten Söerfe," 
ber ©ebete, be§ 3JJeffehören§, ber frommen ©tif; 
tungen, ber 2öaUfahrten nach einfjeimifdjen unb 
fremben ©nabenörtem bi§ nad) dlom, St 3fago in 
Spanien unb oor allem Serufalem, motun unter 
anbern oor nehmen pilgern auch beutfdje dürften, 
wie 2Hbred)t oon ©achfen 1476, gemöhnlid) oon $8ene* 
big au3, fuhren. Unb e§ mar rote eine auf ©egen* 
feitigfeit beruhenbe Sßerficheruug, roenn ben ÜJUtgliebern 
ber gatjHofen frommen 93rüberfd)aften bie frommen 
Söerfe jebe§ einzelnen toie ber ©efamtheit $u gute ge* 
rennet unb mit faufmännifäer ©enautgfett gebucht 
mürben. 

$)a3 aüe§ entforad) bem 9iominalt3mu§, ber feit Komina* 
bem meinten 3a$rbunbert ben gtealifcmtS au8 ber JfS. 
fcr)oXaftifdt)en 9lnfd)auung mehr unb mehr oerbrängt mm{ * 
hatte.*) $)enn ber 9lominati§mu§ beftritt smar bie oer* 
ftanbeSmäfiige SöemetSbarfeit ber Offenbarung, ba bie 
(£rfenntni3fähigteit be§ Sflenfcrjen baau nicht ausreiche, 
forberte aber, ba ihm bie geoffenbarten ©tauben^* 
ma^rheiten an ftd) feftftanben, bie unbebingte Unter* 
toerfung unter fie, ftärfte atfo bie Autorität ber Kirche, 

•) Xer StominaliSmuS fafetc bic 3been («ßlatoS) als blofee ab« 
ftrafjierte ©egriffe (nomin a), ber {Realismus aI8 mirflid) criftierenbe 
Xtngc (res), glaubte alfo an bie f3räf>iQfeit bes Üttenid)en, überirbtitfje 
Xinge erfennen au fönnen, toaS ber ftominaUSmuS in Hbrebe ftettte. 



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348 



Xic lanbcÄfüiftlid) ftäbttfd)c ^ctt 



bie fte lehrte, unb fefcte fomtt an bic ©teile ber inner* 
liefen Aneignung bc§ £eil3 burch ben ©lauben bie 
äußerliche Unterwerfung unter ba§ ©ebot ber Stirpe. 
Xic mmt 2lllerbing3 gab e§ neben biefer r»eräuf?erlichenben 
Sluffaffung innerhalb ber Kirche felbft fortroährenb 
anbre, innerlichere Dichtungen. 9Hct>t auf r»erftanbe§= 
mäfjig fpefulatioem Söege, fonbern unmittelbar oon bem 
innigen BebürfniS ber gläubigen ©eele au§ erftrebten 
2Hnftifer nrie ber gro&e $ominifaner 9Jieifter ©cfarb 
(geftorben 1327) unb feine ®d)üler Johann fauler 
unb Heinrich 6ufo bie unmittelbare Bereinigung ber 
Seele mit ©ott unter bem Btlbe ber hüntnltfchen 9Jcinne, 
ofme priefterltche Vermittlung. 2>iefe SWnftif ergriff be* 
fonber§ bie frrauenflöfter; fte oerbreitete ftch aber auch 
im oberbeutfdjen Bürgertum unb führte noch im nier* 
gehnten Sabrbunbert $u ber meitoer^meigten Berbin* 
bung ber „©otteSfreunbe," für bie ein ©trafjburger 
Kaufmann, Dule Stterfroin (geftorben 1382), ein Beichte 
finb $auler§, befonber§ rührig bie fteber führte, ©in* 
mehr praftifcfje Dichtung fdijlug, |unächft in ben Dieber* 
lanben, bie ©enoffenfdjaft ber „Brüber t>om gemein» 
famen Seben" (§ieronnmianer) ein, bie ©eert ©rot 
unb Florentius DabroinS gegen @mbe be§ oiergebnten 
SahrbunbertS in 5)eoenter ftifteten. $)ie „Brüber" bxU 
beten freie Bereinigungen t»on etroa jroanatg Männern 
unter einem Deftor (^ßrior) unb betrachteten al§ ihre 
Hauptaufgabe bie Verbreitung guter Bücher unb bie 
fittlich^religiöfe Unterroeifung be8 Bolfe§ burch ?re* 
bigt unb ^ugenbunterricht in ber Bolföfprache. Balb 
breiteten fich ihre Käufer, t»om ©tammhaufe $et>enter 
juf ammengehalten, über ben gangen beutfehen Dorben 
big nach ^reu&en hin au§. s 2lu8 biefen Greifen be= 
fonber§ gingen bie zahlreichen Bibelüberfefcungen (nach 
ber lateinifchen Bulgata) tyxvox, beren man bi§ auf 
Suther etroa jroanjig gäblte, oor ädern aberba§ ebelfte©r* 
bauungSbud) ber praftifchen 9Jlnftif unb ber mittelalter^ 



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$cr $crfnl( bcr beutfrficn SÄa^tfteffung im Oftcn 



349 



liefen $ird)e überhaupt, bie „9tad)foIge ©^rifti" (de 
iuritaticme Christi) be§ $f)Oma§ a ftemptS (SfjomaS 
§amerfen au§ Kempen, ßf)orf)errn auf bem Signeten* 
berge bei 3n>oüe, geftorben 1471), ber bie Nachfolge 
^rifti im ©rtöten ber ©elbftfudjt unb in fyingebenber 
©otteäliebe fud)te. $ud) bie (Smtroitflung ber beutfdjen 
s $rebigt burd) Scanner roie ©eiler von SSaiferSberg in 
Strasburg unb burd) bie 93ettelorben überhaupt, bie 
Spenge ber ®ebet3= unb Slnbad)t§büd)er, ber ^ßrebigt* 
fammlungen unb ftatedjiSmen, bie burd) bie neue 93ud)* 
brurferfunft bie roeitefte Verbreitung fanben, ba3 aöe§ 
oerrät einen lebhaften %x\ib nad) $8erinnerlid)ung unb 
SBerfelbftänbigung be§ religiöfen £eben§. 

©o gingen in ber ®ird)e felbft $roet Strömungen ÄirAc unb 
nebeneinonber her, bie eine ftärfere an ber Oberfläche, * ol, * lcbe " 
bie anbre fdjroächere mehr in ber £iefe be§ $olfg* 
lebeng. $)te §errfd)aft ber Kirche rourbe burd) biefen 
ßroiefpalt nod) nicht erfchüttert. Stenn fte leiftete für 
ba§ SBolf immer nod) mehr al§ jebe roeltliche ©eroalt. Sie 
öffnete benSÖeg be3§etl§, unbfte übte bie fokale ftürforge 
für bie 3Hühfeligen unb SSelabnen biefer ariftofratifchen 
©efellfchaft, bie s 2lrmen* unb ^ranfenpflege in freier 
SBohlthätigfett unb in £ofpttälern, nod) immer faft 
allein. SRücfte fte ba§ aüe§ ben breiten 2Jiaffen be§ 
$Bolfe§ roeit näher al§ bie fdjroache ober f>art burd)* 
fahtenbe, ftet§ im Sntereffe ber berrfdjenben klaffen ge* 
übte «Staatsgewalt, fo befafc fte für alle, bie f)öf)ere 
93ilbung erftrebten, nod) unbeftritten ba§ Seljtmonopol. 

