Zeitschrift für
KulturgeschL
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fleite (4.) Jfolgf
ber
Icitfdjrtft für bcutfdje Itulturgcfdjtdjte.
von
Dr. (ßeorg Steinhaufen
Kujto£ an bor Unircrfitätsbibltotbcr in 2>cna-
(grfkr "sBanö.
frrlin 1M4.
Perlag von €mtl gelber.
^nljalt. Strafe b.
APS 17J806
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3uc Sinffibrung. «om $erau«geber I
Deutfdpe« <&eifle«leben im fpätereu äRittclalter. »ott Äarl Vamprcdjt 5
£{poma« (SampaneUa. diu Did)terpbilofopf> ber italieuijd)eu 5Hcnaiffanci\
«on (Sberbarb ©otbein 50
3e<b$e$n beutfd)e ftrauenbriefe au« bem etibenbeu Mittelalter. »on
®eorg ©teinbaufen WA
2Ui3 bem »erein«roffen im rbmifdjen 9teid)r. I. II. »on Sö. hieben am IIS, 172
Über bie Slnfäuge ber ©elbflbiograpbie uub ibre (fntroicfluug im 3Wittef •
alter, ©on ft. üon»ejolb 145
Die »egrünbung einer fojialflatiftif(bcn SWetbobe in b. beutfdjen GJefdjidjt«»
fd)reibung bura) Äarl i'ampredjt. «on ®eorgöinter . . . 1»6
dHunflerifd)e <$ajlnacbt«.»olufligungeu. «on »abimann . . . 220
£>te Anfänge ber lombarbifdjen töe<b«ler im beulen 2Rütelalter. «on
®eorg Siebe 273
Da« dtetfefiaminbucb be« L>. Hbx. $lato Don 1607 — 1616; ein (baralte«
riftifdjer ©ertrag jur peregrinatio academica. «on Äarl 9b am 281
Der l'öroeufampf ®raf ftriebrid)« oon Olbenburg in ©age, Äunft unb
Didjtung. »on @. ©ello 295
3ur görbemng ber Äulturgefcbid)te bureb ?aieu. »on Äarl «ieber-
mann 312
#abrred)t unb Järbitte in beulen ©täbteu be« SDlittelalter«. »on
®eorg Siebe 316
flu« ben lagen ber Äöuigin (Slifabetb oon (Juglanb. (3obn Dee.
«lbre<bt ?a«ti. (»iorbano »runo. ©f>afefpeare.) »on Saro 353
Die ®efd)id)te be« ©ifcen«. »on B. o. (Sue 396
Der ooQtommene $ofmann, ein PebenSibeal be« Äococo. »on ©eorg
Steinhaufen 414
?iebe«leben unb ?iebe«bienfl in ber i?iebe«bicbtung be« beut|d)en Littel-
alter«, »on «üb o If ©oette 426
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- IV -
|ftt$ceUfn: äfitf
Sine l»anbf(^riftltc^e Orient.«eifebef<hreibuug üom 3abte 1688. #ou
S^r. SRu eppred/t 241
3ur ©efdncbte bei $onbaco bei Iebe«d)t in $enebig. 3üou $eurp
©imon«felb 323
Pittfüimgw unfc SloHjen: 139, 244, 827, 467
gffprfdjungen:
^abregberidpte für neuere beutle Vittc raturgefdjidjte 1. (Steinhaufen) 141
ü. ©udjroalb, ©Über au* ber üolfSroirtfcbaftlidjen unb politifdjen ©er«
gangenpeit SDtedlenburg« (Steinbanfen) 142
Äleinpaul, 3>a* aHittefalter (-»-) 143
Oftfriefifcpe Witter- unb t<olf*trad)tcn (@.) 143
Pinbner, 3)ie beutfa^en Äönig4ioab,len ($edmauu) 251
Jorfdjungen jur Äultur« unb ?itteraturgefa)i<f)te kapern« (Steinhaufen) 255
Äeil, 3)ie beutf$en Stammbücher (Ubam) 256
(Seiger, »erlin (1688-1840) (Steinhaufen) 259
31g, Beiträge jur ©efdjicpte ber Äunft unb ffunfttedjnif (3opn iDteier) 262
Stegmann unb #ugo, $anbbucp be« SojialiGmu« (Hnton) .... 331
3äb,n«, Über Ärieg, ^rieben unb .Kultur (Steinhaufen) 332
Übt, Unfer Äalenber (Steinhaufen) 835
sJlatbanfen, Su« $amburg£ altett lagen (Steinhaufen) 335
SBalder, (»runbrifj ber SBcltgefdjicpte (©oette) 336
fcanbfcud) ber beutfdjen ®efd}i(pte (©oette) 338
Dieteria), 9terpia (0. 2>obfcbüfc) 340
»iebermann, ©efdntpte be« beutfcpen <Sinbeit*gebanten« (Steinhaufen) 349
9ernbeim, Pebrbucp ber piftortfdjcn 3Hetpobc (Steinhaufen) .... 349
Sommerlab, Über SBefen unb Aufgabe bei $Biitfd}aft$gef(picpte (l'iebe) 47ti
3>ünjelmann, $a* römifcpe Stra§enne& in Worbbeutfdjlanb (Piebrnam) 472
.fcottenrotb, #anbbudj ber beutfcpen Iracpt (Steinhaufen) 474
»ed, 2)ie «efcpicbte be* CHfen« (Steinhaufen) 474
Tierd«, Sulturbilbcr au4 ben ©ereinigten Staaten (^ermann) . . . 475
Seide, Ter 3°bfiabenbtd>ter Sari Hrnolb Äortum (Äauffmann) . . . 475
$enne am 9thP». ©eftpiepte be« «ittertum« (Steinhaufen) .... 475
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,pttr ^införmtn^.
Tom lirrnnsaebcr.
-^ä^|cn neuen inneren unb äußren 2lbfdmitt, ben biete Jeit*
törift mit bem oorliegenben £efte beginnt, möd)te id) mit
?f. einigen furzen 25emerfungen einleiten. Hilter mürbigen
unb ernften Aufgabe foll bic ^eitfd)rift bienen: fte foll
oerfueben, ber n>iffcnfcf)aftlicf)e sDiittelpunft für bie gro&e unb
weitoerjroeigte Arbeit auf bem weiten (Gebiet ber Äulturgefdiicbte
Mi werben. 1 (jarf äd)lid) fef»lt ein foleber, unb e* fann nur bie
ATage fein, ob ee notroenbig ift, einen folgen 311 baben. darüber
fann nun nid)t bor geringfte ^meifel fein. o>n einer Jeit, in ber
eine jebe, aud) bie minjigfte £rje$ialn>iffenfd)aft i^r ^rgan rmt,
fagar oft mehrere . barf ein joldjeä s"rgan, bae freilid) ben
Dilettantismus oerbaunen mufi, für bie grofje unb in auffteigenber
Cfntroicfelnng begriffene NBiffenfd)aft ber .H'ulturgefdjidjte uid)t
feblen. wirb molmetjr am elften helfen tonnen, bie -ieriplittevung
auf biefem (Gebiete 3U beseitigen, oielleicbt aud) ba^u, biefer Riffen-
fdjaft biejenige äu»;ere (Geltung 311 oerfdjaffeu, bie man if)r biobet
nodi oerroeigert.
freilid), roae ift $ultnrgefd)idite? xsd) möd)te hier nid)t
bee näheren barauf eingeben, jumal id) meine ^Inftcnt bariiber an*
lüfclid) bee ^ d)df er- (55 0 1 f) ei n ' f d) en Streite* ausgefprod)en r)abe. (?e
bat biejer (Streit gezeigt, baf; ee immer nod) «ftreije giebt, bie ba
meinen, bafi man unter ber Carole Mnlturgeidjicbte Aorberungen
oon Gelang an bie (Mefd)id)teroiffenfd)aft nid)t (feilen föune. Jdj
babe feinen £n(afj, bie ^crfediter biefer Änftcbt um bie it)r ^u
(v:niube liegeube Äuffaffung ber ringe ,}it beneiben. -iiur bas
mddjte id) betonen: tagt man, bie Aufgaben, bie fiel) bie Kultur«
.;.itict>cift für .UnUurofdiidit.. !. 1
'2
Jur (Miifiiörunfl
rtcfd)iil)te (teilt, werben oon Dem .eigentlichen" .v»iftorifcr genügen*
bdjanDclt, fo trifft bao nicht Ateilid) gehören and) meiner
$nftd)t nad) Diefe Aufgaben $u Den Aufgaben ber (s>eid)id)tc über-
haupt: einer einseitigen politiidjen &efd)idu*auffaffuug gegenüber
aber hat Die fulturgefd)id)tlid)e Arbeit nid)t allein ihre $ered)tigung,
ionDcrn il)r grojjee ^erbienft. 3luf Den Hainen „.Hulturgefd)id)ti '
wirb fid) fein uernüuftiger Anhänger fteifeu wollen; aoer er iü
ietjr id)n)cr $n erfetjen, uno er fjat oor allen fingen allmül)lid)
ein Ijiftorifajeö :Ked)t erhalten. (5r in uollftänDig in Die allgemeine
Xenniuologie übergegangen unD io beffer, alo fluebri'ut'e, wie
$efd)id)te Der JiDiliiation, l>kfd)id)te Der l^efittung oDer mie mau
früher iagte „Weid)id)te bee menid)lid)en (^fd)led)te\ (5*3 ift aiut)
im großen unD ganzen eine übereinftimmenDe $uffaffung Deo
begriffe, freilid) im meiteften 2inne, fchon oorhanDen. *>enn
man oon Den fulturhiftorifdjeu Partien eine* $iict)cä jpridjt, io
ücrbinbet Damit Dorf) jebermanu einen ganj beftimmten begriff;
viele B politifdje * .^iftorifer fügen itjren Darftelluugen „fultur=
^iftorifetje"' .Kapitel ein. 2Ufo im großen unb ganzen weif? man
red)t mot)lt warf .tfulturgefd)id)te ift. (rine beftimmte Definition
ift übrigen»? ebenfo schwierig mie Die öee begriffe „ C»cfd>id)tc"
überhaupt. v3tun f)errfd)t aufjerDem auf unferem (Gebiete in neuerer
Seit eine erfreuliche Iljätigfeit; Der Dilettant meid)t auf Diefem
Gebiete mef)r unb mehr ftreng miffcnfd)aftltd)er #orfd)ung. (tö *,eigt
öiefe Il)ätigfeit nidjt allein, oa\\ Die rtulrurgefchtchtc uid)t oon allge*
meinen NeDeutfarten lebt, vielmehr eingefjcnbc wiffeufdjaftlidie
Aoriduiugett getrieben unD mertoolte rKefultate gewonnen werben,
fouDern - unD Dae ift feljr mefentlid) et? l)at Dieie beginnenDe
Äpe^ialttjätigfeit gezeigt, mie ungeheuer Diel überhaupt nod) >u
thun ift. WeraDe Die Atulturgefd)id)te bietet mancher anDcren altera*
l"d)wad)eu *>iffeirid)aft gegenüber eine ,"vülle unbearbeiteten ^toffo;
geraDe l)ier fiuD (rrgebniffe }ti ermarten, Die mirflid) „De* 2d)wcifK«?
ber (rDlen* mert finD. oOt Die Multurgcfd)id)te in Der Iljat Die
3s>iffenid)aft Der Jufuuft, fo ficht mau Die Morgenröte Dieter
• iufunft Dod) Dämmern.
Daf? Die .tlulturgeid)id)te fid) ihre Stellung größtenteils erft
erobern muf?, icigt aud) Die ll)atiad)e, Dafi oiele uuferer $eleljrten
fie geioiifermafuMi im Nebenamt betreiben. 2eljr wenig geben fid)
oerl)ältni*mäf;ig Die „.^iftorifer" Damit ab, oiel mel)r Die Vitterar-
hiftorifer; auDere finD eigeutlid) Oiationalöfonomen, aubere .Uunft
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.{ur (Einführung
^iftortfev. Unb bei Dielen Meier Partner finb gerate iljve fultur*
ruftorifd)en Arbeiten bie, bie irmen am liebften nnb teuerften finb.
2ln Dielen ungünftigen äußeren ^erfjältnifien mir beulen feilten
¥ehrftul)l für &ulturgefd)id)te, mof)l aber ioldje für red)t minimale
^iffenfdjaften liegt ee aud), baß nur fefjr wenige it)re -Kraft au»?*
fchließlid) ber .ftnlrurgefd)id)te wibmen tonnen. (So fommt tjinju,
baß ba^u ein t)or)er Wrab ber heute felteuen llneigennüfcigfeit ge*
hört: ee ift fein ^rotftubium, unb äußere CSljren finb ihm nicht
befchieben. — lieber ergiebt fid) bie ivolgernng: um fo notwenDiger
ift ein wiffenfdjaftlidjer DJtittelpunft.
(5inee Ijalte id) allerbinge für notwendig. J>ervid)t aud),
wie id) oben gefaßt I)abef über ben weiteren begriff ber Äultur*
gefd)id)te eine peinliche Übereinftimmuug, fo tjaltc id) bod) Dafür,
baß biefe weite Raffung bem Tvortarbeiten nicht bienlid) ift. Wan
muß bie Aufgabe fenärfer faffen. Jebe ^iffeufdjaft muß itjr eigene*
(Gebiet fjaben nnb fid) uon anbeten fonbern laffen. itfer bie Änltur»
gefd)id)tc etwa ale eine Summe ber i'itteraturgeid)id)te, ber JKedjW*
gefd)id)te, ber Äunftgefd)id)te, ber Meligionegefd)id)te, ber ^t)ilo«
fovt)iegeid)id)te u. f. f. faßt, trifft unmöglid) bae ?Rid)tige. v\d)
meine, mau muß fte ale bie £\'benegefd)id)te }uuäd)ft einee
beftimmteu Holfee, in letzter £mie ber ^ienfdj^eit auffaffen. 3>ie
@ntmirfelung einee ^olfee in ihrem ganzen Verlauf, in iljrtr
ganzen fittltdien nnb geiftigen (Eigenart unb in tfyrer &>irfung $u
oerfterjen: bae muß bie £ulturgefd)id)te lehren. Sie muß aud) eine
beftimmte $c\t in ifjren maßgebenben ;}ügen une oollftänbig bor
klugen führen tonnen. $>o\\ ben (frgebniffen ber politifdjeu, ber
l'itteratur*, ber MuufK ber JKerf)tegefdnd)te u. f. f. mad)t fie
infoweit ÜÄnwenbung, ale fie une bie Wenfchen, bie wirfitdjen
Wenfchen, bie Waffe, ben Snpue erfennen t)elfen. Jn biefer C£v*
forfd)iiug bee oergangenen Vebene behaubelt fie eben aud) Webietc,
bie feiner anbereu ^iffetifdjaft anfallen; id) erinnere hier an bie
Schilbernng bee äußeren Sebent, ber flleibnng, Oial)iung, mit einem
&>ort: bee fu!turl)iftorifd)en Grübele, wie ein Wegner fiel) geidjmacf*
roll auebrüeft; weiter an bie 2ittengefd)id)te überhaupt, bie aud)
bie Wefd)id)te ber Sittlid)feit begreift, weiter an bie wnnberfa)öne
Slnfgabe, bie (fntwirfelung bee Wemüte unb Olmraftere 311 geben,
an bie $efd)td)te ber Familie, bee gefellfd)aftlid)en i'ebene, au bie
Wefd)id)te ber ^ilbung unb fo oielee aubere. £ae ^erhältuie bee
"IVenfcheu \in Statur, bie Slbhängigfeit oon berfelben erforfdjen,
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4
(*imüt)rimfl
biefe unb äf)nlid)e Aufgaben finb ebenfaüe fpc^tfifcf) fulturfuftorifdt
von bcn lebten unb Ijödjften gar nid)t gu reben. - Sind) »on ber
if)r eigentümltdjen Wet^obe roill id) fyier nid)t füredjen. Jmnter
nrirb fie aber in lefcter £inie ifpr Slugenmerf barauf 311 richten (jaben:
^ae ergiebt fid) aue bem unb tan für bie .Rennrnie betf s)Jfenfd)en
ber Vergangenheit '< SBer 5, 5*. nur bie einzelnen Sitten unb
Srfiudp fammelt unb barftellt, tf)ut oerbienftlidie Arbeit, ^a*
2$efentli($e ift aber bae: SBai" ergiebt fid) baraue, loao ftectt
Dahinter? 3*>ae läf?t fid) barauä für bie bainaligen 9Renid)eu
{daließen? (Sin litterarifdjee sl>robnft wirb ein l'itterarbiftorifcr auf
00113 anbeve ®eftd)t*yunfte ()in anfefyen, alä ein Äulturfjiftorifcr,
ein Medjtöbenfmal ein JJied)tef)iftorifer ebenfalls auf gan3 onocrc,
ale jener. 35Me fer)r roirb fid) ber tfulturljiftorifer oon bem
politifdjeu .piftorifcr beifpieltfnxife in ber ^eriobiftrung ber Ver*
gangenfjeit unterfdieiben! W\X einem *>ort: 2>te tfulturgefd)id)te
ift eine Don allen anberen burdjaus unterfd)iebene( alfo felbftäubigc
^iffenfdjaft.
jd) gef)e f)ier abfid)tlid) nidjt ine einzelne unb begnüge midi
mit SSnbeutnngen. €0 möd)te id) aud) auf bie felbftanbigen
Siefultatc ber .ftultnrgefd)id)te f)inroeifen. Sic lehrt (Jrgebniffe,
bie von anberen *Mffenfd)aften uid)t gewonnen »erben fönnen.
£ie felbftäubige Stellung ber <Hulturgcfd)id)tc 511 förbern,
boe Verftänbnie für ifjre Aufgaben 311 befeftigcn, bie Hammel-
ftätte für ftorfdinng unb Arbeit auf itjrem Wcbicte 311 bilbcu: ba*
fe^t fid) biefc ßeitfcnrift 311m A{iele. fBtoge unfere Arbeit nid)t
ol)ue Arud)t bleiben!
(f)ei|fe£fe&ett im fjjäfmn ^tiUfatür.
Von Karl £ainpred?t.
I.
rtiir bic allgemeine »paltung bee (SJeifteelebene einer be*
trimmten frit wirb immer bie 2lrt( in ber bie fragen ber (5r*
3tc^intg unb bee Unterrichte gelöft roerben, beaeidjnenb fein ale 2lue*
i>rucf foroofjl bee @rreid)ten, rote 311 Sörberung weiteren ftortfdjrttte.
^m fpäteren Mittelalter fällt hier oor allem eine biefjer
unbefannte Sdjetbung bee ©ilbnngegangee für bie ocrfdjiebenen
23er 11 fef reife ber Nation auf. 33ierjer mar ber Unterrid)t im
roefentlid)en nod) überall ber gleite, nationale geroefen: Übung in
Oer Rührung ber Waffen, Srabttton ber ©erjetmniffe nationaler
Überlieferung in Sage unb 9Jtärd)en, in eprudjroeterjeit unb €d)erj
hatte alle £>entfd)en, ben Sauer rote ben bitter, nod) mit einauber
oerbunben. 3efet trat ber 25ürgerftanb bajroifdjen. @r be*
mäd)tigte ftd) in sicmlid) breiten ed)ia)ten ber Elemente ber
fremben, lateintfdjen Überlieferung, ^d^renb auf ben Dörfern bic
alte 33ilbung in münblidjer Jrabition unter ftete größerem innerem
Verfall fortgepflanzt roarbf entftanben in ben Stäbten faft überall
^ateinfdjulen , geroöfjnlid) mit einem gciftlidjen Stifte oerbunben;
fclbft in fleinen ©tftbten hat ee beren gegeben, in S3rüffel betrug
ihre ;'>ahl fdjon im U.^afrrhunbert brei^effn. 3n biefe Schulen fanbte
aud) ber mittlere 33ürgeremann feine Äinber; unb fomit begannen
ftd), rrofe aller flafftfdjen CHnroirfungen im früheren Mittelalter,
erft jefet groje leile bee $olfee ben ^bealen rein nationaler
23ilbung 3U entfrcmben.
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Äarl vamprrcbt
^ofttto erreicht warb freilid) anf djeiiienb nicht nid. (?e fohlte nod)
ein befferee Vehrermaterial, ee fehlte eine Stbftufung ber Klaffen,
ee fehlte enblid) jene l'ebrerfahrung, bie erft nach (Generationen
gleichartigen Unterrichte einen feften i'ebrplan 511 fdjaffen oermag.
(5e waren taftenbe Anfange, in benen Wrammatif nad) logifdum
eijftemen, ba^n Veten, 3d)reibcn, and) etwae Vatemfpred)en be»
trieben warb; gelefen würben mit beu .Hinbern meift redtf im-
paffenbe lateinifche (Stoffe, 3. $5. bie Ars amandi bee Coib.
Uber biefem Unterricht aber baute fid) feit etwa s3Jhtte bee
14. ^af)rf)uuberte bie f)öl)cre ^ilbnng ein(jeimiid)er Unioerfttäten, 001*
nehmlid) für ben geiftlichen, nur auenahmeweiie für ben bürget*
liehen Teil ber Nation auf. Tiefer Unterricht, wie überhaupt bie
&>irfung ber Unioerfitüteu nod) im ganzen Verlaufe bee 14. ^afjr*
bnuberte, brang nicht eben tief. Wit ber in Aianfreid) auegebilbeten
wiffen)d)aftlid)eit DJietfjobe ber 3d)olaftif, bie alle Tie^iplineu be*
herrichte, hat fid) unfere Nation erft im 1."». ^arjrhunbert, ale ber fd)o*
laftifche betrieb eine fefjr mertwürbige Beübung genommen hatte,
befebafttgt, oorf>er blieb fie ihnen gerabe^u abbolb. (re war in ihrem
(Sinne, wenn fchon oor 33egrünbung ber Präger Unioerfität, ber erften
bentfehen >>od)fd)nle, fid) ber Wagifter Meolaue be Utricuria
bahin änf?erte: „Uber bie anfdieiuenb natürlidKu Tinge taun man
faft gar feine Weroifebeit erlangen; in gewi ff em (Grabe rannte man
jebod) ziemlich rafd) eine folche haben, wenn man feinen ^erftaub
mehr auf bie Tinge felbft rid)ten wollte, ale auf bae ^erftänbnie
ber ?luefprüd)e bee Slriftotelee imb feiner Kommentatoren V)
Unb bie Nation im ganzen, üornehm(id) ber gefeilid)aftlid) führenbc
iöürgerftanb, richtete mit .fylfe ber geringen, in ben Vateinichnlen er-
worbenen .Uenntrtiffe feine 23licfe in ber 2 hat nur 311 iefjr auf bae
?iuf?erlichfte ber Tinge felbft. Tie ^ilbung warb ihm im mefeut*
liehen nur Wittel materiellen Erwerbe; allen litterariidien ^ntereffen
höherer Art ftanb er fern: ee ift be^etdjnenb, baft in einer ;{eit, in
ber bie elementare Kenntnie bee Vateiue weiter brang, ale je oorher,
bod) bie Mejeption lateinifcher Wörter in »ufere Sprache gegenüber
beu früheren "\ahrhunberteu bee Wittclaltere nachlieft. Oiur in ben
(Gefchctftebüchern unb ben Medutuugefdjlüffeu ber .^anbelcnäuier
gleid)fam hallte bie alte ^ilbung in entttellter Sirfung nad).
' i Nieder. "JiMberiachcr ber tapfre , icttc 1 1>. ^ticolaiu- mar ein
Winorit au? bem (*c»i»laf Viibmia* bee Katern.
■ •
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TnitidK* Metfteoleben im ioätcren 1V1 ittelaltcr <
Unb l)icrbci ^cicitc fid) beim freilich, baf; fic felbft f)ier noch nid)t
nie ${et)tfel eigener, perfönlid)er ri!rd)bilbung .511 bieneu r»emiod)te.
Wrgenbe geigen bie erhaltenen Vitteralien bee 3?ürgerftanbee, bie
>>anbelebüd)err bie furjen (^ebentblätter, bie llrfnnben für >}ane unb
Familie, einen über bie nüdifte ?luefd)au erhabenen SMicf, nirgenbe
finben mir and) nur eine ^ielfyeit ber $üd)ei, wie fie ber heutige
.Kaufmann sitr reinlichen (vühnmg ber l^efdiöfte feunt*), nirgenbe bie
Anfänge ftatifrifdien Siunee"), obwohl bie ftärfere Slufnahme bee
arabiienen ^iffemfi) [lerne feit beginn bee 14. ^ahrfumberte. wie Die
umehmenbe innere '^benrität ber G*in$elerid)einungen an fid) eine
ioId)e geftattet hätten. ")iur auf einem (Gebiete, bem altnationaler
Neditebilbung unb JKednefobifieatiou , rang man fid) gelegentlich
*u größerer .Klarheit, wr 5Mierrid)ung umfaffenberer geiftiger
Materien bind); obwohl aud) auf biefem Webietc Unfall unb Un*
beholienheit ber ?luneid)iiung bae (Mewöbnliche blieb.
(Tin größerer ^erfebr mit auswärtigen Nationen tonnte
unter bieten llmftänben nur fdimer bewältigt werben, Sprachlich
gejdjah bae im Horben, inbem mau ben fremben Woltem eiufad)
bae Teutfdje anfbrängte; bae ■Jiieberbeutfdie war bie Spradie ber
kaufen, wohin fie aud) tarnen; nieberbeutfd) war im 14. ^ahrhnnbert
auch bie Sprache ber gefamten norbiieheu Diplomatie. iMeograpfjifd)
aber mupte mau fid) fdiliefslidi mit ben unrjollfommenften -*>ilfe*
mittein behelfeu; bie .Harten bereiten, im früheren Mittelalter in
einer ftrt von gelehrter Spielerei immer unb immer wieber fopiert,
reichten oielfad) nicht aue für bie neuen S?cbürfniffe, namentlid)
im Horben; hier bradite erft bie .Harte bee ltptaler (rrjbiichofe
Tlaue Lagune Dom ^ahre 1 .">;'»!» eine einigermaßen ^utreffenbe
Tarftellung ber brei großen SNeerbuien ber Cftfee.***)
21m bejeidwenbften aber für bae intelleftuelle Otitieaii ber
jeit iit oiefleicht ber G>ntmicfelnngegang ber bürgerlidien Weicbichte^
ichreibung. ^ie weit war fie in ältefter p>eit nodi entfernt oon
bem einfachften $Jerftänbnie bürgerlicher '^ntereffeu! Sie flehte
nod) gan^ an ber geiftlid)en Srabition; wie benn .Höln, bie altefte
(Mrofeftabt, nod) ben h. I^etrne mit ben 2lnfangemorten ber i'egenbe
Saneta (;olonia im Siegel führt: bae Siegel bee ipäteren Viibecf
•1 3>gl. Sticfro in .<Sanf. Wefdiichrsbl. l*ö.
"i S. 5Öüä>r, JUanfturt I. 2. 4 f.. um; f., f.
'•*) SPgl. Socmn in .<?an». i^etdiM. 1^<> >1. S. ."-7 n.
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Äarl i*amprcd)t
bagegen geigt cht Sajtff. 2>er t)croijd)e 2lundwuing ber (*)efd)Icd>tor
tu bcit kämpfen gegen bic Stabtljerrfdjaft brad)te bann jmar auf
fyftoriograptfdjem (Gebiete ein leijeö ^erftanbniS ftftbtifäer Vorgänge,
aber nod) geigte eä jtd) nur in bid)terifd)cnt ©emanbe, in ber Weint*
djronif etwa ein« ©obefrib £agen. %m H.^afjrlninbcrt, in ber Bcit
bcr Junftfämpfe, ging man barauf einen Schritt weiter. Jefet ent*
wicfclte jtd), anfnnpfenb an bloße C>}ebäd)tniebcl)elfc über Ijeruor»
ragenbc @reigniffc 311 *Rnfe unb frommen bcr fünftigen Verwaltung,
eine 9lrt gefd)aftlid)cr ©efd)id)tefd)retbung, für?, profaifd), rein beni
£f)atfäd)lid)en gugewanbt, oon gleidjfam unbewußter, aber Dod)
frdftig fjeroortretenber ftabtijdjer 2enbcn$, offiziellen ttrjprung*,
unb gelegentlid) nid)t frei oon weitgetriebener tMirtcianfid)t ber
ljerrfd)tnben «filaffen. ©ang entmitfelt ift biefe Wcfd)id)töfd)ieibung
feit ber gweiten Jpalfte bee 14. ^afjrljunberttf ; eine **üllc nun Sluf*
geidjnungcn allenthalben gehören ifjr fet=tt an. Slber nur an einer
Stelle entfpringt if)r eine C^>ef et) i d) tea u ff a ff u » 0 weiteren flirte*, in
l'übetf, unb nur für bie ^ahx? großer internationaler Spannungen,
für ben fjanftfdjen Äampf mit bem £änenfönig ^albemar, finbet
fte *;orte. Überall aber fyält fid) neben ber einfad)en bürgerlidien
9iclationengefd)id)t$id)reibung im 14. Aatjrfjunbert, ja nod) im
1 "). ;>al)rf)iinbert( bic alte geiftlid)e ®efd)id)töbetrad)tung in ftäbtifd)en
Äreiien unb lebt ftd) in immer bunteren, mit fabeln bnrdjmirften
ltnioerfalgejd)iditen ftabtifd)cr Pfaffen auö; nur leiten, baß neben
ibr ein geiftlid)cö 2i>erf einmal ber (Gegenwart leilnatynte fdn'itft,
wie bic föftlidjc l'imburgcr (5r)iontf lilmane oon Cfllcnf)agcn. Unb
wie weit blieb man bei aliebem entfernt oon einer tieferen 35c=
trad)tungöweiie bee ©eidjcfjen«! 2i*ie conoentionell, unabftreifbar
bürgerlid) war bie Slnffaffung, wie wenig erfaßte man aud) nur bie
^erfönlidtfeit in ber Wefd)id)te! £ie erften wirtlid)en Selbft*
biograpfjicn, mit iHiiöitatjmc berjenigen Äaijer -Marls IV., ftammen
erft au* bem lä. >>al)rf)unbert, unb bie geringen Anfänge ber
UHcmoirenlitteratnr fd)on au* bem 14. 3at)rr)inibert bewegen ftd)
nod) burdjaue im Warnten ber (Mcnealogie unb ber Aamiliendjronif.
t35?ie follte, wer bie eigene vJ>erfonlid)fcit nid)t objeftiü 311
betrad)teu oerfud)te, reif gewefen fein für eine auögejprodjene
<5r)arafterifttf ber frembenV Selbft bie Vimbnrger ^ronif fdjilbert
bie große $al)l tjanbelnber ^erjonen, bie bem 3>erfaffer familiär
waren, Dtreft faft nur in ibrem ättßerlid)cn . Habitue, burd) Angabe
ifjrer g eftalt unb pbn^onomien, ober allenfalls bu rd) ben ;{uiafc
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reutjdjeo OietfteSleben im (bäteren Wittelalter
9
etnee be^eidjnenben ©leidjniffee: ber wa$ al» ein lewe, ober
burd) &nfnrjrung einer £aupttugenb. So ein $erfud) gemalt
wirb, tiefer 311 greifen, ba 3eigt fid> bae offenbare Unoermogen ce»
Tutore: nur in gemiffen £infid)teu, in ber Unter» unb Grtnorbnung
uad) gereiften objeftioen üfteurteilungenormen, gelang e» aud) bem
begabten Wenfd)en bee 14. ^al)rf)unberte, ftd) bee ^erftänbniffe»
ber menfcrjlicneu Slufjcnwelt ju bemächtigen.
'Jürgen bei faft tritt bae flarer fjeröor, als in ber ©efd)idte
bee Portrait». <a)cwiß ift bie .ftunft fdjon im 13. Jatyrfjunbert im
ftanbe, ben blof) dufierlidjen ^nbUHbual$ufammcnb,ang ber Wuefel*
Partien irgenb eine« töeftdjte» miebcr$ugeben ; bae beweifen fo treff*
lid)e Stiftungen, wie bie Wrabbenhnäler etioa bee (trafen 35ertljolb
oon Böhringen (f 1218) im fünfter 31t ftreiburg ober bee
Äxraog» windet) IV. oon 8d)kfen (f 1290) in ber Sreelauer
#reu$fird)e. Unb im U. Safjrfjunbert mar bie ®eföicflid)feitf
ßöpfe mit wenigen 'Strichen äu^eiiict) inbiüibualiftert mieberjugebcu,
fdjon 1)00) cntwicfelt.*) £ae Portrait bagegen innerlid) ju be*
leben, tf)m einen beftimmten geiftig=pcrfönlid)en &u»brncf 3U Oer*
leiben, gelang nod) mit nid)ten; erft gegen £d)lujj bee 14. Jatjr*
miuberte entwirfeltcu ftet» bie erften Anfänge biefer Äunft in
ftlanbern, überhaupt in Surgunb, unter ber boppelten ©unft be$
"Btacenatentiime tjalbmoberner dürften unb eine» überreidjen, felbft=
bewußten Bürgertum». 3m allgemeinen bagegen bleiben bie
Portrait», wie bie gefd)id)tlid)en C5r>arafteriftifen unb £elbft*
biograprjien, in ber Übergabe bee iiöemfemäfugen, bee Familien»
tjaften, bee nid)t fpeaififd) ^erjönlidjcn fteefen. edjon in ber
Vorliebe für ^ortraitcnflen auf $runb oon Familien* unb Slmte*
jufammenljängen jeigt ftd) ba», oon ben ehemaligen ^ortraite ber
£od)meifter in ber Äapelle ber -JJiarienburg an biö ju bem lüften*
crjflue im oberen (üfjorumgang bee Präger £om» aue ber ;]eit
Äarl» IV. unb bie 311 ber ^ortraitreifje öfterreid)tfd)er Axrjöge,
weldje eine Liener »paubfdjrift aue ber ^weiten Hälfte bee 14. ^saljr*
Ijunbert» aufweift.**)
Soweit aber tiefer djaraftertftert warb, gefcf)ar) ba» nod) nidjt
•) SJßl. \. JB. bie .Köpfe in bem AUint«unbenpaffional 0. o. \M >,
^ag, Unio.^ibl. XIV., 21. 17.
-) SBien, £ofbtbl. Sir. 27«>ö; d^I. <* tfirf, Silber öiterreid)ttd)cr
.^crjöfle bed 14. Sabrrmnbert*, $Men lxfw.
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XU vi Viiuunt\l)l
bircft, fcmbcrn meiert, in bor ^iebcraabe ber x:anbinna,eu , bee
Shime, bee beiueflten Wenfcben. 2o halte fdnm ber alte x>lben=
fana. ine Wrofw, ja Unaebeuerlid)e unb .öeroiidn' hinein 511 d)arafte=
rifmen »ermodyt*); jefct warb biefe Wetlpbe and) ine intime,
RuftäubliaV ac^oaeu. ^nefbote unb Bonmot uuirben bie beliebteren
formen »eriönlidier ^erfleaenwürtiaumj. £d)on bae i). ^af>r*
Rimbert hat beravt in ben ($nähluna,en , bie bei 2antt Italiener
TOnd) une aufbewahrt hat, bie überwältigen be <su}\\x Starte bee
(Großen feftaehalteu ; feit bem ^ueaanae bee 13. vsabrbunberte aber
mürbe btefc Lanier bae gemeine 'Wittel ber (M)aratteriftif für alle
irgenbrnie l)er»orraa,euben in'rionen, £ttofar von dreier wanbte
pc 3iierft mit ^irtuofitüt an, unb bae 14. ^abrhunbert ftrclU nou
&nefbotenbüd)cru unb ÄnefboteniudnV*)
@e ift ein -\i\a,, ber bei bem bei ben, materiellen v\utereifeu
»orwieaeub juaewanbteii, bemofratifdien <zinne ber <>eit alebulb
gur ^flcae einee fräftiaeu x>nniore führen mufUe. Xlauin ein be=
jeidincnbee £wfnmeut bee bürßerlidjen Gebens ane bem 14. xvabr-
hunbert, maa, ee Mmift ben ftnä lern ober idtriftlidten ^uHcidmunaen
angehören, läfn bieic (*iaenid)aft nermiffen: ee finb ariftophaiiiidie
Reiten. £elbft in ben (yrnft bee ridtferlicben Urteile ichlua. bei
.VNimor ein: fo muft in Alanbern ein Wann, ber ein f neben«
traaenbee Wäbdjen aefoppt hat, biefer lieben neue .Hudien baden
laffen, unb ein anbercr wirb »«urteilt, jemanbem, ben er beleibictf bat,
foüiel Weißbier 311 befahlen, ale bieier trinfen fanu. Tie x>an»tftdtte
femfeften Rumore fd)eiut aber fdjon früh ber foloniale Cften ac*
roorben \u fein, nicht unät)ulid) bem heutigen ^iorbamerifa, beffen
folonialer 3*oben bei allem .saften ber materiellen (*ntmirteluttu,
bodi nenerbinge bie gröftfen x>umorii"tcn anadfiu1)fiid)en Stamme*
erzeugt t)at. .frier ift bie Heimat ber humoriftiid)en Wrabidiriften,
^icr fanben im U>. 3>ahrl)unbert bic 2päf;c 'IUI (riilenfpieaele bc=
fonbere entbuftaftifd)e ^ürbiauna.; unb in ^tralfunb, nicht allu*
fern ber Heimat Aiir> Meuter'*, befam ee bie »ornehme Alramcr*
innuna, uod) im x\ahre l.*»74 Tertia,, ben C?ina.ana, itjree fäumen
Äirdieuftnhle mit einem feulenfdimina,enbcn Nenaiffancebelben
jehmüden 31t laffen, barunter bie brohenbe Unteridirift:
*) Vc\\. meine teutidje Wcidjidnc, $*anb 1. 2. ff.
'*i^l. ,\. s£. bic %ilicltac?d)id)tc bc* ^rieitcvc« 2 imb wn Mn
bauien, auch bie Vimbnraev <s"l)ronif. (<bavnftcriftiid) aud> 5£cilanb,
?iciiec ?lrrf)iv -.'11 J14.
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icntt'ci)C\< («ciHfvkbcit int üuitcrcn Wittel« l tri
11
i«t feil >Wamer iü. bc bliei n« buteii,
Cber irt fct)l« ein im be fct)iiuten.
Wnn^ allgemein aber pflegte (ich im 14. %\anrf)iinbert bor
nad) iHnflerlidifeiten ber Perlon nnb ber Gegebenheit diaraftc-
rificrenbc .Junior in ber Gencnnnng bor einzelnen ^enonen mit
Sunamen über bon lanfnamen hinant?, wie in ber beionberen
Benennung einzelner .Rainer ju äufu'nt: to nnb grononteile bic
bfntict)cn Eigennamen cnfftanben. Welche Anipielnngen mäßen
nicht .öaiumamen, wie }iit \>enfd)retfc ober ^iim .»ximdien, }nm
edjlaraffen ober .$ur falten Mittue bera.cn, mcldn* iatirifdu* ^n*
bitnbnalijterung aitft? iHupere beengen nict)t xl>crionennamen wie
3ego;tbart, .ftrnmfuß, 2d)cnfinüglae, Veorenfrng, 2nchewin, Gliben*
fpiep, rnfel unb £itrmild). <iie nnb beut Aranffnrter Vorrat ent*
nommen; hier fdieinen fid) vor Witte bee 14. Xahrhnnberte etwa
ein drittel, im ipäteren 14. ^ahrbunbert aber mehr ale }moi
Tritte! aller Bürger idjon mehr ober minber cbaraftcrifterenber
Zunamen erfreut haben.*)
(*e war ein Aortidiritt, bei ber biibtcriidicn i>hantafie iet)r
balb bie SMlbmig fetter tonuentioncller Snpen geftatten miifue.
ber 3 bat beginnt fd)on mit bem (rnbe be* 11. ),af)rhnnberte bat*
Zeitalter fokaler tffmrafteuiiernng ber einzelnen Gernfearten nnb
Staube: in biefer .!eit erroadn'cn jene 5 wen be* fctilaucu dauern,
bei5 luftigen Vaganten, bee feigen vsdineibcr*, beö fred)en >?nren»
wirtec, jene Inpengrnooeit bce Warme imb feiner >>ane>bältcrin,
bee Äaufmaiiw? nnb bee pfiffigen l'anbemanne. ja 'dwn einzelne
reine (5baraftertnpen. bc* Wenigen etwa, be* ^ndierer*. be* l*ifcr*
fudtfigen, bie bann in ben Anfangen Der meltlidi - Diamatitd)en
^Dichtung Gcrmenbnng fanben.
3111 biefe ^iige aber beweiten, wae- ichon bie familienhaftc
($ebunbcnt)cit ber Vertonen ooranefefcen lief*: wir befinben um
nod) auf fonoenttonellem Goben: ber Bürger, nnb bamit ber
2lngel)örige ber enrmicfeltften Geriifeidticnt bee II. ^ahrbnnberte,
ftanb nod) fern bem geiftigen ^nbioibnaliemne ber Mieformatione*
jeit. Bo waren feine triebe nnb Jlnfdmimngen nod) wenig per*
fönlidu'r Art: in frühem 'Juror tdion galt er alc oöllig erlogen,
fein O.'fnnbtgfeit^termin lag ü'lbtt in 2täbten wie iL* a fei nnb
'I .Hriegf, Atanffurtcr ^iirgcr.notftc 2.4»;* ff : ^uükv, Aranffurtei
a^Dölfemna i. 7u ff.
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.Morl l'Qinpredjt
Äranffiirt nod) im menebntcn ^abre, 1111D niemals mar er fiel)
fei bft intereffant ale ^crfüiilidict Wifrofoemo*, mufUe er bod)
jumeift nidit einmal fein Lebensalter ftdjer 311 uemien. Umfomebr
herrichten ungeregelte triebe; bie Keibenfdwften waren noch grob
nnb übermächtig; nnb im weilen $){afil)alten bei 2lbfid)t, benehmen
unb bliebe hatte jid) wol)l überall feit ben leiten lachen beo Mütter*
tum* fogar ein JKücffdnitt boUjogeu. 2dwn im l.'i. ^al)rl)iinbcrt
wirb bei ^ürgerprebiger trüber 3>ertl)olb ntd)t mübc, immer wieber
Diaf; unb ?Hube 311 empfehlen; in feiner elften erhaltenen i:rcbigt
fapt er bie Watid)läge menfdilidier 5lliu^()eit in ben brei Wegelu
guiammeu: £as bn niemer fein enbeljaft binegetuon folt,
bau mit rate; ba$ bu fein binc uf folt fd)ieben, ba} bir
je mubte mirt; ba$ ir niemer fein binc tuon fult, trfult
bor gar wol betrauten, welid) enbe e^ neiue*); unb nad)
bem 1). Irjomae beftetjt bie lugenb in ber iid)tigen Drbnung ber
£trebnngen unb I riebe burd) bie Vernunft nnb in bereu über*
natürlicher ^ollenbung burch bie Wnabe Rottes.
Öl ber all biefen Vehlen trat bae Veben nod) fdiraff ent*
gegen. Johann .^ablanb bon ^nridi erzählt bon ftd) (um VMM)),
baf, ein .ftiub, baö er fd)on ale fleineö DNabdien liebte, ihm ben
fürten gefeint habe: ba fiel er in £hnmad)t. 311* man aber
feine .panb in bie bee sJJiäbd)eue legte, ba warb iljm beffer. (fö
ift eine Unmittelbarfeit leibenfd)aftlicher (rmpfinbung, bie, banernb
borhauben, nur \u leid)t }u furchtbaren Auefchreitungen führen
mupte. > Gilbert ftnb währenb bee jpäteren '»littelaltere burd)*
fchnittlid) im Jahre etwa fünfzig sJ>erfonen hingerichtet warben;
im Jahre 1527 fall ber SiidUfchreiber Stanrentiue Sdmiit bie (Me*
rid)töbüd)er nad) unb beredniete, ba$, bieweil bie 2tabt 9ted)t nnb
Urteil gehabt, 18 489 Scanner unb grauen hingerichtet warben
feien.") JPefonbere berberblid) aber mupte biefe Mbenfcbaftlidtfeit
beim ^ufanimeumobuen in ben engen Waffen ber <£tabt auf ge*
fd)led)tltdiem (Gebiete werben, ftür ftlanbern unb Üörabant meint
bae Wime ^actrinal***):
l*n luaert, bat men fint beer af braa,hct,
men oonbe cunu enigbc machet.
•) Pfeiffer 1, »i, 7 s.
$gi. SHichmalb l, 41.
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teutfdK* «rifteMeben im fpätcrcn Mittelalter
13
Unb mir haben fein töed)t, an i>icfer Weinung 311 zweifeln,
wenn wir 3?auferte ah? ftehenbc Gruppe bürgerlidier Familien»
nerbänbe fennen lernen nnb hören, baft 3?i)chof $eiurtd) von
fcütticb, ein gelbernfcher Wraf, *W Jfhiber hinterlief, nnb fid)
rühmte, in '22 Monaten 14 Ä'naben ernennt 311 haben. wir C ber*
beutfchlaub aber bemerft bie Deformation Äaifer Sigmuube oom
x\ahre 143X lafoniieh: niemanb haltet bie ee, ale red)t toär.#)
Slber märe eo faljd), am? biefer leibenfchaftlichen Un-
mittelbarfeit bei (Smpfiubung nicht* aio Schattenseiten bee fpät*
mittelalterlichen £ebene abzuleiten ; fic mar nidit minber bie Ur=
fache alle* (%of,en, nnb nameutlid) auf religiöfem Gebiete warb
fte, gegenüber bem Überidwang früherer Zeitalter immerhin id)on
ein Übergang zum ebleren Wape m oberner (*mpfinbung, flulaf;
eine* it>eientlid)eu ftortjehrine.
IL
£a* religiöie l'eben ber Waffen mar In* zum Sdiluüe bei
erften £alfte bee* Wirtelalter* bem tfhriftentnm nerhä4tui#inäfüc\
überhaupt noch fern geblieben. Auf ben falben ber $*erge wie
in ben liefen ber norbbeutfd)en Kälber herrichte nod) oielfach ber
altgermanifd)e witaliomu*, nur gälMlidi fnftemloo unb perfallen,
nnb munberlid) aufgeputzt bind) ben plauetartfchen fvatalienuij? bee
Crtente, ben oieIleid)t bie .Ureuzzüge oermittelt hatten, iomie in
ben folonialen Wegenben burch töefte flamifcher Wnthologie. *)iod)
im 15. ^afjrhunbert enthält ein nieberbeutfd)er ^eichtfpiegel**)
folgen be fragen: .ftaft bu irgeubweldjeu Aberglauben ober £d)roaa>
glauben gehabt au $*efpred)eu, Räuberei unb ^ahrfagen nad)
Weib unb Wut, nad) Wliicfof alten, ober irgenb eine Kreatur an*
gebetet unb ihr gottlidie (?bre unb Vob gegeben, al* ba ftnb
Sonne, Woub unb aubere Planeren; ober £iebftat)l, llnfeuid)heit
unb anbere Untngenb begangen unter bem Vorgeben, ber Wenfd)
fönne ba* nid)t änberu, ihn treibe bie ^totwenbigfeit ba.ui, weil
er unter foldiem Planeten geboren fei V Tber haft bu geglaubt,
eine Stunbe fei fdilimmei ale bie anbere für eine* $>erfe* beginn V
freilich fäcn, jur ?lber laffeu unb Arznei nehmen, bae mag mau
mohl nad) bem Vaufe be* Wonbee. Tber glaubft bu, ba* tönten
•> ed. Köchin, 2. m.
"\ ^uchTDQlb 1. 14;*.
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14
Marl Vamwccl»
ber ^öge! möge bem *))u'ufd)eu l^utee ober $öiee oeraulaffeuV
«Öaft bu glaubt au 5 räume ober an £d)mertbriefe ober aubere
ungemöhnlid)e ^ortc, Die bid) bewahren follten vor Reiter, Gaffer
ober »yeinben? Cber l)aft bu Did) besprechen laffcn mit Räuber*
motten ober mit au bereut Eilige, bao bie ^.Kadit von feiner natür»
lidu'u Araft nidn Matte v Maft bn geglaubt au bie lauten Bulben,
ober baft bie 'Hadamar ritte, ober bafi bu auf einer Cfengaoel
auf ben £5lO(f Oberg ritteftV
C*o fiub bie Dunfelu Legionen halb nuterbrüefter (Glaubend*
fnfteme; auo ihnen hervorbredienb tollte mit beginn ber ^ieu$ett
ber .öeremvahn furdubare Wadte nehmen für bie fafulare %lkr*
nadiläifignug einer d)tiftlid)en Wiifion tu ben tiefften 3d)id)ten
beo ^olfeo.
Si>ao aber auf beut platten raube bie .Htidtc 31t thun ver*
fänmt hatte, bae ergab fid) in ben Ztäbten von ielbft: hier traten
aud) bie unteriteu Alreife bei Nation beut (ihrifteutum rceuigftend
diijuilidi, gleidiiam räumlict), bind) engeo &eifammenfeiu mit
grofteu fird)lid)en v\nftitutionen, nahe. Unb fo ioiebert)olten ftd)
in bieier Siefe bie Cfrfd)einungen, mit betten eiuft bie /frönen ber
Nation bae ^hriftentum begrünt hatten.*) v\m oollen (Megenfafc
^lüifctien gutem unb böfem Wnjip, jivijdien Wott unb lenfel
ging bie d)riftlid)e .öauptlehre auf, unb bie ,vurd)t oor bem
;\enfeite, ben Strafen beo «yegeteuero, bem jüngfteu Neridtf be*
herrfd)te bie Weiviffen uidit miuber, nüe ben ^eritaub ber
ontmtfttidje Wlanbe an bunfle flaturfräfte unb au Die ttotivenbig»
feit beo ^unbero. ^u biefem -Jnnft flüchtete mau ^1 ben lieben
heiligen mehr, beim 311 Wott; fte fd)ieneu bie geborenen Mittler,
uameutlid) Ovaria trat in ben ^orbergrnnb, unb hödjfteno bie
Alanen trieb ein finn!id)er ^ug ber Verehrung 311 Cc l)ttftuc>.
Rubeln aber fo bie unterfteu M reife ber Nation loenigftenö
teilweife $um elften Wale von ben unmittelbaren Strahlen dtriftlicher
^eltanfd)auuug, wenn aud) in trübfter «vorm, getroffen mürben,
bemächtigte fid) ihrer bie eigenartigfte religiöie Unruhe. (ritt lierj»
pacteuber Gebaute mirb um fo leichter Waffeumirniugen hervor»
rufen, je geringer bie ^nbioibualität berjeuigen enhoitfclt ift,
benen er fid) autbiängt; uieinaub ift aud) heute leidtter fuggeftibel,
ale ber gemeine Wann, alo Antuen unb .Hin ber. Oam nahte
*» meine Tcuti'djc <*cid)idm\ Staut» 1, 2. :.4-l n.
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£eutfd)e* (»wfteeleben im fpäteren Wittelalter 15
Dieieu Aiiiibern an glauben, fteuittniffeu unb 5?1 nf clui 1 1 1 m g^roettc
bae l)ocr)cntnüctcIte §qftem ber fpörnitttelalterlicheit Ä irchenboftrin
mit feinen fummeln bott ^eiligen, Seligen unb ^etenneru, mit
feiner grauenhaften i 113t* 1 1 op otr ra p Ii tc ber höUifdieu ^ehaufungeu,
1111 D eilt Äultite ergop fid> mit (horjietneu unb Wallfahrten, mit
eubloien Weihen unb feierlidi*unoerftänblidier ."oaubauflage, in ben
feierlid)ften Sl u flen b I icf cn bae Neheintuio frentber 2prad)e roatyrenb,
über bte /oäuuter ber neuen 31 beuten, ^ft ee wunberbar, wenn
religiöfc Erregtheit epibemifd) warb?
vid)on im 13. ^ahrhunbert begannen tu Den romanifdjen
säubern «ftiubeiuro^efftonen unb Weif}elfal)rteu oon i'anb 311 SSanb,
teilnu'iie genährt burd) eine iHpofaltwtif, bte bte fernften Probleme
mit ben (rreiflniffen bee lageo tühn unb fdiauerooll uerbanb.
^11 reutfdilanb werben bie gleidien (*rfdieinungeu fett etwa "Bütte
bee U. v\ahrhunbert* auffällig, uub fie Dauern trotj aller Wegen*
wirfungeu in gesteigerter (Sfftafe an bie *u ben cnfd)eibenben
fahren ber :Keforination. Waren fie tiefer begrünbet, fo würben
fie bod) anfange oft mit heroorgerufeu unb geförbert burd)
furd)tbare ändere (rreigniffe, bie £Yutfd)lanD namentlid) in ber
weiten Hälfte bee 14. x\ahrhunberte heimiudjten, burd) i>eft unb
tfrtebloftgfeit, burd) .vmngerenot unb Überfd)ioentntnngen. w£iehe,
id) habe eud) bürre 3>ahre gefanbt", heipt ee in bem Weipelbriefe,
ber .511 2trafiburg ale stimme (5brifti beriefen warb, „unb Siegen*
aüffe unb grofte Waffer, uub bae Cfrbreidi habe td) gefcrjlagen,
Daft ee uufrud)tbar werbe."')
OJüt bie auffaUenbfteu unb f rubelten ber hierher gehörigen
(rrfdjetuungen waren bie (Meiftelfa Inten jitr ;>eit bee fdiwarjett
Xobee, um bie Witte bee 14. ^ahvhunberte, unb furditbar war
bie fuggeftiue Wirfiiug ihree 'Jluftretenö: wanne bte geifdielere
fid) getfdielteut, \o wae ba$ grofte juloufeu unb ba$
grofte weinen uou aubaht, ba$ ie fein man folt gefeheu.*')
slhm Crt ju Crt }ogeit fie, an bie jwei* ober breihunbert, unb
gingen breifug lüge in bie :Nuube. Unb wo fie einer Äirdie
nahten; ba fangen fie ihre Vieber unb geißelten fidi unb fielen 311
.M reu je unb lagen auf beut (rrbreid), bie baf? mau fünf 3>ateiuufer
inodite gefprodien haben, raun nahten fid) ihre IKeifter unb
*i 2a)tnalkr. 2trafwurg \ux .{eit fror .imutfätmne, 2. '2.
"\ Ärttidjc aUimcikm. 2tiiMcdmm. VIII. 2. 11*.
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IC
A\arl gamprerfjt
flaben jeglichem einen etreid) mit ber Weifte! unb fprad)en alio:
€tant uf, ba* bir 90t alle bine funbe Durgebe! 2o
ftanben fic auf ihre Äniee. Unb IVeiftcr unb länger fanden
ihnen oor:
9iu reifet uf bt 11 mer fjenbe,
ba\ got ba,t groye ftrrbcn roeube;
nu reefet uf bi uwer arme,
bafi got fid) obir unö irbarme!
Hube ba radjtcn fi uf alle irc armen cm $emie, unbe
iglid) f 1 11 rt fiel) our fiu broft bri flöge ober oir, unbe
hüben aber an 311 iingen:
s)lu ilaget ud) je n*
bind) Grifte* erc!
bord) got fo lafi'et bt boffart füren,
fo roel iid) got obir uno irbarmen!
2o ftonben fi uf unbe gingen miber umb unbe ilugen
fid) mit ben gcifeln, ba ^ man jamer an irme Übe fad).*)
,}ur felben -{eit aber, ba d)riftlid)e Atömmigfeit in ben
liefen ber Nation unb nameutlid) ber ftäbtiidnm ^eoölferuug 10
eigenartige, an bie Slafefc bor höhereu ^ebidnen bc» in. ^ahr*
bunbert* erinnernbe, nur bemofratifd)»epibemifd) gemanbte tformcu
annahm, hatten fid) fd)on bie befferen bürget Udicn Ä reife 311 einem
meit tieferen ^eritäubuie d)riftltd)en Gefeite, 311 einer mit höher
ftehenbeu Atömmigfeit burd)geruugcu. ^eit bei ^enbe boc« i:>.
unb 14. ^ahrbunberte mar tu biefen .U reifen bie beutidu' IKm'tif
emoorgeblübt.
Tie urforünglid)ftc Rennau ifd>d)nftlid)e Aiöiuniigfoit, mic
fic in ber ?lofefe oorncbmlid) bc* in. ^ahrbunberte 311 luge tritt,
mar felbftoer^diteub unb magifd) gemefen, fic mar aufgegangen in
Himberg lau ben unb Herfen äuperlidH'r (cutfagung. xsii ihrer
l)öd)fteu (nitmitflung hatte fic alienfalle bie Webitatiou gefaunt,
bie tieffte geiftige ^erieufung etwa in bie Veiben tforifri ober in
bie ^orfd)iiften ber rrbenoreacl, nicht aber fd)on bie Aloutomyla^
tion, bie ooruirftc ^Infdiaunng (Rottes?.
■\ur Kontemplation tum ber Webitatinn, 5111 ^ifion turnt
^unbenilanbeu her fortgefdiritten mar vierft ber h. Vernarb oon
C^lainmur. (Seine Arömmigfeit hatte 001 allem in Tvianfreid)
'1 vimburgrr ("bvonif, od. *»tw. 5. •'•! f.
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Teutfrfiea (taiftröieben im ipcireren Mittelalter
17
auf gefaftf; hier mürbe fto fnftcmattfct) weiterentwickelt, nament-
lid) im ßlofter 2t. Victor 311 Harte, wo neben anbercn Hentern
ber Mond) ffiicbarb (f 1 1 7M) über bie 2$eae ber Kontemplation
grübelte nnb ihre iJiele in biblifeben Allegorien bnnfel umrtfl.
Aber anet) in IViitfd)lanb fanb biefe Art ber Arömmigfeit C^in*
gang; febon um bie Witte bee 1l\ A.abrbunberte geborten i t>r bie
bebeutenbften Weiftet unter beut AUerue an'), nnb fyater beruhen
auf ihr bie tiuiftpbantaftifd)en i;ropl)ctieu ber Äbtiffin .§i!beaarb
Pom Mlofter :)in£ertoberg bei fingen nid)t min ber, wie bie ruhige
nnb abgeflärte Arömmigfeit bee l*ifter$ieniere (5aeiariue oon >>eifter*
bad), ber nidit 111 übe warb, ieiuen Wenigen susurufen: Crodore
in Denm est per dilectionem ire in Deum.**)
Xnbetn mau nun aber tu ber Arömmigfeit .>ua,kMd) intellef*
tuelle öeilegemif;beit fiuben wollte, fau? ee, beim Aefthalten an
bem alten rognta, uotwenbig }u einer -{nnefpältigfcit ber :>iicti=
tuugeu. "Jtfie tonnte oon ber .Kontemplation eine kniete ge*
icblageu werben .$ur oetjtanbeomafügen (nfaffnug bco TogmaeV -vier
geigte fiel) eine .Klippe, bereu brobenber Charafter ben romanifdten
Hentern bee IM. ^aljrljunbertc febon oöllig befanut war. Aber
fie perinoditeu fie nid)t 311 nmfetriffen in ber ttonftrufrion einer
neuen einl)iitlid)en dniftlidien ^eltaufduinung. rne gelaug erft
Vntber. Sie lienen vielmehr bie beiben Sphären bee perfönlicli*
rcligiöien rafeine, bie intelleftiielle nnb bie fontemplatioe, neben
einnnber befteljen; nnb eben bie größten Genfer, wie ^onaoeutura
nnb iljoina* oon Aquino ruhten oon bem "Werfe ibree Glaubens
gern aue in mnftifdier Arömmigfeit.***) So beftanbeu gleid)fam
*mei, an fidi nnoermittelte >>albfretfe religioe^niliwbifcnen l'ebone:
in ber (rutwitflung Der cbriftlid)eu Nationen feineewege eine Selten-
heit: fo haben bie engliidum Sfeptifer teilweie gläubig ^ur l'ehre
ber ywdifirdie geftauben, fo oertrug lid) Hictiemne imb pro*
teftantifdiee rogma, 10 oenuodUe fid) bie fübbeutidie Rheologie
einec ^ecf mit ber Crthoborie bee lf. ^brbnnberte ab^ufinben.
Jnbem aber biefe beiben M reife religiöfer Anfcbauung, ber
intellettnelle nnb ber muftiidH', nie gleidnaut präbeftinirt not*
weubige, wenn audi nur fdiwer im menicnlidieu teufen vereinbare
*> Z. meine £eutid)e (%frf)id)te Jöanb 2, l. :WA, über MerQol) non
Mieicberobera ipe.iiell l.
"\ !>i»l. mir. 7 tl. i.:tii.*>i; 7, \U ill. 2. r.-li; \ 1 (II. 2,.^>).
j">ürnarf. ioa»ieugeidvd)te •'>■', .'!7.*>, m\u bie \*[ inner fit inj 1.
lettirtirift fflr Miilturfli'HWrtuo. I.
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IS
.Marl Vüimiredjt
•VHilfteit verfönlict)cn ^ebeue empfmtbeti würben, marD Der .Stoib
temptation Vitium gewährt, fiel) uin^eftort oou £>ü^matifclKn 33e*
Deuten gu uncnDlid)em rKeid)tum $u entfalten. 2ie galt nunmehr
ale Dae ftct>crfte unD Direftefte Wittel, in Dem ee Der uon Watt
entfernten 2eele mbglid) marD, }u il)iu äuriirfjiifeljren: Die $e--
trad)tung Der .oeiletbatiadjeu, umfd)lagenD in Die UueuDtidjreit ge*
füblüoller Xeilnarmie an ihnen, f ortid) reiten D $ur religiöien
3Ürfung entbilDet jefct Die 2eele jeitweiv uon Den $eftanbteileu, Die
irbifd) finb, Die ihren Abfall oon Wott aenniad)t haben; fte bilDet
fie in gefieimniöüoll geipaunter lUnfdiauung bee $>unber$ Der
Xrinität empor $ur (*rleudvtung, }ur (rrfenntnie De* (Äljriftengotteo,
Tic überbtlDet fie in Dem intuittüen :){aptne 311m feiigen Untergang
in Wott, sur wefeueeineu Bereinigung mit Dem iHllerhodtften.
Tiefe neue 1111D l)öd)fte form Der mittelalterlid)en rtrimimig*
feit, in Der Die 2eele weit über &*fefe 1111D einfad)e .Kontemplation
auffteigt 311 mnfteriöfer Bergottuug , marD jiierft in Den Croen
Der $crte(mönd)e empirifd) begrünbet; uub ihr Anfänger ift Der
t). ^raii3 oon Äfftff.
2lber fd)ou in biefen Weburtswebeu Durd)fefcrte fie fid) mit
einem anDeren WeDaufen, Der uameutlid) für Die Deutfdje i*\\U
witfelung frud)tbar warb. Dieie Kontemplation ift nur Deutbar
für eine 2eele, Die alle* 3rDifd)e Dahinten läfst, Die 3111 abfoluten
2elbfteinfehr gelangt in d)riftlid)er 3lrmut bee Weiftee wie bee
dufteren Gebens. v)i>ie aber fann rerjeuige alles ;Hu£ere Diefer sh>elt
abftreifen, Der nid)t in il)r aufgeht im reiuften 2iune einer altrii-
tftifdieu, felbftloieu lieber 2d)raufeulofe .<Mngebiing an Den
Oiädifteit, ftnblid)e Temut im Tieufte d)riftlid)er IV'üfion, l'iebe
\u aller SSelt: humilitas, Caritas, ohoedientia: Da* finb Die Bor*
beDiugungeu fontemplatioem t'ebene. £ie hat Der l). Aiau} alt?
^orDeruugen fei nee £rbene hiugefrellt, uad) ihnen hat er felbft
gelebt unD fein Veben einem djriftlidieu WeDicfjt geftaltet, ein
parcibaliid)er (Stjarafter. UnD modjteu auch bie Hiinoriren wie
nidit min Der Der ^ruDerorben Der rominifaner Den erften Joealeu
nid)t immer treu bleiben, immerhin haben fie juerft auf mnftiid)er
WruuDlage Die Demor'ratifcrje, uneinidmiufenb thätige ;Huffaffung
Der dniftlidien Viebe gelehrt: ein tbdrigee, altruiftifdn** C5l)riften-
tum trat an 2 teile Der egoiftiidH'ii Slefefe De* 1<> ,\ahrf)nnpert*
unD Der iutellettnaliftiid)en .Hontemplation ^ernarDc«, unD ee warb
hod)gead)tet fogar nod) über Den rliapnw Der Intuition l)iuaue<: nuD
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ttutfche« OMuwteben im fpäteren liitttclaltei
fei Die Vertiefung felbft fo gron, mie Die bee i>auliie, mau f oll fie
fahren laffen, wenn man einem Äranfen aud) nur bind) ein
£üpplein t>elfen fann.*)
Von biejen Slnfchauuugen getragen, $ogen Die BettelmöudK
feit Den elften 3al)r$eb,nten bee 1:5. ^ahrbunberte l)inaue tu alle
SÖelt. ^n rentfdilanb würben fie balb bie befonberen Vertrauten
unb Berater bee Bürgertum*: fie lafen Die Meffe in Der 2taDt
wätjrenb De* JnterDifte, fie waren in fritiid)er faxt Die Depoiitäre
Der ftüDtiidieu ^riDilcgien , fie trugen bie ftaat*fird)enred)tlid)eu
^b,eorien in bie Saienf reife , fie würben bie (>tefchicht*fd)reiber
be* Bürgertum*. Der *te(rflerue trat tt)nen gegenüber gurüef, \o
waefer er fid) wenigftene in einigen fübbeutidjen 2täbten 311 galten
fliehte: fie würben aud) bie ^rebiger unb Beichtiger ber ftäbtifd)en
Beüölrerung.
Unb mit il)iien fam iljre ftrönuuigfeit. %&a* fünunerteu
fid) bie Bürger um bie fd)olaftifd)eu 2pefulationeu, wae )um
jene bogmatifche Welehrfamfeit, bie, ebenfalls? in Den Älöfteru
ber BettelmDnche, $um immer ftauuenewertereu iHuebau ber
vsdwiaftif geförbert warb! Der grof;e IKnftifer s).Veifter Arfurt hat
ale .>>auptwerf ein grofjee idwlaftifdie* Cpue tripa rti tum ge*
fd)rieben, ein getreuer 2d)üler bee l). Ityomae; aber baburd) ift feine
Bebeutung in ber (Mefdiid)te be* beurfdjen (Meifteeleben* iiidit be»
ftimmt worben; bae Bud) hat unbefannt in unjeren Bibliotheteu
fd)lummern tonnen faft bie auf bie jüngften läge.**) &Me aubere
tritt berjelbe Cnfart gefd)id)tlid) ale i-rebiger hertwr, in ber Pflege
jener 2irt ber Mitteilungen, bie ftd) aue iHuiprad)eu gelegentlich ber
Weorgauifation ber ^rauenflöfter, uamentlidi bee rominifanei arbeite,
feit bem @ube bee \:\. ^afjrlnmberte entwitfelten! .v>ier liegt feine
eigentliche Bebeutung, unb er hat fie iibertroffen nur nod) burd)
bie fi)ftematifd)e 3tuegeftaltuug, bie er, iai->— 1 :t*JO feljrer an ber
^rabin3ialfd)ule feinee Arbeite 311 itrafUuirg, in langem Deuter*
leben ben mijftifdKii Erfahrungen ,ui geben wufrte. hieben ihn aber
traten anbere Vertreter einer fpeufiid) beutfd)eu Muftif, praftifd)
förbernb unb helfen D ber 2tranburger Domiuifaner Johanne*
Sanier (f l'MW), ein groper ^rebiger, gebaufenreid), tief, l>ar*
*i £arnait a. a. C. -W), xHumrrfuua I.
2?gl. Tetiifle, 3lrd)i» Mir Vittcnitm unb >\trdKngc?d)tdjte be*
Wittdaltcr* •_>, 417 filO, <;?:; f.
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Aaxl Vomprect)t
monifd), weniger ber siyefulation lebenb als bem fittlicticit Mampfe
gegen fird)lid)e Wefefelidtfeit , unb Heinrich £ufo (f l.'MU»), ber
SofjaniieeiHnger ber IVoftif, innig, gefühlsielig, ybautaftifd), ein
"Wann ber Silber nnb Wefutycr, ber Wiuuef äuger gleidifam gött*
iid)er Weisheit nnb l'iebe. Unb Meie großen (ibaraftere, jeber in
fict) anbers geartet, waren umgeben non einem Gliome nicht minber
ausgeprägter Weftalten, einem rietrieb üon Jvreiburg unb einem
Mulmau Werswin , einem .^einrieb uon Waiblingen nub einer
Wargaretbe (rbner. Tenu eben bie grauen treten red)t eigent*
lid) henwr im mt)ftifd)en Vebeu: t)ier *mn elften Wale mieber
wirb auerfauut bas aliquid saneti, bas ber lömifdK 3*eobaditer
einft in il)nen gefunbeu; unb tritt es uod) oft in einer erfdirerfenb
finnlid) gewaubten Teuotion gegenüber bem <:eelenbräntigam unb
in oielfadi patbologifdjen föryerlidjen ^uftänbeu l)erbor, fo entjpridtf
es beuuodi bem liefen ber öeiitfdjeu Arau mehr, als bas uufitt-
liebe Verhältnis ber ritterlichen (rbefrau ber £taufer$eit yuit
länger iljres l'iebrei^es unb ihrer Schönheit. $>a fielen wohl
oer^ürtte Alanen mütterlid) mit bem ^eiusfuib; es m 11 f? an ihrem
s^ctte in ber Stiege liegen, fie nähren es, ja fie fühlen fidi mit
ihm idimauger. Unb gleid) febnenbes Verlangen treibt fie 511m
Wcfreu.tfgteii , fie wollen ihn f äffen unb umarmen, unb fie tragen
feinen tarnen auf ihr W3 geyrefjt unb auf ihre Prüfte.*)
Tiefe (rriebeinungen waren nicht oerein^elt. Weithin über
gan.j -Teutfdilaub , mit Ausnahme Des .ttolonifationsgebietes,
erftrertte fid) nom ttbein ber bie rnnftifdie Bewegung feit ben
elften ;sahuehnten bes 14. N\abrbunberte( )uma( bie ^ominifaner-
fl öfter waren ihre .oaltpitnfte, bod) and) bie in Otiten nahmen
an ihr teil, hieben ben engften ivreuubesbeifehr trat babei ein aus*
gebehnter ^riefmedifel ; es ift bas erfte Wal, fehen wir twn ben
fpärlid)en IV in nebriefen ber ftitteneit ab, bafj ber beutfd)e $rief
bem oollen Stilliegen bes Axnens unb ftrömenb fentimentaler s))l\U
teilung fid) öffnet.
2d)on im brüten \abnehnt bes 14. >hit)uuberts erregte
carinii bie gan^e Bewegung bie Auf merriam feit ber firdilichen
Cberu. *?ar fie bogmatifdHuläffig? ^ebenfalls griff fie euergifd)
ein in bie ieelforgerifcheu vl>rtoilegieu bes ^eltflerus. io warb
Weifter (rrfart iebon im ,sül)ie Ki-'T ber 1>ro.$efi gemacht, wenn
'1 ai. Füller, Jeiinhr. f. j\ira>iigcidi. 7, !->l l
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Deurfdjce Weifteelebeu im fpäteren Mittelalter
•Jl
audi erft 13->(.>, ^met x\al)ie uad) feinem lobe, eingelne 2äfce feiner
V'etjrc amtlid) oerbammt mürben, unb and) £uio galt al* »er»
bächtig, ba* i'anb mit fefcerifaVm Unflat 311 befdmutfeen.*) s)lad)
Der Witte be* ^atjrtjunbertei aber marb bie xsnquifttton bind)
Marl IV. miebernm eingeführt, nnb mit ben Hegbarben, tiefen
Die man euergiid) oorging, traf man and) bie reine 'Dirjftif, ihre
flaffifd)e Vitteratur nnb ihre Vertreter.
ivreilid): bie Früchte bor eigenartigen #eroegnng maren langit
geborgen, (*in geiftig, nid)t bloj? finnlid) intimer Verfehl' Wleia>
geiiunter mar angebahnt: ee ftnb Anfänge ber moberneu, auf
geiftiger WruuDlage aufgebauten höheren Wejellfdjaft, bie nie roieber
oerloren morben ftnb. ^ugleid) mar in biefem Herfehr, bem perföu*
lidien mie bem brieflidien, nnb in ber il)tn ermad)ieuben 2pefulation
unfere £prad)e erft red)t }iim Denfmerfyeug eutmicfelt morben.
<*ine erfte |? I) i I of op l)i j ct>c unb tl)eologijd)e vl>roia eigenfteu ^eben*
erblühte bamal*, unb fie Ieiftete Wrofietf in ber $u*meitnng ber
fpracl>Iidi gebud)ten $egrifferoelt namentlid) auf pfnd)ologifd)em
(Gebiete. Unb mürbe l)ier nicht burd) fortbauernbe £elbftbeobad)tung
überhaupt erft Da* ^d) entbetft unb ber Anfang empirifd>pind)o»
logifdjer 2lufflarnug gefunbeuY Unb gemann uidit im Äreiie
biefer 25etrad)timgen ba* (Gefühlsleben eine gau$ anbete Stelle
al* btetjerV Unb marb nid)t tu bem ber Intuition ge*
mürbigten s)Jienfd)en ein gan} anbete* 2elbftgefühl mad), bat? ftd)
frei fühlte an ftd) unb nur nodt an bie Wnabe Wotte* gebnuben?
l?3 fernen, al* follte mit biefer ^emegung ber Sieg be*
mobernen ^nbiüibuali*mu*, bie Sprengung ber mittelalterlichen
$?elt erreicht werben. 3lber e* fchien nur fo. Denn ber begeifterte
Wnftifer lief; in ber ^er^ücfuug feine 1?erfönUd)feit aufgehen in
bie Wotttjett, menn uidit gar in ein pantljeiftifd) uorgeftellte*
göttlid)e3 31U ; nnb er uerlor fid) aujjertjalb be* mnftifd)en
Gahmen* in ben ftriften Weboriam gegenüber bem beftehenbeu
Dogma, (?* mar nod) eine ^Bemegung gebuu Denen Weifte*, aber
fie Drängte mit ")}<ad)t gegen bie ftufierfteu Sdjranfen ber alten
^Ürcl>c unb mittelalterlichen sBefen*. Jnbem fte aber im Zentrum
ber Deutfd)eu Weifte*bemeguug, an 9il)ein unb Donau, unterbrüeft
marb, üerfd)roanb fte nid)t wollig, ionbern rettete ftd), mie fo mandje*
Äleinob beutfeher (rntroieflung, in bie periphertfd)en Seile be*
*) ^arnarf a. a. 2. 3**2, tHnmerruna, 1.
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Marl vamprcrtu
nationalen (^eoietee. \n ber £dimeis ift inater ^minaji, im
ankeiften 2ad)ien t'uther aufgetreten; junächft id)ienen Die Aort*
fchritte ber reliajbfen ^eireauna, an Die Weberlanbe aefettet.
Alanbern, Trabant unb.\>ollaub hoben fid) feit beni Ii*, ijafyr*
hunbert auf tonne 3eit hin bnrdi ftarfen ^ohlftanb, rea.cu Arei*
heitefinu. beionbere warme leilnahme am reliniöfen Veben herüor*
aethan. 2diou im 11. \abrbnnbett hatte man hier formen
rclifliöfer ^ethätiauna, aefunben, bie, bnrdi prtDate Nüttel anfrcd)t
erhalten, oon jeber AÖrberuun bnrdi firdilidic Autorität cntfchloffen
abfahen. (*e eutftauben vmddift laienhafte Aiaiienfonoente 511
aemeinfamem reliniöfem l'cben nnb ^ur ITbiuu^ bannbersiper s.h>erfe;
ihre Xufaffinneu mürben 00m ^otTc 3*ericbweftern (^efllunen) ge-
nannt. ^Ed)on im K3. \ahrhnnberf maren bie ^cabiuen meitl)in
oerbreitet, in \\i(ittel*reutfdilanb traten fie feit etma l-'4n jahl*
reidier auf.*) Hub neben fie fteUten rieb bie freien Wauner*
fonoente bei $ea.harbcn: (*nbe bee KJ. ">ahrhnu Oerie bereite finb
fie ftarf c\ciuii\. ane fid) für ttranfenyfleae nnb lotcnbeftattung
befonbere Vereint, bie ber Voliharben ober vHlerianerbrüber, aiie*
jufd)ctben. (*e maren ^ilbunaeu, bie Den Webanfen ber franse*
fanifd)en Sertiarier rormen, nahmen; mit ihnen, mie mit anbeten
tyäter entmiefdten Aormeu mbndiiidier Vaieubriiberfdiaften ftanben
fte im 14. "sahrbmibert in jumetft freunblidiem ^erbältuie.
2o mnrben bie '.Viebertoube oon einem reichen, foontan
reliaiöicn l'eben burdioulft, ale ihnen mit Johann Wimebroef
(f 1:581), ber noch langem Üirdienbienft eine mhiae Stätte im
Slii^itftiiicrfl öfter Wroenenbael bei Trüffel ütditc nnb fanD, ein
beroorronenber Vertreter bei IVnftif aeaebeu marb. ilnb :)iux)ä>
broef£ v))it)ftif erhielt feinerfeite, in ^edifelwirfunn mit ben Crigeit*
f Charten feiner Heimat, nieberlänbifdien (Mnuafter. 2k ftreiftc
Mc fromme l'iebeeraferci ab. fie marb halb qutetifttich; fte hielte
auf oratrifd^rcliaiöfe ^werfe; fie iuehte nicht fo febr bie feltenen
Momente efftatifdKii sidiauene, mie bie banernbe ^tuvatcfnuia,
l^ottee, bae ewige lohnen icinee (^eiftee in nne. 2o marb bie
enthnfinitifdie Wnftif überholt bind) eine enerajidie ^enbuna, auf
bae oraftifdie Veben; in biefer Aorm hat fie bae lö. ^alnhunbert
biirdibauert uub wirft in ihren heroorraaeubften Weifteeer^cuiiniffeu
noch heute belebenb, erauictenb fort.
•1 ?ammcd)t. ^irh'diattoleben 1, K.4
?eutfd)co Wciüeelcbcn im fpäteren Mittelalter
£d)cm bie ältere, onthnfüiftifdie IKpfttf lief? bie uiondiifdfc
lUefeie in neuer Jvorm in bie Vaienf reife frrbmen; nnb in beut fie
bie efoteriidu* aefetifdHromme rlieligioneübung bee früheren Wittel*
altere in neranberter Weftnlt allen jngänglidi madite, erlebte biefe
sugleid) eine Vertiefung, itfie biel mein- aber mnpte Dieses alle*
bei ber neuen, aufe geiftlidie Veben bee Alltage gerichteten anie*
ttftifd)en Wrjftif uitreffen!
Ter erfte nnb gröf;tc Vermittler in biefer ;Kid)tung gerneien
51t iein, ifr ber Siiiljm (wrhart (Mroc-te (f KW), ©root perbanb
bie neue nieberlänbifd)e Wbftit mit bem altnieberlanbiidn'n ®e*
bauten rcligiofer Vaienfonbente. Sparen bie alten i'aienfonbente
Ter vinberung äutferlidier Veibceuot gemibmet gemefen, fo 10 Ilten
bie neuen, non ihm gefd)affenen Moupeute ber 2eelennot abhelfen;
fie waren ^nuädift Vereinigungen 3111* Hebung bee inneren d)riü>
liehen Veben» auf Nrunb auietiftifdicr Wnftif. 3Nie ^tel mar bie
(^rmedung einer bauernben Stimmung religiöfer '^nnigfeit; biefe
warb ale bie devotio nova be^eidmet. Wroot grünbete \\\ biefem
•faeefe brauen" mie IVannerfonpente; aber nur bie Wänner-
fon Pente gebiehen: halb pflanzten fie fidi bou bem IVutterhane
repenter fort über bie ganzen Tiieberlanbe bie nach <Telft unb
Honba, ja nach l'ütrid) nnb Ccambran, nnb inglcid) branden fie
ben Nbein herauf bie Äoln unb über *>eftfalen unb lieber -
2ad)fen bie Mulm unb 9?oftocf. hieben ber (Mmerfnng inneren
l'ebcne manbten fie fid) namentlid) ber Csugenbcrjiebung 31t; auf
päbagogifdiem (Gebiete liegen ihre hanptfäd)Itd)ften ^erbienftc;
hier tpurben fie mittelbar Vorläufer bee >>umaniemueV) hieben
ben trüber häuf ern aber gingen ane ber getftigen Vemeguug, bie
Wroot mit feinem A-reunbe Alorenj, Wabemnne £ofm, einem
Utrechter äauonifer, peranlaftre, andi AUbfter ber % egn 1 a rf au on if er
bee h. 5luguftiu herbor. -Tae ältefte poii ihnen ift \w *>inbe*?l)eim.
in einem ^Torfe bei Broolle, im $ahre llisc; begrünbet morben, ihm
folgten fchon im ^ahre 3ipci weitere .ttlöfter, nnb biefe biet traten
1H!'"> \w ber fogenannten 2i>inbet?heimer .Kongregation ^tfammeu,
bereu energifchem Birten bie jUoftcrreform bee l'>. oahihnnberte
511m grof;en Seile \\\ banfen ift. $11 bieten .Hlöftern nuirbe be=
*i Wegen ein unmittelbarem Übersehen biefer JHemciumcj in ben
>>jitnani0mii5 jbridu fidi mit JRedit .^irtdje, in £ev,\ofl* Mertlcncbcl.- X
•".!*■ f., nu*.
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1>4
Marl vamovedn
fonbere Die Weicljrfamfeit gewlegt, hier biliaren pl)ilofogifdie
Stubien über bie lerte ber $ater uub Der ^ulgata; uuD t)icr
warb auet) bie quietiftifdje IKnftif erft }um oollfteu, fnftematiicbcu
Veben, 311 einer fpc^ifif d>cn *orm nieberbeutid)er Atömmigfeit
eutmicfelt.
i'ief bie Vctjve ber Oiominaliften in ber 3cliolofttf im Vaufe
bee IT», ^abrfninbertfii jd)liefnid) auf bie llubemeiebarfeit bee"
(Mlaubeue binaue, io muftfe jebe (nfeuutuie (Motten auf iutellef*
titelte WeUjobe uubenfbat eiidieineu. :Hber grabe in hatte bie
ew t Im fia ftifd)C IVnftif, mit ifjretn DitbnrambinDeu ttuffdnuuitg ine
(Motteebemufrtiein, Wott gefudn. demgegenüber lief? man jefct Dm
shn'g bee ^.ntellefte fahren; ben Tätern ber ^inbeebeimer Manier beö
1'). vsal)rl)iiu bette eridfieu 2eligfeit nur erreid)bar in bei Einheit
bee Hillen* mit (s>ott. *su ergeben beit unb Fenint eine fonti*
nuierlid)e *)iut)e in Wort ^11 iud)en, Die „Wdaffenbeit* }u ritt De«:
bae mar bae $el religiöfen l'ebeuo. (r* ift bie IKnftif bee
Ibomae uon .Hempen, ber beutjd)en Rheologie unb >£taupirjene;
bie beutfd)e Ideologie bat t'utber ungemein angeregt unD jroetmal
bat er fie berauegegebeu ; 2tanyit> mar t'utbere Lehrer, Ii öfter
uub >>ort; unmittelbar bie au bie Stufen ber Deformation führt
bieie Ddjftif. Unb bod) rhu fie oon ihr uod) burd) eine unüber*
bri'ntbare .Mluft getrennt; uidtfe bemeift bae mehr, al* bae unitere,
bei aller inmpatbie Der Beelen, bie }itm herben ^enid)t gegen*
feitigen ^erftanbniffee entmicfelte ^erbältnie ^utbere unb 2taiM
yiUene. Ter AXlb ber beutfdien gnietiftiidKU Wnftif aber ift ber
(fborberr auf bem Agneten berge bei ; {wolle, Ibomae uon .Hempen
(7 1471), menn anbere bie finita Ho lH)rifti iljm angehört.
5ki ifym ^errjd)t gatt} eine ftille ^rbmmigfeit voller Wefiguation,
^n'ieheit unb Witte, bie ^rud)t ber 2ebeneer^iel)itng einer Generation
oon IKuftifern; in ruhiger ^efd)aulid)feit eutjagt fie ben Deinen
bee mittelatterlidien .Kultus, um ganj ber Pflege bee "snnern 51t
leben, ocr}id)tet fie auf ben flaffifdien .Etil ber Iateinifd)en £prad)e,
um fd)lid)t uub fräftig bem fulefdilag bee .wr^cne allein ^orte
311 leihen, fein Sluebrmf überjd)meuglid)er sl>hantafte unb über-
jchmellenben Gefühle, fonbern ein Tenfmal energiidier Hillen**
ersehn ng unb abgeführter Weisheit.
dae ^ud) Don ber ')tod)folge CMjrifti ift Diel gelefeu morbeu
feit feinem (*rid)einen; fein "sahrhunbert fjat auf feine i'ehreu
^er^id)t teilten molleu. Aalfeh aber mürbe ee fein, mollte man nad)
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Xtuifdje* fteifteäleben im tpötercn Mittelalter
itjm allein bie ßeit feiner (rntfternmg beurteilen. $e inniger
bie ^römmigfeit ber Wrootjdien materrjerren ftd) entfaltete, um fo
üppiger umroucrierte fie eine £aiemoe!t Doli Spott unb Ingrimm
gegenüber Den fird)lid)en ^nftitntionen, gegenüber bem, nms bie
2£enoe De* 14. unb l.r». '^atjrrjunbertö gemeinhin Ctyriftentum
nannte. Unb jd)on Diel früher mar bieie Stimmung eingetreten.
2i»ic ftd) um ll.'><> bae ^Rittertum emporhob auei ber gciftliüien
Umftricfung bee ; leitaltere be* ^uDcftiturftreite, fo l)at ftet) feit
etma 1 :i ">< > bae Bürgertum uon fpe^ififdi geiftlicrjer l'eitnng ju
emanzipieren gefud)t. Unb ber eigene 2luffdimung, bie 9iot ber
;ieit in $>eft unb junger, orjue baj? bie «Rirdic twlf, mie erjebem,
bie greulid)e ^erfcrjlcifuing oor allem bes ungenäf)ten SKocfe* ber
Grjriftcnfjeit in päpftlicrjem (rril unb Sd)tema tragen ba,$u bei,
biefe Stimmung ^u Derbreiten unb }u ftärfen. Sd)on in ber elften
.v>älfte beo 14. \ai)i ijunberte fyatte Warfilius Don $abua fageu
tonnen, Dafi über bie ^iotmenfcigfeit bei? ^riefttrtume nid)t alle
9)ienfd)en fo einmütig gebad)t (jätten, mie über bie Dolmen bigfeit
ber übrigen Jroeige beo Sraatenxiene*); in biefer Jeit nod) eine
Derein u'lt baftefyenbe SSnfidit, mar oae bie Meinung meiter Ä reife
ber jmeiten .ftälfre bee >.al)rl)uubcrte. Tvrctlid) Derfiel nierjt fo
fefjr bie religiöfe Stimmung, ale bie Sldjtuna, oor ben ^nftitutionen
unb ben ^erfonen ber tfirdie: nur auf Diefem (Mebiete moltte
man junächft .ttlarrjett, unb roeitfjin erreichte man fie fd)on in ber
öffentlichen Meinung; hoU alteo ^od)ene> ber Äirdje auf ben
ßrjarafter iubelebili* be* ^rieftertumo tonnte 33oenbaIe unter
bem ^eifalle ber -{eitgenoffen ben 3*ere bieten:
Tic oappe cn mact iiiet oen mouc
no d) btc matte t>cu iaiionc."i
Xrofebem mar im ganzen geiftigeu tfeben, in .ftunft unb
£>id)tung, ber (finfd)lag beo iTafeine nod) immer burerjauö d)riftlid);
in bem inrlaft beö reichen ^atri^iergefchledite ber Wruutrniue in
Brügge laufen bie £erfbalfen bee ^aufetfaalee in trefflich, gefd)nit5te
Statuetten ber Dier (?Dangeliften auö; unb ben großen ftamin ber
&üd)e, ber ,511m 33 raten Don ganzen Td)fen eingerichtet ift( gieren
Steltefd oon St. ^\afob unb St. Wattrjaue.
•) Defonsor pacis I, 4.
"I ^>aii o leeitenc c. :>»;.
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•26
ttüvi vamiimm
III.
2tuf weltlichem (Gebiete war bae ciciftin^* STcbcn bee 14. Jafjf*
fjimbcrt^ , mie aud) nod) einiger ipäterer (Generationen, uornet)m=
Iict) tünftleriicben , meit weniger littcrm ifct)cn Xbealen ^ngemanbt.
£ebr begreiflid). £ae bürgerliche lieben in feinem raidien 1 reiben
bot an üd) bem Cftn ^clticu wenig ')Jiiif;e; bamit fehlt bie ^oraue*
jefeung litterarifd)en (Gennffee nnb litrerariieher ^robnftion. Ta*
gegen gab ee einzelnen bewilligten bürgern halb größere materielle
Wittel in bie >>anb nnb idinf allgemein einen bie babin nid)t er*
rrid)ten ^oblftanb; Waeene tonnten erfteben , nnb Oer 2inn für
äftrjetifcbe ?lnffaffnng bee Sageelebene warb ^niehenbe in allen
€d)id)ten gemeiner.
riefer Strömung tarn Bibern auf bem Gebiete bor biibenben
Äunft bie eigenartige ^nebilbnng bee bürgerlichen .>>anbmerfe cut*
gegen, ^nbem bieie nicht bie Cnanrität, ionbern bie Qualität
ber gewerblichen Irnengnif'ie in ben Wittelpnnft gewerflidum idmrfene
[teilte, regte iie obne weiterem nnb nachhaltig bie (*ntmicfelung ber
belferen :Hrbcitehäfte ine Mnnfrgewerblicbe an. ?lne bem .Wun)U
gewerbe aber ift bann nniere grof;e .Hnnü bee K>. nnb 1(5. o>al)r-
hnnberte entftanben, nnb bem .Hiinftnunen wie bem ganzen H^olf
ftanb |ie \ur Verfügung: rarer hat Sarolbiloer geiebaffen für
bürgerliche nnb ftäbtnebe ^nnenräume loie ttnbaditoüätten, aber
er bat ben ttnpferftid) nnb .'pol^'dinitt nidit minber, ja faft nodi
mehr gepflegt für ben (Geringen im ^olfe.
5Meie gaiv^e (rntroicfelnng mar an fid) ber ?lrd)iteFnir nid)t
günitig; fte mar, hanbmerf lieben .R reife» entwadiienb, oornebmlid)
ber AUeinfnnft nnb im höheren £inn andi ber großen iMaftif nnb
Walerei ;ugewanbt. (Gieidiwobl bat bae I I. ^abrhnnbert eine
ÜMüte^eit and) Oer flrcbiteFtnr geiehen. iie beruhte auf älteren
3*oraneietuingen.
Tie bentidi-nationale ;Hrchiteftnr mar bie tief ine n., \K nnb
H*. ^arjrhnnbert eine £ol$ard)iteftnr gemeien; ane >>oI} mnrben
and) bie Kirchen gebaut, io im iiiboftlidien fiolonialgebiet woljl
otme ?lnenaf)me nod) bie in bie »mute Hälfte bce 11. vsar)r*
Rimberte*); im norbbftlid)en rtolonialgebiet ift bae erfte nrfnnblid)
ermähnte fieinerne (Gotteehane bie Äirche oon Veinfan bei Wagbe^
bürg. 1114, nnb nodi im ^ahre ll^'i mirb vübect" eine ^ird)e
•« Tohmc, <*cidi. bfv tu-midion gtanrmm. 2. '»7.
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leitrictjev (Mriftcöleben im f inneren Wirtelaltev
am errichtet. iHber biefem itil unb feinen technischen IVog»
lichfeiten traten Dod) fdjon in meromingiid)er, nod) molir in furo»
lingifd)er nnb ottonifdier -^cit neue Äulturbebürfniffe entließen, bie
er nid)t ui beliebigen vermochte. -Tic .Uönige wollten in Stein*
paläftcn mobneu, ben alten Imperatoren gleid), nnb bie fjölieren
fird)lid)en Stellen, ^ifeböfe, Stifter unb ttlöftcr, erbauten ^ofjn*
räume unb Äird)en nad) bem hergebrachten ^afilifenftil Der füb*
lid)eu S&nbcr bee alten ^mperiume. So entftanb in £eutjd)*
lanb oom s. bi$ im in. Nsaf)rl)unbert eine Reifte oon bauten,
bereu Stil unb ^itfpofttion fid) nur im Jufammenhang mit ben
gleichzeitigen SRenaiffancen bee farolingifd)en unb ottonifcfjen .>>ofee
unb ber beiberfeitigen 3icid)6fird;en erfläreu läf;t. 2ie enthalten
im mefentlidjen beftmögliche Nachahmungen {üblicher, namentlich
italieniicher ^orbilber in unmittelbarer ober mittelbarer Über*
tragung. miberfpricbt eö uid)t, meint im einzelnen fid) neue
ÜKotioe unb 23aumittel einfd)leid)en, mie ber ^ecbfel oon Riegel
unb >>auftein zur Belebung oon *Minbfläd)en, ber ffiunbbogeu au
Stelle be$ 2lrd)itrat»e, hm Mirfelfapitäl, bie 2lbmed)*lung in ber
Stiftung zmifchen Pfeiler unb Säule: neben all' bieten lH Uberlingen,
bie etma bi$ znr Witte bee in. x\af)rf)unbert* oollzogeu Hub,
bleibt boch bat 93eftreben, möglichft antife bauten zu liefern; be*
jcidjnenb hierfür ift, bap namentlich alle ornamentalen detail*,
alio fünftlerifd)c Stiftungen auf einem Gebiete, mo mau national
hätte fein tonnen, gern auf bie Antife uniief gehen.
dine iHnbentng tritt erft ein mit bem 1 1 . vsahrt)nnbert.
9Hit ber ©efeftigung beo beutfd)eu Äöuigtumo, mit ber ftdieren
£urd)bilbung ber Wrunbberridjaft, bereu Glitte nunmehr zahlreiche
Slrbeitsfräfte faft unentgeltlich znr Verfügung ftellte, begann ein
aufcerorbentlicber ^aueifer. (?t manbte fid) überall fteinerner
Slrchtteftur 311, er fd)uf bie importierte 2*aumeife allmählich zu
einer nationalen um. Namentlich gefd)af) baö in Sachfen unb am
fK^ein f fomie teilmeie and) in sh>eftfalen, ben .vumptlänbern be*>
ceutfehen «Königtum^ im in. unb 11. ^ahrhunbert; fie, nuo na-
mentlich ber Wittelrhein unb Niebevrnein atö bie beroorragenbften
flulturlänber ^ugleid), behalten auch nod) in ben folaenbeu Nsahr*
hunberten bie Rührung, mähreub Schmähen unb dauern feine eigen*
ftänbige Chttmicfelnng aufmeifen, fonbern 00m C?f(eftiziemu* ber im
Horben gezeitigten formen leben. ift eine Übernahme geiftiger
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2K
s\axl vauuircdjt
<5rrungenfd)aften, uamentlid) uou $oroweft nad) £üboft, bie fid) and)
auf anberen Gebieten verfolgen lätft.*)
iKuu Iwtte man aber aud) in ben (Zentren ber ard)iteftonifd)en
Bewegung vom 8. $nm 11. x\al)rlwnbert viei bon ber ardiitcf*
tonifdjen Äenntnie bei antifeu 2s?elt verloren. Tie farolingifd)en
Stauten geigen nod) ein genaue* ^erftänbnie Ter Siegeln bee ^egetiu*
nnb 'Wtruv, unb ber (Mewölbebau in ber Nl>fal$fapelle bee 2lad)euer
Wüuftere fteljt nod) auf fraunenewerter -vwljc. Tae erfte gref?e
(Motteeljaue Dagegen, bae in ben balb national geworbenen Aormeu
bee 11. ^al)rt)unberte gebaut würbe, bie ^afilifa bee 1). Widjael }u
.>>ilDe*r}eim, tut ^al)rc 1 <•:;:; gemeint, tonnte nidit mehr eingeweiht
werben; bie Sedjnif weiten Gewölbebaue war verloren, 3i!aö baä
bebeutete, trfannte man balb; fdwn ln.'U brannte bie 3tajtlifa ab;
bie flad)e .>>o laberte war geeignet, bae Jveuer in bie inneren Zäunte
4U leiten. Tae war bei ben nuenblid) häufigen vErabtbräuben be*
früheren Wittelaltere ein eurfchiebener Langel; er tonnte nur
bind) erneute Wölbung beseitigt werben.