Stenn bie Unioerfitäten, bie feit bem oierjefmten Sic 
Sahrhunbert meift bie £anbe3l)erren, nur fct)r feiten füVtcu 
eine mächtige ©tabtgemeinbe nad) bem Söorbilbe ber 
fran$öfifd)*engltfchen 2Kagtfteruniüerfitäten, namentlich 
oon s £ari§, roetteifernb grünbeten (1386 $eibelberg, 
1389 min, 1392 ©rfurt, bie einzige ftäbtifche, 1403 
SBürjburg, 1409 Seipjig, 1419 SRoftotf, 1426 fiöroen, 
1456 ©retfSroalb, 1457 greiburg i. S3r., 1460 »afel, 



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350 



Sic lanbcSfüritlirfHtäMttcfie Seit 



1477 Bübingen, 1502 Wittenberg, 1506 ftranffurt a.D.), 
beruhten auf einem päpftltchen ©tiftungSbriefe, ftanben 
unter ber 9Iufficf)t be§ 93ifchof§ if)re8 @prengel§ unb 
galten al§ getftltche ©enoffenfehaften. Daher befafjen fte 
bie ©jremtion aller tt)rer Angehörigen Pom weltlichen ©e* 
rid)t unb bie torporatioe ©elbftoerroaltung if)re§ erft 
fpäter bebeutenben $8ermögen3 nrie ihrer fonftigen Singe* 
legenhetten. Sftad) ber im roefentlichen fertig au§ ^ßartö 
nac^ $eutfd)lanb übertragnen SBerfaffung bitbeten bie 
Setjrer (3Jtagtfter) unb ©polaren aller Rächer bei ben 
altern Unioerfitäten ^ßrag, Wien unb ßeipjig noch oier 
„Nationen" (8anb§mannfdt)aften); bei ben jungem, non 
oornhercin auf einen fleinern Umfrei§ berechneten ©och* 
fchulen, fiel ba§ roeg, unb e§ galt nur bie ©lieberung in 
oier ftafultäten, bie oorbereitenbe artiftifche (philo* 
fophtfehe) unb bie brei ftachfatultäten für attebijin, 
römiferje unb fanonifche lHedt>t§n>iffenfdt)aft unb %fyo* 
logie. 3n ber artiftifchen mußte jeber ben ©rab be§ 
2Jcagifter (doctor) erroorben fyaben, ehe er in einer ber 
brei höh*™ ftalfultäten <*13 ®ü)oIclt jugelaffen rourbe. 
3ebe gafultdt ftanb unter einem )d^rHdt> ober halb* 
jährlich mechfetnben Defan, über benen nun roteber 
in SBermaltungSfachen ber auf biefelbe fjrtft gewählte 
fteftor ftanb. 3>ic ftafultät bilbete eine 3unft mit 
Wciftcrn (roagistri), ©ef eilen (baccalaurei) unb 8ehr* 
lingen (seholares), bie ben 3roecf oerfolgte, bie in $ahl s 
reichen Quellenfchriften unb Kommentaren niebergelegte 
roiffenfehaftliche Wahrheit ju überliefern unb fid) an* 
jueignen, feine§roeg§ neue Wahrheit ju ftnben, benn 
biefe roar in ber philofophifd) begrünbeten Kirchenlehre 
enthalten, ober fie rourbe oon biefer abgegrenzt Daher 
auch bie S3ebeutung ber Disputationen, bie für bie 
Söerteibigung biefer feftftehenben Wahrheit mit ben 
Mitteln ber fchotaftifchen Sogit faulen foUten Auch 
ba§ genoffenfchaftliche 3ufammenleben ber felbftoer* 
ftänblich unberoeibten SWagifter unb ber «Scholaren 



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Ter Verfall ber bcutfcfjeit aHnct)tftef(itufl im Cftcn 351 

in Kollegien unb SBurfett entfpracb, bem d^arafter ber 
3unft. g^ren Unterhalt belogen bie Öehrer teils von 
biefen (Stiftungen, tetlSauSgeiftlichen^frünbenunb ihrem 
Arbeitslohn (©onorar) ober auch fchon auS nrirflichen 
feften ©ehalten. Obwohl alfo au§ ber mittelalterlichen 
ßirche unb ©efeflfdjaft hervorgegangen unb vor allem 
jur $erteibigung ber Kirche beftimmt, bereiteten bie Uni= 
oerfitaten boefj einerfeitS bie $reU)eU ber gorfchung 
oor, inbem fie bie menfehliche Vernunft ebenbürtig 
neben bie Offenbarung [teilten, anbrerfeitS burd)brad)en 
fie bie alte ftänbifche unb lanbfehaftliche ©lieberung, 
inbem fie in ihren ©rabuierten au§ Sflitgltebern aller 
SöerufSftänbe unb (Stämme eine SIriftofratie ber 93il* 
bung fchufen, aflerbing§ eine internationale, vom fieben 
be£ eignen SßolfS innerlich noch getrennte 2lriftofratie. 
3n beiben ©eaiebungen hoben fie bie Überroinbung 
be§ Mittelalter! vorbereitet. 

tiefer ©elehrtenariftofratie fchlof? ftch balb noch 
eine tiefere ©deicht an. S)a, wo bie meift {leinen geiftlichen 
6chulen, bie auch *>on 93ettelorben in ben ©täbten 
gehalten würben, bem immer fiärfern SBilbungSbebürf* 
ntS be§ 93ürgertum§ nicht mehr genügten, ba entftanben, 
vornehmlich in ben ©anfeftabten, in Söranbenburg, im 
gan§en SRtttelbeutfchlanb von Schteften bis Thüringen, 
in ben fchiväbifchen unb fränftfehen SReichSftäbten, felbft 
in Böhmen unb Fähren überall feit bem breijehnten 
Sahrhunbert ©tabtfchulen junächft für „93ürgerStmber," 
erft in $tveiter fiinie auch fä* „©chüler" (auswärtige 
umherjiehenbe „(Schüben" unb „Bacchanten"), nicht 
feiten in heftigem Kampfe mit bem bifdjöf liehen (Scho* 
laftifuS, bem Vertreter be§ SehrmonovolS ber Kirche. 
Stenn ber ©tabtrat übernahm felbft bie ßoflatur 
tronat), b. i. bie Ernennung be§ <5chulmeifier§ (SHeftor) 
unb bie ©orge für eine gemiffe faft immer höchft bürftige 
9lu3ftattung. $em föeftor blieb eS überlaffen, ob er ben 
Unterricht felbft allein beforgen ober ftch ©ehilfen 



352 Sic tonteflWtHtäbtifäc Bett 

(locati, collaboratores) mieten wollte, mit benen er bann 
baS fttappe ©chulgelb teilte, fein einiges ©infommen 
neben etwaigen 3ufd)üffen für firchliche Verrichtungen. 
5)er Unterricht felbft mar genau berfelbe nrie in ben 
geiftltchen Slnftalten, beroegte fid) alfo in ben formen 
be§ 2ru>ium§ unb be§ GuabriotumS nad) altüberliefert 
ten, roettoerbreiteten Lehrbüchern unb erhielte al§ £aupt= 
evgebnid eine geroiffe Kenntnis be§ ßateintfehen, ber 
ßird)en= unb 2öeltfprad>e aud) biefer 3eit. 2>ie SKutter* 
fpradje Teerten juerft bie „©chreibfchulen" ber norb* 
beutfdjen §anbel3ftäbte feit bem merjefynten 3<*h* 5 
hunbert, fpäter auch bie «Schulen ber gieronnmianer. 
£)a§ platte Sanb aber blieb faft ganj ohne Schulen. 
?(u§: 3Benn nun auch biefe gebtlbeten Greife gar nicht 
M ?ä Wfl bar an backten, in einen ©egenfatj jur ®ird)e $u treten, 
bmufinu^f 0 wrttoicfelten fte eben bod) roie einft bie SRitterfchaft 
* eine felbftänbige weltliche Vilbung, unb biefe trug ein 
auSgefprochen bürgerliches unb inbiuibualiftifcheS ®e* 
präge. 5)enn auf bem Vürgerftanbe beruhte ber wirt* 
fd)aftlid)e unb in oteler 93e$iehung auch ber poli= 
ttfdije ftortfehrttt, unb jur felbftänbigen $Iu3bilbung 
ber (£in$elperfönlid)feit brdngte aüe§: bie fapitaliftifche 
Umgeftattung ber ftäbtifchen 2öirtfchaft, bie baburd) 
ftch anbahnenbe 2luflöfung ber alten genoffen fchaft* 
liehen Verbänbe, bie ftarfe §eranaiehung be§ einzelnen 
$u ben ftaatlichen ©efdjäften in <Stabt unb ßanb burch 
bie neuen Verfaffungen, bie beftänbige Reibung in 
bem alltäglichen Vermehr ber ©täbte, bie »Steigerung 
ber 2öeltfenntni§ burch ben perfönlichen Vertehr roie 
burch bie Verbreitung be§ Vud)brucf§, ber bie geiftigen 
Schäle ber Vergangenheit unb ©egenroart minbeftenS 
aßen, bie lefen fonnten, zugänglich machte unb burch 
Flugblätter neue ©ebanfen unb Nachrichten in bie 
roeiteften Greife trug. So lernte auch ber f deichte Bürger 
3Jienfd)en unb $>inge beobachten, fid) ein eignes, felb= 
ftänbtgeS Urteil bilben, feinen eignen Söert fdjäfcen. 



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Icr Verfall ber bcutfdjen 9fcl($tfteffimg im Cftcn 



353 



3)a ftarb nun in ber ßitteratur ba§ rttterltcfje 3>t*tmtfi 
©po§ ab, beffen Qbeale für ba§ Bürgertum feine 93e- 
beulung Ratten; nur in profatfehen „58otf3bücf)ern" 
mürben bie (Stoffe, für ben berbern ©efdhmacf $uge* 
rietet, aufbewahrt. $afür ermüde bie Heine epifche 
©r^ählung intereffanter neuer unb alter ©efdjehmffe, 
ber Sd)roanf unb bie Segenbe, mit bibaftifcher unb 
fatirifdjer £enbenj, alfo mit ftarfem £ert>ortreten be§ 
perfönltchen Urteils unb mit bem ©eftreben, ba§ Urteil 
be§ SeferS ju rieten, ©elbft bie uralte epifdje £ier= 
fage, bie um 1450 ein flamifcher dichter befonberS 
ben 9Heberbeutfd)en roieber nahe gebracht hatte, nahm 
im „föeinecfe be *8o§" (öübeef 1498) eine auf bie peffU 
miftifrf) beurteilten ^citoer^ältniffe jielenbe fatirifche 
Dichtung an, unb eine reine Satire mit moralifierenbem 
3n>ecfe ift Sebaftian 93rant§ „9larrenf*iff," ba§ bie 
©ebredjen aller Stäube geißelt (auerft 1494). SWehr 
naioen ©l)arafter trägt ba§ epifche l)iftorif^e Sieb, 
ba§ feit bem Anfange be3 üier$ehnten 3ahrf)unbert§ 
ade nuchügen ©reigniffe begleitet. $ie ©emüt§* 
empfinbung aber, befonberS ber untern Stänbe, auch 
ber Säuern, über bie alten enrig unauSgefungnen 
fernen Siebe, Söein, Spiel unb 9latur braute baS 
Inrifche $olf8lieb gu einem oft ergreifenben $lu3brucf. 
©in gang fünftlicrjeS ©r$eugni3 bürgerlich künftiger 
Greife mar bagegen bie Dichtung ber fübbeutfcr)en 
SHeifterfmgerfchulen, bie feit ber ÜJiitte be§ fünfzehnten 
3af)rl)unbert§ in ben immer mehr oerfdjnörfelten gor* 
men ber abgeftorbnen ritterlichen Snrif nad) ben pein= 
liefen ©efefcen ber „Sabulatur" lehrhafte unb erbau* 
liehe, biblifd)e unb legenbartfcrje Stoffe metft geiftloS* 
pebantifcrj behanbelte. S)od) bie eigentümliche bürger* 
lic^e $)icf)tung§gattung mürbe ba§ ftrama („Spiel"). 
$)enn nur in ben Stäbten traten bie ha^oramatifdhen 
ßeremonien an ben grofjen ßirdjenfeften, befonberä ju 
Weihnachten unb Dftern fo lebenbig fy&cvox, baß fic 

$er JCßcrbcgang beS beutföen 5öotfe§ I 23 



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354 



3)ie laiibcöfürttücMtöbtiictic ^cit 



$u nrirflich bramatifcher ©eftaltung einluben ; nur hier 
fanben ft<h oi)nt 2Nüf)e bic barftellenben Gräfte unb 
bie taufenbe oon 3 u ftf) aue ™> hexen eine Aufführung 
berart beburfte. Anfangs auf ba§ innere ber Kirchen 
befchränft unb in latetnifcher Sprache gefdjrieben, 
traten biefe „2Hgfterienfpiele" balb auf bte öffentlichen 
Sßläfce heraus unb bebienten fich ber SBoKSfprache. ®ie 
fteUten anfangt nur bie 2öeif)nadjt§* unb namentlich 
bie SeibenSgef dachte ©f)rifti bar, balb aber auch anbre 
btblifdje ©toffe, in breiter Entfaltung ber lofe anetn« 
anbergereihten ©jenen, begleitet oon (S^ren unb unter* 
brocken oon fomifchen, ja poffenhaften Auftritten, ohne 
irgenbroelche eingehenbe (Sharaftertfüt' ber ^ßerfonen, 
natürlich auch )eb< Treue im ßoftüm unb nur 
mit Anbeutungen oon $)eforationen. daneben famen, 
namentlich in Dürnberg, bie fjaftnachtsfpiele auf, bra* 
matifterte Vorgänge auS bem täglichen Seben, berb= 
fomifche, oft poffenhafte unb rohe ©jenen, bie oon 
oermummten jungen ßeuten in Sßrioathäufern &um 
beften gegeben mürben. 
wcfd)ict)t* bürgerlich mürbe auch bie ^ßrofa, oor ädern bie 
1 ,rcbun0 ©efchichtfchreibung. ^atrialer, ©tabtfchreiber, Settel, 
mönche griffen jur gfeber unb f Gilberten meift in 
beutfcher Sprache, jeber in ber 2Kunbart feiner fianb* 
fchaft, in einfacher ehr onologif eher Reihenfolge, ohne 
Äunftform unb meift ohne weitem ©cfic^t§frei§ , aber 
oft anfehaulich unb mit manchen fulturhiftorifchen, 
roirtfehaftlichen unb ftattfiifchen ©tnjelhetten, toa§ ihre 
©tabt in guten unb böfen Tagen erlebt hatte, daneben 
haben bie bebeutenbern Territorien unb ftürftenge* 
fchlechter alle ihre 2)arftellung gefunben, jumeilen wie 
früher burch bie fteber eines unterrichteten ©eiftlichen. 
2)ie Oieid)§gefd)id)tfd)rcibung mar mit ber 9Racht beS 
alten ftaifertumS oerfchmunben; bafür jetgen pdf) bie 
Anfänge einer neuen inbioibualiftifchen Gattung in 
ber ©elbftbiographie, 5. in bem SBerfuche 



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Ter üScrfaü ber bentfcrjen 9Rad)tfteauitg im Cftcn 355 

&arl§ IV. ju einer folgen unb in ben allegortfchen 
3)enfroürbigfeiten 2WaximiIian§ I., bem „$heuerbanf" 
unb bem „Söetftfunig." 