2o würben bie Probleme bee Wewölbebaue mafcgebeub für
bie weitere ard)iieftonifd)e Cnttmictlung. Oiun war bie flenntni*
Dee (*inwölbene fleiner quabratifd)er JKäutne niemale verloren
gegangen; man fefote babei in ben .Kappen (Stein gegen Breill,
bie fdnvere Glicht bee einen (jielt ben anberen feft, fo beburfte e*
nid)t bei nod) unbefannteu Gewölberippen, bie ben Einbau ber
.Happen gnn* leid)t 511 halten geftatten. "mi biejer 9lrt verftaub
man aud) im beginn bee 11. o>al)rrjunberte nod) eeiteufduffc mit
quabratifd)eu jVompartimcnten einjuwölben; in ber Slbteifirthe $11
(fd)ternad) im tfuremburgifdu'u, in £t. Waria= im ^Kapitel ^11 flöht
befinben ftd) joldje Wcwölbe.
Allein e* tarn auf bie (rinwölbuug bee Wittel häufe*, bee
Vangfdnffe* au. Unb hier warb im Tome ^n Waiu} llxi ba*
Wrojje erreidit. Über quabratijd)en .Kompartimenten bee Wittel*
fdnffee fpaunten fid) im >>albfreie gefd)loffene (Memölbe, nnb bie
Seiteufdiiffe, $u je \mi quabratijd)en .ftompartimenten auf ein
Äompartiment bee Wttielfd)iffee angeorbnet, waren ebenfalle von
(Gewölben beberft. (?e war ein 2t)ftem, bae PoUfommen befriebigte
unb nur infofern eine $inbung ber runftlerifchen ^hantafie unb
*i IV auf beni litterarifcticn, Dal. meine £eutf$e Weidudjte,
»anb 3, i. VM.
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Tnit»d)ec« (^emc'Mcbcn im foäteren Wittelalter
_>0
ber Freiheit ber väumlid)cn ?lnorbmtna, herbeiführte, ale auf ein
quabratiid)ce Wemolbe bee Wittelfd)iffee ftete je \\m quabratiid)e
(tieroolbe bee Seitenfd)iffe fominen munten: roae bann hiebet ein
$*erbältnie ber breite bee Wittel! et) i ff ee \u ber ber Seireu fdüffe
uon 1 : l* bebingte. ANin übrigen aber bedeutete biee fogenanute
gebunbene Snftem einen auf;erorbentlid)en ,vortfd)ritt, alebalb warb
ee in alten groften Konten bee .'Kheiue nad)geaf)tnt: mit ihm erft
ift ber eigentliche romauifdx Stil aie ein nationaler ober menigfteue
laugfam bolfetitmlidi merbenber eutwicfelt.
Tie weitere (rntfoltung Meies Stile aber tonnte »an nun
ab, unter bem Aeftbalten bei? gebuubenen Wrunbriffee, nur nod) ine
viiH'd)ie(reid)e ber (rin^elglieberuug, ine Quitte, ine Walerifdie er»
folgen. Tae ift bae Problem, bae man bor allem am Wittel* unb
-Uieberrhein boll erfannt hat. Wau rang ber bisher roeit auögebennten
Walerei ber \>unenrüume immer mehr Aläd)e ab unb benutzte biefe
jur reichften ©lieberung ber xsiiueimiäube burd) Säulcbeu, Jüchen,
(Valerien unb Wange; mau glieberte auch bie ^nfummäube , mau
hob bie Silhouette burd) flnorbnung uon ibürmen uub Il)ürmd)en,
burd) ooraelegte unb in (Gruppen berteilte iHbftbeu. So mürbe
jene reiche öliebernug erreicht, bereu unü bertroffenee Wufter bie
.Hirdje ber h- Äpoftel in Köln ift. Unb and) in ber Turd)*
bilbung bee Heineren ard)iteftonifchen roie bee ornamentalen Aormeu*
fanone ging man meiter. "smmer ruinier mürben bie Kapitale,
immer phantaftifd)er bie Aeufterbffnungeu mit ihren tiefen Slue*
fchnttten in Milien* unb Aäd)erform ftatt bee urfprüug liehen
Munbbogene, immer roudjtiger mürbe bae rKelief berauegeai beitet
^ir (yrjiclung größerer :h>irfuugen in Vicht unb Statten. Ire
mar ein luftiger $>eg ine ^illfürlid)e, Karotte, beu man bor*
uel)mlid) am fRljein betrat; St. Quirin w i^eiif? ift bielleicht fein
beriet) neu bftee Wufter. 31 ber aud) nad) Cften hin ftral)lte bie
neue &>ei|e meitl)in aue, unb in Ihiiriugen faub fie ein ueuee,
wenn aud) weniger fofett entmicfeltee Neutrum.
33ei allebem roiiptc bie neue Deforationeroeife bee fogeuannien
Übergangeftiie bod), nameut(id) im Innern, gemaltige, (£f)rfurd)t
meefenbe uub jur 2lnbad)t ftimmenbe ^irfungeu }u erreid)en. Tae
Streben ^ur Erhöhung ber Sdjiffe roirb immer mehr aufgenommen,
fd)on «teilt fid) bae ^erhältnie ber .flöhe bee Wirtelfdjiffei jur breite
wie "i'/'i p0(,r W 1 l"n flotiidjen Äöltter 3>om fpätcr mie .*> : 1).
So entlüftet ftd) gleid)fam ber febwere Stein; Wemölbc uub Vid)t--
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:*0
Äorl ttaiuprcdji
geidioffe entweihen Der uieDereu lrrbenncil)e, Die dufter erweitern
fiel), burd) feurige Wlaegemälbe bricht eine <\ülle ma^tfdten Vid)tä
mit» fpielt iu taufenb Farben auf Den golbglanjenbeu Silbern
Ter *>änbe, auf beni reichen ^oalb oon 2änlen unb £äuld)en, auf
bei« tr>ed)]'elü ollen 2dymurfe ber Kapitale, bem pr>antaftifcl)eu
^diuifewerf bee Neftühle. Ta* Singe aber verliert (ich träumeriid)
in baö sSellbuufel, bae l'idit uub 2 hatten um bem :)ieidtfum
harmonifd)er Linien iiieben, C*e i|"t ein tfinbrnef, ber einmal, etwa
in Wrof; 2anft IVartiu }u ,rtöln ober im 2rraf?burger fünfter
empfangen, uuoergcf?lid) ift.
(Sim- weitere l*ntmicflung. alt? ine O.Kalerifdie bin, mar
biefem 2til freilidi nidn befebieben. Seftonifch mar er gebnnben
an bae ftarre 2n?tem ber quabratiid)en (vewölbefompartimente,
bee befrimmten ^H'rbältuiffee oon .öauptidiiff uub leiten fd)iffen
unb ber barauf beruhenden bettimmten (Einteilung ber ^aub*
flachen beö >:uinptjduffee. C*ine Vbfung tonnte hierfür nur ge*
funben werben, wenn ee gelang, audi nid)t (tuabratiid)e Aompar*
timente 411 überwölben: bann mar ee moglid), auf je ein etma
nod) quabratiidiee .Hompartiment bee A>auptfd)iffee nur ein, nun
uid)t mehr quabratifdtee Mompartiment bee 2eitenicbiffee an^u»
orbneu: bann mar bae alte gebunbene duftem ^erftört unb eine
freie Stuorbnung bee (Mrunbriffee in freien .ttompartimenten er*
reicht, £ie Wöglid)feit tonnte nur eintreten bnrd) Überhöhung
ber bieder im ÄHilbfreio geidjloffenen Wewblbe in ioldie, bie im
Spifcbogen gefdjlotfen mareu, unb ein ^chluf? im vipifcbogen mar
im allgemeinen nur möglidi bei (Einfügung oon Nippen in bie
(vewölbe, bie fernlagen bie ftatifdte AÜbrung bee is>emblbee über»
nahmen.
(re fiub bie entidjeibenben iHnDerungen, bie $ur (siotif hin*
überführen. Tenu mährenb beim rippenloien Wemolbebou aui
bem A>albheie 2tein gegen itein laftet unb iomit bie *>änbe,
welche bae Gewölbe tragen, überall gleichmäßig ben ftarfen 2d)iib
bee Wemölbee aufnehmen, ift im überhöhten rKippengewölbe ber
£diub ,jum allergrößten Seile auf Diejenigen leite ber ätfanbe
fon^entriert, wo bie Nippen anfliegen. vEomtt cntlaftet bae über»
höhte Nippengemölbe bie ^anb ale (^air^ee; ift fie au ben Stellen
ftart, wo fie ben 2chub ber Wippenftellcn empfangt, fo fann fie
im übrigen bünn gehalten fein. 2o wirb nun bie jd) wer fäll ige
ftart'e *Auib bee romaiiüdKU itile beseitigt, bünue ^änbe mit
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leutidK* (««iüwleben im fpätercn Wittelolter
.11
Den Ivetten Cffnungcn bei gotifd)eu Drei-, fünf» unb |iebengeteilten
Renner treten ein. ")iux ba, wo bei Wemolbcfdjub Driicft, etfdieint
Die ^anb erweitert: fie wirb 311m Strebepfeiler, bei aue Der shninb
heruoripringt. Unb mit il)m Die Aufnahme bee (>>cwölbc)d)iibe
w erleichtern, wirb er uon oben her belüftet: frei ipringt öie
Atale aue ihm empor. Ta aber, wo ftd) an bae A>auptfd)tff bie
seiteuid)iffe anlehnen, wirb bei sdmb bee Wittelgemölbe im
•paupt jd)iff in luftigen Linien auf bie Strebepfeiler ber seilen*
fd)iffe übertrafen: fo entfteht Dae strebefnftem, bae bei fünf* unb
mehrid)iffigeu .tt ircheu ben .Kird)enfern mit feinen ^ogeu unb
Fialen wie mit einem 'htale fubner Dianen unb aufftrebeitber
stamme umgiebt. l*e fiub bie gruitblegeubcu ard)iteftouifd)en
(^lieber ber Wotif, bie ftd) io uüturnotmeubig aue ber bloßen
Überhöhung ber Wewölbe, aue ber Aufgabe bee alten, gebunbeitcu
sufteme quabratifd)er .Hompartimente ergeben. Ahlten tritt eine
Sicmlid) ftarre, unfruchtbare unb plmutafieloie ütnamentif nir
seite. Tie heiteren Yvonnen ber Übetgonge^cit mit ihrer frifd)en
fünftlerifcheu *>illfur beftehen nicht mehr; klbft bae .Kapital »er«
liert feinen alten orguniiehen -Jierrat. An bie stelle treten
naturaltftifd) ffulpiertc Blumen, Blätter unb Zweige, bie ben
Dürren stamm bee Kapitale, bie fühlen ^läd)en an ben portalen
nmwinben, banebeu mad)t fid) O.Vapwerf breit, mit matl)ematifa>er
Atnnft aue beut ßirfel gefdjlagcu, uuD alle aufftrebenbeu Wlieber
idjntürfen architeftonifd) umgeformte Blätter, bie fogenannten
Afrabben, bereu trierfachee Jufammeutteffeu an abgeläuteten Fialen
unb Wiebeln bie .Mreu^blnme hcruorruft.
Zdm biefe ornamentale Armut, bae aufdH'inenb not»
wenbige Korrelat fonftruftioen :Keid)tume, fd)ciDet ben gotifd)en
stil gruubfaklid) üom Übergaugeftil unb beffen teile autifeu
teile nationalen Irabitioueu im C ruinneu t; wo ber eine fid) aue*
lebte, wirb ber anbere fid) fd)Werltd) entwicfelt haben, "mi ber
Iljat \u\b Wotif unb Übergaugeftil «uei burdiaue ocrid)ie benartige
Aortbilouugeu bee flaffiichen romanifchen stile; btefer behalt ben
IMjarafter bee romanifd)en Sininbftile bei unb belebt bie weiten
,2iianDfläd)en in reidjer, fdilicnlid) bod) nur ornamentaler teftonifd)er
("»Miebcruug; jener entwicfelt Den in ber gcbuubenen romanifd)eu
^aufovm enthalteneu Webaufen Dee Werüftitile weiter unb fd)afft
ihn in lürfeuloier .Hoiifcgueu} ui etwae neuem um, 3111 .Hatl)ebrale
Tee i:-l. unb 14. ^ahrhuuberte.
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32
Mail Vanuncd)t
Diefe Umformung i 1 1 in £eurjd)lanb hier unb ba bcrjud)t
roorben'); ^eluu^eti ift fic jnerft unb balb ooUenbet int "Korben
ftranfretd)*, ba, roo bor leid)t ju bearbeitenbe .Halfflein ber Isle
de France bae trefflichfte Material für ftatifdie unb fouftviiftiue
^crfurtie abaab. sXhm Ijier ift bann bcr neue Stil, hinroeg. iibcr
alle tafteuben einl)eimiid)en Slnfäiiae, nad) £entid)lanb gebrunaen
niit)t anbete, rote in ber (Mitroicflung ber höftid)en (%fellfcpaft unb
bcr fonteittylatioen Mnftif uno ,yraufreid) borroea,aeaana,en ift unb
untere (fnrroirflung barnm tuvinfüipt l)at.
Die erften (finbrudjöftellen liefen im heften, fie rocrbeii be»
geiennet burd) bie Trierer Vtebfrancnfirdje (1227), burd) Mird)en
an beu roeftlidjen ^eitenfliiffen bee Mittelrbeine unb in "Jiaffan,
burd) Die (*lifabethftrd)e in Marburg 0233 -12iU), enblidi bmd)
ben Mölncr Dom, beffen Wntnbftcin im ^aljre 124s i^clc^t toarb.
daneben finben fid) fdjon friil) tiefe, aber vereinzelte ^orftöfn' bie
Maa.be barg unb >>ilDccl)eini ; enbgiltig aber roirb bao ^entrinn
lYurfdilanbe erft in ber ^weiten Hälfte, ba* foloniale Webtet erft
gegen t*nbe ce* 13. ^üljrluinoert* geroonnen: C5 l>orin im "Tun ben
(nad) 1272) unb Mlofternenburg im 2 üben <>roiid)en I27n unb
12!»0 bejeidjnen l)ier bie erften Tropen Onnivirrnngen.
(** tvar eine ileit, ba bie ^aufunft nod) von ben »sinnpathieu
unb Mitteln ber hohen (s>eiftlid)feit, ja bc* M lerne überhaupt gc*
trafen roaib: faft alle fntbgotifd)en Mirdien nnb Matbeoralen
finb nod) geiftlid)en llrfyrnnge. Unb ihr Ülufrin rote ihre IVtail*
Seiten bon jelbftän biger Aufnahme be* fremben 2til* nidit minber
roie von bem ganzen Rehagen, roomit fid) biete Mocenc, äfthctiid)
burebgebilbet an beu roed)felf rohen Tanten be* Übergang**
ftil*. bem neuen fran$öfifd)en 2tile hingaben. Tie Inrnmite,
bon ieher ein befonberer 2tol\ bentid)er Mirdienbanten, ronrbe oon
bornherein anbei* fonftmiert, al* in a ran frei dr, nid)t fd)ioad)e
') Tac> m np ebenfo fcitachaltcti werben, wie bie Jbütmcbc, bo.)i bcr
vhe'miidje ÜbergangeftU wefentlicb bentfeben Urümma,* ift. £afi ^ic fron
.\öü!'ct)c Jraoee in ben Überguinv.>banteii nidjt etniad) lKviiberaenominen
ift, jeigen anbero nevlaufcitbc (*iperiincnte, an* bem gcbuiibcnen inftem
neranouifoninien, \. S*. bie fwuboaigen 4 onnenaemölbe i>on Zt. 2cocrno
in ^muuirb ober foll hiev wieber annevgnatifdje Ambition »orliegen r
Ter Mb ut>ifd)eii bentfdjer (Mitwirflima. unb rran,iöfifd)er Ambition IdfU
jid) wohl niriieiibir> beficr Verfölgen, al* an Mi'nnterinaifelb, unnat, wenn
man bnn Wciftcr biete v ttirebe nod) 2iuua ,mf(!)rctbt n'o r-ohme. I. VI* f-
mit Ned)ti.
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Teutfdjee (tfeifteMeben im fpötcrcn "Üitttclalter
SDbertiirme auf einem gleichmäßig charafterifterten Unterbaue
münfdite man; oom 3?oben ab hoben fich ftol3 aue bem fcanflfyauS
bic £oppeltürme empor, unb neben biefer Söfung bradjte man
ee fchon früh 31t ber l)öd)ft eigenartigen (Sinturmfaffabe beö
Aieiburger ÜMünftere. ,>{ugleid) aber entauctelte man bie 3>taile
bee neuen Stile, nod) auegeftartet mit all ber ffulptorifdjen <vcin*
ted)iiif bee t>eimifd>en Übergangeftiie, ine Über3terlid)e, faft filigran*
hafte; bie &atf)arineufird)e oon £ppeuf)eim bietet hier ein flafftfd)ee
3*eifpiel. Unb mit* fer)r liebte man ben bunten Stfalb ber 5iirme
unb ftialen bee Strebefnftcmä: mie ftattete man fte nod) mit
balbad)inüberfd)atteten Statuen, mie bie Strebebogen mit bnrdi*
brocbeuem sDiaftroerf aue; ee fdjien, ale gölte ee bae mitten empor»
innen be /öauptfdnff mehr ju oerbergen, alö ftnfcenb \i\ betonen.
So fam es 00311, bafl fcnon gegen bie ^enbe bee 13. unb
14. ;>at)rruinbert$ bie ^nnenräume nid)t mehr gan} ber ^irfung
gered)t mürben, bie bie 3Utf;enfaffaben besprachen: unb nur in ben
glänzen bften fällen roupte man bieten Langel burd) oollenbet
maleriicne 3lnorbnung bee Innern, namentlidi in ber genialen
(Gruppierung ber Ären ber einzelnen 15 horteile im ^erhältnie }um
•Öauptteile bee ^auee, nne bind) richtige flbmeffung ber Roheit
im ^erhältnie ^u ben breiten bei Sdiiffe w betten. ^0 biee
aber gelang, ba allerbiuge mirfr biefer logifd) fo fdiarf aufgebaute
Stil troijbem malerifdi, ja begeifterub. Ibienb, eutmeltlidienb: unb
man begreift, bafs er ber Sliiebnuf ift einer ^eit, ba Wnftif unb
Scholaftif in ben Öeiftern lebenbig mirften, ba bei iHbgruub smifchen
Jntelleftualiemue unb (Mtthufiaemue iiberbrürtt fchien.
9lber loenn biee Zeitalter am eigenen tiefften ^rnd)e ^u
(Mruube ging, fo mar baö Sd)icffal ber großen geiftltdjen Aarhe»
bralen be$ Kl unb 14. Jabrrjitnberte hierfür faft oon fumbolifdier
^ebeutung. beinahe feine oon irjnen nunbe fertig am mentgften
ber cUölner $)om, bie geroaltigfte unb geuialfte aller .Hon.ieprionen,
feit ruhte an ihm faft oollftänbig Wefjlot unb Weifui. Tie
Weiftlidrfrit oerarmte; ihr kernte nicht mehr ber aufopfern be ^au*
lurue ber Vorfahren.
£a traten bie Bürger an bie Stelle: oon ^afynehut }u
o.ah,nebnt fdjufen fte gemaltigere Stferfe, oon ben frühen O.Varien*
firchen bee folonialen 25obene bie 311m gemaltigften IKonuinent
fird)lidien 2Mirgettume bem Ulmer Tom oom ^ahre H77. Unb
3iig(eid) äuberte fich ber (Mmrafter ber Wotif. Tie ^orbilber ber
.»nUdirifi für Äiiltura^rtnrtuv'. I. ;;
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sxaxl Vamiuectn
Bürger waren bis w einem gemiffeu Wraoe Die l>3ortest)äufer Der
ihnen jo befremiDeten Settel manche; Die hatten idjon friil) gotifd)
gebaut unD in einfachen , feindien Tonnen Das v>Deal Der mittel»
alterlid)eii iMebigtfirdje entmicrclt. C>ö waren fmlb fdjmucfloie
Veriantntlungsräunte von proper thkite, mit Dünnen, meitabftebenDeit
Pfeilern, luftig unD lid)t, nidtf 511111 Grübeln, ionDeru ^11 fon-
^entrierter Aufmerffamfeit auf Da* gefyrod)ene Utfort einlaDeiiD.
vNl)uen folgten Die i>fairfird)en unD, mit Ausnahme Der alteften
großen 9)iarienfird)en am CftieeftranDe, Die unmittelbar fran>a)tfd)en
(Simluf) Oermten, mit gemiffen AbänDerungeu aud) Die weniger ^ahl*
reidjen bürgerlid)eu t>ruuftird)eu. vsl)ueu allen aber ift eine fidjere
unD flare, weniger in -Verrat als in VerftäuDlid)feit Der -Hon*
ftruttion auslanfeube £ispofition Der oaffaDen eigen; aud) Da, wo
fie aus Dunflcn $acf)teiitfliefen erbaut fiuD, wirfeu fie Reiter; niemals
fel)lt Das prompte, ^reuDige Des Auf bans; DaSfelbe (Mefüljl fidjerer
Energie unD wohlbegriinbeter Xbatfraft, nicht feiten aud) Die gleid)e
.ftoloffalität Der Anlage zeichnen fie ans, Die wir in Den profanen
Tanten Der bürgerlichen Atitltitr bewunbern.
IV.
L*s war faum zweifelhaft, wie fid) unter Der .^errfdjaft Diefes
3tils Die (5ntwicflung Der Waftif unD Der Malerei geftalteu würbe,
mod)te er fid) nun in geiftlid)en bauten öradjtuoll ober in burger*
liehen bauten einfad) unD heiter entfalten. 6s hanDclte fid) bter
nid)t um eine iöanweife, Die weitherzig Die £d)wefterfünfte eiuluD,
fid) in kwanDreid)en Räumen noll behaglicher Öa|tlid)feit nieber*
>ulaffen; geDrungen nuD feit, auf fid) gefteUt, unbulDjam unD aus*
fd)lie|VuD erfd)eint Der (*haratter Der Wotif. £a ift alles auf-
gelöft in abfolut notweuDige (^lieber Des Aufbans, alles 2ehne
gleidv'ain unbWero; unD nur Die großen Tveufter mit ihren $las*
maiereien fdjauen ocrmuubert, ein fremDes (dement, in Den auf*
ftrebenDen Stfalb Don Pfeilern. Denn Der Vertifale wenDet fid)
alles in Der Wotif $11, je langer je mehr; immer höher werben
Die idüffe int Verhältnis }iir breite, bis feite abnorme Moloffalität
Der formen erreidjt wirb, nieldje Die großen Äatljebraleu ans Der
^enDe Des I I. unD l.V vNal)rl)itnberts aufweifeu.
Irs half Den 2d)wefterfünften wie Dem rtunftbanDweiT nid)ts:
fie mußten Diefem -lug ins Genitale folgen. Vom einfachen
/oausmbbel bis \um Altarbilo, 0011 Der laillenteilimg Der ^iooe
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reuricfK* Wetitcolebcii im fpäteveit flitttelaltcr
bi* }nm 2tanbbilb öce Zeitigen erfdjeint alle* überhebt; cic
(^lieber [trafen fid). bie galten vecfeit fidi, um in bor (MegenD Da*
^u^gelenfe in einem wirren iMemengiel fleiner nnb gebrannter
Änittern 511 enben. rae finD gemeiniame .ttenmeid)en Der über*
modrigen wrfdmft ber 2lrd)iteftur im 14. nnb lö. ^abrbnnbert;
f einerlei .Kunft bat fid) ihnen \n entwichen permodtf.
2lin fdjmerften getroffen aber würbe pon Diefer Inraunei bie
bei :Hrd)iteftnr am uad)fteu peridiwifterte uuft, bie Waftif. idunt
bie Ifjatfadje, bafi ber ^übner wenigsten* ber früheren $otif nidit
ein befonbercr 23ilbl)auer, fonbern ber Siegel nad) uod) ber sEteinmefe
ber Bauhütte mar, ift hier be$eid)itenb. Ä fonnte ihm bae betontere
funftlerifdK iHmed)t ber i>lafrif am Syryn liegen? (*r übernahm
mit ber gotifeben ^aumeife anö >yranfreid) and) bie gotiidu\ ber
banlid)en 2trnftur engangefd)miegte Art be* $i Ibens, nnb er
glich fie rafd) au* mit ben ^eftrebnngen ber einbeimh'd)en bentfd)en
SilDbauerfunft, bie in ber jmeiten Hälfte oeo IM. o^hrbunbert*
jebon jenfeit« ber brmunbernswerten >>öbe ber ipätromauifd)en
Waftif perliefen. 2o marb Die ^fnlptur ein '^eftanbteil ber
Ardmeftur nnb im etile biefer manieriert, nnb e* fam fo weit,
baf; bie ^ehanblnng bes Aaltenmnrf* al* eine felbftänbige Auf-
gabe angesehen marb, bie mit Dem Darunter lebenben Körper nur
oberflädilid) nod) in Berührung ftet>e.
(Gegenüber biefem Verfall in Polle ard)iteftonifd)e Mneditfdjaft
fam erft in ber weiten Hälfte bes 14. ^abrfyunberts uon jwei
leiten her Rettung. Einmal fdjritt ber fünftlerifd)e We|d)mact oon ber
bloßen ftatuariidjen Haltung einzelner Aigureu \u häufigerer 2^enen*
bilbung fort, nadibem fdjon feit ben Jagen l'ubmigs bes Katern
weuigftens in 3d)ioaben nnb am Cberrljein s))(otioe nnb normen
bes bürgerlid)en Gebens in bie plaftifd)e 2luffaffung ber .»eiligen»
bilber übertragen morben maren nnb biefe etwas lebenbiger ge»
ftaltet hatten. £ic vE^euenbilbuug aber führte bei Dem leiben»
idniftltdjen (hnpfinben ber Jeit alobalb }ur Pollen, meuu and) im
einzelnen uod) foupentionell gehaltenen iTramatif ber Bewegungen:
unb biefe fügten fid) nid)t mehr Dem £d)ema ber gotifdien ^er»
tifale. .Kod) mid)tiger aber mar es, Dan mau, poruehmlid) im OiieDer»
lanD, bie blof;e eteinffulptnr aufgab. WrgenD* mar freilidi bie
altnationale .»oUbilDnerei jemals pöllig Perlaffen morben; and) in
ber romanifdn'u ;>eit hatte fie geblüht, Da* bemeifen bie ^ahlreid)en
VinDeuhohfäftdKH Der .Uleintunft unD Hereinreite trefflidje Tenr-
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Aorl Vamoredn
mäler ber großen Äiuift, fo Die aite^e^ei(f)tictcii >> o 1 31 f 1 1 1^» t it reu aiu>
ber Millinger Sdntle ber romanifeben Blütezeit im 04ro$en»©arten*-
2Ruffmn }u Bresben unb im <vornfal }u s&i*bg. ^sefct aber trat
bic ^ol^ffulptur, mit ?lueualimc r»on £d)wabcn, überall mehr ober
minbrr mäd)tig fyeroor; unb balb blühte fte befonber* im Horben,
ber an plaftifd)er (Meftaltungetraft oou jeher ben £üben überragt hat.
$n ben Mcberlanben aber entfaltete ftd) anfterbem immer bebenten*
ber bie Bron^eplaftiF, anfange nur 311m regen (?rport oou Wrab*
platten, balb aud) für cinr)eimiid)c größere th>erfc; nnb id)on um
l.iHo fnnb biefe Sed)uif in ben ftäötereid)en .ftolonialgebieten ber
Cftfce, juoörberft in tfübeef, Oiad)af)mung.')
^amit untren junädjft bic ted)nifd)en Borbcbingnngcn jnr
tfoSlöfung ber Waftif oon ber 3lrd)iteftur gewonnen. Tic Blüte
be$ SPron^cfliiffee nnb ber £d)nifcfnnft, bic biefer Emanzipation
feit etwa Witte be«? !.">. ^af)rt)unbert* folgte, .jeigte aber nur in
ihren glfin^enbften (*rid)einnngeu ein rein plaftifdjee Vermögen;
jumeift bagegen warb fte, cntfprechenb einer merfroürbigcn Um-
wanblnng bce geiftigen ÜUermögene um bieie (}eit, abhängig oon
ben (morberniffen maleriiduT ^irfung.
Tieje Beübung mag auf ben elften Blirt um fo wunber*
barer crfd)cincn, ale bie IValerci bie tief tue 14. ^al>rfjinibert
hinein nid)t minber unter bem allbeherrfd)enben Einfluß ber (%tif ge*
ftanben tjatte, all? bie Waftit. Sind) hier bae £tatuarifd)e, bie über*
höhten Figuren, ber fd)mäd)tige Aaltcnwnrf, bie enge ed)nürung ber
heften, bae fünftlicbc 2luebicgen in >>uft* unb Baudhgcgenb, um
ber Wcfralt bod) einige Bewegung 311 geben. 31 ber unter biefer
ftrengeu >>üllc freilid) gegen £d)luf? ber ^eriobe ber erfte, leife
ilbergaug ^u einer tieffteu freifycitfidicn Bewegung, bereu C>r)araftcr
an biefer Stelle unferer Bctradttung nur bei weiterem ?lneblirf
begriffen werben fann.
beutet mau pft)d)ologifd)c Beobachtungen nidit fünftlid), fo
ergiebt fid) bae vscljcn ielbft fd)on ale ein 2d)lieflcn; ber €eblufj
oollMeht fid) in einer (^fidrteoorftellnng, wie er fid) in anberen
fallen in <vorm ipracfjlid) auegebrnefter Begriffe ooll^ieht. ?lllee
(rmpfinben giebt mithin uid)t ein abfolntce, ionbern ein relatioce
IKaft ber ringe wieber; fo aud) bie (>k'ftd)tecmpfinbiing: fie Iöft
•1 Jur tatienuig bev Utaioocn bc* WrabiUattciiguffe* \. ben ent
t'clKibenben i'luffat? von Brcljincv in .»>ani. ^e'dWl. lss:t, l'i ff.
reutfdje* («tfiiteolrben im filteren Wirtelaltev
37
von ben Cbjeften ein innere* %)Jad)bilD gleidjfam ab unb bringt
biefe* jum 25en>uptfciii. -Tae fann nid)t gefd)el)en unb gefd)!ct)t
bor allem nid)t beim fünftlerifd)en eefjen, ofjnc bafj baö innere
SMID einteilig wirb, fid) auf beftimmte leile ber £inneeempfinbuug
fon.^etitriert.
Ii it treten bem malerijd)en £eben Drei oerfd)iebene 33eftaub*
teile beö ftnnlid) sichtbaren entgegen, Umriffe, Farben unb Sichrer.
£ieic fjat es auHuncljmen nnb in iubjeftiber 2i>eiie 511 »erarbeiten.
£abei ftnb freilid) Jvarbe nnb Vicht, ja fogar ijtarbe, i'id)t nnb
Äontnr nicht abiolute Wegeniäfee. ^ofjl aber relatioe. $emi& ift
eine Jvarbe ot)ne £icbt nid)t benfbar, aber fie fann Dod) im be*
fonberen 2inne bom Vicht umfpielt lein, im Vid)te leben ober nid)t.
Unb ber Hinrijj fann allcrbing* in ftarbe nnb Vicht oerfchminben,
er fann jum faft inbiftinften 2amn werben: gleid)mol)l bilDet er für
bae förperlidic 2el)cu immer eine nnbebingte ^orauefefcung.
Oiuu ietjen wir heutzutage fünft leriidj Umriffe, färben unb
Vinter. Jnoe* in Den bcrfd)ieDenen Arten ber Malerei feineäwegS
in gleid)em ^errjältnie zu eiuanber. ?aä Porträt 4. geftattet
ein Aufgeben feftcr Umriffe weniger, als mancher anbere ^weig
ber Malerei; bae meufd)lid)e Antlife bietet eine fo fleine JvlädK,
bafj ne bae nibberne Auge, genügenb nafje gebracht, ber Siegel nad)
noch bis in jebtn Umrifj beherrfd)t. 2o überwiegt im Vortrat ber
tRegel nad) nod) bie Kontur Das Vicht unb bie iyarbe, wenn aud)
biefen ein fteigenber Anteil an *&iebergabe unb (Sfjarafteriftif ge*
wäl)rt wirb. ^>n ber Vanbfdjaft bagegen bcrid)mimmen im* Die
Konturen, unb ein ^eidjnerifd) jeben Umrifj wiebergeben be* Vaub»
1d)aftsbilb erfd)eint un* heutzutage beer)alb nid)t als fünftlcrifche,
fonbern al* fünftlid)e Vofung; e* fei Denn, es gehöre ber Vergangen«
f)eit an unb wir betrachten c* mit bem Auge l)iftorifd)er Aneignung.
28 te mir nod) für bie bcrfd)iebencn Wattungen ber Malerei
Hnterfd)iebe machen zmifchert bem $erb,ältni* oon Kontur, mube
unb £id)tf fo beftetjen nun folcfye Unterfdiiebe für bie einzelnen
Zeitalter ber (Sntwirflung ber Malerei in ungleid) fjofjereui ®rabe.
£ie dlteffen Venoben bewältigen, etwa* fd)ematifd) unb ein wenig
|u fd)arf au*gebrücft, fünftlerifch nur ben Umrijj; erft fpäter wirb
bie ftarbe äftrjctifd) bewältigt, unb nod) oiel fpäter ba* Vicht.
£)ie ältefte beutferje ÜRalfunft gab nur ben Umrifj ber Singe.
Unb jwar gab fie ifm nod) fciucöweg* naturgetreu, fonbern
unbewußt ftiliftcrt; ee ftnb bie Venoben ber bloßen Crnamentif
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Hs
Äarl vaniprcdn
i
bie www s. \ahihnubcrt, ber tnpücbcn ^iebergabc bor flentnr
Pom s. bie uim 1 1. Jaf)rhnnbcrt, ber fonoentionellcn ?arftellung
Dom 1 1. bie $nm 1-1. Jafirfninbert. Jn ihnen näherte fid) ber
«nbcimiftt ftilificrtc Umriß immer mehr bor *>irflid)Feit.
Teuren bat? 14. unb teilmcie l'>. Jabrbunbert, bic ^criobe
bev bürgerlichen Kultur, wirb bae Zeitalter gcbilbct, ba ber natura?
liftifd)c Umriß erreicht wirb, wo in Meiern wid)tigften fünfte bae
mcnjd)lid)e Auge bic -)tohtr bcherrfdicn lernt, inbem fie if>r ge*
naueftoe ^erftünbnie erwirbt: Menntuie unb 5*ebcrrfd)ung ber
9iatur bebingen fid) gegenicitig. (?e ift ber Anfang bee cigent*
Iid)cn, idwn halb mobernen malcrifcben ^Vrftänbniffce.
NVbod) bic nolle wrfcfjaft, eine i;icid)fam perionlidjc Gewalt
über bie Atontur erlangt bie beutfdjc C*ntroicflung erft mit ber
^criobe ber großen Walerei feit bem vierten Jahrjefmi bee l">. -Jafjr*
Rimberte. "Nun wirb ber llmrif; aue ber genauesten natiiraliftifctjen
Äenntnie feine* ^eiene beraum bewnf;t ftiliftert: b. b. er wirb
ibcalifiert; unb au* bem engften Ä leben am Sbatfädüiebcn ber
(Sin$clerfd)cinuug heran* erbebt fid) bie .Unuft eine* <Türer uir
ftorbening ber ibcaliidien Zeichnung ber Außenwelt, ber ibealijdjen
Übergabe namentlich ber Umriffe bc* mcnfd)lid)cu .Ubrpcr*.
^nuoiidien aber war aud) bie A-arbe läugfr in bie (rntmirflung
ber Walerei eingetreten.
3Me ine 11. Xabrbunbert hinein, bic .uim £d)lufc ber tnpifd)cn
Hcriobe bc* Uniriff ee, war bie Aarbc ein malcrifcb inbirferente*
Clement. Wdtf al* ob man feine A-rcnbc an ber A-arbc gehabt
hätte; ba* th'ad)icn ber Teilnahme namentlid) am farbig Wlansen*
ben läfu lief) oielmehr an ber Wenning ber iprad)lid)cn ^oidnningcn
fetjr wohl Perfolgen; unb bic farlingiichc Jeit oerfügte id)on über
einen beionberen Wefcumatf für ba* Oiebencinaubcr bei Farben im
bemalten Ornament, ^ae aber fehlte, bae war bie ^;erbinbung
ber Aarbcnempfinblid)feit mit bem 2inu für unmittelbare fünft*
IcrÜcbc ^iebugnbe ber Außenwelt: noch ber ^t. Wallener kalter
aue bem Crubc bc* !». Jahrmmbcne enthält rote, grüne, gelbe
1iferbc.
riefer £inn warb in ber folgenben i^eriobe, bic mit bem
• Zeitalter ber bürgerlichen ^liite, etwa mit ben erften Jahrzehnten
bc* 1'». ^ahrfumberte abfehlop, gewonnen, oft?t würbe bie A-arbe
ale fnnftlerifcbe* Clement für bie ^iebergabe ber Außenwelt erfaßt.
Aber freilid) mn in ihrem Jotaleinbrucf, nicht aber fd)on im £inne
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Xfutfdicv ^ctücölebcn i>it unitnen Mitteln Ufr
bee .Kolorite. -Wau tuidne mein an. nie man malte; bie A-arbc
uar ncdi eine foubcntiencUe ^ciaabc, fie beiaf; uodi itictjT eiaenee
Vcbcm fic beefte mehr, ale baf; fit* runbete unb mobcllicrte.
(üan,; anbere im I'». im C» Ii;. Jahrtnmbcrt. bon ben bau
(^rjrfe bie }n ben ^oraanaern bei a.rppcn >>ollänbcr unb ^laemcn.
o>efct rannte man bae ^eien bei A-arbe p;, man mobelüerte
mit ihr bie ine ieinfte, mau batte fic naturaliftiidi erfaßt, unb
mit ihrem bollcu ^erftänbnie oerbanb fiel) ein überune cntwirfcltcr
Aarbenaeicbmad\ }i:ae aber nod) fehlte, bae war bae belle ^ethaltnie
oer ixarbe nun Vicht. 9)fan berünnb ee nicht, bie 9.Vobc 11 ieruna,
mit ben Vicbtrefleicu in (rinflang \\\ bringen, biel weniger bae
clause ^ilb bau beftimmteiu Vi du bchcrricbcn ni lauen ober in
beftimmtee Vidit }ii taiicben: bei golbbrannc Ion im (Deuter
SHltarbilo bei bau (*ncfe, an iidi fnft eine ^nubcruidicinnng in
rer erften .välfte bee 1.'». oabrfuinberte. bavr über bieten ^uiammcu*
bang nid)t täuidjen; er barmonifiert nur bie ebne grofcc ^eredwung
verteilten Horben, ohne fic \\i belcudncn. Ter ftegcl uadi aber
mobcllicrte man im 1."». unb 1«'.. \abrhunbcrt bie Viduer ine
Stfciju*. i^rane, treibe ober in eine bind) *;eifc ober (NVlb gebrodu-nc
Nuance ber A;anytfnrbe: eine iebr rohe Vlnnähcrung noch an bae
nabre ^crftänbnie bee Vidite. io hat iebr boutlidt ein Stephan
l'ocbner unb bau ber ^enben. ein Turib unb Jan Xecft gearbeitet;
bietreter. aber in gleicher Lanier, boriiihren bie bau (*mte unb
emd) ncdi Türcr. ^eidmenb nn Meie Äuffafiung finb bie
C^riiairitn, bie grauweif; in man ober gclbwcip in gelb, grünmeifc
in grün, brarmweif, in braun gemalten Silber: auf einem lafel*
wert, etwa bem ftogcre oon ber :h:enben im ssrä&elichen Wiiicum
;ii ^ranffmt a. Wain, fallen fic neben Silbern poller A-arbe faum
auf, währen i> fic tpütcr, etwa in ben ^lumenftiirfcn ber blaemifdu'ii
Schule, ardtaifch criaicinen unb neben ber gamen, nunmehr er*
reichte;- Aarbenwelt cmpfinMidi froren. Tiefe (^rüaillcn aber
waren noch eine beliebte Walform Titrere unb >>olbiine: ihnen
fann man bie 1-aifion in ber ?llbertinn unb uod> mehr bie hcrrlitfon
Silber >>olbciue im Präger Wineum «wählen.
ütiidi uad) ben Sagen unserer erften grof;cn Wnlerei in ben
frühen Jahrzehnten bee IC». Jahrhunberte ftarb biete ?lrt ber
W obe Iii cm na, nod) nicht ane. 31 ber würbe fic bie bahiu ale irr*
gebnie eigner anftcia.cn ber @mwirflung fidur unb natürlich gebanb*
1-atr, {o würbe fic jet-t unter bem (*influfc ber Italiener grobe
40
£arl Vampredjt
Lanier; fd)ou £ufae Don Reiben (wt gelegentlid) ungemein grojje
weine l'id)ter, anberer unmittelbarer ^admfymer ber Italiener nid)t
311 gebenten. @rft oic bireften Vorgänger ber großen nieber*
länbijc^en Äoloriften, namentlid) in Jlanbern, laffen ben meinen
aufjafe beö ^idjte giemlid) Dollftänbig oerfdjminben, fo Gorcnen,
bie 1>ourbue, dou "Crlen unb anbere; aber aud) fie behalten bod)
nod) bie fonturell fefte Slbgren^ung ber färben, aljo bie $eid)iierifd)e
Lanier eine«? Dürer unb .öolbein, bie Don ber med)aniid)en SPe»
tjanblung bee t'idjtee mrjertrennlid) ift.
Der tfortfdjritt ging tjier aue Don ben Weifiern, Die in ber
erfreu Hälfte bee 1<>. Jat)tl)unberte bie Umriffe weniger ^11 be*
tonen unb bie Farben ]u Derrreiben begannen, einem Jan Joefr,
Sarttjel SHuwn unb aubereu.*) Unb gleidjjeitig lief neben biefein
^Beftreben ein auberee, faft nod) loidjtigeree her, bae Weben ine
£id)te. $eibee mar bie ;Urt ber fpäteren Alolner unb ber ülaemifa>
l)0llänbifd)en ^cfjnle; Ijiertjer gehört bae große ^eibenev iMlb bee
l'ufae Don Reiben unb nid)t miuber bie 'Dia lerei bee Klientin
Waffne. Ja "Dberbeutfdjlanb aber erbliit)te fd)on oor biefen Üln=
fangen in Wriinemalb ein .ttolorift, ber'beu Weberlänberu weit
ooraue mar, unb neben it)m ftanben ^Jialer, mie <v>ane &*u,
Salbung unb SUtborfer. Leiber mürbe Daun ber neue 2lnfid)mung
burd) 2lufnal)ine italieuiid)er (iiufiüffe gefrört. 3t ber gan* ging
er Darum nid)t oerloreu. Jniiner meljr näherte mau fid) im
tfaufe bee 10. Jaljrtjunberte, nun oor allem mieber im Weber»
lanb, beut unmittelbaren malerifcrjen ingreifen bee t'idjtee; bie
i'elner oon 'Kubene unb MembrauDt, Ctto Dan ^een unb Bieter
äaftman, unb tfanbjchafter mie ftoelant 2aDcrif, ftanben unmitteU
bar oor ber ^eantnuntuug ber tfrage.
Welöft warb fie burd) bie N)J2aIerfürfteu ber olaemtfd)en unb
t)ollänbifd)en £d)ule bee H>. Jal)rl)unDerte. Hei il)ueu ift ber
jeid)nertfd)c Umrif; Derfd)ioun ben; Dürer mar "Dicifter bee Atupfer*
ftidie, :KYmbranDt ift OJteifter ber :Kabierung. 3o ift jefot bie
#arbe ine Dotlfte :Ked)t getreten; ein ,yran$ .oale malt in fpäterer
3eit nur burd) Slueinanberfeöen farbiger allere. Auf biefen (*r»
ruugenfd)aften ergebt fid) Dann bie erfte malenfdje Übergabe
bee l'idjtee. Aieilid) nidtf uatmaliftifd) mirb ee junädjft erfahr;
ee mirb ftiliftert, mie ber Umiifj anfange, mie aud) Die *arbe
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£tutjd)e« (Meiftcelcbcn im fpätercn Mittelalter
41
ftilijiert morben mar. £er Weifter ftilifierten i'id)te$ ift JHembranDt.
Äbcr aud) :Kubeue ftet)t ganj auf Meiern Soben: baö ergiebt fid)
alebalD, wenn mau bie i'aubfdjaften ftembranbte unb Siubeiw*
oergleidjeub betrautet. £ic Jörüffeler £anbfd)aft bee JKubenö aber
roieberum twt faft oöllig genau Stimmung, Jon unb 93elid)tungeart
bce 3>ubenfird)l)ofe oon JKuiebael in ber rreöbncr (Valerie. Sluf beut
iboben ftiliftifd)er $5eroäitigung De* i'id)ted flehen fie alte, Die
Wrofwii bee JT. i^aljrtnmberte, iUaemen txue ^oltanber; unb ilvre
(5nitngenfd)aften tjabeu ben Wang ber Maleret beftimmt, bio mit
ber Areilid)tmalerei unterer läge bie naturaliftifd)e SKiebergabc
bee tidjtes begonnen Ijat.
Alerjren mir ^ur Stellung bei Malerei im 14. 3al)rl)untert
}urücf, fo roirb uad) bem (Mefagteu einleuchten, bafj fie weniger
an fid), beim ale Wurjepunft alter, ale sÄuegangepunft neuer (Mtt*
mirflungen 2i5ebeiitnng fjat. 2ie tjat ein £oppelgefid)t, fte ift nod)
biirgerlid) fonoentionell unb gottfd) gebunben, aber fie brängt bod)
fd)on auf Pollen Naturaliemuo Der Alontur unb auf weniger
trotfenc ^eljanblung ber *urbe.
31 in uu'nigften tritt biefe fortfd)rittlid)e ieite Ijeroor tu Den
ßroeigen, Die fid) langer unb großer Vergangenheit rühmen fonnten,
por allem in ber Miniatur, rie Miniatur biefer 3*-'it ift nidjte alä
ein iHbftatfd) Der franjöftfdjeu Wauadjemalerei, Die feit fcubmig IX.
einen groften 3lufid)roung genommen hatte. Cmi fteter Verbinbung
mit Aranfreid) liefern bie beutfdK'u Aliinftler, in getreuer OtaaV
etferung ber frau^üfifdien ^orbilber unb Moberoeubungen, Diefelbeu
3ierlia>unbebeutenben( iü>lieblid)en rarftelluugeu oon meift auf;er*
orbentlicber .Kleinheit, biefelben rrolerieit, biefelben Tornblatt»
mufter, biefelben leppidibtntergrüube enblid) mit ber Vorliebe für
bie inbigoblaii'-giegelrote warben ^ufammenftelluua,, bie m Wraublau
unb ftumpfem hellrot abgetönt im fran^ftfdjen ^iofofo, in ben
Silbern eine* Sondier etma, ivieberfel)ren follte. £er IMjarafter
bleibt babei roefentlidj ritterlidjnuiftofratifd); nur in ben böd)fteu
greifen ift bie Vorliebe für biefe Miniaturen perbreitet.
£ie t'uremburger, felbft halbe Aran^oien, haben fie gepflegt Pom
(?r^bifd)of $albuin oou Irter über .Karl IV. Uiö au* .Honig
&?en$el; mit ihrer ftänbigen :Kefibeu} in i;rag tpurben fie Dort
unb in €ftbeutfd)laub überhaupt heimifd). £ie lefcte ftärfere
Sluebilbung erljielt bie ledutif Daun tu ^ien in ber ^roeiteu
£älfte beö 14. ^aljrbunDerre; hier finD bie ^lluftrationen wr
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41»
beutn1)eu Überiefcuug bee Nationale ?uranbe< vom \ahre
ihre anfpredien bfte iduummg.
ih>eld) aubern iUnful)iiniiiti oaaeg.cn erlebte bic nationale
Äuim ber einfadieu ^cidnuuig im ,"vcbcnin, bio fidi ^nr ftaufürticn
ilcit glcidneitig mit einer neuen Wouachemalerci, ber ^orlänfcriu
bco fran.uifiidieu £rii*( gcbilbct hatte*)' ^hr oor allem unb am
f rubelten fallt tue Pflege bce fünft lerüdien Aortidiritre im ltmrife
311, ihr Tineen ift bie Nation, nnb ihre (*nengniffe manbern
bnrd) alle 2»>elt. ^ic null nicht* ale illuftricreu; in flottefrer rar*
fteUung begleitet fie ben Sert beliebter Autoren, bie ^eltdironit beä
SRubolf oon C*me etwa ober bie ^ibel, baö Nednobndi nnb ^diriften
fltrlidMCligiöicr C*rbauung. Ter OJi'cnidi ift ihr I nennt, nnb fie
bewältigt ihn gan} in irtion faft oollem ^iatiiraliomne bcvÄoimir,
mir entfernt flingt bie ftiliftiidie Cnumirfung ber (suuif an. Unb
auch an Jvarbe fehlt es fd)on nicht mehr; haftige .vanbe haben in
bie 4Vidimntgen ber ^apierfutubichriften mit ^afierfarben eine
oberflächliche Äoloricrung eingetragen, ort oöllig fabrifmü|;ig, bie
eine A>anb etwa mir bie blauen, bie anbeve Die grauen, eine ritte
bie roten iönc.
\n ber 3" hat hanbelt c* fidi hier um fabritmupige >>erftellnng.
€chon honte fmb einige Aiibabcr ioldier ^llintrationowcrfftätten
befaunt, lllridi Nichcntal in fionftairv rieoolb Vau ber in .*>aa.cnau;
anbete wirb fortidircitenbe Aoridiung hiimmigen. (?i> waren
S^erleger oon .öanbidirift unb ^lluftration uiglcidi, fie arbeiteten
auf ^eftcllung unb für ben IVartt, fie icgelten im mobernfteu
^ahrwaffer beo auffommeuben inbuftrielleu $itrlcgertunn\ idwu in
ber elften Hälfte beo 1."». ^nrhunbert* haben fie geblüht. ?lue
ihrem betriebe heran* entmirfclte fidi bie Vitteratur ber SMocf«
büdicr für ben Unten icttr ber bürgcrlidieu Vaieuwclt nnb nach (*r*
finbung be* SMtd)brii(te ber nuglaublidi rcidic Verlag illuftrierter
JFrorfe in ber ^weiten Hälfte bee l'>. Xahrhunbcrtö unb in ber
fficformatiouejeit: fie mit ihren AOlgecridicinungcn haben bic
ad)tenewerte ->>öhe yopular-aftbctiidicn ^erftanbniffo* im l'*>. ^al)r=
fjunbert hcroonaubern helfen.
Unb and) auf bie grof;e Munfr ber Müllerei, ioweit fie national
War, wirrten fie ein. Tie ^lliifnationen ber Vinnen bibeln ber
^weiten Hälfte be* 14. \aht hnnDtrrv atmen üliou rielfad) ben
'\ 2 *i*ai^ :y i. -.'41 i.
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Ieim'ctk\-> »^ft'tf Alchen im unitcrnj Wir toi alter -lö
(^eiu ber Tafelmalerei bee 1'». v\ati rhuuDcrt»> ; hiev wirb Die geure*
fünfte ?lufraffung neiliger ^eueu, hiev Mc gemütstiefe Vlnoerung
eingeroftcrer Wotine ber Bewegung unb <2timmnng, hiev ber gan^e
'Jiaturaltenuie ungebahnt . Der um einige (Generationen ipäter im
Jafelgemälbe burebbrierjt.
Vorläufig allerbiugs war bie Tafelmalerei überhaupt Der
jüngfte ^weig Der malerüdu'u (futmicrelung. Jwar hat es Tafel*
btlber fchon im biö II. ^abrfwnbert gegeben; alo ebelfte *vorm
nationaler flunftübung aber tritt bas Tafelgemälbe erft ieit
frühestens bem 14. \ahrt)unbert in ben äftbetifdien Wettbewerb.
Jamale ober etwas ipäter begannen mohl bie f rubelten 2duilcn fid)
flu bilben, zugleich mit ber erfreu ^ercbluug haiibroerflldtcn Thuns
im Bürgertum. x\bre 2ine waren, iohen wir Pom Wbein ab,
wohl pornehmlidi Wegensburg unb Oiürnberg; in Dürnberg erreidrte
bte.Uunfr im Vame bes 11. ^ahrhunberts idion eine ad)tensmerte
£öhe, unb im beginn bee Ki. \abrhunbertt< loar |le bereits fräftig
aenug, ein Werf, wie ben ^mhondieu Elitär herporgebeu ^u laffeu,
ber mit JKedit um etwa 1 -*•-'«» aeiefrt wirb.*)
\inwiicben aber harte Urag allen anbereu trabten ben :Kang
abgelaufen. >>ier trafen fid) am s>ok Marls IV. mit ben beutiche»
frembe. fran.'öfiidK, aoiguoneiiidu\ italienische Wnflnffe. 2ie alle
aber überwog boen bei beiitidte: ber ^aumeifter bee üFcttsboms,
Marler, war aus 2dnräbiidMs>emünb. uub "Nicola»* urinier,
ber bcoonugte Waler bes .*>ofes, aus inanburg.'*) ^or allem
aber bie Walerei tft als beutieb au*»ipredten. Tie Walcnunft
lief; im ^arire l-'U* ihre £at?Hiigen in beiitidicr Sprache auf*
fleidjnen. unb bentiaV iHnforberungen galten für ihre Prüfung $um
Weifrer. Sind) ber größte Waler ber 2d)»le, Tbcoocrid) (thätig
[Ms ■ i:*7:>>, in, falls er als Tfd)ecric geboren fein follte, boch
STeuticbcr nach (tfeidimatf unb iHusbilbnng. Tie ihm wgeidiriebencn
Silber geigen iHbbängigfeit oon ber oberfranfifchen ;1rt Oiürnbergs,
bas frafrige ^nfarnat, bas OiYbeueinanbcr greller Aarben, aber
babei fehou einen regen £iun für mehr naturaliftiidic ^luffaffung,
namentlid) im Portrait ichon bie üdu'rc Wicbcrgabc bes nationalen
Tnpns. ^iadi Tbcobericbe Job heilich, unter .Honig Wcmcl, würbe
' 2,0 aud) von Jhooc iiVlaicridmlc mm Wmihcrai. Cb ulicr
fein tViüier Weiüer ^crtbolb anneten '
••■ :«{emoirtb in '.Vsiir. i\'v ^ut'rfj böhm. C^e'cnw. •>»•_>, »vi.
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44
Marl vampredjt
bic £a)nlc tfd)cd)ifd); fic blühte in Sübböfjmcn metter bie etwa UM\,
aber ifjre bunfdn tafeln mit bem fdjmercn braunen Jnfarnat Der
Männer, Der etwae frifdjeren ftarbe Der ftvaueu bedeuten ben
Verfall.
Unb längft jd)on war Der ^>ör)cpunft ber lafclmalcrei nad)
5^cften , nad) äSeftfalen, au ben Allein, entglitten. £icr mürbe
ßöln Da* Zentrum einer ungemein fruchtbaren ^robuftion, unb
unter feinen Malern ragte einer oor allen empor, sDieifter 2£ill)elm.
^on if)m jdjreibt bie l'imburger C>r)roiiif *) jum ^afjr etwa
ber Wae ber beftc maier in £nfd)cn lanben, als tje wart
gcadjtet oon ben metfteru, mant l)c malte einen iglidjcn
menid)cn oon aller geftalt ale l)ette c$ gelebet. Q# ift bad
erfte s))la\, baf; ein mittelalterlicher Wefd)td)töjd)reiber eines großen
9)ialcr6 auebrütflid) gebenft. Wh Ncd)t. IMe Silber, bie bem IVeiftcr
3ugejd)rieben werben, bie Wabonna mit ber ^otjnenblüte im Kölner
tDiufeum unb anbete, Oermten einen auperorbentlidjen Aortjdjritt.
ftroar finb bic Figuren nod) id)ittäd)tig unb überfdjlanf, unb in
iljrcr Aeinbeit gelegeutlid) faft }erbrcd)lid) unb fcbemenljaft, aber
fic leben in wenn attd) nod) fromm gebnttbener Jsrcube an fKatur
unb 3$elt; fic atfjmen jugenblidie Slntnut unb bic ^artljeit ber
Mittue; fic führen ^erab aus bem Gimmel auf bie (£rbe; ein finber*
reiner ^rieben, aber Dod) ein Arieben oott biefer *A'lt, liegt über
ilutcn: fte ftnb bie oerförperten ^bealc bürgerlid) froren unb frommen
Kentens. £as Zeitalter ber großen bürgerlichen (frljebung im
fpätercu Mittelalter l)at il)tten nid)tö }ur Seite ?u fteUett; fic
fdjlieften bie* Zeitalter ab, wie einft bie Staumburger Donatoren
unb bie ^ed)felburger Schöpfungen") baö Zeitalter titterlidier
^ntwirflung.
V.
So l)at fid) im 14. ^al)rl)uuDert trofe aller entgegentretenbeu
Sdjwierigfeiten, trot? ber Üebeneljaltung Des $ürgcrtume, bae fid)
nur jdjwer rein materieUcin Birten entriß, trofe ber ftiliftifd)en
^räbeftinatiou, Die alle Äunftgattungen bind) bie Übermacht ber
öottf erhielten, Dennod) fdjliefjlid) eine bürgerlid) > fonoentionelle,
bilbenbe äunft entwirfelt. Sie war immerhin fd)on ein wichtige^
*) ed. ^I'IJB 7").
*•) #anb 3, 2. 245 f.
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reut|d)e* («triftciMeben im fpäteren Wittel alter 4.Y
Moment allgemeinen geiftigen ivortfehritte; mit ir)ren beften
€djöpfungcn reicht fie bicfjt tyran bi^ an btc ^orfyöfe ber inbivi*
bualiftifchen Äultur, bereu Pforten fiel) im l'>. ^afjr^unbert
glän^enb öffnen füllten.
Ter bichteriferjeu ^emeguug war ein weniger günftigee £d)irf*
fal bcfdjieben. Qa$ litterarifche ^ntereffe bee eben ermachfenben
Sürgcrtumä mar gering, bic bitten roartn ^mar ctroaö weniger
font>entionell mie bic ber ftaufiferjen ftitterjeit, aber um Dielet unfeiner;
ein roher Jon herrschte, unb feine unflätigen Äußerungen erftieften
bie weiteren Staute be$ -perlene. Zo fam ee erft fpät $u bidite*
rifa^en Seftrebungen ber rührenben bürgerlichen Schichten r unb
niemale manbten biefe fid) ben garten Gattungen ber £td)tfunft
311: bie Stirif in faft allen i fyreti Reifen oerftummte, nur bie Satire
erblühte in berber ®ciflelung ber Verfemen unb Juftänbe, unb Die
pöbcl* unb poffenrjaftcn, grobgeftalteten Anfänge bee Dramas
famen empor.
■\mn Skginn aber bee neuen Jettaltere unb rcilweie bind)
beffen ganzen Verlauf t)in nahmen alte formen ber Tötung-
bie unbefefcten Stellen ein unb wucherten minmehr üppig unb
regelloe. $cr Winnefang ber 2taufer^eit mürbe l)anbmerfe=
mäfiig roeiter gepflegt im Weifterfang ber bürgerlichen .H reife ;
bic 2lnmut ber $erie rourbe burd) bereu Anzahl erfefct, .Uunft
marb $ur tfünftlichfeit, Wratfe }ur ^ebanterie, ©efüljl 3ur ge»
gierten $t)ta\e. Die alten Grrjärjlungeftoffe ber ritterlichen C^e*
fellfchaft famen im (befolge humaniftijcfclittcrarifchcr (Sinmirfungeu
oon ftranfreich tyr inö £anb: Vorjcr unb Waller, i'anjelot, bic
fd)5ne Welufme: in sl>rofaform, ihre* fofetten v£eregemanbe$ ent-
fleibet, fanben fte ßuflucbt bei Der Teilnahme bee befferen Bürger*
turne unb bee nieberen 3lbele. 3*or allem aber fd)rooll neben
btefen heften ber <8taufer}eit ber 3*oin uralMnriidjer i^oefte aue ben
Siefen bee 3$olFe oon neuem mächtig empor: bae 14. ^ahrrjunoert
marb jur erften, une noch erfennbareu 5Müte$cit unferee ^olfe*
liebe"; Don ^urjr 311 ^ahr, oou Ort 311 Ort roed)ielten feine 2toffe
unb Reifen. Unbenannt unb nnperfönlicf) tauchten bie neuen
lieber auf unb ocricfjwanben, bie fte feit ber Witte bee l.*>. ^abr-
bunberte - ein Reichen bee Verfalle in ^(ütenlefen jufammen»
gefaxt mürben. Jljre Slrt aber gehört faft nodi ber llrjcit an in
ber parabolischen Aorm, bie ba* 3Wb faft unoermittelt neben bie
(hnpfinbung fefot:
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Marl Vanunedit
Trci Vaub auf ciucv Vilsen. Die blühen alfo luoljl:
2ie tl)ät Diel taufen b 2müngc, ihr war McuDen »oll:
ee ift, al* ob Die Ickten Satire fi^mbolif d)ct C*mpnnbung*äuf;crung
511 Jiinj l)erübci Drängen.*) Unb mieDcrum gilt, wie uor ftlterd,
bei ^rauenbieiift Dem WäDdien; Da* rittcrlidK >Dcal unnennbaren
Sdnuaditene gegenüber vermählten grauen ift oeridpunDen; fect
nnb frijd) bringt Da* l'iebeolieb ine l'anD, flar, greifbar, gegen«
ftäuDlid), mag and) Der Aalfe fnmboliid) Den (beliebten beu'icrmen
unb bie Winnie Da* Wäbdjeu. daneben aber nimmt ftd) Die alte
^eije and) neuer Stoffe an; fie greift grobfinnlid) in bie Durd)
Da* entere />unumueumohncu lüfterner geftaltete ftäDtiidie &*elt
mit ihren nioDernen ^erhältniffeu, fie lebt bie fatalen Sorgen
bei tieferen .Hlaffen mit, unb fie entmirfelt Die gan$e Brutalität
irjreo .öofjuc* unb .oaffe*. wenn e* ftd) um bie Scrjilberung Der
Äirdje, Dee 9)ibnd)** unb De* "JJomieulcben* turnbelt.
/öier liegen bie Baühruugeynnfte mit Der im 14. x\atjr»
luiuDert Iaugfam emuorfommcnDcn, erft im 1.V ^arjrljunDert üoU
auflebenDeu bürgerlidjeu tiefte, mit Dem Drama unb Der Satire.
Die Satire in Der «vorm gegenfettig rjänfclnben Sdiet^e* ift
uralt. llnD fduui in Der Stanferjeit maren au* ifjv mit Beihilfe
anDcrer geiftigen Strömungen gelcgentlid) litterariid)i normen ent*
roirfelt. 3o erfläil erft Die Biiflprcbigt bie (rrfd)cinung Jöcütridjä
oon 9Helf, fb Ijnngt bie Satire eine* 3ieibf)arD oon i)ieuental mit
Den alten Neigungen Der Iait3licDer 411 i)b()neuDer .>>eruu*forDerung
}ufammen*'), unb Der fattrifd) * bibaftifchv i>«ö bw Anbei fpiegelt
fid) roiber in Den Sdjmänfen De* i:t. ^urjrfnmbert*. Der tiefere
geirtige UntergrunD für Die J^ollblüte Der Satire inbee ivarD erft
in Dem tonüeutiouellen (it)aratter Der bürgcrlidien Wefellfdjaft
gelegt. xM.*nt erft gemannte man fid), geielljdjaftlidie Inpen tu
ifjrer d)arafteriftiid)eu ?lu*geftaltung geittig festlegen unb idre
auffallenDften BefonDcrrjeiten balb lanuig*l)umortftiid), balD bewenb*
bb*l)aft Ijcroorsurjcben ; jefet erft tritt Der ftünDige Spott ;rcijd)fii
Bauer unD Bürger, $rmfd)en Sd)neiDet nnD Sd)ufter mie Den
einzelnen >>a abwerfen überhaupt, foibie ^nnütien Den einzelnen
Stäbten Ijeibor. Da wirb in fonoentioncller äaiifatur
feftgebalten , wa* Da* l'eben Auffallen be* bietet , unD ein
•1 *i\il. meine TcutidK (^eidndrte, %#üiib 1, l. IT:».
"1 'inil. meine reundK (MefdudUc. tfauD :\. 2. J-Jj f. unD -J4S.
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routtctu'v ('H'inovleUen im üuitevon l>iiuclulrt»r
47
bürgerlid) - realiftifd)er Zum verarbeitet c* erbanuitug*loier
Satire, Ju Alanbern entliehen bie ^A'tfo Jan ^oenbale*; tu
feinem Vcfenfpie^f)el nimmt er ein beliebte* ^rebigttl)emu auf, bie
^erjanbluug ber einzelnen Stäube; nod) bifftger ift Jan * Seltene,
nnb aud) Die 33rabantfdien heften taffeu bie jatiriidje Wvuiib*
ftimmung burd)blirten. Jnt engeren £eutid)lanb fommen bie tauienb
fomifd)en Cfr^ätjlitiu^en über bie JUugneit ber ibürgci einzelner
etäDte auf, bie fpatcr in ben 2türfleiu nun ben 2d)ilbbürgem au**
flinken, uub bie Madie ber länblid)en ^euölferung gegenüber bem
äkenoen itfifc ber 2täbter uerforpert fid) in ben Erzählungen
Dom (rulenipiegel. rarnber tjinau* wirb bie Satire in Den rjotjeren
£d)id)teu gepflegt feit jpäteften* ber Hütte be* 1."». Jal)rl)unbert*;
ftc bringt wollig ein in bie ^rebigten eine* heiler twn äoiferö*
berg, unb fie fiubet i l>re f Inf ftfd>e ■ iuiamnteniaffung im 3iarreuid)tff
iebaitian braute wie in ben Triften l^urner*.
Jtjre gröbere Aortbilbung aber fällt hinüber in bie ^urnuge
bramatifdjer Aovmgebung.
Tie Anfänge bieicr Formgebung — - nid)t ber bramatiidunt
iHuffaffung im luoberneu £tnne, bie erft ein Er$eugni* ber in*
biDibiialiftifctjcn Kultur ber "Neuheit ift führen auf fird)lid)e*
bebtet, -öier entfaltete fidi au* ben fragen be* Aeftenangeliuma
in bei Liturgie be* Cftenuorgen* leidit eine aufterlid) bramatiidK
2jeiu\ Quem queritis in sepuichro, o christicolae? — Jesum
Nazaienum crueifixum, u celieolae! — Non est hie; surrexit,
ut predicaret; ite, nnntiate. quia surrexit. — Surrexit! Hub
nun fnüpften fid) weitere *>ed)fcigefpräd)c , fomic ba* ?lb*
fingen üon 2equcngen an. @* ift eine Aonn be* Wottee*
bienfte*, bie fd)on für ba* in. Jal)rl)imbert auöbrütflid) be-
zeugt ift. 3lu* ihr, au* bem re^itatiuen fingen ber (iuan*
gelien überhaupt, jomie au* gewiffen fijmbolifdien E>ebräud)en ber
.ttirdje, eutmidelten fid) nun balb weitere ebenen. £er 2toff
befdn änfte fid) ba bei nid)t mel)r auf bie i^affton, ba* gan^e t'eben
be* <>>errn, aud) anbere fromme Erzählungen würben tyerbet*
gebogen. Ta^u würben VieDer geiungen, unb Hiaria al* trotte*»
mutter wie Warta INagbalena al* Vertreterin ber iünbigeu
x)Jieuid)l)eit traten beionbere fjeriwr.
Ter äuf;ere Apparat bieicr rarftelluugen, wie fie mit bem
14. Jal)rl)iinbert uollau*gcbiloet erjdieineu, war ärmlid) genug;
ein einfad)** 1>obium Diente al* iu'uerie, unb bie einzelnen
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4<
Äarl i'antpiedn
$anblungen floffen ofpie beutliay £d)eibung in einanber, wie in
ben Miniaturen bc$ früheren TOteltaltere bie £arftellungen fort»
fdjreitenber Sjeneu in einem einzigen, biöfurftr» gehaltenen ÜMlbe ^n*
fammenrannen. 3>abei fehlte anfange jebe Spur pfnd)ologifd)er vNCi
grimbung, bie $anblung würbe überhaupt nid)t bramariid) aufgefaßt,
fonbern epifd); bie £anbelnben gaben an, »er fie feien, wa$ gu thun
fie beabftd)tigten( unb führten ihre ?lbfid)t bann am?, war eine
tfnnftgattung, bie bei bem rjdufigen Otebraud) von Wufif unb bei
ber -Hot wen bigfeit eine* }wifd)engeid)obenen er^drjlenben unb er*
flärenbeu SRegitatiD* entfernt an ein heutige^ Oratorium erinnerte.
Otun ging mau aber über bieie burdiauä epifdje Jvorm ^innue.
Man begann $u motimeren, iubem man ben Teufel einführte ale
JRatgebei 311m $öien. Man oerfegte fpdter aud) mof)l bie 9Moti*
Dierung idwn inä innerliche, inbem man bind) einzelne eingeschobene
•VKiublungen m 3eigen üerfud)tef ^ubae ber Verräter fei ein tnptfdier
CHei^ale, bie ßanböfned)te feien hergebracht ror)e Wcf eilen, bie
^.uben üon Anbeginn fdmöbe Veute. ramit üerftattete man bem
fonoentionellen 3<crft(tnbni£ be£ Bürgertum* einen fd)on nidyt im*
bebcnflid)en (frnfluf;. Unb jdum war man in einem anberen
fünfte weiter gegangen. IVan hatte in ?Teutfd)laub, entfpred)eub
bem germanifcfjen (%'nie, ba* i?lbwed)tflung im C^arafterifriidun
fünftlerifd) f)ör)er wertet al» rein harmonüdjen Verlauf, bie emfien
€ jenen am Örabe tfhrifti Idngü gegengewogen bind) halb burle*fe
£,?enen, etwa ben ^ettlauf ber Slpoftel Manne* unb *etrue
311m Wrabe. (*$ war ber Ülnfang mr faft twlligen Umformung
ber fird)lid)en Spiele. £ie burlesfen ^enen nahmen überhanb;
fie bilbeten einen breiten, ba rotten, babei duften t rohen Nahmen
um bae #ilb ber heiligen Vorgänge. Jugleid) mit biefer Um*
wanbluug griff bie (Mcmeinoe in bie ^arftellung ein. %m bie
bibfiicfjen i^erfonen würben wohl nod) oon Weiftlidien gegeben, unb
(Hjrtftue wenigftenei iprad) aud) noch in ferjr ipater ;{eit Latein.
<Tie anbereu Sollen bagegen, nnb t»or allem bie ?arfteUiing oee
t^hore, fei eä ber 'Jiuben nnb Alriegcfnedtfe, iei ee ber halben*
frdmer unb 3*ogell)dnbIer im lempel, fielen ber Wemeinbe }u; in
ihnen oerfnd)ten fid) bie jahlreichen geiftlichen $rüberid)aften ber
Stäote. Cf* war bie remofratifierung unb frtifierung ber alten
Wimericn unb Woralitdten.
Unb balb trat ihr bie 3liK?bilbung bee bürgerlid)en ^otfen-
fpiele }itr Seite. (fo war bie auf einen gewmen Wrab nidue,
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Seutidjes (WftcSIeben int fpäteren ^Httelalter
49
ale bie aue bem nrd)lid)en SRa^mcit loegclöftc SJurleäfe. SDie
Aufgabe mar and) J)ier nod) nid)t eigentlid) bramatifd) in nnferem
€tnne. 3»ar 90b ee eine €3ene, gab ee Prionen. 2lber bie
^erjonen waren nur Snpen, Marionetten, fie entfprad)en gletä)fam
ben l)ergebrad)ten Prionen uuieree oolfetümlid)en ^uppenfpteie.
£te oertraten 3utn großen Seil bie fatirifd) entmtcfelten tonnen*
tioiiellen 2?orftellungen Dom Unterfcfuebe ber €tänbe unb 33entfe,
Don ber Überlegenheit ber Stabt über bae platte Vanb, unb fie
ftrofcten nebenher üon unfägltdjcr ©emeinneit. (#leid)Wol)I galten
fte ber &\\ nnenblid) otel, oon ben flanbrifdjen €oterni|en an big
auf bie Nürnberger spiele einee JH'oienpIüt.
'Jn ber Jfjat bilben fte ben Öipfelpunft bee äftfjetifd) * litte*
rarijd)en ^tttereffee unb ^crftätibniffee int Bürgertum bee aue*
gebenbeu 5)f ittelaltere. £ie repräfentiren flott unb ffrupelloe bie
Änjdiamwgen, bie man fid) üon ber jovialen äöelt gebilbet fjatte,
fie fpredjen im famiuärgeworjnten $on einer 3unäd)ft bem
^Materiellen 3ugemanbten ßeit: fte ftub offen unb elirlid). Unb jo
mögen fte und trofc allen Unflate bod) ale fräftige beugen
anmuten einer i^eit, ba ber Bürger brcitfpurig baftanb auf bem
wetten Wrunb ungeahnt rajd)ei politifd)er unb wirtjd)aftlid)er Erfolge,
unb fampf* unb jpottbereit auefdiaute nad) iebem, ber ifnn 311
trüben wagte.
3cit1*rift für £ulturge(*iit»tf. I.
I
*Sin IHdjterptiüofopb bcr ttaltentfcbett Hcuaiffdino
von €U erwarb «fcotfjcin.
i^erabe neunzig 3><i^rc fmb pergangen, feitbem -Berber, alä
er in feiner lebten ßebene^eit mit Den Sftomantifcrn wetteiferte
s)Jceifterwerfe frember £itteraturfreife in nnierer Nation tjeimtfd)
3U machen, aud) eine ?Reif)e pou Sonetten beö italienifdjen iMjilo*
ioptjen Xommafo (Sampanella übertrug, &ie nüchternen 331anf*
per|e, Pon benen er nur in einem emsigem tfalle fcl>r 3um Vorteil
beö $ebid)tc6 abwid), finb freilid) roenig geeignet, ein $ilb pou ber
tiefen unb tüfmen Sluöbruefewene bei ^talienero 31t geben, ber
nocfjmalö am Snbe ber grofjcn Jeit Italiens pdj 311 Dem Aluge
Dante« auf3ufd)wingen wagte, aber fte gemährten bod) wenigftene
einen (Sinblicf in eine gäbrenbe unb ringenbe $ebanfenwelt unö
in ein Diiftere* ^ebenöfdjtctfal. .perber ^at in überfchwängUd)en
Korten eine furje (5C)araf tcriftif bee 3Md)terpf)ilofopf)Cii t)iu(m-
gefügt, in ber er il)u alo einen mobernen t*rometfjeiie feiert, ber
bae fiib,ne Unterfangen, Die >>-acrcI ber ^iffenfdjaft unb ber
Freiheit ju enrjünoen, mit namenlojen dualen gebüßt tjabc,
mätjrenb er 3ugleid) einen :8armbrect)er ber 'Xoleranj 'in iljm er»
reimen will, ftür feine .v>od)id)äfrung berief er fid) auf £eibnifc'*
Urteil, ber (SampaneUa ^ugleicl) mit Stocon weit jüber Descarte*
unb Lobbes? gcftellt Ijatte. 2i*enn ber Scfjarffiuu jener beibeu -
fo meint &ibnife mit einem etwa* 3weifd)ncibigeu Vergleich, — einer
burd)id)lagenben aber fleincn Alintcufugel gleiche, fo fei bic i^ilo-
ioptjie l*ampanella'e wie ein langfamerer aber um io gewichtigerer
^elebloct', ber alle« ^erfenmetternb oon einer Katapulte gefdjleubert
werbe.
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i>berl)aTb ©ottjein, Jljomaä (5anu>anella
öl
£ie Italiener f elber Ratten i^reu Santrämann, ber uor beut
neuen Wafcftab SHoltärianifd)er 2(ufflfirung ebenfo fdf>Ie<t>t beftanb
wie oor bem alten ber fatfyolifdjen £>rtf}obortc, im »origeu $atyx>
ljunbert nafyesu oergeffen; fettbem aber fjaben fte ftd), gleid)fam
befdjamt burCf) ba$ ^ob ber ftremben, mit immer mad)fenbem
^ntereffe ber @rforfd)uug feiner Sdncffale unb feiner £el)te ^u*
<*ewanbt. Ebenbürtig trat (Sampaneüa'c ®eftalt ber beä ©iorbano
Sruno pr Seite; man bemunberte in if)m ben Patrioten, ber
}um 9Rärtnrer Stalienö, ber ftreiljeit unb ber i*f)ilofoöf)ie jugleid)
geworben mar; man fanb in jenen Korten »ou i'eibnifo unb
•Berber baä unoerbäditigfte ^eugntä, baft ben Italienern bao i^er*
bienft ber 3ieufd)öj)fmtg ber europäifd)en $f)ilofopf)ic gebühre; mau
ertannte in feinen (5anjonen unb Sonetten bie ed)te erhabene unb
einfadje £id)tung jener (SpoaV, bie bae Sd)ling» unb föanfenroerf
be$ -Dtanierismue bieder ben 231icfen ^u Unredjt entzogen tjatte.
So iBortrefflidieö .nun and) feitljer italienifdje Weleljrte ge*
leiftet Ijaben, inbem jte oerfteefte* Material 311 (Sampanella 0 bebend»
unb Veiben£gefd)id)te förberten, ober 35ebeutung unb Urfprung feiner
i>fulofopluc erläuterten, fo mof)loerbient aud) ber ö^ren^latj ift,
ben ber £id)teryt)Üofoof) unter ben beugen für bie unoerwüftlidje
(9eifte«fraft Jtalienö in ben Helten ber ftrembfjerrfdjaft unb ber
Unterbringung jefct einnimmt, fo wenig ift boa) biefe panegnrifdje
Stimmung geeignet, bem Pfanne im fu'ftorifdjen Sinne gerecht $u
werben, b. fj. ifjn unter ben 33ebingungen unb Sd)ranfen ju oer*
gegenwärtigen, benen er unterlag, unb it)n fo in ber Totalität
ieiner @rfd)einung 311 erfaffen. Wöge ee mir geftattet fein, aud)
nad)bem bereite ein berühmter beutfdier i>f)ilofopi), Gtyr. Sigwart*),
eine unbefangenere "JlMirbigung (Sampanella'ö gegeben fjat, ein $ilb
bee Wenfdjen, £id)tere unb Meutere auf ben .s^intergrunbe feiner
i Jett 311 jeiainen.
Unb welcher ;}eit! sJiad) ber fd)önf)eitötrunfenen unb bei
aller leibenfd)aftlid)en Bewegung bee Gebens bennod) in fid) ab*
geflärten 9ieuai|fance finb für Stalten bie Stürme einer Übergang^
epod)e gefolgt, in ber ftd) bie ankeiften (^egenfäfec jwar in ben
köpfen 3ufammenfinben , aber bie Seeleu jerreiften, eine ;>eir f in
ber bem ^olfe unb ben ^nbioibtten Ueffeln über Ueffeln augelegt
*i 2igroart, ...Mletnc idVimn", uierft in ben ^renmfdjcn 3abr«
butneru.
(*bcrbarb <*r>tt)ein
würben, iubee ber Tylug t>er Pedanten nod) ungehemmt war unb
bic hofften ßielc nod) im ÜHugenblicfe erreichbar erfd)ienen — eine
3ett ber (Mljrung, auef ber ruhiger unb ftegeegewiffer bie Natur*
f or^ung unb bie vl>()Uofopl)ie be$ 17. ^af>rl)iinberte ^erportreten
fönten. £o rmt fte tfampanella felbft gefdulbert:
,Mer roünfdjtc nid)t bao 3^ auf freien 2d)it»tnflen,
„Cto mebr — im Zprun« yi treffen! £orf) bie ftludu
„.fcemmt unfreo £afein« iiMictjt.
eilet ber Oiebanfe fonber iHait
."Ihm ?anb \u i*anbc, bic er fcljnenb iud)t:
„Ta rjemmen itm bie Sanbe Dorjnbrinflen,
„Tic (nbenfcffeln, bie ibn cnc\ nmfd)linc|Pii !
„2o I)ält bic 3cele jene bnnfle Vaft
„Ten Wunfd). bie Vnft, ben Sinn mit rliuang umfaßt."
tfmei Männer nennt biefe M'\t ifpre Vertreter: $ioroano
3kuno unb Campanella; ber brittc, größte Miaute, ber mit ihnen
wfammen genannt wirb, Walilei, weift mnaue, in bic ;^eit ber
.Hlarrjeit. <£iefe ftauft * 'Naturen werften jtet) oöllig nur bem
bid)ierifd)en ^crftänbntö eridjliefjcn. 2lud) ber Äulturrjiftorifer,
ber in il)r Gefeit einzubringen oeriud)t, oermag ei? nur, inbem er
fic bidjterifd) nad)3uempfinbcnl nad)$ubilbcn unternimmt.
Jmmer wirb bie ^oeftc in ber W)ilofophic if)r ffiedvt be*
tjalten; benn nie faun biefe oon ihrer l)öd)ften Aufgabe abfehen,
bie oercinjelten (Srfenntniffe ber getrennt arbeitenden Wiffcnid)aften
,^u einer Scltanfd)auung, einem Wcltbilbe y.i oereinigen. Unb
fdjon mit ben 28 orten „2lnfd)auung, iMlb* beuten wir darauf,
baft fic bieei nur auf bem Wege ber tfunft oermag. £ie vJ>frU°*
iopt)ie bient allen Wiffenfdjafren, foferu fic eiue Grfenntniölel)re
fchafft, in ber fic bie (Mrenjen unb Wittel be$ DenfeuS erörtert;
fte herrfdjt über alle, inbem fte alo Cnnfjeit ficht, was in jenen
nod) serftreut unb unjufammenhängenb ift, inbem fic erft baburch
ben Wenfchen über feine eigene Stellung im Weltganjen orientiert
unb in ihm Jene harmonifdjc (rmpfinbung erwetft, bie fonft nur
ber Jhmft hrcrwrjurufen »orbehalteu ift. ift ihr ju oergei()enf
wenn fte felber biefe iijrc fünftlerifd)e Überjeugungefraft oft für
wiffcnfd)aftlid)e ßrfenntuie gehalten hat. oit>rc $efd)id)te fd)eint
non Irrtümern 311 Irrtümern 311 leiten; unb bod) finb biefe
frud)tbar gewefen wie bie r)odiftcn Wahrheiten. I>iefc poetifdje
?lntictpation ber Wahrheit, biefee £erjeramt ber iU)ilofoprjic wirb
vor allem in Reiten oon Bedeutung fein, wo eine neue 33al)n
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Styoma* Gantoaiiella
gebrochen, eine neue Überäeugung gefdjaffen mirö. ^»ar aud) in
Bolchen wirb bie ^.^ilojop^ic niemals ben befchretbenben, beobachten*
ben, recfynenben ^iffenfdjaften aud) mir bie Probleme [teilen ; aber
fte bereitet für fie ben j^oben; fte giebt ben @eiftcrn beu -{ug,
ben ©emütern bie Stimmung, unb fie tr)ut bamit Der eraften
SiMffenfchaft feinen Eintrag.
2>ic Sdwlaftif beä fpäteren ^Mittelalters fdjien &>iffenfd)aft,
benn fie bewegte ftd) in ben formen ftrengen, begrifflichen Denfen*,
unb gegen ihre Sdjlujjreihen ift ntd)tö eiugumenben; aber fte ent*
ber)rt jebeö lebenbigen ßerne*. 3ütd) bie Sd)olaftif mar einft jung
gewefen, unb bamalö ^atte fte Dichter, mie Dante unb ffiaimunb
£ull, ^erDorgebrad)t; aber biefc Reiten maren rafd) oorüber ge*
gangen. Da befanntlid) feine 5$iffenfchaft, aud) wenn fte längft
tot ift, äußerlich fttrbt, folange im Schematieintue ber Unioerfitäten
ein ^läfed)en für fie offengehalten wirb, fo fonnte auch bie Scholaftit
mit grofjen &nfprüd)en unb mangelnben Stiftungen nod) $ahr*
Rimberte lang ein Scheinbafein friften. Die s^>r)ilofop^ie aber,
welche auefprad), wa* ®emüt unb SSerftanb ber 23eften bewegte,
meiere bie Scbeneproblcme enthielt, mar mieber jur Dichtung ge»
morben unb ift eö jmei unb ein t)albeö Safjrhunbert oou Petrarca
big (Jampanella geblieben. s£>enn Petrarca ber Sdwlaftif ihre
barbarifd)e #orm oormarf unb an ihre Stelle bie Mjetorif (Siccrod
unb ba$ fentimentaie Selbftgefpräd) 5luguftinö fefete, fo entlehnte
fr junftdjft ber tfunft bie &üUe. Die fachlichen Multatc freilich
waren bürftig; aber e$ mar bod) Didjtcrphilofophie, wenn er baä
£uf* unb Abwogen ber Stimmungen, bie Debatten, welche bie
©eifteefräfte mit einanber führen, Vorwürfe, (5inmenbungen, föedjt*
fertigung, (Eelbftoeru Heilung $u ihrem Inhalt machte.
Petrarca tjattt* einen großen tarnen genannt, mie ein noch
bunfleö ßtel, nach bem man hinftreben muffe: i>lato. Seine
Ahnung mürbe binnen furjem erfüllt, (itne >)cit, in welcher bie
©eftaltung fünftlerifcher "Jbeen }itr roid)tigften Aufgabe be«? Weifteö
geworben war, beburfte einer ^bealpt)ilofo|)t>te, gleidjoiel ob biefe
geeignet war, bie (rrfcheinungSmelt 311 erflären. $id)t in ben
fnftematifchen Schriften ber ^letfjo unb *icino, fonbern in ben
©ebid)teu bee ^orengo sIRebict unb "»IVidiel 3lngelo, in ben
auö ber Wefelligfett gefdjöpften Dialogen beö l^aftiglione unb
©embo tyaben mir bie oollgültigen Äußerungen beö tyMatomönutä
ber SRenaiffance aufjufuchen. 3" Wncr 3*it if* fieben unb £rad)ten
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l*bcvt)ort> CMott)ctn
ber gebilbetcn 2tänbe fo rief mit i>hilofoj>htfd)em Tenfeu getränft
roeien nie in biefer, bie bem bloflen 3nftematifer unfruchtbar er*
fcheincu möchte.
3luf bie ^auer tonnte aber bae italicnifdjc Teufen, raftlo*
arbeitenb, roie eä in bicfem 3ai)rhiinbert hbchfter Äräfteanfpannung
mar, hierbei nid)t fielen bleiben. 3*tar man erft »on Striftotele*
auf Wato gu ritefflegangen , io fliehte man jefct aud) biefen burd)
feine Vorgänger 311 ergäben. 2o mürbe am @nbe ber Mienaiffance*
<ieit bie frühgriechifche 92aturphtlofo|>I)ic 511111 benmnberten $tarbtlbe,
nnb fie erfd)ien um io merter ber 3iad)eiferiuiß, roeil fie fid) bem
forfchenben 5Mirfe nod) grofjenteile in einem geheim uiöooflen
Tnnfol entjog. Tahiti brängten jefct alle ^ntereffen, nid)t nur
Csbeale fünfilerifd) ju »erfordern, fonbern bie -)latur ju evfennen
unb sii beherrfchen. C*iu großer Äünftler felber, l'eonarbo ba $>tncir
hatte biefc ffiid)tnug angebahnt; je&t fanb |ie jumal in £üb*
italieu ben lebbafteften 2luebrurf. llnb geraoe l)ier galt bie @r*
roecfnng ber giied)ifchen ^atnrpbilofophie ale nationale 2r)at, benn
fie rourbe ale bie eigentliche italienifay ityilofophic angefeuert.
£>ic (Salabrefen, bie jefct bie $ü(trern)Üe übernahmen, fühlen fid)
ah? bie geiftigen Chben ber C^learen, bee sl>«thagovae, Simäuä
nnb (nnpebof letf ; fie bemerfeu mit £tol3, baf, ber göttliche i^lato
felber ftd) bie Belehrung über bie $>eltgefet)e erft in Italien ge*
holt hat unb bie tiefften Probleme ^er THalefttf unb Watur»
pt)ilofopt)ie ihren l'anbeleuten, ben 1>armenibee unb 5imäu*, in
ben UWunb legt. ?mi biefem l'anbe feftmurjelnber promnsieller
(*igentiimlid)feit unb lofaler i)iftortfd)er Irabition muftfe aber ba$
^emuptfein biefee geiftigen Hufammenhangee eine ber ftärfften
Sriebfebern fein.
Sübitalien hatte fid) am fpäteften ber Nenaiffancebileung,
jugewanbt; bann aber hatte biefe fid) gerabe hier befonberö reid)
auegeftaltet unter ben mannigfachen (*inbrü(fen eineä bunten
^olfölcbcnö; ftc hatte gegenüber beut üppig mucheruben 3lber»
glauben ber Waffen zugleich eine fdjärferc fritifche Beübung aß
anbeiroärte genommen. xXn bem entlegenen (Salabrien, baö mit
bem übrigen Italien fanm in Berührung fam, hatte ftd) biefe
bumaniftifche Äultur im füllen Äreife oerftäubnieootter Anhänger
gef eftigt, unb l)ier hatte fie fid) mit befonberem C^ifer ber 'Jiatnr*
forfd)ung unb SRaturöhilofophie Aiigemanbt. v£d)on am (£nbe beä
l.r>. ^ahrhunberte hatte ein geiftreicher ffeptifcher ^tr^t. @talateo,
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Ibonta* (£antpanella
im engen Anfchluft an ben neapolitanifd)en Areunbeefreie. bie
iogenanntc Afabemie, eine gleiche Bereinigung in l'ecce geftiftet,
in ber naturmiffenfchaftlidie unb ybüofophifche 3?eftrebungen .panb
in £anb gingen. An fie mieberum fnüpfte um bie ÜKittc be£
folgenben ^ahrhunberte -Fernarbtno lelefto an, ber in Gofenga
unb Neapel einen Areie oon IVitftrebenben um fid) fammelte.
33aco hat fpäter »on Selefto bemerft: er fei ftärfer im lieber ^
reiften ale im Aufbauen geweien; unb wenn aud) ber grofte eng*
lifche i^ilofopl), ohne ee \u wiffen, fid) hiermit fein eigenee
Urteil ipract), io trifft bie i^emerhing bod) auf Selefio burd)au£
$u. (fr eröffnete ben groften &amj>f gegen bie ^hhftf bee Ariftoteleä,
inbem er fid) gegen bie @rfläning bee 3iVlt}ufammenhangee unb
feiner einzelnen (hicheinungen aue ^wedurfadien erflärte; aber in
feinen eigenen Berfndien ber Chflärnng blieb er beunod) bei ben
vermeintlichen innenwhnenbeu, feften C^igenfdiaften ber 3Mnge
ftehen. $*ei ihm t)eif?cn fie &>ärme unb Jlülte, l'idyt unb Schatten,
aue ihrer *Diifd)ung unb ihrem Kampfe wirb bie &>elt begriffen;
unb wenn er auch bae (*rperiment ebenfo wie bie Rechnung $u
ichäfeeu unb bieweilen an^uwenben wuftte, fo tarn er im ganzen
über bie Berwechfelung finnenfälliger (hfchetuungen mit einfachen
CNminbthariachen nicht fu"aue. Sie führte ihn manchmal ju geift*
reichen Irrtümern, wie er benn bie (Moetbefdje Aarbenlehre, wo*
nach bie Farben burd) eine ftufen weife erfolgenbe ©itfchung bee
gellen unb ^unfein juftanbe fominen, juerft entmicfelt hat unb
beewegen aud) oon Goethe geyriefen werben ift. £öt)er werben
wir ee ihm »ie(leid)t anrechnen, baft er 311m erften Wale wieber eine
fuhne unb geiftreiche .tywothefe über ben 3ufammeubang oon
(«rift unb Jtörtter mit einer richtigen Ahnung ber ftunftionen beä
flerüenfnfteme aufftellte; aber wenn er hier unb noch fonft oielfach
fid) mit ben SRefuItaten ber moberneu DJaturwiffenfdiaft berührt,
fo ift baä bod) meiftene Unfall, deicht hierin, ionbern über*
haupt in beut groften Unternehmen, bie N^elt nur aue natürlichen
Urfachen 311 fonftruieren, liegt feine SPebeutnng.
.v>ier fefcte ber Wann ein, ben man feinen Sd)üler nennen
fanu, wenn er auch nie in yerfbnlid)e Ziehung \u ihm ge»
treten war. Auch üommafo ßampanella war ein O'alabrefe, nnb
mehr ale Selefio jeigt er bie 3üge biefe£ ftürmiiaVn, oon heftigen
Affeften nach entgegengefefeten Seiten getriebenen, abenteuerlichen
Bolfächaraftere. C*r war in bem f leinen Stäbtchen Stilo im
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56
(5ber^arb OMijetu
3af)re K><55 geboren unb fdjon in feinen JÜinberjaljreit in ben
Sominifanerorben getreten. Gnn berebter tfaftenprebiger biefe*
£rbeuö f)attc ihm ben erften tmvonierenben Ginbrncf getftiger
33ebeutung gemalt; unb wie fo oft in Italien warb bei ihm
biefer (rinbrucf beftimmenb für bie 2Sal)l beö geiftlichen Staub».
#ür (5amvanella war biefer 3d)ritt nid)t fo verhängnisvoll wie
für feinen ßeitgenoffen unb ganbämann Wiorbano 33runo. IVnn
biefer tyat fict) balb mit oollem 33ewuj}tiein üon feinem 'Droen
unb oom (Stniftentum meggewanbt; feine reltgiöe = bicf)tertfct>e
geifterung für bae befeelte 2111 ertrug feine Ginfchränfung , feine
bitret) Autorität feftgeftelttc <yorm. (SamvaneUa bagegeu wollte
3war aud) ein Revolutionär fein, aber babei bod) gam Wou&i
bleiben. Aud) ihm \max märe ber Webanfe einer blofr vermitteln'
ben ^Ijiloiophie unerträglid) geroefen, aber um fo fefter wurzelte
in il)in bie Überzeugung, bie fdjon bie fütyttften ftövfe ber mittel*
alterlid)en 3ct)oIaftif geljegt hatten, baf; ber Inhalt bco (Glaubens
unb Siffene mfammenfielen, baf} bie d)riftlid)en Dogmen in Der
%l)at nid)t ^infterieu fonbern ^ernnnfterfenntniffe feien. So hat
er beim, .ohne ficrj ugeubmie untreu m werben, alt> Ideologe
bie Autoritäten unb fve^iellen äetyrmeinungen feince Srbena
fdniftftellerifd) vertreten föunen, unb fo founte, maö une wichtiger
ift, bie Wrunblehre feiner Wjtlofovhie, bie Freiheit: Sinn, !Wad)tf
i'iebe, eine blofle Folgerung auo ber d)riftlidien Sreieinigfeitelehre
fein. Äfft hielt er aud) an ber affetiferjeu ^ebcnSorbnung ber
Settel mönd)e, mähreub $runo aue feinem 'itantheiemu* bie $e*
rcd)tigung ber (rntfeffelung ber Sinne fcrjlotf. (rr bemühte fid),
ben tt)eoretifd)en $eroeie aue ber sJ>ht)ftologie unb ben vraftiid)eu
aue bem A>inweie auf bie ftumvf finnigen S6i)ne bee Xelefio bafür
311 erbringen, bajt ber Weletjrte nid)t heiraten bürfe.
lie Nahrung ber fd)olaftifd)en i^hilofophie, wie fic ihm in
ben AVlöftern (Salabricn* allein geboten merben fonnte, genügte
ihm balb nid)t; mit eifernem Aleif;e unb leid)tefter AaffungSgabe
madtfe er fid) allen Stoff ber gried)ifd)en unb orieutalifcheu ttyilo^
fovhie, ioviel er mir irgenb baoon erreichen fonnte, 311 eigen.