Söätjrenb nun in ber Sitteratur biefe gährenbe 
Übergangszeit nirgenbS ju einer reinen ^unftfehöpfung 
gelangte, brüdtte fie ihr 93efie8 au§ in ber bilbenben 
ßunft, namentlich in ber gotifdjen Söaufunft. gier 
hatten feit bem brennten ^ahrhunbert bie bürger» 
liefen ßaien Doflftänbig bie Rührung übernommen unb 
waren in künftigen „Bauhütten" organifiert, bie ftd) 
alle, feit 1464 auch bie 1462 in Sorgau Bereinigten 
norbbeutfdjen, ber ©trafjburger gürte unterorbneten, 
unb föon §eigte fiel) in bem Auftreten befonberä be= 
beutenber SÄeifter, nrie ®rmin oon ©teinbach, ©erwarb 
oon Diict)I unb 5lmolb von Söeftfalen, ba§ ftärfere 
©eroid^t ber fünftferifcfjen Sßerfönlichfeit. ©o rourbe 
ber gotifcfje ©til ber getreuefte s 2lu3brucf biefer Qzit 
unb ©or aflem bie SBauroeife be3 S3ürgertum§. SKoch 
maren bie ßirchen ihre grofiartigften 2öerfe, aber fie 
mürben jefct überroiegenb von Beiträgen ber Saien 
aufgeführt unb juroeilen in fo Ungeheuern üftajjen 
angelegt, baf? ©enerationen barüber hwmegftarben 
unb fte uneoflenbet ftehen blieben, weit ber fromme 
(Sifer fchmanb, unb fchon traten ihnen auch ftattliche 
gürftenfehlöffer unb ^atriaterhäufer $ur ©eite. 3n ben 
^irchenbauten aber tjerrfc^t ein himmelanftrebenber 
^bealiSmui, geroiffermafien ber fünftlerifche $lu3brucf 
ber bürgerlichen üftnftit, ber bie SBänbe faft ganj in 
fchlanfe Pfeiler auflöft, auf fie bie fünften ©eroölbe 
fefct, bie ©ptfcbogen noch mit Sßimpergen, bie ©trebe= 
Pfeiler mit ftialen frönt, üppiges ©teinornament um 
alle Bauteile, cor allem in ber „föofe" über bem ^ßor* 
tale, fchlingt unb mit einer ober jroei geroaltigen, gen 
§immel meifenben Surmpnramiben ba§ ©anje ab? 
fchlie&t. Unb inbem bie Pfeiler be3 Innern perfpef* 
tioifch auf ben ter^englanjumfloffenen godjaltar ju* 

23* 



356 



Tie lanDcsfiirftltcfi ftäHtiic&c ^cit 



fammenlaufen, unb in feurigen färben leucfjtenbe Ijo^e 
©la§fenfter ba§ $age§ltcrjt nur in gebämoften ©trafen 
ein (äffen, nrirb ber 9lnbäct)tige fyingeroiefen auf ben &ern 
unb Sftittelpunft ber ©laubenSlefjre rote be3 ©otteS* 
bienfteS, in bem ©öttlicf)e§ unb 9Jienfd)Ucr)e§ jufammen- 
fließen, auf ba§ ©aframent be§ 2Iltar§, bie 2tteffe. $a§ 
©ro&artigfte leiftete in ßircr>enbauten biefe§ GtUS ba§ 
Dirjeinlanb in ftreiburg, Strasburg unb Äöln, Scrjroaben 
in Ulm, SBanern in 9tegen§burg unb 2Httncf)en, fjranfen 

H 

in Dürnberg, Ofterreid) in Söien, SThttelbeutf erlaub in 
(Arfurt, 9flagbeburg, 2Jletßen unb 93re§lau, SBöljmen in 
^ßrag. 3n SBeftfalen überroog aud) jefct nod) eine 
fd)licrjtere 9iid)tung, unb ber foloniale Sftorboften fud)te 
in ben oft riefigen SBacffietnbauten feiner #anfeftäbte für 
ben reichen ©teinfdnnucf, ben ir)nen bie Statur biefeS 
Materials oerfagte, ©rfatj in ben großartigen $8ert)ält* 
niffen ber Qnnenräume unb in ber Slnroenbung far* 
biger glafterter 3iegel. ©infad) unb turmlo§ blieben 
bie ftHrcfjen ber SBettelorben. Oft prächtig bagegen 
bauten bie dürften itjre <5d)löffer. jetjt in ber STCärje 
r>on ©täbten (3llbrecf)t§burg in Sfteißen, üflartenburg 
in Greußen), bie ©täbte it)re §od)gegiebelten, oft türm* 
oerjierten SKatftäufer (ßöln, Sübecf, ©tralfunb, 93re§* 
lau) unb ©überfallen ($anjtg), reietje ^ßatrijier tyre 
SBor^ unb ©efd)äft§t)äufer. 
swaicrci ©erabe ber gotifct)e Stil, ber bie großen Söanb* 
flödjen faft auflöfte unb bie malerifcrje 9lu§fd)mürfung 
auf bie bunten ©laSfenfter unb bie Elitäre befcrjrdnfte, 
roirfte toefentlicf) auf bie Trennung ber Malerei oon 
ber Slrcrjiteftur Inn. So bilbete ftd) ba§ Safelbilb au3, 
$unäd)ft in Söaffer* unb Semperafarben, fpäter aud) 

# » 

in ben leud)tfräf tigern Ölfarben, einer £ed)ntf, bie 
juerft im SÖeltfjafen SBrügge oon ben betben ©rübem 
§ubert unb Qan oan ©ntf um 1420 oerooflfommnet 
rourbe unb fic% tafer) oerbreitete. %a ber betrieb ganj 
äunftmäßtg blieb, fo überroogen junädtft bie ©igen* 



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£er Verfall ber beutfdjen 9Wac^tftcflutig im Cftat 357 



tümlichfeiten ber ©chulen, ber ntQftifdö gerichteten 
fölntfcfcweftfälifchen (©tephan Öochner), ber böhmifchen 
unb ber bürgerlichen, mehr realiftifdjen Nürnberger. 
(£rft feit bem Anfange be§ fünfzehnten jgahrhunbertS 
traten bie ^erfönlichJeiten ber SKaler ftärfer heroor, 
unb e3 würbe üblich, oen BUbem bie Signatur be§ 
9fteifter§ jujufe^en. Sftod) waren bie ©egenftänbe 
burdjweg reltgtöfe, bie 3^4nung unb ftarbengebung 
fonoentionSmäfng; boch beginnen bie SBilber ber (Stifter 
ben ^ßorträtcharafter anjunehmen, beuten alfo auf ein 
forgfältigeS Naturftubium. tiefer 9taturalt§mu8 würbe 
bann bie au§gefprod)ne ©igentümlichfeit ber nieber* 
länbifchen ©dmle unb führte bei ihr juerft jum (Srfafc 
be§ alten ©olbgrunbe§ burch biz fcharf unb treu, wie 
mit bem Sölicf eine§ UlblerS, wenngleich anfangt ohne 
rechte Suftperfpefttue aufgefaßte fianbfehaft. Unab= 
hangig r»on ben Sftieberlänbern , aber boch in *>« s 
wanbter Dichtung, entwicfelten fich bie oberbeutfehen 
©chulen, oor allem in Colmar burch SWattin ©djongauer 
(geftorben 1498) unb in Dürnberg burch ben weithin 
wirffamen ÜRic^ael 2öof)lgemut (geftorben 1519). ©erabe 
biefe Oberbeutfehen bilbeten auch bie oeroielfältigenben 
fünfte, ben £ol$fcfmttt unb ben ftupferftief), gu illuftra* 
tioen, alfo oolfötümlichen 3 werfen feit etwa 1400 ganj 
befonber§ au§. $lu§ allen biefen Söorbebingungen herauf 
fchuf ber Nürnberger Wibrecht 3)ürer, 2öohlgemut§ 
©d)üler, zugleich oon nieberlänbifchen unb italienifchen 
(Sinflüffen nicht unberührt (U71 big 1529), auf natura* 
liftifchem ©runbe eine ibealiftifche, gemütstiefe unb 
ganj beutfehe Malerei in oft figurenreichen, innig em* 
pfunbnen religiöfen ober tieffinnig aflegorifchen Silbern 
mit liebeooU gejeichnetem lanbfehaftlichem £>intergrunbe 
wie in ben Porträts faft aller bebeutenben 3^itgenoffen. 
Qn noch weitere Steife wirfte er burch feine $ahl* 
lofen ftupferftiche au§ ber ^eiligen ©efchtchte, bie balb 
&u einer Stacht würben im ©eifte§fampfe btefer 3^- 



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358 



1\t (anbeäfürftlicfcftiibHföe Seit 



«ptaftit 93on ber Sftalerei roefentltd) abhängig in itjrer 
2luffaffung rote in ityrem Sftaturaltlmul roar bie beutfdje 
^laftif, bie freilief) in biefen gotifdjen ^irdjen norf) 
roefentlid) beforatioen ßroeefen biente. 2)er Horben, 
befonberl ber foloniale Sftorbofien, btlbete t>or aflem 
bie §oljfd)ntfcerei in arcfyiteftonifdjer Umrahmung für 
bie 3rlügelaltäre aul unb fteigerte bie SÖirfung biefer 
ftgurenretcfjen ©jenen burdj bunte ©emalung unbSÖergoI* 
bung. 9Jtetfter oon aulgeprägter naturaltftifdjer (Eigenart 
traten bann in Dürnberg um bie Söenbe bei fünf- 
jeljnten unb fedjjetynten 3<*l}rf)unbertl auf, $Beit ©tojj 
(geftorben 1533), SIbamßraft (geftorben 1508) unb *ßeter 
SHfdjer (geftorben 1528); boef) abelt bie 2öerfe ber 
beiben legten fdjon ein £>aud) antifMtaltentfefjer gönnen* 
fc^ön^eit. 

$enn in immer ftdrferem ©trome ergofj ftdj eine 
neue glänjenbe »Übung aul Italien naef) 2)eutfc#anb 
©«jyani#= hinein. 2Bte mufjte boef) auf btel geiftig unb roirt* 
fdjaftlid) mefjr unb mefyr oom Bürgertum befjerrfcfjte, 
naef) immer freierer ©ntroieflung ber ^ßerfönlicrjfeit 
ftrebenbe 93olf biefe neuitalienifd)e Kultur einroirfen! 
äöar fie boef) ganj ftäbttfcf), gan$ inbüribualifttfcf), gan* 
roeltlicf) * national, unb gerabe bel^alb rourbe fie 
buref) bal neu auflebenbe begeifterte Qntereffe an bem 
ebenfo ober üfynlid) gearteten römifefjen Altertum, ber 
ftoljeften nationalen (Erinnerung ber Italiener, unb 
feit bem fünfaefjnten 3af)rf)unbert audj oon ber alt* 
grtecf)ifcf)en Sitteratur fo reidt) befruchtet. Sluf biefen 
©runblagen galt el eine rein menfcf)licf)e (ljumaniftifcfje) 
SBilbung $u fcfjaffen, ofyne fircfjlicfje Sßoraulfefcungen, 
eine nationale fiitteratur naef) bem Söorbilbe ber 
9lntife, eine neue pln'lofopfyifcfje 2Öeltanfcf)auung, bie 
im 2öiberfprud) $u ber in ber ®iref)e tjerrfdjenben 
nominaltftifd):ariftotelifcf)en SHic^tung an ^latoigbeem 
lefjre anfnüpfte unb fie mit ber djriftlidjen ©laubenl* 
Iet)re ju oerfdjmelaen fucfjte ($. 18. ©ott all bie 3>bee 



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Ter Verfall t>ev bctttfcfien äNarfjtftettung im Cfteu 



359 



be§ ©uten auffaßte). (Sin neue3 ßeben ber freien 
$erfönlid)feit, loggelöft oon aßen ©cfyranfen be§ §er* 
fommenS unb (eiber oft aud) ber 8ittlid)fett, mar ba§ 
Ergebnis. 9*un f)atte fd)on Earl IV. mit Petrarca 
oerfeljrt, mtt ben großen JHeformfonjUien waren 
fjumanifttfd) gebilbete Italiener nad) $)eutfd)lanb Ijer* 
über gefommen, unb jeber ber jungen 2)eutfd)en, bie 
nad) ben italientfdjen Unioerjttäten jogen, brachte 
f)umaniftifd)C ©tnbrücfe mit nad) ber §eimat. grei* 
lid> ooltgtfimlid) tonnten in $eutfd)lanb biefe fcuma* 
niftifdj * antififierenben Söeftrebungen nod) weniger 
werben al§ in Italien y fic blieben immer befdjränft 
auf bie gebilbeten Greife, oor allem weil biefe §uma; 
niften felbft fid) burdjweg ber lateinifcfyen ©pradje 
bebtenten, fogar tfjre tarnen oft ^öcfrft wiHfürltdj unb 
gefd)macflo§ (atinifxerten unb ber Überzeugung lebten, 
bafj fle einem barbarifdjen 33olfe bie Sacfel aller työljern 
SBitbung oorantrügen; aber fie füllten ftd) bod) faft 
ftets als gute $eutfd)e fd)led)tmeg, bilbeten fid) nad) 
if)ren gefeierten 2Huftern $u felbftänbigen, gefcf>loffenen 
^erfönltdjfeiten au§, frei oon ben ©djranfen alter 
genoffenfd)aftlid)er unb örtlicher $ejtel)ungen, unb be* 
grünbeten jwar nid)t, wie fie träumten, ein neues Ceben 
in antifer $reif)eit unb eine neue Sitter atur, xoofy 
aber bie moberne 2öiffenfd)aft. 

©ine unabfef)bare Spenge eigenattiger ^erfönlicf)* $«utfcfc 
feiten ftanben ba nebeneinanber: ftifle (Mehrte unb ge* niflcn 
wanbte Weltmänner, unruhige 2Banberlef)rer unb ftolje 
s ßatrijier, r)or)e ®eiftlid)e unb fürftlidje Herren, fie 
aOe oer bunben burd) baSfelbe 93ilbung§intereffe: ber 
rührige ftriefe SRubolf 2lgricola (1445 bi§ 1485), ber 
erfte gro&e 93af)nbre$er ber neuen 9Hd)tung, ber be- 
wegliche gebanfenreid)e ftranfe ftonrab Zeitig (^öcfel, 
geftorben 1508), ber „@r$f)umanift," ein raftlofer 
©ammler unb grorfdjier, ber ben neuen ©tubien oor 
allem burd) ©rünbung gelehrter ©efeUf haften (fo ber 