Aue i<lato, ben :Keuvlatouitern, ben 'Jleupnthagoräeru ^uinal enr»
nahm er ben Ounubftorf feiner Überzeugungen. Aber er gab ben
Spefnlationen, bie er fid) fo aneignete, fd)on jefct eine neue Senbung.
SHenu jene über bie "ihklt hinaud mm Abfohlten, alte möglid)e
Erfahrung Überfteigenben, hatten gelangen wollen, fo ift ihm
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Xfyoma* (^"ampanellü
gerabe btefe *>elt mit ifyrer Slbftufunß ber Kebeneformen, mit
ifjrem 2luffteigeu 311 ber l)öd)ften, alle anbereu entfwlteubei! , \u
@ottf ber C^cßcnftaiit» Der l'iebe unb ber (rrforfd)ung- &ie iUjilo*
foufjie mirb if)tn zur *>iffenfd)aft Don ber allbefeelten Watur. £ae
gange Unioerinm, baö -i>öd)fte unb Das Mleinfte, bic unoeräubir*
Itdjen (Meiere bee ^eltenbauee nnb bie medn'clnbeu £d)irffale beä
v3)i>nfd)engcfd)led)tee, alle foll fie bie eine s&iffenfd)aft umf äffen,
unb trofebem bann nod) in fofratifdjer 2Md)eibenf)eit ibjer Un*
toiffenfieit inne werben:
„£en Seitenbau, bie Seile, brau* er warb,
„Zcx letle a eilten bis gum leinen t)in,
.„Ter Hölter luednelnb Streben,
.,£tc ring* auf Irrben leben,
Jl'on Wenfdj« unb (^otteciucien i&ren 2inn,
„<*>ebräud)e, Birten, Älinfte, Vebenöart
„Ter alt unb neuen Jett,
.,£cr 2ternc l>ol)cs> 2i>alten,
,$on steinen, s4>flanjen, Jiercn
,Jcit, Gräfte, Crt unb iucd)feinbe Wejtalten,
„Ter (Elemente Mrunb unb SSiberürett
..— Vern alleö! um ,ut fpüren:
„£u roiffeft nidjts! - unb ot)itc (*ttclteit.
$n biefem Streben fanb er ^efriebignng allein in ben
<£d)riften bee lelefio. Gr lebte mit bem Derefjrten Weifter,
beffen lefete ^aljre allerbinge burd) ben ^erfaU feiner geiftigen
Ärdfte getrübt waren, in berfelben vstabt, in ßofenja; aber
er burfte ee uid)t wagen, mit it)m «Hammen zutreffen, (sein
Sieben laug Ijatte fid) jwar lelefio mit ben grofjen Prälaten gut
gu ftelleu gemußt unb bie Wunft einer langen Meif)e oon impften
genoffen. (Mleirf) Dielen fatt)olifd)en ityilofoptjeu fpäterer tfeit -
unb überzeugter ale biefe — fyatte er bie Verficnerung feiner un*
bebingten (rrgcbenfyeit gegen bae Pogma an bie £pifee feiner
6d)riften gefteüt, um im Verfolg berfelben gäiMlid) Don itjm ab*
fer)en gu föuuen; aud) faf» unter ben erften köpften ber liegen»
reformariou bie bumauifttferje Btlbung nod) gu feft, ale baft bie
^ürbcnträgei ber Alirdic 8diolaftif unb .Religion fd)led)tl)in gleid)*
gefegt r)dtteu. &>of)l aber mar ber Jöefömpfer biefer 2d)olaftif
ben Söettelorbeu , itjren geidjworeueu Vertretern, ein T>oru im
Äuge; unb faum mar er tot, fo tarn beim auef) fein ^tarne unb
feine (Sdjriften trofc aller l^egenbemübungeu feiner ftreunbe auf
bie iSroffriptionölifte bee Weiltee, ben Juber ber oerbotenen 33ücf)er.
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l<bcvl>avt> Wotftcin
3>er iugenblidje £ominifaner (campanclla burfte bie idiwelle bee
£aufee, in bem Oer verrufene Wann weilte, nid)t betreten, tfrft
ole Selefto'e Veicbe aufgebahrt im 3>ome »oh (fofenza ftanb,
wagte er — io t>at er felber nie Wrei«? erjagt z» itjr zu
treten, um menigftene einmal Den Wann zu erblicfen, beffen Irrb*
fdjaft anzutreten er entfdii offen war.
2lrgwöbnifd) genug würbe fein ungezügelter ^iffenetrieb fo
wie fo in bem calabrefifdien AVI öfter betrad)tet. 9iod) lange o>afyre
fpater wufrte ein alter trüber zn erzählen, wie einft ein frember
^sube ine Älofter gefommen, fieb einige lochen mit #ra lommafo
eingefd)loffen unb ibm burd) Räuberei in biefer (Spanne 8eit all fein
Skiffen beigebraaM Imbe. O'ampauella litt ee uid)t lange in biefer
£nge, znmal man feinen ctitbien unb feiner <sd)riftfteUem immer
meljr iid)Wierigfetten in ben $£eg legte; in i>abua befoubere, bem
alten £tfce ber £d)olaftif in ihrer rabifalen, .zerjefeenben Weftalt unb
jefet zugleid) bem 2i§ ber neuen matbematifdien ^iffeufdjaften,.
oeroollftänbigte er fein Riffen; bann begann er frühzeitig in
(sMebidtfen unb }>rofamerren feine Beübung ale Reformator bee
bffentlid)en unb wiffenfd)aftlid)en i'ebene zu oerfünbigeu. Jamale
ging feine (sefntfudit babin, in Soetana, bem Wutterlanbe ber
italtenifdjen 5Mlbung, eine Stellung \u erhalten; bie (fr*
funbigungen, bie ber (Mrotffjerzog bei feinen Oberen über iljn ein*
30g, lauteten zwar nicht nngünftig, aber fo zuriicfbaltenb, bafe
fie biefe Hoffnung oereitelten.
2dion jefct mufrte ber unoorfichtige , oon ber ^idtfigfett
feiner l'ebeneaufgabe ganz erfüllte Wann bewerfen, wie er oon
allen leiten umlauert war. (£in metapbrjftfdiea s^erf( bae er
eben oollenbet batte, war ihm auf ber Reife in unerflärliajer
SBeiie abbanben gefommen. (rr traf ee binnen fnrzem wieber
au unter ben Sitten ber römifeben xsnquifttton , bie ftd) auf
folebe ^eiie obne oiel &nfbebene über bie ^erbädjtigen zu in*
formieren pflegte, ^ei bem ^eiböre, bae er jelu beftanb, würbe
er zwar perfönlid) nidit behelligt, aber im v\alne I.V.»* in feine
£eimatprooinz zurürtoerwieien. I\ie würbe bae ^erhäuguie feinet
Sebene. Wrgenbe munte biefer Prophet mein Wefabren auf fein
#aupt befebmören ale in feinem ^aterlanbe. In munre ee fclberr
unb er trotte ben ^arnnngeftimmen gegenüber barnuf. „3)en
oornebmen *reiinoen, bie il)n bei Ubeiflngbeit unb Unoorfid)tigfett
befdiulbigten*. ruft er ironiid) in einem 2onette >u:
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?homa* *>aini»anc lla
„tri Teufel iü fo idjlimnt uid)t mir fein 2Mlb,
„(*r ftrl)l mit allen, üt rin feiner '.Wann.
„2Sa* .öelbenmut unb »eili^feit gewann r
,.(*in rtörncbrn Wahrheit ifto mit Srug umhüllt!
,,3fcMr fnlfd) man bod) al* fdjman brn Momtopf 'mtlt.
„Sirb/ nur brn Meffel, ber Diel idjmäqrr. an.
„Tie Airiljcit riitnim bur >ber tt)ut\\ ber* fann,
„Unb t>eud)rlt id)mäb,lid). wenn'* ba* vebrn gilt.
„S>er fiel) nidjt jiigelt, muf? e* jdunevilid) büfjen. -
Haal ibj mir bie*, faat e* aud) ben "Urobberen,
Den "iitjilofopbrn, ?d)liefjt aud) (<briftu* rin.
Wd)t( wie it)r flüglid) meint, <ui Diel ,ui miffen,
UMn: bummer UnDernunft ftet« nadjuibetrn,
(rrniebiigt im* unb madjt bir ^elt gemein.
Jvreilid) einee :Keformatove r)ättc bae uuglütflidK ^übimlien
wohl bebnrft. Tic #erid)te l<ampaneUa'e, bie Wirteilungen, bie
in feinem NJ>ro}effe gemadrt mürben, allee wae mir ionft aue jenen
legten fahren bee Mi. xsal)il)unberte ane O'aiabrien miffen, ^etflt
eine beifpiellofc fluflöfung aller ftaatlidien unb gefellidwftlidien
r-rbnung. ^ie erbittertfteu Aehben, an« ungefübnter Blutrache
tyerrüfyrenb, zerrütteten jebe £tabt, jebee Torf; ber gebungene
Worb mar allgemein geworben, fein i<eben nur ihm fid)er. Un«
geilte SBanbiten Ratten fidj in bic Webirge unb id)lnd)ten ^urnef*
gebogen, quälten unb branbfdiaHteu bae fcanb, galten aber aud)
ebensowohl nad) alter ne^oii tan tf eher iHuffaffung ale ein nüfclicheä
Gegengift gegen bae ni<t)t minber räuberifd»e Verhalten ber SDbrig*
fetten. Tiefe felber miebeium waren in bem i>arteigetriebc gan$
aufgegangen unb bebienteu ftd) eben fo gern wie bie iirioatleute
be6 gebungeneu Worbftahle. Tic .vUrcbe bollenbe leiftetc burd) nn«
vernünftige 2lueber)nung bee iHfnlrechtee bem ganzen Unweien bereit*
willig 5*orfdmb. Jebe* (ftotteeljaiie war ein unberletMidjei' Ülufent*
lullt für Übeltäter geworben, bie in ihrem ^ufluditeort gang un«
geftört neue Aufträge für Überfall unb flieuaVlmorb annahmen.
3u ben r»erfd)iebenfteu Reiten haben fidi bie in tmfere Jage
in biefen l'anbicnafteu iold)c Wififtäube wieberholt, unb um fte
gurücf^ubämmen, hoben ftdi immer nur ^wei IKittel bewahrt, bie
abwed)ielnb in iHnweubung gefommen ftnb: ein rürffidjtälofer
UKUitärbefpotiemue unb eine gewaltige (rridnitterung ber (Gemüter
burd) ben 2Htfu)rebigei . $eibe wirfen bei bieiem heißblütigen
3*olfc nnwiberfterjlid), aber uid)t auf bie Taner. Ter $iif?prebiger,.
ber ftd) unberührt oon ben *re»e(n in bei (rininmfeit gehalten
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6n
l*bert)arb Worein
hat unb plöfeUd) nialjiicnD, ftiafenb, fühuenb, üerf&hncnb, allee mit
ftd) fortrcipcnb mie ein $ottgefanbter in ber ftöd^ften Wot in
batf &Mrrfal tritt, uor beffen Stimme fid) bie i^ogen ber Reiben»
fdjaft legen - bae ift vi allen Reiten bae religiöfe i^beal ber
Italiener gemefen. liefen *?eg wollte Campanella einf€t)Iageiif in
ber $>eife, wie ee fein großer Trbenögenoffe Sauonarola gerate
ein ^Muntert moor getfjan hatte. Aber wären aud) bie
Uinfta'nbe günftiger gemefen, il)nt fehlte bie (?ntfcf)icbenr)cit nnb bie
Qrinfeitigfeit , bie m einer folgen Molle erforberlid) ftnb. ^ebe
Anregung, bie einen geiftreidien ©efcanfcn >mn Auäbrutf brachte,
lief? aud) eine oerwanbte 2aite in feinem Weifte nadjfltngen. WM
gleichem Reiter hat er bie oerfdiiebenfteu 2taat3formen|, jebe un*
bebingt unb bod) alle m gleidier 3eit bidjterifd) gepriefen, bialeftifd)
bargeftellt. @r mar bevlmib fein fdimanfenber Parteigänger; er
mar eben nur ein dichter.
C'r läflt feine Augen über bie :)ieid)e (ruropaä fdjweifcn.
£em erblidjeu .Königtum erflärt er erbittert ben $rieg; aber ein
©ahlföntgtum, bae ben Söeften uneerlteft, mürbe ihn um fo mehr
begeiftern, — roenn nur nid)t bae einige Vanb, baä biefem ©ninb»
fafe nulbigt, H>olcn, ihn mgleid) auf»? tieffte entehrte:
^olonia! Tu t)cbft bid) itol^ empor
C'b allen erblichen, benerrjd)ten Wctdjen!
Wag bir ein ÄÖnig oielbcflagt erbleichen,
2ein Zotyn ift $ nicht, ben man als 3 olger for,
sBetl äraft unb "ii>ctol)eit fict) ,ui oft ucrlor.
Tod) bu oerfällft in 33linbt)eit ohne gleichen:
Ttm 9ietd)ften muffen alle Berber roeidjen,
Cb gut, ob fdilecqt, bu ,tfet)ft ihn allen uor.
O fudje rutjigen $Wcfä in nieberu Kütten
Die 9)iino*, iKuma, Lennes, bie Maronen,
Bie Oknt ,ui foldjcm Jtoert um immer leitjt,
Tie triel erwerben, aber fparfam fchonen.
sie roiffen: große Sbateii, eblc bitten,
Wd)t nobe* »lut erringt Unfterblichfcit.
Zo ift ee beim bie rcpublifauifdK Ateiheit eine* einfad)en
SJolfeS, ber ein höherer Muhm gebührt. Aber bie, me(d)e fte ge«
niepen, bie £d)meüer, oerfaufeu fid) buinpf unb gierig an Inraniien,
um anbere Golfer m fuechten. Ahlten mibmet er ben Aufruf:
>li*enn eure Reifen üol\ gen Gimmel ragen,
©eil ^rethcit. Wotteö Wabe, ihnen roarb,
©te fommt e*. baf; loranuen jeber 9lrt
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I^omao (Sampanella
rtrcibeit mit eurer Sauft p Fned)ten roagenr
Um ein £tiitf $rot bao 33lut ju ÜNarFte tragen,
WcbanFenlos bei jeber .peereöfafjrt,
Ob red)t, ob unrecht, fiebt man end) gefdjart.
Drum ituirbe euer C5^rciifcr)tlb jerfrfjlagen.
(Der freie Wann gebietet alter a<,
«Dem 2flaocn toirb oerfagt ber (rbkn Äleib,
SEBie euch bie 2ct)ranfen unb bie 9titterf$aft.
£" Fommt; es nal)et ber Befreiung 3ett!
2Bas itjr biötjcr uerfauft um fdrmöbes ($elb,
"JRetum e* mrücf: bes XHrmc* .>>elbenfraft.
9lein, in feinem eigenen Haterlanoe giebt eö noefj einen
^lafc für bie Freiheit: beliebig! 2eit bae übrige Italien in bie
&ne<f)tfd)aft ber <yremben ober ein beim ticner Xijrannen geraten
»ar, rotten alle patriotifd)en Stelltet, mod)te gleich bei ben eigent»
Iicf)en 1>olitifern bie (fiferfud)t unb 2orge beliebig gegenüber
Dormalten, hierher ihre iöliefe gerichtet, hatten fie ihre Hoffnung
auf bie l'agunenftabt gejefct. Unter allen bieten Webichten bürfte
boch baö riefftnnige Sonett unieree iMitlofophen ben i*reie baoon*
tragen :
„Du neue 5?lrd)e. bie einft in ber aIm,
Sllö Barbarei Italien übergoffen,
Den 2amen ber (Gerechten hat umfd)l offen
Unb mitten in ben Otogen fauft geruht,
i>or ^wift nnb niebrer 5lnect)tfcf)aft auf ber .'put
3ft birr ber uuucrlebtcn, fteto entfnroffen
Die £>clbenfaat, fo Flug rote unoerbroffen,
•Dir, reiner Jungfrau, Butter fanft unb gut!
Der gelten SÖunber, fromme (5nFcliu
De£ ewigen 5tom, Italien* 3d)uö unb £id»,
Der durften Uhr nnb ^eiobeit*tcl)rerin !
©leid) bem ^olarftern, ber betn 2d)irffal flicht,
<£inf nimmermehr jum Untergang bal)in,
Ertrag' allein ber Freiheit 2chroergemid)t!"
@d)liefjltcf) aber ift e$ boch auch nicht bie Freiheit, roie
fie in einer $anfmann3oIigarchic herrfcht, bic alc< Jbeal gelten
fann. fDer 23ettelmönd) ift bon Wntnb fetner 2eele auö -DemoFrat,
unb er roetft, bafl ftd) bie träge ^affe mit Feinem ffiei^mtttel beffer
aufrütteln läfit alä mit bem £ohn. £o mirft er baö 3Ünbenber
bemagogifdje (Mebid)t unter fie:
„Das 9?oIf ift eine Metrie, launtfd), bumm,
&ennt nid)t bie eigne Alraft unb wirb geführt,
SSenn e* nur dritte, 2töRe, Schlage fiuirt.
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62
l*bert)arb Q>otticiiT
i>on einem idjroadjen .Stnaben ruub herum.
>Bfit einein Zto%t madjte e* itm ftumm,
— Uub bient tb,m furdjtfam, roo er ^injpa^iert.
Crs fennt ntd)t feine XHngft; mit i^aft gefdjnürt
25eugt iid)'o. roie bei ne* >uberfbrudjö Oiefumm.
(^rftaunlid) Sing! (*6 bangt fid), fperrt fid) ein
}Jtit eigner #anb, ftür.tf fid) in .Krieg nnb lob
Um einen ©rofcben, ben e$ felbft gegeben.
üh>as ,uoifd)en (Srb' nnb Gimmel liegt, ift fein. —
£ct'o mein est nid)t. — Unb mer ib,m ühMffen bot
i'on feiner Wad)t, bem gebt e* an baö «eben."
ätfie mit Der Freiheit, fo ift ee aud) mit bem Gebauten ber
Nationalität bei ü)m beuwubt. Oh leibet tief unter ber memo»
b,errfd)aft, bie auf Italien laftet:
„Aerobe* ift ber Arembe. Da* uerfpndjt
Sem Zprofj be* .v>eil* bie Rettung *ur Genüge."
fd)liefit er bitter bae Sonett, in bem er Die t)ot)e Jvrau ^talia
erblicft, roie fie bafteht: in uiebrer Alned)tfd>aft Pütjen, bae -öaar
oenvirrt, Die (bliebet nntnD unb frauf; unb bod) hat er fd)on in
jener .^eit bem Nebaitfeit nad)gel)angen , baf; ben Spaniern naa)
Dem :Natfd)lup Der (Gottheit unb nad) ber CrDnung ber 9?arur
f et^t Die 4i>eltberrfd)Cttt zufallen müffe. (>ktn} ungroeifetyaft Ijat
er fchon batnate ben erften Entwurf feines berühmten $>erfe$ über
Die fpanifene Wonardite nieDergeichrieben; Denn er beruft fid)
roat)reub feines -oodiDerratepro^effee, freilid) ganj ucrgeblid), auf
btefee Wanuffript unb bittet, e* ale (^itlaftungwtgnu? fommett
\u laffen. £a»? hiuDerte ihn aber nid)t, Daneben aud) geitmeilig
Der ^bee einer reinen Iheofratie ^u tjulbigen.
xHuö Dieter Währung erhob fid) ihm idjliejüid) fiegreid) ber
Webaufe De* >ealftaatee, Der platonifd)en Wepnblif in settgemäfler
Umformung, uub ihn wollte er auf Der 2 teile, hier in feiner Heimat
üermirflidien. Main ee ra nur, fo meinte er, auf einen einmaligen
(rntfdiluft unb auf eine Duidifdilagenbe Überzeugung an. 5Äud)
hierüber laffen bie ^ro^atten, laffen geraDe Die Slugfagen feiner
überzeugten Anhänger, fetneu Jmeifel. >t tMibatgefpräd) wie in
Der i-reDigt nmf? er immer mieber auf Diefen Wcbanfen ^urücf*
getouuneu fein; er ftaub im AMntergrunD aller feiner 1>läne. Db
mit einem folgen tommuniftifd)en Staate Die llntertljanentreite
gegen ben .Möuig uon Spanien, ob mit einem in ber *>eife beä
,ionuenftaatev" geleiteten Wottesbienft Die alte "Keligiou6berfaffung
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iDomao Gampanella
tf:t
werbe t»cfter>en bleiben tonnen, ba* lief) er felber einstweilen in ber
Schwebe. &ein Söunber, baf; bie entfdnebenfteu feiner Anhänger tyr
Slugeumerf auf bie Surfen richteten, bereu iMrateuflotten fortmährenb
bie .stuften Italien* beunruhigten, unb bie mit ben $anbiteu im
Gebirge Fühlung unterhielten, hatten fid) bod) oon jeher an bie
(Mroartung beö allgemeinen llmftunee bind) bie Surfen fommu>
niftiicbe Jbeen gefni'ipft.
vsebenfaUe hatte ee mit Dem «ouuenftaate nod) gute $>ege,
folange aller "l>rebigteifer bee begeifterten Propheten nicht einmal
bie »erbitterten Aamilieufeiubfd)aften beilegen tonnte, binnen
turpem fab er fid) felber in biefe Igegenfftfec hineingezogen, unb
bie Elemente, bie fid) an ihn brüngten, waren 311m Seil red)t
zweifelhafter ^atur. >Eetne aufrid)tigfteu lUbepten faub er
immerbin unter feinen jüngeren £rbenegenoffeu; in bemielben
OJiape mud)ä freilich ber üa\\ ber älteren gegen U)n. Unter folajen
llmftänben tonnte ee an entftellenbeu unb Übertreibenben £cnun*
Rationen in bei .ftauptftabt nicht fehlen. Ter phantaittfd)e 1>Ian
erfd)ien ben fpanifcbcn 'Kegenten nie eine roeitoer^ioeigte J8er=
id)Wörung uim Umftun aller ftaatlid)en, gefellfd)üflid)eu unb reli*
giöfen "Drbnung. jtyv böfees $emiffen fagte ihnen nur 311 beutlid),
bafe bie herrfdjenbe Wipwirtfchaft Slulaf? rabifalen Weoolution3=
ibeen genug gegeben hatte, (r* beburfte nur einer Beübung oon
I nippen nad) (?alabrien unb nidit einmal ibree (nngreifene\ um
bae ganje Vuftbilb jerftieben 311 laffeu. Memaub fefet ihnen
^Öiberftanb entgegen; bie beteiligten entflohen, aber nur bie
benignen tonnten fid) retten. Campanella felber würbe in feinem
^erfteefe oerraten unb nad) Neapel gebrad)t.
Cro begann nun gegen ihn nub feine IVitoerfcbrobrer einer
jener ^taatepnneffe, wie fie bie fpanifd)en Inrannen brannten, um
oon ;}eit 311 ^cit bie unruhige neapolitanifd)e $eoölreruug ein*
^ufd)üd)tern. ^n biefem Vanbe, wo Meineib unb Angeberei an
ber lageeorbnung waren, ftrömten oermeintlidie beweife au; unb
bod) ift biefer 1>row, beffen Elften 11110 oollftdnbig oorliegen, nicht
mir ein Wewebe oon Mebertrad)t unb l'itge, fo fel)r biefe mit*
gefpielt h«ben. IKan ficht fct>r wohl bei ridjfiger iHbmeffmtg ber
iieugeuauefageu, wo IK'ifun'rfti'inDuiv mtgebilbeter Vente bie ge*
beimnieoolleu iHnbeutungen ihre«? Propheten falfd) gebeutet i)at,
nub and) (iampanella e eigene >>a 11 i>l ungemein* läfrt fid) wohl er*
rennen. Von 'Koni aue gab ber vlnipit ohne weitere Htuftäube
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l*bcrbart> Worein
bie Crrlaubnie 311m frimincllen "innren aegen it>nr nur fct)eint
bie Schonung feinee Sieben* auebebungen morben 3U fein, allein
bie Folterqualen waren ber 3lrt, oap ber nnglücrlidje s4>l)ilofo^f>
nur burd) ein S&mbcr mir beut tfeben baoonfam. Einmal mürbe
er 40 Stunben t)inter einanber auf bie Folter gefpannt. £ie
kennen 3<TTiffen( unb bie Wusteln würben burd)fdntitten, fo ba&
ber ftörper faft blutleer 3urücfblicb. Eine ßeit lang oerlor er
über biefen Reiben ben Verftanb. XHr^tltcfie Äunft (teilte it)n her,
aber nur bamit bie Reinigung oou neuem beginne, Sein Äerfer
mar einer jener furchtbaren «Heller bes Castell delF uovo, bie unter
bem Spiegel bei barüber raufdieuben Weeres gelegen ftnb. 9iid)t
in allen Stabien feinee *i>ro3effe$ bat ftd) Gampanclla gleidi Ijeroen*
rjaft bemtefen; unb wäbrenb er immer feine Unfdnilb mit aufridjtiger
Überzeugung beteuert bot, mad}te er bod) tHusfagen, bie formell
feine Verurteilung 311 lebenslänglichem Werter ,311 red)tfertigen
fd)eiuen. Bei einer £tsputation, mo bie Folter bas Beweismittel
ber einen Seite ift, wirb es febmer für bie aubere fein, bie Vogif
fernhalten.
Sas würbe uns jebod) beute bie Erinnerung an biefe dualen
fein Y — 9tor ein -^ug tu bem woblbefannten Bilbe bespotifeber
Unterbrürfung unb barbarifeber Medjtspflege. Sie ift uns aber
mebr, weil wir hier einen gewaltigen pbilofopbüdn'u ridtfergeift
mit bem furd)tbarften Sd)icffal ringen unb barüber triumphieren
feben. Qie (Sonette unb (5aim>nen, weld)e (5ampanella unter biefen
Dualen bid)tete( entrollen uns eines bei erbabenften Bilber von
Seelcnletben unb (Meiftesfraft, bas irgenb eine i'itteratur anfweift.
91ns nnferm '^abrbnnbert befifct Italien ein anberes berühmtes
$>erfr bas oon ber Jlerferpciu eines $id)ters erzählt: Silvio
in'IIico'Ö Le mie prigioni audi biefes eine l'eibensgefd)id)tef
bie uns in \ebe sMe(\\\\\(\ unb Sdmutnfung eines weisen (Momütes
einweiht. SMe weiblich jarte Seele bes mobernen ?id)ters ent» 1
wirfeit in jid) bie Alraft bes Hülbens, inbem fie fiel) immer mebr
tu fiel) guriitfaielu: unb telbft im Werter ned) nad) jebem fleineu
Sonuenftrabl menfd)lid)er l'iebe unb Xeilnabme bafd)t, um fid)
an ibm 511 erqnicfen. .Kämpfe unb feclifebe Erhebung ganj anberer
$rt fpredien aus I5ampanella's ^>ebid)ten 311 uns. (fr ielber ver*
gleidH ftd) mit bem gefeffelten Titanen; er ift ber Prometheus,
bei oon übermächtiger Wemalt leibet, um „bas Feuer, bas ber
Sonne er entriffeu." Irr wein fid) erhaben über bie Dualen, bie
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Jbomaö (Sampanella
65
ihn bebrohcn unb feinen Äorpcr öeruid)ten. (*r fträubt fict)f ihnen
einen (rinfluj? auf feinen Weift unb feine £idyfung 311 gemäfrren.
*>ae er fürd)tet, bae ift feine eigene titanifche 2eelc, bte 2luf»
lebnnng gegen Wott unb bae ÜNaturgefefc, bae ift ber 2$ahnfinn,
in ben ihn weniger feine förperlid)en Reiben ale iene .^roeifel ün
ber iHollrommenbeit bei ^eltorbnung 311 ftürjen bro^en. Seine
Wcbidjte füllen ben Sieg bee unerfd)ütterlid)en Cptimiemue über
alle &nfed)tnngen, bie ihm aue bem eigenen (rlenb unb aue ber
It)ort)eit ber Wcufd)eu enruu1)feu, mit beu t)öcf)ftcu Ionen feiern,
ramm l)at er gerabe in biete Webidne, auf benen r»or allem fein
&uipnid) auf feine AÜtjrerftcUinig unter beu italienifd)en philo*
foprjifdien l'nrifern beruht, am meiften r>o\\ feinen Wrnnbgebanfen
gebradit. Sie füllen nidjt mir bie Äämpfe einer eii^elucn vl>er=
iöulidjfeit, fie fallen .Kampf unb Triumph einer ^eltanfcbauuug
barftellen.
Irr roirb nicht mübe, biefeu Wegeniafc tum '.Kot unb (sieg,
mm ^emürrung iiub WemifUjeit biditerifd) 311 geftalteu:
Cvefeffclt frcir im iiült'vgcbväng' allein,
Vaut rufenb ftül, Dcrmirrc id) bie Sctuu,
Tem blöben iHna, bei* niebren SSelt ein 'Jian,
Um weife oor bem Wottc*a,etft \u (ein.
Webunb'ncn aIiuV* ftveb id) ,uim Stmieujtyin,
,srol) (teilt ber Weift im trüben Veib iid) bar ,
Unb wenn id) tiefgebeugt oon Vaften mar,
Tie 2d)wina.e fann Dom ^oben mid) befrei n!
(■«•0 tt)iit ber ftrtea. allein bie lugenb Funb,
Tie $t\t oerfdjwinbet twr ber (^wigfeit,
Wichte» trägt fid) lcid)ter alc> willromm ne v-a?t.
Tie 2tirne .-enit bao 2Mlb vom Viebc*bnnb.
Tvdj bin gewiß: frol) ffilirt mid) einft bie .{eit
Tortbin, wo olme ^ort ben 2inn man füfit.
(re liegt etmae r»on ber entfdjl offenen ^uoerfidvtlidifeit bee
Cfalinnifteu, ber gemif? ift, ein ^erficgelter unb (Mt'orener ber
(Mnabenwaljl 311 fein, in biefeu feilen bee eifrigfteu aller Vertreter
ber SilleitefreUjeit.
31 ber oergeblid) bemüht fid) biefer raftlofe Weift, in feiner
Äcrfer^eUc eine *>elt in fidi aufzubauen. Tae fcbmer.^lidje Wefühl
ber Un-julänglid)feit ber eigenen renffraft, bie ttlage um bae
£oe ber Weufdjheit, bie bae Neid) ber ewigen x\beale mohl ahnen
fann aber in ihrem isluge ba l)in fid) immer ^urürfgefdileubert
finbet, biefe CMrunbcmpfinbimg aller Aauftnatnmt läfU il)tt ntdit
.',ritid)rifi ffir Muliurflo'cbidue. I. *»
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tfberbarb Worein
loe. 3n großartiger x^etfe Ijat er fie tu einer feiner fd)dn|ten
(San^onen, Die er felber /#erad)tuug beo lobe** überf trieben
tmt, auegefprodjen :
Du meine Eeele, fag', ruae fdjafft bir 'Korr
oft beine 9lngft: ein l^rnbe unter Reiben y
C *J$öbe(furcf)t ! .{u fdjeiben
$om (Gilten, tjettjt allein bem lob erliegen.
S&enn ntdjt* öennag, jemals ine »Jlidjts m gleiten,
2o loirb ber uortycr lote nur bebrobt
^on Unheil ober £ob.
*ll>er mit fid) felbft in 3 rieben, IadU ber Kriege.
C, baß fein frember Irugfd)luß bid) befiele !
^eiut une ber l»cib mit Stanben nidjt umroöbe,
vJiic tonnte une Ipronnenfreuel binben.
&ann er aud) strafen finben
Dem S£inb, ben Sternen unb ber lyngel Weift?
NJiur it)m fann beine Warter £eib oerfünben,
Dir bringt fic .^cilr ale ob er treibet! gebe,
1?on neuem bid) belebe,
iBenn er aue ©rabeenacru unb .£aft uns reißt,
Da jo mit 9ted)t bee SHenfdjen 3elle Reifet.
^ein C^ebanfe fdnmngt fid) empor ju ben :Ketd)eu betf 3bealet\
bie Don &id)t umfloffen, mit leud)tenben, lebenbigeu .pallen ge-
fdjmncft finb, roo bie Owifter al* eines :Heidjee Wenoffen bereinigt
rootynen. 5lnd) ber OJienfd) gel)ört biefem sKeid)e au; fein .Körper
roie fein (>)eift feljreu }u ihrem Urfprung ^uriief:
i£enn fdjon ber Sltem, ber bie itfärme (Vt nähret,
Die aller V'ebeioefen Veib befcelt.
Dem 2111 fid) neu oermdljlt
Unb nie ^uritiffebrt, ob er bang* aud) fdjeibet,
Wd)t aljnenb, baß er Vuft ftatt Mampf enuäljlt: -
Söeit mehr bleibt bann ber Weift roo hl unoerfebret,
Der <m bem 2d)Öpier f ehret
Unb frei fortan bie alte Stätte meibet,
»Keil er am CMliicf ber seligen fid) meibet.
Allein nur fd)road)c strahlen bicier ewigen ^elt ber ^abr*
heit, unb aud) biete und) getrübt buret) ba* mangelhafte Stuf*
faffungöbermögen beo Wenict)en bringen in feinen (Meift. Da*
alte platonifd)e 2Mlb oou bem Wefeffeiteu in feiner >>öt>lef ber fid)
an £d)attenbilberu ftatt an ber *>trflid)feit ergoßen muß, erljdlt
hier bei bem gefangenen ^Ijilofoplien eine unmittelbare *>irfliaV
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G7
feit; aber Üjn oermag, ungleid) feinem gvicd)iid)eu ^ietfter, aud)
baä reine £enfeu nidjt Don tiefen Ueffeln 311 befreien; immer
wieber gietjt jene bnnfle Saft bic Seele mit fid) Ijerab:
ißerfinftert ift ber Mtib, ber bid) umbüUt,
9lur bur$ jroei genjrer fdjeint ein matte» Vidjt.
Die Dinge fiebit bu nid)t,
9tod) ttyren Crt. 2o roie bie ihMle fliefjt,
€0 rote ber 2tral)l fia> in ber tfinfe brid)t,
^etanbert fid) tb,r Yid)t unb färbt ba» «tlb.
Dein Spiegel ift niajt fo mit ilraft erfüllt,
3u fdjan'n ben lütter, ber fid) rtna» ergießt,
}lod) 10a» ber Gimmel .^errlidjc» umfcbltefn.
>Jhir abgefdjroädjt flooft Vic^t unb Kraft ber Dinge
SJNt leifer Regung an ben Merfenoänben,
Die unfer Sluae blenben.
ÜiMr füblen nid)t bie ftarfen, göttlidi beineu!
jerriffen würbe bie» Oiefpinft fonft enben.
So aud) burd)briugt nid)t bic oerbora/nc Kraft
Der 2d)alen enge £aft.
(£ö mufj com 2d)einc, bem gcwiBbtttelecrcit,
Selbft roer am beften fpriebt unb febreibt. fid) näbren.
^erljältuiomäfug ruijtg finb t)ter bie Webanfen entroitfelt;
aber e$ ftürmt aud) anberö in biefer Seele, meint fte ftd) Der«
laffen in ber sTiad)t pnbet unb gurürtbebt oor bem Slbgrunb bee
SBafjnfinnä, ber fid) bor ihr auf Unit, ^d) weifc nietyt, ob bie
<Seelenqualen ber ^erameifliiiig, ob bie Stufenleiter 3ur 3Reftguation
unb enblid) 311 Demütiger Ergebung (emale tiefer gefd)ilberl
roorben pnb alä in ben Strogen feiner (5au<ionen, mit benen
Jeiber bie beurfdje Sprad)c oergeben» ringen muß:
&Umäd)tiger 05ntt, mid) lebret ba» 0>efd)ict,
Da» ewige Wefeu, inid) lebrt bie Jett.
Daß bu mein Seien uimmermebr erböreft,
Dan bu es ftet» in» (Gegenteil oerfel)reü,
Unb bennod) nab id) roieber beinern iMirf:
Denn feine £>cilung ift mir fonft bereit!
Wein Rieben roärc anberen geiueibt,
3>crmöd)t' id) (Götter neben bir ,ui fiitben.
Unb unfromm fdjälte feiner mid) uimal,
Steint id). ben bu gcftiirjt in fold)c dual,
$iid) jenen nabte, bie mir Oeil oerfünbeu!
C -verr! Wir fdmnubclt. Vierte mid). (Errette!
(*b be» 3>critaube» Sempel neigt nun Aatt,
(nituu'ü)ct ui be» *&almfmu» Wöuenftätte.
5-
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(^berbnrb Wotbeiu
Cvd) roeip e* ja, e* triebt fein Wenfdjeuroort,
Ta* bid) utr Viebe je beroegen möchte,
Stfo bu ntd)t l'tebe eroig norbeftimmt,
Ükil nie bein jRat ben s.Beg ber JHcnc nimmt.
Unb nimmermehr reipt bid) mm *Viitletb fort,
2$a? 2d)ulberebfamfeit iid) and) erbäd)te,
Ül*enn bictf Webilbe beine ftarfe Meente
3m (*Ienb je beidtfoffen w uernichten.
llnb femtft meine £ual bie gante i^elt,
Mennt fic, ums (rrb unb Gimmel nur enthält,
Sa* foU id) birr ber fte mir febuf, berichten?
3ü jebc i'inbcrnng an fid) fdjon lob,
5$ie biirTt' id), ber anbetenb nieberfällt,
Iidj änbern unb ben :Ratfä)lUB, ber mir broht!
£ogar ber (Mebaufe an 2elbftmorb fteigt in il)m auf; et
beft^t nid)te 2d)redlid)Ct\ faum etwa* Veriuerflidiee für it)ti; eS
ift bie flufrlofigfeit einer ioldien ^ hat, Die fie irjn nicfjt begeben
läftt; unb tuieber fiubet er in ber Cri'^cbuit^ ^iiaU'id) bie Befreiung:
i^erbeffert iuol)l ber Job bas iVfenfd)enlo*Y
3d) fürdjtc: Oieiu. Irum tbu id) mir fein i*eib.
Teo irlenbo Weft in gar io weit unb breit.
Ter Weddel hilft bir nirfjt auö feinem 2d)oü.
Tie 2eufKr anber* — bod) nicht minber groß,
Tie jeber 2tranb gleichwie ber unf'rc beut!
Tod) neues l'ebenY Unb ben 2chmerj ber feit
^ergäp id), mic fd)ou taufenb bertt ba* Woooy
3ebod) was roerb' id) bann? - .ftüllt fid) in 2d)U>eigen
Tod) ber vMmäd)tige. äSenu ich erroadtf,
55Mrb fid) mir ttamoi, wirb fich mir Arteben jeigenY
Wich ftöpt Philipp in rief re >\erfernad)t
sZ*on heut \u morgen bod) ich will inid) neigen,
0>ott, ber nid)t irrtl 2 ein iiMlle fei oollbrad)t.
(*e mar in benfelbeu \at)ten, ba\\ 2hafefpeare feinen melandjo*
lifdien ^rin^en über ben 2e(bftntorb mit benfelbeu Zweifeln pfjüo*
f optieren Iäf;t, um ihn vi beut 2di!uffe gelangen taffen, bafc
Vernünfteln Aeiae aus une allen mad)t.
(*ine lange, lähmen be s\ erterhaft folge ben Dualen bee
'Vro^effce unb nagle an feiner (s>eifteöfraft. (rr mitfe beitfelben
Mampf fortführen, laiigfant, whe; aber ber AusbriKf, ben er jefet
in feinen (Mebid)ten fiubet, ift bemeutfpredienb minber Ieibenfdiaftlid).
Xu bent ^unfdK: „trieben, Atciheit" bräugen fid) alle (»ebanfen
Vifammen :
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3 t)omac< <&aitella
Tu, ber bie Viebc einet mit ber &raft,
Du, ber bie 2£efen 311 bem ^iclc lenft,
mt beffen Kenntnis id) bie üßelt befd)enft,
CntttjüUcnb ber (rtefefce (ngenfdjaft, —
3x>irb lütrflid) iebe Jöttte hingerafft,
Tie nid)t oou (Mnigfeit oorausDerbängt,
s^i'irb nur bie %}ett gebügelt unb gebrängt,
Die beinent Statfdjlufi bie Chrfüüung fdjafft,
2o riebe id), auf ben feit fo Diel Jahnen,
x'U* auf il)r -\kl, bie Sljoreu, Jsreolcr aeigen,
Ter täglid) neuen 2d)impf unb Cual erfahren:
C lafe bie "SKüben fictj ,unn (5nbe neigen.
Den alten MatfdjhiB fannft bu bod) bewahren,
Darf id) ,uir oorbeftimmten ftretbeit fteigen.
£>tee erfctietiit iljm baä einzige „ Webet 311 Wort", bae auirDtfl
un& möglich ift. £ic &nftd)t felber ift minbeftene ebenfo fetjr
auo ber fird)lid)en fceljre bon ber AÜrbitte für bie im Fegefeuer
Weüenben roie auö pl)ilofopt)tfcr)er (rrroägung rjerborgegangeu.
3m tfaufe ber Jat)re rourbe Campanella'e mU mtlber. ?liiö
ben Ääfigeu bee Castell delP novo fal) er fid) auf bie luftigen
£>öl)en bon Sant Elmo gebradtf. >>ier roo fid) bem &uge ber
fjerrlidjfte föunbblitf öffnet unb bie Webanfeu Ijiuaueleitet über
SSerge unb IKeer, fjarrtc er ^saljr um Jatyr. 3ein ^djtcffal fcrjien
beftegelt. 3>tc Curie felber i)atte fein Urteil bettätigt, unb je mefjr
ben Spaniern im Saufe ber 3eit eine ilrmung bou ber S5ebeutung
bei? Matinee, ja bon feinem *>erte für fte felber, fam, um io
argroö^nifd^er hüteten fte il)u. Slber }ugleid) fud)teu fte il)u 311
benüfcen. ^Diau roollte it)ti in ber A>aub behalten roie ber tföuig
in ber £aae ben gelähmten £d)mieb. (rr burfte fd)reiben unb
machte unermüblidjen Webraud) Don biefer (frlaubnie. Äber non
3eit ju famen Weoiftoneu; fie narrnten feine Wanuffrtpte ,$ur
@inftd)t roeg, um fie nie roiebet^ugeben. Ja man holte fid) bei
bem SJianne, ber um politifdjer ^eii\t)roörung roilleu eiugeferfert
toar( biöroetlen fogar föat in ben berroicfelten Angelegenheiten
feiner .peimat unb Ijoffte »on itjm einen Atiöroeg aue ber ber*
^toeifelten tfinan$lage }u erhalten, eo oft er fid) feine 2d)tiften
enrnnmben fal), fo oft ftng er unennübet oou borne an, feinen
©ebanfenfrei* ju erörtern. &am bann ein frember $efud)cr, fo
gab er tym rootjl einige feiner Arbeiten mit, in ber Hoffnung,
fte fo jur $eröffeutlid)ung 31t bringen. &ud) hierin fal) er fid)
etUdje Wa\ getäuid)t. Ser berüchtigte pl)ilologifd)e rHabulift
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70
l*berbarb <>iott>ciii
(«aepar Scioppiu* betrog ifm in fo!ct>er s^eiie um feine Wanu*
ffripte. Xeutfcblanb hatte wenig Urfacbe, auf bieten £auptbertreter
feiner Siffeufcfiaft in Italien ftolj \n fein. Tann maren e* aber
bodt $roei ITciitfcf)c, bie feine elften treuen $reunbc mürben unb
feinen 5£unfch erfüllten: ein iächfiicber (rbelmaim ffiubolf bon
iflünau nnb fein Neifebegleiter lobia* &bami au* Weimar. €o
bot unfer 2*atcrlanb, meun and) nid)t bem befolgten ityilofoplpn
felber, fo bod) feinen Schriften, ein freunblidje* 2ift)l. $bami bei*
öffentlichte bie erfte Sammlung berfelben, einfd)lief;lid) ber ©cbtdrte;
unb ber originellfte Ä'opf, ben bamal* unfere l'itteratur befafil,
Valentin Slnbreac, magte in feinem nngelenfeu, fräftigen fd)»d»
bifeben ^biom eine Überiefcung ber Sonette, ehe fte in ihrem
£eimatlanbe Beachtung fanben; freilid) mar e* eine Übertragung
bon Jvreäfobilbern in ben ^o^fdmitt, roa* er jitftanbe bradjte.*)
(fampnnclla bat feinen beutfcfjen ivreunben feinen 2)anf in
mehreren Sonetten, am id)önften in ber Parabel bom barmfyer*
$igen ßutfjerancr abgeftattet, in ber er ba* (tyeichni*1 bom barm»
bergigen Samariter auf fein eigene* Sdiicffal anmenbet:
$011 Nom nach, Cftia ging ein armer Wann,
Ten fflauber überfielen unb öcrwunben.
o>bn traf ein $?önd). Ter betet feine 2tunben
ltnb gebt, al* ob er tief im 9?ud)e fann.
l*in 3M?d)of Fam, iab ihn von oben an
Unb fco.net ilju. ftatt ba« er if>n oerbunben.
Wn (Sarbinal, ber bcucbelnb V'rib empfunben:
l*r folgt bem Ticb — beß ©eute er gewann.
(*in beutfeber ?uiberauer nabte jebt,
Ter nid)to tum Herfen, nur oom Glauben hält.
Ter bat tb,n aufgehoben unb gelebt.
3£er mar jetn Oiöcrjfter ioot)I in btefer 31>clt Y
So iit bie Jpanb mct)r al* ber "Slunb qeid)äbt.
Tie (*innd)t fei bem holten nad) gefett.
iit bie Sbat, bie jebem tuoblgciäüt.
Tu meint nicht, iit bein (Glaube anbem mahr,
Tie gute 3"bat nur (teilt WemtBbeÜ bar.
?Rid)t immer bat fid) Gampanclla fo tolerant gegen Rubere*»
gläubige an*gefprod)en. ^o er ber harten tfonfequen3 ber ©e*
*i 9Uid) ben ionnenitaat bat er nachgeahmt, Sigioart bemerft oon
btejer Wacbbilbung roüjia.: fie oerbaltc Heb jti ihrem Urbilb roie gjai^ingeit
jm ffiom.
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::i
3boma$ (SampaiicUa
71
banfen folgte, f ü l)vtc fie ilm 3111- religiöien Unbulbfamfeit, bie er
mit bev Dollfommenften miffcnfd)aftlid)en meibeit vereinbar glaubte.
So er aber nie JTtdjtcr emyfanb unc fprad), wo ftd) ber (Jinbrucf
bee* eigenen £ebene mit beu tiefftcn Regungen feiner (Eeelc flu
einem einzigen -,Hnfd)auiingebilbe oerbanben, ba würbe er ber Ver*
fünber einer 1oleran3, bic über bie begriffe feiner ßeitgenoffen
weit binaneging. Slnf bem vitanbpnnft bev fatrjoliieben ^etjrc
pon ben guten Seifen fitd)t er feinen Gegner, ben £utl)eraner, 311
wiberlegen bind) fein eigenem Veifpiel; nnb bie Sfyat, bie auf
ihren eigenen Sert nerjidjtet, erscheint il)m, mag ber (Mlaube
audi unrid)tig fein, ale bie t)öd)fte 1111b reinfte.
0*amr>anefla'e mtffenfdjaftlidje .pauptleiftungeu ebenfo wie
feine febönften ®ebid)te fallen in bie 27 Jahre feiner (gefangen*
febaft. Sol)l war fein $ebanfenfreie im wefentlid)en id)ou oorljer
fertig, auch waren einige feiner $aiiptroerrc wenigfteno in ber
2lnlage fd)ou oorl)anben. Stüein alle 2d)riften, auf benen fein
JKuf nie origineller Genfer beruht, ftammen aue biefen fahren.
Jn immer neuen Variationen werben 11110 in ihnen biefelben CMe-
banfen oorgefüfirt; unb ee ift ganj gleicbgütig, ob man aue ben
früheren ober fpäteren bie Velegftellen entnimmt. -Jpödrft Der*
fd)iebenartige, aud) einanber wiberftfreebenbe Elemente fanben fid)
in <?ampanellae äopf jufammen, über eine eigentliche (rntwitflnng
ging aue biefer (Mährung nid)t Ijeroor. 5>cr £d)ein ft)ftematifd)er
»norbnung barf nid)t barüber Derbleuben, baf; ee fid) hierbei im
C^mnbe um oid)terifd)e tfonjeptioneu hanbelt. eie finben iljren
llrfprung im ®emüt; nnb bie (hfahrungetl)atfad)en wie bae logifebe
fKaifonnement, mit bem fie reichlich auegeftattet fiub, finb cod)
erft nachträglich rjtngii0ctrcten. Tamm fud)en wir bie ©runb»
gebanfen auch am beften in ifjrer uiiorünglicbften fteftalt, in ber
biebterifdjen Raffung auf.
Sie fein Weifter Wato hat Campauella fid) tu eine lebhafte
Topofttion ju ben Richtern feiner J,tit geiefct, gerabe roeil er
ielber <Tid)ter war. (?e ift ber Wettbewerb einer jUiuft, bie uid)t
auf bie öernunftgemäftf Chrfemitnie unb bie hierauf berufjenbe
lugenb allein auegeht, mae beibe 10 fd)arf ablehnen. ^Into
mupte, wenn and) mit fdjmerjlicber Oiürjrung, felbft Horner aue"
bem i;l)ilofopf)enftaat oerbannen. Gampanella war in ber glütf*
Heben £age, gerabe auf ben Vater ber italiemfdjen £td)tnug ale
ben großen Rubrer hin Weifen 311 fön neu, oon beffen Valm bic
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(*berl)arb Wott)etn
9tod)folger 311 irjrem eigenen £d)aben abgeroidjen feien, ^ar bod)
Dante'ß 2Wb in ben 3inimern bee ^atifait* ebenforool)! unter
beii Didjterljeroeu auf bem HSarnafi roie unter ben Äirdjenlerjmn
ber DiSputa $u fel>en. jKücffel)r $ur (finrjeit oon Dichtung unb
^eieljett ift bae ;)iel, roeld)ee (Sampauella feiner prjiloiopl)tfd)en
1>oefie fefet. (*t rebet bie Did)ter an:
v\u .<>od)inut »uanbelte fid) ^Rannearoert.
3sMe -öciliQfcit in .frendjelei oeriäjroanb,
.«beißt $runf nun «nftanb, AinbigfctJ ©erftanb ;
Die ^djönüeit warb jur ^utjlerin entehrt.
Danf eud), il)r Didjter, toarb baö fo oerreljrt!
'iöer roar'c, ber £rug unb niebre <^lnt erfanb,
3i>er Sugenb, Steffinn, Wotteömarf)t oerbannt,
3iMc fie ber alten Jetten Äunft gelebjrt?
Ohrbab uer finb bie üHcrfe ber !)iarur
x>U6 euer Did)ten, t)olbcr als baö fingen.
Tort ift cntluiüt beö Irugö, ber ^afytyett £pur.
Dem i'tebe foll allein baö t'ob erflint^en,
Da* ,ui ber iHatjrbeit ^eiliger *at)ue fdnour
Unb Waffen leibet, bie l'aftcr ui bc.müngeu.
;]n biefer inneren Umferjr fotl and) eine äußere 'Kefonn
treten. £o oft unb tjeftig er gegen Die Detulin bentng beö 3llter*
tum* eifert, fo fel>r er tu iljr bie .Hemmung alleo *ortfd)rittö
erblicft, fo l)at bod) aud) ber Didjter ber 2pätrenatffance nod)
feinen fd)ulbiijen [\oÜ an biee flaffifdje 'Altertum entrichten müffeu.
C*r Ijat fid) bic gruftte sWül)e gegeben, bie auttfeu Vetren in ber
italieutfdjen 2pmd)c nadHualjmen. Aud) Hingen feine gramerer
gain leibüd), bie Pentameter freilid) um fo fürd)terltd)er. Dennoch
fwt er fein Heftes in ben alten feftftel)eubeu ,vormeu ber italienifd)eu
Äuuft gegeben; ja er ift iljr lefetcr bebeuteuber tfanjonenbicbier
311 nennen.
>t Wrunbe folt nun (Hunpauella* Did)tung, foroeit fte uid)t
pt)tloiopf)ifd)c 2elbttbefinnung ober Auffdjret eines gequälten We*
miitee ift, immer ein Littel ber Agitation fein. Diefe begeifterten
^roflamarionen in 2onetteuform brangeii aud) 511 ben "Dljren berer,
benen bie pl)ilofopl)ifd)eu 2d)riften oerfd)loffcu blieben, ^ir
lernten feine politifd)eu (^ebidjte nad) biefer Md)tuug l)iu fd)on
fenuen. Sur C5ampauella oerfd)mcl^eu fid) Die ©ebaufen einer
Reform ber Meltgiou, ber ^iffenferjaft, ber (^efeüfdjaft ju einem
Wanden. Denn Une (Entartung beruht auf benfelben ©rünben.
Der (%unbgebanfe Ulato'e, bau ed bie Aufgabe beö Wjtlofoptjen
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Spontaft (>ctmpanella
7:t
fei, ben Irrtum 511 nberrotnben unD bind) (frfemitniä ber roattreu
©rünbe, burcl) SlUffeufdiaft, Die &>elt 511 leiten, tft and) burdnoea,
berfenifle (5ampaueUa'e. (*r roirb tu ätjnlid) gearteten (Meutern
immer mit *Rotroen bigfeit entftel)en. Aud) für ^ante unb Augufte
dornte tft biete Jvorberuug ielbftoerftänblid) geroefcn.
9Jftt einem /Aufruf an alle Hölter" roenbet ftd) bei £id)ter
an bte Serbien beten, eutroirfelt it)neu gleid)fatn fein Programm:
$eroob,ner bicier (nbe! Auf! (nblictct
Den f)öd)ft(n 2inu unb fdjaur, wie Iqrannei,
Cb fic aefcqmucft aueb mit bem Hiantel fei
$tott Abel unb oon .straft, eud) unterbrürfet.
Dann fetjt. tote <?cudjclei eud) fxcd) berürfet;
Den Tanten fsjottcsbtenft leflt fic ftd) bei.
Dann boret ber iopbiftcit leer Wefcqret,
Ter Actnbe bcr Vernunft, bte ntid) entwürfet.
2oobiftcn \o$ £ofrate* ttor Wericqr,
Unb (Sato. ber ^eredtfe. bte Iqramteu.
Die .s}cucqler («Driftt eroi« reine* Vtcqt.
Tod) um bie AÖlfdjer, Areoler flau} \u bannen,
Wcnügt iqr Aobcsoqfermut nod) ntdjt,
Ji>enn toir auf Wuffebr nir Vernunft nieqt fannen.
D>er Jvüqrer tu biefem .Kampf rot II er felbet fein; er Derma«
es, roeil er „bie $>unelu Der großen ^eltübel* erfanttt l)at, beu
€tammbattm ber Drei klagen Sqraunei, 3ool)iitif( £eud)elei, ber
biet $um legten Wtunbe, Uttroiffenlteit, «imuifreidjt.
.{um Kampf brei Übeln tourbe id) geboren:
Inrannenmad)t, £opbi«tü. Heudjlertrua.
C\d) fül)l . tote Xqemi* mid) tum 2iege*=Alug
Durd) Viebe, 2d)arfftuu. .straft uutleid) erforeu.
3ie Ijab id) au* ber :Kadjt empor befcqtuoren,
Der l)öd)frcn ih>et*t)eit*grünbe (tollen x{ita,.
Ar.inet ftub fic für ben breifacqen Vmt,
Darin bte itfelt fid) fnhfd)enb fclbft oerloren.
.slriect, .Hungersnot unb i>eft unb fcbeeler Weib
2inb'*, bte bcr großen Treiben angeboren,
♦Itcrfdnoenbuna,, (*fel, Uuaerccqrntfett.
Tie 2clbitmd)t mufj fic zeugen unb oenuebreii,
Die toürbifle Xod)ter ber Unroiffcnqeit.
Unioiffcubeit b rinn, fam td) .ut .jerftören!
Diefe ^orte, göffe mau fie in let^inen tun, tonnten ber
^ öttlic^eu Jtomöbie felber entnommen fein. Tie Unrotffeutyeit oer>
fd)miljt ftd) mit ber ntoralifdteu 2d)ulb Der (Eigenliebe. Unb
roieber ift t$ bao grofte platouttdte Problem, t>atf Problem aller
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<*bcrl)urb (^oti)fin
Seltnerbefferer, bie (*igenliebc auenirotten, ume ihn nm meiftcn
befd)äftigt. Camyanella giebt biefem alten Äampfe eine neue,,
geiftreidje Senbnng. Tk 2elbftfncbt. bie alle* auf bie eigene
^erfönlidjfeit begießt, tränt aud) bie 2d)nlb an iencv üerl)ängni&
rollen £d)einmiffenfd)aft, Die Die Seit nur ah? ein £nftem bon
ßmeefen ui Wuuften be*> Wenfcbeu auffaßt, bie bie -Natur begrabiert
gu einem bloßen Wittel in unfern >>anb; fie tragt aud) bie Sdmlb
an bem faVaufeulofen Jnbiüibualienuie, ber bie Wortfyeit ber*
bräugen unb ben Weuicbeu ale< Seltenidiöyfer an ihre 2 teile
jefcen mochte:
Tic inautliebe fdntf ben Sabtt, ben tollen,
Tor fclbft bie 2toffc mir- ba* 2ternen,iclt,
Xa* Alraft unb 2d)önl)eit mehr alo mir enthalt,
$eritant>' unb licbelecv für uno nur rollen,
Xann. baR uu* alle Aiemben biinfen trollen
Barbaren, bereit feiner Wott gefällt.
3»n unj'rer x{elle jenen nur bie sX-c\i,
2o fam\\ oap alle fid) nur riebe Rollen.
Shtö Faulheit iälfdn ber Weuich, bie ShMfjenjdiart.
Hub ba bie ^e!t nid)t lief in feinen Wieifen,
Verleugnet er Vorfebung, Wottevfraft.
„Verftanb" nuiR tbm ber liftige Srug nun b,*iBen-
3luo £errfd)fud)t ietjafft er frönen, fommt babin,
5Hlö Seltenieböpier fid) .ntleftt m greifen.
Selebe iKefultate entfpradjen nun aber bieten b,od)tönenben
2*erbeif?uugen? darauf !am bod) fd)lief?lrd) allec an. Sir faben
bereite^, wie fein ganzer 3?ilbungegang (iampanella babin brängte,
eine einheitliche Seltanfcbanung ane mi bestreiten ben Elementen
Ijerniftellen, wie er non einem Unterfcbiebe ber Sbeologie unb
^biloiopbic nidyte wiffeu will, Wott ift ber böcbfte, in gewiffem
£-inne ber einsäe Wegenftanb feiner ityilofopbie. -Tenn bie
$rin$iuien ber (Gottheit, 2inn, Mrnft, £iebe, iefcen fid) burd) bie
ganje Seit fort; jie erfebeineu uidtf nur im Weift bee Wenfdjen,
fonbern überall in ber '.Natur wieber. ^sft nun (5ampaneUa ein
^antbeift wie Wioi bauo Brunei geweieu? Sir im gafjr»
bunbert mürben ihn unzweifelhaft mit unter biefem begriff faffen;
er fcl ber aber unb feine Jeitgenoffen würben auf ben feinen Unter*
fd)ieb Seit legen . baf: für ihn bie Seit ^war gotterfüllt fei, aber
baneben ber ewige Weift bod) uodi feine 2elbftäubigfeit wa^re.
£ebr fd)öu erörtert er feine Anficht an bem ^eifyiel ber färben»
lehre, bie ihm mit lelefio gemeinunn ift:
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cIhmiiüv (^amuancllu To
(nn cintfa. Virf>t nur ift im 2onnciUnUl,
(*imad) unb rein, unb bind) fid) fclbcr hell,
£idj ringe ,icrftreuenb,
^ermebrenb. fid) crucuenb,
^cftiiflclt, lcbcnb, lebenunvfenb, fdjnell
2d)aut unb läf?t nnfc idmu n bao Gettenau.
Stflein bieieo Vidvt miidtf fiel) ben Alörpern bei; e§ tpirb
ftarbe, eö pereitnelt fid). 3lud) in Mefcm ßuftanbe aber bebarf
ber (Jrlendjtumi ourrt) ba* urtprünajicne, reine £id)t, um ft<f)tbar
511 roerben:
So it^aut ber 2 tun in Wort, enblos unb rein,
i^eflnaelt, ciuifl, feiner felbft 1*ermet)rer,
TO einem $Iitf bie SOelt,
Die er ctcftaltet, leljrt, befiel, erhält.
„SSort" heißt er unö — ben ."pimmelu mohl nod) hehrer.
•Tod) gebt ev in bie Ü^clt bie bunfle ein,
2karen.it iid) feine rtraft.
l*r iiicbt iiä? Aitrcrjt unb .öafe unb viebe i)in,
Ükrgeffcnb feiner. Wort beißt er nidjt mehr,
}iur Ityantafie, ^iatur, Vernunft unb Sinn.
£b mehr ob miuber ectjt, ob ihn bie .<l>art
Ter Schale briitfet mein" unb minber fdjroer,
So roirft er: x»ibcr c^ott ift'ö. ber ihm Srärfe ic^afft.
63 ift ntd)t fdjroer, in biefen ?lnfid)ten eine neue Auflage
ber neuttlatonifdjen (*manatioiuMehrc $u erfennen. 3ki feuern Sin»
gehen ©ottee in bie ü>clt bleibt ein (yrbemeft, bleibt bie Materie
I>icr, bie Unvernunft unb ihre Wad)t bort. Än bieiem 3RätfeI
ner3»eifeit bie Wlofophie; ihre Xheobicee weift eine $ücfe auf:
3lUe fid) uim ^eltenall bic ^äbcu [Pinnen,
ShMe alle ieile fid) ,uun Wanden einen,
■KMc ieft, mte munberbar bie Üi'erFc fd)einen,
Tae ,ieia.t ben aütiaen Sd)öpfer meinem Sinnen.
Tod) mact an Sborheit Wenfeb, unb iier beginnen,
Tan $öie lachen unb bie Wüten meinen,
Tat jeber irrt nom ;^iel, ,iroina.t mid), ,ut meinen:
Ter Schöpfer lief? ben venfer fid) entrinnen.
So aab benn emiae Wahrheit, i'iebe, *JJ(ad)t
Tie veitnna ab unb null ber fliuhc pflegen?
So marb fie alt unb ntjlüff unb uubebacht?
9Uin. (*iner nur ift Wort! iMuf feinen Regelt
2£irb einft beo Mäifele. Vötting funb gemacht,
Um ba* ber 2iinbc fo oiel $elfs erleiden.
$od) nur Dorübergeheub fonuuen ($ampanella folche 3?ebenfen,
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7tf («berbarb Hotbein
um äljulid) wie jene poffiniiftifcl)en Slnmanbiungen im jterfer
immer fiegreid) übermunben 311 werben. <Ter nneridiütterliche
rptimiemue erfäVint ihm ale bie einzig mbglid)e Religion. 'Jn
ben großen (5an$oneu auf bie l'iebe unb £d)bnhett ale bae um»
faffenbc 2\>eltprin$ip ifpridn fien biefe (Meftnnung am beutlidiften
aue. Sind) hierin ^eigt ftd) thimpanclla ale ein Schüler tMato'e,
nur ine t>antl)eiftifd)e fortidireitcub.
2lber oon bieien Bahnen, bie aud) bie Der Florentiner
^latonifer geweien waren, entfernt fict> (fampanella, um bae (Mött*
lid)e ba anfaui'ucnen, wo ee, wenn nucf> getrübt, une bod) am
nfidjften liegt: in ber ^elt. ^iaturpbiloiopbie will er weit mern*
ale $heofopl)ie geben; unb fic rot allem ift nötig im (ftegenfafe
311 ber oben 2$ortpbiloiopbie, bie auf Autoritäten fdjmört unb bie
Quellen ber (rrfenntnie bei 2eite läfn:
Tie sK"dt —-. ba* ^ud). bariu ber eioiac Hetit
2ein renfen fdjrteb, ein lebenb "oeUnr.tum,
I"rin feine $ baten, ihm ui eignem Mubm
Vebcnbiaer Silber reiße aüUc preift!
£ort iit >, 100 er im» fctjii unb icfcit tjciftt
Die jimift, bie Wüdu. 2o, gottloa nid)t uod) vtumm,
^erfünbet imfcr Helft: „Tic 'ix'cU ringsum
(*rfülle ich. Hott fd)aucnbr ben fie toeift."
Unb mir, gebürft auf 5lMieher, Cpfcrftätten,
Tie nad) bciu Vebcn ftümoerbaft fopiert,
3iUr mehr bod) alo ioid) Wciucrmerf ocreDren!
C baü oou Irrtum mir befehrt im* hätten,
&iir, bie oon 2treit, Umuiffenljcit oerführt!
Viißt une bei Hott .uiriitf ,111111 Urbilb fehren.
3n ber $etrad)tuug ber siinMt enthüllt ftd) il)m erft bae
Siefen ber (Gottheit. A>ier ift er min wirflid) 311 einer tiefen
prjilofophifd)en Intuition uorgebrungen, bie feiner oor itjm in
gleicher SJeife gehabt hat: tftn groftee i*rinjip gefjt burd) bie
gange &>elt, in ihm fprid)t bie ©ottheit: bae ber <Eelbfterl)altung:
„Ten Gefell lourbe Hein, fo otel aenua,,
iid) ut erhalten, iid) unb ihre xHrt."
SBcmi nun bie einzelnen ^efeu in biefem Streben auf ein»
anber flogen unb bae fd)wädiere unterliegt, bann fd)eint ihm fein
Untergang Uugerechtigfeit unb Unoernunft:
Ter 'Kffan.icn ftilt Hefd)ledjt,
Ju unirem aeraubt.
^hm fcheint, ioae mir bebttrfen, ungerecht.
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ifjonmo <-<antoauclla
77
Ob bie* .Siefen i^flanjc, ob e* Wenfch heipen mag, bic 9ln«
tlaae, bic ee erhebt, bleibt bieielbe, imb in jebem *alle entbehrt
fte ber 33cred)tionna.. $ft mm aber jener Selbfterhaltunaetrieb,
ber allem gemeintam ift - benn es ojebt für (5ampanella nidjtä
UnbefeeltCitJ, fo mciiic^ wie für $runo imb Spinoza , nid)t eben
jene 8elbftfnd)t, bie er fo heftig ah> ^ur^el aller Übel ana,efdmlbia,t
fyat? «f»ier bringt imfer ^iditer über jenen Stanbpunft t)inau0:
5Me $olle, bie bem Selbfterbaltnuaötriebe in ber Cfonomie ber
Sd)öpfuna, 3ufdllt, wirb ihm flar; bao Siätfel, beffen £öfuna, er
in jenem früheren Sonett bei ^nfimft überwies, lieext ihm jeUt
offen :
^ft's fettfam, nuto ber cnmic <s>cift »ernänat
Daf? nie etn gefeit, noch io fdnoad) imb Hein,
"?)tit anbern iaufd) bekehret?
— So luirb bcni Job aeiuelpet!
(*e luiinfdjt imb ioäl)iu, nur froh in ftd) ,ui fein,
O'o fennt fein (MM, al* ba* in ihm oerfenft.
C l)öd)iter **eiobeit tfidit,
'Du niitjcit unfern 2£abn,
Dan jeber man bem Wliide
Unb alle Speien ber ^ollenbima, nah'n.
l*in JoUbau* ift bie ^clt! Unb mm fies nicht,
— Tie £iiUe lieft .uirficfe
(*in jeber, frrebcnb nadi ber 2 lerne Stabn.
So wirb bem 3Renirt)eu bie ßrfeuntnie ber Stellung $u
teil, bie ifjm auf ber Stufenleiter bei $>efeu befdiieben ift: er
orbnet ftd) felber ein in ba*> ^eltgan^, er fühlt, baß feine Seele
ihren Urfpruna, fincet in ber Harmonie ber Seit unb 3lnteil an
ihr nehmen fann. (Mott aenieftf ftd) felber in einem folrfjen Wenta^cn:
2o ftainmt benn oon ber Harmonie ber lOclt,
SJon all ben Raiten, inannia.fctcf) itefrimntt,
^n AMmincI, (*rbe ausaeipaunt
Der Seelenreinheit Unterpranb!
Unb ihnen einet fid), mer fie Deruintmt,
Das Saitenfpicl oon (Motteo /cand) ae?d>roe!lr.
C felia jener, jebeo greife« wert,
SRietl Wott tu iljtn üd) jclbft ixcnicßt !
Dod) alüdlid) aud), luent fold) ein [\kl oenoebrt,
5R*enn er ftd) hörenb bem Vnllr'ommnen einet!
Dod) jebe* (Mut bat cinaebüftf,
Stfcr, unrein felbft, Weisheit unb ;Hed)t oerneinet.
^n immer neuen unb überraid)enben Senbunaeu weife
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78
(rberbarb Oküqeiu
ßamvanella biefe^ Iljeina 31t bel)anbeln. .vuer ftnbet er aud)
feinen IBemetö für Die Unfterbl ichfeit ber £eele; er ließt in itjrem
SBeftreben ftd) ,311m M 311 erweitern, in ihrer Unerfättlid)!eit nad)
3öiffcn, meldjee ihr feiger -Uiftanb nid)t beliebigen fann. SDic
Unfterblid)fett felber befteht für ihn im -iujammenf allen mit ber
©ottfjeit. „Anima immortale" t)at er bae fdj&nc Sonett benannt,
in bem er fid) über bae SBeien bee menfdjlidien BiffenSftrebenä
äußert:
;sm ^unft be* &irn* molm id). um ,m öerjebren,
!h>a* alle Wid)cr aller ihMt umfd)ltefKn.
(** löfct)t beu tiefen riirft mir fein (Menießcn,
$erfd)liiigenb alle* ftovb id) nur Cnitbehren.
">d) näbre mich an aller tWcifter Behren,
Tod) nieincm .junger mocht' e* nidjt erfpriefeen,
fdnoetfc id), in 2ebnfud)t ,m \erfltcjjen ;
Wein ÜtMficn muß üd) ftets in nidjts oerfehren.
2c bin id) benn beo Unermeffneu 25ilb,
l>er in fid) birgt bie Siefen gleid) bem Weerc,
(*r, Wcgenftanb be« 2inm\ ber liebcrfüllt.
Csbn trifft Vernunft, to wie ba* 3tel ber ^feil.
2lutorität in fvember .£>anb bie 5i*el)re!
Web auf in il)in, (>ieuÜBbcit wirb bein leil.
Siifgugebeu in ber Gottheit vermag ber Dientet) mir burü>
rein ^ingebenbe Viebe. £er bmdigebenbe Weoanfe aller 9JtyftiF,
baß in einer folctien Eingabe an bao Wörtliche ber ÜRenfd) über
fein eigene* Siefen hinausgehoben werbe unb ,31a- ätfunberfraft
gelangen fonue, begleitet auch ihn. >be anbere Webe ift nur ein
Stjmbol biefer h&bften:
ter wahre Viebenbe id)öiut ftetig ttraft,
U^cil ber Weiiebteu fdjöneo, reine* "im,
^erbiuwelnb feine 2ecle, iljn erfüllt-.
Unb fo erltfdjt il)in Itfunfd) unb Veibenfdwft.
iiienn Arauenlicbc fald)e &>unber fetjafft,
C weld)er Wufym, weld) hone* WU'uf entquillt
Der ewigen .Roheit, bie ba* Meinten f rillt
Der 2eele hier in nnfrer Merf erbau.
Die 2eele tdjüfe fid) Unenblid)teit,
2ie tonnte alle? lieben, Hüffen, tt)un,
oii Wott nad) Stfunbern ürebenb allezeit.
Tod) ih>oli unb .-{lege finb wir fclbft uns nun,
Tic wir bie viebe unb ba* Vicht entweiht,
Durd) bie nür foüten in ber .ftobeit rutjn.
9)ian wirb in ^amvauella'e weitfdnchtigen s£rofafd)riften
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Sqontaö (iampaneUa
71)
tiberall bie afcidjeu ©ebanfen mieberfinben, Die in bieten Webtchten
in ihrer reinften, urfprüuaKchen Weftalt ui laflc treten. 3tur
erfd)einen fte hier mit einer nnenblicnen O.Venae oon (riineltiwt*
fachen oerfefct nnb ui allen nur möglichen Aolgerunaen erweitert.
;sn bemfelbcn s).Vaüc oerlieren fie freilid) and) an 5h>ert. eie er*
roeifen fich in ber Ihat nid)t nur in unfern iHuaen, fouberu aud)
für bie ^eit einee Alepier nnb (Galilei, ale nnaeeianet bie $i>elt
ut erflären. ii>o Kampanella $atur=(rrf lärmigen ojebt, ba er*
fdjeinen feine 2d)iiften ale ein ungeheure* Konglomerat oon
Irrtümern nnb oberfläd)lid)en Urteilen nad) beut nadiften iHuaen*
fd)ein; nnb mir biirfen une nid)t babnrd) oerblenben laffen, baft
biömeilen 5tnfd)annnijen bei ihm auftreten, bie an moberne @r*
fenntntä erinnern, mie eine* feiner .v»auptboa.men: alle betrogen be
jdraft anf bie ^ärme uuücfui führen nnb ale bie Quelle aller
^änne anf bei (rröe bie 2onne ui betrachten. 3ein aanje*
naturroiffcnfd)aftlid)ee Teufen ift oöllia, primitiv; fo oft er aud)
bie finnliche (*rfabruna. nnb bae Krperimeut ale hefte (rrfenutnie*
quellen greift, fo harmloe oermenbet er bod) ben abftraften ^cr^
nunftfd)lnp aue unhemiefenen prinzipiell. feinem Heiter ui
Neapel mar er abaefdjloffen oon bem Aortfdnitt ber ^aturmiffen«
fdwften. ^ener Tentfdie, Sobiao ^bami, teilte il)m nierft Walilei'*
Schriften unb bae &terf Gilbert e über ben Magneten mit. 33e*
aeiftert erfannte Kampanelta hier bie äugten Tvortfchritte auf ber
2Jahn bee ^aturerfennene; aber er erflürte bodi uigleid) bem
»vreunbe, bap er nur geringen Gebrauch für fein 2nftem baoon
machen fonne. Irr hat fich mit (Gilbert aiieeinauberiufe&cu Oer*
fud)t, er hat fid) fogar bemül)t, Walilei'e r)ief»ltate in feiner
?lftrologte 311 oerarbeiten, ohne baf? fie beemegeu bod) etmae anberee
ale ttftrologie geworben märe, ale ein weiterer, oergeblidier $eriud),
bie Kricheinungen bei iHtmofphare unb ber (rrbe, fomie bie Reiben«
ichaften unb leubeiuen bei Wenfdien aue beu ttouftellationen ber
Weftirne ^n erflären.
ltnb beunodi mar aud) uiefe phantaftifd)e Philofophie gerabe
Denjenigen Jeitgenoffen l)odiroillfomineii, bie in ber fluebilouug
ber :lcaturmiffenfchaftcn Die Aufgabe bee ^ahrhunberte iahen. Md)t
bie Wethobe unb bie fteiulrate, mohl aber bie NegenftänDe, bie
hier für bie Philofoprjie gewonnen mareu, bebeuteten einen ivort*
l'diritt. ftbami ben man ale ben Wepräfentanten bee Ijödjft*
gebilbeten pnblifmne jener Sage bezeichnen rann, mar oiel eher
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(vbcrDarb Wothetn
ein edvnler Stacon'ä, er meinte mit beffen fonfequent biirdiqcftihrtcr
^LVctt>obc nod) 311 reiferer Tcarnrertenntniä 311 iielangeu; er tft
aufjerbem $u fein* 23emunberer i>ou (Galilei, Kepler unb Gilbert,
benen er aud) vi>araeelfus noch *ur <seite fteüt, um ni(t)t bie
£chrocid)en feinee Jvreunbeo $u feoen, aber er publizierte feine
griffen mit ben höd)ften £obu>rüd)en, roeil er eben in iljuen
ben ctjanbiofen ^erfud) eine* Dollftänbia,en 2t)ftemec fat). "infofeni
mar l)ier ber 8d)olaftif, bie immer nur ^eanffe behandelte, <|um
erften Wale ein ^nfammeubänaenbeo Wamee aeaenüber aefteüt.
Sber auch unter ben einzelnen Vehren bieier ^iam rv t) il of op t)ie fprad)
bie :}eitaenof|cu oieleö an. ^a mar bie Wrunbibee ber aJeiaV
mätnaen, abflcftiifteu ^ejeeluiui; fie mar Micuinajicher alt* ber
$antheietmi£ ^ruuoe, aly ber Material iomuc> ber Oieu*(*piftirüer.
ft>ir rotffen, wie ftepler aatM ähnlichen Webanten nad)a,et)anaeut
nnb mie fie für ihn bod) ber innere Antrieb bei allen feinen Unter»
fnebunaen innren. Unb inbem biefe 33eieeluna. fich tu Dem 2 neben
jebee ih>efen0 in feinem £ein w beharren ausbrürft, mar in ber
5 hat uon (5ampanella eine aeiitreidie Formel aefun ben morben.
Unter ben vielen ( bie Veibnir^e IKouabenlebre beeinflußt haben,
gebührt ihm bod) mohl ber erfte Wal*, ^on biefem ^taubpunft
am? löfte er bie a.rof?e Ainae, bie noch bie Wülofoyhie bee> aamen
folgen ben ^ahrnuubert* beben ulm\ bie Aiaae uad) bem -Jinect, in
einer bamale a,enüaenben ^eife. Meinen fdmrferen Weener fanö
bie veraltete Seleoloak*, bie bem Mau ber ^elt ben ineufd)lid)en
9iufccn unterfchiebt, als ihn, unb wajeid) aab es feinen über*
Seuaunaotreueren Propheten bei iunemohnenbeii ^merfmafua.teit
aller Gefeit nnb beobalb ber >>armonie beo ^elinan^en.
2o unfrnd)tbar bieie :Huichauuuaemeife ^11 r Intlarmui ber
ybnfitaliichen Wefefee blieb, fo oiel beffer eianete üe fid) fchon bei
Oamoauella fclber }iu ^etradjtuua. ber Oaaniomen. Oiamentlid)
aber bot uufer rid)terphilofoyb eine iHnfdwuuna, beö Wenfd)cu,
bie fruchtbarer werben munte ale bie bieder aellenbe i^fndiolocjic.
Unter allen (*rörterunaen feiner öauptidmft, ber philosophia realis,
jieht auch uns feine fo fehl an nie bie über bie (rntftebuua, ber
Veibeufdiaften nnb beo Hillen*. >>ier nimmt er eine :Keil)e ber
roichtiajtcn £cit>e 2pino^a'o normen/), inbem er auoneheub non
*> Xüb £pino,ia burd) tfamnanella iracnbiute bcrhifluftt iporben fei,
iir nicht an,vunctmieu, eher tonnte bie* bei reooavte* erahnt über bie
Vciben 'chatten ber aiiII fein.
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Jt)omoö (Samoanella
Kl
ber £elbfterl)altiing bic beiben (^rn it Dei^enf djaf ten , Vergnügen iinb
3(t)nu'V3, ale Eintriebe unb Gfrfunbcr beffen, mae bcr ©elbft*
ertyaltung nüfet ober fchabet, b. b. bee (Eliten iinb iFöfen rjinftellt,
inbem er mit genialer £id)erl)eit aue biefen beiben Äeimen ben
^ufammenfjang ber einzelnen l'eibenfchaften 311 eutwirfeln weifj.
£0 erhält and) ietne (*tl)if, obwohl nod) im wejentlidjeu auf bie
bee äriftotelee gebaut, bod) ein befferce pihd)ologifd)ee' ftunbament.
Unb bafi in fie fortwäbrenb bic "Dfnftif, bic Borftellung bcr un*
mittelbaren Bereinigung mit ber Wottbeit, eingreift, founte einem
Zeitalter, bae oon religiöfen TcnbciHen bod) nod) tu Ijörjcrem
Wafte ale oon wiffeuichaftlid)eu bewegt mürbe, nur geuelrm fein.
tfampanella'e }fatnrpl)ilofopbic founte immerbin nie Die
erweiterte $nefüf)rung bee Programme erfebeinen, bae lelefine
nufgeftelit hatte ; roae er gam neu hinzufügte, mar bie s£elmnblung
ber sl>olitifr unb burd) btefc bat er fid) unzweifelhaft bei ber s).Vit=
unb 'Nachwelt am meifteu befannt gemacht. C?r ftellte fid) hier
einem Wanne mit l'eibenidjaft ale (Gegner gegenüber, ber in ber
Ihat burchaue fein 2£iberipiel war: IKaccbiaoclli. ?ie ßeit mar
rafd» oorübergegangeu, in bei bie horte realiftifdie flnffoffung ber
Tinge, wie fie ber groüe Alorentiner oertrat, ale felbftüerftäublid)
hingenommen mürbe. Waccbiaoclli'e ^erfe blieben zwar bue
.v>anbbucti ber vl>olirtfer unb würben oon beu Golfern ale urfprüng'-
lid)c Quelle aller gewiffcnloieu Wewaltafte beargwöhnt, aber bie
Ityeork hatte aubere Bahnen eiugcicblagen: fie fliehte wieber 3ur
ibegri'tnbung ber etaateocrfaffnng nad) pbiloiopbtfcbcn fechte*
formein, ftatt nach biftorüdier (*ntwitfcluug; unb jene 3lrt, wie
Wacdjiaoefli ben 2s?ert ber Religion für bae £taatelcben gefehlt
hatte, währenb er bie .Kirche oerhöhnte, wollte ncüenbe in bae
Zeitalter ber Wegenreformation nidit paffen, (iaiupanellae Dppo--
tltion, bie fid) in einer bitteren .Hampffd)rift äußerte, tragt nod)
einige befonbere ^üge. (rr haftt ben Berfaffer bee principe ale
beu wölb bcr £elbftiud)t, glcid)fam ale ben Worber jebee auf
ethifcher Wrunblage aufgebauten 2taatce. (rr rebet ihn einmal in
einem Sonette an:
„tu, bcr ben Seil mehr al* bae Waiue liebt,
Wehr al* bie Wcnidjbeit ielbit ,w fein ücrmcint,
Du thörieht ttluger, bcr ben Wutcn Acinb,
2SeiI fonft bein »crjlcdjtcr 5taat nidu ,sri'td)te tiicbt,
2ichf roa* bie 2d)riftgelchrten einft ueriibt!
.ieittrtirift für rtnItum*fclM<frto. 1. 'i
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H'2
3tcl) ftc Denotat, weil litjriitu* neu erfd>eint.
Tic Guten l)at ber Gotttjeit er uereint,
3nbe* fic roäbjicn, bau fein Veto jeritiebt!
Allein intern er Wacdnaoelli bctdinpft, lernt er auf 3>d>rtrr
unb ^ ritt oon it)in; mit» zwar }iel)t il)tt bic hiftorifch5pind)ologifd)e
vWethobe au, mit ter lein Weener bic Vebensbebingungen uub ben
^ebensgattg ber Staaten uub tl)ter ^erfaffungen oerfolgt, ßampa*
neUa's politifd)c unb bfonomifd)e Aphorismen, mit betten er feine
?tiealpt)ilofopt)ie befcrjlicf?t, fittb burd)meg geiftretd)e 3tubicn au
Dcacdjiaoelli, unb oon feinen Discorsi an italtenifdje dürften gilt
Dasfelbe. ^n ber Xijat hat unter ben 'Jcadjfolgern teö Florentiner
^taatsiefretärs feiner bis auf 'Dfoutesquieu uub Jßico bic hiftorifd)*
politifd)e fflefleriou mit folcrjer $irtuojttät gehanbrjabt toie er.
'JRur fud)t er alle 2afce allgemeiner w faffeu unb it)nen ^ugleid)
Die pe)Ttmiftifd)e opifoe umzubiegen. 3*n einem fünfte bietet er
völlig Lettes: er unterfud)t oerglcicrjenb attd) bie ^cbcnebebtuguugeu
ber Religionen unb 3eften. 3ie oor allem füljren it)ti vi bei
Anficht, baf; im &xufe ber $e\t alle Staaten untergehen muffen
unb eine rein geiftige Axrrfchaf t , bie Das erfte golbene Zeitalter
toieber heraufführt, eintreten werte: bie Unioerfalmonard)te bes
Nl$aptttums. Dieje hat er in einem eigenen $ßerfe neu ^u begrünten
geiud)t unb babei namentlid) and) gegen -Dante polemifiert. Dod)
icheint biefe „Uni»erfalmouard)ie bes ("'hriftentums'' nie oeröffentlidu
toorbeu ,ui fein.
Um fo größeres Anflehen erregte ein unteres ^erf, in beut
er ebenfalls bie Beweisführung lUaccbiaoellis mit Der mittelalter*
lidjen ,>bee ter Uuioerfalmouard)ie \u oerbinben trachtete: Das
berühmte 55ud) übet bie fpauifdje Monarchie. (*s waren feine
auperen Wicfftchten, bie ihm bie Feber in Die A>anb gegeben hätten,
um Das ^olf nt uerherrlidxu , Das er bod) im Grünte als ben
llnterbrücfer feiner .Heimat bafne; es war auch nicht allein bie
:Kefiguation, bie einmal oorhanbene fpanifdje «wrfdjaft fo oiel wie
möglid) nun Wüten für Italien ;u wenben obwohl biefe Er-
wägung ftarf mitgeiprochen hat uub fid) in beut Stiche oft ändert - ;
es war tu erfter l'inie bod) Der fai$iuiereube :H'ei}f beu Das
ichwiubelnbe (*mporftreben ber l)aböburgifd)en Weltmacht in beut
'.Wörnern ihrer größten Ausftdjteu, auf einen phantaftevollen Weift
ausübe. Unb Deshalb be^eidinet (iampanella's ipantfd)e lKonard)ie
Den geütigeu -^öhepimft Der Gegenreformation. 2d)iiftftellerifd)
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itjonmo (Sampanellü
ift fic unzweifelhaft feine beroorrageubfte ^dftmuv Seine
gabung, ben ©eift balb in Öie »vernc ;u leiten, bie weitcften Aue*
ftd)tcn 311 eröffnen, balb il)n in bie irunc 3itfainmen,$u Riehen, öae
(rinjelne 311 erörtern, zeigt ftd) l)ier uon ihrer gläuzcubftcu Seite.
v>iftorifd)e Cvntmid'elung, Vergleid)ung, praftifdje Matfdiläge wedjfclu
beftänbig mit einanber ab. IV it unerhörter ?)iürffid)tolofigfeit gel)t
er ganz im Sinne bee Staates, bem er bie $>ege weifen will, uor:
er tabelt es ausbrütflid), baf; Atari V. Vuther in 3i>orm* bao freie
®eleit gehalten fmt. £ie anbeten Nationen eridieinen ifnu metjr
ober minber letd)tc 23eute, er wägt bie (rbancen ab, bie fic für
Spanien gemähten, fei es, baf? fic unterworfen, fei co, baf; fic ab^
gängig gemadjt werben; aber ebeufo fel)lt e* nid)t an fdiarfer .Stenn*
Zeidjnuug ber politifenen nnb finanziellen, felbft ber militariidien
ed)Wäd)en Spanien*. ;au ben 'lagen oor bem ituebrud) beo
breifeigjäbrigen Krieges, als bie karteten eiuftwetlen einanber auf*
lebbaftefte mit ber >yeber befämpfteu, l)at bas i<ud) als bie wahre
Enthüllung ber $bftd)ten Spanien* bei Areuno nnb ^eiub ge-
golten. Tie &enigften wußten wohl, batf ber, weld)er es ge-
fchrieben, in einem ipaniidjen Atcrter id)inad)tetef naeftbem es mi|V
Inngen war, tt)it 311 lobe 31t martern.
Eine eigentlid)e Verleugnung feiner fonft au<<gefprod)eiien
ftnmbfäfee fann man bie ipaniidie Wonard)ie nid)t nennen.
$?äbrcnb er bie UnterDrücfung ber .ftcfcerci prebigt unb in iljr
eine Hauptaufgabe ber Spanier ficht r vertritt er ebeufo energifd)
bie Freiheit ber Siffenfdwft. iSv giebt 311 oerfteljen, bafi bie
lutberifdn' Scftc ein ^roouft ber alten Sdwlaftif unb bes .fynnaniä»
mus sugleid) fei, unb glaubt and) oou biefer Seite bie flatur*
Philofophie alä gefahrlos unb uühlid) empfehlen 311 fönneu. (rr
eifert gegen baS Staatsfird)entum Spaniens unb forbert bie oolle
Selbftän bigfett ber fird)lid)eu Gewalt im Staate; ja er beutet au,
oaf; Meie fpauifdie Wonardiic bodi and) nur ein Ubergaugsftaoium
barfteüe. $?ir iahen fd)on, baf; er 311 gleicher ßeil nod) einen
ganz oeridiiebenen Staarsgebanfen hegte, baf? er mit ihm tu gan^
anberem Sinne Cvrnft mad)tc, unb oaf? er über ihm 311111 Wärtnret
würbe: ben (Mebaufeu bes Sonncnftaates.
^.n biefer (rpod)c gewaltiger (Währung ermadjt immer wieber
ber ^uufd), ein Staatsibeal zn entwerfen ohne alle ?Kü(fftd)t auf
bie hiftoriidicu unb iuriftifdien ^ebingungen, mit bereu (ritt»
mirteluug fid) bic fonftige politiidK ^iffenidjaft abmühte, sticht
»;•
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•v t (rberbarb Oiotbrin
umjonft itanb hier Da* gröpte ^eifpiel oor klugen : Wato* 3taat-
Unb ba lieh burd) bic C*ntbectuug neuer Helten nict)t mir bei Sölicf
erweitert l>attc, fonbern aud) ber ^bantafie freier Spielraum er=
öffnet war, fo fanben bieie £taat*romane gleidjfam aud) einen
geometrifd)en Crt. Ihoma* Worn*' Utopia hatte Den Zeigen er*
öffnet; in bieiem gciftooUften *ierf Der englifd)en 'Kenaiffnnce ftnb
Chnft unb 2cnen, bittere catire, launiger >>umor, abfid)tUd)e
i>araboren unb nüd)tenie pvaftifdic :Katid)läge \u einem untrenn*
baren (Manzen ocrflochten. Ivr dftt>etifctie Wen bieie* fleineu
Juwele wirb baburd) nur erhöht; aber felbft mit .oilfe jeiuer au*
bereu Äußerungen, wie fie namentlich in feinen Webichten oorlicgen,
ift e* bod) nur teilweise möglid), hinter Worue mahre Meinung
311 fommeu. «öat j. V. ber Wann, ben bie fatt)olifd)e .Hircbe al* einen
Wärtnrer it)rer £ad)e oerehrt, wohl geahnt, bap fein graubiofe*
Vilb oölligcr MeIigiou*freiheit oon ber ^»u fünft burchgefürjrt werben
würbet Jn It)oma* Warn* liegen Csimpauclla unb 2wift gleich*
tmifug angebeutet.
Ta* oor altem unterfd)eibet feinen ilalieuifcrjen ^iadjfolger
unb $emun Derer von ihm, bau c* biefem mit feinem dornten»
ftaatc bitterer Crnift war. (üunpanella hat nid)t nur feinen (5alabrefen
lüium gerebet, fonbern and) an* bem Wefängui* bem Äönige
oon Spanien mit an bereu i^rojeften biefen Vorfd)lag gemadjt.
Oiue Stabt wollte er ihm bauen, bie eigen* ^ur leichten C*r*
lenumg unb rafdien Vermehrung ber ^ifjenfdmften eingerichtet
fein follte. <\\im Überfluß hat er bem ^onnenftaate aud) eine
Verteibigung angefügt, in ber er fid) mit ben Cnnwürfen na*
meutlid) mit Denen gegen bie Aufhebung, ber Cr he au*einanber*
fefet. Crr macht hier iogar ben fühnen Verfuch, bic C^jriftlidjfeit
eine* fold)cn Unternehmen* 511 ermeijen. ^umal bie neuentberften
Vau ber jenfeite bee Weeree fdjeiueu ihm ein erwünfd)te* Ver>
jud)*felb.
Ter vsonuenftaat tfampaneUa'e trägt weit mehr al* bie
Utopia be* Irwina* Worue bie ^üge ber Watonifcheu Wepublif.
Ter CntglänDer hatte ein einfache*, tapfere* iVaturrwlt barftellen
wollen. (y* geht bind) feine 2d)rift fd)ou etwa* wie bie fenti*
mentale 2el)nfud)t nach bem ^iaturuiftanbe, bie erft bem In. Jahr*
huubert ^111 fceibeuichaft werben follte; ift bod) einer feiner wefent*
lid)en Vorfchläge, baf? jeber Bürger jeitroetfe uir ,velbbeftellung
^urürffehren muffe; unb wenn irgenb eine lenben^ in ber
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St)oma* (<anu>anellct
Hto^>ia ole bie beljerrfdjenoe Ijcrooi gel) oben werben foüte, fo müftfe
man fte eine agrarifd)e ^arteifenrift 31t (Munften bec« ^urücfgcbräugten
23auernftanbee nennen. I>er Italiener Dagegen ftefyt ganz auf
bem 33oben bei* fiäbtifd)en Jflilbting, bie feinem s^olfe mit bem flafji*
fd)cu Altertum gemeinfam ift. 9Jiöglid)ft grofje ftäbtifdje Aloisen*
tration ift fein burdjgeljeuber Wcbaufc; beim nur bei einer fold)en
ift eine ooUftänbig oernnitftgemäfcc, fd)ematiid)e (Mcftaltuug bei
(Mefellfdjaft moglid). Tie umljerliegenben Dörfer finb nur 1111-
bollfommene 3lbbtlber bor 2onneuftabt. fair il>n mie für Wato
ift bie t)ierard)ifd)e Regierung Äronc Dcc Wanden, roäljrenb IKoru*
fogar auf bie ^öeid)te einige mifcige 2lufpieluugen macht, über bie
bie .ftirdje mol)l nur in 2lnbetrad)t fetneö (rnbee gnabig ein Sluge
Zugebrürft t)at. AÜr bie .ttenntnie ber ^iffenfdjafteu mar in Der
Utopia bodenbi? menig :)iaum gelaffen; mo ber ^erfaffer auf
fte $11 reben fommt, gefd)tel)t e*, um unter ber N)Jiü8fe Des natoen
Urteilt ber Ijalben s3iaturfinbcr einige fatirifd)e .'öiebe aufzuteilen,
^ür C5ampanella bagegen ftel)t mie für ^Iato feft, baft nur in ber
Leitung bee Staates burd) bie vBiffenfd)aft feine 5>ollenbuug be*
ftefje. 2o finb benu bei aller äußeren flf)nlid)fett bie beiben
£taateromane in tr>rcn eigentlichen 21bftd)ten oöllig oerfdnebeu ;
aber and) oon $lato mirb tfampanella burd) fein entfd)iebence
bemofratifd)ee ^efenntnie getrennt. Darin beftel)t fogar eine
d)a rafteriftifd)e (5igentümltd)feit feinee £onnenftaatee, ba& er bie
Arbeit ot)ne Unterfd)ieb zum ftuubament ber $efcltfd)aft mad)t.
@r möchte ben gröberen .^anbarbeiten, mie beuen beo 2d)miebcf,
um ttjree allgemeinen "Jiu&ene miflen befonbere Gtjren zugebilligt
troffen. S3ei feiner Fommuuiftifd)eu Slrbeiteorganifation fdjeint
tlnn fd)on eine minimale Slrbeit^eit oon f> £tunben aueteidjenb.
Jmmerl)in ift (5atnpaueUa'et ^onuenftaat, alö politifd)e Cr*
ganifation betrad)tetf nicht betontere originell unb untertreibet
ftd) menig oon allen übrigen fommuniftifd)en Atonftruftionen.
Siebenten b jebod) ift ber fünftlerifdje H»g unb maljrljaft prophetiid)
feine Jbee oon roiffenfd)aftlid)er Crganifatton. Die Zulage ber
€onnenftabt ftellt gemiffermafien bie ibeafe (Etabt ber italienifcbeu
Sienaiffance bar; ber (Mebanfe bee bu rd)gcfül)rten (Sentrnlbaue
beljerrf d)t fte. Sin einem fünft auffteigenben 33erge roerben fallen
über fallen getfjürmt, bae Wanze gipfelt in bem Kuppelbau bee
€onnentempele, ber zitgleid) ale 2ternmarte bient. 2luf bem ein*
3igen 5lltar ftnben ber .öimmeleglobue unb bie C?rbfugel ihren Wafe.
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(*t»crljart> (_*otl>eiii
Sieicv Aufbau bcr Stabt tft mgleid) ein £innbilo bce
Aufbaue bcr ^if(cnjd)aften, bic in bcr IVattjcmattf gipfeln, um
in erweiterten .Hreifen ftd) nad) aufsen 311 bchnen, je mannigfaltiger
ifjre (^egenftäube werben. Jene fallen, weld>e bie fonjentrifeben
^Hiuge bcr 2tabt fdjeiben, bienen suglcid) ale Wnfeen unb 1'eljr*
auffalten. Turd) boe Auge unb gleidjfam fpielenb wirb bcr
Bewohner bcr 2onnen(tabt neu einer $3iffcitjd)aft 3111" anbern in
ihrem rationellen ^ufammeubana. gefuhrt. s)JJit einem AMnweitf
auf bie Icdmif, weldjc burd) wiffenfd)aftlid)e (hfenntute neue
^aturfrafte in beu Ticnft bee O.Vcnfd)cn (teilt, id)lief?t bic merf*
mürbige 2d)rift. 2chon ben ^eitgeuoffen galt fic ale ein
liebenewürbigee Webtdit, bae C5amponoHa wie $ur Orholung in
bae ernfte £nftem feiner (Mebaufen cingcfcfioben habe mir
werben nid)t irren, menu mir in ihr toielmehr bae 2d)luBrcfultat
feiner }>l)ilofopl)ie erblicfcn, gerabefo wie in ber Sollte baojemge
Watoe.
Vuxi) biefe £d)riftcu übte (5anipaue(la von feinem .Kerfcr
aue einen allmahlid) madjfenben (rinflnf; auf feine ^eitgenoffen;
unb faft mar berielbc ienieite bcr Alpen jtärfer nie in feinem
^Nutterlanbc. rentfehc waren ee aud) 3umei(t, bic ftd) um feine
Befreiung bemühten, uamentlid) ein "iUitglieb bcr großen Äauf*
mannefamilie bcr <vuggcr. Jf)u aue ben Ueffeln bcr Spanier 31t
reiben, war aber nur eine einzige s))iad)t imftanbc, bie bce i^apft»
turne, Jm Jal)rc h;oo hatte i^apft (5 leinen* VIII. feine 3'er*
nrteilung beftätigt, faft jur gleichen &it, ale OMorbano ^runo
ben 2 djeiter häufen beftieg; jetjt nad) '21 Jahren befdblop i^apft
Urban VIII. ihn 311 befreien. ,£nrd) eine Vifr gleich ber bee
^bnffeue in ber £5hle bee *l>olnphem fei ee it)m allein moglid)
geworben, bem Werfer 311 entrinnen", meinte (>ampanella fclber.
Tcv sl>ap(t forberte fo icheint e* ben gefangenen
^hilofoptjen oor bae Tribunal bcr Juquifition, unb bicfein 39c*
getreu fonnten bic Spanier feinen ^iberfprud) entgegenfefcen.
£0 würbe beim ber Apparat bcr Jnqnifttion aud) einmal
fünften cinee unabhängigen Meutere in Bewegung gefegt, ßinn
£d)ciue würbe (iampanella 11 od) eine 3eit lang in freier .sSaft
behalten, alebann freigcfprod)en unb alebalb in bie Üenftc be£
inipftee genommen. £old)e 2d)irffal^wed)fel waren bamale in
3iom( wo bei beu rafd) wed)fclnbcn i^ontifttaten bae Wlücf wie
im i'otterieipiel fidi änberte, nid)te feltence. i^apft Urban VIIL
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Iljonta* («anuiaiiflla
5*arberini aber hatte ba* jctnc begonnen mit ber 2lbfid)t, ber
aröfcte Wäeeu bev (belehrten, ^unial ber mächtig aufftrebenben
9toturmiffenfd)aftf \u werben, Mc gleiten bev 9)iebic<üer mieber
herauf jufüfjren — ; er enbete es mit bem ^rojeffe ©alilet'ö.
3nnöd)ft mar il)m ber "Wann, ber ber entfd)iebenftc 9iutur*
pt)ilofopf) "nb ÄleriFale sugleidi mar, l)öd)ft millfommen. Jvür
l'ampanella felber muffte |ld) aber hieraus eine falfaV Stellung er-
geben. (*e mar boef) eine Arbeit, bie feiner »öllig unmürbig mar,
menn er einen lobpreiienbeu Kommentar ;,u ben fd)Ied)ten l>>ebid)ten
bee i>apftee oerfaf?te, mod)tc er ihn aud) als [einen &*ohltf)äter
öeretjren. Unb menn man ftd) in SHom aud) für feine ^>r)iIofopf)ie
intereffierte, baran badite man uidit, ihr neben ber £d)olaftif,
bie nun einmal eine ora.au ifierte Stacht unb nicht bloe bae -th?elt*
bilb einee geiftreid)eu Äoyfee bebeutete, einen %\a{\ einzuräumen.
C'ampauella fah |ld) fogar genötigt, bie sMuegabe feiner 2£erfe, meld)c
bie bentfdien Jvreunbe oeranftaltet tjatten, 511 oerleugueu.
(*r mar in ber laufen Äerferhaft bod) mürbe gemorbeu;
ale bie Pflicht bee Reifen erschien ihm nun nid)t merjr, rücfiid)teloe
überall bie 2*>af)rheit ui oerfünben. (rr fd)itbert einmal bie Reifen,
bie entflohen maren, ba fte ihrem ^olfe aue einer ÄonfteDation
^ahnftnn broheu fahen. Juriirfgefehrt muffen fte fid) bem tollen
^olfe fügen:
2ie faljcn ju ber Thoren Vcbensart
2td) nun gelungen, um ben 5 ob \u meibcn,
Ta bort bem Jollftert Äönigöroürbe rooTb.
£te müffen im geheimen ftd) befcfyeibcn
S^erftanb 311 haben. 2So ba* Stolf ftd) fdjart, *
3Ru§ man bie Sollfjeit billiaen unb leiben.
Jn folcher Stimmung crfd)ien ihm bae ganje Veben al*
eine Äomöbie, unb bie Aufgabe bee< ^in^elnen, feine Molle gut
311 tyielen:
Csm 2£elttf)eater foielen mir ma*ftert,
JfiMr Seelen, bie in Körper ftd) oerfleibet,
9Uo Cdjaufpiel höheren JRängen jubereitet,
$*on ber 9?atur, ber 05orte*fraft ftaffiert.
^on jebem mirb *ne JHolle aufgeführt,
Tie oon bem einen ?lft (umt anbern fdjrcitet,
Tie Uli? burd) ^reuben unb burd) £ualen leitet,
SNe'd bae .<^möbien.£cmtfml*buch biftiert.
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(*berbarb (»totyetn
Sit rotffen, fönncn, rooüen uid)t6 Dollbringen,
9ltd)t6 bulben, was nidjt croige SciS&eit wolle,
2)ic frob,, baü 5111 mit 'Jreube burdjbrtngen.
Unb wenn bae 5>ptel nun enblicb, aus*, baö tolle,
3öenn (Srbe, ÜJtcer ben sS?aöfenfpuf oerfdjlingen,
X»ann jeigt fid), tuer fie gut gejpielt, bic Slolle.
rieemal fonnte er feinem £d)icffal banfbar fein, batf il>n
auö einer unhaltbaren 2age miber feinen Sillen befreite. Tie
Stataftroplje $alüei'* jog aud) it>n mit ftct). Oiod) am? feinem
(Mefängntö rjatte er eine Wertet bigiutg (>)alilei't\ alö beffeu An*
gelegculjeit jum erften %Mtal jur ^prad)e gebrad)t worbeu mar, tu
bie Seit gefanbt. Sir farjen, bafj er felber nid)t alljubiel von
©alilei jn lernen wußte; nur memo, rjatte er feinen fpehtlatiueu
etanbpunft, wonad) er $wei Gentren ber Seit, eineö ber Sänne unb
ßiebe, bie dornte, unb eines ber .Halte unb bee «paffe«, bie Grrbe,
annahm, mobifaiert; aber jene derlei btgungeid)rift ift Dem un*
geadjtet ein btaleftifdjes Weiftermerf unb bae Öebeutenbfte , wae
in bem ^ro^ef} bei? großen itynfifere überhaupt gefd)tiebeu worbeu
ift. Wd)t um bie Md)ttgteit beä fopetnifauifd)en 2nftcmo Ijanoelt
e* fid) babei für il)it, fonbern um bie *reil)eit miffenfd)aftlid)er
Untcifudjuug unb um it)r $erf)&Itm* jnr Religion, da fiitb bie*
felben Probleme, wie fte bann am Gnbe bee 3al)rl)uitberte ^pino^a
im tt)eologifd)*polttifd)eu Iraftat bcrjanbelt tmt, unb würbig reirjt
fid) bie Apologie Otalilei'*, foweit mau eine (belegen tjeitsldjrift
mit einem fritifdien Weifterwcrf bei Weletjrfamfeit Dergleichen fanu,
biefem au.
(Sampauella uerfod)t l)ter 2äfce wie, baß weber ^ofee nod)
Csefue 4>ljnfioIogie unb Aftronomie offenbart Ijaben, fonbern $ott
bie Seit ber Uuterfudjuug ber v))ienfd)eu übergeben tjabe; er be*
ginnt mit einer .ftritif ber Iragroeite unb ber ®egenftänbe ber
Offenbarung. Gn weift nad), baf} grabe bie d)riftlid)e Religion
bie (Mrenje jwifdjen "Offenbarung unb Siffen ftreng geaogen Ijabe,
unb baß fie beöljalb allein iljreu (Gläubigen jebe Siffenfdjaft frei
gebe, (fr ^eigt bie Iljorljeit, weld)e bie .Rirdje begerjen mürbe,
wenn fie fid) mit einer uatunr»iffenfd)aftlid)eu 3luftd)t folibarifd)
erflärte, wätjrenb bod) bie gan$e "3{aturmiffenfd)aft uod) in i t>ren An*
fangen fei. G*r mamt freilid) oergeblid) -: ,Senn nun (Malilei
ftedjt behielte, weld)c 23efd)ämung, weld)er 2d)aben für bie Äirdje."
91a d) bei (Erörtern ug biefer prinzipiellen tragen fürjrt er einen
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il)oma* (>ampüncltü
glänjenben tyiftorifdKn $emeio: Tie Mird)e in ihren berufenen
Vertretern t>at mit ihrer N.Maturauffaffnng befteinbig gefdjmauft in
fingen, bic nid)t min Der wichtig fiub ale ba* fopernifantfdie
Snftcm, unb fic Ijut Den Wioerftanb fdjlieplidi aufgeben muffen,
(fr führt Veiipiele, wie tue ^et'ämyfumi ber Triften} oon Auti*
pobeu, nue bie nerjd)iebenen Aufdwuungen oon ber Oiatur bed
Oimmetegeroölbee, A»m $eroeife au. £a$ t f t nun freilich mieber
ber echte (5ampanella, baf; er mit allen fluten Argumenten ftd)
nicht genug gethan hat uub and) noch bie fd)led)ten bringen muß:
nachbem ber Safc feftgeftellt ift, Daf? bie $ibel, ohne an ihrer
religiöfen Autorität ctma* einzubüßen, laubloitficie naturmiffen*
fchaftliche Irrtümer enthalten tonne, bringt er ee trofcbem mit allerlei
fritifd)en Äuuftftücfen 511 Wege, baf; Jofua am (*nbe bod) uid)t
ber Sonne befohlen tmt, ftill jui fteheu 11. f. 10.
Aid er bann bie Ateibeit miebererlangt hatte, fuüpftc fid)
ein freunbfehaftlicher Vertebr ^roifcbcu ihm nnb (Galilei an. War
boch auch ber j^rofte Schöpfer ber moberuen Dia tu rroif fe 1 1 f ct)a f t im
Hrunbe feiner Seele ein t5bilofopl), aber ein f olener, ber fein
Kenten im Jügel ;u halten mußte uub fid) oon jebem Schritte
JKechenfdiaft ablegte, aud) er ein Stücf Tiditer, fofern ber
bialeftifd)e renfpro^eß gern bie aufdjauUche bramatifdie Weftalt
bei il)m annahm. (*ö mirb berichtet, rote er einft Üampauella
gegenüber bemerft habe: Jljm fd)eine unter allen ^npotbefen über
bie (fntftehung ber Welt bie bee .sSeraflit am mahrfcheiulichfteu,
baß alle £iugc urfprünglid) in einem feurigen, b. t). gasförmigen
^nftaub fid) befunben hätten, (fifrig beftanb uufer Wnlofopt)
barauf: (Malilei muffe biefen (tfebanteu metter aueführen; aber
biefer lenfte fofort ein: (*r lege Wert barauf, baß nicht be*
miefeue Wahrheiten burd) eine einzige uu bemiefene önpottjefe, bie
barunter gemifdjt fei, biefrebitiert mürben.
(5ampaneltn fdjeiut aud) jener *reuub geioeieu w fein, ber
(Galilei, au? er fieb fchon in :Kom befaub, oor ben Umtrieben ber
Jefutren, allerbingi? ui fpät, marnte. Unterbeffen hatte ftd) ber
Sturm über (5ampauella'e eigenem Raupte ^ufammengejogen.
£ie Verhaftung <*talilei"e hatte ben bigotten i<öbel töom«, mehr
ale mau beuten follte, aufgeregt. In fudjte ein anbere* Cpfer,
einen *Diitfd)ulbigen. £te Spanier, unoerföbnltd) mie fte maren,
bejeelt oon einer inftinftioen Aurdjt oor Dem neapolitantfd)en
Genfer, h^ten gegen ben Atheifteu. tfampanella rettete fid) mit
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«MI
l.*bfrl)orb («lUbeiu
9Müf)c »or beut Iiimiilt unter ben 2d)nfc fror fran$öfifd)cn We-
janbtichaft. Hopft Urban aber badtfe ieUt unter fo veränberten
llmftänben nicht baran, etwa* für ihn *u thun. Wan mar in
JKom aufrieben, if)n auf flute Art loo ;u werben. 2eine flucht
aue ber ewigen £tabt hat nidtf* Iragifchee. fo viel Sorgfalt er
auch barauf verweuben nullte, ben 2päherblicfen ber Spanier }u
entgehen, Irr war fogar mit einem (*mpfehlnngebrief ber päpft*
lidien 3<epotcn auegeftattet. Auch ipäter hat ihn :)iom immer
glimpflich behanbelt. teilte Schriften haben im [s»ber nur eine
leichtere }?ote erhalten.
(re ift wie ein £t)mbol, baf; ber Wann, ber auf lange Jeit
hinaue ber lebte pbilofophifdie Tenfer Italien»? blieb, feine ^u*
flucht in Aianfreid) fud)te. 2lud) bort war eo $war im *Hugenblicfe
nicht geraten, fiel) offen \n Wnlilei su befennen, aber biee erwartete
auch niemanb von (5ampanella. Wrabe bei (Malileio fraulichen
^ewunberern fanb er frcunblidie Aufnahme uub AÖrbernng, unb
»on ben Philosophen Atanfreiche würbe er freubig willfommeu ge*
tyeifuui. 2lud) C5ampaneila, fo cnergifdi er oon ber alleinigen
Ittichtigfeit feiner ?lnfid)ten überzeugt war, verhielt fidi bod) höd)ft
tolerant gegen anber*benfenbe Wttftrebenbc. C?r hatte fid) in ber
Apologie (Malilei o nicht gefcheut (Miorbano Brunos ehrenboll \u
gebenfen; in Aranfreid) »ertrug er fich red)t gut mit Waffenbt..
£o wenig er beffen epifuräifcheu fttoiuiömue billigen mochte, fo
fehr fühlte er ftch mit ihm »erwanbt burch bie ^efämpfung ber
ariftoteIiid)eu vidiolaftif unb bie Verwertung ber x)ia tu rwiffen»
jd)aften. Jviir einen anberen franjöfifchen (belehrten Gabriel
9taubäiie »erfaßte er bamalo eine func Autobiographie, met)r um
feine geiftige (*ntwictlung unb bie Reihenfolge feiner Schriften
nlo um feine abenteuerlichen 2d)irffale flanulegen.
-Tiefe legten Vebenefahie in Aianfreich »erliefen ihm nicfyt
immer forgenfrei; unb manche etwa? fleinliche AUage fpricht auö
ben Briefen jener tfeit; aber fie waren bod) innerlich unb aufteiltet)
ruhiger für ihn ab? alle früheren. (rr gewann noch bie Wufje,
feine vJJcetaph»ftf völlig autsuarbeiten uub in ihr bie (Mamtheit
feiner Gebauten fnüematifcher, ale er e* in ber :Keal4;hilofopf)te
gethan hatte, 311 entwicfeln. ?aö -Jntereffe, ba* mau ihm entgegen*
brachte, war nicht gam frei »ou Neugier. .Honig i'ubwig XIII.r
ber immer gelangweilte Monarch, mochte ben feltfamen Schwärmer
am? einer anbern s™elt gerne leiben. O'nmvauella hat noch fur$
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3l)nma« (tampanclla
91
per feinem lobe feinem ^ofmec, beo ipätereu l'ubiptg XIV., Webnvt
mit einer bid)teriid)en ^roPlK^eiung begrüßt. $*enn ihm aber
and) Richelieu feine $Uifmcrffamfeit iefoenfte, fo galt fie bem
Wanne, ber tvoti aller phautaftifdieu 2d)riillen im einzelnen bod)
im galten ber beben tenbfte politifdje £d)riftfteller feiner ;{ett mar..
SHidjelieu fall ßampanella fogar uim vl>mfibenten ber nengegrün beten
Slfabemie nueerfetjen haben.
So leuchtete bem ?lbenb biefee ftürmifd) abenteuerlichen Vebene
ein milber stern, unb (Mmpauella modite ftd), ale er in i^arie
im Satire Ki:i9 ftarb, mit bei Hoffnung tragen, baf; feiner
^l)iIofopt)ie ein properer ßinflup befenieben fein roerbe, alö
bann tf)atfäd)ltd) boch ber £all getoefen ift. 33?enn bie Überzeugung
oon ber ©röfcc ber 3iele bie ^orbebiugung jeber bebentenben
Seiftung iftf fo b,at er fie ipeuigfiena pollauf erfüllt, (rr hat,,
mie faum ein anbrer, bie ^rof;c ^eibenfefjaft nid)t nur feinet
ionbern aud) noch bei? nächften Jal)rf)uuoerte in fid) getragen:
bie 2£elt rabifal itmgugeftalten naef) bem ©ebote ber Vernunft.
Wan mag ben l)6d)ften 9!it8brurf biefer (fmpfinbiing in bem 2onett
erblicfen, mit bem er bie smeite ÜMttc bee ^aternnfere erläutert,
jene 3Mtte, in ber fid] einft bie t)6d)ften Gnroartunaen bce Ur*
cfmftentume anegebrneft l)atten :
Äetprt ,uiv Vernunft! Tann fönut it)r innig beten:
„Cfö fommc uno betn föeid), barin beut Stfillc
„iHiif (*rben mie im £tntmel fid) erfüUe,
„2$o afleä reift, roaä mir in Hoffnung fäteu."
Unb oor ber Xidjtev ?luge mirb bann treten
Tie golbne ^ett auo bnnfler -Jufunft .püllc;
£as Unfdwlb*alter fef)rt, in heiliger £HUe,
Csn frommer Kraft, um bas bie bitter flehten.
Xann freut ber Wlofoph ftd) jeneö 2taare*.
Ten er befd)rteb als befte Stepubltf,
Um ben bie (rrbe immer nod) betrogen.
3tuf Bion flauen, frof) beo Wottesrateo,
$ann bie Propheten ^örael im £ieg,
*ret, mie es am lumpten etnft aejogen.
Ja, bae finb .fie, bie *>orte bee ^afwee. Pon benen
linier größter p^ilofopf)ifcf>er $td)ter ftngt, bie Hoffnung auf bie
golbne 3eit, auf ben £ieg bee CMuten, auf bie flllmadtt bet
Vernunft:
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(ybetbarb (tiotfjein, Sljomac GtampaneUa
2ie Italien Derqebltcb, fie flinken leer,
2ie fönnen nic^t Reifen unb rröften!
2lber, ob aud) ©orte beo 5i*al)nee, ee fiub „bebeutuna**
fc^mere %oxtc im 9)}unbe ber Wüten unb 25eften-; unb in bie
5Retl)cu bider roirb man aud) ben lefeten £id)terpt)ilofopl)en ber
SRenatffauce in Italien einorbnen bürfen.
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inknkn ^ittefaftcr.
Tom lierausgrbcr.
;\n meiner „$efd)id)te i>ce benrfdjen ©riefee* Jjabe ich \u
jeigen oerfucht, tute man bie ©riefe ber Vergangenheit ale Beug«
niffe ber geiftigen, gemütlichen nnb gcfeltfchaftlichen ßntroicfclung
unfereö söolfeö benufeen fann. £ie £uft nnb i^iebe 311 bieler
Slrbeit fteigerte lief) bei mir in Dem "JJiafje, ale ich immer mehr
fah, eine mie töftliche fuItur^iftorifcf)e Quelle biefe alten i*rioat*
briefe maren, an benen man bieljer oorübergegangen mar, roenn
fie nid)t irgenb ein politifchee ober litterarhiftorifcheä ^ntereffc
hatten. jReid), faft 311 reid) ftrömte mir bieje Quelle Dom fteb*
ahnten l^af)rf)unbert ab: auö früherer tfeit hätte id) oft gern mehr
gehabt, .«pter nerbanfe ich ocn £anptfd)ak oon ^rioatbriefen —
offMieüe ©riefe, politische ©erichte u. f. m. finbet man übergenug in
jebem 2trd)to beu Sammlungen bee (Germanischen ^iationul-
mujeume in Dürnberg, ^picr fanben fid) fdjon ane ber ßeit bee
allmählich ftärfer beginnenben bcurfchen ©riefoerfehre, ane bem
l,r>. Jahrhunbert, bentfaV ©riefe, roie id) fie fnchte: ©riefe ber
ftatnilie, ©riefe bed ©iirgertnme. £0 erft n»ar ee mir möglich,
ein oolleree ©ilb $u zeichnen, ale e£ mir nur nad) ben i^inat*
bricfen oon dürften nnb großen Herren, bie ja zahlreicher erhalten
finb nnb an fid) — ich erinnere an ben ©riefroechfel bee Wibrecht
2ld)iUee unb feiner ©emahlin ~ \)ö<b)t intereffant fein tonnen,
möglich gemefen fein würbe.
tiefem reichen Material bee Nürnberger 'Dfujeume ftnb auch
bie nachfolgen ben bentfd)en <yranenbriefe entnommen, bie in ihrer
Slrt fehr intereffant ftnb. v^n ihrer 9lrt! Tenn intereffant in
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94 Oteorg 2teiitt)ait|cu
Dem sinne, wie man f)eure düii einem intereffanteu grauen»
briefe tyrid)t (baju gehört s4>Iaiibcrtaletitt wie eä bie €6oign6 unb
£ije £otte gehabt Imben), finb fie allerbinge nid)t. ©erabe bie
rtrauenbriefe ber alteren ^eit geigen nod) mehr Ungefd)itf nnb
llnberjolfenrjeit ale bie ber s])iänuer. Wod) im fteb3er)nten C>al)r*
bunbert, ale öer "iVann fdjmülftige .ttomplimentierbriefe mit lang«
atljmigeu Äanjleiperioben fcfjrieb, fjaben bie $raitcnbriefc bteje
naioe Unbefyolfentyeit. 9Wan fprad) bamale oou „unförmlichen
Beiberjcrjreiben- ! ?sd) habe auf (%unb bieler ftrauenbriefe bee
IT. '3al)rl)iinbertä ein ©Üb oon ben beutfd)en grauen biefer «Beit
früher einmal gegeben. ^ic diaraFteriftifdje llnbebolfenheit
3eigt fid) natürlid) nod) ftdrfer bei ben oorliegenben Briefen.
Namentlid) bei ben ©riefen weltlicher grauen! Wan lefe unter
ben nacbfolgeuben ©riefen bie beibeu Don ber sufanne hinter.
Bie auperorbentlid) ungefchirft nnb fdjretbungewanbt finb ftc !
Unb bod) Hingen .ftcrjenetöue aue biefen ftolpernben Korten bee
unglücflid)en Beibee, bae feinen IVann, ba ihm fd)led)t gef)t,
nid)t oerlaffen will: „benn id) wolt nirgenb lieber fein bann
bei ihm!*
©ewanbter, namentlid) aud) äuperlid) feböuer in ber (bcrjrift,
oft mit großen Initialen »eruiert, finb bie ©riefe ber geiftlidjen
grauen, ©ei bieten fällt weiter bie fpejififdje Färbung bee lonee,
namentlid) in ben Wrüfien am Anfang, fowte ein ftärferee fonoentio*
nellee (Gepräge auf. £od) Hingen une aue ihnen l)ier unb ba ed)t
natürliche "Töne entgegen, fo geicbmactloe itjre frommen liraben,
bie übrigene rein trabitionell finb, ionft bem heutigen IKenichen
fd)einen mögen. Namentlid) bie ©riefe ber ©rigitta ^ol^fdniher
(I unb IV) finb recht t)übjd) unb natürlid). sie mad)t aber bae
(%ftänbnie, aap fie gar nidtf gern )*d)reibt!
iHrt ber ©riefe unb ben ganzen Zon, ber in ihnen
l)errfd)t, möchte id) eben befonbere oeranfd)anlid)en. 2o ichreiben
'Stauen jener Jett unb geigen, bap auch für fie bae gilt, mad
man ale bae (cl)arafteriftijd)e ber ,vrauenbriefe ()infteüen barf:
Itngefiiufteltheit, frifd)e ^iaioetät unb Ajcrjlidjfeit. Ber biefe
grauen im einzelnen finb, fann une gleichgiltig bleiben. #s*ür bie
perjonlidje Wejd)id)te bctielben will idi t)ier nid)te beibringen, £ie
Situation, aue ber bie ©riefe gefdirieben finb, gef)t jebeemal beutlich
genug aue bem ©rief fjeroor. 2o habe id) aud) vermieten (?r»
läuterungen }ii Den angeführten It)an*ad)en \i\ geben, ftier will
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2ed)jei)n beutfdje ^cauenbriefe au* bem enbcnoen ^Jiittclalter 95
id) mir anführen, bafe Die beiden 3Jittbriefe Der siufanne hinter
(XIV unb XV) eine fefjr iinerquitflicbe s<!>eranlaffung haben.
Die ^interfdje $efd)id)te ipielt in beut $riefwed)fel, Dem bieje
Briefe entnommen finb, eine grojje Molle nnb enbet fcr)r tragifd).
Jn f leinen ßinjeUjeiteu finb aber aud) infjaltlid) bic Briefe
bielfad) beachtenswert!) : bae wirb fid) bem i'efer bei ber l'eftüre
ergeben. Sind) ber 2prad)forfcher mag hier nnb ba .Jntereffauteä
finben.
'8 riefe fleiltUrfiev Trauen.1)
I. -') (bor UHU.)
&ae beterlid) »ort, ba* ba geflapen ift auf? ber gnttifeit
Dee oatero in ben feiifjen*) leib ber junrffraw Maria unb menfd)
warben ift mit ber hoebften mortfung ber med)tigfeit go^ in ber
altertiefften bemutigfeit nnb fyochften armut, gelegen in ber fripen
nnb öon bei4) tierlein angepet unb geert bon bem"') treien funigen,
bar an er unft erzeigt f>at fein grope lieb nnb med)tigfeit, bi(j
miniglid) finblein oerleid) Dir oil guter jeliger uewer jar, alä
manchen jujjen mireid)cn,;) gebanefen er je gebad)t nad) bem Ijenl
menjd)lid)f} gefd)led)fj: bae unb alles gut nad) jel unb leib munf*
unb beger id) bir mit meinen armen gebet! freuntltdjer, lieber
ob,am! bein, aud) beiner lieben muter unb (jauftfrawen gefuntljeit
wer mir oon bereit red)t begirlid) oou eud) ,$u l)orn; bcö geleicfyen
wifi mid) per) gutem oermugen, aber bic Sitarbra7) ift nmber8) oagt
iwad), ich fjab mid) gan3 erbegen, ba* in ir lebtag fein gefunter
menid) werb, ber almed)tig got fd)icf ee ah> nad) feinem lob!
freuntlicher, lieber ofyam, id) pin leugft in willen geweft, bir 311
f abreiben unb fjab Dod) auf? nnfleifj inner oerlaft, wau yh fdjreib
nil gent: aber wie wol id) bir nit oft fdjreib, jo bergig id) bein
bod) beo minber gegen got nit, aud) ewer aller unb befunber meiner
M Die scbveibiucife ift bewahrt tubeffeu mit folgenben IHuönabmen:
0 ift, wo es* 11 entfpriefat. burd) u erietU; <\ ift regelmäßig buret) ], j ift,
wenn cö gletd) i ift, burd) i roiebergegei>en.
Tie (Eigennamen finb mit großem xnnfangtfbudiitaben a,efd}riebeu ;
bie "Hbfilr.mugcn finb auf gel oft.
-) xHno bem ^rieffaocifel an v.Viid)el ^etjaim III; feine Untrer
V tat hart u. f. tu. 14-s.s - i.*)io.
3i feufdjen. «1 unb :,i 2o ift e* getdniebeu. "1 miilicreid). T> $ar=
bara. -> immer.
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W» (*eorfl 2rcini)aiu"cn
l)cr3en lieben alten muter, Der ict) nimer oergife. id) gebend mir
oft, bae icf) fn nar9) nod) einmal oor trm tot folt feljen, bae mer
mir bie grofj freub! id) roeif? aber mol, batf fn alt unb jmad) ift,
bae nit mol über lont10) mag oara: barumb muß idj mid) fein
erwogen, id) roolt Ijalt ungern ein fo!d)fj begern, mu ee in irm
oermugen nit mer. id) fd)icf ir ein eoangelium jant jofwnnee, aud)
eine beiner Ijaufjframen unb beiuer bodjter 2uäa. aud) fd)icf id)
bir ein fintlid) gab, ein flein facenctlein n), unb pit eud)( ir roolt
ben miln für bie roeref nemen, man id) je nit pepere fyab: ee ift
mol ein nunen12) gab! bu roeift mol, bae mir nit pefjere haben!
nem mein pof? jd)reiben oergut, ba pit id) bid) nmb. meiner mirbige
liebe fram unb red)t getreme muter enpeut bir, and) beiner lieben
muter unb tyaufjfraroeii im freuntlid)cn grufj unb anbedjtig gepet.
bee geleidien enpeut eud) meine liebe muter unb aud) 3v>arbra.
fag aud) mein freuutlid)en gruf) unb arme gepet meiner Ijerjlieben
mumen, beiner lieben muter, aud) beiner fjaujjframen unb beiner
toditer £ucia. bamit befilf) id) bid) bem nero geporn hing unb feiner
lieben muter %'aria unb mid) unb alle meine gefioifteret in bein trem
Birgitta Jpolsfucnerin
in ^ilnreut.
2lbr.: Ttm erbern ireipen Wictjel 1>el)am ineinen lieben olmni
gebort Der prieff.
II.'3) (oov ober um MiM>.)
Wein arme unb aljcit millige gepet fen bir auf? junftigem
fjerjen mit getalt an ftat einee jar fmintlidjen grup, Ijer^e liebe
nmm unb mutter! bein gefuntfjeit mer mir oon ganzen fjer^en ein
grope freub! bc$ geleidien loip mid) aud) pen glitten oermugen.
audi mifj bae mir ber furfj14) morben ift unb gefeit mir gan$
mol: ber almedjtig got banef bir gar frenntlid), bae" bu bie nw15)
mit gehabt fjaft ; unb id) pit bid) bu molft mir bae gelt ba für
ui fdireiben fd)i(fen, VII. fl. unb ein ort"') auf bae aller eft, fo
bu fonft, loan ber fdjreiber fon fein nit geraten, nit mer ben
mein mirbige liebe fram, an ber id) gar ein liebe mutter t)ab, bie
mir alle Heb unb trem bemeift, unb aud) mein liebe mutter unb
"i nur. vanb. "i Safcrjentud) iial. fawolcttu. »*> Tonnen.
•3i ligl. Slmnerf. *2. "i Miclj ober Wurcrf. ' m ftatt mii, Wime. "M Ter
Picrir Seil, rin Viertel.
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£«t)jel)ii beuticfje grauenbriefr aitö bem enbenben Mittelalter
bie fmefter Färberei enptten btr irn freuntlid)en grufi. bee geletd)en
molft aud) Don mir fagen meinem lieben orjam unD feiner rjanfi>
framen unb and) bem ftimlein17) nnb bem l'ujlein18) unb bem
ganzen fwujj gefinb. ba mit beftlf) id) bid) unferm lieben fievn
nnb feiner lieben nuttter nnb mid) in bein muterlidie trero
Brigitta .^oI^d)ud)cvtn
bein liebe mnm.
;Hbi\: 2tn Vicu^art 1>ebammr meiner lieben mnmen gebort
ber prieff.
III.1"') 114%.)
\e)um (srjriftum, bei ein troft nnb l)ielf ift aller betrübten r
bic Hoffnung in in fejeu, munfd) unb beaer id) btr für ein trennt*
lidien gruft! rje^er lieber orjanm nnb »ater! men es? bir unb ber
fmefter unb beineu finben mol ging unb gefunt mert, f)ort id) allzeit
gern; bee geleidjen mifj mid) and) 1311110 gefunt unb ba£ ee mir
rooü get. gott fen gebanrft unb bir, bao bu mir bar ;u geholfen
fyaft! lieber orjanm, bein berrubtnu* unb mibermertigfett beiner
lieben muter {eiligen falben ift mir ein tremlid)t leib unb unfern
roirbigen lieben mutcr unb bem gan^ couueut, unb Ijaben ein groß
mit leiben mit bir. id) fjoff, in «ab ein gute fart tljun. id) pitt
ir unb bir oon fjerjen bandyer alle* ba* guten, baö ft) mir unb
all mein gefdjmiftreten getarnt f)at, got f et) ir eroiger Ion unb geb
ir* in gener melt mtber! id) roill got tremlid) für in piten. lieber
orjam, id) pit bid) freuntlid), bu mollft bir tut ant lofe20) tljun,
baft mir nit cre f)in ein (^u btr gefterft-1) fmben: mir l)ab nidje
bar trum gemift; ben am mitmod) 30 oor, bo bäte ein perjon rein
gejagt, id) meint nit, ba£ f« ah? palt geenben iolt Gaben, ee tjate
bie roirbig muter gar tremlid) bem conuent befoldjcn unb ift gar
Dil gepet für fn gefedjen. nit mer ben nnm mein poj; jd)rcib oer=
gut unb grujj mir bie fmefter unb bein jma tod)ter gar freuntlid),
unb unier mirbige liebe muter left bid) unb fmefter gar freuntlid)
gruben, unb froefter (*l£pet Wjamnn left aud) bid) unb fmefter
,7l X. i. ^oadjim. ,H| Vubtöig. '•') $gl. Slnm'.
a,l Über 3tntlafe, ogl. icfnncller, ^atjr. 11»örtcrbud) I., '2. xUufl.
läCMi. oid) finbc bort allerbingo eine bem 2inne l)ier Iber ja .etnfad)
ift > aanj entfpredjenbe iöebeutnng nicf)t angegeben.
-') geid)irft.
VWrtutft für ftuMurfle'rtudHe. I. ~
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Weorg, vgtetn^aufen
fleipig grupcn unb Clauen beiuer bctrubtnue t>albeu. nit mcr bcu
id) bcftll) bid) ber muter goteo2*2) maria
froefter T^orotijea £>ol3fud)erin.
iUbr.: IVm eriamen unb meipen Ijerrn lWd)el t^erjam,
bcm eitern, meinen Heben ofjamn.
IV.2») (nad) I UM;.)
Jefius (Styrtftu*, ber nero geporn füug mit allem troft freuö
unb ieligfeit, bie er unfe mit (einer gepurt ^eprad)t fwt, befunber
mit feiner traft mürefen ben fjeilfamen uainen Jefu am achten tag
aufgefegt in ber mtiern pitifeit-4) fei nee plut oergipen in bem
gefmarf Der füpifeit be* roeprad) unb galt feiner unergrünten lieb,
münfd) unb beger id) bir auf? grünt mein«? fjenen, }u einem guten,
feiigen genabenreid)en nemeu jarl fjer^c lieber olmm! baö ee bir,
aud) feiner lieben rjaupfraroen, beinern fuu unb freien bod)teru
mol gieng unb gefunt wert, mer midi Don tjenen erfremen. mifj
mid) unb mein iroefter $arbra i^unb and) gefunt; aber unfer mir«
bige, liebe fram ift nod) umer fmad); got geb bae ee fd)ier peper
roer, man mir je ein treroe muter an ir fjaben. fo t>at fi) oud) be*
fuuber lieb unb junft 4u bir. funt fi) bir lieb ober freunrfdmft
bemetpen, baö tfyet in gern, fn left bid) (*,umal freuntlid) gruben
unb oil guter feiiger nemer rar muufdjen mit irm anbedjtigen gepet
unb left bid) aud) freunblid) pitcu baß bu in feinen argen moltt
uemen, ba$ bir fein lerffueben oou ir fen gefdjicft morben, man
mir rjaben nod) fein gepadien, urfad) bae fu unb unfer idmferiu
fmad) fen gemeft. Areuutlid)er, lieber of)am, id) fd)irf bir ein Hein
raqeuetlein, pit id) bid) freuntlid), bu molft bipe fiutlid)e gab uon
mir in lieb aufnemen, mau id) bir nit pepere l)ab \u fd)irfen,
als id) gern ttjet. llnper mirbige liebe fram left bein liebe twufc
fram, aud) bein bod)ter ^u^ia aud) freuntlid) gruben unb ml guter
fcliger nemer jar muufd)en( bes geleiten mein fmefter :üitarbra.
aud) l)ab id) in innberfjeit jar oft an bid) gebad)t ber großen
feit rmlben, aud) oil getieft fjalben, bie bu fjaft, bae id) gelamb
"i 3nt Original ftebt itoter.
*\ 2>ql. flnmerf. J. X^tcfer mic ber iolgenbe Mrief ift atlerbina.*
berettö a,ebni(ft cJOTittlKtlungen bes Vereins für Oiefcbjdjte ber 2tabt
\Knrnbera., .peft *_>): ba fte aber aus bcrfelbeu 93ricifamntlnna. itamnteii,
»Die bie anberen, glaubte id) fte nid)t rocalaffen au follen.
-M in ber Wnnbeu = Mitterreit.
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Sed)aef)ti beutle $rauenbriefe aue bem eubcnben Tümlauer
bu nit fünft nit uil in Der ftubcn beleiben, ale Dir lcd)t oft not
wer. Unfer lieber Ijerr uerleid) bir fraft unb geiuntt)eit, bae ict)
bir in funber^eit bifte (jeilige 3eit oou got begert l)üb. infuubetjeit
weift id) bir t3unb nit 3U fdjreiben, ben fag mein freuntlid)eu gruft
mit wunfd)ung r»il guter feiiger neroer jar betner lieben tjauefrawen,
beinern jun nnb bein jweien bod)tern; in iunbertyeit bie fcueia, ber
rounjd) mir 3U tawient mall uil guter, feiiger neroer jar mit meinen
armen gepet. id) roeft non fjerje gern, roie ee ir gieng, roatt id)
gnn ir oon fyerjen ale oile guj, ale mir felbft; bar umü erfrerot
ee mid) oon f)ei'3en, roen ee ir wol gieng; id) roil ir jd)ir ielber
jd)reiben. sJiit mer, ben id) befillj bid) ber ebeln finueterin 3Karia,
unb mid) unb alle meine gefroefteret in bein oeterlidje trero.
2. Birgitta £oUfd)iid)erin in ^illnrei«.
£em erbern weiften si)iid)el i^am bem eitern pammafter
3u Oiurmberg, meinen blieben ü()am.
V.2*) (oljne Saturn.)
Jn ber freubenreid)en gnabreidjeu geburt uuftere fribfameu,
-nero geborneu funige oon iöetfjleem roiui(d) id) eud) uil tauient
guter jeliger gefüllter unb gludfeliger ueror jar, in benen ber ebel
dominus tecum alle augeuplief in eror fei pen eud) unb mit eud)
fen burd) fein genab. 3)ift unb aüeö gut rounfd) unb beger id)
eud) ale mein engen fei! roeijer, guuftiger, lieber (jerr pawmaifter
unb aller getreufter nater! id) unb all mein idjroefter bauefen
<£. ro.-G) t)er3lid) unb bemutiflid) allee gute, fo une @. ro. fo
mangfaltig bie iar bejunber in Dil weift bewifen tjat, bee wir in
fein weift mugeu genung banden, nod) mi)iiber öerbiueu, benn bae
wir bie gebenbenten fintpetterin s).Varia piten, burd) alle bie freub,
bit fi) leiblia) unb geiftlid) mit bem eblen dominus tecum ne (jat
gehabt, bae jn eud) uub alle ben ewern erwerb allee, bae eud)
not uub 11113 fei) 311 fei unb leib, barum f;ab wir ir junrffreulid)
fintpet geopfert für (S. w. 311m newen jar V. M.27) uve Maria
bae jn eud) erfrew in leben uub in fterben ; jdjtrt @. w. aud) ein
fleine figurlein bee dominus tecum 311 einem angebellten uuftei
freuntfdjaft unb ein wenig 3urtertefelein mit laoenbel uub anbern
guten jpeciebue; Ijab id) Qr. ro. mein fdjmeftcr lafteu madjen 311 fref*
tigung erore Raubte; beger, wollet ne 311 morgen*, ee ir auftget, ber
»1 %l. 3t mn. '2. -"'•) (ruver Jh>ei*l)rit. -,7i j»U>.
7"
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Weovg 2teinl)üuien
geüraudjen unb ein menig für gut nemcn oon und armen finben,
bie (5. tu. mcit mer gute günnen unb ttuinjdjen, beim mir mit bcn
mercfen mugen e^eigen. 9Rein liebe alte nuiter munferjt ($. m.
and) Dil M.28) guter feiiger nenn* jar mit Dil gebet?, in bem in
emr feinen tag oergifft; bes geletdien and) Dil emr guter freunbin
unb in gemenn ber ganj conuent, bie all (r. m. galten ale uniern
getremen oater, bee geteebtnue unuergeffeu pei> 11110 foll beleiben;
unb in funbcrfjcit unf;er garten maiiteriu, ber ir fycmr bie Fretter
fdiencfet, l)at für m. ber juneffram 3Karia gebet XV roienfrens
X mal ben romifdjen abiaf; geloft, XXV nigilg für eroer eitern
gefprodjen etc. Munferjt mir euu erfameu fyaujifraron unb lieben
bodjter ml M. guter, feiiger ueror jar unb alle* gut.
£icmit bemll) id) ro. mit alle ben etvrn ber gebenbeiten
fintpeterin ^Jarie bae fn eud) genebiglidi $eig im aller geiegneften
iun dominus tecuni.
2. (5arttaö( imnüjc abbtiffin 311 fanet tflarn, emr idjrocfter.
2lbr.: Sem criamen, weifen rjerrn sBiid)el $cf)am paromaifter,
unpern gunftigen (jerrn unb getreuen üater.
VI.2") n:\. Sipril i:><U.)
3n ber jeit ber frollidjen urftent unfjere* lieben rjerrn Jeiu
(Mjrifti roerb (^ror fjer? erfrerot in allen bem, ba£ eud) anligent
ift, an fei unb leib: bae unb alle* güt rounid) nnb beger id) eud)
fon got bem almedjtigcn mit meinem armen geuet für ein ganj
frcrontlid)en grüjj! (*rber, roeiffer, gunftiger, lieber I)err i>e^am!
emr gefuntrjeit unb gelucffellnfeit aller ber, bn eud) lieb fein, mer
mir unb crorcr guten fremntin ein iunberliaV fremb 311 fjorn. ^u
bem mift mid) unb mein confent aud) 3U bifjem mal pet) guten
roefum, got fen gebanett! gunftiger, lieber fjer, s)kd) bem unb30)
;sr eud) ytft r)er in oil fadjen, mid) unb mein confent antreffen,
cintf fold)cn frerontlid)en rocfjene erzeigt Ijabt, nid)t alo ein freront,
funber ale ein getremer oater, bae id) mit iampt meinen jroenen
geiftlid)en tod)teru 33arbra unb i^rigita, emr fremntin, ju mern
mal entpfunben in tremer beforung unb Mitteilung, roae in 311
gepiirt r)at f ale bau i^ünb in fürs aud) gefe^en ift, in ber an
geftorben (mb ton ir id)mefter ielligen Heter Birten n. bar in ir
3Hl 1000. --'! 2JgI. iHnm. -2. *M l*gl. 2d)ineUcr a. a. C. 2. 103.
- Wad)bcm al*.
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«edjaeljn t>eutid)C ,>rcuteiibricTe au* t>cm etrtetmcu Mittelalter 1<>1
künftigen ^erjeu unb ein fleißiger aufiteiller gen und roert, ocriucrcft,
bee mit iampt meinem gan} confent mir emr meiftfycit auft galten
[jenen großen band fa^en ; man id) mid) 311 wenig erfenn, foldjfj
roiber umb 511 oergelcicben, man eei in unftcrin uermugen nid)t ift.
bau mao eud) unb bt) cmr fleißige fiir pit ntng crfprofum 311 0iu3=
perfeit fei nnb leibe umb cmr mit unb arbeit, bar unter befeljen
pin id) geneigt nnb miliig mit allen meinen finben end) get(r)cmlid)
mit ,511 teiün. gunftiger, lieber l)err! ah? unb mir 31t oerftin ift
geben, mie iid) bt) framen ^11 2ant IMaru81) alv gutlid) unb mit»
licflid) (jaben erzeigt in idjeiuf unb gaben gen ben 3mcrjen todjtern
üou bem ererbten teil, ben tu ein genuinen Ijabcn, pin id) unb
mein confent aud) bes millue, unp fremntlid) gen in 311 halten,
bemol id) beforg, mir funen unö in unfjern gaben in nidrt gclcid)cn,
bau nad) bem al* bie framen 31t laut C5Iam fid) tjaben laften t)orn,
ji) haben ein gnlben aiifc 311 geben, bo mir faunt einen grofd)cn
Ijaben, bae bau ungejmciffel alfo ift, ^off id) ir folt unfjer \u
fantnug**-) aud) uid)t üerfd)iuct)en; unb mie Jre unter bi) jmc:u)
tod)ter teillt nad) emrem mol gefalln, ba* jol mein mill aud) alfo
fein, ir folt mir gen^lid) gelanben, mie unp nid)t teglid) als oil
fd)eben 311 ftunben, molt mir imfs marlid) aud) aubere erzeigt fjaben.
bau id) pin ber fjoffnung 311 emrem gutmütigen (jer^en, ir fyabt
genug unb geoalln bar an. ijunb nid)t mer, ban id) pit eud) alä
mein gunftigen fyerrn, Jr molt mir emr lieben muter unb aud)
eror fjau&framen oil fremutlid)er grujj fagen. ba mit mtl id) emr
toeifjfjeit befelfjcn in bt) beroarung Jeju C5^rifti unb mid) unb mein
confent in emr ftetc trem! batum am famftag in ber öfter mod)en
in 4 jar.
3tnna (Elufdjelfclberin
probftin in ^ilnreut.
3lbr.: Dem erberu meinen Ijcrrn s])üd)el Wjarn, pammeifter
3u Wurnbercf meinem gunftigen ljerrn fol ber 33rifj.
VII (-21. Januar 1505.)
Jefue (ifjriftuö unfern lieben fjerrn, in bem bo ftet al unfer
IjaiU unb fefligfeit f)ie in 3eit unb bort in emigfeit mit al fein
31 1 Sanct fclara. "1 Jufenbung. 33 ) 3m Original ftc^t jero.
«) 2*gl. ?lnm. 2.
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(*eorg 2tfinfKMrien
gotlicben gunftigen gnaben nnb gaben Tir fteticlidben pen roonen,.
ba pcn mein arme gepet, in bem bu mir teglid) roarüd) gan$
»nperpcffcn pift, unb al bn bein, Dae rounfd) unb beger id) bir
in rechter Hb unb ganzer trero meine beiden an [tat eine« freunt*
!id)en grufe unb 311 einem guten ielligen glutfljaftigen gnabenreidjen
nemen iorf fiie anfafjent unb bort imer roerbente, aud) ganj
fold)* geleidjen beiner üben muter, fraroen unb finben. Wein
frenntliaVr (jenen Uber of)eim, Dein gefuntf)eit unb al ber bein
aljeit glucf liebe ro olgin™) roer beoor meiner erroirbigen üben fraroen
probftin, froefter ^rtgitü unb mir aUeit begirlid) Iib oon eud)
allen 3U fiorcn. aber ale Tu metf Dein etliche 301t francffjeit, ift
un$ ein trerolid) mitleiben; fo ee aber pot burdi foin gnabsß) an
bir gepeffer bat, Da£ bort mir je gern. Jn bem roif$, bae* e$
nnf; t>on gnaben gotee rool get unb unfenn fyerrn rool 3U Dancfen
baben, nad) bem unb bie jett unb Ieuf \c$imt froer iein. lneber
obeim, bein freuntücbe fdjreibeu in oergangen tagen an und peit>
gotbuu unb 311 oor Dein jar freuntlid)£ erpietten unb erzeigen
gegen meiner erroirbigen lieben fraroen, an Dem ir roirb ein grofe rool
gefallen unb gan} genügen an bat unb auf rnmtt, aud) $u mal
fold)e atö großen unb fleißigen Dancf left iagen, befunber ber
febonen fernen, bie bu irr tjaft gefdjicf, ba pen entpeut bir aua>
wirb irn gar freuntlicben gruf; unb anbed)ttge gepet, bae <8i
iunberlicben Die rjeiüigcn seit mit al irn finben für unfer gut
trennt ocrpraaV fwben mit rounfdjung oil guter feltiger gnaben*
reidier neroer nor, aud) beiner lieben muter, fraroen unb finbenr
unb üerftd)t 2\ allee guj 31t Dir. Wer, mein lieber £f)eim, atö
bn fdjreibft ben abfebib unferfc Üben prubere Diclac ielligen auft
bifen Jamertal, ber 3roeiffel mir nit uod) bem mitten goj37) rool
bereit unb feiner eroigen orbnung geid)ef>en iftf mie mol id) im
feine lebene bie auf erben au? rool ganH*), aus mir felbä utib-
gelaub aud), bae mir alle alleS glurf unb felligfeit lue auf erben
oon im gehabt Ijaben, fo gan id) im bod) oon ^er^en rool, bae" er
auf! bem ferefer bifc elleubcn lebene ber jamerifeit erloft ift unb
Die frero unb eroige roonnng feine fdjopfere befaen fd)ol. roir
banden bir aud) 311 taufent malln al peib freiintüd) aller üb, trero
nnb freuntfd)afft unb mu unb arbeit, Die bu bie jeit alle mit im
gebabt ^aft ; bein trero ale octerüd)en an gehalten, roan ale Du
3*> ©oblcrgebcn. *> 3m Original ftebt ganb. 3:) Wette*. *) gönne.
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£edNel)n bcutfrtje äraiiftibrieff au* bem cnbenben ^ittclolter H>3
aud) melä, fo muft er je f uft alfein tag ein arm cllcnbcr menjd)
fein gemeft. got ber Sein bein emiger Ion imb be^aler mit allem
bem gut, ba£ er ielber ift, unb emr aller allee gus, £aö ir im
alle getf)un gehabt, an jmeifrel, er nrirt got tremlid) fur eud) aUe
pitten. 3d) troft mid) Sein aud) fclber grofj, Jen |>rid) aud) für
mar mol, ba$ al meine jmifteret nit red)t üerfucftt fyaben ben falben
orber mnnbften teil elenb unb fumber oon red)ter, fteter lieb unb
trem, Tie bu unfe allen bemeift fjaft, unb un$ nod) ftctigö bemeift,
befii fl »ifleidj fünft rool paä enpfunben mod)ten f)aben. non rechter
foldjer fad) mag id) bir gan^ rool oerjjnedien unb $u fdjreiben bie
mort unfc Ijerrn in bem billigen eroangelium: „roa$ ir bem mnnften
an£ ben meinen tr)utr baö Ijabt wir getlninV39) fo Sein mir
je alle Sein gefcfjöpf unb arme creatur, bu er alle mit feinem
tcrorn rofien färben plut erloft fjat. £ar umb io magftu ruol ^u
marfyeit fjoffen bee eroigen lone, ber nrnner mer fein enbt! aud)
left bid) bie ^rigita junberlid) frenntlidjen gruben mit Jr armen
gepet unb t>il guter fettiger war rounfdjen unb wir Sandten bir
aud) 311 taufent mal al peib non Ijergen freuntlidjen beiner fdjonen
großen road)jj ftöcft40), bie bu une gefd)itf r)aftr an ben mir fer
erfreubt ftnbt. aud) fag t>on un$ peibeu beiner liben muter unb
beiner lieben fraroen unb finben unjer freuntl. gruf; unb arme!
gepet mit begernng üon got bem f)errn nil guter felliger nor unb
alle* gut. nit mer ben id) bcfill) bid) unb al b» £ein in bie
beroarung 5cfn Gbrifti unb feiner liben muter 9)iaria. Saturn
auf Sant Singenden41) tag ber billigen nuntffraroen anno bomint
i:»05 $or.
2. 33arbra Jpoljjdjudicrin
£ie junger bein mum 311 ^ilnremt.
Slbr.: £em erbern meinen fyerrn 5)üd)cl 23ef)eim meinen
lieben £f)eim £em elter, paromaifter 311 ^urmbergf.
VIII«) (4. £ctober U>09.)
Jefu« (5r)riftuö, ber ebel fuft roeintrab, ber fid) 311 prefjen
bat geben an bem ^eiligen ereu^ bnrd) unfjer Ijetf, umb bae mir
yj\ Titirf beutfä> SMbel.ßUat t>or Vutbcr ift ,}roav nidjt auffällig,
nber immerhin intereffant.
«°i Sadjöftöcfc. «M Slanefc. «1 $al. Slrnn. 2.
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104
Wcorfl 2teint)aufen
bie frud)t feiuee oerbinen eroigflid)en nifjen13) mugen, mit allen
anheimelten pit unb beger id) bir für ein framtltdjcn grujj ! frennt*
lidjer lieber oljam! bein gefuntrjeit, aud) beiner lieben fyarojjfrauen
wer mir oon Ijer^cn ein großen freub ju Ijorn. roip mid), and)
mein froefter Harbern i^unb aud) gefunt unb f)ab oft roilen gehabt,
bir 511 idjreiben, unb bod) aup ableftnfeit »erlogen , man ich bab
gefjort ben abfd)ib beincr lieben muter, als id) fjoff jeligflid), got
fen bev lieben fei genebig unb parmrjer^ig unb roiber legu) ir bie
trero, bie fi) mir unb allen mein gefroiftereten l)at toeroeift. man
mir mal erft ein muter au ir fjaben oerlorn, man mir ne alle ein
grofjen troft an ir fjaben gehabt, )o fdml fn mir aud) nit uiinber
gegen got befolgen fein, ben mein leiplid)c muter. alc Dil mein
arm* unb fldn gepet got genem ift, mil id) ir nit »ergeben, unjjer
mirbige lieb fram tjat ir aud) in unfjerm content ein gemein gepet
Iopen tfjun unb fn lofjcn begiu mit ;J uigilien ben erften rretjngft
unb fnbent. unfeer lieber berr lof} cö ber lieben fei 31t l)ilf hinten!
id) fyoff, fn fei), ba ir mol fn, bar umb fdjol mir uufj aud) ben
milleu go$ loffen gefalen. fo fyof id) unb einen foleben getramen
311 bir, roajj id) unb meine gefmifteret an ir Ijaben oerlorn, bae
mol mir an bir unb beiner lieben fyaitdfraroen fjaben. id) bot aud),
ein anbere muter an iljr 311 fjaben. fo fjaft bu piji l)er bein treio
au unjj gehalten unb fyaben mol ein oater an bir gehabt, jo bof
id), bu merft eö nod) tfjitn unb bein octerlid)e trem nit ab menten.
fo gttraro id) got, roafc id) unb meine gefmifteret nit umb bid) unb
bein liebe f)auöfrarocn funen oerbinen, bae wer eud) unfer lieber
()err miberlegen. man id) eroer teglid) nit oergif?, mie rool id) bir
nit oil fd)rcib; id) gebend" mir, bu rmbft fünft oil ,311 fdjaffeu.
mu4') beincr gejcfjeft nit alö oil roer, fo gebeud)t mia), mir funt
nit lieber^ gefdjefjen, bau bae id) bid) ein mal folt fefjcn unb mit
bir fdjolt rebeu: ba»? roolt ia) mid) oon l)ci'3e freuen! freuntlidjer
lieber oljam, id) mil bid) mit meinem pofjen fdjreiben nit lenger
befebmem. ben unfer mirbige liebe fram unb getreroe muter enpeut
bir, aud) beiner lieben rjauof raroen , im frenntlid)en grufe; bc*
geleiten left aud) aud) mein froeftcr Harbern aud) freuntlid) grüßen,
fag aud) oon mir beiner lieben Ijauefraroeu mein freuntlicben grufj
unb armjj gepet. bamit befill) id) bid) unferm fjerrn unb feiner
i genie&en. 14 1 öergelten. *s) — wo, b. t). toenn.
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2cd),ietyt beiufdie AraucHbvicff am beut cnbenbeit Mittelalter M)5
lieben imitcr Flavia unb mid) unb alle meine gefmifterct in bein
trero. batnm an fant A-ranciecnö tag 1f>09 jar.
vS. Birgitta £oUfd)nd)erin
in isillnreut.
:Uor.: Tem erbern meinen "3)iid)el iöeljam bem eitern,
patumafrer \i\ Aufmberg, meiner lieben ofjam.
Briefe mcltliduu* Jfvauen.
ix.*,;) (H<;i.)
Wein freuntlidien grup! lieber prttber, rotjj, bae mir alle
mol gefunt fein oon ben genabelt gottetf; beß ielben geleidjen l)ert
id) allzeit gern oon bir nnb oon end) allen tagen, lieber prnber,
id) f)ab bir nun gefduiben pet) bee Aii$ £ererfj fnetf)t, fo iaü
mid) iwffett, ob bir ber ielb prief morn fei), unb toaf; bir ber
(ber) £erer $11 anfrort l)ab geben, unb id) pit bid) gar freuntiiaVu,
ba* bu mir bein rat bar inelt gebft, mic id) ee furpafi bar inen
rmlteu fd)ol. nnb id) pit bid), bae bu mir bein oerfdjribe antbort
laft twffen. unb grujj mir bein roeip unb beine finb, unb mein
€d)urfd)ab left bir fer fein binft fagen nnb ber .pein3 £d)tirfd)üb
unb fein beip17) lafeu bid) ier grufen. nit mer, ben got ien mit
um allen.
IHngueft Jorg 2d)ttrfd)abiu.
2lbr.: iTetn erbetgen unb tueifteu IMenljart vJ>er)eim meinem
lieben prnber.
X.4*) (l'1>. September 14««.)
9Nein freuntlid) miliige binft mißt al3eit! lieber pruber, emr
mol mugen unb emr ^amfnwrtin tjort id) al^eit gern, lieber prnber,
id) pit eud), ir mellet mid) lafjen oerfdjriben miber twfjen, ob ir
ben piper49) oerfauft t)abt ober nit, ober maß er gelt, mann id)
gar in lannger jeit fain gefdjrift oon eud) gehabt rjab, aber toatf
nod) bobett leg. mer aber fad), bae ber piper nit oerfauft mer,
fo oerfauft in etmo aittem geroijjcn auff ain ^eit, alö auff meittad)t
aber auff ttdjtmefj, fdjrift fünftig, unb gebt im ben piper bamad)
mit ber fuft. beim mir fein ne$o ain roeil nit attljaim gemein
**) 8Ut$ bem 93rieffar'Ctfcl : Ytentyart Öetjatm, Briefe an betreiben
u. f. ro. 1455-14*4. *7) 2Beib. *"> $gl. flnm. 4«. '*) Pfeffer.
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100
Wcorg 2tcinl)iiuKU
um unsere gcfd)eft not wegen; mein i^atm ober id) Rieten eud)
fuft öfter gefd)ribcn. bann ce ift mein vl>ef)aim tje^unb aud) nit
anfjaint; bann mann im got anfjaim fjilft, unb unfler fad) ftd) $u
ainem cnbt faltetet, io mue er ain raifc fjinaujf 311 eud) raibten.
bann id) getrato eud) rool, iv Inft eud) bn fact) pafj befolgen fein,
bann id) eud) geidjrcibeu fau; ale mir bann nit 3rc>ciffel bei unb
ale gut; unb ftet mir unb meinem ^cfjaim freuntlid) nnber 3U
perbienen. nit mer bann gruft mir mein jmefter emr r)amfjfraroen
gar trerolid). got len mit im*, geben 311 ffiegenepurg an fanb
Wid>ele tag im LXVI |ar.
Margret ^eljaimon.
2lbr.: Tvm erbera.cn weiften vienhart in'baim 3U Oiurmberg
meinem lieb . . .
XI.-0) (•_>.». Slnguft 14*8.)
Wein frenntlid)en grue juuoran! mift, liebe fram, bae id)
friid) unb gefunbt pnn oon gottee gnaben; bee glendjcn Ijört $6)
gern oon eud). ronft, liebe fram, bae 3» meiner todjter pnn
fumen unb id) f)ab mid) gan} bar^o gegeben, pen [>r 3m pelenben.
aud) io tonl mein anbenM) 3m mall, bae id) pen ^m pelenb. aud)
jo geuellt ce mir nit ubell unD pin gern pen ^>n. 5iun tonft,
liebe fraio, alä id) eud) 3m tremer fjannbt bab 3m pefjalltn geben
an 3ioensfiinff3ig gulben, unb über bn XXX gulben f)ab id) emr
Ijantgjd)rifft, unb bne XVIII gulben habt ;>r an52) oerfdjreuben.
9hm pitt $<fy eud) bn an aroet^funfaig rcinijd) gulben 3m geben
meinem anben unb mae ^r ban babt in meiner tnorjen unb Jn
ben jroenen laben, bae gebt Jm alle$ 3)0 fein fjanben. unb über
bne obgemelten gulben mirt er eud) geben ein quirhma. oon mir,
bt) gnugjam ift oon mir; anbre mort^eneben") pebarff id) eud) nit
(abreiben, bne quittung ift baö mort3end)en, bod) nad) erorem pegern
bae mortaendjen, al£ ir aue bem milbpab feit fumen am montag,
jo pin id) mit eud) gangen 310 bem r)anne tud)er. ber ift frantflj
geiocfjen unb 3m roortjewfjen, bae ir mit mir ient gangen an ben
betomargf 3» bem magen, barnad) ient ir gangen in bae roiHbpab.
bamit pfleg emr got. tatum 310 ^ienn an 2anb £oneutag Slnno
^m LXXXVIII Jarn.
.Hatbernia A>nrfcl)i» \\v &*iemt.
5Jgl. xHmn. 4<;. Mi (nbam. -1 olnie. K{i t*rfcnmmi}ojetd)en.
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2fdMct)it bcntfdic Arauenbricfe au* bem cnbettben Mittelalter 1<>7
2lud) liebe fraro grnft mir bie ^roei) jungffjenn olenfigf emr
fduoeftern unb all einer fjarojjflefuib unb faßt in Dill gurter nad)t.
?lbr.: £er erbern tugenbrfamen unb roenjen trennt X'iufjartt
^efjamin \ro fluremberg in ber GanfHgaffen, purggerin,.
meiner lieben fraro.
XII. **) (ofjnc Saturn.)
mein gor miliig frauntlicf) binft end) allzeit mit trautem fleifj-
berait! lieber 'l>et)am, id) pit eud), ir weit (2eroalb #ur<;agel
Don mir aue rcicfjtten III tjaunbert unb XXX gulbn. bee $u
»rfaunb fdjicft id) eud) lue mit mein aige r)ant gejdjreifft, bie ban
eur meib rooll fent. gebn $u regeuäporg am jonttag nad) beö
billigen fre^tag.
^iargreta ©emaiiin.
9lbr.: £em erwürgen unb nuffen l'einfjart i*ed)l)am purger
511 ^urubergf meinem guten fraunt.
XIII. »') (or)ne Saturn.)
■Wein freuntlidjen grufl! lieber pruber, mip, bao mir alle
gejunb fein oon ben genaben gottefj; bee felben geleiten t)ert id)
allzeit gern non bir jagen unb oon eud) allen, lieber pruber, id)
pitt bid), bu melft mid) laffen miffen, mie t»il ebige56) gel^ mein
|un .§ein3 oerfauft t)at; unb er t)at mir gejagt, er t)ab ben tönebel
behalt, fo pit id) bid), bu feift bar ob, baä im ein red)te quibanjen
roerb, alfo bae e$ ein red)t genung jen. unb icb pit bid) nua)r
ale e$ ban in ber froefter .vwinj (£d)urfd)abin felligen gefdjeft ftet,
ba$ mein fun .peius (einem pruber Jorgen alle jar oon aller ir
»erlafner r)ab fd)ol XXX. guiben geben, fo roer bae mein mei*
nuug, baä er img }u treieu triften geb, injunb X guiben, unb baä
er inul pen einer gemiffen pottfd)aft aß burd) einen mefel67), alfo
ba$ ber £ein,} eim 311 ^urmberg oor geb, bod) bae ee bem Sorgen
gebiä mer. lieber pruber, id) pit bid), bu molft im roefjolfen fein
bar inen, unb molft bem Jeinsen barumb anligen, bae ee in furg.
gefdjed). unb laä bir ben .ftein^en mit feinen fadjen befoldien fein,
*•» SJgl. tlnm.4t>.*5i (rbenfo. w» eppeo — irgenbuias, etroa*. 9lIfo
nue Diel mb etroa. "l ^erfjfcl.
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los
oicovii 2toinl)au]'cii
unb [traf in, man bu buft mir einen binft baran. nit merf ben
c^ot fen mit und alten, nnb gnicf mir Dein Ijansfrauen unb bein gefiub.
IHngnee >rg id)nrfd)abtn 311 £bernborf.
2ibr.: £em erbrigen nnb weiffen Viennart ^erjeim, meinem
lieben pruber.
XIV. (ofme ratum.)
mein frenttlid) nnb willig bieng mig, mein t)er3 lieben fd)mc*
ftter Dentin''0)! id) lag bid) wigen, bae ber bot bei mir ift ge*
wegen, ber bic brief gen Werenperg bracht t)at, ben id) bir gc*
fdjrieben r)an, unb mein brutter ad) bir gefd)rieben t)at. fo t)of
id), ft feinent bir mol mortten, unb nimt mid) tuuntter, bag bu
uug 11113 gefd)rieben Ijafr. id) bit bid) gar fronttlid) umb, fdjreib
mir ad)! unb id) lag bid) wifchen, baf; ber 9ftor bei meinem
brutter ift gewegen nnb t)at aiu gemalt brief gefebt uon bem
£ang Untrer unb f)at gem,;o) meinem brutter geret, er fol im
bie fd)liejd)el gen.1,1) ba t)at mein brutter fretfi-) gern 9ttor, er
mart altag auf brief oon and)'1*); fo mel er im antmurt gen.
lieben fdjweftter, big bar an**), bag mir frenttlid) mit ain
antter feien, wen td) fjan leid) ag wol6:>) fdjligel 3U t)aug, ag ber
boettter SMd); unb l)at mir mein brutter fon gen; id) fyang oor*
febt6*): fo gibg id) nit naug, big id) bag mein r)an. fo waig id)
wol, lue wen id), aig67) bit, l)tc bag fog68) Witter mid) beftat,
bag tjaug fol ben id) bar ein retten, fo bug6<J) warlid) nit geren,
wen eg brinf mid) mein grogen not bar 3uf unb ift mir oon
fjera lot, wen idt) waig wol, bag bem fangen grogen f arten70)
wiert unb brint im grogen f arten, id) Ijan71) nod) wenig tjaug*
rat im tjaug, ban tjinrten unb ben fornnen. ad) unb id) wag
bir cgent nu$ befuntter 311 fd)reibcn, ben grieg mir bein folef
alg famen. £uf. TO. <h>.
2lbr.: £er erbwern frawen Wfyei 23emin 3U Wcrenpeig,
meiner r)erj lieben fdjmeftter, get)ert ber brief.
[darunter bae &anbel$3cid)en.]
5*> $gl. JNnrn. ± i9) 93er)aimtn. «j gcijcn. ftl) gäjlüffel «eben.
n) gerebet. 63 ) Crucr). **) forge bafür. ß5> eben fo rool)I. M) oorjugeben.
•T) etneö. M| feineö. *»» ttju idj'ä. *>) graben. 71 ) (*S folgt ein mir
unoerftänbliäV* 3eicr)en.
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£ed),ie{)it bentidje Arauenbriefe au* bem enbenben Mittelalter
xr»j
mein freunttfjid) unb willig bienft 31t aller geit roif«, mein
ljerfl lieben fajroefttcr Semin! aur73) aller rooll migeu7*) unb ge»
funtfjot bort id) geren oon and) faa.cn, alf? efi rool biltid) ift. lieben
fdjroeftter, oaf} id) iejet fdjier 4 jar 31t '^rtebberg 7r») mit meinem
mann geroeften bin unb fjab ba fiev 7rt) alle meinen flaitter unb
flonenter77) »er jert unb onroortten unb t)an nit oon meinem
mann roden fein; er rjat ftet t)oftung gebebt 311 febroager £an|Vn,
roert in oerfegen7*), fo er auf; bem regten fom; unb fo ifc ie^ct
nit mer oermag, roolt id) geren in baf; tjintter gmed)lin sogen
fein, roolt in rjotnltd) Die behauten fjaben, roolt benent fü ncd)er
f)ie gefefen fein, bann 311 Jvriebberg: fjet id) bod) jtnf? ftur unb
glot gelt7'1) befor unb fonft aud), baf» id) nedmer f)tc liegen roolt,
bann 511 #ricbberg. fo (jat ber fdjroager £auf? meinem brutter
geid)rieben, er fol bar for fein, baj"; mein man nit fjer fum, bann
et rool in nit bar in tjaben, cf; ored)t im ain fdjaten am red)tten.
fo roof; id) nit roaf; un nullen ber fdiroager gen meinem manu
fmt; fo mein man alle fein f)oftngs0) in aud)M) bat unb ift bar
for geroepen, baf? td) £anp "JSintter au fonn*-) am redeten on
geürt*5) lafwt. bann id) tjab fil gutter frontt*1) begeben, bie mir
geratten fjabent, td) fol umb bie fjeif;cr H/i> ()te redjtten, id) ganng
aller wellt oor umb mein f)eirigguts,;) unb roittcrlcgung*7) : aber
id) lian alle mein fronnt begeben unb mein mann gefolgt, fo roaifft
mein fdjroager .^annf? ©inttcr rool, ban mein man im allec baf;
oerfd)rteben fjat, bae er gebebt fjat unb fmt ieinn unb mein gar
Bergenen, fo roatft betn mann unb Jpanf? ütUnnttcr rooll, roaf; fi
im ;u gefagt rjant, bef; trefft) er fid) nod) unb ift bar for ge=
roef;cn, ba[; td) nit umb mein fjeiriggut gered)tig bab. id) roolt
roarllid) umb bef; ^sorg 3lMntterß gut and) nit gered)tig l)an, bet
id) nit forg, baf. ber 8d)eirlin im medit ab pcben*0). bar umb,
7J) i*gl. ?lnm. 2. T3) ("nicr. '*) ätfoqlmögcn , ^01)1 ergeben.
;:i Tsriebberg. ») fdjier. '7i .vtleinob. Ihi ucr)el)en. Wclbgült? Dgl.
ZcbmeUer a. a. C. I. iXJ9. Hoffnung. s,l (*ud). ^1 fdjroer Icferlid)
ohne 2üljne< *») ungeirrtY ober tjäugt e* mit ^rten, Urten .yifarmncn*
Mi Aieunbe. w) Käufer. *'M .^eiratögitt.
^\ (nfafe. SPgl. Edvmcllcr I. 2. 14ä*: „3m (*l)eoertrage roiberlegt
ber Wann feiner ftrau tljr mitgebrachte* .freiratgut, inbent er ü)r für gc--
toiffc ^älle ein ^iquiDalent oon feinem Vermögen, bic gefctylid)e itfiberleg,
ävMefccrlage, SiMberlegung, ba* Wegcngelb mfidjert."
**) tröffet. H") etroa — oertreibenr
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110
<**eovg Steinhaufen
mein t>ei\s lieben fdjnjeftter, bar au, bajj mein man oerjed)en
roert; ban id) oennagf? toerlid) nit lang iner, roen efj tft fit auf
mid) gangen uub fyab merlid) fartflid) gelebt: man ftefjt im rool
au, ioie mir gelebt fwbeu! id), roolte got, id) f>ctr baß id) im $u
pradjt fjab, toolt falen lafcen, maß er mir oermadjt rjat unb molt
nit mer begeren, toolt mal au ain enb turnen, baf; mir wol mit
ain anber leben motten, bann id) roolt nienbert90) lieber fein bann
bei im. mo efj aber nit fein mag, \o oerforgent in! folt ber JpanJ
Emittier ain unroilen \n im f)aben, fo gejetf100) meinem man
unb mir gaus unredjt, ban id) bin bod) nie roiber in getuegen.
mein rjerj lieben fd)ioeftter, id) bit btd) gar fronttlid) umb, oerjorg
mein man! wen ef* but not! unb febreib mir ad) balt! mein lieben
jdmiefter, id) u>af; bir oft nu,5 101) bejuntter ^u fdjreiben, ban griefc
mir betn man gar fronttlid) unb mein fd)ioager £anf? unb alen
beinen fiut unb bar mit foar unf; got gefunt! batem am freittag
oor bem pfinfttag
Sufauna DJJartttn ih>intterin
31 Dr.: £er erbmereu fraiuen iUiidjelüemin 3U Werenperg,
meiner lieben fdmu'frter, gefjert ber brief.
I^anbelejeidjen.]
XVI.»wj lorjue Saturn.)
ÜJiein berait roilig benft uljeit! fraintltd)e liebe jdjmeftcr!
mir ift oor lang mit .fynw 2s>eftermair mol ain fdjeibin m) oou
eüd) morbeu, bar in ain gulbma tjauben, X mieber unb etlid)
bn,nl) bie eud) an ben 4 gulbin Uber beliben ienb; and) bar mit
ain prief, Darin id) rool oernüina tjab, wa* bae alle« unb t)glid)$
foft, bar an id) gar mol bniegig10') bin. unb iag eud) umb eroer
fleie uub mit* fraintlidjen bauet mit er bietung, in allem bem, bar
in id) eud) gebenen tan, uül td) mit uugefpartem fleiö aljeit toilig
fein. fraintlid)a lieb jdjroefter, id) bit eud) nriber oou neuem, roolt
mir ber gleidKii nod) 311m bau ben beftelen, bar mit roaie id) ain
groien band \\\ oerbieuen uub )o bie auf bau balbift gemacht
migen werben, loolt mir bie jdjirteu; unb mae bie werben foften,
lauft eud) .>>auo Dinner mir baU gelt bar umb bar leidjeu: roil
*>> mracnb*. Inu) aefüjätje. ,0,i nidjt*. m) 1>gl. sHnin. 2. m ) ober
fdjeilinY £d)anb bas Jöünbel, 2d)cibc aud) (*hiä% oal. 2d)meller II.,
>. 357. w*i Xenav. 11,5 > ,uif rieben.
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6ed)a^n beutfdje gwuenbriefe au* bem enbentwi Mittelalter 1 1 1
id) im erberlid) roioer 311 fd)itfen. liebe fd)ifcfrer, ir roiienb rool,
oae bie fdjroebin unbitig10*) ienö, fjcten bie gern balb, wolt id)
gar gern, roa Das oor jant Warrrin tac^ fein med)t, molt mir bie
jdjicfen. wa aber baä nit fein mag, lanö id) mid) beniegen, fo ba*
fünft »ol fein mag. nej 3iunal nid)t befunber, grieft une fraintud)
^panö SÖintter. id) roolt eud) gern fil nener mer107) (abreiben, fo
ift laiber nid)te gua$ oor fjanoen. ^anö Sintter n?irt eud) allen
befdjaib fagen. got ber almed)tig mol mit feinen genaben jit geben,
baä fd)ier all bing güat tuerb. mein Datier unb muotter tjaifeut
eud) fraintlid) griefen unb fpredjen 3Üm »ftane ^intter, bae er unä
balb fdjreib, roie ee im gang, fo nril id) im and) fdjreibeu. bar
mit Dil guoter $ett geb um? got!
C*ouümia >))Üelid) ((rufemia sDfülid)).
2lbr.: £er erfamen frawen IVaigret bes eitern Ü)ttd)l $ei Inn*
tjauefraiD, meiner fraintlid)e liebe fdjnxfter.
»*) nad) 2d)meUer mißmutig bier idoqI tu enua* anbcrer Fär-
bung. 101 ) 51eue >3Jiöt, oql. meine t*efd>id)te t>e* beutidjen Briefe* iöb. I.
<z. m f.
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Pou Wilhelm £iobenam.
Unter ben (tyodjen ber (Mefd)id)te, bereu ^ebeutung für Mc
£ntmitflung be* 9tfenfd)engefd)led)te erft burd) eine fuIturf)iftorifd)e
N&ürbigung crfdjloffen wirb, nimmt bie römifdje Üah'eneit einen
furiwrragenben Wang ein. 3Me ©eicfjtctye beö ^lltcrtumet münbet
ane in ba$ gewaltige $>eltreid), bae uon ben Fäulen be* wfnleö
bi* <uim Ivuptyrat, Don ber eafyara nnb ben Äararaften bee %\\
bie \\\ ben jd)otrijd)en £od)lanben faft alle befannten Vänber um*
faftte, (Staaten alter Änltiir \\\ einem einfyeitlidien CMau^en }n=
|ammenfd)mol3, Trbnnng unb t)ellenifd)*römiid)e Weftttung unter
frembeu, anbere gearteten Golfern unb Nationen einbürgerte.
ÜMefetf mädnige halten unb (*rftarfen bee romifcl)cn imperium
auf ber einen £eite, fein Verfall, feine Überwältigung burd) bae<
(*rjriftentum unb bie JVutfdjen auf ber anberen, bie .^erau^bilbung
ber romanijd)*gennanifd)en £taatenmelt g!eid)en ben Elften eine*
großen meltge(d)id)tlid)en .l>ramae, beffen Verlaufe nadnufpüren,
im Verfall bie Äeime empormad)ienben frifdjen l'ebeno $u iudien,
ber rnftorifd)en "3etrad)tung immer neue fruchtbare Wefid)t<lpunfte
unb Anregungen gemährt. >i Wegeufafc \\\ ber Mcidigiltigfeit,
bie lange x}cit rjinburd) uiiDerl)oI)ien ienen "sarjrrninberten entgegen*
gebrad)t mürbe, ba man mit bem großen römifdjeu ©efcfjtcrjt-
fdm'iber*) ben geringfügigen Stoff, ben fie l)iftorifd)er Darftellung
bieten, mißmutig beflagte, werben in ben lebten ?\a§nefjnten bie
Stnbieu auf btefem (Gebiete mit emfigem (*ifer betrieben. 3l*iU
man bie Shiflöfmia. bee römiidien Staateroefeu* erfaffen, io miif;
*) laritud 9lnnalen IV. :V2.
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!hHlt)fltii t'iebenam, sMit* bem $erein*roefeit im römifdjen Meid>e 1 1 3
man tiefer greifen, Die mirttd)aftlid)eu unb Fialen ^erhältniffe
31t ergrünben fliehen uitb nid)t bloö bae ä^of)! berer ins Slugc
f äffen, welche auf bie .<?ö^en ber (Mefcllfchaft geftellt ftnb, fonbern
rwr allem bem €diutfal ber mittleren unb unteren (Etänbe
gebüt)renbe 25ead)tung 311 teil werben laffen. greilidi begegnet
ein foldjer 2>erfud) erheblichen £d)Wicrigfeiten, bie ebenfo in ber
9iatnr bee Probleme wie in bem Langel an Tiadiridtfeu liegen;
benu bae l'eben ber f leinen 'bürgerlichen £ reife 31t fd)ilberu( fdiien
ben Wenigen, bie im Altertum Neigung unb ©cfdjicf 311 rnftorifdien
Arbeiten Ratten, fein bee Tiachbenfene unb $Md)reibene würbiger
(>>egenftanb 311 fein. £0 bleiben wir auf gelegentliche bind) bie
ganjc litterarifcfje ^interla|fenfcf)aft $erftreute Bemerfuugen, auf
bae in ben Jnfdiriften, Den unmittelbarften beugen romifdier 5*er*
gangenl)cit, neugewonnene Material unb auf bie in ben (^efefoee*
fammlungen niebergelegten Cfrlaffe angewiesen, auf Quellen, bie
trol; aller Kargheit unb llnuoltftänDigfeit une bod) aud) für biefe
Seite bee melgeftaltigen antifen l'ebene bae ^erftänbnie erfd)ltef?eii
tonnen.
Um einen Beitrag 3111* .ftenntnie Der ■ Juftäube, unter Denen
bie fleinbürgerlid)e Wefellfdjaft im römifdien 9ieid)e lebte, 311 geben,
foll im folgenDen bae 2lffo3iationemcfen Dieier Ä reife einer furjen
Betrachtung unterzogen werben, wobei Die gewerblichen ^erbänbe
in ben ^orbcrgrunD geftellt finb. ;]unäd)ft will id) oerfudien einen
geid)id)tlid)en 2lbrif$ ber ^ntwicfluug ber Vereine 311 entwerfen, ber
in Die republifanifdje tfeit 3iirücfgreifen mufj, fobann in einem
groeiten $eil bae l'eben in ben Vereinen jelbft uuD ihre Bebeutnng
für bae munizipale Bürgertum eingehenDer 3U erörtern.*)
*i 3 m wefentlidjen beruht bic Tarftellung auf meinem im 3at)re
1M«< uci'öffentlid)ten 33ud)e: „3ur (^efd)id)te unb£rganifatU>n be* römifdjen
^erciuoroefend", auf roelchcs id) betreffs ber ausführlicheren tuiffenjdjaftlidjen
Belege unb Sitteraturangaben Ocrmetfen mufe. (rrroätmt feien an Mcfer
Stelle nur bie folgenben Schriften: 1.1). Wommfen, de collegiis et «oda-
licii«, Kiliac 1*43. 2W. (<obn, 3um römifd)en herein* red) t, Berlin 1*73.
9t. ^erntee, Cabeo I. -i«!»— 3ÜJl. A. Choisy, essai sur l'organisation dos
classes oovrieres ä Rome, ^>uris 1*7.'». Hoissior, la rcli^ion romainc II3.
'2(57 fgg. (les classes inferieures et les assodatinns populairesh M. Botton»
loa Colleges d'artisans en droit romain, Ataris 1**"2. (Jaudt'nzi, sui collegi
deglt artigiani in Roma ( Archivio giuridico \SK\, XXXII. 1*7 fgg.).
Alb. <i« rard, etude sur les corporations ouvrieres a Ronie, "Ui'ontbeliarb 1<SK4.
0. Stemlcr, les Colleges d'artisans, >4>ari* lssT. P. Masson, les corpo-
.',<ufd)tift für Äulturgeicrttcrjtc. 1. >
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114
shMlnelnt viebcnam
I.
3i>ann uub wie bie römtfct)cn C^en o |"f e in" d>af t cn unter Der ge=
werbtreibenben ^evöltVrmtg entfiauben waren, wußten Die gelehrten
Kenner Der römiföen SPor.jeit fdjon im Altertum nict)t mit 2id)er*
()eit ju ia^eit; fie hielten bie ^erbäube für uralt urtb üerlegtcn
beflljülb i()ren Uvfprun^ in bie ;}eit fenfeite ber fjiftorifct) be^
^laubigten Irabition, ba bie .Könige über bie t)eranwad)feube
3taot r)crrtd)ten. -Die einen bezeichneten Ohuna, aubere 2ermua
Xutliuö alö ben Stifter, jenen, weil it)m überhaupt alle grunb*
legenben Einrichtungen ber inneren staatlichen ^rbnung, befonbenS
auf religiöjem (Gebiete $ugeid)rieben würben, biefen, weil er burd)
bac gro[;e ^erfaffungowerf bie Äonfolibation bes rönitfd)en Staate?
ciefcftigt hatte, in bereu ^Harunen ihrer Meinung nad) aud) bie
Wliebcrung bee .panbmcrftf uid)t fehlen bnrfte. A?iftorifd)e Wlaub*
würbigfeit fönnen bieje Atonftruttionen nid)t beauiprudjen, fie finb
ungefähr ebenfo richtig wie bie ^loti] ^oibufinbo*), bat; .Honig
Heinrich I., ber fogenannte sitäbteerbauer, ber üßegrünber ber
beu tieften fünfte gewejen fei. Einem gcfcfogeberifd)cn xHfte haben
weber biefe nod) jene gewerblichen ^erbanbe it)re Entftchuug Mi
verbauten.
Älo bie alteften nennt Mintard) im 17. ttapitel ber Gebern?-
befdneibung bco %)h\ma bie Vereine ber s)Jcufifanten bei ben fafralcn
.Öaublnugen (wXr^ai tibicines), ber ^auhanbwerfer i-i/-'»z; fabrif,
ber (s>olbfd)miebe (/ooso/w. anrifices), ber Ziemer (sx'jtotouv.
sutores), ber Werber (sxo-v^a-. coriarii), ber Färber
inferton»*), ber .Hupfericftmiebe (/a>.x*?; fabri acrarih, ber lupfer
uzwiv.z riguli); ein neunter ^erbanb umfaßte alle übrigen (bewerfe.
Tiefe ftattliche £ifte, wcld)e burd) gelegentlid)e Erwähnungen
von fünften bei v|>ifuiitd" ' > nur unweientlid)e ^eränberungen erfährt,
r.nions. Ktudc hislorique *-t juridi<|u<\ 1>art* l w\ ;\. %. Haltung ,
lVpii;raphio latin* et les corporations prnfossiomielles de Tempire romaiii,
<>>anb lv.'-J. ric IHrtirel cmIIckiu oon $taiibri), Ojauet, .önmbert in
DareiubtTjr et Sa^liu, dicüounaire dos antiquitca, I. 2 Z. 12'.»2— 121*7, Von
VV ".Wcifcl in beut .panbbncb, bor 2taat^ioi)fenfi1)aftcu, herausgegeben oon
<*onrab u. "}\. 3M>. II. (l^'li 2. M4 \j7. £üv oon ber belajictjen
;llfabcinie vrciäajcFrönte ^nd) ^ "i*- S^aUungo, les volleres d'artisans
Kunains i ft nod) nid)t erfd)ienen.
"I l&ibllFinb r<\s £. Sax. I. comilia et omnes eonventus atqu*
«onvivia in urbibus voluit celcbraii.
••i Winiu* n. I.. XXXIV. 1, 1. XXXV. Iti, I.V.».
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?lu* bem herein oirtefeu im vömijdjen jKeictjc
11:»
megt Bebenfen mancherlei 2lrt. Ter neunte nid>t näher be$eid)nete
3>erbanb fdjeint nur tjin^urtcfücjt ut fein, um roie bei fo Dielen
römifdieu 2taatöeim"id)tungen and) bei biefer batf 2d)enia ber
rrei}ctf)l ober beren Vervielfältigung }u C^runbe 511 legen, gerner
roiberfpridjt bie nidit geringe (Entfaltung bee ^aubmertee uub
©emerbey, roeld)e bie genannten Vereine ferunfcf)Qultd)cn, in mancher
.pinjtd)t bem Bilöc, meldiee mir une nad) anbeten Quellen oon
ben Äultnr^uftänben ber .ttöuigeseit mad)en tonnen.*) 'Jn einer
ASinfid)t erfcfjeint bie Hanl ber Verbänbe ut gering; menn and)
^iebufjre") Behauptung ehuaä ju meit geht: „Wemif? mareu idjou
in uralter iieit anbere (bewerbe in fünften oereinigt, mie bie
(^elbl)änblert ^anbeleleute, glufjjdjiffer, 9Jie{?ger\ fo oermi&t man
bod) befpielemeife eine gifaVruinft, beren altbergebradjte gefte be*
jeugt jtn&."*) lTlnbrerieito fann eine (tfolbarbeiterjunft nidit fd)ou
in jenen Reiten beftanben haben, ba Sd)murfiad)en aue (Jbelmetall
frember, meift etruefifdier .whtnft marenf) uub ^liniue am?*
orütflid) fagt, bag ee lange tfeit in Moni jo gut mie fein Wölb
gab.fi)
Leiter ift ut berücffidjtigen, bajj, menn aud) allmätilidi ber
Wroftfaufmaun ein fid) mit feinem (Sinftufj immer fteigerubee 2ln=
jehen in 9Rom gemann, ber fleine Werner beftanb fottbuuernb mifc
ad)tet blieb. yff ) Ällerbinge irrt £iom)fut$ gemip, bafc ffiomulue
*i (nnc arofie InttroirfUmg be* .franbroerfs in ältcfter Jeit jeyt
Voran* 2?C,]Cl, de opificio opitieibusque apart voteres Romanos i^ro
gramm beä Ancbnch'^ilbclmo (^mnafiitiuo Berlin insu, mät)renb
$fid)ienfd)iifyr iüemerhmgeu ,mr römifdien $olforoirtfd)aft ber Mönia*,)eit
1 Programm bes Aiiebrid) S^crbcrfdjeii (snminanumc\ Berlin 1-s*»;. 2. 22
bis 24) berechtigten (nnforud) ertjebt.
"1 Webum*, ftöm. (^cfd)id)te <1 ■<>:>> 2. **7.
*••) Über ba* Aetjlcn einer Umft ber (^ifeuarbeitei ändert fid)
Wommfen, JKöm. C^eKhid)te I* Ii«.
f> iMtd)fenid)üO. Tie £ainm'tätten be* <^emerbefleii?e* im Hilter-
tum 2. 4j.
•)-}•) >J>liniu* n. Ii. XXXIH. •*», 11: Koinae nc fuit quidein aunini
nisi admortuni exigiium longo tempore. 5*0,1. ond) bie Torftctlung
Wommfetiö o. a. C 2. 1 '•>•'>.
7Ü) (** genügt auf (>icevo, de off. I. 42, 1;'>1 \\i Denueuen unb
bie für ben Arcunb ber großen vömifdjen ^anginer* cbarafteriftiidjc xHn
id>auung l)croor,Ull)ebeu : iwreatura autem, si tenuis est, sordida putanda
est: sin magna t-t ropiosa, multa undique apportans multisque sine vanitate
impcrticnn. non est ndmortum vituperunda: at.|Ut* etiam si satiata
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in;
SiMtyeliii Viebcnom
bem freien Börner bcn betrieb eine* .«panbmerfö unterfaßt fjabe'),.
311 feinem iPilbe Dom friegerifd)en erften Könige ffiome pajjte nid)t
bie Pflege eine« frieblidjen Berufes ber loefjr^aften 33ürgergemeinbe,.
aber ttjatfädjlid) blieben bod) lange Jcit £anbroerfer unb tfr&mer
Don Dem eljrenDotleu ftriegöbienft auegefdjloffen. Surbe bod) 311-
näd)ft allce, mao 311m l'ebentfbebarf notmenbig mar, im £aufe be-~
fcf>afft nnb bereitet, bie forgfame .«au^fraii fpann bie Solle unb
mürbe nod) in fpäter Jeit beeljalb in ben ls>rabfd)rifteu gepriefen,
buf bae 3*rot — bie erften härter finb nad) Winiue**) erft um
bao ]>af)r 170 0. Cchr. in ?Kom erfdjienen -- anbere 33cf d) äfti^ungen.
lagen ben 2 flauen ob. Vangfam Iöfte fid) bae (Memerbe Dom .ftaueroejen
loci, unb fo mag es gefommen (ein, baf) bie nid)t grunbbefifrenben
Bürger***), roeld)e ein ."oanbmerf betrieben, fid) 3nfammentljaten, um
ihrer ftäube Arbeit gegenüber ber mäd)tigen jtonfurreu3 ber
2flaDenarbeit 3iir Weitung 311 bringen unb 3U fcfyüfeen, ba natur*
gemäfi bie 311m jpauörocicn gehörigen 2fIaoen billiger probi^ieren
tonnten. (5ine foldje Bereinigung gefdjat) um fo Ieid)ter, al£
bielleidu" fd)on in früljer Jeit bie einzelnen (bewerbe, mie eci aud)
in ben Stäbten anberer l'änber bie auf bie jüngftc Vergangenheit
gefdjaf), ftd) in beftimmten (Mcgenben ber vBtabt anfiebelten; ^ai)U
reidie £trafjcn, Wäfce unb £tabtoicrtel ffiome finb nod) fpäter
nad) ben bort betriebenen (Mcmerben benannt.
0Ud)t 311 überzeugen uermag id) mirf) Don ber oielfadi geteilten
Slnfidit, bafc biefe Berbänbe mefeutlid) religiöfen Urfprunge* unb,
mie aud) neuerbinge Hertel annimmt, (^emeinfamfeit bee Äitltiie
gemiffer (Mottfjeiten, ber Cpfer unb <vefte bie jjiele biefer #anb»
merfertollegien gemefen feien; bafj gerabe (Mcnoffen beefelben ß*e*
werbe* 311 foldien ßroecten ftd> oereinigten, fjabe feinen (%unb in
befonbereu fatralen (Jigcnfdiaften ber ein ^elucn (bewerbe. C^emip
finb aud) biefe Su'rbänbe unter ben ^dntfc beftimmter (»ottfjeiten
geftellt, mofür weiterhin einige Sßcijptele beigebrad)t merben jollen,
unb ^eilige .ftanbUtngen fjaben im hereingeben eine nid)t geringe
qua^stu vel conlenta potiuf ut saepc ex alto in portum, ex ipso portu se
in a^rog possession«'s*|Ue eontnlit, videtur optiine iure posse laudari.
*i ,riont)fiuö II. im C^e^cuiatj ,ui II.
"\ yiiniu* n. h. XVIII. -ix, 107.
•**) Taft c* fid) um biefe Jlrctfc ber ätarölferung, nidjt um bie plebs«
ober bie ÄUenten alc lUttfllieber ber ^erbänbe banbelt, glaube id? a. a.
£. 7 fg. gc3eigt ju l)abcn.
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Stiis bem Ü;erein*roefcn im römi)d)en Weiche
117
Diolle gefpielt; barin liegt aber uiebte Werfroürbigeö bei bem
frommen Sinne Der hörnet, beten Streben, alle öffentlichen unb
prioaten >?anb[ungcn in ^ufammenhang ,511 idjiifeenben (Gottheiten
311 fefcen, offenfunbig ift. Sollten bie .R reife ber fleinbürgerlid)en
2*eoölferuug nur ihrem religiöfen 35ebürfnie !Ked)nung tragen, fo
fanben fte ba^u in ben oerfduebenften Sitten oon Vereinen fd)on in
ber älteften tfeit Gelegenheit unb Ijatten e$ nicht nötig, neue %kr>
banbe, bie uad) ben ^ejdiäftignngen ber Witglieber fid) (gruppierten
unb benannten, ,311 ftiften.