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360 



Die tanbefcfürftllcHtäbtifäc Seit 



Societas Danubiana in 2öien) neben ben fd)olafttfd)en 
Unioerfttäten galt ju geben oerfudjte, ber ftofye 
^atrialer äöüibalb Sßircf Reimer in Dürnberg (1470 bi§ 
1530), ber fein gaftfreieä £>au3 ju einer „gerberge ber 
(Mehrten" machte, ber oielgeroanberte, praftifd) rote 
roiffenfäaftltd) unermüblid) tätige 2lug§burger ©tabt* 
fdjreiber ßonrab ^euttnger (1465 bi§ 1547), ^o^ann 
von Balberg, $8ifcf)of oon 2öorm§, Sodann $rityemiu§, 
ber 5lbt be§ 58enebittinerflofter§^ponf)eim bei ftreua* 
nad), ber grö&te beutfdje ^olp^iftor feiner 3«ü/ ber 
geifi* unb gefdjmatfoolle §of)enaotler 2Ilbre$t, @rj= 
bifd)of von 2Kagbeburg unb 9Jlaina, enblid) an ber 
Spi^e ber fürftlid)en ©önner be3 §umani§mu§ 8aifer 
2Jtarjmilian L felber. 

niiSc a ^ e§ m & xoe nun a & er °^ ne tiefergreifenbe 

untere folgen geblieben fein, wenn nid)t ber £umant§mu§ in 
rcSim °* e beutfdien Unioerfitäten unb 6d)ulen eingebrungen 
wäre unb baburd) bie 2lnfd)auungen ber fyeran* 
road)fenben (Generationen unter feine £>errfd)aft ge; 
bxad\t f)ätte. 3In ben §od)fd)ulen ging junäc^ft bie 
^ßrofeffur ber ^ßoefie unb SHfjetorif oft in bie gänbe 
oon gumaniften über unb bannt ein beftimmenber ©in= 
flu 6 auf bie artiftifdje ftafultät, ber bann aud) auf bie 
Ijö&ern ftafultäten roirfte. $a§ gefdjalj guerft in SBafel, 
ftreiburg, geibelberg, Bübingen (burd) geinrid) 93ebel 
feit 1497), Sngolftabt, Söien, in 2mttelbeutfd)lanb oor 
ädern in Arfurt (fd>on feit 1460\ Slnbre Unioerfitäten, 
tote fieipatg, Moftocf, ©reifgtoalb, Stöln, öffneten ftd) ber 
neuen ^idjtung nur jögernb unb jeitroeilig. 9iod) lang* 
famer gewann ber £)ttmani3mu§ an ben gelehrten Spulen 
SSoben, too er bie mittelalterlichen fiefjrbüdjer burd) 
beffere Anleitung, ba§ fdjolaftifdje fiatein burd) ba§ 
ttaffifdje au oerbrängen, ben Streik ber gelefenen Sdjrift= 
fteller au erweitern fud)te, ofjne bod) ba§ alte 3iel, bie 
93e^errfd)ung be3 fiatein in Söort unb Schrift, in $*ofa 
unb ^oefie, au änbern. Qn biefem ©inne geftaltete ber 



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lex $crfan ber beutfefien aWaditftcauiifl Im Cftcn 3ßl 

treffliche Alejanber §egiu§ (§cecf ) bic blühenbe ©cr)ule 
ber $ieroni)tmaner in $)eoenter fett 1474 um, ber 3)onv 
herr SHubolf oon Sangen, fein ©chüler, feit 1498 bie 
$>omfchule in 2Mnfter; in 3nricfau entftanb fogar eine 
griecl)ifdt>e ©chule, in $lug§burg jroei Satetnfchulen, in 
Dürnberg eine ,,' s $oetenfcr)uIe" unb eine neue fyutna* 
niftifdje ©djulorbnung für bie oier beftehenben Satein* 
faulen, ba§ SBerf ^ircft)eimer§ (1509); bte ©dmle oon 
©chlettfrabt reformierte ber SBeftfale Subtoig bringen* 
berg (1450 bi§ 1490) im hieronomianifch=h"maniftffchen 
©inne. 3>m ganzen aber blieb bie ßafjl ber neuen 2ln* 
ftalten junäc^ft noch gering. 

3ebenfaH§ nahm ber beutfehe §umant§mu§ eine Gra*mu$ 
entfehiebne Dichtung auf Unterricht unb 2Biffenfd)aft, g? C uittn 
bie i^n oon bem ttalienifchen roefentlid) unterfd)ieb. 
©ein anerfannteS §aupt aber, ja ber „ftönig ber §u- 
maniften" fchlecrjtioeg tourbe ber lieber länber $>efi* 
beriuS (Sra3mu§ (©eert, ©erwarb) oon 9iotterbam ( 1468 
bi§ 1536). (£rfi nach langem SBanberleben in xixanh 
reich, Italien unb Ghtglanb tourbe er feit 1521 in 
SSafel r)eimifcr), aber er mar feine§ $8olfe§ ftinb, 
ohne Qntereffen für bie Sprachen, bie er um fidt) 
hörte, jebod) ber gröfjte Kenner beS Sateinifchen 
unb ©ried)ifchen unb ihrer Sitteraturen, ein Söelt* 
bürger be3 ha&§burgifchen SBeltreichS, ein Sftann be§ 
Haren, fcharfen 93erftanbe§, ohne Seibenfehaft unb 
oofl Abneigung gegen jeben ©trett, aber in feinem 
ftiOen Arbeitszimmer unermüblich thätig, ba3 SHufter 
eine§ ©tubengelehrten unb bod) burch feine fteber eine 
■äftacht in ber 2öelt. $Bon ben meiften antifen @d)rift= 
fteflern unb ben Stirchenoätern oeranftaltete er neue 
oerbefferte Aufgaben, auch oom griechifchen Stteuen 
Seftament 1516, unb burch einen unbegreiflich au§= 
gebehnten Srieftoechfel, ber bie fehlenben gelehrten 3*ü 5 
fchriften einigermaßen erfeijte, mürbe er ba§ Hüffen* 
fchaftliche Grafel für alle Söelt. 2Ba§ er für ba§ 



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362 



Tic (anbc*ftirft(i(fcftäbttf(fjc 3"* 



©riechifche fyat, ba§ leiftctc Sodann SHeuchltn au3 ?f otj- 
heim (1455 bt§ 1522), feinem Berufe nach 3urift unb 
burd)au3 SBeltmann, für ba§ £>ebräifcbe, inbem er 1506 
bie erfte Ijebräifcfje ©rammattt juftanbe braute unb 
auch bie fpätjübifche fittteratur fleißig ftubierte. 
«nföiiflc 5lber e§ blieb nicht bei bem ©tubium unb ber bloßen 
' Äcn" f orma * en JW&Wbimg ber Gilten ; an ihre lange oerbunf elte 
fctiaft Siffenfchaft anfnüpfenb unb ftcf) lo§reißenb von ben 
Schablonen unb SöorauSfefcungen be3 SSWittelalterg oer* 
fugten bie beutfchen gumaniften felbftänbige roiffem 
fdjaftlic^e Seiftungen auf ben cerfchiebenften ©ebieten. 
©tolj auf bie ruhmreiche 93or$eit feineg 3tal!e3, beffen 
Anfänge bie neu entbecfte „©ermania" be3 $acttu§ 
(1470 in SBenebtg, 1473 in Dürnberg gebrucft) ben 
beutfchen juerft roieber nahe gebracht hatte, roagte 3afob 
äöimphcling in Strasburg in fetner Epitorae reram Ger- 
manicaruni ben erften S8erfucf) einer gufammenfaffenben 
beutfchen ©ef Richte auf ©runb antifer unb mittelalter- 
licher Cuellenfchriften; Sofann $rithemiu§ fdjrieb bie 
erfte beutfche ßitteraturgefrfjichte, ftonrab (£elti§ h au f tc 
unermeßlichen Stoff ju einer umfaffenben Sdjilberung 
beutfchen Sebent in einer Germania illustrata auf,$onrab 
^ßeutinger gab eine iHeifje römifcher jQuellenfchriften 
jur beutfchen ©ef Richte unb bie oon ßeltiS aufgefunbne 
merfroürbtge römifche SÖeltfarte, bie Tabula Peutin- 
geriana herauf ^pircf^eimer fchrieb nach ©äfatg Söorbilb 
bie ©efchichte be§ unglücflichen SchroeijertrtegeS oon 
1499, ben er an ber Spifce be§ 9iürnbergifchen ftähn* 
leinS mitgemacht hatte. $)a§felbe Dürnberg rourbe auch 
bie .Ipauptpflegeftätte ber im$lnfd)luß an^tolemäu^ neu 
aufblühenben elften SÖiffenfchaften, ber 9flathematif, 
3lftronomie unb ©eographie. $er ©egrünber biefer 
Stubien rourbe hier feit 1471 QohanneS SRegiomontanuS 
(9Wüöer au§ Königsberg in frranfen), ber «Schüler be§ 
trefflichen ©eorg Beuerbach in SBien; er legte 2ßerf- 
ttätten für bie £erftetlung mathematifchet unb aftro* 