(*iue aubere Aragc ift, ob bie 2?egri*tnbung biefer Vereine
auf ^eranlaffung ober roenigftene unter Segünftigung ber ftaatlidjett
33et)6rbcn fid) uolMogeu unb au$gefprod)cuermafjen ben .rftoeef gehabt
{jüt, bie gemeinfamen roirrfcbaftlid)en 'Jntereffen ber £anbroerfer 311
förbern. Slbgefefjen oon ber inneren ilnroahrfd)eiulid)feit foldjer
J)iücffid)tnat)me leiten* ber Regierung in ber älteften tylt, finbet
ftdi feinerlei ftnbeutung berartiger Ziehungen.
£eäljalb fanu id) mid) roeber ^er^og*) anjd)lie§cn, mektjer
ein Jntereffe beä Staate»? an ber 33egrünbung biefer Vereine an=
3unehnten geneigt ift, roeil fie eilte beftänbige Gatter bee geroerb*
tidien ^ertriebee» oerbürgten, nod) sI>iaboig'ö#*) 2lnjid)t teilen, ba&
feiten« bee Staate« eine geroiffe AÜrforge $ur Erhaltung biefer
älteften (^enoffenfdjaften beftanb, in roeld)er ber aüererfte tfeim ber
3roang^ünfte ber fpäteften ijeit lag. &>ie f)od) man bie Sfyätigfeit
ber genannten ^crbänbe für bie @ntn>icflung be£ (Meroerbeö, ihren
Hinflug auf ben Staat an3iifd)lagen berechtigt ift, enthebt iid)
öollfttinbtg unterer Äennrniei.***)
•» ^»erjoa, iHöin. Staatöoerfaffung I. t>5.
") "üftaboia. £>erfaffung unb $erro. II. 135.
***) Äaum roirb ^Jommfen'ö Jluffaffimg iffiömifcbe (Hefdj. I*. VJrl)
in aUcn fünften ben tbatfäcbltcben 3>erbälrntffen ber älteften 3*it entfpred)en :
„ftfir ba3 ftäbrtid)e tfeben SRontö unb feine Stellung jjur lartnifd)en i'anb«
fd)aft müffen btefe <^eroerfid)aften in bei älteften ^Jertobe oon arofeer iWc-
oeurung geroefen fein, bie nicht abgemeffen' roerben barf nad) beji fpätereu
burd) bie Iiiaffe ber für ben .fcerrn ober auf feine SHedjmmg arbeitenbeu
^anbroerferiflaoen unb bie fteigenbe CHnfubr oon «urudroaren gebrileften
S?erbältniffen bed römifd)en .franbroerfs" ... Die (*tnrtrf)tung ber fünfte
harte obne Brodfei benfelben Broecf rote bie ber aueb im tarnen ihnen
gleichen sJ>rteftergemetnfcbaf ten : bie Sadroerftänbigcu tljatcn fid) ^ufammen,
um bie Jrabition fefter unb fid)erer 3U beroabren. Tan unfunbtae £eute in
irgenb roeld)er Streife ferngehalten rourben, ift roabricbeinlid) boeb finben
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1 1* :hMlI)dm yicbcnam
Vic bisher uäljer bejprodjenen ^erbünöe btlbeten feineewegä
bie einige Aorin, in meld)er jid) ber im römifd)en 2Jolfe fo iiberauö
fräftige Srieb 3iir Slffojiation berförperte. 2\>enn wir aud) bon
bat auf ftaatlidje ^eranlaffung 311 riief gc^cn ben religiösen trüber*
jebaften ber vi>ontificee, 2lroalen, (rpulonen, ^etialcn, litier, Vupercer
uub ben unter beu magiftratifdjen Subaltern beamten (apparitores)
gebilbeten Vereinen ber i'iftoren, £d)reibcr uub ^erolbe abfeljen,
jo finb eine JKeifye bon ttultgeuoffenfd)aften (sodalitates) jitr Pflege
ber gentilicijd)en Oootteebienfte , bie Vereine ber montaoi unb
pagani') 31t erwähnen, für bereu 5Vbentung nodi in fpäteren $afa
Rimberten Jeugniffe borliegen. SBcjonbere einflufucid) würben aber
bie Vereine unter 2trafjennad)barn , bie ftcfi nadi ben au Ä rcu^*
wegen 311 @fjmi ber ftitbtifd)cn Staren (lares eompitales) auf»
geftellten .Capellen nannten, bie collegia eotiipitalicia; bie (Jin*
ricutung it)rer *efte würbe auf Serbin»? Inlliue uirütf geführt.**)
£te weitere (rntwicflnng bieier alten romifdjen (tfenoffen*
febaften ift nur in ben bürftigften llmriffeu fcfouftellen möglid);
bao gilt beioubere bon beu gewerblichen ^erbänben, bie wir feb,r
balb aue bem Singe berlieren. T*a$ fie gemeinsame ^erfammlungen,
ftefte unb tpfer begingen, jagt Mintard), unb bermutlid) (jaben fte
ibre Angelegen breiten felbftäubig orbnen tonnen, fofern uicfjt bem
eenat ®runb 311m (?infd)rciten gegen ftaategefärjrbenbe ^eftrebungen
geboten warb, £ie bon (vaiue***) überlieferte, auf bae >Jwölftafel*
geiers jurütfgebenbe ^erorbnung, weldie ben überaue belegenen unb
fenntniereidien fünften au ein folonijcbee Wefet5 erinnerte, gewähr*
fid) feine Spuren roeber oon inonopotiirifd)cn icnbenjen 11 od) oon 2d)u>
mitteln gegen kf)led)te <\abrifation."
*) Cicero, pro domo "2S, 74: pajrani et montaui <|Ut>niam plebi
quoqu*» urbanae majores nostri conventirula et quasi conoilia qua^dam
esse voluerunt. <\ I. I.. I. p. *205.
"1 outline, n. h. XXXVI. :M4. rionn* IV. 14. ednoegler,
mi]d)e <*eid). I. 71«;.
•••) Ditf.XLVII. 2J,4 ^aius üb. IV. ad lege... XII. tabularuin): sudalea
sunt i(Ui eiusdem collegii sunt: quam «'.iraeci z-i\yj.'v. vorant. bis autem
potestatem facit lex paotionem «juani vidint sibi ferro, dum ne (juid ex
publica leg*» corrumpant. sed haoe lex videbatur ex lego Solonis tralata
ess**: nam illuc ita est: Ii-* *,i o tt -ipdropE; f{ •:'>"»•- opyiov ?( voOrae TO
it zjzzi'öi 'i >,\i.'i-viu\ tt )tta3w-at i( t~i Aster, ot/viivot it t'i f «iroptav, <5t»
civtvjtiuv v.a'.K.V/Tat rp;#; -iAAr/ooc xjvv. ci.ai. s-r. <n( vr-r^ps j^r, o^j/östar
-•porj-yar*.
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üluo bem ^crcinoiuefen im vömifcncn Mcidje 11^
leiftete ben Sobalitäten oölligc Aieit)citf if)rc Satzungen iclbftänbig
311 beftimmen, menn ftc nid)t flehen bic crfte Pflicht jcbee röm riehen
Bürgers Dcrfto^en : salus publica suprema lex.
3llie ciferfücrjtig übrigen* bieie alten (Menoffcujd)aften über
ihren mirflidjen ober oermeiutlicften Wercdjtfamcn mad)ten, scigt bie
crfte, freilieft jiemlid) harmlos oerlünfenc, StrlkMtsetnftcUung eine*
ber angebueft oon 9hima gegrünbeten Vereine. 'Nach ber ftarf
iu>n jagenftafteu Elementen*) burchiefcten (5r3äf)lnng bce l'iüiue
unteriagten bie O'enforen bee 'Jafjretf :Ui> ber *Diuftfergilbe bae
ihr oon flbnig -Huma bewilligte iübrlidie ^eftrnaftl im Setnpel bee
Jupiter auf bem Gapitol.**) Tie gef raufte ($en off enfeftaft man berte
nad) libur ans; ba ofjne iftre s2Jcitnnrfimoi feine fafralc £anblung
vollzogen merben fonnte, mar bas ftaatlid)e nub prioate tftben Diel*
fad) gehemmt. 3?om brang auf Sluemcifung, unb bie liburtiner,
um bae (Maftred)t nicht brutal \a bredjen, juchten fid) ber un*
gelabeuen Wäfte burd) l'ift t}u entlebigen. ^erfeftiebene Bürger
luben fie 311 feftlid)en Waftlen unb liefen ben $>ein reichlid)
fliegen, bann mürben bie ihrer «sinne nicht mehr mächtigen ÜRufU
Tanten näcfttlicftenoeile nad) JHom gefahren, mo fdjnell eine $er>
iöftnung juftanbc fam, bie tibieinos aber in iftren fteeftten be*
f tätigt mürben. -
OJian fann nid)t bcjmcifeln, baf; bie römifeften Bürger ein
freies Slffo^iationerecht bcfafjen, unb bie im folgenben 311 be=
fpredjenbe ^ereinegefefcgebung jeigt beutlid), baf; bie 3?eftörben
nur cinfeftritten , menn fid) Gäfcftcinungen Ijeraueftelltcn , bic mit
bem 3i>of)Ie unb ber Sicherheit bee* Staates nicht oereinbar maren.
Somctt mir nähere 9iad)rid)ten ftaben, ftanbeltc ee fid) moftl um
fluflöfung befteftenber Vereine, nid)t aber um (?infchränfungen
bee 2lffo,}iationerechtes überhaupt.
Jn ben milben ^arteifämpfen, melche im legten Jahrftunbert
•) (Tiefer llmftanb hat (*b. 8*Ü>r DeranlofU, bie flanke (^efcrjidjtc
für eine ättologtfdje Soge ,uir (nflärung beo IVummcnichanietf am Cum-
quarrufrieft flu halten ifteftfcftriTt bc* .veibelberger f)iftorifd)»pl)itofopl).
Vereins lMtf, 2. rerfelbc giebt in biefer geifrreieften xUbftanb<
hing eine ttririf ber uerfeftiebenen bei tftoiu* unb Malerin* Warimu*
ctncrfctt£4 , bei Ctnb unb Flittard) anbrerieirs norliegenben Irabitionen
biefe* 2lus,utg*.
**) Mintard) quaest. rom. ö(j. äiMe bog rii übet ber xMnfrirud) auf bieä
^rimleg mar, beroeiü allein fefton bie Sbatfacbe, bafi biefer Tempel flu
Zinna t- {citen nodi gar nicht gebaut »Dar.
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120
SSttyelm tfiebenam
be$ römifdjen £reiftaate$ ben ^ujammenbrud) bcr alten Staate»
form beidjleunigen , Ijaben C*l)rgei3tge unb Demagogen bie unter
ben ocrfdjiebenftcn Tanten in iKom beftefjenben ®cnoffeufd)afteu 311
ibren politifdjen 3roetfcn, Bor allem 3U 2tlat)lbceinfluf|ungcu miß*
braud)t. £ie Freiheit, jeber^ett ofyne befonbere (Genehmigung
feitcne ber ^etjörbeu Vereine bilben 311 bürfeu, Imben bie großen
unb flehten Parteiführer benutz, um in ber #orm eines, oft nad)
i()ren tarnen genannten, tfollegiume Irabanten unb polttiid}?
2$üf)ler 311 fammeln, bereu Agitation ifjren unlauteren ?l6ftditeu
bienen follte.*) So befam felbft bae nrfprünglid) fo wenig ucr*
bfid)tige ii>ort sodalitas eine jd)limme Scbeutung.**)
tiefem Unfug fud)te bie Regierung burd) Die tu biefen
Jahren ftd) in auffälliger sit>eifc fjäufcnben (tfefefee gegen ^Imtö*
erfd)leid)ung 311 fteuern. $n biefen ßufammenfyang gehört aud)
bcr jebcnfalle! im ^afjre (H o. (5l)r. erlaffene <Senatebefd)luß, bclfeu
le.rt, wenn aud) leiber nidjt ofnte ßücfen unb fernere £d)äbeu
überliefert*"), immerhin fo Diel erfennen läßt, baß bie Äuflöiung
aller Vereine, bereu Sefteljcn mit bem 2taateintercffe nidit »er*
einbar fdjien (quae adversus rem publicam videbantur esse .),
angeorbnet mürbe. 2Mefc allgemeine Formulierung fjat bie wer»
fdjiebenften Deutungen unb Söe$iefjungen auf biefe ober jene
(Gruppen oon Vereinen Heranlaßt, bereu größere unb geringere
s^al)rfd)einlid)fcit Ijier nid)t erörtert werben foll; cd fajeint aber
aue beut oon unferem (Meroätjrömann gcroiß im &nfd)luß an ben
Wortlaut einer offiziellen Üuelle geiodljlten Sluebrutf fjcroor^ugehen,
baß ee fid) um eine in großem Stil geplante Maßregel gegen bae
2kreineioe)en fuinbelt, beren 'ftotweubigfeit allerbingä in ber
politifd)en ßage nur 311 jefjr begrünbet mar. (*e jtnb jene Saljre,
in benen Catiltna unb (Menoffen if)re anard)iftifd)cn plätte gegen
bie ftaatlidje Drbnnng offenfunbiger betrieben, in ben $olföoerfatnm*
*) ras fint» bie Vereine, oon benen ÄdcomuS ju Ätcero'd Diebe
pro Cornelio p. G7 LHte{jltng=2d)öÜl jpridjt: frequenter tum etiam coetus
factiosorum horainum sine publica auetoritate malo publico fiebant:
propter quod postca cullegia et s. c. et pluribus legibus sunt sublata praeter
pauca et certa quae utilitas civitatis rlcsidcrassct, qualia sunt fabrorum
lictorumqae <?). tnne lebenbtfle Sdjilbemng btcfcö Treibens entmint
9tommfen, 3iöiu. ($efd)id)te III*4. 7 [gg.
*") (Stccro pro Plancio ID. 46: quos tu si sodales vocas, offieiosam
amic-itiam nomine inquinas critninoso.
— i $on Släcmmi* \u Cicero o JHebe in Pisoncm * S.
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9hi* bem itoreineroeien im römtfdjen <Reid)e
121
lungeu }um Äampfe gegen bie befifcenben Älaffen tjefcteu unb in
meiten jt reifen ber oorneljmen unb nieberen ibeoölferung SKome wie
ber ber i'anbftäbte jaljlreidje Anhänger gemannen. ,Jn bie ?Keit>c ber
matten unb beeljalb non bauembem Erfolg nia)t begleiteten 3?er*
fudje be* Senate, biejer I51iquenmirtfd)uft baö .panbmerf 3U legen,
gehört aud) ber ermahnte 2Md)luf;, welcher bem ^ereinämejen biä
auf bie unter beu £anbmerfern unb bie unter ber Beamten*
bienerfdjaft* ) beftefjenben ^erbünbe einen nernid)tenbeu 2a)lag
verfemen follte. (betroffen mürben baburd) aud) bie collegia com-
pitalicia, in beneu fid) bae ^arteimefen üor allem eingeniftet f)atte.
SDiefe <tafjlreid)en f leinen i'ofaloerbänbe JRomö, ju benen and)
£flaoen Zutritt Ratten r maren bie gegebeneu 9#ittelpunfte ber
polirifdjen Agitation.
€d)on im Jafjr o. C5 t»r. gelang eä aber bem (>lobiud
i<uld)er ein (Mcfefc burdigubringen, meldte* bie aufgehobenen Vereine
roieber einführte unb bie 3Mlbung neuer gemattete.**) £er ner*
megene ^olfötrtbun mad)te ton Oer ermirften (Srlaubniö felbft Den
roeitgeljenbften ®ebraud), inbem er unter bem ifjm megen populärer
Anträge unb befonberä megen ber auf feinen 'Antrag befdiloffenen
Wctreibefpeuben £anf oerpflid)teten nieberen $olfe fomte auö
€flaüe!r*#) Vereine für feine ^meefe grünbete unb inilitdrifd) orga*
nifierte. rie 0>emaltf)errfd)aft, bie CMobtus mit .<&tlfe biefer söanben
in ber Stabt übte, fud)te ber 2enat alebalb im ^a()r r>r> 511
bredjen. £ie in £ecuricu geglieberten Vereine mürben oerboteu,
ben s))iitg liebem eine Auflage auf Wruub ber lex Plautia de vi
angebrofyt.i) (rbenfo belangte im nadiften Jafyre baö licinifdje
(#ejefc gegen s2i>al)lumtriebe unb Amteerid)leid)ung fomof)l bie (^e»
noffen oon Derartigen Vereinen mie bie Jtanbibaten, bie ftd) biefer
£ilfe bei iljren Jßemerbungen unb Bahlen beDient fjatten.ff ) (finen
*) $t>enn nidjt bei l'loconius Iiticinum«|ue ui la'en ift. *l)iominfeitr
«Rom. Ätaatßredjt III. 2*7.
^ "\ £afr btes OScfctJ ben ittel de colle^is restituendia novisque in-
atituendis geljabt, ift au* $l*coniu* \u Cicero* Webe in Pisonem 4, 1)
nid)t ju folgern.
(Sicero post reditum in senatu 13, 33: pro Sestio 15, 34. Cicero
in Pia. 4, 9: collegia non ea solnm qnae senatus sustulcrat sed innumorabilia
quaedani nova ex omni faece urbis ac servitio concitata. l)io XXXVIII. 13.
|l Cangc, JHömifdje Altertümer III*. 340.
ffl Cicero pro Plancio lö. 3H. Schol. B<»b. in or. pro Plancio
(Crelli p. 253).
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Wilhelm Vtebonaiu
poptioen (Erfolg ruit aber Mce Vorgeben bcö Senate uidit gebaut,
wie bie Sablmanöoer bee Jal)ree .vi u. C^r. unb anberc Vor*
gange 3eiaen.*)
W\t frdftigcr \\uto hat bann l>. inline C^dfar, jcbenfalle
in ieintr C*igenfd)aft ale pontifex maximus, eine umfaffenbere
Siegelung bc« VcrcinemekiiJ? angebahnt bind) ttuflöjung aller
Vereine auper ben „von Älter« l)cr bcftcbenbeir. 5>ie furje
9ioti* bec siueton**) jagt nidjt genauer, um welche Sluenaljinen ee
pd) lianbelt, bod) werben mir faum fehlgehen, menn mir barunter
jene uralten, uad) ber allgemeinen Annahme in ber rtönigöjeit
begrünbeten A>anbmerferperbänbe unb bie cbenfo altchniutrbigen
religiöien Wenoffenidiaften i>erftcf)on.***)
eo f)atten biefe Vereine ben *>ed)iel ber ;$eit überbauen,
jei eet bajj bie ben Römern tief eingewurzelte Achtung oor ben
Srabitionen ber älteften Vergangenheit nid)t an ben uumanifcbcu
£afeungcn 311 rütteln wagte, fei ee, bap bie M reife ber f leinen
^ewerbtreibenben ftd) »on bem milben politifaVn treiben, bae im
lebten Juhrfjunbert ber JhVpublif in hoben ^ogen ging unb jeben
bepfeenben Bürger auf bie 2eite ber ftaa^erbaltcnbcn Parteien
brängen mupte, ferngehalten haben. f>
inwieweit fid) ber Areis ber unorünglidicu Vcrbänbc bieler
Art erweitert hatte, ift felbft für fHom nicht möglich femufteilcn.
sJiur wenige anberc Vereine werben genannt, fo ber föiugoerfertiger
(anularii), ^teinfäger (sectores serrarii), <vleiid)cr (lanii). Wt
ber Gfinmeihung bee OJferfurtcmpele im Jahre Wf> war bie $e*
grünbung eine« coli, mercatorumtf), bem uielleicbt gewiffc iafrale
ftunftionen oblagen, »erbunben, im Jahre .'>*7 hatte fid) unter ben
Sin wohnern be« Aapitol« ein Verein jjnr Jveier ber hnli Capitolini
ßebilbet.flf) Aue anberen trabten Jtaliene pnb befannt eine
•| («icero, ad Q. fr. II. 1ä, 4. ^enirteiltma be* ^aleriu«
Vfiieffala, (Conful* »om ,V V\ auf Wnnio bec^ Itciiiifchcn (^efette^. (%.,
eji. ad. fani. VIII. 4, 1.
**l £ucton, Oacs. 42: cuneta collc^ia praeter autiquitu« ronstitula
di>iraxit.
*"i 'Tan aud) Ijiuüdjllid) ber jübitebfu ?Meligion*geiucinid)aueii lim**
nannten gemacht mürben, erfahren mir au* ^ofepl)ii*> A. J. XIV. 10, s.
fi (Mcero lobt bie collogia tuetrrfad), weil fic fid) für ibn o.egen
(Mobil!* erflärt tjabeu, v 3V de domo sna 74, in Pison. l-\ 41.
TT ► Vi». II. 'l't.
ft-l Vi». V. ;*». («kern, ad V- fr. II. .V_\ C. I. L I. S'.j. XIV. -»Ufc.
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5lu* beiii Berein*ioc»cn im iÖniiict)cn JHcicnc
1 _>:*
Aleiictjcrgilbe unb ein herein bor .Hiitidicr in Braenefte, ber
Hairer in 2poletium, ber tnercatores in (5apua, in weldjer
£tabt }al)lreid)e fafrale .Bereinigungen beftanben.*)
Jn ben Girren, welche nach ber Gfrmorbung tfäjar* aufd
neue ben Staat in Aufregung oeriekten, idjeint ber Unfug, Bereine
aller ?lrt jii yolitifdjen Bartei^werfen 511 grünben unb ,311 mifj*
braueften, Wieberum größeren Umfang angenommen 311 fjaben, fo*
ba& Stuguftue, ale er bie Oieuorbnung be* römifd)en 2taateweiene
in bie £anb nafjm, bie 2luflöfung aller Bereiue befahl** ), aue*
genommen erftene bie alten eollegia, bao ftnb jene A>anbmerfer»
üerbänbe unb bie Briefterfollegieu, ^weiten* bie nad) früheren
(Mefefcen 311 9ied)t befrefyenben Bereine. ^eldje näheren organi*
jatorifdjen Beftimmungen 3luguftue* getroffen, wirb une nid)t be*
riditet, bod) gewährt eine im Jafyre 1*47 in einem ben sBcipiotten«
gräbern ^u 9?om benad)barten Kolumbarium gefunbene ^nietyriff*)
infoweit einige Sfafflärung, baf? bie erwähnten Berorbnnngen burd)
eine lex Julia ergingen, weld)e bie Äonjcfftonierung non Bereinen
an bie (*>enef)migung bee Senate? twrbebaltlid) ber faiferlid)en
£rmäd)tigung fnüpfte. 3tuf C^runb biefeö }unäd)ft nur für Moni
erlaffenen, aber allmäf)lid) ben :{cityunfr fönneu mir nid)t
beftimmen auf bas fHeid) ausgebenden Wefefeeo ift baö
äorporationemefen in ben nädiften "saf)rf)unberten burd) weitere
Bcrfügungen geregelt, ben Berwaltungäinftanjen, beionbere ben
Brooinsialbefjorben aber im einzelnen mandic ^reibeit ber (rnt*
jd)liejjuug geblieben. £ai? freie «Ked)t ber xHffo^iation ift betn
römtfd)en Bürger grunbiälUid) belaffen; ee fyat gewif; Bereiue
gegeben, welche ofjne ftaatlidie (Genehmigung ine fceben gerufen
waren, beöfjalb aber aud) ber prioatred)tlid)en (rigcnfdjaften ent=
beerten. ^>e wettgefjenber mit ber ßeit bie BrioUegierung ber
Bereine nad) biejer £cite würbe, befto meljr lag eo im eigenften
Jntercffc ber Wenofjenfdwften, burd) ftadmichung ber ftaatlidjcn
*» habere NadjroeHc über ba* veiuiblifanifchc ^creimMwien $abe teb,
a. a. £\ -tö gegeben.
#,l £lietl>n, Aug. £>: plurimae foctiones titulo collopi novi ad nullius
non facinoris socictatem coibant: ipitur . . . eollegia praeter antiqna et
leptima dissolvit.
***< C. VI. 44Hi: Pis manibus collegio symplionia coruin «{ui sacris
publi eis praestu (!) suut. quibus senutus cloire) c(onv«»cari I c(uj?i) pennisit
c löge Julia ex auetoritate Auji(usti) ludorum causa.
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124
ÜMlbetm viebenam
ftonjeifion ber oaourdi gemährten Vorteile teilhaft ,w merben.
Bei ber Erteilung Der .Hon^cffton, tcclc^e für einen beftimmten
Zxt erfolgte -- nur eine ^ermn^iet)enbe Jft iinftlcrgefellf c^oft mar
nnjercef Riffen* für bae gau^c Wietel) erlaubt — , berürtjiduigte
man außer ber Grmagung, ob bei geplante herein in öffeutlid)cm
Tinnen mirfeu fönne, oor allem aud) bic Vebürfniäfrage.
tiutf; einigermaßen oermunberlid) erfechten, baß mau
eine äörpcrid)aft mie ben Senat mit foldjen ttleiuigfeiteu behelligte,
mie ee bic Genehmigung einer Vereinegrünbung in irgenb einer
Meinen vi;rooin$ialftabt mar, unb IMinurä mirb nicht ber ein$ige
Senator gemefen jein, bei fid) beflagte, baß man über jold)e £inge
mie Äon^effion^erteilungen unb Vermehrung einer Wlabiatorenfdiar
fo mid)tig unb ernl)aft bebattiere, ale hanbele c* tief) um bic @r»
meiterung ber Mcid)ögren}eu.*) ?lbcr gerabe barin scigt fid), mie
fenarf bie ^Regierung bae 51 ff ojiationtfmcfen im 2luge behalten
mollte unb mie menig fle geneigt mar, ben ^unigipol* ober jelbft
ben s^rooiuMalbehörben felbftänbige Cnitid)eibung in foldjen fragen
311 überlaffen. (?inc ftaategefäljrlidie Molle haben beim aud) bie
Vereine in ber &aifer3cit nid)t gefpielf); freilief) mar aud) ba$
große politifd)e £eben bec> (vreiftaarcä, befonbero feit Siberiuo bic
itompeten} ber Volfsoerfammlung 3U ben Bahlen auf ben Senat
übertragen, gehemmt unb bamit bie sJÖfoglid)feit einer Beteiligung
aud) be$ fleinen unb mittleren Vürgerftaubcö an ben Staate
gefdjäfteu abgefchnirten. Ireffenb bemerft 9J?ommfen#*#): „^em
JRlubmefen mürbe mirffamer al£ c$ burd) ^rohibitiogefefce möglich
mar, gefteuert burch bie oeränberte Vcrfaffung, iubem mit ber
JRepublif unb ben republifanifd)en Bahlen unb ©erid)ten bie
23cfted)ung unb Vergemaltigung ber Si>af)l* unb 9tid)terfollegien,
überhaupt bie politifd)eu Saturnalien ber Canaille oon felbft ein
•@nbe hatten."
x>n bem Verhalten beö Staates gegenüber ben Vereinen
mirb bie ^nbioibualität De$ jemeilig regierenben Äaiferö natürlich
oon großer Bebcutung gemefen fein, mofür ftd) mancherlei Scmeife
beibringeu ließen. Vefonberc in Bejug auf bie Stäbte beö ejtcn«
*) 'JHimus paneg. 54.
•*l Die oon 3«t <ju Jett erfolgten xHu^toeifungen ber 33efenner aua»
Jönbtfcr)er Religionen unb .nultc finb oft burd) anbere Wrünbe oeranlaftt.
"•| ${omtnien, Mm. Wefd)id)te III6. 514.
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91uö bem ^ereinöioefen im römifchen Weiche 12"»
hat bie Regierung Befürchtungen gehegt, baf} bie bortigen gleichtue!
unter welchem tarnen gegrünbeten Vereine leid)t TOtelounfte
einer SRom gefäf)rbenbcn Politiken 2lgitation werben tonnten.
iMintue im Jar)re 104 nad) einem furchtbaren 3*ranbe in
9cifomebien bei bem tfaifer Irajan btc (Errichtung ein «Feuerwehr
Don nur 1 ">o SHitgliebern in biefer (Etabt bcfiivroorteto unb fid) für
eine ftrenge, bei ber geringen ßaf)l nicht fdjwierige 23eauffid)tiguug
verbürgte, entfpracfj ber «ftaifer bem geroifj nützlichen Antrage quo
polttifc^en (^rünben nid)t, weil ftete, $u meinem ^wccfe aud) unter
ber bortigen aufrührerischen Beoölfcrung Vereine uifammengetreteu
feien, biefelben binnen furjem ,ut ^etairien, ut politischen (5lubo
ausgeartet mären. £er Statthalter möge beu Langel an VojaV
geraten abftellen, im übrigen jollten fid) bie Mfomebenfer felbft
Reifen. Unb auf ein oon Winnie übermitteltem Wefud) ber Slmifener
antwortete Ürafan, baf} ber herein, wenn feine Wrimbung nicht
bem ,noijd)en ber Regierung unb biefer freien Stabt oereinbartcu
Vertrage wiberforeche, beftehen bleiben t'önue unter Der Bebingung,
bafj feine #affc nicfjt $u aufrührerifd)cn unb unerlaubten ;}me(feu
benufct werbe, fonberu 3ur i'inberung ber "Kot ärmerer biene; im
übrigen feien in allen ßtemeinben römifcfjen 3ted)te foktje Vereine
aufzuheben.*) £ie 9)titgliebfd)aft in unerlaubten ©enoffenfdjaftcn
(coll«4gia illicita) mürbe atö Auflehnung gegen bie Staatsgewalt
unb crimen maiestatis beftraft.")
@e fanri nid)t in meiner 2lbftd)t liegen, hier eine ermübenbc
2lnf,5dhlung aller Vereine unter ber gewerbtreibenben BeoblFerung
in ben Stäbten bee JHetcrjee $u geben***); bei ber umfangreichen
Soe^ialifterung ber bewerbe unb >}anbwerfef) in ber römifchen
Äaiierjeit gab ee bereu mehrere in jeber Branche. Um nur einen
allgemeinen fiberblirf 311 gewähren, nenne id) bie Vereine ber
Äupferfdjmiebe, Juweliere, 33leigiejjer, «v»ohh^n°lcr» Maurer, Stein*
mefecu, 2ööfer, 93erg* unb Salinenarbeiter, Sctmftcr, Sdweiber,
*) Wtnill* ep. ad Traiaunm H3. H4. !>•_>. W.
"I Diff. XLVIII. 4, 1. XI.VU. *l •>.
*"l 2?gl. meine a. a. C 2. <>3 -15* flegebenen fad>licf> unb geo
graohifch georbneten 3>erjeid)niffc.
f) hierüber geben bie Arbeiten oon Jölümner: £ie gewerbliche
Stjätigfett ber SBolfer bes flaffifcfjeii Altertum*, l'etojig l*f>9. unb: £ie
Technologie unb Terminologie ber (Bewerbe unb .«fünfte bei beu (^riechen
unb Römern Sb. I— IV, iowie bic oben bereite genannte 2dmft oon
»ricbfcnfchu^ nähere SUiofunft.
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3iMU)rim VtcbtMiüin
Veiuemeber, Purpurfarbe!, &:oüarbeiier, kalter, (Berber, Färber,
.Uürfdjncr, Wagenbauer, .fturfd)er, (5jeltrcibcr, -Tienftleute, Sänften*
träger, WefliigeU unb £bftf)änbler, tu unb Welonenoerfäufer,
härter, Aijct)er imbA>öfer, ^ctuftönbUT, OJafta>irtcf .« üfer, ^Trofliiiftcn,
Vinte, Wcnuirv unb 2albenbänbler, Aiifeure, Äran,$binber, .Horb*
fled)ter; felbft eine ^ettier^unft fehlte nietjt. Weiterhin gab eö
Wen offen jebaf teil unter ben oerjcrjiebenen Strien ber Wlabiatoren,
2rfianjpieler, ftünftler, Iittcrarifd)c Vereine u. '). ro. £ie weit»
Derbreiteten £d)iffcrgilben (collegia nautarum) finb befonberö jarjl*
reief) in (Pallien befanut geworben, ivo fie auf ber fölione, 2aonef
Turance, «seine (nautae Parisiaci) £diiffaf)rt betrieben; fie trantf*
sortierten bie reichen Hilter bee frudUbaren i'anbeö nad) ^täöten
rpie üugubunum, Waifilia, Bernau jiu? , ^iarbo, Slrclate, •'öanbelä*
empörten erfreu Waugeö. :Hud) auf Dem ftfyein, bem 9lecfar unb
ber Möttau werben fie fdiou batnals genannt, £0311 fommen noa)
Vereine unter ben ^arrenfürjrern, Seffern oon fleinen .ttärjnen,
ftärjrlenten, bieder meift auo ftom unb £ftia unb aus ber
fpanifd)en 2tabt .wpalie befannt, fonue bie in ben füblid)en
galltfcbcn Arabien oft unb and) einige Wale in einer £onauproüinj
erwähnten Vereine unter ben Slopern, beim ale jold)e bürfen mir
moljl bie oielgebeuteteu collegia ntriculariorum erfläreu, welcrje auf
ed)laud)flbf?en ben Vertrieb ber Vaubeeprobuftc beforgten.
ferner ift fjiu^itweijeu auf bie großen .ftanbeiägilbeu in allen
I eilen beö 'Keidiee; e« lag nafye, baft bie .Haufleute, welche tfyr
(Mefd)äft längere ;Jeit am? ber Aximat entfernte, ftd) an bem fremben
T-rte ^ufammenidiloffen. £old)e Vereine italifdicr ManbeUMeute
gab eä fd)on in ber republifauifdien ;}cit auf ^Teloe, bem Wittel*
puufte bee überfeeifdjeu faufmännijdien ^erfel)rC\ an beffen Stelle
nad) ber htrd)tbareu ^ermüftung burd) !?lrd)claue pureoli getreten
ift. ?ln berede it»? bilbeten audi inrifaV unb pl)öuififd)e .ftaufleute
Vereine in italifdien £täbten, um ihre lanbemannfdmftlidic >\w
geljörigfeit unb ben r)eimi(d)cn .Kult >u pflegen. Jn Cftia gab
eö eine Oiieberlaffuug tivrifdjer £diiffer unb Wemerbtreibenber, welche
ber au s)JJitg lieber^ 1)1 geringeren in Puteoli jubrlidi loooeefterje
5iifd)op. Oiärjere iHuetnnft über bie puteolanifche ^aftorei tt)rifd)er
tt aufteilte giebt eine intereffante 'Jnfdjrift am? bem Jarjr 1 74 n. C5I)r.*)
'I ('. I. « ir. .Wv'». C. 1. L. X. 171*7: intreatores qui Alexandr(iai)
Asiui Syriai m'jrutiantu(r). !<>.;}: cultuiva Jovis Holiopolitani Bentenses
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x>lu* bem Vereinsiuefen im rontifcDen Meictje
127
£ie "Witglieber manbtcu fid) an ityre s))iutterftabt um Unterftütjung,
ba fic bic Äoften für bie Pflege beä rjeimiid)en (Motteebienftee, ber
Jveier an fatferltchen Aefttagen itnb ber OJtiete üou inooon Denaren,
it»eld)e bieder bie römifdje Wenoffenfdiaft aus ifjrcn Cfiufünften ge*
idienft f)abe, nid)t metyr tragen fönnten.
Grnblidi mar nid)t blof? ben Veteranen, fonberu aud) ben
2olbaten bes afttücn «wree bie Söilbnng uon Vereinen geftattet.
£d)on biefe Überftd)t jeigt, baf; bie .Hon^effionierung öon
nnyolitiid)cn Vereinen feine 2d)iMerigfeit gemad)t rjaben fanu.
Von gan3 bejonberer Vebeutnng aber waren germffe $euoffen*
id)üften unter ber ärmeren Vetwlferung (collegin tenuiorum), bie
eine grofee Verbreitung gewannen, feitbem .öabrian eine ©eneraU
fonjeffion berfelben für :Kom erteilte, bie id)on üor 2ej)timiuä
-EcDerne auf bae fteid) auogebeljnt warb. Wommjcn erfannte
biefelben $uerft ale Vegräbnierxreine (collegia funeraticia).')
Warciair*) t)at eine faiierlidK Verfügung auf bewahrt, roeldie ben
tenuiores geftattetc, einen monatlid)eu Veitrag in eine gemeiniame
.Haffe }u zahlen, bod) nur einmal im s))ionat fid) \u öerfammeln,
unter ber Vebingung, baf; fie nid)t unter biefem Vorroaub einen
Verein mit verbotener leubein begrünben. Über bie Ver*
roenbung biejer Verträge jdmx'igt ber genannte Jurift; aber
aue ben LSHi gefunbeueu Statuten beo collegium salutare cul-
torum Dianae et Antinoi ^u Vanuoiitm Dom Jafjr i;i3, beffen
Wortlaut an Der betreffenben Stelle fid) mit bem faiferlidjen ßrlafj
augenfällig beert, ger)t fjeroor, bafe es fid) um ^afjlungen in eine
vsterbefaffe tmnbelt/**) l*iu billige* auftänbigee Vegräbnitf aud) ben
weniger Vemittelteu ]u fid)ern( mar ber tfroetf bieier Wonoffcn*
i-i ui Puteolis consistunt. 157'.». Hiommfcn in Vor. bor fäd)i. (^efellfd^aft
ber Utfiff. 1*50 (II.) 2. :>7 -*;_>.
•» (rine cingebenbe Untcrfiidjung über bie Wrup;ie tum Vevbänben
bat 2. 2d)ieü, römifchen «rdlegia funeraticia nad) ben ^nidnüten,
$?fin<f)fti 1-vs.s, geliefert.
*'i Dip. XI. VII '2'2, 1: sod permittitur tenuioribus stipnn menstruam
«onf*'rr<\ dum tamen semel in mense coeant. nc sub praetextu huiusmodi
illicituni collegium coeat; quod nun tantum in urbe, sod in Italia et in
provineiis locum habere di\us quoqne Severus rescripsit.
*"l ('. I. I,. XIV. 2\ \ 2 .{eile 1 1 : quilius coire co]nvenirecollegiurnq(ue)
habere liceat. «|ui stipem menstruam CMtifVrrc volenft in funejra, in it
collegium coeant neq(uo) sub sperie eius collepi nisi semel in mense
-voeant conjferendi causa, unde defuneti sepidiantur.
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I2K
älMlDeim Viebenam
fdjaften, beren (Sntftehung man fid) oielleicht jo benfeit fann, wie
bie ber englifdjen Vegräbnieoereine, bag greunbc bei lobeöf allen
oou ©enoffen ben ^unterbliebenen bnrd) freiwillige Seiträge bie
Soften ber SBeftattung erleichterten.*) £ajj biefe Vereine and)
allgemein alö Unterftüfeungofaffen bei Unfall unb Äranfljeit, ale
Vereine ber 6efbftf)ilfe fungiert haben, ift nid)t $u erweifen**,), fo
nal)e eö liegt anzunehmen, bafj bie ©en offen fid) aud) im £eben
in werftljatiger £tlfe Söeiftanb geleiftet hüben, benn jte pflegten
neben ihrem ernften ßiuecf $efelligfeii imb jvrohftun, wie and)
bie Sterbcfaffen unb Vegräbuieoereine unferer Jage ber 34er*
anftaltung »on Vergnügungen nid)t abr)olb finb.
@ä hüben aber biefe Vereine noch nach einer an bereu Seite
hin eine heroorragenbe Vebeutung gehabt, worauf wenigftene mit
einigen Korten eingegangen werben muß.***) 60 fann feinem
Zweifel unterliegen, bafe bie d)riftlid)en (Memeinbcu, um unangefochten
ju bleiben, eben in ber tform ber collegia tenuiorum unb foe^iell
ber Sterbegilben fid) ausbreiteten, 311 beren Vegriinbung, wie oben
bewerft ift, bie Einholung einer .ttou^eifton im einzelnen Aalle
nicht notwenbig war.f ) 3U3 erlaubte ©enoffenfdjafren (collegia
licita) will fte Sertnllian mehrfach erweiien, wenn er if>r treiben,
unb ihre 33eftrebungen ben t)ctbnifcf)en Vereinen gegenüberftelll
unb bie bei biefen übliche lerminologic aud) auf bie diriftlidjeu
anwenbet.ff) 60 genoffen fie benjelben red)tlid)en Sdnifc, fonnten
') Vaernrettber, Xic englifdjen ?lrbeiten>erbänbe unb iijv Ncdjt.
lssi; I. 17s.
**» Entgegen metner früheren Zunahme a. a. C S. 4<> unb ber
oon l'öning (©eid). be? beutfdjen &ird)enrcd)ts I. J(M) geänderten x'lnfid)t.
"Ston bari fid) nidjt auf bie oben ermähnte H51iniiic»ftelle (ad sustinendam
tenuiorum inopiam) berufen, ba hier von einem grtedjifdjen joav*; t>ie
fJiebc ift, oon Vereinen, bie fdjon feit alter $e\t alo ^Ufofaffeu bienten.
^oetfl), Staatshaushalt!3, m. NiiBerbem enthalten nur bie Statuten
eine? Wilitärtjereinö in Vambaefis, oon benen nod) bie Webe [ein wirb,
iold)e Sty'rimntuiigeu. Unb au* ber fogleidj an.uifübrenben lertulliam
fteüe crajebt fid) nur bie i^eftätigung ber im Jerte gegebenen ?hiffaffung.
Üt'aUjtuginRevuederinstruction publique en Boljriqu»; XXXIV. N(Se|V?lbbr.f.
(ringehenber habe id) a. a. C S. *2f;<> faa. barüber geljanbclt.
fi IMud) 3- 9leumann, £cr römiidje Staat unb bie allgemeine
Airdje bis auf £ii>flettan 1*'.H> I 101 fgg. teilt biete 9luffaffung.
ff) JcrruÜian apol. 3*.»: modicam untuquisque stipom menstma die.
vtl cum velit et si modo velit, et si modo possit, apponit: nam nemo^
rimipellttnr, sed sponte confert. haec quasi deposita pietatis sunt, nam
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Ülns bem herein owefeii im vömifchen ffieidie 1 29
ebenfalls Vermögen unb öffentliche Vegräbuiepläke erwerben wie
Meie, unb nur oerfteljen, bafj Pliniue", al£ er gegen bie Triften
einschreiten will, ftd) auf bie faiferltd)cn Verorbnungen beruft,
weldje .ftetairien oerbicten. &>enn aud) in beu erften Saljrlninbcrten
bie (Hjriften balb bes £afrilegiumc\ balb ber Wagie, balb ber
Waieftätebeleibigung befd)ulbigt »erben, bie fjauptfäd)lichfte Auflage,
welctje bie Verfolgung einleitet, ift immer wieber bie wegen Vilbnug
unerlaubter Vereine unb bee Vejudjeo verbotener Vcrjammlungeu.*)
6ine befonbere 2?ead)tung oerbient eine wichtige ©nippe non
Vereinen, beren Ifjätigfeit oom etaate unmittelbar in flnfprnd)
genommen würbe.
Jtalien war in betreff feiner Verforgung mit Alorn nun
größten Üeil auf bie ßufnhr autf beu prooinsen angewiesen, oor
allem bieCtubt 'Korn felbft**), beren ärmere Veoölferung fchon in
ben legten Reiten ber 'Kepublif (Metreibe 311 billigem greife ober
unentgeltlid) erhielt. £ie pnnftlidjc Lieferung ber notwenbigen
Vorräte war oon ber größten Vebeutung, bie ftuf)e ber .ftauptftabt
im Wrunbe nur eine Wagen frage. Vlieb bie Wetrei beflotte, beren
Raubling fd)on in puteoli mit Vellern Jubel begrüftt warb**'),
einmal aue, bann würbe 9ftom oon £ungeronot unb Neuerung
unb beren folgen, oon Shifftänben be* maffenfjaft angewadifenen
Proletariates hcimgejud)t, bie nur nt leidit aud) beu Ityxon bes
Jtaifers ins kaufen bringen tonnten. £ie grofte unter &uguftu£
mehrere ^aljre roäfjrenbe Äalamität, wo ber burd)fd)nittlidie $reis
für ben monatlichen ©ctreibefonjum oon 4,.'l0 Warf auf ben ,<topf
bie ungeheuere ^ölje oon 24 Warf erreidjte, oeranlafcte bie (?r*
richtung oon ftaatlidjen Äornfpetcbern; bennoef) aber hat bie
indc noa epulis nee potaculis ncc ingratis voratriuis dispensatur, sed egenis
alendis humandisque et pueris ac puellis, rc ac parentibiis destitutis, iamque
dornest! eis M-nibus (?) item naufragis et si qui in nietallis, et ßi qui in
insulis vel in custodiis, duntaxat ex causa dei sectae alumni confessionis
suae fiunt.
') Über biete fragen tyat aucvfüt)rlid)cr Wontnticn in (gi)ber*
biftor. 3eit]djrift 33anb «14 2. :w-4-J!i aehanbelt: „X-te «rii«ton«frtoel
nad) römiid)em 9f(cd)t", befonberö 2. W.
'•) Nähere* atebt bie jd)öne, an großen (^cfid)t6punftcn reiche 4<flb*
hanblung oon C ^ttrjd)fclb, £te (^etreibcoeriualtung in ber rönüfct)cn
Äaifer^eit, im ^ilologu^ XXIX 1 IsTO) 2. 1— W, auf btc id) ftart ber anberen
über bieten (^egenftanb rcidjlirf) oorhanbenen tftrtcratur ttermeiie.
"*i 2eneca ep. 77,1.
rUWArift ffir *ultitrgcfd)id)t<. I. !»
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5h>iU>elm viebenani
Taiicrltd)c Regierung fid) nid)t üerantafit geiefjeu, burd) Cs)rünöung
einer Staatöflotte bie (Garantien für einen ^croiffeutjaften (betreibe*
tram?port 311 fdjaffen , oielmefjr eine Meifje oon $enoffenid)aften
fcautit beauftragt.*)
Nfjebergilben (corpus imvieulariorum) Ratten auf eigene $e*
fat)r**) bas überjeeijdje (betreibe au* ;tfrifa, 2panieu unb 2arbtnieii
uad) :Kom, (pdtcr aud) üuö 2nrien unb xHgnpten naaj Äonftantinopel
3U k jd)aff ett ; nid)t immer wirb bie t^Mmie"*) für eingehaltene
Vtefer^eit genügt tjaben, um fte für bie bind) ii>iub unb Detter
unb jd)lcd)te .Konjunktur erlittenen Uerlufte 3U enticrjäbtgen. X>ic
ntelen bie in* flcinfte auegearbeiteten ^orfdjriftcn über bie Art
unb *>eije bee iSarentrandportee, über perjönlid)e .v>aftpflid)t, 3lb*
liefernng ber bracht u. a., roeldje über bie Ifyätigreit biejer C^5c*
noffenierjaften in ben tt)eobofiantfd)eu unb juftinianijd)en ©ejefce^
jammlungcn erhalten fmb, fpicgeln auf ba»J beutlidjfte bie eminente
N3ebeutung berjelben roiet»cr. >
iSar bae £d)iff in bem .oafeu gelanbetf) unb bie £rad)t
bind) ben Wetreibepräfeften geprüft, fo mußte, ba ber Über für
^ieejdiiffe nid)t bie nötige liefe (jatte, eine aubere Wilbe (caudiearii)
baö betreibe ftromaufnnärte 311 ben grojjen 2peid)eru am $üeiitiu
id)affcn, wo eine mit ber Äbmeffung ber nad) genauen $or»
ia^rif teuft) 3« bergenben Vorräte betraute -fünft (mensores) itjree
;Hmteo waltete. rtjue betrug unb Streit ift eö babei nid)t
abgegangen, ff |)
3llo Äaifer Aurelian bem Hobel bie 2orge für ben Vebeiw*
•| lacitu* *unt (Ann. III. .">4i; twivibus et casibus vita populi
Komaiii permissu est trifft für bie weitere Jett uieileid)t uod) mel)r ,ui iuic
für rdc feine.
'•) Cod. Theo«!. XIII. ö, 2. .">. 14.
•••) Cod. Tiu'o.i. xin. :>, 7. :t<;. :;s.
••") (nite auofübrlicrjc rarlcgung berfclben enthalten bic 2d)rifteit
von rtrafaner, ^eruflcgungviDefcn bei 2tabt Moni in ber fpatereu
.Matferjeit, Vetp.uct 1*74, unb uou (>'. (^ebtyarbt, 2tubicn über ba* Her
pftegunasuieifit mm Miom unb Aimnaiitinopel in ber rudtereu Maifcv^cit,
i.or;mt
greller, Moni unb ber Über in i*er. ber füdjiifdjen Wcf. ber
^iff. IM!» ?lbl). II. 2. 5 fflg. 2~ m.
ff) Cod. Theod. XV. lf !•_>. XI. 14r 1. Cod. Just. X. Jii, 1.
tti"' ^l. bic ^nfcftrtit C. I. K. Vi. 1 T.V.t : . . mensoros nos Portuen*«*,
i|uil>: n> vrttisfuit «tun r;tiiili<ai ti> «l i u i Ii in Ii Tinx'Ue ) liK-tuiiien. I >i-^. X I , V III 10,,'VJ.
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Stn* bem Vereinsruefeu im röiiiifrfien Metctje
unterhalt nod) mef)r erleichterte unb ftatt bee monatlichen Wetretöe*
$efd)enfee täglich 33rot verabreid)te*), würbe bae ftorn in Den
Bühlen am ^aniculum gemahlen, wofür ber TOUer^unft (molen-
dinarii) ein Don leiten bee Staaten feftgefe^ter Vreie bc^a^lt
warb; bae sD?ebI erhielt bie feit Ürajan betätigte unb privilegierte
iPäcfergilbe (corpus pistorum), bie in ben *-,"»4 £taatsbäcfereieu
ber (Stabt JKom arbeitete. 3>e umfangreicher bie Fütterung beä
Volfee auf €taatö!often mürbe, befto meh,r Vereine mürben in ben
Bereich biefer grogartigen Verwaltung ge3ogen. ^eit Scptimuw
Severus ift ri unentgeltlich gegeben unb 3ur Verteilung bec=
felben i'^oo »Uiegabeftellen erriditet. Aurelian bewilligte £penbeu
von £d)weinefleitch, für beffeu reichliche Vefchaffung**) au* l^am*
panien, fiucanien, 33ruttinm, eamninm unb £arbimeu eine bc*
jonbere CMenoffeuichaft (corpus suariorum)**') 2orge 31t tragen
fjatte, unb für Stfein, ber 311 geringem greife bem römifchen
Volfe abgclaffen marb, betraute man eine weitere tfunft (suseeptores
vini) mit ber Lieferung f) ber nötigen Vorräte aue ben jubur*
bifarifdien Vrovinseu.
£0311 fommt nod) ein 3at)lretchet\ ebenfalls in Vereine ge*
gliebertee* «öilfe« unb Vureauperjonal ff), beffen eiugefjenbere 55e=
trad)tnng un* fyer 311 weit führen mürbe. xi\>ir begreifen aber
angeflehte biefer umfaffenben Vermenbung ber Korporationen,
weefmlb in einer 1*0 weitverzweigten Verwaltung f+f) wie bie ber
annona nur eine geringe -{abl von £ubalternbeamten beschäftigt
"l Hist. Aup. Aurel. •'{.">. 47. Zo^inuns I. eil. ttonftantin übertrug
biefe Verpflegungsart auf ttonftantiuopel unb lieft täglich nOUM ^rote
rerteilen. Webharbt a. a. C 3. *2o.
**l Über bie nötigen Quantitäten baubclt Hcbljarbt a. a. C. 2.. fg.
**") ^bentifd) mit ben porcinarii urbis aeteniac Cod. Just. XI. 17, 1.
Mix bie Verpflegung ber etabt mit £ammcl< unb Ninbflcifch waren bie
Vereine ber pecuarii unb boarii tbätia,.
t) (finen erroiinfd)ten (nnblKf giebt bic ^nfc^rift C. vi. I7s;> -
-Kilm. m\K
ff» [\u leereren rechne id) }. V. ba* corpus aeeeptorum, meld)es bic
Vieferungen entgegennahm unb buchte, unb ba* corpus suseeptorum, bas
vielleicht bie (Gebühren an bie Unternehmer ui oerrechnen hatte.
ttf) tfine furje Jufammenfaffung finbet iid) bei Symmachus rdat.
icp. X» 14 S :\. Tie in nieler Heuchling fdnuierige stelle ift oou
i&altiiug, les corporations oflficiclles de rancienne Korne d'apres uue lettre
deSymmaquc in ber Kevin; de rinstructimi publ. en Beljfique XXXV 189*2
öiiöführlid) behQnbelt.
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*Mlf)ehn Vtebeuam
war. £\ £irf d)felb* ) rjat auf Dieje 21)atfad)e juerft aufmcrfiam.
gemad)t unb bemertt: „Sie Irjattgfeit btcfer Kollegien muß nad)
ber fjäufigcn (Srmäfjnung berfclben 311 fd)liepen eine fct>r bebeutenbe
gewefen fein, unb laufenbe oon 'Dtcnjdjcn waren offenbar im
SMenfte ber rjauptftäbtifdien ftetreibeoerwaltung tnätig; ohne Zweifel
waren fte fontraftlid) $11 beftinunten Stiftungen ocrpflid)tet unb
bilbeten gewiffermafkn eine Wtttelftufe jmifdjen iMioatuuternehmeru
unb faiferlidien Beamten."
Tamil ift Die rHeitje ber lMcnaffcnfd)afteu, bereu *>trfiamfeit
bie Wegieruug in iHufprud) nahm, feiue*wego erjd)öpft. iHuf ben
ftaatlid)en Werften in Tftia, Waoeuna, ^ifae, flrelate arbeiteten
bie fünfte ber 2d)iffi?bauleute (fabri navales) unb -^immerleute
(fabri tignuarii), bie weitverbreitete Korporation ber centonarii,
jo genannt uad) il)rer urfpriinglidjeu ^efcrnlftigung, ber s£er*
arbeitung oon Jviljftoffeu unb Herfen, Diente neben ben Vereinen
ber 33auf)aubiocrfer (fabri) alo iseuerweljr , Denn außer in ffiom
gab ee nur in .'pafen [labten wie Dftia unb t>uteoli eine Berufe*
feuermeljr, unö warjrfdjetnlid) würbe bie oft genannte, aber DuraV
aue rätfet hafte Wenoffenjdwft ber dendrophori jn Denselben ^werfen
»erwanbt.'")
(?e ift biee eine 2eite Dee antifen Uterciusleben*. weldje bem
inobernen gau} fremb ift, Denn mit ?liwuat)me ber Feuerwehr unb
einigen rnnuauen ^werfen bieneubeu Verbau ben giebt ee- heutzutage
feineu herein, ber bem ftaatlidjen ober einem fommuuaieu Wemein*
wefeu 311 beftimmteu l'eiftungen oerpflid)tet wäre, ^sii gewiffem
einne waren biefe Wen offen jdjaften an bie Stelle Der in republi*
fanifd)er ^ett fo wid)tigeit societates publieanorum getreten, bü
bie Direften Abgaben ber vl>rooin$en nid)t metjr an biefe oerpad)tet,
fouberu unmittelbar au ben £taat abgeführt würben.
T'ie weitere (rntwitflnng aller Diefer im 2taatöbienfte »er*
wanbten genoffeufd)aftlid)en ^crbänbe ift eine l)öd)ft bewerfen**
werte, £a ihr möglid)ft gefidierteo iSefteben eine Wotmenbigfeit
geworben war. würben fie mit ^orredjten aller 31 rt bebad)t.
•1 %4?hiiologuo XXIX. 60.
'*) X/te |d)iDieria.e flragr nad) ber ^ebeutung ber Wanten centonarii
unb dendrophori Ijabe td) an anbrev Stelle erörtert < >. H>2 fgg »- SJfll.
C. £irfd)felb, OtaUtfdje -«tubien in. in ben Zit$ungsberid)tcit ber Liener
Vlfab. 1**4 2. •231> fag. Walle, Tie Vereine bei fabri, centonarii unb den-
dn.phori tut rötmföen 9ietd)e ls,s»;.
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Vluö beut ^ercinotuejen im römifd)cn 5Heid)e
Irajan gewarnte ben Witgliebcru ber römifcfjen ^dcfergilbc einige
(?rleid)teruurtcn oon ber alö redbt brücfenb empfunbenen Verpflich*
tung, Bornum bid)af teil 311 übernehmen, ftabriau unb GaracaQa
fügten weitere prioilegierenbe ÜBeftimmungeii l)iii3ii*), unb gegen
(Tube ber Regierung beo Ware Äurel mürben aud) ben mensores
frumentarii bieie Siechte 511 teil.**) -v>abrian gab ber Sduffersunft
'Jmmunität; aud) bnrfteu bereu Witglieber nid)t 311 bem mit
neuen ferneren perjöulidien unb $>ermöflenelaften oerfnüpften C^in*
tritt in ben munizipalen £tabtrat gezwungen merben.***) Vor
allem aber war ee uon ^ebeutung, baft Ware SÄurel allen gejefe*
mafug beftebenben Vereinen bie ?)ied)te einer iuriftifd)en ^erjon
Derliel); feitbem finb fle Dielfad) mit Legaten bebad)t"**), mofür
weiterbin einige SJeifpiele gegeben merben j ollen.
£a mit bem 2lnwad)fen ber 2*orred)tc bie Wttgliebfcrmft in
biefen ©enoffenfdmften immer begehrenswerter mürbe, erfolgten
^eftimmuugen gegen bie 2lufnal)me foldjer $erfonen, bie ben
Vereinen jur l'aft fallen mußten unb ben ;}mecf berfelben nid)t
erfüllen tonnten, fo menn jemanb, or)ne überhaupt ein Schiff 3u
beftfeen, in bie 9tyebera,ilbe aufgenommen rourbe.f) Seit Slntoninuä
^iue mar ber Eintritt nur beuten oon einem gemiffen Älter unb
förderlicher DiüfHgfeit geftattetff ), unb fpäter mürbe, uielleicht unter
Erneuerung einer alteren Sßeftimmung, angeorbnet, baß niemanb
Witglieb in 3mei Vereinen fein burfe.+tt) Saburth follte bie
Seiftungöfahigfeit berfelben gefteigert unb bie abfd)liefmng ber
Vereine gegencinanber geforbert werben, um ihnen ben C5l;a*
rafter ber 23erufggenoffenfd)aft 31t wahren. tttt) ift nicht mit
einem Schlage erreicht, unb jene Verfügungen würben Dielfach
übertreten, we$r)alb Se&eruä einferjeirfte, baß bie 3mmunität3*
bewifligungen nur folchen Witgliebern gu teil werben foden,
•) Frgm. Vaticana §. 233—235.
-) Dig. XXVII. 1, 26.
) Dig. L. 2, 9, 1. So noch im Sabr 3*0 Cod. Theod. XIII. 5, 16.
•••") Dig. XXXIV. 5, 20.
t> Dig. L. G, 6, f>.
tt» ™* L. 6, <J, 12.
tft) Dig. XLVII. 22, 1, 2 Dgl. Cod. Theud. XIV 4, 7.
tf-j-f) Cod. Thcod. XIV. 3, 2: ut aliis nocessitatibus absoluti eam
tantum modo funetionem liberae m*otis nisibus exsequantur.
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1'U ixMllKlnt i'iebcnom
mcid)e öa* bewerbe auet) ausüben.*) 8ber auf iicjem *>egc
ift allmäcjlid) Die grotfe Sanblung angebahnt, bic in bem $cr*
f)ältnio biejer Vereine 311m Staate fiel) twU3og, inbem biefe
aittidd>ft auf freiem 3ufammenfd)Iufj ber TOgliebcr berufyenbea
Wenoffenjcrjaften jenen 3roang$oeretnen unter ftaatltdier Slufjidjr
würben, bie fortan burd) eine föeifjc ber fyarteften gefefelidjen
^iafiregcln $u 51>erf$eugcn ber Verwaltung gcprefjt mürben.**)
C?ä cntjie^t fid) int einzelnen unferer .ftenntnie, wcld)e fokalen
unb po(irifd)cn Verljöltniffe 3iifammenwirftcn, um bem Staate eine
(old)e sDiad)t gegenüber ber freien .ttonfurren} ju ftd)ern. v^ir
müßten bae gefammte ^irtfdjaftäjnftem ber fpätereu Älaifer^eit mit
feineu Natural lieferungen, ben $anb« unb Spann bienften'*"), Den
Verfall ber Inirgerlidjeu Wcfellfd)aft eingefjenb fdjilbern, um ein
beutlidjeä 3Mlb biefer 3uftänbe 3U gewinnen, unb bcfdjränfen unä
be^r)alb auf wenige 3?emerfungen. sl$k überhaupt ber grofje
S?eftfe ben fleinen überwudjerte unb bic wirffame 2}etfyätigung
beweiben in £anbel unb ^nbuftric la^m legte, fo mußte DollenbS,
jeit burd) £iofletian unb .ftonftantin bic faifcrlid)e ^''tralgeroalt
3ur unumfdjränften 9Kad)t umgeftaltet, ber N}>rin3iüat 3um un*
rjerfniUten &etyoti8mne in orientaIifd)en formen geworben warr
jeber ÜhMberftanb gegen bie auf Wonopolifterung geridjteten len*
ben3en oergeblid) werben.
$>ann bie Webunbcnfjeit an ben #eruf bnrd)gefüf)rt wurber
ift nid)t mit (Memijtfjeit 311 ermitteln; baß bei ber 3ftf)ebergilbe, ben
navicularii, G£rblid)feit bee Staubet im ^a^re 314 gefefelid) warr
bezeugen ^erorbnungen****), unb $war galt bic $erpflid)tung Dom
') Dig. h. 5, <i, VI.
*') (5ine .ftrtrif ber bisherigen iierfndje, bic (rntiterjung bcr3roangä«
pereine ,w erflären, l>at 93. Sflattbiafc, 3ur Wcfdjidjte unb Crganiiatiort
ber römtfdjcn ^roanaöoerbänbe , Woltorf er äcftfdjrtft 1*91 gegeben, orjne
metner Ülnfidjt nad) roeicntlid) glütfltdjer als feine Vorgänger bie idjroierige,
nur im Jujammcnljange mit analogen Werbältntffen anberer ^Berufe auf-
Auflärenbe #ragc ju löfen.
£ic geiftüolle Xarfteuung biefer ^ert)äUntffe oon JRobberruö in
£ilbebranb£ 3at)rbuäjern für ftationalöfonomtr VIII. 4ui fgg. roirb ftctö
irjren rjotyen 2£ert behalten.
**" ( Cod. Theod. XIII. .3, 1: navicularius oripinalis . . . apud quo»
et parentes eius tuisse videntur firraitor permanebit. XIII. 5, 14. Nov.
Val. III •_>».
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91u* bem ^ercinorocKii im römiidjcn d<cid>e
•jo. Jafyre ab.*) $llmaf)lid) roirb bieielbe aud) auf anbere
Korporationen ausgebefjnr*), menn bie* aud) nid)t für alle oben
(£. IHo fgg.) genannten auebrürflidi fefauftellen ift. £ap e$ ftd) nid)t
um eine burtf) ©efefc eingeführte Steuerung fyanbelt, wirb moljl
allgemein 3iigegeben.***) Sie faiferlicne Regierung ,}og melmeljr
aue ber bisherigen (Sntroicflung bie unerbittlichsten ßonfequenjen.
Wir id)ien e£ besljalb manridieinlid), bafc fdjon bnrd) 21leranber
^eoeruö eine ftraffere rrganifation biefer Ver&änbe al$ ftaatlicrjer
(Menoffenfd)aften eingeleitet mürbe. £enn roie man aud) bie fritifä)
unfi(f)er überlieferte unb mannigfad)er Interpretation Oiaiim bietenbe
0H3 in ber Viograpf)ief) erflären mag: bafj bie Regierung biefeä
fiaifere einen ^Ibfdinitt in ber C^ntmicflung beä 2*eretn0roefen$ be=
beutet, ift nidjt 311 leugnen. @r orbnete bie Werid)t3barfeit ber
Vereine, gab itjnen eine juriftifd)e Vertretung (defensores) unb
bie Formel «juibus ex s. c. coire licet (permissum est), n»eld)e
als 9)ferfmal ber ftaatlichen Äon^ejfion fid) fjäufig finbet, oer»
fdjminbet feit biefer -^eit. CMernbe im britten ^Willibert nimmt
bie €orge für Verpflegung einen gemaltigen Umfang an, unb ber
^taat muf?te barauf auögefyen, in ben mit berfclben betrauten
(^enoffenfctmften immer bauernbere unb ftdjerere Garantien für
il)re ^eiftungefä^igfeit 311 fdjaffen.ff ) -Tie* follte erreid)t werben
burd) bie ^eroafjrung weiterer ^rioilegien.
£ie 9)htglieber ber ftrjecergilbe erhielten burd) äonftantin
au* £tanbeäerljöfnjng ben ftitterraug, unb um bem Verbanbä*
oermögen weitere ßufdjüffe jujufürjren, follte bie £interlaffenfd)aft
einee of)ne Scftament oerftorbenen (^enoffen nid)t mefjr an ben
•| Cod. Theod. XIV. 3, o. 11. 17, 1 - Cod. Just. II. 44 (45), ">.
SBetreffo ber pistores Dgl. Cod. Thcod. XIV. 3, 1. \ £> — Cod.
Just. XII. 53, '1. Cod. Theod. XIV. 3, 3, 1: jianificii neeessitatem suseipore
succesaionis iure coguntur XIV. 4, 1 , betreffs ber suarii Cod. Theod. XIV.
4, 1. 7. -s, ber pecuarii unb boarii Nov. Valent. III. 30, .s.
"••) 3o aud) Don ftarloroa, mm. fted)t*aefd)id)te i Wb, \m.
fl Hist. Aug. Alex. Sev. 33: corpora omnium constituit vinariomin
lupinariorum (?) caligariorum et omnino omnium artium atque ex sese
defenaores dedit et iussit qui ad qtios iudiecs pertineret.
ti» ^ebharbt a. a. C. £. W fgej. ift beshalb geneiat anzunehmen,
bar, Aurelian mit feiner umfaffenben SRefonn ber cura annonae (oben
£. 131» aud) bie fteorganifation ber mit biefer ^erroalruna, in ."Her«
binbung ftehenben .Korporationen oerfnüpft unb bteielbe an ihren 33eruf
flebunben hat.
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ä£iU)eliu IMebenam
^iöfuo, ionberu an Die Korporation fallen. 2lud) fonft würben
^ar)ircid)e Storredjte gewahrt, um bie ©cuoffen bieder Vereine mög*
lid)ft roenirt oon ben ifjnen übertragenen sJ$flid)tcn abjulenfeir),
einem großen Seile beä Wewerbeftanbeä überhaupt ^Befreiung oon
ben $ur ^ürgerpflidjt gehörigen Saften bewilligt.**) $reilid) wnrbe
auf ber aubereu Seite aud) ber ßroaug fd)ärfer. $ür bie bnrd)
Konftantiu wieber eingeführte ®ewerbefteuer mußte bie ©ilbe al$
foId)e auffommeu, gleid)üiel ob bie cii^clnen TOglieber jafylten,
unb ba* Wa\] ber persönlichen C»)ebunbenf)eit roucfyä in bem Wiabe,
baf? beifpießweife, wer bie lodjtcr etneö Hcitgliebeö ber Rätter*
gilbe heiratete, feit bem Ja^re :-i5f> felbft in bicfelbe eintreten
muf';te*") unb baf? fpäterfjiu ifjnen bie (?t)C mit grauen, bereu
Statcr ntd)t sur Jimft gehörte, überhaupt oerboten marb.f)
23ci allen btefen ^tofnegeln blieb altein ba£ Jntereffe oce
^taated auäjcrjlaggebenb. Sie Reiten waren babiu, wo bie Bürger
freiwillig unb gern il)re Gräfte in ben 5)ienft beö Stoterlanbeä
ftellteu. Jefct regierte ber eifeme 3roci"gr »nb immer neue (Mefefee
fcrjmiebeten Ijärtere Ketten, um bie Untertanen mit Selb unb
Seele 511 feffeln. SlrgTOöfjmfd) mad)te bie Regierung über ben srrb*
nungen ber Korporationen, bamit fein OJJirglieb fid) feinen Pflichten
eiit^ielje, t*rlid)tcn, bie um fo brüefenber empfunben werben muftfen,
weil fie nid)t auö eigener €fnticf)iicftuiig übernommen, jonbem
fd)ou auo ber Il)atfad)e ber Weburt ermad)fen waren. 'Bie Der
5touer an fein Wut, ber (5uriale, ber Krieger an feinen 33eruf,
war ber Wewerbtreibenbe an feine ^efd)äftigung , feine Wenoffen»
fdjaft gebunbentf). Überall fyerrfchte baäfelbe brutale Softem, bae
bamalö grofte Klaffen ber iöeoölferung ihrer <yrett)eit unb 3ted)te
beraubte. Kein SLUinber, bap bie $lud)t unter ben ^flitgliebern
biefer Vereine, weld)e ^ N-8urcflmrbt treffenb ein Wittelbing jwifdben
*) 3luf eine lUufflärjlung ber einzelnen (*rlaffe nervte id), eine
SlnjaDl giebt Okbljarbt 2. 7!».
**) 2$aJ. bie intereffante i?luflä^lun« oon 3o Korporationen. <'od.
Thond. XIII. 4, 2 (im 3. 337).
•••) Cod. Theod. XIV. 3, 2. Stefelbe *Serorbnunp, ergtna feljr balb auet)
fi'tr anberc Korporationen. Cod. Theod. X. 20, 3. 5.
f) Cod. Theod. XIV. 3, 21 (im 3. 403). Webharbt a. a. O. <S. >1.
ff) Dafj es fid) um bieielbe I5rfd)einunp, in oerfd)iebener auiiii
banbelt, f)0t befonberö fHeotUout, Revun historique d* droit fran^is »<t
ötranger 1857 £. 21 s fgg. aiiägeriu')rt.
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2luä beut JHereiiuMucfen im römifchcn Meiere
137
Staatefabrif unb Galeere genannt fjat, überfyanb nahm, ol)ne baft
bie oft erneuerten $efe{je roirfjam 31t ftencrn oermod)ten.*) ^eber
fonnte man burd) Veräußerung jeineä söeftfceä ftd) ben Stuetritt
erfaufen, nod) burd) ben Übertritt 311m etaatebienfte unb burd)
mächtige mtrjpradje; jelbft bie Annahme beä d)riftlid)eu 33efennt*
niffed, bae bod) ftaatlid)e Sluerfennung gefunben, mar ben W\t*
gltebern biefer Korporationen unterfaßt/*) Um bie in ben ftaatltd)en
(Edjmiebeipertftätten tf)ätigen Arbeiter (fabricenses) bei ftlud)t*
oerfud)en mieber^uerftunen, rourbe ihnen ein slVal in ben 5trm
gebrannt.* **)
£0 ftanb ee um bie gcrocrblidjen Verbänbe im römifd)cn
SReiche 31t ber 100 mir ifjre Spur in ber ®efd)id)te oerlieren.
Keine ibrüefe füljrt hinüber 311 ben oeutfehen fünften beö Nüttel*
altere, bie trofe mancher auffallen ben XHfmlidrfeit in Verfaffuug
unb Vereineleben mit ben römifd)cn (^enoffcnfd)aften fid) bod) alä
eine auf beutfdjcm $oben unb auö t)eimifd)en Verfyältuiffen heraus"*
geroacbjene (*imid)tung barftellen. @in l)iftori(d)er Hufammeu*
hang, mie öfter unb erft neuerbinge mieber behauptet ift, ^mifd)en
unferen Innungen unb ben römijdjen befteht nicht. Seit ber s^aaV
roeie gelungen ift, baß unjere bentfd)e (Etäbteuerfaffung fid) nid)t
erflären läßt burd) bie 2tnnal)me, baß bie mmfd)e ^unigipal*
oerfaffung in ihr fortlebe, mußte ichon aue biefem ®runbe bie
Stfetterentmicfluiig ber romifdjen (tfercerbeuerbänbe 311 ben beutidjen
fünften ale bnrd)aue unmal)n*d)einlid) bezeichnet merben. 3^Md)en
beiben liegt bie lange ^eit oou mef)r beim fünf vVtl)rl)unberten**'*),
') Cod. Theod. XIV. 3. 1, 6. 11. 14. 18: 4, 1. 8. 11. XIII. 0,
11. 6, l u. a. m.
"I Cod. Theod. XIV. 3, 11. Nov. Val. III 15.
•"I Cod. Theod. X. 22, 4. üb bteß ber Urfprung ber otelfad) oon
»rbettern geübten Sitte bes lätoroierens ift, wie 2errignt), droit public et
•dm. rom. II. 371 meint, bleibe bahingefteüt. übrigens gefepab baofelbe
auch mit JHefruten unb ben fatfcrltd)cn aquarii.
•"•» 3Batfe, Seurfcfae Verfafiungägeid). V. 3U«. Sie elften Junft-
nrfunben finb bie ber ^ifcherinnung ,ui *h>omiö llUß, ber Schuhmacher-
innung 31t 35>ür,jburg 11*2«, ber Jöcrrjiedjenroebev 311 &ölu lM'.^acomblet'ä
Urfunbenbud) be$ 9UeberTbein6 I. 251, MM)), ber Xuchfcheerer unb Krämer
1152 in Hamburg c3tieba in .'ptlbebranb ß Jahrbüchern XXVII. 23| unb
ber 2d)ufter in 3Hagbeburg 115« rJJf aurer. 2iäbtcoerf. 11. 330). JBtjl.
ö. JÖeloro in Rubels 3ettfd)rift 1««7, 2. 22s. xHrnolb, 2tnbien jut
i>eutfd)en äulrurgefchtdjte, 2. 171 fgg.
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2iMlt)dm Viebcnain, Sin* bem ^erciiuMucjcn int röntifcften 9icicüc
bereit rmrtfdjaftliax ijuftänbe \u Den Dimfclften bcv <^cfct>ict>tc-
fibeTtjaupt gehören. "JlMr uerlaffen jene römifdjen $erbänbe alä
förmlidje Mafien, beten Witglieber 311 ivronbienftcn ge3rmmgen
ftnb. Jljre traurige £age bilbct einen idjarfen .ftontraft 311 bem
in fto^em (selbftbetuujitfcin iiberfdjänmenben £eben öer beutfdjen
fünfte in ben ntittelalterlid)ett beutfdjen (Btfibten, wenn ee galt,
bie ®ered)tfame 31t erweitern, fid) gegen bem Hillen ber ©efd)led)ter
Anteil am (Stabtregtment 31t erfampfen ober mit bem Äatfer gegen
bic (9eiftlid)feit 311 #elbe 31t 3teljen. „(?8 mar", iagt (SdbmoUer*),
„bie freubige Sußenbfraft einer neuen Weit, ber freien Arbeit
ber mobernen Jnbitfrrie, bie fidt in bem .VHntbroerfertum jener
Sage regte*
•1 gdmuiller, etraftburg jur M'\t ber ^unftfätrttifc i1n7/>i :>.
«scnltift folflt.)
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Tie & ulturgef cbidjte bat auf bem .">>ift ori f crtagc, bcr im
&pril in Wüncben oeriammelt mar, nur eine geringe Wolle gefpiclt.
9iad) bcm Skrictyt in ber „Teutleben 3fitf$rift für C^cfc^tctjteioiffcitfc^aft''
„überroog offenbar in ber iterfammlung eine oorfidjtigc ^urürfrjaltung
gegenüber bem Verlangen, bafc bic Äulturgeicbidjtc in ben itorbergrunb
be* 3ntereffes (nämlieb beim Unterricbti treten folltc." Tix. Wartend nnb
9?Tof. iBöbtlingf Ijaben allerbingö oerlangt, bic ftulturgefebtcbte eifriger
311 treiben; anbere baben jene „^urütf Haltung" empfohlen, HJrof. tfampreebt
j. iö. namentlid) bcör^alb, weil auf biefem Gebiete nod) alle* im 3I"B if*-
3Ä>ir erfennen bieö Moment als ,\utrcffenb an, galten es aber boeb für
unumgänglich, notroenbig, bafj iomobl ber 2cf)ülcr als ber 2tubent mebr
oou bem roirflicben §eben ber ^ergangenbeit erfä'brt, als er es beute
erfahren fann. ShMr finb freilief) bcr tUufidjt, baß es burebaus falfd) ift,
in ben Wefebiebtsunterricbt beftimmte lenbenjen binein.w legen, unb ftimmen
mit ber ilVctjrr>cit ber ä>erfammlung überein, baf} bcr (%i$id)tsunterricbt
nid)ts ju lebren rjabe, als bie Söabrbeit, obne jebc tfebenabfiebt. SMr
galten insbefonberc bie Sorbcrung bes Dir. Wartens, bafi im fultur.
gefebiebtlicben Unterriebt „bie Wittel unb ÜEJege *ur ^cfämpfung ber
beurigen go^ialbemofratie" gemiefen werben follen, für burebaus oerfcblt.
Slber mir feben eben in einem einfeitigen politifct)en (tfeicbtcrjtsunteTricfjt
ebenfalls eine Junbetou&te ober aud) oft bciou&te lenben^. ($inen Dollen
(*tnblicf in bie gefdncbtlidK $$ergangenbeit erbält berjenige niebt, bem nur
Dom ftaatlid)en (tfefiebtspunfte aus Wefcbtcbte gelcbrt ivirb. Darüber, nrte
über bie gaiw „$ragc" ber juilturgefcbicbte läpt iid) oielleiebt auf einem
ber nädjften £iftorifertage reben.
311 ben „Csabreöberid)ten bcr (^efcr)tcbtsnMf i enf ctjaf t" roirb
mir bem bemnäcr)ft erferjeinenben 33anbe eine erfreuliebe (c*rtoeiterung ein-
treten. 1*5 ift ein befonberes Kapitel: „xUUgemeine Äulrurgefcbic^te*
eingeridjtct; baü Referat bat Tr. 2teinb,aufen, bcr Herausgeber biefer
^citfebrift, übernommen. v\" biefem Kapitel roerben alle (yrfebeinungen,
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HO
Wittcilungcu nnb Motion
^ic alle ober mehrere Hölter betreffen, beüirodien: bie &ulturgefcb/icb/te ber
einzelnen Van ber wirb in ben Referaten über bie Wefd)id)te ber berreffenben
Vänber, wie bi*f)cr, bebanbelt.
(*in retdjeo, Dtcliad) wenig beachtete* fulturrnftorifdje* Material
ftedt in ben Jeit|d)rif ten ber l)iftorifd)en Vereine £eutfd)tanb&. 5lMrb
in benfelben nidjt feiten allerbing* ein Mnlrno bes kleinen nnb llnbebeu*
tenben getrieben, fo mangelt e* auf ber anberen Seite burdjauä uidjt an
icqätjcnswcrteu Beiträgen nnb beachtenswertem Material. 2£ir möchten
an biefer Stelle eine Anregung bal)in geben, baß fiel) iemanb ber Mbe
untergeben möge, ein übcrfid)tlid)e* Olegiiter über ben gefamteu bisherigen
onljalt biefer .{eitfctjriften anzufertigen, unnal uielc berfclben int ^ud)«
tjanbel nidjt erfdneuen finb, ibj "stiljalt aud) größtenteils in ben 2Mbliiv
grapbien nidjt angegeben ift. AÜr einzelne biefer Jcitidjrtftcn bcftel)en feljr
genaue Wegiftcr. a ii r ben näd)ften .{werf würbe aber ein (^cfaintöcr^eic^niö
ber iitel aller 31 iif falte u. f. in. geniigen. 21m beften nannte ein foldjeä
Unternebmen roobl ber (>ieiamtDcrein in bie .v>anb. x.
oii ber „Jeitfd)rtft f üv 2<Mtal< nnb &*trtfd)af tsgcfd)id)te' l.
IUI ff. finbet fid) ein intereffanter ?luffatj uon ä. Samprcdjt:
„Jum ^erftänbnis ber nurtfd)aftlid)en nnb fokalen Staublungen in
Ttutfcrjlaub vom 14. ,uim 1<>. oalvrlnrnbert", ber bie (*ntmicf elung , bie
fetneswegs gleichartig für bas 14. unb 15. oabrbnnbert öerläuft, nor-
rrefflid) beleuchtet unb aufberft. Ter ^erfaffer will fid) bamit ben *hkg
bahnen nun ii»crftänbnis ber iHeformattous.jcit.
ätfir fnüpfen hieran einige «f-ünmeife auf bead)tcnswerle dluffätye,
bie in fold)cu ^eitidjriften ueuerbings erfdjienen finb, bie bem l)iftoriid)en
Peier au fid) ferner ftcb,en.
Tsn ?»anb xm ber „^citfdjrtft für bie gefamte Strafrcebtöwiffenfdjaft''
2. ff. tjat Ibcobor ^iftel eine namentlid) fulturgcfebicbtltd) intereffante
„Slrdjiuftubie": „3ur Jobesftrafc gegen SHilbcrer in Äurfacbfcn" erfdjeinen
laffen, bie rocfentlid) aud) bie -Härte ber Strafen urfunblid) öeranfctjaulidjt.
%i*ou bem .Herausgeber biefer ;{eitid)rift finb int „SNuölanb"
1S!»3 >){r. Kl— H» „Beiträge jur Wefd)id)te bes Reifens" erfd)ieneit, in benen
bie fuIturl)iftorifd) wichtige „9teifefud)t bes H>. unb 17. oQ^unbertö" unb
bas „sJiaturgefüt)l auf Reifen" eingebenb bebanbelt werben. .Hier beifei aud)
auf ben Üluifafe uon Simonsf elb: otalicnifd>bcutfd)e Steife Sprach-
fübrer aus alter ^ext" »" berfclben Hcitidjrift htngemicfcn.
(*inc auofüI)did)c Arbeit über „He .Hufeifcnfunbe in 'iJcutfdjlanb,
natnentlid) in Sübbauern, unb bie t*)cfd)id)te bes .öufcifenö" Ijat fR. 33raun ■
gart in ben „Vaubwirtfdjaf Hieben oabjbüdjcrn" 5Bb. XXll .£cft 3 ner«
öffetttlid)t. Ter SlnffaU bringt rjielfad) neue il)atfad)cn.
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Haljreöbcridite für neuere ocutrdir Crlteraturnerditdilr»
Unter ftcinbiger Witroirfung oon 3- »ölte, 3?. (5reijenach, W. (ruinier,
(*. t^lfter, V. (Metgerr C. ^arnaef, 31. Kendler, W. .vtaroerau, >\. aehrbacb,
Ä. ttochenboerffer, 31. Moefter, ftuefmemann , fltnb. Lehmann, 2H. W.
•JJtener, 33. "JJMc^elö , ft. ")Jluncfcr, (r. »Jlaumann, C USnioroer, 31. i>ieiffer-
fcheib, «. JRoethe, 31. Sauer, % Scfjlentbcr, (rridj Schmibt, 31. (> . sdjoen*
bad?, Gbro. <Sd)rocber, (3. 'Steinhaufen, Strauch, 2>. Valentin, »i.
oon Salbberg, £. 3. 29aljcl, 91. Don teilen, ilSelri, iH. }J1. ferner
herausgegeben oon 3uliuS (*Iias, War Hermann, Sicghieb
Sjamatolöfi. 1. 33anb (3abr IkWi. Stuttgart. W. 3. Wöfchen. is<h>.
Itas neue Unternehmen f oll ber geeignete gübrer burd) bas aus«
gebehnte ftorfctjungöfelb ber neueren beutjdjen SMtteraturgeichtchte fein, ba$
ber (vinjelne fdjroer ober gar nid)t überblitfen fann. — 3n ber äußeren
Slnlage oorroiegenb nach bem "JUhtftcr ber 3aftroro fchen 3abres berichte ein'
gerichtet, bie ftd) in ihrem praftifcfjen sJcufoen üollauf beioäbjt haben, fliegen
bie neuen 3abreaberid)te ihren inneren (behalt oor allem baburd) 31t er-
reldjen, baß fie bie einzelnen (gebiete ben befreit Zennern berfelbctt an
oertraut haben. Ü>on ber frraffen, jufammenfaffenben .Mürje ber 3aüroip.
fdjeu »eridjte untertreiben fie fid) burd) breitere, oft ietrr eingehen bc Xar^
ftelluug. (?in(}elne 3lbfcfmitte fann man nid)t nur jur Belehrung benufceu,
fonbem auch mit Wenuß Iefen, 3. 33. bas Referat oon W. Woettje: 3Ulge*
meinet bes 1*/1S>. 3afn"hunberts.
2>om Stanbounft bes AUiltnrhtftorifcro aus itt bas Unternehmen
mit tfreuben 311 begrüßen. £>ie Herausgeber finb fo roeitbltcfenb gcroefen
unb haben ein befonbercs Referat „.Mulrurgefdjichte" eingerichtet, in ber
richtigen (*rfenntms, baß fulrurgefchichtliche Vertiefung allein bas Urteil
unb ben »lief be$ YitterarhiftorifcrS fräftigen fann. 3lber aud) anbere
Slbfcfmirte, fo bie brei ^Referate : ./Allgemeines ", bie |c einer Verlobe ooran>
geben, ferner „Öttteraturgefcfncbte", „Schrift unb 33uchroefen", ,,®efchtd)tc
beo Unterrid)tsroefenö", finb gerabe auch fuv oen .Multurhütorifer nnditig. (rr
roirb ferner aud) allen übrigen Referaten 3lufmerffamfcit {dienten muffen,
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58efored)ungen
freiließ oon alleren Wefid)t*rtunften au*, al* bev Vitterartnftoritev. Tic
^eriebte fetjen übrigen* mit ber Witte bc3 funijebnten ^abrfwnbert* ein.
Dem oerbienülieben Unternebmen tu ba* befte Webeiljen ,m münfebeu.
©er .<»>erau*geber.
Sultan nott feuctiUiatb, ftilber an« der \n>IU*h>trtrdjaft-
lidrett uttb fwlittfrftrtt ©rraanatntittt fBethlenburas (I*>3l--I70si.
U>orroiegenb nach, ungebrueften Quellen. Aeftfdjrift u. f. w. ^icnftreliB,
Verlag oon Stöbert ;*acobt), 1MW «V. W-s 2j.
Dieie ooiwiegenb nad) uugebrudtem Material gearbeitete fleißige
linb umfidjtigc Arbeit in ,ui einem ^ eile ber ooliHfdjen Vergangenheit
Weeflcnburg* gemibmet-. ju einem anberen Teil ift fie fulturrjiftorifd) mertrjoll.
(** febeint, al* ob ber Verraffer bie Arbeit urfbrüngUd) weiter angelegt
unb au* größeren Vorarbeiten tjerau* bie oorliegenben fünf sJlbfdjnitte
au*geroäl)lt bat. r>d) tarnt nur roünfd)cu, baß er ^eit finben möge, auf
btefent (Gebiete weiter ,ut arbeiten.
£ier möd)te id) tun auf beu erften unb legten iHbtdmitt eingeben. -
Die übrigen bret unb betitelt: „Volitiid)c Vläne \ux Einigung unb
.Kräftigung Wetfleuburg* H5iH-U;iW." „ßerjog Gbiiftiau* I. i<Ian, bie
Bereinigung "Wetfleuburg* burd) einen erzwungenen (nboer^idjt per^og
5>lbolf « riebrieb* U- ,ui erreieben -1W3." „ Der Herrath, <$ubmer* im
(^üftromer lyrbrolgeitrcit lw.r-2— 1701." unb [neben fetmtlid) ba* bi*tjerige
biftorifd)e Urteil über bie in -43etrad)t fommenbeu fragen ,w berid)tigen,
wie mir [ebeint, ntetit ot)tie Erfolg: bod) ift an bie[er 2telle eine nä'berc
Darlegung nid)t am platte. — Der größte 9lbfdmttt ift ber erfte: „©irt«
[d)aft*ge[d)id)tlid)e >ib,lcnbilber au* bem breißigjäbrigen Kriege, 1 m - 1 tiöO."
Tsd) glaube, baß mau bie Birtlingen be* großen .Kriege* in maneber Ve-
uebuug tiberfd)äbt; ,v V. jeigeu fid) bie 2i)tmitome eine* materiellen,
moralifcbcu unb geiitigeu Verfall* id)on lange uorber. "\n materieller
.£>inüd)t freilieft ift ber Wniu ungebeuer, unb Vitchwalb maebt fid) oerbient,
wenn er uu* burd) .{ableu benfelben ad oculos bemonftriert. Wan gewinnt
au* biefen „rebeuben Labien" ber alten Btrtfcbaftoaften unb Mecbnungen
erft ba* riditige Vi lb. Vudjmalb oerfolgt bie Birtlingen be* .{uge* lillij*
im ^alne l»i:U burd) bie Ämter Aclbbevg, 2trclin, Batike unb Staigarb
unb oerwcilt nameutlid) bei beu Verl)ältnif[en be* kirnte* Stargarb, aud)
in Hutterer >it. Von ber wirtfebaf Hieben £öbe be* H». x"al)rl)unbcrt*
mar mau febou tun bem Kriege gefuufeu: gleiebmobl waren bie Verbalt-
uiffe bod) bamal* nod) gut. Der }iad)wet* über bie (*rtrag*iäl)igrett be*
xHmte* 2targarb im v\al)re IM 4 v V. ift fet)r intereffant. Die Rahlen
bev >uieg*fabre geben bann bie nötige Veleud)tung für beu entfeblidjen
Wuin. irin.jelijciten tann id) bier uid)t anführen : man möge ba* Vüeb,lein
leion. Vudnoalb * idulbevung jeigt and), büß c* in biefer ,{eit ber ferneren
Oiot Vettte gab, bic nad) Kräften ,ui beireu [nebten, wie beu 5Nmt*bauotmatm
>ad)im (rngel ui Vroba. 511 u* foltben (riu.telfällen, wie üe in bem 33ud)malb«
jeben Vnd) uorlicgeu, wirb man erft nun rtdttigen Veritäubni* ber ,^eit
unb bei Wenidjen tommeu. 2o loirb and) ba* Vilb, ba* imdjwalb im
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^efpredjungeu
143
ffinfteit Vlbfc^nitt: „^orrfdjrtite bcr $oirsn>irtfdKift unter ^erjog Äbolf
äriebrid) Ii." Don eben biefem £erjog entwirft, nicht nur für bie metflen*
bur«jifct)c WefdrtcMe intcreffant fein. ;sn ben -{iigen, in benen er fiel) oon
bem allgemeinen ^eitd)arafter unterfdjeibet, \. in feiner yreube au jber
4Jiatnr, mie in ben jügen, bic itnt als edjtes .Slinb feiner ;}eit geigen, mie
,\. in bem (glauben an bie Wolbtnadjerei, giebt er 2lnla# jur iöeadjruug.
'i*or allem jeiflt aber biefer ?lbfd)nitt, mie unb mit welchen Rütteln ein
ftrebfamer ftürft bamals fein V.anb ju beben fliehte, .frier tft aud) oieleä
(Injelne ruirtfd)aftc>^efc^tct)tltd) bemerfenoroert. — (>*in äi>unfd), ben ich
ber fleißigen Vlrbeit gegenüber bod) nicht uiri'uf galten möchte, tft bei einer
noch fajärferen rispofition. ter -Herausgeber.
»Hubult feletnpaul, f*a» ftlitteUltrv. Silber aus bem Leben
unb treiben aller stäube in (niroua. Unter Jugrunbcleguug bcr ätierfe
oon %4>aul i'acroh herausgegeben oon dlubolf sUeinpauI. Lieferung 1—4
< 2. 1 — }•>(>). Lcipug I v.'H. ^einrid) 2dunibt unb ttarl (Günther.
Sas l^erf, bas in etwa 25 Lieferungen erfd)cinen foll, tft nur
für weitere greife oon Vefern berechnet, unb nur von biefem 3tanbpunFt
aus fönnen mir bemgcmäB basfelbc beurteilen. iHls ein wiffenfchaftlichcb
2Serf ift es jedenfalls nicht \u betrachten. 2d)on ber liiert ber Arbeiten
bes melfdjreibenbcn iianl i'aaoir, bie bicr ,\u OHunbc liegen, über bitten
unb Gebräuche im Mittelalter beruht wefentlid) auf bem illufrraribeu
leil, unb fo tft aud) ber i^orutg bes oorliegenben ÜJerfes in biefer
3tid)tung ,ui fud)en. vob Dcrbieut baber namentlich bie Ikrlagsbanblung,
bie für eine oortrefflidie lUiisftattung biefes illufrrariDeu ieilö geforgt
[yat. Ter lert, f oruett .Slleiupaul baran beteiligt ift „ uerbient Tobel,
füiDobl was Inhalt als 2til anlaugt.
3*>eim aud) ein abfchlieüeubcs Urteil erft nacb, ülbfrhlutf betf äderte*
möglich ift: fo fd)eint bas 2mdj gleid)wol)l bem großen iiublifuin nütilich
werben \\i fönnen unb fann bei manrijem ;uttereffe erwerfen.
— a— .
•
Ollfiiclildic t*ollts- unö «ßittcrtvaditcn um 1500 in getreuer
'.Kadjbilbuug bei Criginale bes .Häuptlings Uttico MKanninga in ber gräflich
MtiQphaufenfdjeu "öausdjronif. Hi col. lafclu, 1 Tafel in ^djwar^
bruef ncbit Portrait bes Unico Wantttnga unb 4 Watt Aaefimtlc bcr
Criginal v>anbfct)riit mit elnleitenbem lert oont trafen <*b$arb jti
;sttnl)aufen unb .Mitophaufcu unb Vorwort oon Nubolf Zirchow
unb Ulrid) 3at)u, herausgegeben oon bcr (>>efcllfd)aft für bilbeube Äunft
unb oaterläubifdic Slltertümer ,ui ehubeii. (cntbcu. li>. 2chioalbe ls'.)3.
illuf bie oorliegenbe, gefdjmarfooU ausgeftattete ^ubltfation muft
bie 5flufuterffamfeit aller Ai'cunbe bei (^ifoi|d)iing oergangenen Lebens
geleuft loerbeu. 31' ic ^irdjoiu unb ^ahn im Innioort mit :Ked)t heroor
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144
^efpredmngcu
beben, ftnb bicfe Xradjtenbilber beo Diaimmgabudp« baburd), bafc fic eben
|o getreu roie möglicf) uns überliefert nnb, oon b,ob,em Csntereffe. £ie
jeigen, roie gering bie ^eränberung ber Xxad)t im Öanboolf biet beute tft :
für ftriefclanb liegt tjicv ein „fd)lagenber iBeroeitf" oor.
3ntereffant tft weiter, baß ber fxtefifc^c Häuptling, ber biefc $rad)ten
obbilben liefe, bieo — oor faft 400 C>at)ren — öon rein fulturl)i|tortfd)em
Weftct)t^punft aus tfyat. „Terotle irf fpore", jagt er, „bat be olbe Dreffrijc
femibe nnb flebnnge ooergeit nnb itnfc nafamelingen n\d)i roeten Joelen,
rooe ere uoerolberen gegan fcebben, 2o Ijebbe icf bitb alles Iaten afconter-
feien." £old)c Wnfdjauungeu muffen bamals fd)ou häufiger geiucfen fein.
<Eo erinnere id) an bas „Wcbcnfbud)" bes .Kölner Bürger? Hermann
2£einsberg, ber im* oon äfmlidjem Mefidjtöpunft aus feine Srad)t wieber
tjolt bis ins* fleinfte unb eingcbenbftc fd)ilbert.
Ttn oorrrefpid) ausgefül)rtetrJiad)bilbungen ift ein äufjerft inftrutrioer
Xert beigegeben, in bem aud) bie fonft befannten bilblidjen Darftellungen
ber friefifdjen AUeibnng herangezogen fonne alle £d)ilberungen ber fTieftfcben
2rad)ten Dom 13. bis ,uim IC», 3at)rt)unbert zuiammengeftellt werben, tie
»ezetdmungen beö Wanningabudjeo felbft roeiben au*fül)rlid) erläutert;
Tbeobor 2ieb6 giebt einige fpracblictic ilVmerfungen.
Ter (*raf ,w ^nw nnb .st umlaufen, wie bie <*mbener O^efellfdiaft,
bie bas* 5h*crf publiziert, baben fid) bamit um bie ttiilrurgefdjiditc unb
Stolfofunbe febr oerbient gemaebt. "iiMr miinfdien bem 2$erf ^"tereffe weit
nbci „srieslanb fnnaus. S.
linnige größere !^e|predjungen babeu wegen Raummangel* jurfuf*
gefteM werben muffen, i
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$j>«r Sie $|ttf<ro$e kx £>MftUo§va$h
rmb tlj« &ntm<kfon§ im ^xiUtatUx.
Von ^. von ^.>c.^ol^.
ÜScmi id) ce unternehme, bem Urfprung ber (Eelbftbiograyhie
unb ihrer ßntwitflung bie in bie fpäteren ;Jabrhunberte bee
Wittelaltere uad^ugehen, fo gilt biefee 23emüf)en einer Sittcratur*
gattung, bie allerbinge in beu meitefien Greifen eine rein mcnfaV
lidje Teilnahme ermeeft, oon ber r)iftovijd)en Jvorfchung aber mit
ü'hr bereditigtem 3)iißtrauen betrachtet wirb. 5)ian ^at fie wohl
alo pincbologifd)e sJ>ocfie bezeichnet, um ihren geringen &*ert neben
anberen normen l)iftortfd)er Überlieferung hervorzuheben. Jnwie*
weit freilich unb ob überhaupt eine £elb]tbeobachtung im ftreng
wiffenjchaftlichen £inn möglid) fei r barüber 31t enrfcheiben ift nicht
itnfere Aufgabe.1) %i\r une genügt ee, bafi eine JKeihc aueerleicner
l^cifteT fief) bamit befafjt fyat, oor fid) unb anberen ihr eigene*
Tenfen unb Sühlen 31t offenbaren, ihr eigene* £cr3 unb feine
(Mcfehtchte 311 enträtfeln. $d) brauche nur au tarnen wie ^etrarfa,
ftouffeau, @oet()c 311 erinnern. £enn \)icx foü eben nicht bie
gewaltige £itteraturmaffe ber Wemoiren ober Tenfwürbigfeitcn ine
Äuge gefafjt werben, bie ftet) oornehmlid) mit ben anderen 2chicfialen
M 3>gl. 2$. 2l*unbt, C^ffai)^ (£cuwg p. 1&>. (rinc fo feine
Äcnnerin toic 2anb urtfyeilt (Histonv <!«• ma vii\ "s^ari* 1 s7*>, I. :>>:
„I.Vtudt' du cot*nr hiuiiain «-st «b* tolle na tun* «pir plus <pi\m s'v absorbr.
HM'ius no y voit rlaiiv.- Uber betl inobernen „Kornau d'analYs« - unb bic
„Mrmoiros d'analysf- ( Selb|tbiograp^ten) Dfll.'4>. gkwrgct, La t.*nv promis«-
Ii *!*•-> I p. IV f. $iel 311 günitig cbarafteriiiert bie 5h>al)rbaftt^fctt ber eelbft
biograptjien «R. Wottfäall in Unierer ^eit X. 2 (1*74), li(»l f., bagegcn fcl)v
rtditig baä itjnen anljaftenbe pat&ologiidje (dement.
3o«tf*rlft für ÄiiUur«wf(M(btc. I. 1<>
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a. »ort SJejolb, Über bic Zwänge ber ^elbitbiograpbje
ihrer ^erfaffer, mit tf>rer Teilnahme am öffentlichen Vebeu, mit
ben sl>erfönlid)feitcn bebeutenber ^eitgenoffen beschäftigen. £ie
£eIbitbiograpt)ie im engeren Sinn hat eo oor allem mit ber
inneren @ntmicflung i^ree gelben 311 thun; fie ift nicht nur
')fücffd)au auf bae durchlebte, fonbern mgleid) uuö oormiegenb
^nnenfehau. (Siner ir)vcr berühmteren Vertreter, J. ftonffeau,
hat ec gemagt, fid) gerabem ah? ihren Urheber oormftellen.
Aber feine 33efenntuiffer bie er ale ein &>erf ohne 33eifpiel unb
olme "Nachahmer einführt, verraten idjon in ihrem Sitel unb Doli*
axbü in ihrem Wrunbgebanfeu bie Abftanmumg von ben tfonfeffiouen
Dee ^eiligen Auguftmu*. Alfo hätten mir bie Grurfteljung einer
Vitteratur, bie neben Auguftin einen sJ>etrarfa, SRoufieau, $oetbe
aufrueift, wnädift in ber Jiigeiibv.'it beö C5t)riftentume 511 iudieu.
?abei bleibt »or allem zweierlei m ermägen. Irinmal bie Jxrage,
ob beim oor Auguftin gar feine Spuren ober Anfäfce m erfenneu
finb; fobann bie jroeite *rage, ob mirflid), mie mau oft an*
genommen f)at, eine tfluft oou taufenb Jahren ohne alle >}roifd)en=
glieber bie öefemirniffc bee lateinischen .Kirdjenoaterä oou Den
Befenntniffcn beö italienifd)eu .vunnaniften trennt. £af; bie zweite
Svage m verneinen tft, faun id) fyev gleid) uorauefd)irfen. Aber
man fjat meine* Offene auf biefe mittelalterlichen Nachfolger
Auguftin* unb Vorläufer i>etrarfao bieder nur hier unb Da, nid)t
im Jujammeuhaug aufmerfiam gemacht.
•
Au* bem flaiftfchen Altertum finb unä 3elbitbiograpbien
nicht erhalten, obmohl mir oou fo mandien helleniftiichen unb
namentlich römifchen Berühmtheiten hören, bajj fie ihr l'ebcn ober
befonbers bebentjame Abfd)nitte beäjelben befchrieben haben. ^11
ben legten Reiten ber römifchen ftepnblif unb in ben erften ^ahr=
hunberten ber Äaiferherrfchaft mujt bie Wemoirenlitteratur eine
reiche unb intereffantc gemeien fein, beim mir greifen mof)l mit
ber Annahme nid)t fehl, bafj ee fid) Dabei mefentlid) um res gestae,
um politische unb militärifdje Eilige, um bie Aftion ber ^erfaffer
auf ber großen ^eltbühne gehaubelt haben mirb. Ale bie er*
ftarfenbe "Monarchie ber Cäfaren bem öffentlichen i'eben immer
mehr £id)t unb l'uft entzog, iahen fich gemij* oiele tüchtige Gräfte,
bie bieder nur bem vvorum unb bem Vager gebient hatten, auf bas
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unb iljrc cnitnricflimg im Mittelalter
147
ftiüere #clb Tünftlerijd)er ober roiffenfd)üftlid)er Sbatigfeit genriefen.
Wdjt ju oerfennen ift aud) ein genriffer $ug 3ur $eid)aulid)feit
unb ^iir pjt)d)oIogifd)en 23eobad)tung, bie une an einem bev grüßten
.Münftler ber ®ejd)id)tfd)reibung, an Sacitue, fo befonbeit« feffelt.-)
?tber bie antife Sluffaffnng bee Jnbioibumnö mar bod) nod) 311
mädjtig, ale bap fid) ein foldjeä 53elaufd)en nnb ShierjordKit bee
eigenen £cr3ene in allen leinen Regungen f)<5tte entnricfeln Tonnen,
nne ee bie auguftinijd)en .ftonfeffiouen oorauefefcen. $od) toar bic
^IbTerjr &ott bem unfrei geioorbenen vitaat meift feine freiwillige,
fonbern oon Chnpfinbungen bee Wroile nnb ber £el)njud)t nad)
ber guten alten frii begleitet, £elbft bei ben sl>t)ilofopr)en, bie
ftd) über bie Hoeningen nnb stürme bee änfjcren l'ebene ergaben
füllten, tritt oor bem 23ebürfnie, 311 allgemein gültigen nnb jd)iil*
mägig formnlirten 2äfeen 311 gelangen, bae Jntereffe an ber ©igen*
art be$ einzelnen Wenfdjen oöllig jurücT. iMe fd)lagenbfte 23eityiel
liierfür ift ber faiferlicfje Stoifer Ware Slnrel; trofc eines anlaufe,
bae eigene Veben 311m &u*gang$punft ber 23etrad)tung 31t machen,
nermeibet er ee in feiner !2d)rtft st; £ok>tov äugftlid), fid) oon bem
loorjloertrauten 23oben ber Wcmeinplüfce weg in bie biinTeln liefen
bee eigenen 5d) 3u oerirren.
€0 blieb e$ ber d)riftlid)en Seit oorbebalten, bie 3elbft*
biograptjie in einem gatt} neuen, oon ber ^uf^eidjnung ber eigenen
^eiftungen unb äußeren Sd)icTfale gatt3 oerfdjiebenen iiun 311
erzeugen. £ie roid)tigfte formale Isoraugfefeung mar Iängft ge*
geben, £enn bie auegebilbete Jd)er3ät)lung reichte bereite nid)t
nad) Jatyrtyunberten, fonbern nad) ^a^rtaufenben 3urüa\ bi$ tu
bie Ur3eiten allee Sd)rifttumä. £ie rurjmrebigeu Jnfdjriften ber
ägnptifcrjen $errjdjer unb Beamten, ber babnlonifcf)*affnrifd)eu
,Höntge, eraö^Ien grofjcnteile in ber erften ^erfon, ntdjt oljne
mand)mal bie feltfame ftorm ber £eIbftbtogra^l)ie einee $er*
ftorbenen ansunefjmen. Jn eiii3elneu wallen geftaltett fid) fold)e
Jnfdjriften 3ttr ßegenbe ober 3um tfwiegejpräd) bee 6r3ät)lere mit
öen ©öttertt, jo toenn Äönig Jargon I. rebenb eingeführt wirb,
um bie t)öd)ft wunberbare Wefd)id)te feiner eigenen töeburt 311 be*
rid)ten, ober wenn .Röntg ^aboneb eine Unterrebuug mit bem
ötott Werobad) roörtlid) wiebergiebt. daneben entwitfelte fid) in
») !Bgl. 3. 15. 2öaur tu ber Jritfdjr. für tuiff. Iheol. I, 45i> ff-;
Icuffel, <*efdj. ber röm. Vitteratur (ö. xHufl.) S '2rL
10-
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148 a. o. ^e\olb, Über bie XHnfänge ber £elbftbtogra»t)ic
•
iHgnpten friirßcitig eine 91 rt oon ^d)romau in ©cftalt Don 2lben*
tcuern unb Wärd)eu, bie ein Stfeitgcreiftcr ale eigene tfrlebniffe
511m 33efren giebt.:{) "JMan füfylt fid) tjicr lmroiUfnrlid) $h einem
£eitenblicf oerlocft, auf bie ^erle aller <Ed)iffer jagen, bie unfterb*
lidie (*r$äl)lung bee Cbtjffeue oon feinen Jrrfaljrten. STl)nc auf
bie ^anblnngen ber gried)ifd)en Neifepoefie nnb ObucQifti! eiii^u-
gcfjen, muf; id) bod) zweierlei f)ier IjerDorfjcbcn. 5« ber römiferjeu
Äaifcrjcit finben mir einmal bie Jdiertffjlung in recfjnifd) »ollenbetei
Weftalt »or, fo 35. in bem genialen £itrenroman bee i>etroniik\
Tann aber »erbinbet fid) im griedwdien Vornan bee erften Jafyr*
(Hinbert* nnierer ßeirredinung bae ftofflidie Jntercfle jener alten
:Ketfegefd)tditen mit ber (rrotif.4) Tamit tritt ein pfr)d)ologifd)ee
(Clement in ben £>orbergrunb, bae> freilief) jene foptjiftiid) gefdwlten
t;rojabid)ter reinceroege mit großer Reinheit ober s])fannigfaltigfeit
\u benanbeln oerfterjen. ?lud) t>icr begegnet nne ber Jd)roman
ober tocnigftcnä bie (*infled)tung oon Heineren G^äfjlungen in ber
erften ^enon.
Tiefer mirffamen AUmftform bemächtigte fid) mm bae (Sljriften-
tum, um bie i)eibnifd)en i'icbas* nnb ^benteucrgefcrjicrjten bind)
Romane mit religiöfer lenbenj 31t oerbrängen, fo baf; nid)t etroa
eine Abnahme, fonbern nur eine Ummanblung ber erjfiblenbeii
Vittcratur unter djriftlicrjem (rinflujj ^u oeneidjnen ift/') Ülnftatt
ber oft fet)r langatmigen ^eforädie unb iHuefürmingen über bie
Viebe erfd)einen ?cl?t erbau lid)e ober leljrrmfte ^ueeinanberfetuingen
3) $gl. 31. ihMebcmann, v,'igt)»t. (Mcfd). I, !>7; 21. Chrman, ÜgMJtcn
p. 4!»4, <;71 ff.; Ts. Rommel, Wcfd). «abolonieus ]». X>; (5. ^. Ziele.
$abnl.*üffnr. (^efetj. 1». U- fr.
4) (*. Moljbe, Ter gried). ftoman unb feine Vorläufer, Vciu.iig 1*7<5;
über bic (niftenj von (nici)t erhaltenen) m'nrtjologifdjeu 9Uunanen im
mobeinen 2 tun in ber Ijcllenifttfcrjen 3eit »gl. W. Xbicle, Sunt gried).
Vornan uHu* ber iHnomia. Slrdmol. Beiträge — Berlin p. 124 ff. i;
a. 2ufentifjl, C^efd). ber gricdi. Vitt, in ber mieraubrincncit 1 (IM^l, 574.
5> $gl. ben xHrrifcI tum 2. Daring «Okuilb, F.«rly Christian ur.-,k
rotnaiiivs, in ber CoiitfinjK.rarv K.-virw XXX, 1^77; 2d)Ul^e, XHrtifel
„Vegenbe" bei (rrfd) unb (trüber, 11,4:» (Ivo»); berfelbe, Wefd). bes Unter»
ganges bec« gried). »röm. £eibentunt* II 71* ff.; bie *43rari<» biefer
iliomanbidjter fein* gut ausctnaubcrgcfctjt bei ZI). 3a|)ii, Acta .Toanuid
(1^0) j). XLIX ff. ■Jiätjereö über ben ^Oiöndjsroman bei Steingarten
(:teitfd)r. f. Airdjengeid). , I>s77 » ; S?. Ufencr, Ter t)l. Itycobofios (lx'.HM;
Stf. Z^xaH in ber Beitfd>r. f. unü*. Zl^eol. XXI II, 145 ff.
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unb it)rc (*ntnmflung int ».Mittelalter
über religtöfc fragen, mäfyrcnb im übrigen namentltd) bao pl>an^
tafttfdjc (Clement feinen unoerfummerten %|>Iat? behauptet. r)enfd)t
gerabe^u in ben Wöndjeromanen, bie feit bem IV. $af)rf)iinbert
auo ben über bie ^eiligen 5j?äter ber s^üfte umlaufenben ©eid)id)ten
unb Säbeln entftanben pnb. Jtjr eigentlicher B^ecf» bie Serben*
lid)itng uub tempfeblung ber Slotefe, Derbirgt fid) manchmal faft
gan3 Jjinter ber möglidjft an3icf)enben unb aufregenben (*infleibung.
^emt idiou in einem ber älteften £tücfc, in bem uon AMeronnmue
Dcrfa fiten Veben bee &nad)oreten ^aulue, bem beiligen Slutoniue ein
Äentaur unb ein boefefüfeiger Satnr alö ©egmeifer burd) bie furcht-
bare (rinfamtett bienen unb bem ba l)ingefd)iebenen intuitiv 3tr»ei £ömen
oae ©rab beretten, fo fteigert fid) btefe Belebung ber lüften* unb
.Öölileitfccnevte burd) Dämonen unb roilbe lierc immerzu bie 311m
Ungeljeuerlidjften. (5o ift orientalifdje, ägnpttfcfyc ^fyantafte, bie ben
Ion angtebt. ßumal bie Dörnen bilben ein ftetjenbee Nequijtt; fie
icbüfcen mof)l ben Äofylgartett beo Grinfteblere oor ben B^g^n, begleiten
ieine oor 2lngft 3itteruben 23efud)er, bienen fogar ale ^erfyeuge ber
$ufje; bem römifdjen fDiafariuo, ber fid) einmal Don fünblidw
£nft überwältigen lüftt, breljen fie erft Deradjtlid) ben dürfen, um
ifm bann btö 311m .sSalö einzugraben unb erft uad) Verlauf Don
brei Jatjren mieber auo biefer £age 31t befreien. §ier befinben mir
uno überbauet in einer reinen Jvabelmelt; ba gef)t bie Weife 311m
bei ligen Wann burd) ^ölferfdjaften Don s))io()ren, MmiofeDbaleu unb
itygmäen, burd) Horben von €d)langen unb 23afiliefen, Düffeln
unb (rlcfanten, Dorbet an ber £ötle unb am ^arabteo, in beffeu
^iäfje 9Rafariuä Ijanft, 911113 in fein fdjneemeifieo A>aupt* uub $*art*
baar eingefüllt, bie .ftaut 3um bürren fs-ell eingetroefnet, bie 2lugen
unter ben brauen nid)t meljr ftdjtbar, mit entfcfclidj laugen Oiägeln
unb faum nod) Dernel)mlid)er Stimme. £0 er3<5l)lt er ben mijV
begierigen pilgern feine 8d)icffale.
£enn bie Jd)er3äl)lnng fpielt in btefen jeltiamen (*r3eugui|fen
d)iiftltd)er Selletrifttf eine fef)r grojje 9tolle. Wit Diel Wefd)irf fafit
3. £ieronnmno bie 0efd)id)te beo (Jiitfteblere *Diald)ue in eine
3ierli(f)e fleine SioDelle, bie er feinen Felben felbft unb imar anwerft
aufcfyntlid) Dortragen lätft; ba fef)lt e£ nid)t an 23ebutnenüberfaU
uub Cs)efangenfd)aft, an einer 2d)einel)e, bie bem cbemaligcn Wöndi
aufgezwungen wirb, mit ber #rau eine* anberemol)in in bie Sflaoerei
gerateneu Cannes, an einer aufregenben Aludjt. 5)ie Sammler
foldjer ^6nd)efcf)riften, wie JRjifimw, Hallabuio, (^affianno unb
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IM»
d. iPejolb, Über bie Anfänge ber 2elbftbiogravl)ie
anbere, legen grofcee Weroidjt Darauf, ah? Singen* unb C^vcnseuaeir
311 berichten; fie fjaben bie heiligen 33üfeer felbft aufgefud)t, 3uwetteit
unter Vebenagefaljr, unb geben ihre oft feijr langwierigen Reben
im Wortlaut wieber, uid)t ofjnc uou ^eit 31t 3eit ihre eigene
$laubwürbigfeit ober tbie it)ver ©cmäfjremänncr in ftarfen Slite*
brürfen 311 beteuern, $heoboret meint, wer leinen (*näl)lnngen
nicht glauben wolle, ber werbe vermutlich aud) bie ih>uuberberia)te
bce Gilten unb Lienen $e)tamcnt$ für fabeln halten; bie ^uDcrläfftg-
fett fei bei ifnn ebenfo über allen Zweifel ergaben wie in ber
SMbel. Jene* phantastische s)Jtärd)en vom röinifd)cn <Diafariue giebt
fid) als Reisebericht breier 0Jiond)e Iljeovhilw*. Sergius unb
.•pnginus; fie berufen fid) fred) barauf, bafc ee ja viel fidjerer für
fic gewefen wäre 311 fdimeigen ale ben £d)ein unb Vorwurf bc*
betrüge auf fich 311 laben.0)
Sind) an anberen formen bee christlichen Roman* fällt bie
Neigung auf, in ber elften i^erfou 311 erzählen, entweber bie eigenen
£cbicffale jum £auvtgegenftanb 31t macheu ober fid) wenigsten* al*
Aieunb unb Begleiter ber .pauytperfonen ein3ufiihren. £ie* geschah
befonbere gern mit $03110. auf bie 2Ivoftel; fo in jenem berühmten
Roman, ber unter öem "Kamen bc* Römer« (Siemen* in ücrfd)iebenen
Aoffungeu auf une gefommen ift, ober in ben „Sfjaten bec @van*
geliftcu ^ohannee*; ber ^erfaffer, ber war)rfd)eiiilicf) im V. ober
VI. o>flf)rf)unbert eine ältere Vorlage bearbeitet t)at, stellt fid) al*
einen ber fiebrig jünger unb ale Reisegefährten bee Slpoftcl* oor.
^ie bie i^antaftif ber antifen £d)iffermärd)en auf bie SJiondbe*
,;) T>gl. bie 2 teile bes Iljcoboretuo in ber i^orrebe ,m fetner ^u/.-
»eo; iiTOOt'a (Miirm*, l'atrol. strics uravea UXXXH, col. 121»'2); bieju Dgl.
ebb. rnl. 144s ff.; I4<i.">; bie V. Maearii Homani. in tat. Überfettung, bei
Mooroeube, Vita« patruiu iSlntrv. 162*) ]). '214 ff. Über bie Atolle ber
Vbroen vgl. außer ben oben angeführten Beispielen bie Vegenben ber
l^iaria ttawtiaca, bcö (?i)riafuö, Weorgin* GtbcMcbita u.a.m. ^vreebenbe
Högcl in ber Vegenbc be* ^afariu* Romauu*; in ber Wefcfjichte bc*
^oümue »bei Mobinfon, 'lVxts nml studics II. 3, CJambr. l.si>3, i>. *6 ff.»
werben felbft 4£olfe unb 2i*iub rebenb eingefühlt. Jn ben Vermählungen
tritt ber wirtliche ober angebliche iüerraffer balb mehr balb weniger mit
feiner Herfon hervor; manchmal bient fie nur uir leichteren (5'infleibuug
unb ^erbinbung bc* (*r,}ähltcnf in anberen >uillen werben roieber \i\
'"ammeubängenbe (njählungeu in ber elften -Jtofon ciugefchoben, wie in
ben Vegenben ber äguvtitchen Ataxia ober bco (tnriafuc«, be* s3)iafariuc>
Wcmami*, oicliad) in ben Sammlungen ber iMinergefchichten (Rufmu*„
Miailabiuö 11. f. uu.
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nnb iljre (riitipirfluiui im Wittclalrer
aeichichten, io hat bae Schema bee anecnifdien Viebeerontane auf
Mefe tbeoloajicben lenben^riditnngen ei na,e wirft, ^ir finbcii bae
beliebte 9-Uotio ber Irennuna, nnb wnnberbaren ^iMeberoereinianug,
tum nahen German bten v 3\ in ben AUemeutiuen unb fpäter in
einer aan^en Weibe von Veaeubeu. 31 h ben Waunerroman erinnern
manche berbfomtfdie ;{iiae in ben Acta Joannis, wenn etwa ber
'Äpoftel ale Babeheijer llnrerfunft indit unb fidi unter bie aewal*
ti^en häufte nnb nidit minber fleroalttaeu ^erjimpfreben feiner
Herrin, bee fampflufttaen fdiielenben Wannwetbe Momaua beucit.7)
(^an^ befonbere d)arafteriftifd) aber in bie .>>ern bernahme nnb Ilm*
(jeftaltung bee erotifchen Elemente, bem man bod) feineemeae aau}
einfallen wollte, £a wirb ^. ber oielaelcfcne heibmfche l'iebee*
romau oon Alitophou nnb i'eufippe mit einer diriftlidjen *ort*
ietuuia, oerieben ober in ber Schichte oom IKnt^ier Cyprian bie
^ebräuanif? einer eblen ^unalraii bind) ^anberfünfte, 511 benen
ber oerfcrjmähte l'iebfjaber feine ^nflndit nimmt, ausführlich ae*
fdulbert ober bem flpoftel Itoulue eine iuaenblidje ^crjüierin ^ hef la
auaebichtet, bie itvm in Wännerfleibern nachgeht. Tie bis ine
llnaeümbc aefteiaatc 3lerl)ci rlictimui ber sWrauiität encucire bann
ein Raffinement aefnrjlooller Womantif, bae bei aller (rntfernuna,
?on ber nnoerl)ii Ilten £inniid)feit ber ;Untife bod) bem *?ol)l-
cjef allen an oerfaniilidjen £d)ilberungeu reichliche Wafjruna, bot.
Zahlreiche ($ei<hichteu oon fcfjönen bufüertiaen ^ünberinnen nnb
tum ebenfo fd)önen, allen kennet) uitaen trofyeubeu ^unajrauen be*
tfnaen bie a,rofce Beliebtheit foleber Stoffe. (re erhöbt natiirlid)
i>cn (rinbruef, wenn tittä ber ^erfaffer einer Veacnbe ben fred)en
rurd)..;uci einer reid)oefd)mücften Sängerin mit (Mefolgc bnrd) ben
Mreie beratenber 2Mfd)öfe ale 3Uiaen$cuae befdireibt ober wenn bie
naeft in ber ^iifte häufen bc, einem wifben $ier ähnliche aa,n*
ptifchc Warie ifjr frühere© Vafterleben felbit erzählen m\\% Wandle
habnifd)e (Mottin maß in ber Weftalt einer djriftlichen Vornan*
helbiit fortgelebt haben, wie ja bie heilte ^elaaja nad) llfenere
Sarleßuna, nid)te auberee ift ale bie meerbel)errfd)enbe iHphrobite
felbft im Weroanb bee neuen (Mlaubene.*)
:i ^al. ^arimvWonlb j.. .sf ff.; ;}al)n, .Vm .!..;umi>; iH. viofiu*,
Xte apotawhen 3Uniftclac<d)ld)ten 1 il *$.'»>.
"i 5?lu* ber aroneu ^al)l oernuiubter S'eacuben feien aiinev *i;ela^ta
(•ö. Ufener, Veaenbeu ber ".Nelaaia, ^onn I*7!M mir bie iiauotiiche Worin
(ruil. >>. >\mtn, Veiienben ber I). Aatbarina unb ber l). MU'aria xM^Dptioca,
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Ts. v. #c\olb, Über Mc Slniänge ber eclbftbtograpbic
Cb nun Da* ftarfe .peroortreten ber wii flicken ober fingirten
^erfönltcf)fcit einfad) aue ben l)ctbnifd)cn Vorlagen fyernbergcnonuneu
über in ber d)riftlid)en Untcr^altungelittcratur bod) nod) weiter
entwicfelt worben ift, barüber fann id) fixeren 2lnfjd)lufj nid)t
geben. £ajj aber bie neue :h>eltaufd)auung beo I5l)rifientnme< eine
neue -2d)ätmug beo (riiMelmenfd)en nid)t gerabe allein geidmffeu,
aber bod) in einem bieder uubefannten Wafj jur allgemeinen
Geltung gebradjt l)at, bae barf moljl ale eine t'aum beftritteue
Iljatfadje be^eidjnet werben. Jn biefem sinne tonnte man mcU
leid)t baä oielberufene nnb üielfntifirte, immer etwas bebenflidie
&>ort Pom erften mobernen s))ienfd)en, bae ja mit Vorliebe oon
i-etrarfa gebraucht wirb, fd)on anf ben rjeiligen 2luguftinus an*
wcnbeii.9) ^ebenfalls ift er einer ber gewaltigften TObegrünoer
ber d)riftlid)cn 2s>cltanfd)aming nnb ber fatl)olifd)en irdu\ nnb in
il)m gipfelt jene oom Sieuplatonieuuiö angebahnte (N)efnl)le--
p(rilofopl)ie, bie etf unternimmt, aus ben innerften uub verborgen*
ften Legionen betf Seelenleben* bie l'ofuug aller föätjel 311 fjolen.
seine rtonfeffionen bellten bod) wenigftcue! unter ben uns be*
rannten sd)riften aud) ber erften d)riftlid)en ;sal)rl)nubcrte feinen
wirflid)cn Vorläufer, ©ewiffe Slnflänge finben fid) wol)l in ben
merfwürbigen sVlbftbefeuntniffen, in benen jener Magier Cyprian
oon 2lnttod)ia feinen £urd)gang bind) alle geheime Äiotjeit,
3au berftmft nnb (5i)riftenfeinbid)aft bee .peibentums, feine Ver-
zweiflung nnb Verehrung braftifd) genug barftellt, allee in ^orm
einer oor ben (Gläubigen abgelegten, oon ttjren Iroftreben unter»
brodjeuen Veid)te, beren Verlauf Cyprian ielbft im Wortlaut
mitteilt.10) ©in fauftifd)er tfitg ift bieier (^cftalt mit beut Ätrdjen*
.pallc 1MM)| unb bie $tißerin $anfemuc beifpiclomcife rjeroorgeboben.
•Vänfift ift bic mämtlidjc Vertleibung uue bei »Uelagia, 2l)efla, (Supbrofnne,
>nfanna, x'lpoUinariä 2qnclctica. Tit „teilweife liiftcrne Färbung" be-
gea.net fowol)I in ben Wöndjorotnanen i.s\. Seniler, Äirdjcngcfd). I, 1M»-J,
I». 213i, al* aud) anberroärtö; über ba* Ungefnnbe in bem übertriebenen
&ultu$ ber Vtrgtnttät, XM. £arnarf, Sogmengefct). III (is'.KJ), lys ii. 1.
Slnfnüpfnna, ber Wärtpreraefcf). oon (tialactio nnb (*piftcmc an einen
Vornan beo xHduUc* iatius: 5öartng«©onIb p. sTl f.
'•') Vgl. .varnnet III, :»7 91; Utar bie xMmuenbung auf ^etrarta
XU. Vaffon in ben UreitB. ;tat)rbud)cru LX1I (ls**), 431. £ic bbljere
Wertung bev (*in()clnen al* eine AOlgc be* ßliriftentum* diarafteriiiert
uorrreffltd) vo»e, Wifrofosimiy IIP, :><U.
1 $011 10 fdjroadjcn beiMitfcbcn XHnfäuen 31t rcligiöfer 2clbi
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unb itjtc l*ntumtlung im Mittelalter
oater gemeiufam, nur ba& er bei bem abenteuerlichen 2lbeptcu ber
W^ftcrien unb rümouenbefdnoörungcn in ungleid) gröberer *?eüe
fid) fuubgiebt. £onft beiden mir nod) 3wei ebenfalls bem
IV. ;\al)rr)unbert angerprige oorauguftinifd)e £elbftbiograpl)ieu.
^Tie eine , bem axioö ber inrildjcn Äirdje Grptjraem in Den
lUunb gelegt, giebt nur eine Crpifobe feines Sugenblcbcuö; bie
anbete ift in oerfcrjiebencn eenten Webidjten Gregore oon 'ftavan;
enthalten, bie fid) in einer Jyiille öon langweiligen unb felbftgefälligen
Herfen bod) merjr über feine äußeren 2d)itffale unb bogmattfdjeu
kämpfe oerbretten.11)
Jmmerljin rjaben mir hier ein paar Belege bafür, bajj in
ber Damaligen dniftlidien 3i?elt ein gewiffer .öang 3ur (Eelbft*
idjilberung in erbaulid)er 2lbftd)t oorl)aubeu mar; and) bie unedjtcn
2tücfe wollen ja burd) bie Riftion eigener Sefenntmffe mirfen.
liefen Webanfen tnit nun ?lnguftin in mal)rl)aft genialer s&eije
ergriffen unb perroirfliajt. £ie Äonfeff tonen, bie er nie fertiger
Wann im Jaljr 3*» 7 oerfafUe, ftellen eine boppelte 33eid)te oor
C^ott unb ben ^Heufdjeu bar; „wem ev$äl)k id) bieo," ruft Suguftin,
„nid)t Vir, mein Wott, fonbem oor £ir er,^äl)le id) bietf meinem
t^efd)led)t, bem Ü)(*enfd)engefd)led)t; unb follten aud) nur wenige
mit biefer meiner £d)rift befannt werben. " Irofe aller litterarifdjeu
2d)roäd)en, bie aus ber difjetorenbilbiuig bcö ^erfaffere unb auo
ber ungeftümen 33eweglid)feit feine* Temperamente fid) ergeben —
bie fortmdljrenben iHpoftropfjintngen (Portes, bie (Sigentümlid) feiten
öe* „(#ebetöftilö\ ermüben beu mobernen l'efer nid)t minber wie
ber t'urne an 23ibelftellen unb lUntttfjefen rrofc aliebem werben
gewiffe Partien ber ^erjn erften 23üd)cv fraft ifjrer pfnd)ologifd)cn
biograorjie tote bei ^Ipulcjue» null id) ganz ab f eben. Vereinzelte Nnjit=
teilungen über ben eigenen l'ebendgang bei H>orpbnrioö unb (nmaoto*. —
Vgl. 3at)n( eijcrian oon ?lnriod)ien unb bie beutfebe Aauftfage, (nl. 1nvJ;
bei. i». In ff.; 73 ff-; 103 ff.
"I Über (vptjraem* (in oerfd)icbenen Raffungen überlieferte i ante-
biograobifcfje (njät)lung ögl. t«e 5Mant, L»s acU«s des martyrs 0>1'2)
]». 170 ff.; bie iHl Otebid)te beo (Tregor oon ^iü^ianz, bie fid) auf feine
Seriem belieben (barunter uamentlid) m bead)ten rupi töv ivj-r/j
büben baa 2. ißud) feiner Vocfien; nidjt wenige tragen apologetifdjen
(rbarafter. Die „llfeinouen" bec> £iosfuros (Mitteilungen au* ber
Sammlung bes $api)ru* (rqb. Rainer IV, 03 ff ) unb bie fogenanntc
„Sragöbta" beo 9{eftoriuo (bei ^renaeue (>omen betbe nacrjaugufrtmfd),
fallen uid)t in ben :){atjmen biefer Saritellung.
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a. i\ s$e\olb. Über Mc xHnfdn^c ber Sclbubiographie
Reinheit inib ihrer wahrlich nictit erfünftelten Wefühlswärme noch
heute unb wohl ju allen Jetten kben Unbefangenen feffelir unb
ergreifen, schritt für 2d)ritt werben wir bind) bie taftenben
21 nf finge bes fiublid)en, bind) bie ftitvmifdic Währung bes iugenb*
liehen Seelenlebens bis in bie entfdieibeuben inneren kämpfe ber
Weifc*eit (geführt. iHnguftinus würbigt bie öffentlichen Dinge
überhaupt feinet Kliffes unb benutzt aud) ben äußeren Verlauf
feines Dafcins nur ba$u, bie göttliche Rührung in helleres i'icbt
311 feigen unb aus einem reichen 2d)at* oon Crrfahrung Stoff für
bie Betrachtung unb Jerglieberung pjnchücher Vorgänge 311 ge-
winnen. Dabei bleibt unb bas ift eben bas (5 harafteriftif dK
bas Jnbioibuum, ber einzelne Wenfd) XHuguftinns mit all
feinen Bcfonberheiten unb inbioibuellen Gfrlebnitfen ftets im Wittel*
punft; bie äußere 2*>clt um ihn ficruut icheint mehr unb mehr
311 oerfinfen, unb er ftcl)tf allmählich bem böfen unb guten (rinfluß
ber Witmenfcben entrürft, allein feinem lange gefliehten unb cnblicn
gcfuubenen Wott gegenüber. Das quietiftifche Clement biefes
Gefühlslebens fmt erft für^lid) .oamaef fcharf hervorgehoben; auf
einen weiblichen -Jug in ^uguftins Tcatnr ift fdion früher auf*
merffam gemadit werben.1-) Der fd)rofffte Wegcnfafc 311m alt*
hellcmfchen unb altrömifcheu Gefeit fp rieht aus jeber Jeile ber
•tfonfefüonen wie ans jeber -teile bes Buais oom (Mottesftaat.
vIi{enu bas letztere nun (rtiaugelimn ber mittelalterlichen Iheofratie
geworben ift, fo liegt bie Vermutung nahe, baf; bie .Honreff ionen
als erfte großartige ^erförperung religiöfer selbftbiographie im
Wittelalter nicht ohne ^irhing geblieben fein werben. -JÜdit als
ob fie etwa immer als unmittelbare Vorlage gebient haben müßten;
bie auguftiuifd)en Webaufeu unb Stimmungen befaßeu gar »tele
Kanäle, um 311 gleichgeftimmten seelen fpdterer Jahrhunbcrrc 311
gelangen unb bort bie Vuft uir Jnnenfchau unb s"elbftfd)ilberung
311 erwerfen unb 311 fteigern.
Dies gefchah nun freilich unter .^inuitritt eines wichtigen
(Clements, beffen 3war nicht alle Schriften dluguftins, aber bod) bie
li) .ftarnatf III, <;<;; n^i. feinen %1'ortraq über bie Aoufcffionen,
Wiersen 1nsn; ferner ^ettfdir. f. Wnlouwhie Xcm, 17<> ff.; Xf'lX, 1*24 ff.;
.frtftor. Mmx. XXXII, -271 ; 27s; Xilthct), (Anleitung in bie Weifte«,
wiffenfehaften 1, ff.: :W7 xH. I; ÜHnffier, I.« ün ,1». p.i-ani.sme I
(1MH). :;:;;> f.; k,H.(<bcrr, Neid), ber Vitterarur be* I? i1n.n«.m, 21* ff.
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nnb il)ic (*utimrflung im Mittelalter
Jlonfeffionen oöllig cnnangeln, Hier fehlt bae ii;unbei im eigent*
lieben kirnte jo gut wie aaitfl; ?luguftiu warnt gelegentlid) nor Der
„^egierbe nad) feltfamen CMcjidjteit* unb erzählt uon (nittäuf dringen,
i>ic feine oifionebebürftige O.Vntter erlebte, renn ba* ^iftonäre
jpielte allerbinge längft im t'eben nnb in ber Vitteratur bee
Cbrifteurume eine wahrhaft gewaltige Nolle. Sind) ber f)cllenifd)cn
ii>elt mar ja bae oom gcioöbnlidjcn Üraum untcrfcrjiebcne
€d)anen überftnnücrjcr Tinge nnb >>oren übermenfd)lid)cr &>orte
teineeroege freinb; ce fnüpfte fid) entroeber an bie ^orfteünngen
»on einem Tafein uad) bem lobe ober an bae Verlangen, ben
Schleier ber irbifdjeu ^nfunft gehoben 311 (eben, manchmal an
beibeo -tugleid). 2o lägt fdjon Horner bie abgefcrjicbenen Beelen
im Habce bem Cbnffeue Nebe ftetjen, roae fpätcr ^ergil auf feinen
Reiben xHneae übertragen bat, nnb sJ>laton giebt am 2d)tup bei
Nepublif jene (frjäblung cinee Dom £d)eintob 6rroad)ten, bie mit
ftcdjt alc eine 3>orftufe ber djriftlidjen .^öllenuifionen in ^njprnd)
genommen toorben ift.18) ilber roeit mäd)tiger nod) ftrömte auf
bae (ibriftentum bie bebrdifdje %4>rop^etie nnb iMpotalnptif ein,
roie fie fd)on bei 2lmoe unb «öefefiel in ber mirffamen ^orrn ber
^d)er^äf)lung auftritt. Tiefe begegnet une aud) 3. 25. in ben
Slpofalnpfen bee Jobannee, ^ctrue, Rauhte 11. a., fomie in bem
„Birten* bee A>ermae. 9tod)betn ber ftarfc eed)atologifd)c ^ng bei
nrdniftlidien <{eit fid) überlebt t>attc , blieb bod) bae ^ebürfnie,
bie (Gegenwart im ^icf)tc bee *>nnberbaren 411 ierjen unb immer
oon Beuern bae .pereinragen bee Übernatürlichen 51t fpüren. (re
fann nierjt überrafdjen, baf; eine bieder nod) uidjt berührte (Mattung
ber d)riftlid)en @r3äf)lungelitteratur, bae überreid) bebaute <velb
ber Wärtnrergefd)id)ten, eine Wenge oon ^ifionen anfroeift. Tae
gefpannte ^sntereffe, momit mau früher bie fommeube ungeheuere
Umwälzung aller Tinge vi erfpäfjcn fud)te, roaubte fid) iefct ben
einzelnen *i>crf ö 11 1 id) fei tcit ber ^lut^engen $11. Werabe bie älteren
^Jtörtnreraften laffen une ben f)ot)en 3i?ert erfeunen, ben mau oor
allem auf bie Überlieferung ber .Herferoifioueu foldjcr Felben unb
.V>clbinnen bee Wlanbcn* legte; fie bilben v 35. ben Hauptinhalt
13 1 (tfute juiammtitttellnug aittifcr j>öllenf ahvten bei Nobbe, Ter
ariedi. Vornan p. 31. H; ogl. (*. Horben in ber xMllg. ^cinina. WA,
^eil. ")lx. n<»; über eine hcibuticljc ttpofalDpfe (* geller, Verträge Ul
|1ns4), 52 ff. Otiten befannteu hcibnifdicn iWtonär djarafterifiert
£. $aumaart. l'iltue Slriuibe* 1 1*7-1).
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i;,<;
a. v. söejolb, Über tue ;Unfäno.c ber 2elbftbiogmptne
einer (*nät)Iung, bic in bic Elften bev heiligen Perpetua al*
lHuf$eid)nung oon i&rer eigenen Hanb eingefügt ift. •jiadibem
Perpetua in il)rer leisten Vifiou in IVannogeftalt Perwanbelt nnb
mit n gejalbt ben Ningfampf mit einem wiberlidjen sJlgt»ter
b. I). mit beut leufei glüctlid) beftanben nnb Pom l'anifra ben
^meig ale 2iegetMeid)en erhalten hat, fdiltefit fic mit ben Korten:
„Soweit ljabe id) geiditieben bio sunt Vorabenb ber spiele; wie
es? aber im Amphitheater (bei ber Hinriditung) ergeben wirb, baä
f oll fd)retben, »er ba will." 5Tcr Verfaffer, ber bie Cnjäblung 311
Cnibe führt, crflürt, er tl)ne biee im Auftrage ber Verdorbenen.
lf$ erweett ben Criubrucr" bce Urfprünglid)en nnb (fd)ten, ba(; bie
Wcficbre ber gnt beglaubigten Wärtpreraften ftd) meift anf ihren
eigenen ^vojef? nnb nal)en Eingang $«r 2eligfeit ober anf tun
oorr)er IMefdjiebene bestehen. Tae genügte nun fpäter nicht mehr;
wie bie Sluötualung ber Torturen, wnrbe and) Die oöllig brama*
tifetje £arftellung ber Wecbfelreoeu bor (Bericht nnb ber t)immlifd)eu
Iröftnngen mäbreub ber £ual bio im? IVafjlofc nnb Verfeme
getrieben. Jiinotfjeue nnb feine fteb zehnjährige (Gattin Waura
hängen nad) allen erbenflidjen Reinigungen einanber gegenüber
am ftreu}, neun läge nnb nenn -Jiädjte hinburd); -Diaura fnd)t
ihrem Watten ben 2d)laf fernzuhalten, inbem fie ihm ihre Vifioueu
erzählt, nnb halt nod) por bem Verfd)eibcn mit lauter Stimme
eine 2lnfprad)c an bie Umftefyenben.14) 2i>ie lehr bie (Gewöhnung
ber Weiftet an bas ^unberbare alc an etwas 2elbftoerftän bliebe*
nid)t nur ben biftoriieben £iun, fonbern ba* Verhältnis jiir
Wahrheit überhaupt bei ganzen (Generationen beeinträchtigt hat,
oaä fann t)ier nur angebentet werben.' v) s2i>iv bürfen gewif; nid)t
14 ) darüber, baft bev „S?ixV bce. Henna* ntd)t ben Montanen bet<
:»n.\äblen ift, ^apn, Ter »tvt be* Hennaä (ist;*» ,,. su; auet) »arina/Woulb
|i. s»;:;. Über bie xHften ber Perpetua unb ,"selictta* t>gi. bie xHuogabc nun
Harri* unb Wifforb <1*'.>Oi fotuic (in ber Hauptfrage abmctcbeitber D(nfid)t)
Mobinfon, Text* an.l stiulics I 1 isVH » 3ir. '2. SlHBerbem bie A<ta
SS. Moiitani, Lurii. Juliani u. f. 10. (Ogl. Harrte« unb Wifforb p. *J7), bic
passio SS. Jaii'bi, Mariaiii et aliornin. bie \ ita rt passio S. Cu«*(*ilii fypriani
fpisrupi ingl. Harnatf, Wcfd). ber altdrriftl. Vttteratur I, 7*21) f.; s-JO);
über Itmotpcu* unb Warna: i't 3Uant p. f. Über ben (*inbrutf ber
Vtfionen Harris unb (>itfforb p. 6: „It is tln- visiuiis that havo impivssvd
tln- rhtm h.- XHud) in ben apofrpppen ?lpoftclgeicrnd)ten mit Vorliebe bas
oiftouärc (Clement gepflegt iVtpfiuo a. a. C. p. «1.
15 ) i-gl. hierüber v o. ^ernapo, (gammelte i'lbDanblungcn U
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unb if)re (rntmitflung im Wittelalter
ben einzelnen ediriftfteller be* Wittclaltere füv öas "iMtoft oon
Veichtgläubigfcit Deranttoortltd) machen, bae er fiel) 31t 2d)nlben
fommen lief?. Unb roie batf geiftige £ehcn, mar and) baa fittlidje
Wefü^I in geroiffen Ziehungen geftört, abgefrumpft. tiefes Urteil
ift burdjaue nicht 311 hart, wenn mir um? baran erinnern, mie
felbft hochangefebene unb smeifellotf fromme Männer ber JUrdje
bamali? ftd) Fein Öewiffen baraue machten, iljrem Öottee^auei ober
ihrem ^d)itfer)eiligen 311 Siebe erfunbene I^atfadjcn <ju erzählen
unb iogar Urfunben ,511 fälfdjen. £te gleiche Überzeugung, einem
höheren ^meef nämlich ber (nbauuug 311 bienen, lieft ee ah> etwa*
oollfommen 23ered)tigte* erfd)einen, wenn man in ben Segenben,
bie fid) allmählich im (Motteebienft einen widrigen ^lafc eroberten,
bie Farben immer birfer unb idjreienber auftrug. £eit bann
bie ^ifionen al* fclbftänbige Sttteratnrgattung gepflegt mürben,
mißbrauchte man and) biefe* Littel ungefd)ent, 11m heilfamen
^chreefeu 311 erregen ober gelegentlich iel)r beftimmte materielle
Aorbcrnngeu burd)3iriet$en; man erblicfte weltliche unb geiftlidie
dürften unb Herren in ben dualen ber >?ölle ober be* <yegfcuere
nnb brachte bie befonberen Urfacnen ihrer Reinigung in Erfahrung,
bei Atari Kartell bie Sähilarifation ber Äird)engiiter, bei Marl
bem Bahlen bie Unfolgjamfeit gegen ben ßrjbtfchof Ainfmar oon
Wenn* u. f. 10. 17)
3*ci folcher Dichtung ber Neifter tonnte bie feine £clbft-
(Insö), 245 f.; U teuer, 2l;eobofio* p. XX ff.; <r. geller in ber T-eutfcpcn
Nunbfdjau LXXlVil-s^i, ]»'), -214 ff. (namentlich auch über bie <*e=
löühnheit pi'eubomjmcr .^eröffcntlicpung, bie ja eine uralte ift unb ,v *\
in ber ägpptifcpeu iUtteratur bie Megel bilbet, (*. Liener, Wefcf). bc* alten
'Ügppten*, ls*7, p. 12* ); auch 3al)n, Ter £irt beo .$erma* p. ff-;
.fianiarf, ?lltcpriftl. iMtt.-Oicfd). I, XXVI. Über bie iMitnrirfluna ber Vegenbe,
namentlich ihrer SBermenbung im (^otteobientt, ogl. (cbcrt bei (*rfch unb
(%uber I. 341 ff.; (5. ,$orftmann, Slltcngl. Vcgenben <l*Mi, (Einleitung.
Sur ihre äöeiterbilbung nadi ber phautaftifd)en 2cite t)in finb befonbers
bie ftelten oon Cnuflufi.
lßi pr bie isälicf)unacu be* m. x>l. braud)t mohl nidjt en't auf
einzelne ^eifpiele uerroiefen w roerben. *Bgl. H. <*Uinger, £aö ^crl)ältnte<
ber öff. flieinung ,wr 5\>al)rl)ett unb £ügc im X., XI. unb XII. C>al)rp.
iBcrl. Xiff. 1**4; t'afd), £ao (*rroad)en unb bie (Mttrottflung ber piftor.
rtrittf im WAL, 33reol. 1**7.
,7l 3*gl. IS. ^riufclje, Tic latein. Bimmen be* Mittelalter* bis ,\ux
"Witte be* XII. Csaprlninbert*; ein Seitrag \ux ftulrurgetd). (in ^ollmöller*
Momantfcpen ftorfepungen v^b. II, III; l-ss< ; 7. )
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1 r»S #>. t». ^ejolb, Uber bie Anfänge bev ^elbftbiograprjie
beobad)tuug eine* Sluguftin fid) nid)t unmittelbar fortpflanzen.
N.h>äf)renb ftornpljäen ber Äird)e unb ber gitteratur, wie i>apft
(Tregor ber $rofje, 23eba, ätomfatiuä, ^ifionen fammeltcn, finben
wir ^atjrljunberte l)inbnrd) !cin and) nod) fo bürftiges Äettenftürf
^u ben .Monfeffionen. £enn bie fugenannte confessio beo heiligen
initrif, bie oon ber neueren ivorfd)ung mit proper 5h>a^rfd)eiultd)fett
für uned)t gehalten wirb, giebt allerbinge eine 9)fijd)ung oon
Vebenebefcfjreibung, 33eid)te unb Apologie, aber in unbefdjreiblid)
roljer unb verwirrter 0»)eftalt, natürlid) nirf)t ol)ne bie &*ürze ber
$tftonen. ^od) ift etf allerbtnge djarafteriftifd) , bap felbft in
einer litterarifd) fo tief fterjen ben sJ>eriobe bie Neigung, über bie
eigene 1>erjon s))iitteilnngen zu machen, nid)t gan3 oerloren gc>
gangen ift; bei Sulpiäus eeoerne, bem 'Jyreunb be* heiligen
Wartin, bei Tregor oou loure, beffen ftranfengefefnehte z»m Seil
Wemoirendmrafter trägt, bei fo manchen anberen begegnen um
autobiograpl)ijd)e ^adjridvten.1*) Grft nad) langer Unterbrechung,
im X. v\abrbnubert, treffen mir wieber auf ben beilud) ein*
get)euber 2elbftfd)ilbcrung. (re ift bae Zeitalter ber mönebtiebeu
Reform, bie ^nnachfi l)auptföd)lid) .fterftetlung ber arg gelocferten
flöfterlid)en ri^iplin beredte, babei aber bod) aud) bae (Gefühl
fittlicber $erantmortlid)feit beim (ftnjelnen belebte unb ben 33lirf
nad) innen wie*. 2>a|? fie mit einer ^ieublüte ber materiellen
Mitltur >>anb in Apanb ging unb mit einem gewiffen ^luffdjwnng
bei flafftfdjen €tubieu znfammentraf, barf nid)t überfeljeu werben.19)
Arcilid) grnnboerfd)ieben oon 3luguftin tritt uno jener ehrgeizige
unb ftreitluftige Wönd) SHatrjeriu* entgegen, ber ce« in ber ,3eit
.Öeinrtd)* I. unb Cttoe bee (Mropen unternahm, fein eigene« ^d)
Über bie (Ä.onfeffio bec> t)l. U>atrltf »gl. Limmer in ber 3tlU*dn\
f. beutfetjev xMltertnm XXXV, 7!» 31 um.; 3- oon $ftugf « .$arttung in ben
leiten /öeibelberger o»rthrbüd)ern III |1 *'.>:> i, 71 ff. Über bie an ben tyeift
Tianjönfdjcr Wenuürcn gemabnenbc xHrt be* Bulpictu* 2eucrus: (vbert 1-,
:VM>\ über («reger oon loure ebb. 570 f. (Tregor giebt hist. Franc. Yllt, lö
bie fuqe (Sdbjtbiograp&te be* Ttafona ^nlfilaid), ben er 311m (twtylert
nötigt, im Wortlaut. iHutobiogranrnffbe 9ioh>n ,v 5). bei bem ^anttner
"JDienanber s4>totcftor iugl. Ärumbadjer, («efd). ber brjjantin. Öitteratur
l>. .)1 f.i, bei ^eba, lu.st. <m<1<^. V, "24, bei einer Dorndnnen Tarne ber
,>uuolinger,jeit in ben für ibren 2ol)\\ beftimmten $titf. Widmungen iugl.
^tanburanb, I»- manuol «I.- I Milinda. 1*>>7).
'"•) 2artnr, Tie Wnniacenier I p. V.
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unb ibjre Irntroirflmtg im «Mtelalter
159
oor ber Welt aunuberfen unb 311 $ergliebern.-n> Mit einer uner*
tjörten 3i ü cf fict> te l ofi ^ f c i t l>at biefer aufteilt belegene unb geiftig
beroc^ltcrje Wann frür) begonnen unb bio ine Hilter ntd)t aufgehört,
nid)t nur feine roedjfelnben 2d)icffale, fonbern oor allem feinen
(ifjarafter in aUeu (*igentümlid)feiten fid) felbft unb ber Witmelt
flarplegen, in einer langen Weihe oon £d)rifien, bie bein 2lugeu-
blirf entftammeub unb fprungljaft abgefaßt eben baburd) mirfltdje*
Veben in fid) tragen. (?r t)at Diel erlebt, breimal ben 33ifct)offtiil)l
\u Verona, einmal ben 411 l'ütttd) befttegen unb immer mieber
räumen muffen; ireber mit feinen (Meguern nod) mit fid) ift er |c-
male fertig geworben. i*on ber inneren :Hu\)c, womit ber tfym
mof)l oertraute Sluguftin bei aller Murjelofigfeit betf 2tilö auf
übermunbene Stürme 3uriirffd)aut, ift tjter uid)ttf 3U fpüreti; bie
Sit unb Weife, roie ftattjeriue ftd) ot)iic Erbarmen f)erunteniel)t
unb bloftftellt, erinnert ^umeilen metjr an SRouffcaii. $ud) Matbertue
oerfolgt gelegentltd) ben Jmeef, unter bem £d)etn oou £iiuben>
betenntuiffen unb unter lauten 2elbftanflagen gcrabe feine guten
(figenfd)aften rjeroortreten ju laffen, roobei er aber nid)t, mit
rRouffeau, fenttmental befd)önigenb, fonbern fdjarf ironifterenb uer=
fäf)rt. 6r mar ein ÜNeitter ber verba otiosa, ber fd)lagenben @üt*
fälle, burd) bie er ein gefnd)ter Wefellftftoftcr mürbe unb suroetlen
in l)ij*igftem Wortgefecht feine Gegner fclbft juin £ad)en unb auf
feine 2eite brad)te. £ae Weinen, meint er, fei md)t feine ssadie,
nur roeun er anbere meinen fefye, merbe er fofort angefteett, aber
ee gebe nid)t tief. Unb beunod) finb aud) feine »erjmeifelten
vitimmungen ernft; biefc 9Jiifd)ung oon Ionen ber Ironie unb
ber .perjeneangft enthüllt une einen iuigen)öl)nlid)en, menu aud)
innerlid) frieblofen U)fenfd)en. 31 n ben Crrnft fetner 53efferungo=
abfid)ten mtll er felbft nid)t glauben. Wenn er j. 55. bie Walmeit
fingt, fo gefd)iet)t bae ntd)t in ber ;}uöerftd)t, bap fte erhört
mürben, ba er ja babei au gaiM anbere £inge beuft; aber er
fjofft, baf; oielleid)t gerabe ber Umftanb, batf er fte roiber Willen
fc| Über JH. ugl. 2t. 3l*oael. JH. von Verona unb ba* X. Csabvt).,
•2 #be., 1n54; (5bevt III, 3*0 ff. <£ic rtpra.'loMniu ", in benen er bereit
mit feinen <*>eitäubniffen beginnt ci>ogel 1, n'.m, finb r. H3*> oerf., ber
„riialo^us ronft'shionalis ruiiis<(aiii ««vU'ratissiiui liatlu'ni* (ebb.
tJ26 ff. I, bic „qualitativ »<.ni«-<tura riiiusilaiir ix;«; (ebb. 'i'2\) ff.). XHuct) in
b*T j.phnMifsis" 1>.V2 unb in -<lf proprio lapsir unb -ilt- oliosn smumit?"
(ebb. 2*0; ä!W ff.» rinbet fid) .vtevtKrgetjbvige*.
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u;o
3. ». öcjolb, Über Mc Sluiänge ber 2elbftbiogra*it)ie
fingt, etmae S?crbienftlid)e* fjabcn unb Den innerlid)en /Irofo gegen
Wort roetrmad)en tonnte. Cbenfo gefte^t crf baß er feine Sefennt*
niffe eigentlid) bod) nur aue £elbftgefälligfeit unb bce 33eifallt?
wegen niebcrgefdjrtcben Ijabe. „Ser ir)n rennen lernen roill/ fagt
er t>on fid), w ber oerf ud)e einmal fein 33ud) bee ^cfenntniffce
gan,} burdnulefen; ift er fo, mie er fid) Gilbert, fo giebt eä feinen
fd)led)teren üttenfdjen unter ber £onne; fprid)t er nifyt bie Saljrfjeit,
fo ift er ber allergrößte Vüguer.* Senn Wouffeau mit feinem
23ud) in ber £anb getroft oor ben 3?id)ter treten will, meint
ftcatljeriuo umgefefjit, ü)m braudje man nad) feinem lob nur bas
eigene ^ud) oor,nf)alten; bamit fei er fd)on oernrtl)eilt. (fr
djarafterifiert fid) einmal für} als einen Wenigen, ber meber Wort
nod) and) bem leufcl treu fein fönne.
Sie bie f)öd)ft merfroürbigcn Grraüffe bw ^iatficriiiv fdjon
ber Jvorm nad) feine mirflid)e <2elbftbiogravf)ie barftellen, fo ift
aud) ber originelle Wann feineomeg*? alt? ein Itypuä ber regeU
red)ten mönd)ifd)en Reform anzufeilen. Dieben auberem fef)lt ifjm
ein unerläßlid)c* (Clement biefer aofettfd)en 33emeguug, ba*? oiftonäre.
l0»n ben Atlöftern hatte es feine .'peimftdttc unb feinen -Mljrboben
gefunben; bie ^elle, nid)t nur bei? (Sinfiebler^, fonbern aud) bot?
9Jtönd)* rcurbc, rote ^ctiu«? ramiani, ber greimb unb Okijülfe
(Mregorö VII., jagt, ein Helt ^eiliger :)iitterfd)aft unb ein gort-
gemeinte* £d)Iad)tfelb.'J1) (?$ f)at ettoa^ SKüfirenbco, roenn ftreng
fittlicne Naturen, mie Tamiani ober ber Ülbt oon (Muni, iVter
ber (5f)rmürbige, fid) ernfttjafte Mülje geben, bie Waubroürbigfcil
iljrer jaOllofcn Mitteilungen über Sunber unb s£ifiouen außer
allen Zweifel $u fetten. 31 ber fie laffen bod) il)rc 0*eroäl)ronänner.
bie fte oft mit Manien anführen, ftete in ber erften i>erion fpredjeu,
nub nid)t allein ihre (^emäfyrämä'nner, fonbern aud) 3*erftorbene,
Dämonen unb (£ngcl, bie Jungfrau Maria unb C^ott felber. £er
l'efer follte, mie i^cter ber (Jfjrmürbige ain>fül)rt, nid)t nur ben
i£inn ber Sorte mitgeteilt erlmlten, fonbern bie Sorte felbft \u
l)ören glauben. (Sd mar bie alte ^rariä ber l'egenbe. 3lbt ^eter
meinte fd)on uiel für bie unoerfälfd)te G*d)tl)eit einee fold)cn 3?erid)te
getljan 511 Ijaben, als? er eine um Seifjnad)teu in Aranfreid) üor*
gefommene lMeiftererfd)einung nod) oor ^fingften in Spanien
fd)riftlid) firirte; babei giebt er bie längere !)iebe bee Weiftet, eine*
Petrus Samtam, Ojuismla XI, U>.
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unb itjrc (^ntiuttfliunj im «iittelaltcr
1H1
erfdjlagcncn Gittere, im Wortlaut.--) iTidjrnng unb 2£af}rf)cit burd)^
brangen fief) eben unlööbur ntd)t nur in bcrl'trtcratur, fonbern aud) im
l'eben felbft, baö für mannen .vUofterberoorjner t)alb gum 3 räum
ftd) oemanbelte. 9Uid)terne Oiaturen, ruic ber ISluntacenfer dio*
btilfue ®laber'i3)f befamen fo gut roie anbere ben böfen <veinb
311 ferjeu; bem föobulfuä, ber möglid)ft genau 3U fdjilbem fud)t,
erfc^ien er ale ein überaus fjäfilidjee ÜNättnlein, bae rjagere ®e*
ficfjt üon fof)ifd)roar3eu iHugen belebt, mit gefnrdjter sitirn, bieten
l'ipnen unb r$uriicf treten bem ßinn, mit ^orfebart, fpifeem .Vinter*
fopf unb gefträubtem .v>aar. biefev 2ltmofpf)äre ift bie erfte
rein mönd)ifd)e Selbftbiograprjte entftanben, eine C^eid)td)te 00U
fcelifd)er vielbftyetmgung unb überirbifd)cr Eingriffe. £cr ^aier
Ttlof), ber, in Segernjee exogen, fpäter in oerfd)iebeueu .ftlöftern,
am längften bei <£t. Emmeram 311 JKegeneburg fid) auffielt unb
im lefcten drittel bes XI. "sal)ri)unberts geftorben ift, mar nidtf
allein ein berühmter 2d)reiber, fonbern aud) ein anwerft frud)t*
barer Sdiriftfteller.'24) 2o cinfad) fein anderer "i'ebenegang ftd)
'•") l?g(. ebb. pa.ssiiii; IVtri V.'ti.rabilis uhh. < luniar. <1<- miraruli*
lit.ri II i,v ä». 1.2; '!; 1<>; 2'5; 27; II. .'?2). Ter I)fü. tunftan läfit eine in
einer SJifton gehörte Nntiotjonte gleid) nad) bem (nnmdien anf^eictjncn
ünnt ber Wclobie (V. lUinstani S 2t' i.
'■*) Nobulfus Wlüber, historiamiu lil*«*r V, 1; l)icju {?. 0*ebl)arl,
I"' tat tlVunc <ruii limine tl«- I nn KHK» K» v. des d< ux urnnd«** III, 107,
1-v.M, p. «'"OO ff.». 3at)lreid)c i'iftonen fdjou in ber Wita 2. Cbonio iber<
einen xHbts von (Munt), f 5)42 1 tum feinein 2d)iiler ^ofoannc*, ber fonuUjl
feinen .gelben felbft feine ongenbgefd)id)tc, erzählen läftt alo and) eigene
(Erinnerungen giebt (ogl. Ufabillon, .Uta Sam-tormn <>nlini> s. J{. n. dicti.
>M>r. V, l). 14* ff.; lä ff-; 172; 17s ff.); er jagt: „.•<. niinirum M rib. iv
h.-iif eoiuplacuit. qua*' quasi de alio narrante ex eins or«- Nump-si . t niear
nienmriao conmiendavi'4.
■*\ Über Ttlol) nnb feine 2d)riften ngl. iB. im Th. >;mrus atn-.--
.iotarum III, X ff.; Mmi. i.Vnn. SS. IV, f>21 ff.; XI, .»77; 2. Mieter,
Hefd). $aiem* 1 (1*7*1, 4i>7 ff.; Vafd) a. a. C. p. 02 f.; M f.; aud)
Ä. ferner, (Herbert |ls7s) p. -J4<) ff. unb M. Vantpred)t, reutfd)e Wcfdj. II
iis:»-2i, 11)7 f.; über feine 2'ifUmen Tsr^t o. a. C III, :{4!» ff. 2eine
leilnatjme an ben ju 2. (nnmeront oeriibten gälfdjimgen nernuttet
»einemann i^ieueo iHrdjtt) XV, XM\ ff.). 9Jad) (Gröber ((^runbiifl ber
roman. Ätiologie II, 1, 27C») beginnt mit C bie geiftlidie Eelbfi»
biograptjie nad) bem Wufter von 9luguftin^ .^.onfefftinten. 2ti(ifrtfd) be-
rührt ud) jebod) mit biefem faum;er citiert überbaupt bie Hilter nur feiten,
2lug. \. im dialn^us df tritms »pia« >t. |»rol«i^. : < aj). 4; V. S. Wnlfkan^i
)T-.Jo?.; fonft ein naor "Vial (Tregor ben Wrpfjeu uub bie Vita patrum
?,cit?Artft fftr Äulturfleicfrirtite. J II
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Ty n. 23e,}olb, Über bic Anfänge bcv 2clbftbiograpl)ie
abfpielte, jo ftnrmiid) ging ee in feinem Jnneren J)er; bee s3)iönct)^
turne ganzen Jammer t)at er burd)gefoftet unb teile 311 eigener (Fr*
bauung, teile ut unb frommen anberer möndjifdjer £eier
aud) 311 Rapier gebracht. Db er SXn^uftiiiö Äonfeffionen gefannt
Ijat, oermag id) uid)t 311 jagen. £eiue mid)tigften (hlebniife
fd)ilberte er erft in poeti|'d)er, bann wiebertjolt in profaifdjer #oxm.
^C3etd)nenb ift gleid) bie 3lrt unb ^eife feine* Eintritte ine
.Mlofter. (Sr fyatte iJm ale Äuabe autf banf barem jperjen wegen
feine* guten (Jrfolgee in ber £d)itle gelobt, war aber nad)l)er
anberen £innee geworben unb trieb ale fuuftiger ^eltgeiftlidjer
mit C*ntfyufiaemne bie flaffifdjen £tubien. £a famf ale er einee
Sage* 311 Oiegeneburg in feinen i'ieblingebidjter i'ufan otrtteft
mar, bie ftrifie, eingeleitet burd) einen bretmaligcn l)eif?en &>inb*
flow, ber Unit bae i'eien oerleibete. s^eil er biefe siVat)uung nod)
nid)t genügenb üerftanb, erfd)ien ifjm einee ftadjt* im Iraum ein
furchtbarer "Wann, ber itm berart burd)peitfd)te, bap er im ^ölut
311 fdmmnmen glaubte. 9cadj beut (5nr>ad)en fanb fid) fein
dürfen mit einem &uejd)lag bebeett, aber troftbem mußten nod)
mieberfjoltc I)eftige drfranfungeu mit beäugftigenben Wefid)ten
t)iu3utretcnf um if)n oon feinen AUaffifern weg unb in bie lUöndK^
futte 311 treiben, .siein ^unber, baf? £tlol) 311m ^ifionenfanunler
würbe unb baß bie ^ifionen aud) feinen autobiograpl)i)"d)eu -Diit>
teilungen bie d)arafteriftifd)e Färbung geben. IKaudjee erinnert
an bie alten Seufelefampfe ber Griuficbler. £0 wirb er einmal
(Vegcnbei. xHutobtograpljifcbe* enthalten folgenbc t>on feinen 2d)riften:
(W sj)iritiiiili <l<»<trina, bie fiel) inbaltlid) (ygl. (*ap. 14; 17) mit Etüden
i>e* lib«r visionmn UMb bec> libi-lhis <lc ti-ntatimiibus betft; Uber visi«»tium
(\iu. 10i2 Ullb IO ;« J ) ; fett l«Ni7: «!«■ omf« ssion«- a< tuuiii suorum — <!<•
t.iitat. 1 : tli* <ursti spirituali cap. _M — uY Untat. I. mit geringen
iHblücidmngen); lib.llus <!<• suis ttutat ionihns , varia furtuiia «t scrijit U
(pars I nnb II}. Wd)t unintereffant ift, baf? C feine ltnterrebungen mit
bem Weid)enauer >Wönd) >>einrid) uierft otjne Nennung iljrer Tanten triebe v =
fdrrieb, ber anbete iljn aber bat, „ut . t causam scrib. ntii illustraivm prolm^
<t utriuMju«- jdixtnar. unar vitl.-liert ar >ui, uu-ntoiiaiu patrt'a.ficni in
•lialnir«.- ; bie* gefrijal) bann aud) im 4ial<.^n> <l«- tribus qua.'stioiiilui^
nigl. t. ntat. II.. — Xer Uroyü xHrnolb, mit bem C. nod) eine Jeit lang
,ui 2. ("inmevan utfammenlebte, batte in ber 'i'orrebe feinem l^crfc» über
ben Mlofterbeiligen ebenfallv eine freilid) fur^e ^elbftbiograobie gegeben;
aud) er mirb nou ber Vorliebe für bic l)eibnifd)eu xHittoren geheilt, burd)
1 :it lob cinec> ArcunbC'-. Ol. «i. ss. IV, :A:> ff.; »gl. :Hic\ler I, 4**5 ff. ,
-Jlutübtograul)ifd)ev aud) ^tfttmen in ber ^onebe unb 11,47; ii4 t^.
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ltnb ü)re (ynmritflung im Mittelalter
bee ^ad)te burd) einen un()eimlid)en JHaud) aue bem 33ett getrieben,
fcf)leppt ftd) in Sobeeangft in bie Äirdje nnb roieber 3iirficf ; oer*
^ebene fud)t er mit ben .-öänben feinen rotberfpenfttgen «Diunb 311m
*l>falmobieren aufaufperren. £a fallen bie Dämonen fdjarenroeife
über ttjn t)er nnb reiben il)n fo roinbfdjnell mit ftd) fort, baß U)m
ber 2ltem auägeljt, bi* oor einen gäfjnenben Slbgrunb. .{Jweimal
erfdjetnt ein fyimmlifdjer Jröfter, um 3ir»eynal 311m Snbel ber
Dämonen roieber 31t oerfdnoinben, bie enblid) ba$ @H6tflein 3m*
Bottum erfdjallt unb ben (Gequälten erlöft. &ber rtlolj fd)ilbert
and) feinere formen ber 2lnfed)tung: roie ifjn ber Seufel burd) ßroeifcl
erft am Crrbarmen, bann au ber öered)tigfett, enblid) jelbft am
^afein Öottee nnb an ber $>al)rl)eit ber £d)rtft faft 311111 ^alju*
jinn treibt, ©äfjreub fein Öcfidjt unb ftefyör wie oerfd)letert waren,
glaubt er jemanben gaii3 nafie in fein Cljr flüftern 31t froren. (rr
befreit ftd) bnrd) ein etoßgebet, bae rounberlid) genug anhebt:
/Stenn Tu eriftierft, 3Ulmäd)tiger, unb roenn £11 allgegenwärtig
bift, roie id) oft in Dielen 3üd)ern gelefen habe, fo jeige, roer -Tu
bift unb roae £11 nermagft/ 3>tc G*rr)örung folgt auf bem ?vun,
unb fortan mar jeber ^meifei geroid)en, fein iterftänbuie aber
roud)ä 311 fold)er ßlarljeit, bafj er, roie er gefielt, ee faum melir
oerbergeu tonnte; er mußte es „infolge einee nnauötpred)lid)en »
Iriebfli unb ungerool)nten Jyeuereifere" litterarifd) 311m 3luäbrucf
bringen. £emt and) ber Gimmel fjattc il)ti unmittelbaren 31'5
jprudje geroürbigt; biefe Ginflüfterungen oon oben geftalten ftd) il)in
bann freilid) 311 feitenlangen 2lueeinanberfetuingen, worin niemanb
anberä ale ®ott jelbft fid) mit reid)lid)en Citaten aue ber SMbel
nnb ber Segenbe über ^"IÄfftgfett unb *>trfung ber Slnfedjtungen
ergeljt. J«. in feinen iUfionen erfdieint Unit (Mott roieberljclt
leibhaftig, ale greifer ^riefter in rotem Weßgeroaub; er l)ält längere
hieben an (Meiftlidie unb i'aieu unb fann einmal oor ÜHülmmg
über £tlol)'e beroeglid)en ^falmengefang bie ftrömenben Iljiäneu
nid)t jiirücftwlten, bie er fien langfam mit ber £anb abroifdit.
Ctlol) ift gewiß mit Medjt ale tnptfd) für feine Jeit auf'
gefaßt roorben; wäoreub er in feinen l)iftorifd)en Arbeiten ein
geroiffee 93iap oon Äritif 3eigt, l)abeu roiv in feinen perfönltdxn
(Erinnerungen nur mbud)ifd)e 2elbftbeobad)tnng unb 2elbftquälerei,
hanftjafte Aufregungen unb gratia lacrimarum oor uue. Ta*
gegen jeigt bie 2elbftbiograpliie bee frau3oftfdien Abte Wuibert
ir
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1(14
a. d. #ejolts Über bic Anfänge ber selbitbtogramnc-
i
»on ^iogent (f 11-J4)-5), obtt»ot)t $umal ü)r erftcö $*ud) in De«
nm&ter, aud) ftiliftijdjer sJtod)arjmung Äuguftinä abgefaßt i|tr
neben maftlojer £elbtterniebrigung unb einer Unjai)I oon ^ijionen
bod) fdjon mand)e Meinte einer neuen ih>eltanfd)anung. £enn
bic trimnprjierenbe $ird)e bee XII. unb XIII. ^afjrfyunbert* trägt
ein roppelgeftd)t; bic .ftreu33üge, bie ja großenteils* aue ber
inönd)üd)en Ofeformbewegung rjeroorgegangen ftub, brauten wol)l
Dem aefetifdjeu ^bealiemu* erneute Anregung, aber sugleid) eine
mäd)tige Belebung ber wiffenfd)aftlid)en unb äftt)etifd)en triebe.
2o oerläftf aud) Ohiibert oon Oiogent zuweilen ben ftreng
uuMtd)iid)cn 2tanbpunft, wenn er 3. 33. fid) nid)t »erjagen fann,
neben beu d)riftlid)cn Sngenben feiner s))iutter itjrc leibliche
<id)önl)eit 311 pfeifen; fei biefe bod) ein Spiegel ber ewigen
2d)öntjeit unb trügen bod) nid)t ofjne @runb bie Engel ftete an*
mutige, bie -Dämonen aber rjäjjlidje Büge, ^r berget nid)t an$u*
führen, baft fte il)m -- auf bie eigene fd)öne (*rfd)einung wirft
er einen turjen 2eirenb!icf — in fetner .fttnbrjeit nid)t nur gute
l'eljrmeifter gegeben, fonbern aud) wahrhaft fürftlicne Kleiber an*
gefdjafft tjabe. iTas ftd)tlid)e SBemütjen, biefer Butter ein
litterartfd)e$ (?i)renbenfmal 3U ftiften, ift otefleidjt ber erfreulidjfte
;{itg an einem £d)rift|teller, beffeu Eitelfcit fid) nur fd)led)t tjinter
ber 9Jlaefe ber £emut oerbirgt, £enn aud) jenes fortmärjrenbe
l)immlifd)e Eingreifen, bas fid) in ben .^ifionen (Fulberte unb
feiner Untrer funbgiebt, war bod) felir geeignet bae £elbftgefül)l
ber SVgnabigten 311 l)eben; fogar ber erfte i'ctjrer bee Knaben
würbe burd) eine 3>tjtou oeranlajit, feine (rrjienerfteUe bei einem
jungen Detter (Fulbert* aufzugeben unb ftd) bem neuen £d)üler
•:') < iuilu-rt i de Xuvifj«'nt<» d»- vita sua siw monodiarum libri III:
ngl. über tb,u b'k,Hd)ert), ber bereite bie ^adjafnmmg 9lugufttn§ Ijeroortjebt
< bei Wigne, Patnd. lat. ri.vi, KH7 f.i; SSagenmann in .^er.iog'ä SHeal
enmflopäbie V -, 4ii4; Hist. Htt.'«r. d«- la IVanc- x, 4:3!» ff. 9lutobtograpmfcf)e
Göttien bei bem englifdjen l^roniften i — 11-41» Ord.>ri«us Vitalis, hi>t.
.'. . N-.siast. V, 1; XIII, '1-2 <roo er bie £auptbaten feine* l'ebcn* in ,unm
eine* (Debets ju Wott toiebertjolti. Tie (*cfdnd)te feiner iWrfjniit« erjagt
lebenbig unb mit (nnflecbtung bebeutjamer ^iftonen ber ehemalige ^ube
nnb imct)l>eiigc ^rämonfrratenfermönd) .'permann iWtgne, ci.XX, so5ff.i.
Tic (*r\cil)lung bes 9lbte> iliupert oon Teutt if uon feinen eigenen
^ifionen, wobei er einmal auf 2lugunins ftonfeffionen sBejug nimmt
iWigue, P. L <1. XVIII, l,V.»h, fnljrt mit itjren reid)lid)en Hüffen unb
Umarmungen bereit? tu bie Jeit ber mnüu'd)en Ohnpfinbfamfeit hinüber.
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unb itjre l*ntnricfluna im Wittelalter
^ii roibmen. £f)ite religiöfe (5iufleti)tuiö , mit »oller srffenl)eit
tritt im* bae Wohlgefallen an ber eigenen i;erfon in ben anto-
biograpr)ifd)en £d)riften bee ehrgeizigen Wallifere (*)iralbu£ ent
gegen.26) Wenn er oon ftd) meiftene in ber brüten i;erfon iprid)t,
fo gefd)iel)t biee uic^t aue ^efdjeibcnfjeit, fonberu um biefen
dritten rcdjt unoerfd)ämt rjeraueftreidjen }it tonnen. /Ja) Imbe."
fagt er, „£orge getrugen, Die rjeroorragenbeu l'eiftungen eiitee
■^eitgen offen, bie id) teile ale ^ugen^enge miterlebt, teile uad)
feinem $crid)t aufgejeidjnet habe, bem emigen lN>ebäa)tnie su
überliefern.* £ein l)eifu'riet)utee ;{iel, 23tfct)of 311 werben, l>at er
allerbinge nid)t erreidit, aber in feinen fird)enpolitiid)en .Kämpfen
gereichten ttrm, roie er felbft mitteilt, groci £iuge 111m Sroft, ,erftlid)
feine ^erbienfte um Hott unb fobauu bie Wunfi unb ber Beifall
öer ©enge-. 3>er Wcbanfe an bie sJiad)roelt ift bei iljm ber
treibenbe; man muß ein reufmal bee eigenen Mufjme Ijinterlaffen.
,£et)r Diele ©dcfyrte," fagt er, „altern, of)ne ftd) felbft }u fenneu;
inbem biefe Beelen ol)ne Reiter bie .Kräfte tfjree $eiftee ittefit er*
proben, gel)en fte 311 ©runbc roie bae $>ief), unb irjree -Namene
wirb nid)t merjr gebad)t." (suralbne brauste fid) megeu foldier
Uuterlaffungefünben feineu Vorwurf }u mad)en. &ud) bie i*ifionen,
bie er aufge^etdjnet fyat, belieben fid) inegefamt auf bie erhoffte
2tanbeeerl)öf)ung unb auf feine (Gegner; Wöndje unb (rinfiebler,
Wagiftcr unb bitter, grauen unb Alinber ial)en il)n unb immer
roieber if)n. ße ift nur eine anbere Tsoxm ber Oiurjmgier, bie
ftd) bei ir)m abmed)felnb in d)iiftlid)er ober flaffHcfjer lonart
äußert.
Wie r)od) einzelne beoorjugte Weifter bee XII. Jafjr«
founbertö über bie mönd)ifd)e (ftnfeitigfeit bee gregorianifd)en ;]eit»
altere rjtnau$road)ien fonnteu, bafür bietet une bie (Mefd)id)te ber
£elbftbiograpl)ie roenigfteue ein ^eifpiel, bie berühmte „Wefd)id)te
meine« UnglüaV oon Wer iHbälarb (f 114-2).«) %ur leid)t
*) Über (Wralbus (*atnbrcnfiä (f nadj 1 H»"2) ogl. Cappenberg ^auli,
Weidj. öon C^nglanb II, 2*2; III, vsO f. ^lufter ben libri III <k- n-lm* a
ht» jrestin (in ber 21uegabe feiner Werft, l'onb. 1-sCl ff., Üb. I; ogl. C*in>
lethma, p. LXXXIX) unb ben Invertion»*s geben aud) Derfdjicbenc anbere
fetner 3djriften Sliitobiograpbifaje* , rtietft in ber brüten ^erfon t tut
sprrulnm erclfsiao dißt. III. G fpridjt er in ber eri'ten ^eri'oni. <NÜr leine
naffiföje «Übung unb >Kut>nte$liebe ogl. natnentltcf) oPP. V, 3 ff.; VI, 7 ff.
*7) Historia ralaniitatmn: ögl. 2. leiltid), i^eter iHbülarb il-vs3l
v. üij f.; 42 ff.; 91. #audrati), ^. \>l. (nn Ü?eben*biit> <W>;1) p. V. 1 f.;
125 ff.
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l<;r> a. o. ©ejolb, Über btc Anfänge ber Sclbitbtc>grapt)te
eingeflcibet in bie «vorm eines Briefes an einen gleichfalls oom
Schirffal getroffenen Aicnnb, giebt fte eine Selbfoeichnung mit fo
fixerer £anb nnb in fo marfigen Strichen, bag fte äfthetifd) be*
trad)tet imoerfennbar über ben auguftinifd)en Äonfefftonen ftehtr
roährenb aud) nid)t bie leifeftc Spur oon ber oiftonären Uber*
id)fflenglid)teit beS Zeitalters fykr 3urütfgcblieben ift. Unb bod)
r)dtte jene entfefeliche ßataftroplje, bie 2lbälarbö i'eben in jibei
Hälften Serrig, einem rein mittelalterlichen 9J?enfd)en baä rröftlidje
Vergüten in bie liefen mnftifchen Traumlebens nahe legen müffeiu
&Me einfach erfcfjeint baS äugere 2)afein Suguftins, roie gelinbe
iclbft feine feelifd)en Äämpfe neben ben Chfchütterungen, bie ber
geniale faangofe burdjlebt unb überlebt hat! W\t allen Vot^ügen
bes ©eiftee unb örperö ausgeftattet, oon ber gebilbeten $>clt als
Wirft ber Siffenfdjaft angeftaunt, basn ein berüefenber 5)ieifter
bes Wefangcs unb im Vefifc [euer ferjönen unb hod)begabten grau,
bie lieber mit ihm $ur £ölle fahren roollte, als ohne ihn 311m
Gimmel eingehen — unb bann mit einem Schlag ein armer Der*
ftümmelter Pölich, für ben alle £uft nnb aller ©lang ber (Srbe
oerfchloffen mar, ber nicht nur mit fich allein, fonbem mit einer
roacfjfenben Schar oon ^einben fertig roerbeu füllte, oor geiftliches
(Bericht gebogen, ge^roungen ein gefeiertes 2t*erf mit eigener Jpanb
in bie flammen ju roerfen, 3m* .H loftert)af t oerurteilt. £ie Selbft*
biograpfjie bes Schmergeprüften lägt trofebem ba$ Hochgefühl ber
früheren Reiten noch burd)flingen ; fte ift eben feine 23eid)te im
Sinn 2luguftins\ fonbern ein Appell an bie Teilnahme ber Wti*
roclt, ber burd) bie ergän^enbe Veröffentlichung feines BriefroechfelS
mit £eloife noch oerftärft roerbeu follte. £ie rürfftd)t$lofen (*nt*
hüüungen biefer Briefe ftnb ebenfo mohl berechnet roie bie oorfldjttge
^uriufhaltung, bie Slbälarb bei aller Schärfe ber Selbftanflage
gelegentlich in ber Biographie beobachtet. Von ber grogartigen
Unbefangenheit Stuguftins ift nicht bie ftebe. £ter fprad) fein
groger DJfenfd), mohl aber ein &riftofrat bes $etffes, um ben
bereits eine Ahnung oon humaniftifd)er 8uft rocht.
(f in gewaltiger ßug $ur Seit, 3ur ^ad)t, 311m SiMffen, 311m
!<ebcnsgcnug geht bind) bie &ird)e beS XII. unb XIII. 3af)r=
bunberts. Unb bod) be3eugcn eben bamalS grogartige mönd)ifd)e
JKeformbcroegungen bie nod) oorhanbene Seben^fdhigfeit bes alten
asfetifd)en Wcifics. Unb fchon ct)e bie SBettelorben in einer bisher
unerhörten ^ieife bie Saienroelt 3U felbftthätiger, nia)t nur empfangen*
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unb ihre l^utiuirf Illing im Mittelalter
1<;7
Der Teilnahme am rcligiöien i'eben aufgeregt Ratten, war bereite
jene (rntwirflung ber fird)lid)en tfrömmigfeit $ur Wnftif ein*
geleitet, Deren geiftiger Inhalt ber theologifdien 3i>iffenfcl)aft unb
Deren <&jd)cinnugeformcn ber jahrl)unbertelang gefteigerten unb
oerfeinerten 2lefefc entflammen, tfin fo ungeftörtee 2luercifeu bee
(^emütelebene doh ber garten frijd)en Glitte bi*5 jum Überreifen,
viiipliaien unb jutoeilcn aud) fauligen mar nod) niemals ba>
gemefen. (5l)araftcrifrifd) ift für biefc >J>eriobe geiftigen unb mora*
lifdieu Raffinements roie für bie Diel fpätcre unb rcidjere ber mobernen
ffiomantif bie höd)ft bebeutenbe, oft fütjrenbe Molle ber ftrau.-s)
£cit bem XII. ^af>rt)iinbcrt nimmt bie religiöfe 2elbftbiograpt)ie
in ben Greifen ber berühmten Viftonärinnen unb ihrer mit*
uihlenben Verrraucnemänner, bie meift bie ^ufjeidmung beforgten,
immer met)r einen ausgebrochen weiblichen (itjarafter an, inbem
an bie Stelle ber früheren Tämonenfämpfe unb .^öUcnp^antafteu
allmählich eine geiftlidje CfrotiF empfinbfamftcr ?lrt gefegt warb unb
neben ben wetteren (Mcfühlen aud) ein gewiffee Schönheitebcbürfnie,
eine naioe Jyreube an lieblichen (Meftalten, fd)immeruben Farben,
reichen (Mewäubern unb Äleinobien fid) offenbarte. Tao Zeitalter
ber ritterlichen töultur mit ihrem Winuebienft unb il)ren ftarfeu
fünftlerijd)en Neigungen ift bie in bie Vifiouen hinein beutlid) }u
iüüren, fclbft bei ber im ganzen nod) febr herben unb aüofalrwtiid)
gerichteten .>>ilbegarb oou 23ingen (f U7i>). Tie umfänglichen
Schriften, bie unter ihrem tarnen auf uns gefommen finb, unb
in benen ftd) aud) Slnfäfce 31t einer 2elbftbtograyhic finben, rühren
in ber uns oorliegcnbeu Wcftalt feinenfalle oon ber berühmten
Viftonärin fclbft fonbern ftnb burd) männliche Vermittlung
aufgeacidmet unb 311m miubeften beträchtlich umgemobelt worben.
Von ihrer ^eitgenoffin tflijabeth oon Schönau befifeen wir, wieber
Durch Vermittlung ihres Vrubcrs, beS i'lbts Lethert, ein förmlidK*
lagebuch über ihre Vifionen mit genauer Angabe ber Taten.*-*)
w) ä£as M. Vranbeo d'irt. bes XIX. ^abrl). VI, 1*!>1, )>. .Uli in
$e.uig auf ^tc ^criobe ber Momanttf fagt, etil t ebenfo für bie Wijftif bec>
XIII. unb XIV. ^anrrjnnberts.
w) Xie in bie V. HiLU-uanlis aufgenommenen ^ct)cv^it)litngen ber
<>elbtn tragen, roie Breuer < reutferje »inftif I, Wl mit Mccrjt bemerft, „baö
(Gepräge oon Striefen einer ielbftbiogiiuibie ber .<>ilbcgarb". ^I)ic ("e
pflnacnbett, y V. im SamaC' bie l)immlifd)e stimme gan\c Slbhanblunaen
Porrragcn \u laffen, erinnert an Ctlob, if. 0.). Xie Araa.e nad) ber (Mit-
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1HS n. $te]o\t>, Über bie xHniängc ber <2eIbftbiograol)ic
später tritt bie t>tcr nod) üorljanbcne Seilual)me an ben grojjeii
kämpfen ber -]c\t immer mehr oor ben rein perföulid)en
Rehlingen unb C?rlcbniffeit jurücf; bie Sreimbinnen unb Areunee
mt)ftifd)cr iMd)aulid)feit fpinnen fid) fönnltd) ein in iljren engfteu
Greifen, unb bamit nehmen aud) bie autobiograpt)ifd)en 2Uu-
$eid)nungen üielfad) einen gerabe^u pathologiidien C^harafter an.10)
Tie .vSelbinnen finb, feljr t»crfd}iebcn Don jenen <vraucn Der
9J?ärtnrer$eit , in ber Siegel front unb fd)wad) ober menigften^
bind) iHefefe f)eruntergeurad)t; fie fd)ilbern mol)l ihre förperlidKii
Reiben mit peinlicher Sorgfalt. £Purd)au# meiblid) ift bann bav
^chmelgen in bräutltdjen unb mütterlichen (Gefühlen; benn neben
C^riftuö, bem Bräutigam, 511 bem ihr ^crl)dltnifi fid) gan.j nad)
beut dufter betf (jofifdjen Wtunelebene gefaltet, beanfprudtf bat?
Crhriftfinb, feine Pflege, feine ftnblidje tarnt unb £d)alfl)eit einen
großen ^lofe tu bem Traumleben feiner Verehrerinnen, wirb
von ihnen mit einer manchmal rocht raffiniert anmutenden
Oiainctat gebabet, getrdnft und geliebfoft unb be3eid)ncnber &kiie
aud) ausgefragt : rote cö fid) benn bei feiner (Geburt unb in ben
elften fahren gefühlt unb betragen habe, ob eä wahr fei, baf?
x\ofepf) ec in feine .pojen eingemirtelt, ober baf? ee einem ber bret
Könige ine A>aar gegriffen habe, wol)in benn bie oon ben Königen
gefdjenften Äottbavfetten gefommen feien. Hl) £iefe fpieltnoe 3lrt
überträgt fid) aud) auf bie Hiäuner, bie in folgern Verfehl- fid)
ftcbima be,m>. Echtheit ihrer fcf>r umfänglichen 2djriften ift nod) feine*roeg$
cnbgülrig gclöu. X^ie ^ifioneu lrlifabetl)£ uon 2d)önau herausgegeben
uon a. 5\>. (?. iHotl) ( 1**4 1. Über bie xHrt ber Aufzeichnung »gl. .§ilbegarb#
xl^rief an Huibert tum 0>emblour ilMtra. Anal.cta »an«i YUI, 1**2,
p. 331 ff.l; \)k,)\i xH. von ber tfinbc, Tic Jpanbfdjr. ber vanbcsbibl. in
xIlMesbaben (1*77) j.. 43 xH. 1; *0 ff-; W; SUlg. b. ÜMogr. XII, 4<>7 f.;
>1. xlx'cinholb, Tie beutfdjen grauen lJf *1 ff.
*>i Vgl. &\ Müller in ber ^eitfdjr. f. Äirchengefct). VII, 122; 3*ci
fuielc in Gierige bei (5. (Brettl), Tic beutfd)e Mnftit im ^rebigerorben,
Aicib. ls<:i; bei ^reger, Ten tfd)c Mufti f I; II. (finen loefentlid) anbereu,
uicfjto weniger alc< metblichen (>haraftcr tragen tro^ ber oifionären unb
erbaulidjen (iinfcljaltungeu bie autobiographischen Mitteilungen bes Mino
titen £alhnbene uon '4>arma; ogl. XH. Todc, Tie Tonpclchronif uon
Meggio (1*73) j». 1; 4; Michael, 2alunbcne <l**t)| p. 22 f.; 4l>; 02.
31 ) i*gl. *4?h- Strauch, Margarete CHmcr unb Heinrich uon iKörblingcn
<1*s2) i«. XXXVI f.; M» f.; !>!» ff.; hicui Uodjner, Vcben unb (>^efichte ber
(M)ri»tiue (rbueriu (1.^72) \>. lö.
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mit» itne (*ntroiitliinft im Mittelalter
wohl füllten. C** ift d>a va f t eri fti f cf) für bie Umfeljt be* ^er»
hältniffe*, baß bic ttebeneeriunerungcu .^einlief) 2u)o$ uierft
nicht oon if)m fclbft, fonbern nad) feinen Öefprächeit, ohne öaf? er
e* wufcte, oon feiner ,geiftlid)en Iod)ter\ @I*betf) £tagel, auf»
ge.$eid)net worben finb. ih>a* füllen tuir aber baoon urteilen, bafi
IVeifter .<>einrid) oon 'Nbrblingcn fid) oon feiner abgottifd) Der»
ehrten Ateunbtn IVargarete (rbner einen ir>rcr abgelegten Schlaf»
rörfe erbat nnb aud) wirtlich trug? £enn ba* gegenfeitige 3lu*
fd)wärmen unb Verherrlichen ift hier unter anberen formen ebenfo
ftarf aii*gebilbet wie nachmale bei ben .ömnaniften. £ie ä{er»
feinerung unb Vertiefung bce Wcmütelcben*, bie fid) ja üon Di r
«Starrheit unb Derbheit bc* früheren ^Mittelalter* beutlid) abgebt,
war mit einer gefährlichen Verweichlichung erlauft Würben.
.\xinrid) oon -Hörblingen fül)lt beim Schreiben an IKargatete
einen fanftfliepenben Brunnen in feinem fersen entspringen; er
weint mit Wenufl. Unb ber l'aie rKulman ÜNerfwin oon Straft*
bürg oerirrte fid) biö 3itr völligen Cnbid)tung eine* angeblichen
großen C>)otte*frcunbe*, ben er, ^um Seil unter wtrffamcr &it»
wenbung autobiographischer (njählnug, uiui Felben eine* mnftifdjeu
.'Roman* machte.32) Unnatur unb Unwahrheit waren ba* (*ube
ber mt)ftifd)eu wie ber ritterlichen (rmpfinbfamfeit.
Unb bod) war fdjon bamat* jene Bewegung ber (jJetfter im
Dollen ?ln$ug, bie .«ir Öenefung führen füllte. (rine 3i>iebergcburt
freiltd) nid)t ber 21ntifc allein, aber bei ber Befreiung ber
europäischen v)Jienfd)l)eit au* ben beengenben Rauben einer über»
lebten Crbming ber £inge hat bod) ber neu erwachte (Glaube au
bie Schönheit unb Wröjje be* grted)ifd)»rbmiid)en iHltertum* im*
fchä^bare ^teufte geleiftet. Hirgenbe tritt un* ba* fingen unb
bie allmähliche v)3iifd)uug be* Gilten unb Lienen, be* mittelalterlichen
unb be* flafftfd)en Öeifte* an$iel)enber oor fingen al* in ben
Serien £anteef ber ja gewiß nicht $u beu .öumaniften gewählt
werben barf, aber bod) wie ein Prophet ber fommenben sl<tlU
anfehauung mitten in fd)olaftifd)er £enfarbeit unb mnftifcher
3-l Vgl. Xcnifle in ber .}eitfd)i\ f. beutfehe? Altertum XXIV;
XXV; Strand) in ber Mg. bentfehen Biographie XXI, 4ö!> ff. Über bie
lmgefunbe Sentimentalität ber ninftifchen Greife: SH. Sceberg, (5 in Äanipf
um jenseitiges £eben ilsMM |». 5'.> f.; 72; über bic nnoerfennbarc Be
aeichenmg unb Verfeinerung bc* (Gefühlsleben*: ->>avuatf III, 3*U f.
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170
o. ^ejolb, Über tue Slufänge ber ^elbftbiograpl)ie
£ehnfud)t bie erhabenen CMcftalten ber antifen dichter auf fid)
nifchreiren ficht unb fid) ihnen anreiht. Tenn an fto^cr 3elbft*
herrlidifcit unb ftitfjtneeliebe tonnte ee ber gemaltige Florentiner
bee XIV. ;>al)rhunberte mit ben Otiten mie mit ben (>)rößcn ber
Menaiffance aufnehmen. Oiad) ^aljrhunberten geiftlid)er Riffen»
fd)aft trat cnblid) uiieber ein i'aie auf ben sJ>lan, ber bie 23ilbung
feiner 3^t boli unb gan^ beherrschte. &*enn feine Tiüina Gommebia
ben mürbigen unb allee Frühere unenblid) überragenbeu &bfd)luf}
in ber G*urmicflung ber ^iftouelitteratur barftcllt, fo füf>rt bie
ÜUta "Jiuooa, bereu ®egenftanb feine Siebe 311 Patrice ift, troU
ihrer mittelalterlichen tfiufletbung in eine neue 3Sclt.ss) ?m
engften 3ufammcnf)ang mit ber Wnftif, überall mit fdiolaftifdjen
£uifcfinbigfeitcn unb munbcrlidjcn (Mefiditen bürdet, atmet bod)
biefe flcine (?rftlingefd)rift Tantee eine natürliche Marine ber
C*nu>finbung unb eine Sreube an feiner $*eobad)tung bee eigenen
.fcerjcuä, mie fie uns feit 2luguftin uid)t mehr begegnet finb.