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Ter BetfoU t»er bellten attncbtitcauitfl Im Dften 363 



nomifcherSnftrumente unb Sanbf arten unb eine ®rucferet 
für Sßerfe biefer 2lrt an, begrünbete mit £ilfe be§ $a* 
tri^icrS S8emt)arb 2öaltf)er bie erfte <Sternroarte(Suropa3, 
erfanb ben SafobSftab, berechnete bie ©ternentafeln (für 
bie ^afjre 1475 bi§ 1506), unb gab baburd) ben großen 
(Sntbecfern feiner 3eit bie unentbehrlichen §ilf§mittel 
in bie §anb. <£in Nürnberger ^atri$ier, SD^artin $8ehaim 
(1459 bi8 1506), brachte fte nad) Portugal unb t>er* 
manbte fte felber al§ Teilnehmer an ben portugieftfehen 
#anbel§= unb Qpntbecfungäfahrten längs ber 2Beftfüfte 
2Ifrifa§; er wagte e§ bann, bie gefamte bamalige 2öelt s 
fenntniS in feinem berühmten ©rbglobug (1491/93) $u* 
fammen^uf äffen, unb fortan Ijat bie beutfdje Sötffen* 
fcfjaft an erfter ©teile bie (Sntbecfungen ber ©panier 
unb ^ßortugiefen, bie fie ermöglicht r)attc, auch w*» 
arbeitet. 

$iefe ganje fröhlich aufblühenbe, ganj tnbiotbua* toe |^ cr 
liftifche ©etfteSbilbung ftanb nun &ur SSircrje an fiel) $>icrard)ic 
burchauS nicht im ©egenfafc. $Iber freilich, je mehr fie 
heranwuchs befto mehr forberte biefe Kirche bie ®rtttf 
herauf. £)enn jwifchen bem ^Infprud), ben fie erhob, 
bie Leiterin be§ gefamten ftttlich^religiöfen unb geiftigen 
Sebent $u fein, unb bem, mag bie ©eiftlichfeit ihrer 
ajiehrja^l nach wirflicr) mar, mürbe ber Söiberfpruch 
immer größer. $ie hof)e Söeltgeiftlichfeit, burch bie Un* 
fitte, bie 93i3tümer unb $)omfapitel $u $Berforgung§* 
anftalten ber jüngern <Söfm* fürftlicher unb ablicher 
©efchlechter au machen, hatte biefe mit oödig meltlich 
gefinnten §erren erfüllt, bie in prunfoofl üppigem unb 
fittenlofem §ofleben ihrer fachlichen Pflichten unb ihrer 
93eftimmung, ein SBorbilb ber Saien ju fein, oödig oer* 
gafcen. *Bon ben Drben roaren bie altern reich unb 
träge geworben, ihre ßlöfter $u ©tfcen fchmelgerifchen 
unb oft genug unfittlichen 3Bohlleben§. $ie jahllofe 
niebere ©eiftltchfeit aber, elenb befolbet unb fehlest 
oorgebilbet, oerrichtete ihren Dienft ganj hanbwerfS* 



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364 



Tic fanbcSfürftlicHtcbtiföe Seit 



maßig, unb bie meiften Pfarrer, namentlich auf bem 
Sanbe, lebten im $onfubtnat. 3)a$u fam bie fcfjamlofe 
3lu§beutung $eutfchlanb§ burch päpftliche 9lnnaten unb 
^Paöiengelber, SKeferüationen unb ©rjpeftanjen, Surfen* 
geinten unb Slbläffe (fünf atmfäen 1500 unb 1517!), 
unb jroar ju ©unften einer ®urte, bie mit getroffen* 
lofer ®lei<hgtltigfeit ihre geiftlidje Autorität unb ben 
frommen ©lauben ber Hölter ju ganj weltlichen, ja ju 
höchft perfönltchen ^mzdtn mißbrauchte. $)er ftluä) jeber 
Hierarchie, baß fte fchKeßlich über ber Sicherung ihreS 
$afein§ ben 3mccf biefeS $afein§ oergißt, hatte ftch 
erfüllt. 

söothfcitbc 2)a regte fid) nun bie Dppofttion biefe§ jum ©elbft* 
mZ: bewuHtfein ber freien ^erfönlichfeit burcf>bringenben 
rC unb )c 3 e ü a( to3 oon ben t»erfchtebenften Seiten he*. 2ta afl= 
nationale gemeinften, bie gange oolfStümlicrje nrie bie gelehrte 
cwofition ßittcratur burc^bringenb , mar bie feharfe Äcitü, ber 

bittre Spott über bie Faulheit, ßüfternheit unb Un* 

09 

miffenhett be§ geiftlict)en StanbeS, aber ju einer $lnbe* 
rung reicht bie bloße Stritt! niemals au3. Siefer griff 
bie aufftrebenbe Freiheit be§ pt)iIofopr)ifcf)cn unb refe 
giöfen $>enien§. ^uerft 9Hfolau§ (£uüg f)atte in ber 
Anlehnung an ben italienifchen ^latontemuS eine neue 
s -ß^ilofopt)ic be£ ^ealtSmuS (im fcholaftifchen Sinne) 
begrünbet, bie bem in ber Ätrctje he*rfcf)enben 9tomt* 
nali§mu§ entgegentrat; Sofjann Söeffel au§©röningen 
(geftorben 1489) lehrte, bie Theorie t>on ber priefter* 
liehen aftittlerfteöung unb bie ganje fachliche ^rajciS 
ber guten 2öerfe oerroerfenb , bie Heiligung be§ äßen* 
fct)en beruhe auf ber göttlichen ®nabe unb auf wahrer 
93uße. Unb fchon brang bie freie humaniftifche ?Jor= 
fchung burch all ba§ ©eroirr mittelalterlich 5 h^* 
ardjifcher Dogmatil unb fcholaftifcher Spifcftnbigteiten 
hinburch su ben hiftorifchen ©runblagen beS chrift* 
liehen ©lauben§, $u ben biblifchen Schriften im 
Urtext unb ben ftirchenoätern ber erften brei Qahr* 
hunberte. $8on biefer ©runblage au§ hoffte @ra§mu§ 

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Xcr Verfall ber beutfeften 3HacfuftcUmtg im Cftcn 



365 



bic Geologie unb baburd) bic Religion $u läutern, 
unb non felbft traf er fo mit 2Beffel§ ©runbfätjen 
jufammen, benn eben fie waren bie ber alten djrift* 
liefen Sftrdje. ©nblidt) bäumte fid) ba§ ftol$e National« 
gefügt ber beutfdt)en §umaniften gegen bie Ausbeutung 
be3 $8aterlanbe§ ju ©unften einer fremben, oerberbten 
§ierard)te in jornigen Herfen unb ©treitfdjrtften auf, 
in feinem gewaltiger, leibenfcfyaftltcfyer, geiftooüer al§ 
in bem ftreitbaren fjumanifttfcfjen s Jteid)3ritter Ulrid) 
con Hutten (1488 btS 1523), bem größten weltlichen 
<Publt$iften ber SReformatton^eit, ber Statten unb 9tom 
au§ eigner 2Infd)auung genau genug fannte unb nidt)t 
mit bem überlegnen ironifdjen Säckeln be§ fmmantfti* 
fdjen Italieners barüber fprad), fonbern mit bem^att)o§ 
fittltd) patrtotifdjen 3orne3. 