■Rur baf; bei Tante bae allee nid)t einer ^eidite überrouubener
^erirrnngen gilt, fonbern bie Wefd)id)te feiner ^»g«-'"b une
menichlid) fo nahe bringt, baf; baoor bie fonoentionclle £ dimärmerei
ber ritterlichen IWnnebicfjter uid)t minber oerblapt mie bie finnlid^
überfinnlid)e C^rotif ber mnftifd)en .vtlofterfrauen unb Wegtuen,
freilich wirft bae Littel ber ^ifion, beffen fid) Tante nod) 'nicht
311 entfcfjlagen oermag, trofe ber ^iilberung }tir Allegorie auf ben
mobernen l'efer frembartig, aber ber ftern, ben biefe häufen
Iraumfpiele unb !ünftlid)en Allegorien nur halb oerhüllen, ift
l)öd)ft perfbulid), inbibibuetl unb barum allen Reiten jugänglidi.
Tae fehlen jeber Ziehung auf bie öffentlichen Tinge in
ber SMta Ohtoüa erinnert une jnrücr au bie ßonfeffionen Üluguftine,
an bie Gnitficluing ber ^elbftbiographif- 9ttit Tante unb mit
ik'trarfa, ber feine (rpiftel an bie }iad)n>elt fchreibt, tritt fie in
ein neuee £tabium. }>l)i€ auefd)lieftlid) religiofe tfeit mar oor*
über mie bae Monopol bee Mlerue auf bie ^iffcnfdmft. eaheu
mir bod), mie fchon im XII. ^ahrhunbert bei bem einen unb
anberen geiftlichen £d)riftfteller bae aefetifdie ^beal abgefd)mäd)t
ober faft ganj surüefgebrängt erfd)cint. Aber ee ift fein Zufall,
baf; in'tarfa, ber ^ater bee .>>umautemue, fein ^ud) de eontemtu
33 < *gl. a. X. ^elc, lante t.J. xHnfl. IM'.») \>. 11"); 1±>.
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nub itjre (rntroitflmtg im "iViittclaltcr
171
mundi, auct) eine 2lrt Don 2teid)te, in bie Tsorm eine* ßmie*
geipräd)* mit Sluguftinue gebracht t)atf wobei er freilid) auf feine
Siebe unb feinen ffiutjm trot? aller SBemüfyungen be* AUrdjen»
Datere nid)t Oermten will. 3>te 23elaufdning be* eigenen ^erjen*
ift djriftlic&cn Urfprnng*. *>a* fte aber 311 läge geförbert bat
unb ftet* su läge förbern wirb, ift - £id)tung unb *tafy$rtt.
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tts 6cm 1S>eretii£n>efen im römtfdw ftetcße.
Von Wilhelm Cicbeium.
II.
Um bie mehr bemt ein 'Jaljrtoufeub umfa|fenbe (Jntwitflung
bee römijd)eu Vereinewefeno bar3ulegen, ift in bem l)iftorifd>cn
X^brij? ber Veriud) gemad)t, bie 3erftreuten ^ad)ricf)tcit über einige
für ben 2taat unb bae bürgerliche l'eben bejonberd wichtige Slrtcn
oon Verbänben in ßufammenhang 311 bringen , unb 3ulcfct bie*
jentge (Gruppe oon l>ienoffenfd)aften eingehenber betrachtet, welche,
im Tarife ber ;}eit 311 ftaatlid)en Korporationen gepreßt, banf ber
in ben iMejefceefammlungen enthaltenen, biä in bae fünfte ;>ahrs
Rimbert herab gebenben Crrlaffc wie genauer befannt ift. Weniger
beutlid) fteljen in ber fpäteften &\t bie freien Verbänbe oor und;
nid)t, baf; fle gän^lid) oerjcfjrounben mären: ba bie Neigung ber
Wenfdjen , fid) mit Öletchgeftnnten 3iir Verfolgung gemeinfamer
ßweefe unb 23eftrebungen sufainmenjnfchHefjen, unüerwüftlid) ift,
fo werben fte meiter beftanben unb it)re ^irfung im Kleinen unb
Stillen innerhalb berÄreife ber bürgerlichen ÖefeUfchaft aud) ferner
geübt hüben.
^eun mir jefct ba3u übergehen, oon ber Verfaffung biejer
Vereine, ihrem Seben unb Ireiben, ihrer Söebeutung für bie
^Bürgenchaft ein Vilb 311 entwerfen, fo mufc eine 23emcrfung oor*
angefchieft werben. £aä Material für eine folche Betrachtung
bieten faft nur bie '-Jnfdjriften ; oiele Rimbert an fid) oielletcht
wenig wichtige Urfunben bewähren ftd) im ßujammenhang oer*
wertet alo eine anwerft wertoollc Quelle.*) £a eö inbeffen im
*) on Jüic Dielen 33ejtel)unaen bie 3ttfd)riften eine fultitrgefd)ict)tli(hc
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SSityelm Siebenam, SUt* bem $eretn*roefeii im römifdjeu 9Reidje 173
9iaf)men biefcr ßeitfdjrift wenig paffenb wäre, eine e^igrapbifaV
antiquarifdje Untcrfncfjiiiiö 311 geben, (o werbe id) mirf) begnügen,
im folgenben mir einige djarafteriftit'cfye Belege nnb SSeifpiele am
ber reiben ftülle unenblicfyen £etatl$ 311 nennen, ^or allem aber
fei jd)on f)ier tyingewiefen auf einige mefjr ober nünbcr ooüftänbig
erhaltene Statuten (leges) Don Vereinen, auf welaje wir weiterhin
noct) tjäufig jnrürffommen werben.*) (Sä finb bteä: bae> Statut
einee conlegium aquae oue ber erften Äaije.i^eit, üon HKommjen
worjl gutreffenb auf eine Salfcrinnung be3ogen"), baä bereite
S. 127 erwähnte Statut einer nad) ber £iana unb bem 2tntinou£
benannten (Eterbefaffe (collegium salutare Dianae et Antinoi) 311
£anumum 00m Jatjre 135 n. M)r.*"), bie 2?orfd)riftcn einer Unter*
ftüfeungöfaffe unter ben Solbateu ber legio III Augusta Pia
Vindex in l'ambaefttff) unb bae im Jaf)re 1886 in Irafteoere gc*
fnnbene Statut einer ;J)itnft ber @lfenbetnarbeiter (eborarii) au*
ber Beit £abrian'*ff ), bae allerbtng* überaus fragmentartfd) er-
halten ift; bie 33e3eid)nung be* 2>ercin3 war junftdjft falfd) gebeutet,
crft hülfen f)at im Jaljre 1890 ben rid)ttgen tarnen gelefen. Jn
gewiffem Sinne gehören l)ierf)er aud) bie ^orjdjriften, weldje Saloia
WarceÜtna unb ber ftreigelaffene VJ>. 2leliu* ßcno erlaffen f)abcn ff f )
für bie 33efttmmung unb ^erwenbung itjrcr großen, ber nad)
Jtesculap unb ^ngia benannten Sterbefaffe (collegium Aescula]>i
et Hygiae) 3U SRom im $al)re 153 n. C5hr. oermadjten €d)enfung.
<Durd) bicjelbc war jebenfall* eine Neoifton unb oeränberte Raffung
CueUe erften })tangeö finb, foüte einmal eingeljenber geprüft roerben. £ie
Schrift Don 3immerniann in ber 3?irö)oro ■■ jpotyenborff fajeu Sammlung
gemeinrotffenfd)aftlid)er Vorträge ls*7f .cseft 24, ift nur ein befdjeibener
iHnfang in feb,r eng gezogenen Wrenjen.
') 3ufammen abgebrueft bei iBrunä, font.*s iuris5 p. H15 fgg.
••) <\ I. L. VI. I02«.»s. ffinborff* unb $iommfen> (nflärungen
in ber 3eitfd)rift für gefd)id)tlid)e ftecnt$roiffenfd)aft XV. 2(>:}-272, :;2»;(
34* fM.
•'•) C. I. L. XIV. 2112. sHiommfen in ber eben genannten 3"tfd)rift
3. 357 fgg. unb in ber Schrift de colK^iis » t sodaliriis p. fgg.
fj ('. I. L. VIII. 2557.
Ü) Beb.anbclt ÜOll ^orfart im liullctino dt-lla commi.s.sion,' arrh.
rumunal.« di Itoma ins? £. 3, hülfen in ben *JDittteilnngen bes faiferlidjcn
^nftttutö, römifd)e 3lbteilung IV. (1**9) £. 2**, V. £. 2*7 fgg.(
Wrabenroty in ber 3«tfdjrift ber 2aDignn« Stiftung für Mcd}t«gefd)id)tc,
römifchc Abteilung 1*!*> 2. 72 fgg., l*t-»l 2. 13* fgg.
fjf) 0. I. L. VI. 10 234.
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J74
2&Uf)elm S'tebenam
ber biäfjerigen Statuten notroenbig geworben, dagegen ift bie
Dielfad) ab? etatut einer <8terbefaffe in (Eimtttrjw gebentete 3n*
Idjrift*) meines Gsrad)tenä oon ^ol). £d)mibt richtiger für bae
Statut einer $)fumäpalcurte erfldrt roorben.
3Me ^erfaffung ber Vereine erroeift pd) im allgemeinen als
eine gleidunäpige, gewtffe ®runbfäfee fefjrcn in allen mieber;
wenn im einzelnen manage (?igcntümlid)feiten , namentlict) in ber
^ufammenfefeung bee i*orftanbe$ unb rjtnftdnitd) ber 33efugniffe
ber ^itglieber beefelben Ijeroortreteu, fo ift ba$ fefyr roof)l begreiflid)
bei Vereinen, bie nad) ©röfec, 93ebeutung unb Hinflug überaus
t»erfd)ieben waren. 9Kdjt einmal ein gemeinfamer 9iame für biefe
bod) gleichartigen ^erbänbe mar eingeführt; am fjäufigften ift bie
SBejeidjnung collegium (bie in bie erfte flaifer.$eit conlegium), bie
ale ted)nifd)ev begriff aud) im gried)ijd)en Cften übernommen
mürbe; baneben ift corpus ber &uöbrutf für bie redjtlid) anerfannte,
mit ben ?Red)teu einer juriftifd)eit sJ>erfon beliehne ©enoffenfdjaff);
je meiter ftd) ber $reiö ber lefeteren auöbeljnte, befto weniger
tonnte fiel) ber Unterfdjieb oon collegium unb corpus galten, beibe
Sorte werben in ben Wedjtöquellen ber späteren $cit wed)felnb
gebraucht; sodalitas bejd)ränft fid) faft burd)Weg auf religiöfe unb
25egräbniöüereine, gemäj? ber urfprünglid)en 33ebcutung alä SifaV
genoffenfdjaft unb fahale 23rüberfd)aft; in universitas (universi)
wirb ber Wefamtwille jmn 2hiöbrutf gebradtf unb besljalb oft
oerwanbt, wenn oon ben ^ereinebefd)Iüffen bie 9?ebc ift; in äf)n*
ltd)cr Seile be$eid)net ordo liier wie bei anberen .Horporationen
bie gefd)loffene .Rörperfdjaft.***) ^srn Tften finben ftd) bie für bie
gried)ifd)cn Bereinigungen althergebrachten Flamen thiasus, eranos.
Iietairiu audi in ber Äaifer^cit/*'*)
ä*orjd)riften für bie 23egrünbnug oon Derartigen Berbänben
l)at ec faum gegeben; wenn gletd)gefinnte Wen offen y\x ©Übung
•) r. i. l,. Mii. I4<is:i 3{t)ctnt|d)Cß «iufeum XLV. (l*tM>) 5t«».
**; Ucotjalb fprt(t)t (%U1$ DOll c<»llr-:ia <piihus corpus habere per-
ini <uni est. <pionun corpus ... eonfinnatinn « st. 1 >in. III. 4, 1 < 2. 17t»|. 1^
merfenawert ift. baß rorpnrnti» fiel) nur in bev Nov. Se\eri '2 nom 3. 4<5
finbet. ^gl. ba.^u bie Stusfütjrungfn von 2airow*fi, ikmerfungen ,w bev
vebre oo n ben juvifri?d)cu 'Ifcrfoneu, Vcipjig 2. 4<; fg.
O.Viummeu, Xöm. 2taatsrecbt III. 45!» 21. 1.
••**) iVachnieüe für bie ^ereinobejeiebnungen babe idi im einzelnen
u o. C 2. I « ' I l'-'» gegeben; »gl. Itantce, vobeo I. 2KK
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Aus bem »iiereinsroefen im römlfct)en jWeidie
eine* Vereine jufammentreten wollten, Ijatte ber Staat fein prin*
Sipiellee ?Hed)t bee (nnfprucheö. £as oft ätiertc 2ßort bee
römifdjen Juriften Keratine: tres facere collegium bebentet nid)t
eine gefefclidje tfeftfeftung b*r 5)iinimal}ahl ber ^Kitglieber, fonbern
Me iitriftifct>e Formulierung ber 9)iöglicnfeit einer ÜKajorität/)
£>er herein ift oon Staate wegen frei unb felbftänbig in ber
Krönung feiner Angelegenheiten, in ber Aufteilung ber Statuten,
in ber $>al)l oon TOgliebern unb Beamten, bie feine obrigfeitlictje
Skftätigung nad)3ujud)en brauchen*'), faun Eigentum erroerbeu unb
feibft oerwalten, unb jroar nid)t blofj Vermögen an SBaarmüteln,
fonbern aud) an Örunb unb Soben*"), fann Sflaoen in feine £ienfte
ftellen, bie r wenn fie oon feiner Seite freigelafjen werben, ben
'Kamen bee Vereine annehmen.-}-) s)hir bezüglich beä ^erfammlungö*
rechtes waren Schranfen gebogen (S. 1*27).
Tic woljl Durchgängig oon einer Abftimmung abhängige
Aufnahme, auf welche in managen Vereinen ben ^orftfcenbeu
(finflufj eingeräumt war, bürfte faum jd)wierig 311 erreid)en gewefen
fein, weil bie meiften $enoffenjd)aften begreiflicher &>eifc eine
möglidjft grotfe TOglieberjal)! wünfd)ten. inwieweit betontere
ftatutarifd)e iÖebtngungen für ben Eintritt feftgefefct waren, wiffen
wir nid)t, bod) ift anzunehmen, bajj beifpielemeife bei ben Sterbe*
f äffen ttaiitelen betrefft ber Alteregren je ber Aufzunehmen ben ge*
troffen waren. Aud) grauen finb meljrfad) wenigftcnä in Sterbe*
taffen aufgenommen. ff) £afc in irgenb einem herein ber (Srmerb
ber TOgliebjdjaft bind) Stellenfauf möglich gewefen, ift nad) ber
Art biefer Korporationen auegefchloffen, woran aud) bie weiterhin
*) Xig. L. H>, *ö. iiernitc. a. a. C I. 2i>2.
*•) Sfekstjalb in einem #ali, bei bem <-oll««<:ium fabronun ti^ma Horum
in ^>ränefte ber oberftc Beamte Dom ttaifer eingefefet würbe (quinquiMiiiuli«
I>erjM'tuus »latus ab imp. Hadrian« Autr.). ift unbefaiint. <'. I. L XIV. 301 »3.
•*•) lie Sterbefaffen haben #egrabni*j)Iäfce (nähere Angaben bei
2d)ieB 2. *7>, ben Vereinen werben Ommbftücfe unb OMäube gefebenft.
<:. I. L. X. 4s;>5. V. M. 448i». VI. 10 2.H u. ä. 3n (el)r bebeuteubem Umfang
Danen bie ^t»ang*follegien ber ipäteven &\t folelje Hefttutngen (0>ebbarbt
a. a. C. 2. 42i.
■}) 2,0 Kalni« iu> »Vntuiihi- Kplnin. «'piyr. II. p. '.H "Hgt. <\ I. I,. V.
4422, XII. IHn."), « hIK lmus l'jibri. -ins C. I. 1.. VIII. 31>4ö, ^. Navunlaiius
Vi»-toriuu& C. I. L. XII. s*>3 u. ö.
ff; 2d)ien 2. 74.
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176 20ill)clm viebenam
311 erwäl)nenbe 3?eftimmung ber s]Karcellina nichts änbcrn fann.*)
Ein burdjaus faljdjes 23tlt> oon bem römtfchen ikreinswefen mürbe
es geben, wenn man, wie fjie unb ba geilen ift, bie ^or=
fdjrifteu einee griedjifdjen Cr raniftenf htbö * *) über eine Prüfung ber
moraltfcfjen 33efdjaffeur)cit bes Aufnahme 33egc^rcnben burd) bie
ftrage, ob er fenfef), fromm unb gut fei, of)ne weiteres1 auf ät)nlid>c
römtfcfje ^erhältniffe überträgt, ba biefelben üjrc Erflarung in ber
Eigenart jener gried)ifdjen i*erbänbe fwben unb aud) bei btefeu
feinesmegs allgemein üblich gemefen ftub. ***> i>rofaifd)er, aber
überaue prafttfef) ift bagegen bie Warnung, welche bie Ianuoinifdje
£terbefaffe bem -Neuling anfunbigt: „Der bu neu in biefen
herein eintreten willft, licS erft bie Statuten burd) unb bann
tritt ein, bamit bu biet) nid)t ()interl)er befdjwerft unb beinern
Erben einen v^ro3cp f)interl^t/ f)
SJcan follte erwarten, bap bie 3al)lreid)en uad) bewerben bc*
nannten Vereine nur ©enoffen besfelbcn .öanbmcrfeö aufnahmen,
aber nict)t wenige SFeifpiele lehren ff) bas ©egenteil, 3eigeu alfo,
wie wenig wir berechtigt ftnb, burdjweg biefe ^erbanbe als" Berufe*
genoffenfehaften an3ufel)cn. 3>af? aber suweilcn fid) berartige
Vereine gegen Angehörige anberer gewerblichen betriebe ab*
fdjloffen, beweift bas erwähnte etatut ber (rlfenbeinarbeiterjunft,
beffen lert nad) einer größeren l'ürfe mit bem Paragraphen ein*
fefct: bie caratores, weld)e eine ^erfönltd)!eit, bie nicf)t in Elims*
l)ol3 unb Elfenbein arbeitet, gegen bas offenfnnbige Verbot (per
fraudem, mie hülfen lieft) als "»iitglieb aufgenommen haben,
jollen oon ber Witglieberlifte geftrichen werben. Die ^erbinbung
•) 311 Derrofifen ift t)ter auf bie Erörterung tum ^erntee tu bei
Jeitfdjrtft ber (EaoigiiD-Sttfrung für Wecntsgefchicrjte V. 104.
•*) C. I. A. III. 23: Nv/to; £pav(ti)T«v. (Mrjoevi i(;|c5T«o te{d)m ii
xa< i'jae,"i>(; xat d(y*iM^c * 6o/.t;ia| )'"> ^ TrporrdrT,; irf dp/t£pn{v)t( 5)t/(; /-'2t
<j Y( p lau'iiTEu; xa{t ot)Ta;w'at xit tjvv.xo; . . . Ü3Üd)eler, 1 1 J » I • • x silxil. ltmin.
jH-stiv. ISTT 3. 10.
"*) lt*iit Med)t tjat bestjalb ^oucart, assoriations n'liiri<,"M's
2. H<; beut oon 3Sefd>r tu ber [lU-ww arrh.'-ulopiqu.' 1*05 (Iii. 2. -22»;
entworfenen tbealen $Wbc ber gried)ifd)en Wcitoffenfdjaften tinberfprotrjen.
f) tu qui novus in hoc colUgio intran> vol.<s plrius U-unn jierlctr«*
«t si<- intra, m; postinoduni queraris aut h.r.MÜ tuo o>ntn>\vrfsi)aiii
r linquas.
Iii a. a. C 2. 2*>s. yiaiw in ber 2. 1 oJ genannten 2d)rift £..">.
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?(ue bem ^eretnsroefen im röiniidifn Weiche
177
bieier anfdjeinenb heterogenen beiben (bewerfe erfldrt fid) baburd),
£»af» fte bei ber .fterfteUung oon Vurnetifchen aue CMtru$f)ol3 mit
(*lfenbeinfuft auf cinanber angewiesen waren.*) ferner finbcn
fid) begretflicherweiie Derartige 23eftimmungcn bei jenen Vereinen,
welche in ftaatlidjen SNenftcn ftet>en unb, um ihrer $füd)t su
genügen, förperüche ^eiftungefähißfeit unb ben Eefähigunge*
nachweiä f orbern mufjten.**) Irofcbem fid) bei biefen Korporationen
id)on balb eine ftaatliche ÄontroOc bev Witglieberlifre entwirfeltc,
fcf)cint ecf bod) nid)t möglich gemefen «i fein, ungeeignete Wcnoffen
oöllig auÖ3ufd)lief;en( wie am ber unten citierten Verfügung her*
vorgeht, bie wenigftencl ben (Menufc ber vielfachen Vorteile bei
/)J{itgliebfcf)aft foldjen ^erfonen enthebt (2. 133).
Verlangt würbe bei ber Aufnahme ein übrigen* «i weilen
and) erlaffenefl (Stntrittegelb, gewöhnlich cupitularium. nur bei ber
militärifcfjen Unterftüfeungöfaffe in l'ambaefie scamnarium genannt,
Deficit oerfdjiebene .>Söl)e im Verhältnis «i ben Dorn herein ein;
gegangenen pefuniären Verpflichtungen an bie Wirgltcbcr ftanb,
bei ben (Eterbetoffen wohl burd)fd)nittlid) ein drittel ber bei
lobeefaU «i jafjlenben llutcrftütumg betrug; aufjerbem würben
monatlid)e Beiträge (stips menstrua) Bedangt, unb wenn and)
nidit überall ftarutenmäpig, wie bei bem lanut>inifd)en herein, bie
2penbe oon Sein (vini boni amphora) ober auberen Naturalien,
wie bie mittelalterlichen fünfte oon ihren neueintretenben (Menoffcn
/2v3ache 511 .fielen, föüftjeug jur ;>)unftwel)r, Sein unb 33ier .«im
Inmf forbern tonnten."*) ^efannt finb folgeube Rahlen. Ski
Der Umgenannten .fiaffe war bie Aufnahmegebühr 1 CM 1 (Eeftcr^e,
ber Jahresbeitrag 15 (Eeftene, in monatlichen "Katen oon 5 31 f;
«1 Rahlen, an 33eerbigungs1often (funeraticinm) gewährte ber
herein 300 (Eefterje, wooon 50 Sefterje «ir Verteilung an bie
") Waruuarbt, 4?riDatleben 2. 7*23. AricMänbev ,ui Wartial 2, 4:1
**) I>i<r. L <>, <», 12: qnibnsdain .oll.'L'iis \<l mrpnribu*. «juilms
iu> roiMindi 1«'?«' jitTini.ssuiii «-st. iniiiiuri itas tribuitur: sriliot < is n»ll»"_rii>
v. l «orporibus. in «juibus artitirii sui «ausa untis<|tii s<tti«> a«l>um itur nt
lal)ronnn «urpus .-st .-t si qua randtMii ratiomin oritrin i> lialn-nt. id rst
id« im» in.stituta Mint, nt n.r.ssariaiii «»{»«»rani puMi«i> utilitatibus < \hi-
brrvnt. n»*r omnibus projnisru»- ad^uuipti sunt in Iii- r«dl*'L'ii>. iuiuiunita.N
tribuitur, neil artifiribus duntaxat. <*od. .Inst. XI. * l7l, 1(>: :*V>£'» «•>;
ir-r/v*. Tot; or^jAogtot; luriaTito',; iy/o^'f c'll^'j. y.ar'/ tö i'*i\'v.nW* /.et' £/
— 1 Werfe, leutiche* Wenoffemchaft*rcd)t l. :5»;s.
^eitfdJritt ffir ÄulturgdAiAte. I. 12
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17S
äiMltyelm Liebenau!
Icilneljmer ber $egräbnii?feterlid)feit (exequiari nomine) beftimmt
waren; bie crmdljnte Aaffe ber brittcn Legion forbertc 7:>o Denare
(Sintrittögelb unb einen Beitrag in uid)t überlieferter .pötje, 3atjlte
beim Antritt einer übeifeeiidjen Meife 200 Denare, bem Weiter
.~>oo Denare ald Dieijegelb (viaticum), bei Sluancement bie c^leict)c
Zumute unb ebenfo aud) bei efjrenooller Ghitlafinng.*) ,vür
Die 2*egräbni0gelber finben fid) nod) anDcre Angaben bie 3iir
ibbty Don -JOOO 2efter3en.*') *?er eine beftimmte -kit (tf Monate V)
beitrüge nid)t gegast fyatte, oerlor jeinen Sinfprud); ebenjo würbe
Denen, bie .<panb au fid) gelegt, bie ^a^Iung oermeigert.
£ic TOglieber, bie fid) ale sociales, socii, collegae, comesto-
res, convictores, commorientes, amici, fratres bejeidjuen * ' * ), werben
in ein ^er3eid)itie (album) eingetragen, befielt 2lnorbmtng tute
Durd) eine gan^e 9tei(je 3nfd)riften befannt geworben ift; babtird)
gewinnen wir 3uglcid) einen Überblicf über bie gan3 erljeblidK
Sreqiten.3 einzelner Vereine; ber befieren £rganiiation falber
teilten fid) mand)e, befonbers bie Feuerwehren, in £ecurien unb
(Sentiirien , oft mit fei bftan biger tfaffenoerwaltung, bod) waren
biefe Abteilungen nid)t notwenbig numerifd) ^ernis unb »Switbert»
fdjaften.-j-) "Diad) freiwilligem ober erzwungenem 2Uiötritt an* ber
®enoffenfd)aft würbe ber Plante im 2llbnm geftrid)en, wie wir an
ben Salinen nod) in einigen fällen erfennen tonnen, ff)
£er ^orftanb fefcte fid) au* ben Beamten 3ujammen, Die
jäljrlid) gewählt würben, bod) war :h>iebermal)l unb ielbft bauernbe
Übertragung einer Stellung nid)t feiten. 2ln fold)en (*l)renpoften
war feiu Langel, unb bei manchem fleincn herein mag e$ faft
iooiel (5ljargierte wie "JJittglicber gegeben fjaben. 6* galt eben
ben tilget} ber Wenofien au.^nfpomen, bem Vofalpatriotiömnö
unb bem ^unfdje ber Bürger, menigftentj im Staate im .Kleinen
eine Molle \\i fpielen, 9iccf)nuug 31t tragen, £enn ber herein follte
*i 3m .uoeiten 3abrl)unbcrt faun man ba* Vif? — <\tf#.t
2efter,} -Jl,* *4>fg.. ben reimr — Mi^ ^fg. fetten.
**t ^nfammenftelliingen bei Metrien 2.
***) 9(ad)rotiie für biefe unb anbeve Tanten a. a. C. 2. IM fg.
|l 2o beftettf \. bie \cl)nte Teairie be* n.ll. ijibmnuu tijjnua-
riorum in :){om auö bem Teaivio imb 21 Wann «'. 1. |.. vi. '.*4ür>. a.
n. C 2. UM. AMvfdrielb in ber 2. 1H-J iH. 2 gcnountfii Vlbtjanbluiia *2">n.
tii 2o c. 1. I.. XIV. -J;>1 I. I. -j; -J4<; «•„!. III. 1. ,<»1. IV.
1. ml. v. 1. 4. Hrabenuui; a. a. C. 2. 7\
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flu* bem $errm*roticn im römifctjen Meidje
in feiner Crganifation ein &bbtlb ber ftaatlidjen wie bor ftäbtifdjen
(Memeinbe*) fein; ben Beamten waren beuljalb ftoljflingenbe Ittel
mie Sribitn, £uäftor, ÄbU, IMtor, ^räfeft betgelegt, bod) bie
Äompetcnjen btefer Stellungen ftnb jd)mer gegen etnanber ab*
^tigrensen, weil fte wegen tfjrer 93ebeutung$loftg?eit üielfad) in
cinanber übergeben mußten. £em Wange nad) waren bie Beamten
feine*weg$ gleich, wie fd)on bie 21uf3äf)lung bcrfelbcn im Sllbmn
Aeigt.**)
£er eigentliche ^orfifeenbe l)ieft faft burd)weg magister; er
f)atte am läge bee ftmtoantrttteä ben (*ib auf bie Statuten }u
leiften, bie ^erfammlungen einzuberufen unb 311 leiten, für Stue*
fü^rung ber 93efd)lüffe Sorge 3U tragen, bie CberaitfficM über bie
Äaffc unb bae ^ereineüermogen 311 führen, bei ben Sterbefaffen
bie Örabftätte au^uwetfen unb bae 3?egräbniegelb auegu^aljlen,
ben Don itjm oorbereiteten ^eftma^len 311 präftbieren unb über*
Ijanpt ben herein nad) auften 311 oertreten. IVcift würben mehrere
wir fennen bei einem lolofaner herein bereu ^wölf - magistri
gewählt, bie bie genannten wutftioneu in einer beftimmten Reihenfolge
verwalteten; wenn fte auf."» 'Ja^re gewählt waren (quTnquennales),
ftanben fte an ber Spike ber Beamten. Leiter finbeu ftd) bei ben
meiften $enoffenfd)aften wenigften* jwet curatores (Pfleger); bei
ben Sterbefaffen t)aben fte bie Errichtung unb 93eforgung ber
Wrabmomuneute geleitet, bei ben Jveuerroeljren für Aufbewahrung
ber 2öfd)gerate Sorge getragen.
^te Äaffengefd)äfte beforgteu gewöhnlich bie £ua"ftoren (Secfel-
meifter), beren ^wet }ur gegenfeitigen Kontrolle gewählt würben;
^ur JRemfton ber Äaffe, gewöhnlich wie bie ber "VriefterfoKegien unb
;1uguftalen arca genannt***), waren in größeren Vereinen repunetores
ober dispunetores beftimmt; wo ftd) praefecti finben, ift auf eine
qttaftmilitdrifd)e SDrganifarion 311 fd)licj;en.*"*) s)iid)t feiten wirb
ein scriba (3?ereinefdneiber) ermähnt, beut bie Anfertigung be*
*) I>iif. III. 4, 1, 1: nuibu?. aut.in |»rriiii->>iiiii ist. «topu.-, bab.iv
«olletfii Micictatis'Vf Y; ,>iv«- <nin><|Ur alt»rin> iMuuin nomine, proprium r \
ail »■Xtmplnni Tvipitblirai' haben- r> s n.iimiun. anam eommiuiem et actor. ni
>ive syiulimm per ipiem taiii(|iiHiii in v-|»nT»li« a. i|iio<l eomuniter ayi lieriipie
«jporteat. av'atnr Hat.
'*) ^eifpiele a. a. C 2. 1*7 feig.
Wommfen, Mlöm. Staat*rcd)t II. • III. UM.
• — ) .fMrid)felb a. a. C 2. -"»-.
vi-
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180
2iMlf)elnt i'iebenam
^Sfi i tgliebcruerjc icf)n iff r ber £ifcuugesprototolle n. ä. oblag, einige-
Male and) medici (Vereinbarte). Von einer näheren Vefr>red)ung
biefer unb anberer jeltener genannten Beamten fel)e id) an bieier
Stelle ab, ba es gerabe^n unmöglid) erfcheint . biefelben bnrai
Juroeifuug beftimmter Aunftionen im allgemeinen genauer 311
djarafterifieren. Vegreiflidjer Äife mirb jebcr herein bie Ver-
teilung ber $efd)äfte oon ber 3(n^af)l ber, bei ber ©röfce feiner
Mitgliebenaf)!, bcm Umfang feiner s™irffamfeit nötigen Beamten
abhängig gemacht f)aben. C^n einer $enoffenfd)aft, in ber es feine
magistri unb «juaestores gab, wirb bie Ä'ompeteiij bes curator
eine anbete geroefen fein ale in Vereinen, roo biefe iHmter ebenfalle
vertreten roaren; fo ruf)en beifpieleivcifc in bem mct)rfad) erwärmten
Verein ber (rlfenbeinarbeirer bie meiften (Meidjäfte auf ben ed)ultern
frer euratore*.
Tiefe Veainten roaren wie bie ftäbtifd)en unbefolbet, aber,
fo lange fte bie (Jrjrenftellung befleibcten, abgabenfrei unb bei ber
£porteloerteilnng burd) Empfang größerer Anteile als bie gewölm*
Hajen 9)iitglieber aue^eiermet.*) (e. 18")) Veim beginn it)rer 3lmt*»
tliatigfcit tjatten fie meift Kaution 311 hinterlegen, nad) Ablauf
berfelben Wedjenfcrjaft abzulegen. 5>tc (ffvre, 31t einem ioldjen
Vertraucnöpoften gerodelt 311 werben, würbe bennod) rjodjgcfdjäfct
unb oiel begehrt, ttofcbem nod) maudjerlei ?tutfgaben bamit »er*
Iniuben waren, benn orjne ein fteftmaf)! auf Äoften bes ®emärjlten,
ber fid) für bie Übertragung ber stürbe ben Wenoffen banfbar er*
weifen muftte, ging eo feiten ab. £afür mibmetc aber aud) bei
Verein bem Veamtcn nad) guter Ämtefürjrung irgenb ein
Tcnfmal mit rürjmenber Jitfdjrift unb ernannte il)n rool)l gar
\um (*f)renmitglieb. £ie Iitelfud)t unb £enfmalemut ift für
biefe fleiubürgerlid)eu «Hreijc retf)t d)arafteriftifd). $11 ber großen
sl>olitif rjatte ber Heine Vürgcr ntdjttf mit^urebeu; er lebte für
feine Wemeinbe, begnügte fid) r in ber Heimat etyrenooll genannt
ui werben unb banad) 311 ftrebeu, roenigftene auf bem Jvorum bei
Vatcrftabt ein ^eugnie .feiner oon ben Mitbürgern gewürbigten
Verbienfte ^u fel)en. 03iod)te ber ehrgeizige municioalc 2tbel nach
Mom manbern, um bort fein (Mlücf 311 oerfud)en: er, bem biefe
^cge abgefd)nitten waren, 30g ce oor, auf r)eimifcticr £d)olle ein
•) Oiai)cre* über bic Rumeln bei 2tcvbefaiieu iviebi 2d)icn 2.1i.Mfga.
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Sin* bem ^ereinsroefen im romifdjen fteicbe \s\
"berjaglicrjee £afein 311 leben unb Den i'anbemann, wenn Ujm im
2taatsbienft (Stjren unb Erfolge 311 teil geworben waren, mit £tol}
ber 3>aterftabt auf«? neue nerbinben, inbem ber ftäbttfaV JKat
ober fein herein ben über bie (Mren^en Der flehten £tabt Titiane
befannten Wann 311m patronus crfor. £enn and) bie Vereine
fuct)ten babnrd) ifjr Stnfc^cn 311 oergröfjern nnb ifjr ©emid)t \i\
nerftärfen, inbem fte perfönlid)feiten, bie bind) if)ien C^influfj ober
if)re Stellung ber (>*enoffenfd)aft (Gewinn bringen fonnten, bie Gfyre
bee patronus antrugen. 2luä }afjlreid)en 33eifpielen feljen wir, baf»
Senatoren, bitter, Veteranen, grauen unb felbft Knaben aus r>ov=
nehmen Käufern biefe Sürbe annahmen, bereu ^erleirjung in ben
feierlidjften formen wie fjeutjutage bie Übertragung einer (?l)ren*
mitgliebfdiaft Donogen wirb. (Sine grofje ßafjl 3lbgeorbnete be*
Vereine überbringt bem in feierlicher £irjung (hwärjlten bie eljerne
lafel, bie in einer Mdjrift feine $>erbienfte um bie £tabt unb
bie ©enoffenferjaft im befonberen gebüfjrenb r)erausftreid)t unb bie
33itte auöfprid)t, biefelbe in feinem .\Sanfe aufauftellen.*) gentiuä
*yelrr war patronus aller ober wenigftenö ber bebeutenbften Vereine
in Tftia, nnb in mandjen Familien war bie Sürbe gerabeul
erblicf), wie benn aud) worjl rjerDorgeljoben ift, ber herein redine
barauf, bafj bie burd) mand)e£ Jabr bewahrte Unterftüfcung aud)
fernerhin nid)t ausbleiben werbe.**) J\>urbe gar bem patronus nod)
eine Statue mit 3"fd)rift gefefet, fo lieg ftcr) bcrfelbe an bem efjren*
»ollen 33ejd)luffe genügen (honore contentus), jafjlte bie Soften beo
Wonumenteä felbft unb gab nod) £penbeu aller $rt baju.
Sie oben ermahnten Statuten geigen, baft ben Vereinen eine
Sieciplinargewalt über ifjre Witglieber in getroffen ®ren}en juftanb.
Einige Paragraphen brol)en ®elbbuf)en unb Strafen in Naturalien
an, um bie Crbnung bei ben $erehisfeftlid)feiten 3U wahren unb
bie TOgltcber 311 gewiffenr)after 23eobad)tung ir)rer Abliegen tjetten
anhalten.
$$ct bei ben iveftmaljlen Dce lanurouifdjen Vereins feinen platj
') i\ I. L. XI. 970. 1354. 2702. SSilmanns, delortus 2*57. 2*5*.
Vlnt»erc Sktfpiele babe td) a. a. £. 8. 213 fgg. angeführt.
•*) £.0 roenn eine Wenoffenfdjort in Üfrio einen 5iüölfjäl)rta,en &nabcn
,ytm patronus ermäblt: qnod in praotfritum . . . boneficia praestita sus-
T.pfriums, nunc etiam in futunnn nun dissimilia cjuae nunc sentimus,
perpetuo ex domnm »'orum processura pari «dfri-tioiipin speranms <\ I. L.
341. IX. 11*1.
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1 *2
SMlbctm S'iebcnam
t»crläfitf }af)lt 4 Sefter$e, wer rul)e|törenbcn Sann öcrurfadjt ober
einen Wenoffen befdjtmpft, wirb mit 12 Seltersn, SBeleibigung,
bee ^orjifeenbcn wätjrenb bee 9J(*af)lee mit 20 Seltenen beftraft.
£anad) jd)eint e3 bei ben B»iammenfünften ber ÜKitglieber 3U*
weilen nid)t aügu frieblid) hergegangen 311 fein*), worauf aud) bie
ßrwäfjnung einee Sd)iebend)tere Ijinbentet. £at ber magister t>er*
geffen, bae Don'cfjriftemäfeige £eftmaf)I $u beforgen, fo ga^It er
:io Sefter^e, gel)t für bieemal aber aud) ber @f)re beä 3?orfu)ee
üerluftig, bie bem $äd)ftfolgenben übertragen wirb, unb mufi
warten, bi$ im gewöhnlichen Xurnue bie JHeifje wieber an ihn
fommt.
Beamte (magistri unb curatores), weld)e 5Bejd)(üffe ber
©enoffenfd)aft nid)t aueführen, werben nad) ber lex bee collegium
Aescalapi et Hygiae mit 20 000 Seftcrjen beftraft. 3)ie einzig
bafteljenbe -p^he ber S3upe würbe nur bann ertlärlid) fein, wenn
es ftd) vielleicht um burd) bie 8d)ulb ber Beamten Dcranlajjte-
Schäbigungen bee $>ereinöbermogene genabelt fjärte.
£ie römifdje :&>alferiunung »erlangt bon jebem Mglieb,
über Angelegenheiten , bie bie ©enoffenfdjaft angehen , binnen
3mei Jagen Mitteilung an bie magistri 311 mad)cnf bei Strafe
Don ') 2lft. 3luf 3krfäumnie ber ^ufammenfünfte ftef)t Strafe,
bod) fann man ftd) entfdjulbigen laffen; »ergibt ein ©enoffe bieten
ihm gegebenen Auftrag au^nrid)tenr fo muß er felbft bie Strafe
jaljlen. £er magister, welcher bei Weberlegung feinet &mtee ben
Gib über gewiffenfjafte Leitung ber ($efd)äfte nicht leiften will,
3al)It 500 2tß unb üerliert bie Befähigung, bae tat wieber 311
bef leiben, fowie bae Stimmrecht. 3ft ein (^enoffe bee ffiecf)teef
Cfhrenftellen 311 Dermalten, berluftig gegangeu, trifft itm, fallä er
fid) bem i>efd)lu6 nicht fügt, eine ©elbbujje in unei nid)t be*
fannter .i>ö^c.
&>enn ein Mitglieb ber lanuüinijdjen Sterbefaffe aufjerfjalb
bee 20. Meilenfteine ftirbt, füllen brei ©enoffen ftd) borten be-
geben unb baö Begräbnie besorgen, bann über bie ^ermenbung.
bee funeraticiura ffied)enid)aft ablegen unb, wenn fie bee betrüge
") Übrigens ünbet fid) auch in bem ermähnten griedjifdjen (rramften«
flub (<'. I. A. III. 23 1 ein t>at)ingel)ent>er Utarctflrapl) : ti U ur/«; /,
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3luö bem herein swefen im römifdjcu Neicpc
1S3
überführt werben, bic oierfaene Summe als Strafe fahlen. tHn
Wcifetoften befommen fic l'o Sefter$c.*)
Jm flanken mag monl bic iV»anbf)abung ber Sicciplin niclit
feilen Sdnoiertgfeiten c\cl>abt Gaben unb mancher herein trote aller
Strafanbrofjungen infolge ber Väfjtgfeit ber Oomoffcn ,^ir Sliif*
loiung gezwungen fein. l*ine intereffante, im ^safjre 1790 an$
l'icrjt gebraute ^ad)ötafel, Die fid) unter ben in ben 35crgwerfcn
pon ^ereepataf (Albnrnus maior) hirj oor ben 9)tortomannen*
frieden 311 ber ßeit bei Ware 3lurel vergrabenen prioaten Urfunben
befinbet, gemährt mertPollc Sliiffcf)Iiiffc.**> £er Jntjalt ift biefer.
Vit nad) bem Jupiter Gernenil« benannte Sterbefaffc (colle-
gium Jovis Cerneni) t)abc einft M 9)?itglicber ge^äfjlt, oon benen
im Jafjre 1<>< nur nod) 17 übrig geblieben feien. $>eber ber
magister Julius fei feit feinem Amtsantritt, nod) bie TOglieber
31t ben ^erfammlungen in iHlburnue erfduenen, bie Beiträge
mürben nidit gejault, beefyalb tonnten feine ^egräbniepläke mcf)r
getauft werben: ano biefem Wnutbe legten bic beseitigen ^orftanbS»
mitglieber, Artcmiboruö unb bie £uäftoren ^aleriit* unb Cffa«,
unter ffiütfgabe ber .Haution öffentlid) Wed)ettfd)aft, bamit "Jiiemanb
beute, bie ftaffe beftefje nodi unb fei im Staube Sterbegelber
auoyi^afjlen.
Jm allgemeinen gel)t ein menfd)enfreunblid)er, fjer}lid)er ^ug
öurd) bie Vereine, bie neben anbereit ^eftrebungen bie Pflege ber
(Meielligfcit ftd) als $iel fefeten. *>ir bemerften fd)on, baft bie
Mitglieber fid) mof)l ftrennbc unb trüber nannten unb wie burd)
ein ivamiltcnbanb oerfnüpft füllten. Alein (Menoffe follte wiber
ben anberett Beiignt^ ablegen***), unb in bem Statut ber lanuoi*
') &on anberen Srrafanfünbigungcn, bereu Interpretation nictit
mieifeUo* ift, fct»e id) an biefer Stelle ab.
Die (*ntaifferung unternahm juerft Waümann in ber Sdnift:
UMIus aiirariiis sive tabula«? nTatac ot antiqui^ima»- » t unii-a«- Komanai*
in ItMÜna auraria apud Abrmlbanvam nppiriiilum Traiis.sylvaiiuui nuper
r. p. rtar. Lipsia«« 1*40. $uid)fe, Xie in Siebenbürgen gefunbenen latei
niidjen JOacbötafeln in ber 3eitfd)rift für ge|d)id)tltd)e JHedjtoroiffenfdjaft
XII. 170 fga. I. L. III. p. 9-24.
•••) Uber äljnlicbe 3*eftimmungen bei ben mittelalrerltdjen (gilben
feierte I. "241. — 2$enn id) oje unb ba ~ faft auf jeber Seite bietet fid)
<*elegenb,ett — auf parallele Vorgänge bei bcutfd)cn fünften aufmerffam
mad)e, io geid)ieb,t eo nur um 311 geigen, bafj analoge ^erbältniffe ui
midnebenen Jetten notioenbig biefelbcu (nidKinungcn oeranlaffcn müffen.
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1S4
i£ill)elm vicbenam
nifchen AI äffe finbet fiel) bao fd)öne Stfort: v\it uuferem herein
habe Dofer &>ille feine Stätte (a nostro collegio dolus malus
abesto). £a bereite feit bem Cyube ber republifaniid)en ;fcit and)
Sflaoen mit (Menehmigung ihrer »perren eintreten fonuten, haben
bie Vereine ftdj ein nid)t gering au$ufchlügenbee $>erbieuft um
Die ^u*gleid)img Der im Altertum fo fdnoffen gcfellfdjaftlidjeii
U nten d)iebe erworben.*)
31 m beutlidiften aber tritt bie willige Cpferfreubigfeit tu
Den überaus zahlreichen Sdjenfungen, Spcnben nnb Stiftungen
$u läge. *>er bie Jnfchriften ber Alaifer^eit burdjmuftert, erftannt
über bie großartige Areigebigfett, welche Den ftdbtijdien Weineinben
3u gute fam uub :{euaniä ablegt ebenfo für ben uiunicipalen
Wcmeinfinn roie für ben s.h>ot)lftaub bec» Hürgerftanbee, ber im
^weiten Jal)rl)unDert nod) ungebrochen oon ber Otot ber fd)weren
Reiten oerfdjont geblieben war. Jd) fann bieje Xl)arfad)e hier
nur crwäfjuen. 2lud) bie Vereine finb reid)lid) bebadyt, Denn
oon Den (fintrittegclberu uub monatlichen ^Beiträgen fonuteu
fdjmerlid) bie 2luegaben immer beftritten werben. £a übernahmen
ei(!l)e Wenoffen ober Wömter bee Vereine bie Ausführung oon
Tanten, fcheuften Kapitalien, ßanbgüter, Statuen u. a. m. Unter
iDtorc iHurel würbe bann bie ben ftäbtifd)cu .Kommunen am (rube
beä elften ^ahrhunberto oerliehene l'egatfähigfeit oud) auf bie
Vereine anegebefuit. " )
ÜJeionbere h^nfig waren bie Aibeifommiffe, Sd)enfungeu an
i>ie (Menoffenfchaft, bamit fie am ©eburts* unb lobeotage be*
Spenbere ober anberer ihm naheftehenber oerftorbenen vJ>erfouen Derer
gebenfe unb Die .^infeu 311 einem Webädjtniömahl, 311 einem £pfer,
uir Unterhaltung bee tMrabee unb feiner Sd)mütfung am Ücofen-
fefte oerwenbe. £ic fchöne Sitte bee Altertums, bie Örabftätteu
an beftimmten lagen (violationis, rosationis) mit Teilchen, ffiofeit
Wandjcrlci Jöemerfunacn für joldjc *>ergleid)ungen bietet bie Sdnift iu>n
4>irfch, ta* £anbiucrt unb bic fünfte in ber dmfrlidjcn Wcfeltfdjaft,
»erlin lv>4.
*) iMud) Soljm, >\"ird)cngefd)id}te im (vruubrijj '2. 4 bebt bie>e
(*iaenf (haften ber l)eibnifd)eu Vereine beroor, bie für bie Beurteilung bei
erften cfjriftlidjcn 0>cnicinbcn ntd)t \\\ überfetjen finb.
•*) l>i'_'. XXXIV. .'), -Ja
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$Ui* bem s!*erem*tt)ejeii im römifctien ftetdje
1 «:>
unb anderen Blumen 311 umgeben, baben bic C5l)riften übernommen,
unb nod) lange finb bie SRojalia gefeiert.')
£0 fdjenft 5?. £omittu* ^>f)aon einer nad) bem Siloannrf
benannten Sterbefaffe in (5ompfa sur ßeit Domitiane mehrere genau
befdjriebene (Mrunbftucfe, am? bereu Erträgen 31t Weujafjr, an ben
i^eburtetagen bee regierenben £errf djerpaareg , bem ^efte beo
Siloanue unb ben Sftofalien Cpfer bargebrudjt unb fteftmable
unter Leitung ber magistri gehalten werben foUen.*') 2alma
WiarceHina giebt bem coli. Aescalapi et Hygiae in JRom (2. 173)
öonoo sefterje unter ber ^ebingnng, ba§ nid)t meljr ale (50 W\U
glieber aufgenommen unb bie burd) Jobe^fall frei geworbene Stelle
oerfauft »erben foll. 21MU jemanb feinen Slnteil bem £ol)n ober
SBniber ober einem feiner isreigelaffenen oermadjen, fo foll er bie
Hälfte bee funeraticium in bie .ftaffe jaulen. Über bic kennen*
bung ber • Jinfen 311 gporteloerteilungen am 4. Januar, 22. Februar,
22. Wax$, 11. ÜJiat, Ii). September, 4. 9ioocmber werben bie ein»
gefienbftcn Stnorbnuugen getroffen, wobei bie Welbbeträge, bie 23rot*
unb j&cinfpcnbcn für bie oorneljmften (quinquennalis, pater,
mater collegii) unb geringeren Chargen (immunes, curatores) unb
bie gewotyitlidieu* Witglieber oerfd)ieöen I)odi bemeffen finb. 31 m
14. 9J?än f)attc ber ^orftfcienbe ein Wahl ober 2porteloerteilung
auf feine Soften 311 geben. Jn (5omum ftiftet 2lppiuö @:utnd)ei5
^nm Anbeuten an feine oerftorbene Wattin ben fabri unb centonarii
ein Alapttal, oon beffen ßinfen bie magistri am (Mcburtetag ber
lobten Sportein im 2s>crt oon 200 Denaren unb £l ocrteilen, ein
Wcbäd)tniemaf)l für 750 Denare l)errid)ten, weitere 200 Denare
für ein lectisterniam oerwenben unb am föofenfefte brei SHoien*
franse wibmen foltcn .*")
Jdj oeqicrjte barauf, nod) weitere 23eifpiele am ber über*
rafdjenb großen <yül(e anuifüljren. £te formen ber Übertragungen
finb faft burd)weg bie gleid)en, zuweilen erflärt ber herein aus*
•) Ter lag ift uictit immer ,ui berfelben Mit gefeiert. Wäljercsi
flehen be JRofft, Hoina sotUraiifa III. 47<). 504, Bulletin«! dolP arc-hruln^iu
« ristiaiia 1*«>7 2. 4, 1m»s 2. 14, 5omafd)ef in ben £ifeung*bcrid)ten ber
Liener Slfabemic LX. iIkijs» 2. 351 fgg.( »cUermann, Tic älteften
d)rtftlic$en $cgräbm*ttärtcn 2. Ui, Warquarbt, mm. 2taat*uerro. HP.
311, ?s. X. Kraus, Sfcalencnflopäbic ber djriftl. Altertümer I. 170, II. 7<)0.
") r. I. L. X. 444.
— ) <". 1. L. V. 5272.
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Wilhelm i'iebcnam
briieflid) feinen Hillen tue Stiftung anzunehmen, unb häufig fügt
ber 2penber bie Ä laufei an, bafi ber herein, wenn er feine 3?e=
bingungen nid)t ausführe, Strafe $al)leu ober bae ?egat überhaupt
an eine anbere .Korporation übergehen f olle.* )
5\>ie im Mittelalter „bie (*nid)led)tergilben ihre Käufer ober
Stuben, bie A?anbeh3gilben ihre fallen, bie Rünfte ihre ^unfttjäufer
hatten" fo war für bie Vereine ber römifaVn ^eit ber Mittel»
punft bie schola. Wd)t jeber f leine herein fonntc ein eigene*
2*ereinefl)au«! fjaben, Wenoffeu (teilten if)re Hoffnung für bie $er--
fammlungen sur Verfügung. 2o hatte Juliamio Helianue ber
(tfenoffenfdjaft ber (5lfenbetnarbeiter ein ins scholae gegeben, roa»
nur beipen fanu, wie Mommfen***) jeigt, baf; ber herein bae Nedrt
hatte, fid) an ber fraglichen ^Trtlicfjfcit 311 ocrfanuueln. Rubere
Vereine befdjränften fid) wohl auf ^ufammenrunfte in ben War»
füdien unb 2d)enfen (popinae); free halb fud)ten liberale unb
(5laubiue gemiffe ©nippen oon Vereinen in !:)iom bind) 3Mdjrän*
fung unb Slufhebnng biefer Vofale 3U unterbrücten.-S") Rubere
Korporationen burften im .>>ciligtum ber 2d)u^gottt)eit fid) 311
ihren lagungen bereinigen. Tic (*inrid)tung ber ^creiiwfycwier
ift um? burd) Slufbecfüng einiger beutlid) geworben ff); e$ ftnb
runbe ober rcd)tecfige Raunte, an ben *>änben entlang befinbet fid)
eine $auf, in ber Mitte 2Utäre, oft aud) sBajen für Statuen oon
Gottheiten unb Mitglieber betf ßaiier()aniee ; auegeftattet ftnb bie-
feiben oft fetjr reid) mit Moiaiffufiböben, liichen, Uf)ren, Brunnen,
Herfen, (Vernichten unb *>age. .fteroonuheben ift, baf; schob oiel*
*i Xic einzelnen Belege habe id) a. a. ü. 2. *24'.i gcfammelt.
") Werfe II. n71.
3«il|d)rift ber 2aDigm)-2tifüutg für JKed)togcid)td)tc IMHt 2.7«r>.
|> Belege habe ich a. a. C 2. 33 gegeben.
fi) £e iKoffi in Bullet ino di arrht'olojria rristiana 1h>4 2.57— *>*2:
<l«'lla srhula sodalhini Srrreiisium scop«'rta jm-ssn la via Nomcntana.
Visconti in Annali uVU' instituto archt'olojzico XL ( 1 NfiH ) 2. 3li2— 413:
i iiionuiih-nti d«d inotroon Osti.-nse v depli annesi culh'tfi dei d.-ndrofori •
«lt»i rannof<iri. 2d)ieÄ 2. 77 fg.
21Me jähe bie Irabttion in Italien fiel) erholten hat, geht barau*
heroor, baß bie onfd)rift <'. I. I.. X. 143, welche einen herein ber asinarü
überliefert, in einem einft ,yir ftirdje be* heiligen 2tept)an gehörigen
(Mcbmibe in ^otentia f4toten,)a) gefnnben ift nnb noch beute, rote ÄTauo
Roma sjottt-ranca 2. .">3 berichtet, bie (rfcltretber ber llmgegenb am it.
2ter>hanstagc ibre £terc um bas c>>ebäube herumführen, wo einft roohl
bns ^erfammtungobauo ihrer ,{unft aeftanben bat.
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xHuv bem ^crciu&roefen im römifdjcii Weiche
IST
fad) ah? tedmtidjc i^cicfjmmg für U>crciniöiing in ben ipätcren
3anrf)unberten oerwanM wirb.*) Stüerbinge fann fid) btefer 2j)raaV
gebraud) ebenfogut auf bie Vereine ber £d)rciber unb ber i^alaft*
trupyen jurürffülnen loffen.") £ie päpftixd)cn Notare, £ubbiafone
unb fird)lid)en Liener bilbeten nod) 3»r ^eit Wregor1* bes (Profan
iold)e scholae (^erbänbe) unter föegionarien.*")
3tud) anbere 25e$eid)nungen ber antifeu ^erbönbe tjaben fid)
bie in bae Mittelalter erhalten, fo bie „consorterie unb matricole
in 2*enebig, fraglie in $abua, arti unb capitudini in Floren
universita, collegi in 9tom, abbadie, commnnitä, masse, scuole,
fraterie u. a. an anberen Crten'.ff) ©erabe biete fprad)lid)en
33eobad)tungen finb nid)t feiten, aber oljne Semeiefraft alä Belege
für bie 33ef)auptung, bafc jnrifdjen ben ^ercinöbilbungen ber
rönujd)en foüferseit unb beueu bec Mittelalter* ein ßufammenfyang
befiele, f)erange3t>gen roorben.
5n ber schola niurben bie 5>ohnnente be* herein« auf*
bewahrt, t)ter ftanb bie ^abe (scrininm)ff-{-) mit ben Statuten,
WitglieberDer3eid)niffen, belegen ber £tiftungen u. a. m. -wr fanben
aud) bie ^erfammlungen bee Vereine ftatt. <*in Statut mafjnt,
man folle babei alle ernften Angelegenheiten jur 8prad)e bringen,
bamit man an ben ftefttagen fror) unb Reiter id)maufen fönne.
9ln berartigen (belegen fetten fehlte ee nid)t. 3u «Haifcr«? ©eburt**
tag, 311 @f)ren beä vEdju&gottee , an Webenttagen btr um ben
herein üerbienten Männer, bei ber (Sinrceifjuug Don ü8aultd)feiten
unb £enfmälern, nidjt feiten aud) auf ^eraulaffung freigebiger
*) sDiarmt pap. 13 lim "v. *54) ücuola Saxonuin. 29 scola Frisionuni
74. 90. 03. 114. 117. Nnaftaftu*, bibl. vita.- rom. pontif. (Muratori III. 1>
p. 19H schola peregrinoruiii. ^antU^t, moniniii'nti RaviMinati I. 379 svliula
piscatonun, 2>. 385 schola negotiatorum.
**) sfholae militiae et palatinae, scholar ber a&rmt«'s in n-bus. <'»mI.
Theod. V. 2*, (J. 35. 3. Nov. Valent. '27. 1. (Safiiob. var. VI. ♦;. XI. 35.
tfarlonm, JRöm. 9ted)tSgeid)ict)te I. *31.
"')' WabiUon, nms.Ital. II. 195. £egcl,StäbteDerfafiung tum Stalten
I. 163. -244. 255.
t) 3e jroölf arti majori unb minori in rtlorcnj itüd) Pinn
C'oiupagni. #eael II. 25s.
ü) Sdjönberg, £anbbud) ber polttiidjen Cfonomie II2. 5<m;.
•r+f) Hroei füqlid) gefunbene "Jlbbtlbungen foldyer unb betebrieben
»011 tttommfen in ber ^eitfdirtft ber SaDtgmp Stiftung 1*91 £. 146.
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ISS
s&ill)Clm Viebeumn
iWiitglieber, fanben lolcrjc ^mecteffen fratt'), bcven 2lnorbnung bem
*x online albi gewählten magister oblag.") s}J?erfwürbig ift bic
1*55 im Äatljannenfdjadjt $u Vereepataf gefunbene &>achetafel,
auf weldjer ber magister feine Einnahmen in ber £öhe oon im»
9cfär)r 270 Denaren unb bic &uegaben für ein Aefteffen am
legten £lpril öerredjnet. Verbraucht ftnb ba$u fünf Lämmer, ein
Acrfcl, weifjeä Ü3rot, Weihrauch, reiner *>ein, wooon wenig, ge*
möf>ulid)er i'anbmeiu, oon bem umfomehr getrunfen ift r £alat,
<£ffig, 2al3, Zwiebel u. a.***) -Jiad) bem Statut ber römifa^en
(flfenbeinarbeiter,}unft foü ee 3U Neujahr Vrot unb sJiad)tifd) geben,
ein 9)iaf)l ift ntdjt ermähnt, unb burd) bie eurntores s))tofmfud)en,
Datteln, farifd)e feigen unb kirnen gefpenbet, 311 ben anberen TstfU
offen, wie e$ fd)cint, aber ein abweid)cnbee "i)Jicnu geboten werben,
Vor allem mürben au biefen lagen häufig aud) spötteln »erteilt,
über bereu .£öf)e une bie oerfdüebenften Zugaben erhalten finb.f)
Daft nid)t bei allen s])laf)I Seiten foldie frugale WenmS mie bie er*
roäljnten aufgetifdit mürben, geigen bie zahlreichen oft in fehl'
icrmrfeu äitebrürfen üorgebrad)ten klagen über bie in ben Vereinen
herrfdjeube Völlerei unb (Menugfudjt.ff) Diefe Übelftänbe feheinen
oon bem Vereineleben bie 311 einem gemiffen (%abe unzertrennlich
311 fein; mie fchou Slriftotelee flagt, baf? bei ben gried)ifchen We*
*l Xie lamroimfdic &üffc feiert fed)* offizielle riefttnahhettcu, ein
vöinifd)er Hegväbmoocrein beren fteben i2. 1*5).
**) £ie fdnoicrige Stelle in ber lanuDtmfchcn l«*x: quo i'i) online
homiih s (juaL nii pom-n- <lrb<«b(unt): vini boni ainphoras sinjrulas i*t paiies
a. Ii qui numerus rnllejri fu.-rit et sardas n(u)iiK»ro quattuor, stratiuiiem,
i aMain nun mintst<'rio erflärt ioieblänber, 2ittcngcfdnduc 1. 274 auf biefe
Reifer „I>te 2d)mäuie würben, rote es fd)eint, oon je Pier jährlich roechfelu«
ben iWitgliebcrn ueranftaltet, meld)e Beeten ober ^olfter für bic £petfcfofas,
beiRc* Gaffer nebft Oicfdjirr, aufterbem oier Xlmpfjoren (,w 23 Oiart or.)
guten 2£cin unb für jebeö ''JDiitglieb ein iHrob ]u \mei xHfj unb oier ior>
binen ,ui befolgen batten." s))ioimntcn in ber ^eitfdnift für gefdnd)tlid)e
Med^toiuiffenfdiaft XV. 3<J4.
-•) c. I. L. III. p. Mö.
|i SBtol)er ift nur oon ber (ilfcnbciuarbeiter,uinft befannt, ba|} aud)
bie Überfcbüffe be* oubre* unter bie Witglicber \u glcidjcu letlen oergeben
mürben, wenn roir 3)?oimnfen* (<rgän,uingen folgen, ^eitfehrift ber 2atrianq-
Stiftung lxm, 2. 141.
ff) od) t)abe bic uüd)tigften E teilen a. a. C. 2. 2«;2, bie aßorte
Sertullianö oben 2. 1'2-s angeführt. (>i)prian <>p. «»7, «i fpridjt fogar oon
turpia et lutulnita mnvivia.
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bem ^ercmöwefen im römifci)cn deiche 1 S9*
Hoffenfcfjaften ba* £chmaufen als bie &auptfad)e betrachtet werbe,
fo acigen Verbote, baf* aucf) in ben mittelalterlichen fünften Cfffen
nnb Printen im ^orbergrnnbe ftanb.*)
£ae #auptfeft war aber nicf)t ber £tiftungetag be* Vereine,
fonbern ber Seiijetag be* ."peiligtum* 311 @f)ren bee Schufcgottee,
ben man ben ^eiligen ber mittelalterlichen 3""fa unb trüber*
fd)aften**) Dergleichen fann. £ie £terbefaffen ^ulbigen meift
ber Fortuna ober bem (Eiloanus, bie ©etretberjänbler ^aben bie
(Scree al* £crjüfcerin ihre« Vereine erwählt, bie tfaufleute ben
hierfür, bie (Schiffer ben Neptun, bie Veteranen ben War*, bie
$>einf)änbler ben Baccrjn* u. a. m. ^er)r häufig wirb Jupiter
unter ben oerfchiebenften Beinamen al* £d)n|$gott genannt, ferner
.Wfulee, bejonbeii? gefeiert bei ben Vereinen unter ber Jugenb
(iuvenes), bie $ibce, ^irtue, Victoria, (ioncorbia, ^emefiö, $>enu*r
Annona saneta unb nicht feiten frembe (Gottheiten. 3n engfter,
wenn auch nur wenig beutlicher '**) Beziehung 3itm Äult ber
afiatifchen magna mater ftehen bie (Genoffenfchaftcn ber dendrophori,
ferner genießen Jfiß, eerapie, Gnbele, Staubte, flbraftea, bie dea
Sandraudiga, bie £ugooe*, 2lpoflo 23elenu*, £ebatuä, bie beutjehe
(Gottheit #lubena Verehrung; bie $eöor3ugung gewiffer (Gottheiten
burch bie Vereine, bie übrigen* auch ben £d)ufegott ber 2taot
wählten, ift für bie Beurteilung ber religiöfen ^crhälrniffe bei
Äaifer^eit nicht nnberücffichtigt 311 laffen. $£enn wir auch ntd)t
fagen tonnen, inwieweit biefe Vereine noch l" fpäterer fcü bie
(jeibniferjen Jtultc gegenüber bem fich au*breitenben ©hriftentum
gepflegt haoen> fo oerbient boch hcrDor9ehoben 3u werben, bap
.vwnoriu* bie Sfafldjung beö collegium ber dendruphori im Jahre
415 beelmlb oerfügte, weil baefclbe in heibnifchem Aberglauben
verharre; bie SBeftfcungcn ber (Gen offen jdjaft würben teilweife @igen*
tum be* Äaifcre, teil* ftnb fie ber chriftlichen Kirche nnb orthoboren
iirioatleuten übermiefeu."")
Tic £anbwerferoereine werben ftd) an bem großen Tiefte ber
•) Slriftotelcs, F.th. Nicotii. VIII. \\ 7 (löl, ±) Keffer). (Vierte
I. '22[).
") Ärtegf, £eiitfd)ee> Bürgertum im »DMrtclalter. ^ranffurt a. W.
5. 17h fgg.
*•*) £rit Stabant*, ivclien-ln-s sur \*>s rt.'iulrophoivs, v>}prbemn; 1n41
iit biefc Ataqt roenig ber Vöiung näher gerüeft.
— • ) Tod. Th.-o.i. XVI. 10, '10.
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lt»1)
Ü^illjelin Siebenmn
Wiuerua, ber Sdutfegbttin jeber Sirbett unb Äimft, baö fpäter in
.'Horn um ben in. ■ - *J3. Diän gefeiert mürbe, in beroorragenbem
Wape beteiligt fjabeit. Otad) £oibe 2d)ilberung im Seftfalcnber
nalnnen baran teil: Spinnerinnen, itfeber, ^alfer , Färber, 2d)tifter,
■ iimmerleutc, Waler, Silberner, iHrjte, l'eljrer unb Sichrer.*) £ic
Füller unb ÜBäcfe'r feierten ben lag ber 3?cfta am 9. Juni, inbem
fie bie ÜJtühle befransten, ben Gfeln Sörotc unb Blumengeminbe
umhingen, wie ein pompejauifchec* &>aubgemälbc barfteüV*) 3i?emi
am 13. Juni bie römifdje lVujtfanten3unft Dorf leibet burd) bie
Straßen idjwärntte, fo barf man barin mol)l ein Crrinnerungefeft
an ben mipglitcften 2lue$ug nad) Sibur erblirfen. £ae allgemeine
Seft be$ fleinen 35iirgerftanbe^ am 15. IVäq, bem läge ber
2lnna sl>erenna, ift oon £uib in lebhaften Sarben gemalt, wie ba*
^olf auf bem grünen Maien am liberufer lagert, ^um Sd)ufc
gegen bie brennenbe Srübjahrefonue fid) x^elte unb Laubhütten
baut ober unter bie über Mol)r gehängte loga flüchtet, wie jeber
in ^uft unb Sröf)lichfeit fid) fooiel neue Lebensjahre wünfeht ale
er Sedier Meinet? leert. ;)il)nlid)e Sefte, bei betten bie Vereine
eine grope Molle fpielteu, werben and) in ben Vanbftäbtett gefeiert
fein, wenn and) wenig Spuren baoon erhalten finb/**)
-Tiefe gefdiloffenen .Korporationen haben innerhalb bee muni*
apaleu Veben*> in ben oerfd)iebeuften Beziehungen eine bebeutenbe
Molle gefpielt. ^ian barf e*> nid)t gering jd)äfcen, baß fie ben
nieberen unb mittleren Stäuben eine iCrgantfatiou unb felbft bem
fleinen Wann bind) bie Aufnahme in eine Wenoffenfdiaft bie
s)Juglid)feit boten, einen Einfluß }it erlangen, ber ihm ah? Ein-
zelnem t»erfd)lo?fen bleiben mußte.
^roifdieu ben Vereinen berfelben Stabt berrid)te meiftene ein
freunbfd)aftlidieö ^erbältuie, wie vielfache genieinfame *?ibmuugen
beugen. $on einer ?lnfnüpfung bee i'erfeliro mit .Korporationen
anberer Sräbte, bie beifpieleweife für bie tfaufmannegtlben manchen
Vorteil in gefd)ärtlid)er Beziehung geboten t>ätte t erfahren wir
') Cbib, l'asti III. sin- s'tä. "saljii in ben $crid>ten bev iädmfdjcn
(>)efcll|d)oft In.V, 2.
"i Wcrharb, xUnt. «ilbroerfe itt. ;t. «rdjüologiiche .{citnng XII. 1!>±
y<\\)\i in ben oben genannten Berichten ls»;i 2. *U.r).
Tie Sdjmergtlbe in (Somum begebt nlijäbrlid) bie ^eier bev
flertunalia r. I. !.. I. j-JT'.t, bie in iKom auf ben *JH. ^uli fiel, WarauarM.
Mlöm. £taat*oevwaltnng III . '>::».
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xHns bcm ^crcinöroefen int röinifdjen JKeidje
11)1
nidjts; eo fann fein B^ifel fein, bafc burd) ein tfteid)$gefek bie
SHIbung größerer Bereinigung oerboten mar unb bie röinifdjen
Berbdnbe nad) biefer Seite mie bie politifdjen Vereine im mobernen
Staate angelegen mürben.
2£ar aud) bie GrrteÜung ber Äonjefjion überhaupt baoon
abhängig gemacht, bafi man ein Birten bee Bereinö im öffeut*
lidjen Jnlereffe annehmen tonnte (€. 1:24), fo tarn bie If)drigfeit
mancher berfelben öod) gcrabe^ii ber ftdbtijcf)en ©emeinbe 311 gute.*)
Unter biejen jinb oor allem bie tfeuermefyren , beren meite 2>er*
breitung burd) it)ren gemein nüfeigen ftroed erflärt ift, 311 nennen.
Senn Äonftantin im Jaljre 315 bie Bereinigung ber ©enoffen*
idjaften ber dendrophori mit benen ber fabri unb centonarii be*
befahl"), 10 mad)te er um jutn ©efefc, roa* ftd) Idngft in ben
Stdbten Donogen hatte***); ir)ren 2>ienft bezeugt nod) in ber ßeit
Cvuftinianö Csoanneä Sttbuef), bafj bei fveuerebrunft in iKom bel-
auf an omnes collegiati erfdjoU.
Sud) ba* ^ertjdltnie ber Vereine jur Regierung mar ein
üortreffIid)ee. Die Statuten gebenten im Eingang bee regierenbeu
.Maifere; fein ©eburretag mtrb gefeiert, unb bie schola fdnnücft
mie bie **erfftdtten unb i'dben fein mb, bae bei feftlidjeu We*
lcgenl)eiten beleuchtet mürbe. Überhaupt mar bae Maifertum in
ben .tt reifen bee tleinen 33ürgerftaitbe* populär. Einern begreif-
lichen (^efüt)Ie ber £anfbarfeit entfpraug bieler ttaijerfultue, bem
Altäre unb lempel gemeint maren, beffen £ienft ftd) bie Xluguftalen
gemibmet, bem bie Stäöte fo überrafdjenb fct)ueü unb freubig il)re
Eingebung barbradjten.fi) Gittere? Unrecht tlnit man biefen aifer*
') £ntf. Z. 177 |ut ncccssariain ojM«rani publicis ntilitatihus .-x-
hib. nnt). SHobbertu* in ber 2. 134 genannten XarfteUnng £. 41.s igg.
( o.L Tin-öd. XIV. JS, 1.
***) häufig tjaben ftd* biefe brei Vereine fd)on in früheren Seiten ,\u
gemeinfamem Auftreten bereinigt, roie bie r»on Wommfen <\ I. L. V.
p. 440. 5<>5. <>35. lliw unb K))}aiu- 5*2 fgg. gefammelten Jöeifpiele
\eigcn. (ringeben b fdjttbert iljve 5t)ärigfeit «^»trfc^felb in ber 132 er«
loärjnten 3lbt)QnMung: Xcr pnn'fVctus vi^ilum in ?Nemaufii& unb bic Acnep
welir in ben römifenen i'anbftäbten.
t) >. Vnbns, -z?t är,/«öv 1. 5u. £trid)fclb a. a. C. 2. 257.
fil 9lä^ereo geben meljrerc in ben lebten Jaljren ei|d)ienene Arbeiten,
bie id) t)ier nierjt auf}äl)lcn fann, boct) fei auf bie xHbbanblung non
C. £trfd)ielb, 3nr Wefd)id)tc be* römifetjen ttaiferfiiüits, in ben 2itmng*>
beridjten ber berliner IHfabemic 1**n nenuiefen.
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3£ilf)tlm Viebenam
treuen bee römijcrjeu ffieid)ee, wenn man ifjre £onalität Dcrwedifelt
mit ber Anbetung cineö Worte* in (Meftalt eineö s3J?enfd)en. £en
(tfewaltigftcn auf (nben, beffen Stile fdjraufenloi? , beffen Sort
(tfefefc, weil er über bem ftefefc fteljt, um Wnabe unb £ulb 311
flehen, wie man einem ber 3af)lreid)en Wörter, mit benen ber
rcligtöfe ennfreriämu* ber Äaifeneit ben £lmnü beDölferte, 55er*
ef)ruug unb £pfer barbringt, mar für antifc begriffe feine Slaö*
Hernie, feine Wottceläfrerung.
Sie anbere fräbrifdje ^örperfdjaften Ratten aud) bic Vereine
im Sweater unb (5irfiu? beftimmte Wake; fo waren im Sfteater
311 'Xcmaufuä ber einen £cf)iffergilbe 2.r> £ifoc, ber an bereu 40
referoiert.*) 33ei ben Aefaügen m (?r)ren be£ ftaiiere ober muni*
cipaler ©röften erfrf)ienen fie gleidi ben mittclaltcrlid)en fünften
unb ben Vereinen unferer läge mit it>ren Bannern unb «vafjnen
(signa), wie ein pompeiamfdbe* Sanbgemälbe biee um? oor Äugen
füfyrt.**) Jn bem oon eeptimiutf SeDeru* oeranftaltetcn Iraner«
geleite für ^ertinar, bei ben Iriumpb^ügen bes (Mallien, Aurelian
unb Äonftanrin wirb ir)re Beteiligung ermähnt.
3lm gemid)tigften miifjte ber tfinfluf? ber Vereine in bic
Sagfdjale fallen bei ben järjrliaVu Sailen 311 ben fommunalen
Ämtern, bie niä)t feiten unter großer Erregung ber 2Mirgerfd)aft
oor fief) gingen, fobaft id)on CSiccro fagte, eo fei leichter, in 'Korn
Senator 311 werben, al^ in Pompeji Stabtrat, IMc befte Jllu»
ftration 31t biefem Sorte gewahren bie anbertfjalbtauienb mit
Wennig auf Äalf gemalten Juidjriften, weld)e an bie >Mufer*-
wänbe in Pompeji angefet) rieben waren unb um? mitten in ben
Saljlfampf oerfefsen, ber f 111*3 üor pcr 3?crfd)üttung ber 2tat>t bie
(Gemüter erregte. Sillcm****) f>at in einer äuperft fdmrfjtnntgcn
2d)rift an ber Jpanb biefer Wafate ben 3"fawmenf)aug ber ein*
3elnen Äanbibaturen ermittelt, fobap id) auf feine rarlegung Der*
' <\ I. L. XII. a. a. C *2M. Stoiffteil, Inscrij.t i«>ns «I«' 1a. »n
2. nw.
"I iKiffcn, UtompejanifdK stubien 2. .'U4 fg. 9lrd)äol. Rettung
XVII iWXM. 2. 177.
•**» 9iad) ber 2d)rift tum ^. Sillcm*, l.s .l.cti«»n> muiiici]iul« -s
* Poiupri. Partei, Iborin 1**7, bat (*gelbaaf in bev reutidicn Nimbfrt)au
Ism; 7 III. «2. 123— 131 bic ( kernet nbcroaljien in Pompeji befDrodjcn.
^Pltoquct be Florian, h-s rK'ctiuns nmni<i|»nl»'s dans IVmpirv romain.
Th»\s,., ^ari? 1HÜ1 2. 17.
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?lu* bem herein ^roefen im römifct)en 9leid)e
193
weifen mufj mib nur einige Wafjlempfetjlungeu beefyalb fierüorfycbe,
weil mir baburd) ein BUb oon ber großen ßafjl oeddjiebenartiger
Bereinigungen in biefer einen £tabt befommen. Stufler einzelnen
^rioatperfoncn treten bie ungebetenen ©efd)Ied)ter, ganje £tabt*
meriel unb Vereine mit Empfehlungen oon itanbibaten fjeroor"),
io bie Wagenbauer, 9lcterölciite, £ol3f)äublcr, Bauunternehmer,
Bud)bänbler, £bftf)änbler, Juweliere, Maultiertreiber, Wirte,
Bärfer, Zwiebel £)änbler, Äüfer, grifettre, *ifd)er, Mantelfcfmeiber,
2albenf)änbler, €acfträgcr, gftrber, ®eflügelt)änbler u. a. m., Jfifr
unb 2?enueoerefirer, forme brei Vereine mit idoeqbaften tarnen,
bic $ad)t3cd)er (seribibi), fleine eyifcbuben (fnruneuli), £d)lat>
nüi^en (dormientes), bie mir wot)l mit Willeme ale £pifcnamen
für einen ober mehrere Vereine anfjufüffen Ijaben.
£o ftanb ee um bie Beieine 3111* $eit ifjrer Blüte unb ifjrer
größten Wirffamfeit. Jn gebrdngter ,Hür$e f)abe icf) nur bie
meientlidjftcn ;^üge f)croort)eben tonnen, mein ;J)iel mar nidit, eine
ine Einzelne gcfjenbe 21uefüf)rung 31t geben, bereu Probleme im
Nnmbe nur ben 2tItcrtumeforfd)er intereffieren, fonbern bae tomifdje
Bereinewefen üielmetjr in feiner fuItnrr)tftorifd)cn Bebeutung 311
miirbia.cn. Ülbcr aud) in biefer 25e<|ief)mig mußte id) mid) uielfad)
auf Slnbcutungcn befdjränfen, benn für ben (Einfluß, ben biefe
uiclgeftaltigen Wcnoffenfdjaften ale ein frartigee Clement innerhalb
bee antifen t'ebeue auegeübt, für bie Wanblungcn, meldje fid) in
bem Bercinelcben nad) innen unb äugen im i'aufe ber xsaf)t-
Rimberte Donogen traben, fann bie oolle (rrflärung bod) erft
gewonnen werben bind) eine Betrad)tung im Jufammenfjangc
mit ber großen Ifntwtrflung ber tmtntcipalen Wemeinmefen, bie fo
glänjenb unb $ufimftercid) erfd)ien unb fdjon balb Dem Untergang
*) Tic Aoxm biefer Waljlprogramme hat allcrbina* iWommicn im
:Uöm. Staatsrecht III. :U(.» mit fflürffidjt auj bie burdj Sibcriiio twlljogctic
?lurhebnna be* Wat)Ired)te* ber römiidjen Büramdjafi beyiaHd) ber
orbentlid)en Wagiftratc Heranlaßt, ben Wunicipalen nur ein Wahlrede
uiuiidjreiben, bae auf ben Weg ber iMcclaniation geiviefen mar unb ohne
ein fafriid) entfehetbenbe* ^oridilagsred)* nirfjt gebact)i werben fann. Tic
fdmucrige frage, iuie lange in ben Vanbftäbtcn noch, bireffe Wahlen ber
Beamten burd) bie Bürger ftattfanben, tarnt id) hier nicht erörtern.
.VtiiVhrift für ftitituicKidnrfuc. 1. !•>
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]D4 äSilbelm Siebenam
uerfallen füllte, Ueberau1 mar, jeit itac^ einem Zeitalter entfefcltcrjer
^ürgcrfriege in bem römtfd)cn :)ieid)e ber triebe eiitgefetvrt, ber
eine ftetige Gnttrorflung Beruhigte, ba* municipale £ebeu empor»
geblüht. Wemeinfinn nnb Jsveube am ©anjeu mar in Ijoljem
(9rabe lebenbig in einer ^ettr roeldje eine büftere ®efd)id)tfd)rcibung
<tle eine nur oon greifenf)aften Stimmungen getragene ^eriobe
ber ^eltgejdjidrte mit einer getroffen Vorliebe aue.^umalen pflegt.
£ae oft ange3toeifelte ^oxt Öibbon's, bie 9Jfenfd)l)eit frnbe feint
glürflidiere (fpod)e gefeljen alo unter ben älntomnen ift, roeun
mau bae gan3e JReid) ine Sluge faßt, nidtf 311 fufjn gejprocrjcu.
(*ö jd)ien, ale fwbe ein gnäbigee Wefdjicf ben Golfern bee römifeben
r)ieid)eö nod) eine fur3e Spanne ber :)iub,e unb bee ftdj 2luelebene
gegönnt oor ben roilben, ftnrmifdjen (Jreigniffen, bie ben ßuiammen*
Linter) ber alten Äi>elt begleiteten. Unter bem Sdntfoe ber gemaltigen
^ajeftat bee röimfdjen Sriebene, »ie Winiuö jid) auebrütft, fjat
bae fommunalc Sieben einen mächtigen ^uffdjrouug genommen'),
unb in biefem Greife fjat aud) bae ^ereinemefen ald ein Saftor
oon ber gröpten SBebeutuitfl ftd) nad) allen Seiten Ijin entfaltet.
&le bann bie furd)tbarc t*cft unter ber Regierung 9Jfarc Slurel c-
in Jtalien toie in ben meiften teilen bee JHeicfjee ben $>of)lftano
fniefte nnb bae i'anb 3111- (Jinöbe mad)te, alß bae JKömertmu
immer of)umäd)tiger an ben Wremen ftd) ber @inbrüd)e ber frgmbeu
Golfer 31t erroerjren fudjte, au? bae Vertrauen auf bie fräftige
Leitung bes Staate* uerfduvanb, ber feine 2Ulmad)t nur uufete,
um ben Unterttjanen linerfdnoinglidte Stenern abjupreffen, ah?
vl>rooin3 nad) Tronin 3 oerfünunerte, ak? $anbel unb ^anbel erft
gelähmt, bann oentiditet marb: ba mar audi all Dae frifebe
£eben bee jmeiten Safyrbunberto nu'e mit einem Sdilage erlofd)tit.
ric oben (S. KU fg.) gejeiebnete i^olitif ber taijerlid)en rNcgierung
gegenüber ben Vereinen erfdieint unter biefer ©eleudjtting nicht
blof? ak? naetter, friooler re*potisnutef foubern läfU fid) bie ^11
*i (xtne treffliche 2ct)tlbevung besielben uerbaurcu mir *rteblmtbev.
bem fenntntoreidjcn ,unf'd)ev auf ^eul (Gebiete bev fultimjefd)id)tltdieu
^ertjältutfie bor römiidjcn Aaiteneit, tu beut SluffaU: „Stäbteroefeu tu
otalicu im erücn C>abrl)iiuberr 1 rcittfdjc Munbidiau l*7i>. MX. 2. -K> faov.,
uueber abgebrutft tu feiner ttuogabe r>er .ma TriiiinMiiunis bc*
^erroniu*, 2.
3luö bem £>eretn*roeien im römifctjen SHetdje
einem geroijfen $rabe begreifen als einer ber Dielen 2>erfud)ef bem
abfterbenben ^iaatäorganiemne bne i'eben 311 friften, ale ein 2lft
ber ^iotroeljr ber Staategemalt gegenüber bem offenfnnbigen $er=
fall bee anrifen £ebene. £od) id) mufc baoon abfegen, btefe
^luflöiung einer metyr ale tanfcnbjäfjrigen ßulrnr in ifjren ©rünben
ba anlegen.
-
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7
^>ic Ipe^ninötwa; einer fofiafjtatt^if^eit
^cf ßo&c in 6er 6entfc§en ^efcfticBtf^reibmtf
krefi $arf iampreefit
Von <Sccra IPiutcr.
Tap bae gegenwärtige ftaat!ict)c unb geiellfdjaftliche Vebcn
^llrdl eine ganjc Weihe oon Saftoren ber Vergangenheit beftimmenb
beeinflußt, bafj bic ^olitif eine« Staate* burd) feine (Mcfd)id)te
bebingt ift uub beftimmt werben mup, wenn fie einen ertyriejV
lid)en uub fjeiljamcn Fortgang haben f oll, ift eine It)atfad)c, welche
immer uub immer wieber uub gerabe in ber neneften 3cit mit
befonberem v)iad)brncfe betont werben ift. Weniger beachtet wirb
ee, baj? umgeferjrt aud) bie ^olitif ber Wegenwart auf bie Gr*
forichung ber Vergangenheit, auf bic 05efd)id)tidireibnng einwirft
unb ihr 3{id)tung uub Wegenftanbe ber Betrachtung anweift. UnD
wie jene Aortmirfuug ber Vergangenheit auf bie ©egenwart, fo
ift aud) bieie Crinwirfung ber Gegenwart auf bie Wefd)id)tfd)reibuug
feine anfällige, foubern eine im Siefen ber 2ad)e liegeube, faft mit
s)iotwcu bigfeit fid) uoU^ehenbc. -Tenn aud) bie (Mefdjidjtc fjat wie
jebe anbete ^iffenidjaft im legten ©nmbe ihren Ausgange» unb
2tütpunft in ber (Gegenwart, bie fie aus ihrer (Mencfie uub (*nt*
wicfelung begreifen uub uerftänblid) mad)en will; eben baranf
beruht jene Vebeutnng einer wi|fenfd)üftlid)en (rrfenntnis ber Vcr*
gangenijeit für bie organiidje (Meftaltung unb Sortentwirfelung beo
gegenwärtigen ftaatlid)en unb gejettfdjnrtlichen tfebeiw. Unwillfür«
lid) ober aud) mit bewußter 2lb|td)tlid)feit fnd)t feber cinftd)tige
^olittfer für bie fd)wierigeu unb wichtigen üluf gaben, welche bae
politifd)c unb wirtidjaftliche Vcbcit ber Wegenwart [teilt, nad)
Heorg hinter, Tic $egrimbmig einer fo\iülftati'tifd)en Wetbobc l!>7
Analogien in ber Vergangenheit, um bind) fic fein Verhalten
mehr ober weniger btreft beftimmen 511 laßen, darauf beruht
ee, wenn man bie $efd)id)te oon altere her ale bie l'ehrmeifterin
ber i-olitif bcjeidjnet t)at. £ieiee Streben, fid) bie Vorgänge ber
Wegenwart burd) Analogien ber Vergangenheit flarer unb Der*
ftänblidjer ui machen, ift aber naturgemäß nicht auf biejenigen
befdjränft, meld)e ßd) berufemäßig mit praftifd)er ^olitif befdiäf*
tigen, ee ift vielmehr eine gemeinfame Gigentümlid)feit aller ben»
fenben Patrioten, welche oon ber ßrfenntni* burd)brungeu ßub,
ban febc politifdje Reform nur bann banerub fegenereid) roirfeu
fann, wenn fic ftd) in Übereinftimmnng mit ben gcid)id)tlid)cu
Wrunblagen bee Staatewefene hält, ^n biefem Sinne ift politifd)
benfen unb tjiftorifd) beuten im lefcten (Mrnnbe ein unb baeielbe.
"Keben bem praftifcfjen "Volitifer aber wirb naturgemäß am ftärfften
oon jenem Sudjen unb A-orfd)en nad) Analogien ber Vergangenheit
ber nationale AMftorifer erfaßt, ß'e wäre wunberbar, wenn bem
uid)t fo märe. Sdion l)ieraue erflärt ee fid), baß bie nationale
(^efd)ic^tfd)reibung fid) ftete mit Vorliebe Denjenigen Wartungen
unb (*ria)etnungen bee t)iitorifd)eu l'ebene .uiwcnbet, meld)e mit
ben in ber (Gegenwart am meiften im Vorbergrunb bre "siiterenee
ftcfjenben fragen unb Aufgaben bie nad)fte Verwanbtid)aft haben.
9)iau fann biejc tnnwirfung ganj im allgemeinen, mau
fann fie aber aud) bie ine (rinjelne l)incin an bem (rntwicfeluuge*
gange ber ®efd)id)tfd)reibung nad)toeifen. WaiM im allgemeinen
äußert ße ßd) bor allem barin, baß bie , leiten ber Glitte ber
Wefcf)td)tfd)reibung faft bei allen ftulturoölfern ftete mit einer
5ölüte3eit ber politifchen (Jntwüfelnng ntiammentrefien. Criue in
politifd)e Ct)nmad)t unb ^erriffeuljcit berfunfene Nation t>at nur
feiten ein mirflid) lebenbigeä unb über bie oberfläd)lid)e Neugier
hinauegefjenbee {>ntereffe an itjrer nationalen Vergangenheit.
Langel an nationalem ftaatlidjem Sinn get)t in ber JKegel mit
Langel an wahrhaft l)iftorifd)cm Sinn .panb in ^anb. An bie
Stelle be$ eigentlichen Ijtftorifdjen Sinnee im großen Stile pflegt
bann antiquarifdje Slurioßtätenfrämerei ni treten, wie fie ihr
flafßfd)ee Wufter in ber philologifcfjen Sammclarbeit ber bi^an*
tiniferjen fcit gefunbeu fyat. Wejd)id)tid)reibnug im großen Stil
ift ftete mrr oon politifd) tf)ätigen unb blühenben Völfern
gehegt unb gepflegt morbeu. 5Tie .Heilichrift-Wefdiichtfchreibung
ber Affnrier unb 23abnlonier, wie bie ^ieroglnpheu^renfmäler ber
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Weorg hinter, £ie 23egrünMmg einer fojtalftaitfriHben Wctbobc
?igrjptcr fallen in bie ^cit bee ^orje^unftee iljrer anebreitenben
(*roberunge>oltttf; in Ohiecnenlanb fjaben bie ^erferfriege £erobot,
bae gro&c nationale fingen bee peloponneftfdjcn ßrtegee ben
größten grted)ifd)en £iftorifcr Srjitfnbibee Ijeroorgebradtf; in iKom
fällt bie erfte 25liite3eit bev ©efcf)id)tjd)reibung in bie Grpodje bor
punifcfjen Kriege, bie 3mette in bie bee (Säfar imb iHuguftue.
THejelbe @rfd)etnung begegnet une in unferer eigenen nationalen
$efd)id)tfd)reibung, beren erfte 3ufunftereid)e &njäfee in bie &\t
Der Salier unb .vmfjenftaufen fallen, mäfjrcnb bie bann folgenbc
i^eriobe nationalen Webergange unb nationaler 3erriffenljeit mofjl
eine umfangreiche lofaIf)iftorifd)e unb eine eifrige unioerfale Hammel*
tfjättgfcit, aber feine eigentlid) groftc nationale (>icfd) i et) tf d) rci b un ^
gc3cttißt rjat. tReue &njäfce 311 einer jolcfjen 3eigen ftcf) erft, ale
burd) bie reformatorifd)e lf>at Martin l'utljere ber fdjaffenben
ftraft ber Nation neue 23af)neu eröffnet maren, fie ftarbeu aber
balb lieber ab, ale im jccf^efjnten unb fteb3el)nten Jafjrljunbert
jener frdftige ^mpule in ben tfjeologifdjen Streitereien einer er=
ftarrenben Crttjoborte ocrnid)tet mürbe unb 3iigleid) bae nationale
polirifcfje tfeben einem unaufrjaltjamcn Mebergange entgegeneilte.
£ie .Heime ber gegenmärtigen SMüte ber nationalen (#cfd)id)t*
id)ieibung aber, bie burd) tRiebufjr unb 'Kaufe unb it)re Sdnilcn
begrünbet mürbe, ermud)jen in ber >\ci\ ber tfreibeitefriege, in jener
(*pod)c, ba ber burd) bie napoleouifdie Wemaltpolttif niebergebrüefte
nationale Weift in einer geroaltigen Weaftion Don furchtbarer
Alraft bie Ueffeln ber frdnftfcfjen Unioerjalmonard)ie serjprengtc.
Wdjte ift für biefen inneren ^ujammentwng 3roiid)en ber natio*
nalen (?rfjebung unb ber Oieubegrüubung ber beutfdien ®cjd)id)te*
miffenjebaft be3eid)itenber, ale bafe beileibe statin, ber für jene
nationale Crrljebung bae Wröjjte geleiftet l)atte , ber ?srreit)err
vom Stein, 3iigleid) ber Segrünbcr bee großen Üucllenmerfee ber
nationalen Wejd)id)tc, ber Monumenta Germaniae historica, ge*
mefen ift.
aber mir jagten ee fcfjon, mit biefer aügemeinen (Jinmirhmg
ber jemeiligen nationaIpoIitijd)cn -Juftänbe «uf bie Wejctyicrjt*
jenreibung ift ber Einfluß ber erftcren auf bie letztere nod) feine*»
roege erfdjöpft; er erftreeft ftd) oielmcljr meit tiefer in bie (SinjeU
betten bee polüiid)en unb geid)id)tlid)en 2ebene. sJHan barf jagen,
baf* im großen unb gan3en biejenigen Aufgaben unb JRicbrungen,
melcfje für bae politiferje lieben einer Nation bcnmrrageube ^e*-
in ber bent|d)fii 0>e|d)id)tid)retbuiui bind) Aarl vampredjt \\\\)
bciitmig in &ufyrud) nehmen, alebalb aud) bic Wcfdnditfdneibung
mit neuen (>>ebanfcn erfüllen, 31t neuen fielen l)infür)ren. bleiben
wir bei itnfcrer nationalen Wefd)id)te ftet)en, fo ift ee allbcfannt,
rote bie tiefgefjenbe relic\ioje Bewegung beä fcd)3el)nten Ja^irjunbcrte
bie gcfd)id)tlid)c ftorfdningötfjärigfcit jener (*pod)e fo auöfdjlie<d)
auf bie nrd)lta>rcligiöfcn Singe teufte, bafj baneben bie politifdie
(Mefdjidjrfdjrcibung faft oöllig in ben £intergrunb trat. 9ied)
oeutlidjei erfennbar nnb nod) metjr ine (Sinjelnc gefjenb tritt um?
biefelbe ©rfdjcinung in unferer mobernen $efd)id)tfd)reibung ent-
gegen. £0 lange nad) bem &>icbcrerwad)en bee nationalen ®eiftee
in ben Areifjeitef liegen nnb bem gleid)3eitigen 2\>ieberaufblüf)en
Oer gefd)id)tlid)en ÜUffenfdjaft bie grojje Jyrage einer y)ieugeftaltnug
beö nationalen £taatei? bie (Meifter ber benfenben Patrioten fo
gut roie uuefd)liefjlid) bcb,errfd)te, mar bie üolitifd)e ®efd)id)te ein*
id)Ucfj(id) ber ffied)t*> nnb ^eitaffungegefd)id)te bie abfolut
fierrjd)enbc Wartung in ber @cfd)id)tfd)reibung. Jnbem mau
baran ging, eine gorm für bic jnfuuftigc C>>eftaltung ber bcutfdicn
tftnfjeit 311 finben, fud)te man fid) bic gefd)id)tlid)en ftrunblagcn,
auf Denen baö alte 9ieid) beruht fjatte, in ir)rcr (fntmitfelung 311
^-gegenwärtigen. Tat Velinen unb Streben nad) einem neuen
rKeid) ging mit ber liebeoollen ^erfenfung in bie ©e|d)id)tc bee •
alten §anb in >>anb. 81 le einee ber bc3eid)ncnbften £enfmaler
fiefer wed)felfeitigen (Jinwirfung jroiidjeu CMcfrf)icr)tc unb $olitif
fann 2«ilr)eliii oon (v)iciebrcd)t* „(Mefd)id)tc ber beutfeben äaiferjeit*
betrad)tet merben. (^113 auebrüdlid) Ijat ber SBcrfaffer biefee
monumentalen sii>erfee ben inneren unb notmenbigen ^ufammcu*
bang begfclben mit ben C*iub,eitfl*^eftrebungcn feiner ;{eit in ber
^orrebe jur erften Auflage (1855) r)cröorget)oben nnb betont, baj;
man fttf) über bie ^orm ber S^egrünbung einetf neuen JKcid)eö
uiclteidjt cr)er einigen mürbe, „menn man fid) allgemeiner bemüt)te,
bae innere Siefen unb bie eigentümlicrjc Weftalt (euer fernen
,,)ett rennen 311 lernen, in ber einft bao einige, grof?e, m<üd)tige
reutfcblanb eine *?af)rr)eit mar, menn man an ber £anb ber
Wefd)ict)te bie 33cbingungeu 311 ergrünben fnebte, unter benen bae
beutfebe $olf bamale einen weltbef)errfd)enben Crinflttf; gewinnen
unb burd) 3at)rr)unbcrtc bebaupteu tonnte." SJeroufrt ober unbewußt
aber ift unfere ganje nationale (>tefd)id)tfd)reibung in jener ganjen
Heriobe beä 6inr)eiteftreben? eben burd) biefe mächtige geiftige
Bewegung beftimmt unb in ihrer :Kid)tung beeinflußt worben.