3mmer breiter unb tiefer würbe bie ®luft jwifcf)en 2ie 
ber fyerrfdjenben "^rayiS ber ^irct)c auf ber einen, bem $uino" 
perfönlidjen religiöfen «ebürfniS unb bem vnbioibua; ni ' tcn 
lifttfcfyen 93ilbung§ftreben ber 3*it auf ber anbem ©eite. 
2)od) jum flaren 93emuf}tfein fam fte erft in bem Greife 
ber (Erfurter §umamften, ber ftd) um SJtutianuS 9htfu§ 
(ßonrab SJlut au§ Hornburg, 1471 bi§ 1526) fammelte. 
©in begeifterter Anhänger be§ italienifdjen <ßlatüni& 
mu§ machte 2Jtuttanu3 in unermüblidjem perfönlidjen 
unb fcfyriftlidjjen $8erfet)r feinen 3lnt)ängern, wie ©rotu§ 
3tubeanu§, ©obanuS $effu§, Ulrich oon £>utten u. a. 
ben ©egenfafc flar, ber it)r gan$e§ ©treben oon ber 
©dwlaftif unb bamit von ber alten ®irdje trennte, unb 
au§ biefem Erfurter Greife gim3 enblidfc) bie geniale 
©atire fyeroor, bie ben offnen ftrieg erflärte. 

2)ie nädt)fte 93eranlaffung öaju bot bie tt)eologifdt)e Xic 
$et)be, in bie 3°*)<™n $Heudt}lin mit bem getauften n tftcn?e$be 
guben ^fefferforn unb buref) it)n mit ben Kölner 
©dwlafttfern burdj ein ©utadjten ju ©unften ber 
fpätjübtfcfyen angeblich djriftenfriebltcfjen ©djriften ge= 
raten war, gegen bie ^ßfefferforn ein faiferltd)e§ Sftanbat 
erwirft t)atte. 9*ad) leibenfcfjaftlidjem ^eberfriege be* 



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366 



Xie ianbeöfürftlidHtäbitöe £cit 



nützten bic Kölner ©djolaftifer, an tljrer ©pifce Ott- 
nrinuS ©ratiuS au§ $)eoenter, me^r ein ©egner ber 
§umamften al§ be3 nriffenfd&aftlidjen §umani3mu§, bie 
Gelegenheit, um ber ganjen Oermten 9lid)tung in einem 
ihrer ^auptoertreter einen oernidjtenben Schlag ju ner* 
fefcen; fie ernrirften baljer beim Snquifttor |joogftraten 
bie (Einleitung eines Sßrojeff e3 • wegen ßetjerei gegen 
9teud)lin. $apft fieo X. 50g bann &n>ar bie <Sa<$e nad) 
SHom unb fd^ob 1516 bie (Entfdjeibung f)inau§, oerfügte 
aber fdjlie&ltd) 1520 ju Ungunften 9ieucrjUn§, inbem er 
ibm für afle Reiten in biefer ©ad&e @d)tt>eigen auf erregte. 
$0$ ba§ ade§ machte feinen (Embrutf meljr. 2)te beut* 
fd)en §umaniften f garten ftd) einmütig um ben be* 
breiten ©enoffen, ba§ gebilbete 3)eutfd)lanb jerfiel in 
jroei f einbüße Sager, unb au8 bem fmmaniftifd)en flogen 
1515 unb 1517 nrie fdjarfe Pfeile bie Epistolae obscu- 
rorum virorum $u ben ©egnern hinüber. $lngeblidj 
Briefe jener „bunfeln (unberühmten) 2ftänner" um Ort* 
roinu§ ©ratiuä enthüllten fie in bem farrifierten S)eutfdj 5 
ßatein biefer Greife all bie Süfternheit, Dummheit, Un* 
nriffenheit unb getnbfeligfeit ber „©ophtften" (<5d)o= 
lafttfer) gegen bie „Sßoeten" ($umaniften) mit fo über^ 
legnem Söifc, bafc ber fcftolaftifdje betrieb ber Söiffem 
fctyaften für immer gerietet war. 
Tic infle Sluf allen fünften mar ber ftrteg gegen bie alte 
$!ird)e unb ihre Söiffenfdjaft erflärt. Söehe i^r unb 
roehe bem beutfdjen SSolfc, wenn fie nicht in fid) bie 
ßraft fanb, ben flaffenben SBtberfprud) anrifchen ihrer 
^rartö unb ben 3lnf<^auungen ber gebilbeten $eutfchen 
$u überroinben! $)a3 oermocfyten nicht bie £umaniften, 
nicht bie ^^ilofoptien, auch nicht ba§ drängen ber 
3flaffen, baju beburfte e§ einer genialen, augleid) volU- 
tümlichen unb wahrhaft religiöfen ^erfönlic^feit. 



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Jterlag mm lr. Will), Ärunoro in lEtpjig 
Derlag ber (5ren3boten 



(ßefcfeidjte öer grtedjtfcfyen £itteratur 
(Erftcr Banb: Die poefte 

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3n Ceiuunmb gebunben 2 ZTtarf 50 Pfennige 



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3n £elna>anb gebnnben 2 ITlarf 

§n>ette, ftarf rermefyrte unb gän3 1 1 
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(Suftai? tPußmann 

3n CeintuatO gebnnben 2 ttlaif 50 Pfennige 
(Cridjeint €nbe (Dftober) 



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<£in Cieberbudj für altmobifd?e £eute 

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(Suftot) IPuftmamt 

Dritte Auflage. 3n Damajl gebunben 7 ttlaxf 

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Bcrlag ütm lt. Will). G&nrnoro in leidig 
Verlag ber <Srtn$botin 



(Srunöbegrtffe uni> (Sruuöfä^c 
6er Polfsnnrtfcfyaft 
(Eine populäre PolfstDtrtfdjaftsleljre 

DOn 

<£arl 3etvtfcb 

töebunben 2 Warf 50 Pfennige 



Seutfcfjc Bürgerfun&e 

Kleines £?anbbud} bes polittfdj tDiffensroerten für jebetmann 

von 

(5eor<j fjoffmann unb oZrnft (Srotlj 

(Sebanben 2 OTarf 



£itatenfd?a£ 

(Seflügelte Wovtt unb aubre beufmürbige 2lusfprürf>c 
aus (SefduVfyte unb £itteratur 

oon 

^ans He^ry 

gtveite Auflage, ©ebunben 6 Warf 

3m ZTorember crfdjetnt: 

XDtc ber Deutfdje fprtdjt 

Sammlung unb (grfläruncj beutfer/er Hebensarten 

oon 

S. ^ctjel 

©ebanben etwa 3 ITlarf 

Irucf von Ciarl SWarqua« in Vcip^iß 



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