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Jim Weorg Fintel, Tic tfeaiüntontä einer jojialftattitifdjeit WctUobc
311« aber biefc die erftc £älfte bee 19. JaJjrtjunbcrtö oöllig be*
herrfchenbe grojje Aufgabe in ber Vegrüubung be* neuen 9teid)e*
eine in allem wefentlid)en befriebigenbe Söjung gefunben hatte
nnb nun mit immer größerer &>id)tigteit an ber stelle ber
nationalen polttijdjen bie fokale Srage in ben Vorbergrunb trat
unb gebieterifd) eine l'öfung 3U err)ei|d)en id)ten, ba richtete and)
bie (^ejd)id)tid)rei bung 3um erften Mak mit angeftrengtefter Sluf*
merffamfeit ihren Vlict auf bie bie bat)in jo gut wie oöllig 1111*
beachteten wirtfdjaftlichen Vorgänge ber Vergangenheit: bie fokale
Aiage rief bie junge ^iffenfehaft ber ^irtjdjaftegejdjidjte heroot.
2lber wie bie joviale Jyragc jelbft nid)t eine bisher gar nicht
ertfttetenbe nnb mit nnoermuteter tMölUichfeit tjeroortretenbc (yr*
fd)eimmg war, Dielmehr fid) infolge ber oeränberten $robuftioit£»
oerhältniffe ganj allmählid) entmicfelte, jo ift aud) bie iöegriinoung
ber neuen wi|fenfd)aftlid)en üe^iplin ber sh>irtichaftege|chichte nicht
auf einmal, etwa auf itfnmb ber iubioibuellen fpoutanen
jchliefjuug eine* einkitten ,yorid)ere, h^roorgerufen worbett, fie hat
fid) oielmehr in mehr ober weniger bewußter Slbhängigfeit oou
ber (rntwicfelung ber fo3ialen ivrage felbft allmählich herauegeftaltet.
OJationalöfonomen unb J^t^torifer fingen tu gleidjer Steife an, für
• bie oerwicfelten wirtfd)aftlid)en Vorgänge ber (Gegenwart midi
Analogien in ber Vergangenheit 3U fud)en. (5e wäre munberbar
gewefen, wenn bas nicht ber Sali gewejen wäre. Je tiarcr man
erfaunte, bajj in ber Gegenwart bie wtrtfdjaftlidjen Vorgänge unb
;Juftünbc «"«t immer wadjfeuben beftimmenben Grinfluf) auf Die
gefamte ftaatlid)e (Sniwicfelnng gewannen, immer auefd)liej?lid)er
bie angeftrengtefte Ihätigfeit ber gefe&gebenben .ftürperjcrjafteit in
^nfprud) nahmen, um fo näher mujjte bie Vermutung liegen, bap
auch ber Vergangenheit bie politischen (*reigui|fe fid) uid)t un*
abhängig unb ifolirt neben ben wirtfchaftlichen ^uftänben abgefpielt
hätten, bafj oielmehr auch f)izx bie lederen beftimmenb auf bie
elfteren ebenfo wie umgefchrt eingewirft Ratten. £>amit aber
mitfjte fid) notwenbig eine allmählidje ^atiblnng ber hiftorijcheii
it'eltauffaffiing überhaupt uoU3iefjcn. £>ie ältere ®efd)id)ttv-
auffaffung war, eben weil fie in ber Ghttwicfclung ber Verfaffung
unb betn mechieloollen spiele ber politifd)sfriegerifd)en (rreiguiffe
ben £auptgegenfiaub ber Vetradjtnng fah, an ben wirtfchaftlid)ci:
(frfdieiuungen beo Vorleben* faft oöllig adtfloe oorübergegangen.
•>>atte man biefelben überhaupt in ben Mreio ber Aoridnmg ge>
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in bei beiitfdicn ("efdjicbtfcbreibuns bind) .Marl Vampredjt iMI
Sogen mae nur feiten unb ganj iiebenfädilid) gejcrjarj --, fo
f)atte man fie gleid)ürm anfjangemeife neben ber polittfcben (fnt*
mitfelung befyanbelt, ale meun fie in gar feinem inneren ^ujamuten*
fjauge mit biefer ftänbcn. £ie ^>ed)ielmirfung ^mifdjen Crrcigniffcn
nnb Juftänben mar fanm bcmerft, (ebenfalls aber uta)t autfreidjeub
betont roorben. £ae mnrbc jefct anberc, je mefrr man fal), mie
iefjr in ber Wegenmart ntd)t allein bie innere @efefcgebung, foiibcni
and) bie äußere Nl>olitif in ber tfolonialpolitif , in £anbeW*
oerträgen k. — in fjoljem IVaße bind) mirtfd)aftlid)e Jntereffeii
beeinflußt mürbe. Wart erfannte immer flarer, baß bie blofec
politifdje Wefd)id)tfd)reibnng nur bie &>trfuugen, nidjt aber bic
Urfad)en ber gcfct)iditltct>cit (hitmirtciung in ben Ärei* irjrer 25e^
trad)tnng gebogen rjattc.
Unter ber älteren (Generation ber .\Mftorifer mar ee eigeutltd)
nur ein tiefer Genfer, ber bieien inneren ^ufammenlmng 3mifd)en
Dem äußeren Wange ber beutfdien ^olitif unb ben mirtrjfd)aftlid)eu
;iuftänben bei? ^olfetf nidit bloß im allgemeinen geabut, foubern
ben ^erfud) gemad)t tyat, benfelben 511m 2lngclpuufte feiner gefd)id)t*
lid)en jSuffaffnng 511 machen unb in ben Wittclpunft jeinet ge*
id)id)tlid)en £arfteüung 311 rüden; ec mar Äarl &Mlrjelm Diifcfd).
beffeu in biefer 23e$iet)ung cpodiemadjenbe iöebeutuug für bic
beutfd)e ®cid)id)tfcbrcibung nod) l)eute bei meitem nid)t genügenb
gemürbigt mirb. Irr mar in ber 5 bat ber erfte, melier bie ooU*
ftänbige (rinrjeit ber öeridjiebenen leiten betf l)iftorifd)en Vebcnö
uöllig flar erfannte unb fid) eben baburd) eine roirflid) flare ^or*
ftellung oon ben ebenfo idjmierigen mie oermitfelten Vorgängen beo
^olfelebene im beutid)en Wittelalter ermorbeu r)at. #ür bie
unferer &nfd)auung näfjer liegenbe neuere Wefd)id)tc Ratten äfm*
lia)e6 fdjon bie grunblegenben Arbeiten JKanfe 0 geleiftet. 'Jibnlidjc*,
aber nid)t baefelbe. 2i>of)l batte ai,d) -Kaufe ben innigen • {ufammen*
bang jroifdjcn innerer unb äußerer sJ>olitif im r)iftorifd)en l'ebcn
mit boller .Hlarljeit erfannt nnb in allen feinen .vSauptmerfen ^ur
^orftellung gebrad)t. s2i>ie flar tritt berfelbe nidjt in ber beutfdien
Otefcrjicbte im Zeitalter ber Deformation unb in ber citglifcheii
Wejd)ia)te fjerbor, mie nadjbrücflid) betont frier Narrte, baß bie ge*
famte innere, inebefonbere bie religiöfe G*ntmitfelung in £eutfd)lanb
in jebem SÄugenblirf bnrd) ben (Mang ber nnioerfalen Stfeltpolitir
#arl* V. bebingt mar unb uingcferjrt, mie fdjarf erfennbar tritt
bieje felbe Slbbängigfeit in ber meifterbaften £arftellung ber ^cr*
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Weorg hinter, Tie ^rfiiiMnuj cincv fo^alftatiitiid)C» Wctljübc
faifiing&ntwtcfelung (rnglanbd hervor! Slber unter ben (Srfdjeinungen
ber inneren ^olitif, bereit dufammeuljaug mit betten ber anderen
511 betonen er nid)t mübc wirb, rieftet er feine &ufmerffamfeit
bod) foft auefchlieftlid) auf bie rechtlichen unb fircblicb*re[igiöien
lluftänbe, mäfyrenb es ihm gerabe für bie wirtschaftlichen Vorgänge
an tiefer gel)enbem Jntereffe unb "^erftättbitie inangelt, wie ftcb
bae eben aue ber iJeit, in ber er ielbft bie beftimmenben @iubrücfe
für ietne fd)öpferüd)e ^fyätigfeit empfing, erflärt. Werabe in ber
organifeben ßingliebernng biefer wirtfcbaftlichen Vorgänge, nicht
in itjrer rein med)anifd)cii Sinreifting au bie btcfjerigen tfrgebniffc
ber Jvorfdutng, liegt bae beroorragenbe ^erbienft unb bie grunb;
legenbe 9?ebeutmtrj( welche bie NifeiaYichen Arbeiten für bie
(Mefd)id)te ber beurfchett Wefd)id)tid)reibung in iHnipriid) nehmen
bürfen. rie ältere, rein polttifcfje 3?etracftnng6wcije ber beutidien
Wefcbicfte beö Mittelalters, welche ftd) mit einer £arftellung bei
allmählichen 2lu$bilbung ber polittfdjen ^erfaffung beschäftigte
unb biefe ane ftd) felbft $u erfrören »erf lichte, vermochte gerabe
über bie eiitfcheibenben (Mrunbfragen nicht $u voller AUarfjeit w
gelangen. 2$ie eo fam, baft von ben im Weiche .Karls bes (Großen
vereinigten verfdjiebcnett Nationalitäten oou benfelbcn ($runblagen
auö bie eilten (namentlid) bie granjofen) febr früh $u einem
centralifierten €taati?wcieit gelangten, wäft'eub bie 5>eiitfcbeu
immer größerer ^eriplittcrung anheimfielen, tunkte bei einer if o*-
lierten Betrachtung ber ^erfaifuiigeetttmictelung ein mtverftanbene*
fRätfel bleiben. Sud)te man aber, wie ee oft gefdjaf), ben Wriiub
ber territorialen Jerfplitterung 3>eutfd)lanbe in ber gbiebeftumg
unb iHuöa rtuug bee bod) fchon unter Äarl bem Wroften ooü ent--
wirfelten l'ehnsweient*, io blieb eo iiuverftänblid), weehalb biefe
llrfadie in Aianfreirf) nicht ebenfo gewirft rjabeu follte wie in
£eutid)lanb. $L\i$ rein politifa>red)tlid)en Urfacben lieg ftd) biete
^crfchiebenljeit ber ^erfaffuugeeiitwictelutig aue gleichen (>hunb>
lagen tyraw nid)t begreifen.
£a war ee Wftfcb, ber werft auf ben grunblegenben Wc*
banfen fam, biefe ^erid)iebeitt)eit auf ben Utttcrfchieb ber ' geo«
graphischen mib wirtfchaftlid)en i*erbältniffe ^itrüct^uführen. Jm
Ijöchften Mafje beachtenswert ift bie 2li*t unb xhleife, wie er es
tbat. Man barf jagen, ba# hierin ber £d)lüffel für 'Jcifeid)'*
üftuffaffung ber beutfehen Wefcftchte unb für bie thatfächlichc @Ttt--
wiefehtng ber ^erfaifuug in lYutkhlanb liegt.
in bcr beiufctjeii (>teüi)id)tid)reibuiig burd) Marl vamprcdjt •_»(»: >
Tae (3nmbprob(cm, üon bem W&fch ausging, ift Das oben
bezeichnete: worauf beruht im legten (Mrunbe bie auj$erorbentlid)e
$ericf)iebenf)eit ber beutfehen Berfaffung oon bcr ber übrigen
europäifchen ÄiilturoölferV *>ic fommt ce, bafj in Sranfrcid) fiel)
ein centralifierter 2taat mit einem machtoollen Königtum an bei
v£pifce organijirt ^at, mäljrenb £entfd)lanb in eine Sülle oon
fönjelftaaten verfiel, in beren Witte bae in unioerialcn nnb nidit
in nationalen fielen aufgefjcnbe ttaifertum ichiieBlid) oollfommeu
wattgefefct würbe? 3iMe fommt ee, baft bort bae Königtum bei
urfprünglid) ebenfo mächtigen Saienariftofratie burd) eine Bei*
binbung mit bem Bürgertum ber 2täbte £err würbe, in £>entiaV
Ianb aber fid) feine 8;nir einer folchcn (fntmirfeluug finbetY £af}
biefer (Hegenfafe au3 rein politifchen Urfachen uid)t $tt erfldren
ift, hoben mir fdjou tjeroor; folglich fann er, fo fd)lof} Mfcfcf), nur
aue ben aue ber Eigenart bee beutfehen Sanbee fid) ergebenben
wirtschaftlichen iJuftänben bee Bolfee erflärt werben. ^Jenn bae
beurfdje .Königtum ben Berfuch, jur ilbcrwinbung ber geiftliaVii
unb l'aienariftofratie eine Berbinbung mit bem Bürgertum einui;
gehen, nid)t mad)te, wenn infolge beffen auch jene für @nglano
io charafteriftifd)e Bereinigung bee niebercu Eibele mit bem
Bürgertum 311 einer Öeutrt) fid) in £cutfd)lanb nicht oolljog, fo
lag bae nad) ^ikfeh baran, bat; bie beutfehen £töbte infolge bei
eigentümlichen roirtfd)aftlid)en Bcrhältuiffe reutid)lanbe in ber
3eit, in welcher bie Bahnen ber (Sntwicfeluug aue einanber gingen,
jene 23ebeutung nod) nid)t erlangt hatten, bie fte in ben anberen
Staaten 311 mächtigen 3?erbü 11 beten bee Äonigtume machte, SMcfee
wtrtjchaftlidje Clement, welches bie bentfdjcn £täbte in ihrer
politifdjen (fntwitfelung jurütf gehalten hatte, war nun aber bie
geograj)hifd)e 9lbgefct)loffcnf)eit bee (Gebiete, tu bem fte emportameu :
biefe ^telt fte in jener früheren (Epoche ab, am ^cltDerfeljr teil*
zunehmen unb baburd) jene 23Iüte bee .<Sanbelet>erfehre $u seitigen,
welche bie italicnifchen £täbte fd)ou im 11. unb I i. Ja^rljunbert
erreichten. £ie großen /öanbeleftrafccn, auf benen fid) ber euro*
päifdje Berfef>r uom 7. bie yim 10. ^ahrhunbert auefd)üefUid)
bewegte, umgingen ^eutfcfjlanb tioUfommen nnb liegen ee oöllig
unberührt. „Bon äonftantinopel\ fo fagt y?iikfd), „ging biefer
Berfehr teilö über ^owgorob, bann in bie Cftfee, teile über bae
IVittelmeer nad) Italien, ber fpanifchen .oalbinfcl unb Jranfreid).
oon beffen Warften er (?nglaub erreichte. (s)erabe oou einem
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•J04 Weorfl hinter, X)ic ibcgrünbung einer f o a Ift a tt f 1 1 f dj cn Wettjobc
folaVu ^erfeljr war bae Deutfdjlaub bes 7., s.f «). unb in. Satyr*
Rimberte bnrd) feine £age unb Oiaturbcfdjaffen^eit ooüftänbtg aue*
geidjloffen. 2Jon bem Wittelmeer mar ee gefdjieben burd) bie
gemaltige (Mebirgemauer ber 3Upen unb it)rer öftlidjcn Aortfefcung;
feine ivlüffe aber, obmoljl fie in bie "Jtorbjee münbeten, boten bem
£anbel eine m'el meuiger günftige £traf;e al* bie großen Strome
:)i Urlaube unb bie atlantifdjen Slüffe 2uaniene unb ^ranfreidje.
:H heiuf iföefer unb (*lbe nie Ströme bee norbeuropäifd)en lief*
lanbee erreid)ten $roiid)en weiten Mooren unb Oiieberungeu ilire
IKünbung; ber Umftaub, bafi ifjr Überlauf jebe* ^rül>fal)r früher
nie ber untere auftaute unb im änbraug gegen bie ßiefläd)eu
öee unteren bie Ufer überflutete, unb baju bie beftänbig med)ielm
beu IV arfdjen Wiblingen ir)rer 9)fünbungen madjlen jtc 31t lpd)ft
uufidjeren uub linpraftifabeln ^erfel)reftrafjen/ &aburd), baft
rcurfdUaub oon bem großen europätfdjen .'öanbeltwerferjr aue«
geid)loffeu blieb, ergab ftd) bie eigentümliche Ilwtfadje, baf? bie
^täbte 311 berfelben 3eit, 311 ber fie 3. 23. in Italien fid) 311 bem
mädtfigen lombarbifd)en $unbe 3ujammeiijd)loffen, in 3>eutfd}lanb
politifd) nod) uollig bcbeutungeloe waren unb baljer meber als?
33unbeegen offen oee Äönigs nod) alo <yinait3quelle bee ^eidje»
erljeblid) in 23etrad)t famen. $>äf)renb in tfnglanb unb granf*
reid) eben auf öruub jenes £anbel*üerfel)re, ber ein bequemt
£tcuerobjcfr barbot, ftd) eine geregelte Steueruerfaffung unb ba*
mit bie tfhunblage eines centraltfterten Staatämefeno auebilbete,
fal) ftd) bae beutfd)e Königtum naa^ mie bor in ber .pauptiadje
auf bie (Erträge feiner Xomänen angemiefen, b. f). mit anberen
Korten: in £entfd)laub erhielt ftd), matyrenb bie anberen Staaten
fd)ue(l unb fonjequent 3itr ©elbmirtfd)aft übergingen, auffaüeub
lange bie Oiaturalmirtidjaft intaft. Taei Königtum fal) ftd), um
bie Erträge feiner Domänen 311 bewerten, gelungen, auf eine
fefte SKefiben3 311 oenidjten unb im l'anbe fyerumgureifen, unb,
wie $infd) ce auubrürftc, „feine Domänen absugrajen". £ae
henimmanbernbe .Königtum ift eine ber jtngulärften unb merf*
mürbtgften Grfdjeinnngen bee mittelalterlid)eu beutferjen ^erfaffmige'*
leben*. (?ben aus bem (Mrunbe aber, weil an bie £urd)fiU)rung
ber t>telbmirrfd)aft in £eutfd)laub unter beu obwaltenbcu $er*
l)dltniffen nid)t 311 benfen mar, bie Natura lerträge ber föniglid)en
Domänen aber ftd) für bie meitergreifenbe ^olitif ber Staufen alä
uid)t aiteretdjenb ernteten, Imben biefe immer unb immer mieber
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in ber bcutfdjen roefdtfcijtfc&reitmng burd) ftctrl «amorecfjt
ben Verjud) gemad)t, fict> in bei Unterwerfung ber lombarbifäVn
Stäbte unb jpäter bee f^ilifdjen Äönigreid)3 eine fefte (Mrunblage
311 einer feftgeregelten 5tnan3mirtfd)aft unb Verwaltung .311 er-
ringen; mit einem Sorte: bie getarnte innere (rntwicfelung
0eutfd)lanböf ebenfo wie bie äußere ^>olitif feiner .Könige beruljt
int wefentüdjen auf ben geogra;>f)iid)en unb ben aue biejen erroaaV
jenen wirtfd)aftlid)eu 3l,t*äuben bee i'anbeä. @ine iHnberung ift
hierin erft eingetreten, al$ bie Verfefjröwege ü)re alten SBafjnen
oeränberten, al$ ßonftantinopcl aufhörte, ben iHuegangopunft ber»
ielbeu 311 bilben, unb nunmeljr, nad)bem bie SUpenpüffe gangbar
gemalt waren, fid) ber #anbel oon Jtalien über £cutfd)lanb nad)
ber 3iorb= unb Cftjee lenfte. Stuf bicfcr Vafebrereoolution beruht
bann bie rapibe Crntwicfelung, welche bae ftäbttfdje geben in
£eutid)laub feit bem Ülusgange beo V2. Jabrljnnberto nafjm unb
burd) meld)e bie Stäbte nad) bem Untergänge ber .*>of)euftaufen
befähigt würben, plöfclid) altf polittfdjc 9Jiad)t fterborjurretcu unb
einen beftimmenben (finfluft auf bie Weidieoerfaffnng 311 gewinnen;
nur gejdiat) bae erft gu einer ^eit, ale bie Aeime ber beitrfdjen
Serritortalftaaten fd)on Diel 311 weit gebieten waren, ale baf;
bieie ganje (Sntmirtelung t)dtte rütfgängig gemad)t werben tonnen.
■Dian fiefjt, in wie ferjarf finniger unb fein beobad)tenbiT
Seife t)ier gerabe bie eutfdicibenbeu Ibatinaien ber beurfdien
Verfaffungeentwtcfelung, ja felbft ber änderen vl>olitif be£ beutfdien
Ä'aifertum* mit rein mirtid)aftlid)en Momenten unb mit ber
natürlidjen 23efd)affeul)eit beo l'anbee in Verbinbung gebraut
werben. Jn biefen großen ftafjmen l)at TiiMd) bann and) eine
Oicirje fleinerer Silber über bie (Jntwitfelung ber einzelnen Stänbe
unb Verufearten, über bie oerfdiiebenen Seiten bee .v>anbele,
Verfefjre unb (bewerbe* l)ineiuge3eid)net unb ift namentlidi ben
wirtfd)aftlid) wie politifd) gleid) wichtigen Cfrfd)einungen bee •■Jupfr*
leben* wie ber ftdbtifd)en Vcrfaffung in .Teutfdjlanb mit liebe*
uoller Sorgfalt nad)gegangen. Überall 3eigt er and) im fleineu,
wie in jenem großen •fafammenrjange bae feine Verftänbnie für
bie inneren Urfacfjen ber an bie iHufcenfeite bee gefdudtfliajen
gebend Ijer&ortretenben Vorgänge, weldiee für feine gefd)id)tlid)e
Ütnffaffung fo Überaue djaraftertftifd) ift.
Slber gerabe weil er ber erfte war, ber in umfaffenbem
Sinne bie wcd)felfeitige Vebingtrjeit wirtfd)üftlid)er unb polttifd)er
Gräfte im Volteleben in flaren (Mrunb$ügen ertanntc, war er bei
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lMM> Oicorg hinter, Tic gtegrüntwng einer fo.yalftatiftifd^n Mct^obc
bem Langel an anoretchenben Vorarbeiten natürlich nid)t int
ftanbe, feinen Ieitenben Gebauten, bie er burd) feine nnb tief*
burd)bad)te Beobachtung ber gcfd)id)tlict)cn @rfd)einungcn felbft
gewonnen r)attc, überall bie beweijeube urfunbliche ©runblage 311
geben. 2eine lUuffaffuug war ebenfo neu unb originell wie über»
rafdjenb unb erregte naturgemäß neben l)o(jer 2tuerfennung unb
Bewunbcrung aud) mannigfad)cn ^iberfprud). £ae tonnte nid)t
aiibere fein, benn in ber Ilm* mag er in ©in^el^etten eben in-
folge bee mangelnbeu Veobadjtungomaterialo oft genug über bae
iJiel r)inauegefd)offen haben. JebenfaUe aber ift ber ©runbgebanfe,
0011 bem er aueging unb ben mir eben in ben ,"pauj)t3Ügeu
dmrafterifiert haben, rid)tig, unb eben baburd) ift fein il'erf, meljr
nod) burd) bie ungemein reiche Anregung 311 r (*tn3elerforfd)ung
Der oon ihm jiierft aufgeworfenen Probleme alo burd) feinen
Inhalt felbft oon ^eroorragenber, ja epodjemadjenber Bebeutung
für bie beutfay Wet et) i et) tf di reib it 11 g .
So übrigen* liegt bie 2ad)e fetneemege, bnf; er fid) mit ber
iöeobad)tung unb Darlegung jener allgemeinen ^afammenfjänge
begnügt unb bie (iin^elbegrünbung berfclben burdjauä feineu
Nachfolgern überiaffen hätte. Vielmehr l)at er namentlich in
feinem 2i>crfe über IViniftcrialität unb Bürgertum im beutfd)en
Mittelalter beutlid) genug gezeigt, in nüe hol)em Örabe er bie
Jvähtgtett ber Vcrfentuug ine einzelne befaf?, mie fcf»r er im ftanbe
mar, burd) feiufinuige Beobachtung bce fpröben Urfnnbenmateriale
ane biefem bie ü ben af dien bften (rrgebniffc 311 gewinnen. 3lber
oon uuoergleid)lid) höherem inerte war unb ift bod) bie Itjat*
fache, baf? er in fütmem unb glücf!id)cm *>urfc bie mirtfd)aftlid)en
Vorgänge in ben Mittelpunft ber Betrachtung einführte unb ba=
mit bie tiiftoriicDe ^iffenidjaft gleidjfam zwang, biefem Probleme
eine größere ?lufmerffamreit alc> früher $u3Mt>cnbcn.
Tsür bie ii'eiterentwirfelung ber Mfc'fcben ^sbeen traf ee fid)
nun fehr gliieflid), baß gleichzeitig in ber bie bal)tn faft burchweg
in ber A>auptiad)e theoretisch unb ftatiftifch gehanbhabten national*
öfonomifd)en ^iffenfehaft eine ber feurigen iel)r oerwanbte Gebauten»
riditung emporfam. .öicr war ee uor allem Atari ttniee, ber in
feinem &*erfe „Tie yolttifdu* rtonomie oom geschichtlichen £tanb*
piiufte* ieinen Mengen offen bie uadibrücflidje Mahnung surief,
fid) in höherem Maße nie biober ber (rrforfduing ber gefchid)tlichen
(l'n"d)cimmgui ber Volfemirriduift jujuweuben unb aue ihr b'e
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in ber bentfdjen Oicfd)td)tfc^rctbiiiig biird) i\ax\ Vampicdjt
207
fonfrete (?hunblage für bie Söemteilitng ber gegenwärtigen ßu*
ftänbe 311 gewinnen. Irofc ber inneren German btfcfjaft it)i*er
Ommbgebaufen , ba ber eine bie ©efd)td)te national *öfonomijd),
i»cr anbere bie ^National* Cfonomie gefd)id)tlid) beljanbelt roiffen,
beibe alfo bie 33erül)rnng^nnfte beiber 2£ifjeufd)aften in ben
^orbcrgrunb [teilen wollten, mar ifjr 3^ bod) fetneöwege oölltg
ein nnb baefelbe. 2£äf)reub e* Siifcfd) oor allem barauf anfam,
bie Uriadjcn be* gefamten Qcfcf)tdt)tlict)ent politifajen wie fnlturellen
Gebens eben in ben mirtfd)aftlid)cn Vorgängen nadtfiimetfen, [ollte
.vtniee bie gefd)id)tlid)e ivoridjung weit unmittelbarer unb aus*
id)lieBlid)er bie Örunblage rein nationaIöfonomifd)cr Unterfudjungen
gewähren. £em .piftorifer waren bie national*öfonomifö*gefd)id)t*
lid)en ßrgebniffe Nüttel 311m äweef, bem Diationalöfonomen €elbft*
^werf. £er erftere behielt immer im Hiige, bajj bie national*
Monom ifdjen (5rfd)einungen für it)n nnr eine JHidjtung unter oielen
in bem gefd)id)tlid)en £eben beo Golfes barftellen, ber lentere
wollte bie $£trtid)aTtögeid)id)te unb nur fie erforfdjen, um üjre
(irgebnifje unmittelbar für bie Äenntniö ber (Gegenwart 311 Oer«
werten.
£em cntfprcdjenb i>at jid) auet) bie weitere @ntmicfelung ber
wirtjd)aftegefd)id)tlid)en ("yorjd)ung, weldje burd) jene beiben grunb*
legenben Sterte angeregt würbe, oerjd)teben aeftaltct, je nacfjbem
iie oon «piftorifern ober Oiationalöfonomen in bie .panb genommen
würbe, tfür bie i'uecielle ^irtfd)aftegefd)id)te unb für bie Or*
forid)iing eiit3elner mtrtfd)aftc<gejcrjid)tlid)er Vorgänge unb ßuftänbe
haben bie Tiationalofonomen fefjr Äxroorragenbesj geleiftet. &?ir
braudjen l)ier nur an bie agrargefd)id)tlid)en Unterfud)ungen eineö
•Öanfcn unb Weisen, bie juerft flaree £id)t über bie mirtfd)aftlid)en
iiuftänbe ber alten £eutid)en in ber ^ett bee Überganges uon ber
!Mel)3ud)t 311m SUferbau unb für bie fpätere i>eriobe ber £rei*
felberwirtfd)aft oerbreitet fjaben, jowie an bie für bie beutjdte
•öanbel** unb ®ewerbegefd)id)te grunblegenben Arbeiten £djmollerä
311 erinnern. Jn neuefter ßett Ijabeu wir nun aud) oon national*
ofonomijd)er 3eite ein grojke, jnfrematifdjeö unb 3ummmenf äffen De$
Berf über bie ntittelalterlid)e ^irtfd)aftegefa)id)te in iijrer ®efamt*
()eit eroalten: bie beutfd)e &Mrtjd)aftögefd)id)te oon Jnama»
^ternegg, bereu erfter ^aub 1X79, ber 3Weite 1891 erfd)ienen ift
unb bie wirtfd)aftlid)e l*ntmitfelung btetjer oon ber älteften frit
bis 3um tfnbe beo zwölften Jabrljmiberr* in ebenfo geiftooller
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20* Weorg SSinter, Sie Bcarünbung einer H>,}ialftattftifrt)en s})ietl)obe
alä auf ttefgrünblicften trübten berurjenber 3>arfteUung berjanbelt
hat. Ülbcr ber erfte, toelcher jenen Don Wfefd) angebeuteten uub
in ben @runb$ügen gefchilberten Bufammen hängen jmifdjen
mirtfchaftlicher unb politifdjer (Md>id)te in umfaffenber Steife
nachgegangen ift unb für it)re ßrforfdjung bie fette ©runblage
einer eraften Wfethobe geferjaffen fmt, mar bod) mieber ein 6iftortfer:
$arl l'ampredvt, beffen in Dier 39änben abgefd)loffcn Dorliegenbe
&Mrtfd)aftögefd)id)ie ftd) auf baö gefamte Mittelalter erftreeft unb
ale ein ftaunensroertee £enfmal bcutjd)er (Melefjrfamfeit unb
ebenfo tiefgrünblicfjer roie fein* unb fcharffinniger tforfcherarbeit
betrautet merben mup. £ampred)t war feit Wkfd) ber erfte, ber
mit feinftem 2?erfiänbnt0 bie bureb eiubringenbe "DueUenforfa^ung
Don größter (Mcnanigfett geroonnenen mirtfd)aftogeid)id)tlichen (rr*
gebniffc in ebenfo umfaffenber Seife für bae Berftänbnie unb
bie (frflärung ber rein politifdjen unb ^erfaffungeentmirfelung
Dermertet; er hat ee, f)ie unb ba rcoljl über bae $\c\ hinaus*
fd)iefeenb, unternommen, bie gefamte gefd)id)tlid)e tfntmicfelung ber
bciitjdjen Serritorialfiaaten au? ber Don irnn unb Jnama*£ternegg
gleich grüublid) imterfudjten Ocatur ber beu tieften ®runbl)errfd)aft
mit ihren oerfcrjiebenen roirtfehaftlichen Attributen abzuleiten.
ed)on aus biefen Slnbeutungen ergiebt ftd) flar ioiuobl bie
S^ermanbtfdiaft ale bie Berfcftiebenbeit ber beiben grojjen min-
fd)aft>?gefd)id)tlid)en *>erfe, burd) melcrjc bie bcutfd)e Stffeufcrjaft
in jüngfter &\t faft gleichzeitig bereidiert roorben ift. Jebee Don
ihnen bat feine Eigenart in Sluffaffuug unb ^Tarftellnng, bie Don
ber oben bezeichneten *&*rfd)iebenf)?it beo 3icU>nnftee ebenfo mie
Don ber bee Beobad)tungsobiefts bebingt finb. Beibe aber ftellen
einen im böcbften "iVape erfreulichen unb frud)tbaren isortfehritt
auf einer neu eröffneten, aueftd)t*reid)en Bahn ber gefd)id)tlid)en
Siffcnfdiaft überhaupt bar.
Tiefer ftortfdjritt liegt uid)t allein in ben miffenfd)aftlid)cn
<5rgebnii"fen, bie unferer Grrfenntnte ber gefd)id)tlidicn (rntmüteluug
unfereo Boltee eine ungeahnte Bereicherung gebracht haben, fonbern
and) in ber ittegrünbung einer eraften Wethobe gerabe für biete
?lrt Don l)iftorifd)cn Problemen, ober Dielmehr in ber Übertragung
ber Wetrjobe einer anberen Siffenfchaft auf fpedftid) gefd)td)tUdie
Probleme, £enn im mefentlidien ift namentlich Äarl Vampredit
311 feinen für bie gefd)id»tliche Stffenfcbaft fo fehr bebeurfamen
(frgebniffen baburd) gelaugt, ba f; er feiner Unterfuchung nidit bie
irt ber beutfdjen Oicfc^id)tfc^rcibiiitcj burd) äiul l'amprecht -_>09
2lnefagcn einzelner Duellen 311 ©runbe legte, rote bat in ber
£auptfadje bil^er gefdjefyen mar, baß er, ^roenn mir fo jagen bürfen,
bie Duellen nicht alö Snbioibuen betrachtete, fonbem in großen
Weihen jur ©runblage oon $Raffenbeobad)tungen machte; mit
einem 25orte: cä ift bie Slnmenbung ber ftatiftifdjen 9Kethobe auf
gefd)td)tlid)e Unterfnd)ungen, ber 2ampred)t feine großen SRefuItate
oerbann. <£ud)en mir wie üon ber 23ebeutung btefe$ Vorgänge*
menigfienä in ben (Mrunb^ügen eine flare Vorftetlung 311 machen.
£ae Veobadvtunggmaterial, meldjetf um für eine roiffenfdjaft*
lict)e ^rfenntnie ber Vergangenheit 311 ©ebote fterjt, bilben natur*
gemäß Me frfjriftlidjen &uf3eichnungen unb fonftigen tiefte, meldje
am »ergangenen Jahrrjunberten auf um gefommen ftnb. iviir
bie @efcbid)tichreibnng im engeren 2inne fiub aber, fo fjodmüU*
fommen ir)r and) bie erhaltenen fünftlerifchen unb gemerblidieu
C?r3eugniffe ber Vergangenheit für bie (frfenntniö biefer leiten
be$ geid)ia)tlid)en Gebens* ftnb, bod) »or allem bie id)riftlid)en 2(uf*
Zeichnungen oon entfdjeibenber 33ebeutung. £ie ftnb eo, bie in
erfter 2inie aU (Mdjicbtequellen aufgefaßt unb bejeidinet merben.
Unb ^mar unterfd)eibet man unter ihnen roieber jmct große
(Gruppen: bie 3ufammenbängenben unb bemußt ben ^werfen
biftorifdjer Überlieferung bienenben Arbeiten biftorifeber Sd)rift*
fteller, ber ^iftorifer früherer Jaf)rf)nnberte, unb llrfunben, welche
in erfter £inie 311 praftifdjen Hmecfen unb nid)t ober bod) nicht
auöfd)üeßltd) 311m SMmf gefd)id)tlid)er Überlieferung für Rötere
Jafjrbunberte niebergefdirieben finb. Sluö ber Statur biefer Duellen
ergiebt fid), baß bie erfteren im mef entliehen bie großen geid)id)t*
lieben (Jreigniffe ihrer -]eit erfennen letffen, mäbrenb bie Ur-
funben gjcidjfam unmittelbare llberrefte unb Hengniffe ber red)t>
liehen, roirtfebaftlicben unb fulturellen ^uftdnbe ihrer Jeit fiub.
2o lange fid) baljer bie ©ejd)id)tfd)reibung oonmegenb ber (rr-
forfehung ber großen politifd)en, biplomatifd)en unb friegerifd)en
Gegebenheiten ber Vergangenheit mibmete, beoersugte fie ale
Duellen ihrer (hfenntnio1 bie t)tftorifcl>en £d)riftfteller, bie natürlid)
für alle $e\t eine unentbehrliche Wruublage ber <s-orfdnmg bilben
merben, meil fte unb nur fie und unmittelbar in ba* geinige £eben
unb bie 2Beltanfcf)ammg oergangencr ^abrbunberte einführen nub
nnferer ßrfenntni* £icbt unb i'eben geben, roeldieo am llrfunben
allein nicht 31t geminnen ift. Tagegen fiub bie feineren fcbledtfbin
unentbehrliche Hilfsmittel ber forfehung, iobalD man ben Glirt
^cttfdjrift ntt ÄultHrijci<t>id)U. 1. 14
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-_>10 Wcorg hinter, £ie #cgrünbuug einer foatalftatiuiföcn Wettjobe
oon ben großen Grciguiffeu, weldjc bic ^ufmerffamfeit ber Ijifto*
rifdjen 2d)riftftellcr in ber Vergangenheit nod) weit anefailießlidjer
wie fjeutjutagc in Slnfprnd) nahmen, auf bic ^nftanbe bee Volfe*
(ebene rietet; benn über biefc, nur langjam nnb allmäljlid) ol)iic
aUaufefjr an bic Cberflädje treteube £nmytome fid) entwiefelnben
^uftänbc enthalten bic Arbeiten ber ^iftorifer, namentlich ber
früheren Jafjrfyunberte, nur ieljr wenige unb bürftige %)iad)rid)ten,
weil man biefe ale etwae 2elbftoerftänblid)ee, iebem 33efanuree auf*
faßte , wae man nid)t weiter 311 erwähnen brauche. £0311 fam
bie 2ub jeftioität ber Stuffaffung, oon ber jeber, and) ber ob*
jeftiufte ^iftorifer abhängig ift unb bie il)n 311 einer oöllig
unbefangenen 21uffaffung nnb Darlegung ber ftaatlid)en unb wirt«
iM)aftIid)cn 6inrid)tungen feiner tfeit nid)t fommen läfct. (re wirb
genügen, biee an einem iPeifpieie ane ber Gegenwart flar \u
machen.
s3ier)mcn wir an, ee wolle fid) jemanb eine eridwpfcube unb
wirflid) jutreffenbe (hfenntnie ber tl)atfäd)Iid)en Sage unferee
flrbeiterftanoee üerfdjaffen. v™ae wirb er Sur (^ruublage feiner Witten*
fd)aftlid)en Unterfitd)ung machen V $0113 gewiß nid)t bie fubjeftioen
rarftellungeu, bie etwa einStugnft $*ebel auf ber einen 2eite, einer ber
großen ^ubuftrieoertreter, ein Ärupp ober etumm, auf ber aubern
ieite oon ihren gan.3 öerfdiiebenen (Mefid)tepiinfren aue oou ber
2ad)c entwerfen, fonbern ale erfte Aufgabe nützte ee in biefent
<vallc gelten, fid) bae erforberlirt)e urfnnblid)e unb swar in biefem
Julie rein ftatiftifd)c Material 31t oedchaffen, etwa in ber ^Jeife,
baß fid) ber Aorfd)enbe aue ben ;Jal)lenoeröffeutlid)uugcn ber
ftatifti i\t)en 2*ureaue bie .ööl>c bee täglid)en ?lrbeitelol)uee in ben
lU'ridjiebenen -Iwetgen bee gewerblidjen unb inbnftriellen betriebe»
3ufainmenftcllte unb biete bann etwa mit ben greifen ber nor-
wenbigen i'ebenemütel oergliche.
Crin auberee ^eifpiel. (fin <£tautemann will fid), um bie
$ercd)tigung ober Mdttbered)tigung ber Slniprüchc unb Allagen ber
fatholifchen (vntruniepartei wirflid) objeftiü unb rein wal)rt)eitc-
gemäß }u prüfen, eine flarc nnb ^litreffenbe Voritellung oon ber
tt)atfäd)lid)en redttlidjen l'age ber fatl)olifd)en Äirdje in Greußen
ueiidiaffen. rann wirb er fid) naturgemäß nid)t auf bie rar»
üellung eine* AÜbrere bee tfentrume. ebenfowenig aber auf bie
ei nee Wegnere ber fatl)olifd)en .Hird)e oerlaffen, fonbern wieberum
feine Juflud)t 311 nrfunblidien unb ftatiftifchen Quellen nehmen;
in ber bcutfc^en (">etrf)td)tfd>vcttnmti bind) Marl Vantprcdit
211
er wirb bie red)tlid)en unb 3>erfaffungSbeftimmungen über ftecfyte
uitb Pflichten ber fatholifdien .ftird)e mit benen anberer ftrcblidia
(Memeinfdiaftcn vergleichen ; er wirb feftftellen, wie groß bie $e»
o5lferungs}ahl ber Alatbolifeu in Croupen ift unb ob fie im 33eft(>
einer bieicr Seoölferunge\}ahl eutfürechenben Aujabl oon Kirchen
finb, ob ftc ihr enrjpvecnenb in ben höheren unb mittleren Staats*
ftellen »ertreten ftnb, inwieweit für it)re Unterricbtsbebürfniffe aus--
reidjenb geforgt ift :c.
Übertragen mir bie l)ier gewonnenen l%uubfäfce auf bie (?r*
feuntnis oerwanbter (rrfdjeinungcn ber Vergangenheit nno* nehmen
mir juerft bas 33eifpiel ber tfagc ber arbeitenben Waffen, fo ift
flar, baß man fiel) eine jutreffenbe Vorftellung oon berfelben mcber
tum einer Tarftellung eines Wttgliebes berfelben, noct) oon ber
ei nee Angehörigen ber l)errfd)cnben klaffen oerferjaffen fann, fofern
eieje uicl)t ihrerseits auf itrfunblicf) = ftatiftifcf>cn (^runblagen auf«
gebaut ift. 2oId)e ^Tarftellungen aber tonnen mir aus weiter
V.trücfliegenben Jal)r()iinberten jdjon barum nid)t befifeen, weil
foldjc (Mrunblagen urfnnblid) * ftatiftifdjen Gharafterä in jenen
Epochen, wie wir gleid) feben werben, fo gut wie uid)t oorhanben
waren. Taljer fommt eS 3. 3?., baß wir über Art unb Seien
wie über bie tiefereu Urfad)en ber großen fokalen ^Bewegung im
beutfdten Sauernftanbe bes l">. unb HJ. >»ar)rhunberts, bie ir)ren
tthärffteu Ausbrud in bem großen Sancrnfriege oon r>2.> gefunbeu
bat, nod) fo fefir wenig im Haren ftnb. Tie gefd)id)tlidien 3ar*
ftellungen, bie aus jener ;"]cit auf unS gefommen ftnb, ftammen
faft ausnahmslos aus ben Leihen ber (Mcgncr ber Sauern unb
geben baber nur ein einfeitig gefärbtes 3Mlb nid)t bloß ber Vor-
gange felbft, jonbern oor allem ber mirrfchaftlidten 3llftänbe bes
^aiiernftanbes, weldje $11 jener tiefgreifenben unb furd)tbareu fRe*
volution geführt haben. And) hier muffen wir uns, um 311 einer
wirtlich julreffenben (rrfenntniS 311 fommen, oor allem bie not*
wenbigen itrhinblicbcn ©runblagen 311 oerfebaffen fud)eu.
(fbenfo liegt bie (saene bei bem ^weiten ber oben auä ber
(Gegenwart angeführten ^alle. Über bie fird)ltdien tfuftürtbe,
meldK ber großen Deformation Martin Luthers oorhergingen unb
fie »eraulaßten, f)aben fid) natürlich bie hiftorifcfjen SdjriftfteUer
Der <3eit, je uadtbem fie ber einen ober ber anberen Partei an*
gehört haben, ferjr oerfd)iebcu 'geäußert, unb biete entgegengefefeten
Äußerungen ber gleidHeirigen sMftorifer haben ihre Sirfung noch
14*
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t>li> Weorg SiMntcr, Tic ^egri'mbung einer fo,^alitotiitifd)«i v))ietljobc
bie auf bie heutige $efchid)tfchretbung auegebehnt. 9Uir t>abiira>
ift ee möglich gemefen, bajj über biejc wichtige 5ragc 3wet fo ent»
gegengefc^te Auffaffungen, wie bic iHanfee unb Sanffcne, möglich
geroejen finb, bie bod) beibe mit Anführungen gleichzeitiger Schrift*
freller in großer ßat)l belegt finb. £aoon, bap biejc Anführungen bei
^anffen fcineeicegö obfeftit» auegewä()lt unb richtig wiebergegeben
finb, fönnen wir babei 3tinächft abfegen. Orinleud)tenb ift, bap,
nid)t 3war über bie (rreigniffe jelbft, bic SHanfc Dollfommcn 311*
treffenb bargeftellt fyat, wohl aber über bie fird)lid)*uttlia^cn -"Jii*
ftänbc, noeldH* bic Deformation herbeigeführt höben, eine wirflid)
erfd)öpfenbe Vorftcllung nur auf bcmfelben 38ege 311 gewinnen ift,
wie über bie entjprechenben ber (Gegenwart.
(5ben baranf nun, bap er juerft für biefe Uebertragung ber
1 1 r f u n M id) - f t a t i f t i f d) c n Wcthobc oon Problemen ber (Gegenwart auf
jolchc ber Vergangenheit in grofjem £tilc unb umfaffenb ben ätfeg
gefunben unb geebnet fuu\ beruht bie epod)emad)eube Bcbeutung
ber £amprcd)t'fd)en Unterfudjungen. ^ie fommt ee nun, baj; bie
großen führenben fteifter ber beutfd)en $efd)id)tfd)reibung nicht
jd)on früher biefen ^eg gefunben haben, unb auf weld)e itfeife
ift £'amprcd)t ba$u gelangt ihn 3u finbenV £icfc beiben fragen
finb ee, welche nunmehr ber Beantwortung bebürfen.
£ie erfte <yrage beantwortet fid) burd) bic Ctrwägung Der
beiben 5 fjat jachen, baf, einmal bie beutfehe Wefd)id)tjchreibung, wie
wir id)ou hervorhoben, bie 311 bem 6rid)cincn ber gebanflict) grunb*
legenben Arbeiten oon ftarl Wilhelm Oiifcjcf) ben wirtjdjaftltdicn
■\ 11 [täuben bee Volfee nid)t Diejenige Auf mertf autfett wibmete,
wie bae jeUt ber Jvall ift, bann aber, baf; fold)e bequem bereit*
liegenbe ftattftijdx WrunMagcn, wie wir fie für bie Crrfon'chung
ber gegenwärtigen ^uftänbe bepfcen, für bie ber Vergangenheit
eben nid)t oothanben finb. £ie 2tatiftif ift eine oerbältniemäfug
jehr junge Riffen jd)aft, bie in ihren Anfängen fautn über bae
innige "sahihunbcrt juriief reicht. £ae beutfehe Mittelalter fannte
Auf^eid)nungen ober gar ^ufaintnenfteUenbc labellen 311 ftatiftifd)en
^werfen überhaupt nicht; fclbft Aufnahmen über bie ^al)l ber
Beoölferuug waren oöllig ttnbefannt, wie oiel mehr Berufe*, ^olm*,
•^inefmV k. £tatiftifen. bitten gau3 befchränften unb nur fehr
iporabifdi oorhanbenen (?rfat> bafür oermochten nur etwa bie -\u*
iainntenftcUungen 311 gewähren, weldie grofu* Verwaltuugeföroer»
fdiaften, wie natnentlid) bie gropen firchltdjen (Miunbheinchaften,
in btx beutfdien (*>cfd)id)tfd)reibuiig burd) Siaxl Vamprcdit
_>13
3u reinen ^crttalnmgäjroecfcu entwarfen. SDereii ftnb in ber It)at
eine größere Sl^ahl auf unö gefoutmen. £er grofjc, nod) baju
oölUg auf naturalmirtfcr)aftlid)er ®runblage beruhenbe ©rnubbefife
muffte naturgemäß fef>r friil) baran benfen, ftd) über bie vielfachen
nnb fefjr oerfcbiebenartigen Abgaben, welche er oon feinen intern
uub £interfaffen in öeftalt »on grud)t», £üf)ner*f (^ctnfe^ @ier*
^e^Hten 311 ergeben hatte, burdi fcbriftlichc girierung berfclben
genau 31t unterrid)ten. tiefem $eftreben, roie ber Neigung, alle
$erf)ältniffe ganj fonfret uub inbiüibueÜ 311 geftalten, »erbauten
jene t)öd)ft wichtigen Quellen üjre (Jntftehung, welche mir mit bein
■Namen Söeietümer unb Urbare be3eid)nen unb bereu 5i*id)tigfeit
fd)on fer)r früt) oon ber gorfdjung erfanut worben ift. Jd) er*
innere nur baran, baf} ber erfte 3>erfucf) einer Sammlung ber
^eiötümer oon feinem Geringeren als r»on .Jafob Grimm unters
nommen roorben ift. Allein einmal gab biefe 2lrt r»on Duellen
immer nur 2luffd)hijj über eine genriffe Gruppe wirtschaftlicher
(frfcheimmgen, bann trugen biefelben einen rein Iofalen Gharafter,
enblid) aber nerfagten fte für grofje geographifche Gebiete lmfereö
SJatcrlanbeä oollftänbig. 2lud) jte fonnten alfo fcincswegi? atä eine
auereidjenbe Grunblage 31« ftatiftifd)*t)tftort{d)cn Untersuchungen
bienen, fo trefflich fte and) ale Sluegange» unb 2lnhaltepnnfte 31t
fold)en 311 oerwerten waren unb 11. a. namentlich oon Diijjfd) mit
ber ifyrn eigenen, unuergleid)lid)en ftombinationeigabe oerwertet
worbeu ftnb. &fcer aud) er oerwertete fie 3imäd)ft nur a\ß
btoibnen, ale 6in3el3eugniffe für gan3 beftimmte, lofal ftrierte
ftänbe. 2£emt er trofcbem 311 einer genialen ©rfenntniä jener
großen ßufammen^ange 3Wifd)en ber wirtfd)aftlid)eu unb politischen
(*ntwicfelung gelangte, bie mir oben djarafterifiert haben, fo hat
er ba£ nicf)t eigentlich auf ftatiftifcrjcm Sege, fonbern burd) tiefet
")iad)benfen unb geniales kombinieren ber erteilten mirtfdjaftlidjen
unb politischen $fjatfod)cn unb (JntroicfeumgSreihen erreicht.
Sie aber mar e$ möglich, auf biefem 23ege weiter 311 einer
wirflid) ftatifhfchen Sfcljanblung biefer Probleme 3U gelangen, ba
bod) eigentlich ftatrftifd>e Duellen aue bem beutfehen Mittelalter
nicht »orliegen? 2amprecf)t fanb ben 2Beg, inbem er barauf Oer*
3td)tete, bie urfunblichen Duellen eben nur alö Duellen über einen
einzelnen Vorgang 31t betrachten, 'fie oielmehr au? Maffenmaterial
benufcte, um bie ftatiftifchen Tabellen, welche uns ba3 Mittelalter
nicht hinterlaffcn hat, seinerseits refonftrnierenb her^uftelleu. £tatt
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•214 Wcovfl hinter, Xte ^cgrüiiDima einer f o^talflatiftif d)en 'JQictyobt
ber einzelnen Urfunbe nur bie einselnc Il)atjad)e 311 entnehmen,
ir>cict)c fie bezeugen follte, wie bieö bieljer gejd)el)en war, faftte er
taufenbe oon Criu^elurfuuben über Vorgänge berfelben Slrt 311*
lammen, um bae Öefcjj 311 erfennen, meines btefen einzelnen 3*or*
gangen 3U ($ruube liegt. Mad)en mir und baö nrieberum au einem
^eifpiele flar. Cfe fann fein S^eifel fein, bag für bie (rrfcnntni*
ber mirtjdjaftlidjen Vage großer nub 3War gerabc ber unteren
2d)id)ten bee 2>olfee bie #rage t>on entferjeibenber 2Sid)tigfeit ift,
wie fjod) 311 einer beftimmten Seit ber 3in*fnfi für geliehene
Kapitalien geftanben habe. £eute brausen mir, um und über
biefe mistige Jftatfadjc 311 unterrichten, nur bie ftatiftifd)™ ^adjmeife
ber ^örfen beriete, beu £i*font ber Saufen ic. 311 tennen. ftür
baö Mittelalter finb fold)e ^tlfemittel nietjt oorfjanben, wof)l aber
[inb uütürlid) otele Xaufenbe oon ein3elnen Verträgen über 3ine*
bare £arlefjen auf une gefommen. Sind biefen Saujenben oon
Ifiujelurfunben gewann bann Samprecht in fer)r oorfichtiger unb
nmfaffenber Unterjucfjung ben ^ern"d)enben 3inefnf> einer be*
fümmten Seit unb eines beftimmten Sanbe*. ©ine fchetnbar jebr
einfache unb leiste Manipulation, bereu grof?e €d)Wierigfeiten
man erft erfennt, wenn man jid) bie wirtfd)aftlid)en ^erhältnifje
bee Mittelalter^, welche babei in Jrrage fommeu, oergegenwärtigt.
Einmal f)evrfd)te befanntlid) in bem auf allen £ebenegebteten oon
ber fatholifchen Äirdje beftimmenb beeinflußten Mittelalter bie auö
bem fauonifd)en 9Red)te entnommene ^orftellung, baf? Sinenehmen
überhaupt oerboten fei. £a nun aber .franbel unb 3>erfcl)r ohne
Ärebit unb Sind nia)t befreien fonnten, fo mürben alle jold)e
^arlel)eu0oerträge in einer, wenn mir fo jagen bürfen, »er*
((Meierten tform abgefdjloffen. £er (gläubiger erscheint als Käufen
ber Sdmlbner ald ^erfäufer einer Üiente, meld)e in ©elb ober
Naturalien befte^t. (Statt alfo 311 fagen: A Ietljt bem B 100 Itjaler
unb erl)dlt bafür 5 Stjaler Sinfen, Y)c\$i es im mittelalterlichen
Stentenfaufbriefe: Boerfauft bem A eine jährliche diente oon ö Xhalcrn
für 100 Xfjaler unb behält fid) ben &>ieberfanf für biefelbe €umme
oor. ^n biefer einfad)ftcn #onn ift ber ^entenfauf ja gan^ offen*
funbig nichts weiter alö ein, gimieift hnPotf)efarifd) gefidjertes 2)ar*
lehenegefchfift. Slber wie im Mittelalter allcd inbioibualijiert wirb,
10 aud) biefe &rt oon ©efchäften. £ie Gnn3elbeftimmungen ftnb oft jo
ionberbar oerquieft unb fompl^iert, baft mau bie 31t ©runbe liegenbeu
einfachen 3*erhältniffe nur fdjwer erfennen fann. £0311 fommt
in ber bcutfdjcii <tfei(i)id)tid)rcibung biird) &arl vamored)t
-2\:>
nun, um bic 2d)Wierigrcit für eine rein ftatiftijdje llntcvfud)uug
ut erf)öf)ctir bie grcu ^culofc Wün3ücrwirrung, bic namentlich am
(*nbe bee Mittelalters l)errid)te unb einen £>crtmafjftab für bie
oerfdjiebeuen IVi'u^iorten oft gan^lid) unmöglid) mad)t. Tice ift
aber für Unterfudiungeu über ben .-Jinöfufj um fo ftörenber, als
nid)t etwa vereinzelt, fonbern fcljr rjäufig bie JTientc (bcr -5intf) in
einer an bereu ©elbjorte feftgeftellt wirb alä bao Kapital. &ennt
mau nun bat? i^ertnci rjältni*? ber beiben in ber Urfuubc 00 r»
fomtnenben Wclbf orten nid)t gans genau, fo ift biefelbc für bie
Unterfuchung bca ^inefufjeo uidit verwertbar. 9iur wer felbft ein-
mal 2pccialftubicu auf Meiern Webtete gemacht fjat, wirb fid) 0011
ben l)ierau6 ficf) ergebeuben 2d)Wicrigfeitcn eine Ü>orftellung madjen
unb bie 2umme oon Arbeit ermeffen fönnen, bie in einer einzigen
itatiftiidieu labelle Vamorcdjtö fteeft, wie fre fein i^erf für alle mög*
lierjen roirticr)aftlid)*fo3ialcn Verljältniffe ,511 (jnnberten enthalt.
2lber bie (Srgebniffe, bie Vamored)t auf biefem *?ege ge»
Wonnen fjat, 3eigen bentltd), bafc oljne foletje unenblid) müfjfcligen
£etailuntcrfud)ungcn auf Wniub oon tanfenbeu 0011 Cru^elurfunbcn
^u einer wirflid) 3utreffcnben Vorftclluug oon ben mirtid)aftlid)en
Juftänbcn bce ÜJJittelaltere uid)t gelaugt werben fann, ja baf; aud)
grope entfdjeibenbe f)iftorifd)e Vorgänge ofjne fold)e Unterfudumgen
unoerftänblid) bleiben tonnen.
bleiben wir, um uno bietf beutlidi 31t mad)cu, bei bem früher
angegebenen Bcifoiele ber großen fokalen Bewegung im beutfdien
Bauernftanbe, bic fid) im 1;"). ;sa()rl)unbert vollzogen unb in bem
Bauernfricge oon 1524/ 2."» itiren furdjtbarften 9(uäbimf gefuuben
l)atr fterjeu. 3£eld)e$ waren bie tiefer liegeuben Urfacrjcn (nid)t bie
änderen 3>eraulaffungen) bafür, bajj biefer feiner SRatur nad) fon*
ieroatiofte aller <Etänbe, weld)cr in ber (Gegenwart bieder allen
Vertorfungen fosialiftifdjer .ßufu nftäproyljetcn ftanbl)aft wiberftauben
bat, fid) bamale 31t einer ber reoolutiouärften Bewegungen, bie
uniere (^efd)id)te fennt, rjinretjjen liefen Um biefe ftrage wirflid)
erfdjöpfenb 311 berjanbeln, ift ee gaii3 offenbar umimgänglid) not*
menbig, fid) ein wirflid) jutreffcnbcS, auf genauefte Waffen»
beobacfjtung begrünbeteo SMlb oon ber jovialen Vage bce Vanern*
ftanbeö in jener t*pod)e 3U oerfdmffen, wie ein foldjc* aue ben
gleid)3eitigen vsdu'lbcrungcn ber Vorgänge felbft nun einmal nidtf
ui gewinnen ift. .pier mup man fid) flar barüber werben, wie
fid) bamalo bie Verteilung bee (%of;* unb Ä lein *(55rnn bbefi^ee,
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L>1<; Weorg. aiMntev, Sie Jöegrünbung einer fojialftatifHfchcH Wettjobe
bie ^endjulbung betber, bic pcrfönlidjen unb binglicrjcn haften unb
Abgaben beä f leinen dauern an feinen Gfrunbfyerrn unb an Die
.Hircrje geftaltet Ratten k. £iefe a vagen tonnen aber, ba eigentlich
ftatiftijche ünelleu fehlen, mir eben Öabnrd) gewonnen tuerbeu, baß
man ftet) auö taufenben Don (riu^elurfunben, 3s>eietümern unb
Urbaren fold)e ftatiftifdjc Tabellen, mie fie für bie (Gegenwart
mühelos 311 rjaben fmb, felbft herfteUt. Irben rjierfür aber hat
£ampred)t bie einzig mögliche nnb aud) in ber .paur>tfad)e m
richtigen nnb fidjeren Gngebniffen führeube s)Jcetl)obe gefnnben.
OMan braucht mir einen 33lirf in bie im ^weiten $knbe ieinee
^erfeo enthaltenen maffeuhaften ftatiftifd)en labellen biefer iHrt
über bie allmähliche t*ntfternmg unb 2liiabtlbung ber großen weit»
liehen unb geiftlidjen 0*hunbl)errfd)aften unb ifjrer Ginnahmen üou
ben £interfaffen bejm. über bie ftd) baraue ergebenbe $elaftung
ber lederen 311 merfen, um einen überrafcfjenb Haren Ginblüf in
bie geiftige i^erfftätte beo ebenfo bienentjaft fleißigen mie genial
fombiniereuben Aorfchere 311 gemiunen. Unb tu gleid)er 3iktfe ift
er bann bei ber Aufteilung ber greife ber £ebenemittel, ber *v»6l)c
ber täglichen 2trbeitülöf)ne, ber Aeftftellung ber .ftoften bee bnra>
fd)itittlid)en täglid)en t'ebeneuntei halte eines 3lrbcitcrö ic. oerfahren
unb bauet 311 (rrgebniffen gelaugt, mie man fie nod) uor roenigen
Jahrzehnten bei ber ^pröbigfeit unb dürfen haftigfeit bee Quellen*
materiale für unmöglid) gehalten Ijätte.
^tr muffen une i)\cx mit biefen menigen 2lnbeutungeu be*
gnügeu, beim mie fann ein furjer ^eitfdirifKHuffafc es unter*
nehmen wollen, eine mirflid) erfdjbüfenbe ^orftellnng über ein
i^erf oon bem Umfange unb ber Sebeutung beo oorliegcnben bem
l^eier oerjehaffeu 31t mollen? felbft bie befte unb etngehcnbfte
3Myred)uug fönnte bie ^eftüre beo ^erfeö felbft nid)t erfefcen, unb
fie will unb joll e*> aud) uid)t; Dielmehr muß unb foll fie ben
i'cfer gerabe 311 einem roirflidjen 2tubium bec Werfte felbft an*
regen unb oeranlaffen.
sHber mir mürben ber Slrt unb 33ebcutuug beß ^erfee mu
mr Hälfte gered}t merbeu, meun mir bei feinen rein mirtfehafte--
gefd)ichtlid)en lirgebniffen ftel)en bleiben mollteu. ^ol)l mürben
biefelben, mürbe 00t allem bie iBegrüubung einer eraften nnb 311*
oerläfftgen "üJJetrjobe für iold)e biftorifdH03iale Uuterfud)ungen
allein ber Arbeit l'ampreditö eine h^foorragenbe Ükbeutung inner*
halb unferer biftoriidieu Vitieratur fidjern; aber ber t)of)c *>crt
uigmze
in bei beutfdKit Wcfdndtffcfjrcibuita. burd) Marl t'amprectjt
lM7
bee Vamprecht 'f(f)en Scrfetf für unsere hiftoriicfjc Grrfenntuiö offen*
uart fid) erft red)t eigentlich burd) bie 2lrt unb Seife, wie ber
^erfaffer biefe wirtfchafttfgefchichtlidien Grgcbniffc öerwertet, um
W einer gan$ eigenartigen unb grop angelegten, einheitlichen 2tnf=
faffung bee gefamten geid)id)tlid)en Gebens unjeree $olfeä auf
allen Webieten feiner 2?ethätigung, in ber i>o!inf wie in ber ge*
famten geiftigen unb materiellen Kultur ni gelangen, ©crabc
in biefer $ench""g jeigt ee ftd) am beutlidifteu , bap eben
l'amprecht ber fongeniale *Nad)f olger üon Üarl Sil beim 9Hfefd) ift,
bafc er auf ben non biefem eröffneten ©ahnen weiter oorgefd)ritten
ift unb fie mit eigener i^iebanfenarbeit nad) allen Seiten l)in erweitert
unb oertieft hat. ^cnem großen inneren 3ufamtnen^an0e 3wifd)en
ben Oers ergebenen, fdjeinbar getrennten, trjatsächlich aber in fteter
Sechfelrairfung ftet)enben Seiten bee gefd)id)tlid)cn £ebene, melden
Mfcfd) burd) einige große (>H'banfen4tombinatiouen für einige
neroorragenbe (frfchciuungen ber ®es"d)id)te unferee 2*oIfce eutbceft
hatte, ift Vamprecht nun, uon ben miuutiöfeften (ftnjeluntcr*
fuchungen jur rollen £öhe einer einheitlichen geschichtlichen Seit*
aufchauung auffteigenb, in allen lHuf?cnmgen be* ütelgeftaltigen
gefd)id)tlidien Vcbene nachgegangen. Jubem er ben Aufbau nicht,
roie bae früher nuneift geschah, öon oben oon ben am meiften $u
läge tretenbeu gefd)ichtlid)cu (rveigntffen h«'. fonbern oon ber
Wnmblage aue, oon unten her, oon ben flehten unb fleinften ;}u*
sammenhängeu bce nnrtfd)aftlichen bebend beginnt, fommt er erft
$u einer Dollen unb erjdjöpfenben ßrfcnuhüe ber tieferliegenben
llrfacheu jener (Sreigmffe, mit bereu äußerem Verlaufe ftd) bie
(N>efchid)tfchrcibnng biö oor fur$em faft au*fd)liej?lict) beschäftigt hat.
Jnbem er ber aue ber ursprünglichen Gleichheit be$ Seftfcee herauf
fid) eutroicfelnben ©Übung bes (Mrof?grunbbefiketj unb ber Örunb*
herrfd)aft nachgeht, roeift er sngleid) nad), bafj biefe mit ihren
utnächst rein mirtfehaftlichen rrganifationen boch feineäwegg nur
öae Ferment ber fon'alen Schichtung beä ^olfee, ber ©Übung
ber ©crufeftänbe ;c. geioefen ift, fonbern baft fie gerabe babnrd)
auch bie ©runblage beä politifd)en unb ©erfaffungelebenö ge*
roorben ift. 9)iit berounbernewertem ßifer unb Wefchicf entfaltet
er oor bein fcefer ein aufdjanlidsee ©üb baoon, wie biefe (>hunb»
l)errid)aft oon ber roirtfd)aftIid)=jonaleu 9)iad)tfte Illing auö, bie fie
S'id) über ihre Linters äffen unb porigen errang, allmählich aud)
rechtliche unb ftaatlichc ©cfngniife in fid) aufnahm nnb babnrd)
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•J ! S Wcorfl hinter. Tic $k,gviiiit>iuia einer iouaiüürimicl)en Wctlwt*
bie uiuehmenbe Teeeutraliiation Der ^erfaifung uub Verwaltung
f) c r bei ti cf ii t) r t hat, bie uue bisher in innerer l>Mcf)id)te als ein in
feinen llrfachen fo fchwer oerftänblidu'y Märfel entgegengetreten ift.
Wan$ einlief) wie Wtnd) erfennt and) vatnyredU in bieten roirt*
idmUliaVionalen ^ilbnu^eti ben eigcntlid)en idilüffel 311m $er»
ftäubnie ber politifd)=üerfaiimuv?red)tlid)en ift bewuuberungc=
wert, in wie feiner unb oerftitnbitieooller ^eüe er Die allmähliche
iHuegeftaltung ber ftaat!id)en 2miueranität Des lerritorialfürftcn»
tum* aue bieten wirtfd)aftlidHonalen Gräften nnb ^Übungen ab*
geleitet t)at. .v>ier l)at er, auf ben Wfcfayfcbeu ^hiutblageu weiter
fo rtf d) reiten b, Der geid)id)tlid)en Aorfdntug neue, wette (Gebiete
eröffnet, weld)e im weiteren Jvortgang ber wiffenfdjaftlicbeu 2h-
wegnng Ieid)t in ben ent|d)eicenbften i;unften ni einer oölligen
Ummaublung ber biftorifchen (fyfamtauffaffung führen tonnen,
wie fie bae in vieler v^e>iel)ung id)on jelu gethan habet;.
Tiefe 2>egrünbunß nnb Anbahnung einer reidien <vüüe neuer
fruchtbarer wi»feirid)aftlid)er (Gebauten unb (frgebniffe, weldie in
biefem grün biegen ben ^erte Vampred)tö niebergelegt fino, wirb
fid) allerbiiiflö jimädift, gerabe infolge ihrer methobifd)en ^ebeutuna,
nur in ben .Üreifen ber Aadigenoffen felbft in oolleui l>faf;e mirt-
fam unb befrud)tenb erweifen, ba ber Vaie, and) Derjenige, weld)er
fid) für wiffenfd)aftlid)4)iftorifd)e großen in hohem Waße iutereffiert,
ben aufierorbeutlid) fomplijierten unb fdjwieriaen ^fabett, weldje
ber ^erfafjer eingefd)lageu hat, fid)er nid)t überall (ui folgen im
ftanbe ift. ^eld)eu (finfluf; aber bieie neuen Aorid)nugöergebni?K
auf bie wiffenicbaftltd)e (^efomtanid)auuug ausüben unb in ^utunft
oielleidit nodi mehr ausüben werben, barüber fonn and) ber ifaie
fehou jefct ein nitreffenbes s-lMlb fid) oerfdjaffen. renn erfreulicher*
weife f»at ber außerorbentlid? frndnbore Verfaffer fid) nidit mit
jener tiefeinbringenben metl)obifd)eu ^egriiubung feiner miffen*
)d)oftlid)en ^uffaffuug begnügt, fonbern ift alsbalb aud) baron
gegangen, bie (hgebniffe betreiben in einem großen :uifammeu-
faffenben, auch für weitere ,K reife oerftäublidjen *>etfe, einer
f Teutleben C>)efd)id)te" im großen 2tile nieberuilegen, non welcher
bisher brei Staube erfd)ieneu fiub unb welche ber Verfaffer in
uier weiteren täuben bie uir Gegenwart weiterzuführen gebenft.
Tos yh>erf enthalt eine folche JvüUe neuer unb anregeuber (Mebanfen,
baß maud)er Veier, welcher unfere nationale Weidnebte nur aus
ben luubläufigeu £anbbüd)ern feinten gelernt hat, bas ^ilb ber*
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in ber beutfdjeu (^efd)td)tfcf)rcibuna, burd) .Marl vamnredit
leiben in bicfcr Beleuchtung faum roieber erfemien wirb. Memanb
aber, meber #orfd)er nod) t'aic, roirö fid) bei ber Seftüre ber
3s>erfc Samprecbte Der Über3eugung terid) liegen fönnen, baf; er es
f)ier mit einem burdjauö eigenartigen unb originalen Äorfcrjer unb
Genfer 311 trmn bat, beffen Arbeiten ber roiffenfdjaftlicfjen Bewegung
unterer Sage eine Tvüllc neuer Jinpulfc unb Anregungen, ein
reidjee 9Jfnfj ber görbenma, unb Bereidierung gebrad)t fjaben.
©ie Diele neue (*iu3elergebniffe auf ben »cm Tiifcfd) gebahnten,
tum £ampred)t metfjobifd) begrünbeten SScgcn nod) 311 läge ge*
forbert werben mögen, 311 allen Reiten wirb bte Hef d)id) teroi ffen *
icf)aft banfbar anerfennen muffen, baf? nur allem biefe beiben
•Didnuer ee gemefen finb, meld)c bic tyruublage 311 einer über*
rafd)enb melfeitigen unb neuen nnffenfd)aftlid)en Bewegung ber
©eifter gelegt l)aben. Jn biefem 2inne bürfen Beiber Serfe, ein
jebee in feiner bejonberen Art, ale wiffenfd)aftlid) epod)emad)enb
bezeichnet werben.
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^tmfferijc&o yaptoacfife-||dttfhpna;on.
Von patil ^ablmanti.
Woito: „Tie Oiavrn i>abu bie ftaftnad)t erbaebt,
Xaburd) fic schieben babn jm bracht,
oft mancher \um armen man gemacht. "
3cb. braut's Warrenfdnff, cap. 110b.
Tk dlteften >JJad)rid)tcn über bie aUjüt)rlid)en ftaftnadjte*
gcbrandie in ^fünfter nerbanfen wir bem 1550 nom ^omfapite!
311m Sieftor betf Wuift. ^auliuiidicn $nmnafufmö ernannten
Hermann oon &er#enbrotcf , ber nno in feiner CMefd)id)te ber
^iebertänfer1) „bie £tabt fünfter, wie fic }ii feiner 3eit war,
2d)ritt oor sBdnitt beidirieben, bic ftäbtifd>en @inrid)tungen, bie
£tänbe, bitten imb alleo, wa£ Werfwürbigee in ben #uftänben
fid) finben lieg, aufgc3eid)net nnb anofüljrlid) gefcrjilbert" 2) l)at.
') lat. £bracf)c ca. 15*»<i— 157H ntebcrgefdmcben nnb in einem
(*remplar iiad) Köln ,uim Drurf gefanbt. Ter Trucf unterblieb aber auf >Be-
fel)l beo fünfter, £tabtrate*r »Deinem ba^ JSerf bauptfäcblicb, roobl be*f>alb
mifwel, weil es ber istabt fünfter unb einer Wenge ^anritten feine (*bre
machte, unb metl bte ^reibeiteliebe ber Bürger ,ui oft barin angegriffen
würbe, tnbem ber Meftor offenbar etwa* parteiifd) für ben JiMfdjof nnb
bao Xomfapttel fdjrieb. Äerfjcnbrotcf muftte alle erreichbaren (nemplarc —
loiele xHbfc^riften tjatten feine ^cfyttler gemacljt) — abliefern, breijetm itym
namhaft gemadjte xHrtifel „gegen fein Wcwtffen" wiberrufen unb ungeachtet
ber <sürbtttcti be* liiüniterifdjen unb ^abcrbornfcfjen romfapitelS — (er
war 1575 Mcftor in >J>aberborn geworben) - *200 JHeicbstfjaler „jur 5tfe<
ftrafung feiner Unart" ,ml)len. i^gl. 3of. König, (»efdj. Waty. über
b. Huinnaf. ,m fünfter. Onmtnaf. ^rogr. 1*:>1 pap. 155-18(>;
31. (crt)arbr (Mefdncfttc Wünfterä. fünfter 1nH7 pap. 4o!» -411; ^eitfdjr.
f. oaterl. Heid), u. Sütcrt. 33b. 15. fünfter 1*54 pap. 245— 200.) 2uu>
bem baben ftcb jabjreictye xHbfcbriften bes Criginalö erljalten ; eine beutfdje
Überfettung einer ioldjen — nach, ber mir nadjfte^enb eitleren — mürbe
1771 in. lssl i gebrueft.
J) 91. Cornelius, Tie münfter. «f>umaniftcn u. H)r Ü>erl)ältute
fliir Deformation. Hinter 1*51 pap. 40.
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s4taul ^a^Imann, 3ttünftcriid>e tfaftnad)ts=;öelufiigungen J_> 1
Sein 33erid)t bilbet bie ©runblage für bie nocr) auof i'tl) iitct)cren
Angaben |bee am 7. 3>e$ember UiOH oerftorbenen 9)cünft. £om*
fantorä 9)iela)ior SRöcbeU"), bie ()ier unüerfür3t mit allen rerb*
betten ber Damaligen ;ieit — aber be* leichteren ^erftanbniffee
roea.en in* öod)beutfcf)c übertragen — folgen mögen4):
3I £as Original feiner fünfter. (Sbronif befinbet fid) auf ber &gl.
v4>aul. iiMbliotber ju fünfter, bod) mürbe l)ier bie 51 umgäbe oon ^ob-
^anffen (in: «efd)id)töqucllen beo $t*t. iWfmftcr. #b. III. fünfter 1n."><>)
benufet. — ?llö $robe aus ber angerünbigten (Ujronif SRöcbciTä finbet
fid) ber ^ier in 5öetrad)t fommenbe iHbfdmitt bereite in: SLHeftpbalia.
£r*fl. d. ?. Irofc. Jabrg. II. 6amm 1*25 2tüd -M f.
4) £ie in eefige Klammern f ] eina,efd)l offenen stellen finb ber
Überfettung bes Äcrfjenbroirf i)>aü. 7*J — 77 > entnommen, ber aud) über bie
Aeier be* Weujab,rö< unb £1. Srekviöniaslagc* oon beu Wüniteranern
behauet :
„Tas1 neue oal)r fangen fie mit roect>fcl*>it»ctfcn Waftereien, yeften,
(gefangen, illeujabrsgefdjenfen unb teutfrfjen Biebern au, unb ioünfd)en fid)
einanber, roo fie fid) bea,eanen, einen glürflidjcn xHufaug be* neuen ^abreo
unb Überreben fid), bafj baS (*nbe bcöfclbett bem Anfang allerbing* gleid)
fein werbe. 3ur felbigen 3eit madjt jebe Hausmutter oon Wcbl unb
Honig ober >D?ett) ober aud) nur oon reinem, unfd)marfl)aften Gaffer,
nad)bcm bas Vermögen einer jeben grofj ober flcin ift, mit ba,uoifcben
gemengten Pfeffer unb anberen Hetoürjen einen geiuiffen Xcig, bridjt beu
felben in fo oicle Seile, als ^erfonen im £aufe finb, bätft Kudjen baraus
unb oerteilet foldje, nad)bem fie oorber Hott unb ber t)l- Waria ben be
frtmmtcn Anteil geioibmet bat, noelcbeu nad)l)er bie Vinnen berommeni.
mit geioiffen Webräud)en unb Wormeln unter bie Familie unb fdjlägt mit
gebauter £auft einem jeben nad) ber Meib,e auf bie 33ruft, roobei fie bieje
SSorte fprtd)t:
Kleine 2türfer große? Hlütfe,
iBcffcr ift ber Haft als bie Kiid)e.
Darauf bemüben fie fid), bie Kudjeu ,ut jerbred)en; meil fie aber febr bart
finb, ernennen fie einen ftarfen Wann, ber fie ibneu ent.uoet bridjt, meldjer
aber allemal bas lebte 3tütf oon eilten jeben Kudjen für feine iBcmübung
fid) zueignet. Sie uebmen fid) einanber bie Kudjen betmlid) locg unb
ertoerben fid) baburd) fein geringes Vob ibrer Hefdmflid)feit. llnterbcffcn
trinfen fie tapfer berum unb bringen unter biefeti ^efdutfrigungeu einen
guten £eil ber *Had)t ui.
Md)t weniger fdmtaufen fie auf bem ^eft ber >>l. Drei Könige,
roobei aud) bie Kud)en nid)t oergeffen werben. Überbein toirb bnrd) bas
Voos ein König (Sobnenfönig) emuiblct, ber nad) föniglicbem Webraud)
einem jeben in ber Hefellfdjaft ein getoiffes x'lmt auftragt, unb ben, ber
basfelbe nid)t gebörig oenoaltet, traft feines fönigltcben Slmts beftrafet.
xHn biefen enoäbnten lagen fotoobl, als aud) an bem ,\cft ber Heburt
(5brifti, ioerben burd) beu A>ausoater unter x'lbünguug gciftlicber lieber
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121
"Hanl Stahmann
warb allfjier ut fünfter bie A*aftiiad)t (vastelabendt)5)
mit ioldjer l'nftbarfeit unb Werferei jäljrlid) gehalten, bajj ee faum
.51t jagen ift. £enn jeber tlwt biefc ^eit über, maß iljm gelüftete
unb beliebte, nngeftraft, unb warb ioldje* alle* ber 5oftnad)t 511*
geicfjrieben. (5* uerfleibeten nnb rjermnmmten fid) Äitedjte nnb
^iiigbe nnb anbere Ungenannte: fo fielen fie bei gnten Kenten ein,
f offen nnb fragen mit irjnen nnerfannt, nnb foldjeä gefdjal) fo»ot)l
bee Tages ale bee 9iad)te. 2ie fyatten uor fid) pfeifen, trommeln,
Warfen, Vanten, Violen nnb liebeln nnb anberiet (Mefpiel, tankten
nnb fprangen nnb ftellten fid) nid)t anbere an ale roilbe 33ieftcr
nnb nnfinnige Vente. £ie Kranen sogen ber Männer nnb bie
Banner ber Alanen Alieibnng an, bamit fie nid)t erfannt nutrben;
alle Käufer mit ^ettnaud) nnb gcmcil)ctem Gaffer geioetl)et imb uon
2ünben gercintget, tucldjcr $crrtd)tnng alle .f>auogenoffcn bei brennenben
Viertem beiwohnen."
r,i ,. a n ft tt a d) t" in ber 2d)wei,}, in 2d)waben nnb im (rlfafc:
„Attünad)t", in dauern nnb Cfterreid): „Aafd)ing" , uolfoetmnolofttid)
an ben Skgrifr bes «afteno angcfd)l offen, tyeifrt urfprünglid) „Aafcnadjt,
Aa^nadjt" ib. i. iuiffcnnad)t, tum fafcln — hoffen treiben).
"30ifttelaltcv l)ief} ber Aaftnad)tO;£icn*tag, an bem nodj äleifd)
im Überflufi genoffen werben burfte, and) „Carni.apinm- (oon rurn.ui
« ,i|x r.\ Aleijd) befommen) ober .< arnivunr inon rarm-in voran-. Alctfd)
uerfdUingeni, wie man and) ba* i^ort ...siarneoal" 00m ttal. «<'anu>
\al. :- ('.Übten Alctfd)!) — aber and) tunn ixa\\,\. j 'ar navah (bem 2d)iff*
wagen, ani meldjent nermnmmte (>>ef!ültcn oon Crt \u Crt ,ui fahren
yflcgtctt) ober Dom rcltifd)cn .rar- i.friigel, Erhöhung) nnb „wal.s- < alt-
fclrifcne* Acit) - abgeleitet Dat.
Xcr Maineoal — nad) ber Jeit, in bie er fallt, niat)rfd)cinlidi au* ben
römifd)en Utacdwualicit bevoorgegangen nnb oon ben an* bem .£eibeittnnic
übergetretenen h'hriüen beibehalten — banert bk« ,11111t •.»ifdjermtttmod), mit
toeld)cm ba* im Anfange bes 1. ^abrhiinbcrt* tirdjlid) allgemein eingeführte
tnerugtägige Aaücn fett ungefähr bem N\alnc i>OÜ beginnt, 10 baft es ben
XHujdjein gewinnt, alo wollte man fid) bind) bie eigentümlichen Aeftlidv
feiten ((Belage, iänjc, hoffen, Wasterabcn jc.i int ooraue für bic benov
i:et)enbcn (nitbelniingeii ber Aaficu,}cit fdjablo* galten, iiiäbrenb ber
Marneoal früher mit bem Acftc ber <M. Trei .sUmigc begann, mäl)rcn bie
eigentlichen Vnftbartetten jetst bbayten* ad)t, in tentfdjlanb mettt mir
brei läge. 2d)on längft biefl ber rienstag Dor 5!tid)ermirtmocb „cigentlid)e
ober echte Aaftnadit", ber oorbergebenbc IVontag „AteHmontag" ober
„".Karrcnrtrdjrocil)" — in ber 2d)roci,i „.öirfemontag" (Don ljir.jern b. i).
H'dieni ober „(suibiviitontag" (Don ^au.lcrr. fid) freuen) — , ber lebte
Sonntag Dor ben .saften - Kstomihi) ,,.<>encnfaftnad)t", ba an ibnt j>ie
Herren b. I). (Meiftlidien tbre Aaitnadit hielten.
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'jHünftcrifdye riauuad)t»<$klu?tiguiigeu
bes Wadjts trugen fie Sterben (tortisen) in ben Rauben ober liefen
fid) and) mof)l feuchten Dortragen. Cnlicbc flciboten fid) ans ald
lürfen, Reiben nnb sl>olcn, ctlid)e als leufel nnb böfc (Meifter.
^er iolches am toitn bcrba rl ichftcn unb feltfamften machen founte,
bei war bcr befte Wann; freilief) gefd)al) unter joldicm .\?aiibel
and) oft grojje Büberei. Jn allen Käufern, mo fie ^infamen,
nötigten fte bie Seilte }ii fpiclen nnb hielten ifjncn eine "Dimmnen«
fdjain ober ^mct. 2ie hatten nämlid) einen unter fid), ber bie
Würfel trug unb auf bas spielen fat); gewann er etwas, fo mar
es ifjnen allen }um beften, uerlor er aber, fo lacfttc er uid)t laut
unb marb befdjimpfet. Uuterbcs biefer bie s)Jiiimmenfd)üii3 hielt
unb fpielte, roaren bie anbereu luftig mit langen unb kaufen.
v»i>ol)in fie tarnen, ba traftierte fie bcr Hauswirt ebilid) mit ^cin
nnb 2*ier, mie fid) 's traf, unb meinte oft, es todreit gute Seilte,
roenn es and) 2diaffanteu waren, an benen nidrt oiel gelegen.
Areilid) tbaten's and) mand)mal gute Seilte, bie wohl gerne bei
einanber gewefen mären, aber bie entlarvten fid) aisbann unb
gaben fid) }u erf ernten. (ftltd)e ioffen burd) bie Samen, etliche
hatten [filberne ober | zinnerne 'Kohren am >>alfc hängen, bind)
welche fie fogen; unb menn fie aufhörten 311 fangen, ließen fie Das,
was in ber Wöhre blieb, wieber in bie .Mannen ober $*ed)cr laufen,
fo baf; es jeben anefcln tonnte, bcr uad) ihnen baraus triuten
mußte: aber bies marb alles ber iyaftnadtf nigefd)rieben. [Tiefe
Mianhigfeit ber bitten uuirbe oon feinem unter ihnen, ba fie alle
^cftfalingei waren nnb alle bieie Sljorbeit niitmaditcn, bemerfet,
'"onbern bind) bie onterläubiiehe (Mcmoljnhett gereditfertiget.|
Sind) alle 3uttftßefeUett, Clingens uub Mnedite, begingen
bies ^eft heirltd). Jebe otinft (nmpt) wal)lte ben ?lnfehnlid)ften
unter fid) jitm Aäbttrid), ber fid) barauf herrlid) fleiben mußte
tmb bas Fähnlein [2d)ilb| trug, bereu jebc ^unft ein befonbereS
hatte. Wit biefem Aäl)nrid)e gingen fie aus ihrem ,Urug ( beim
eine jebe ^linft hatte and) einen befonbereu Atriig): bie Hungens
gingen oor beut Säljnrid), uub bie Alned)te folgten ihm nad), alle
paarweife mit pfeifen unb Stommeln; fie gingen burd) bie gan^e
2tabt in bie .oäufer aller IVeifter unb aller berer, für bie fie bas
Jaf)r über gearbeitet hatten, unb bettelten (iammeltcn wollt' id)
fageu) bort Weib, Jvleifd) 1111b dürfte, tauUtu in allen Käufern
mit bein .oausgefinbe unb mürben and), wohin fie tarnen, uad)
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2-_>4 *aul Stahmann
'i ? .
(tfelegenfyeii mit $ier traftiert. 6) Sita* fte an tfleifd) unb dürften
betauten, ba$ mußten tf)iten jroei ftarfe Männer in einem $rag=
bäume nad)tragen, bamit jebennann fefyen tonnte uub modjte, was
fie befamen. 3Baren fte runb gemefcn, gingen fte wieber in itjren
&rug imb entbaten bann auf bie folgenbcn läge itjrer 9Meifter
£öd)ter unb Sflägbe nnb fonftige Jungfern, joffen, fragen, (prangen
unb tagten otwe Unterlaß, be* 3iad)tö fowot)l al$ bei Sage, wo'$
wof)l oft feltfam 3itging unb manchmal im i'aufe be$ Jaljre mit
.^änben unb Ruften auöbrad). sie Ratten oft metjr Söpfe unb
Jtrüge als Ikonen ba waren [unb wiber bie $ewol)nt)eit ber
SBeftfülmger gingen faft 10 Diele SJedjer Ijerum, alo Hcrfonen bei
bem 2d)maufe waren. Wd)t ol)ne l'eben&jcfaljr nötigten fie fid)
3umeilcn unter einanber, gleid) ftarf 31t trinfcn, babmd) fte fowol)l
ifjrem i'eib als il)rem Beutel fd)abeten]. @e oerfoffen unb Der*
prapten oft bie (Gefeiten fo Diel in biefen rvaftnad) tragen,
baf; fte bie übrige Seit beo .Jatjrcä mieber .Hummer leiben
mupten. SJtondjmul ftellten fie fid) aud) fo au mit 2d)lagen
nnb sdjelten, bajj i()re Öilbemeiftcr7) nnb ber ?Kat genug 311 tl)un
fjatten, bafj fte aueemanber famen unb ftd) oertrugen. -Ii>ar aud)
einer ober ber anbere unter ben Wcfellen, ber mit biefent treffen
unb saufen nidjti? wollte \n tljun fjaben ober ed aud) uid)t im
Wentel t>attc nnb fid) abjonberu wollte, ben f) ölten fte, jebennann
311m Spott, mit Gewalt auf einer Leiter in ben .Hrug, uub ber=
felbe warb allentljalben mit Gaffer begoffen, fo baf? er burd) unb
bnrd) naj? warb, unb bie ifyn trugen würben aud) uid)t oeigeffeu.
Jn summa: 2llleutl)alben foff nnb fraf? mau, unb allenthalben,
woljin man fam, bie gan$e 2tabt burd), ba hörte man anbere
uid)te ale pfeifen, 'Irommcln, Violen unb liebeln unb aUcrlmnb
(Aipiel mit großem Judnen unb sdjreien.
"i (*in fold)ec> (riut'ammeln tum dürften, (*ieru, ioeif, Oielb :c.
fmnmt faft bei allen uorbbcutidjen 'Ntosfcrabcu oor, fo namciitlitt) in
Bremen, wo bctfljalb im 17. oabrljnnbcrt bic A^utnadjto.u'iac oerboten
uutrben, in fünfter, wo fie nod) nad) ls.Ho ftaür'anbcn, in bei Wittel*
marf, in ber lUlhnarf, 100 bie ftnedjte mit ^JJJufif oon >>of ,ui £>of .logtu,
rmevü bie Ä>au*rrau, bann bic Ibdjtcr nnb Wägbc mit iMrfcnrnten fd)luacn
(•taitotcn) nnb bann *>urü\ (^ter unb 2d)iiapö empfin««n \i 31. Aarme. Ter
(>arncnal. SXöln n. Üumn 1n;>4 ].a^. l:'4i.
' ) >bc ;Junft Ijatte ,nuei .^oritcljer ober Ältefte, Wilbemciuev; nur bie
WcUacr, iDcld)c in ,uoei Jiinftc, bie alte unb neue, eingeteilt waren, hatten
beren oicr. — »i*al. Äcrfjenbroicf 1. <•. im» tu; f.
1
4Rünfterifd)e 3afinad}ttv**eluftigungeu
2tuc^ bieSJfctyger (flieshoawere)8) fjatten alliier bee< TMentftag*
Slbcnbe einen n>un beritten £anbel in ©ebraud): Sie ritten unb
fingen be$ Bbenbä bunt) bic gan$e Stabt in aller Wefcger .Käufer,
^roei ßhlbcmeifter, beren jeber eine Aafync führte, ritten oor,
barnad) folgten alte 9Hefcgerf öfpte, fo ed)t unb rec^t geboren
waren, $u paaren: bic fo grofj maren, bafj fic fi<f) aUein auf ben
Werben bcfjelfen tonnten, ritten aUein; bie anbereit, bie nod) ^n
Hein waren, alö bap fic felbcr reiten unb bae ^ferb regieren
tonnten, Ratten Männer neben fief) geljen, bie fic auf ben ^ferbeu
gelten; bie f leinen fiinber aber, bie nod) in bor SiMcac in Sinbcln
lagen, Ratten anbere oor ftcf) auf bem Dattel unb waren fämtlid)
jerjr fd)ön mit Silber unb ©olb gelieret, 2i>enn fte bae leiten
etlichemal getrau Ratten, würben fic ei ngcf abrieben; wenn bann
einer oon iftren Altern ftarb, Oer einen , Stapel* ober ,Stebbe-f
wie fic ce nannten, in ber ¥Sd)arne" (*letfd)t)alle) gehabt twtte,
io erbte ber ältefte Sofjn, ber feineu föitt juerft getrau batte, bie
Stätte ober ben Stapel wieber.0) 9iad) biefen i^ferben folgten bie
^wei anberen (Milbcmeifter mit ber „3?raut" }u Jvnjje unb bar*
nad) alle anbereu Wcfoger, paarweife nad) ibrem Hilter,
^raut, welche fie alfo nmfjcrfüfjrten, mar feine mirflid)c 3?raut,
ionbern bie ältefte unocrljciratctc Jodjter in ber ßunft; berfelben
mürbe aud) oon ber 3unft ein Ä leib Oerel)», menn fte fo mit
umging. £ie Iöd)ter tonnten aber feinen Stapel ober Staub in
bei Sdjarnc erben, aufier menn fic fid) mit einem ocrljei rateten,
^er }ur ^nnft gehörte, ^ie Stabt-Spielleute ritten aud) oor ben
"i Tie Wefogcr fpicltcn überhaupt burd) faft aan,\ Tcmimlaub, ab
c\e«el)en vom jKrjeiu, eine Hauptrolle beim ftarneoal. Matmc 1. c pag.
11»» unb 124». — "sit fünfter rjalten fte nod) jc^t am äaftnad)t*>
Itetiätag itjre &ar»alfabc.
' Tas Mecfjt, eine rslei|d)bauf ,m Ijaben, tonnten iid) nur ebelidjc
We&aerföfme, unb uuar lebigltd) bind) biefe* Herumreiten, erwerben.
Tic „nne 2d)arue" lag auf bem ^rüuipalmarfte acut Nr. J4 ; in
Meier befanb fid) ber 2tabtfellcr, in inelmcin ber fliagiftrat einbeimnebe*
unb auswärtiges $Mcr oeqapfen ließ, bt* er \u bteiciu ,{wcrfe l.r>»;4.*— 71
ein befonbercs Webänbe (^rtuvWarft 1>>; erricl)tete. Tie „olbc 'Sdrarne",
beren ißoben als ftäbriicfje Aorufammer bicute, roar auf bem Woga,en<
marftc; am 2. 3Kai 1774 ermädjtigte SMfdwf Warimilian Aiiebrtd) ben
fi'afliftrat, fic in ein nad) oorgrlegtcm Baupläne eiiuuriduenbe* 2d)au
ml unb Stalüjau* ibas jetfige iljeatert umunuanbelu. Ü*eibe 2d>arnen
:r»arcn ftäbtiidjeo Eigentum.
^eit{cfcn't ffir Multurtu'idiicfrtc. 1.
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♦Hanl ^ülHmunii
«
(Milbemeiftern, fo bie Jahnen führten, unD fpielten auf allen
Waffen; fie hatten einen neben fid) laufen, bev ttjnen Die ^ferbe
leitete, ba fte beim spielen bev ^änbc nidjt mächtig waren. -Nad)
ben 93? ekgern folgten and) Die Mnedjte unb Jungeue, 3Wifcnen
if)nen gingen grofje fturfe Männer mit Garfeln, fo giofj als üe
fie tragen tonnten; bieielbcu waren gemad)t aus ii>erg unb alten
Gumpen ober altem l'eintud) unb in Jett, Sfjecr unb &>ad)$ ge=
tränft. diefe Jarfeln leud)teten fel)r bell, unb neben jeber Dattel
lief uod) ein Junge mit einem Störte, ber baranf fd)lug, bamit
fie befto fjeller brannte. >ber <D?ej3ger unb jonberlid) bie £ned)te
hatten einen Äranj, oon einem 2d)nupftud)e ober etwas anberem
|aue^anfj gemadjt, in ber .v>anb. tarnen fte oor eine* "Dicfcgere
.Öaiu\ fo mufete man unten bte Ibüren gan$ aufmad)en. diejenigen,
weldje auf ben ^ferben jagen, blieben oor ber SJjür auf ber 2traf;e
halten; bie ftilbemeiftcr gingen mit ber 33raut in einer 9teif)e in
bae §aue, faxten in bie .Kränze, bie fie in ber £anb trugen unb
Sogen ber eine ben anberen uad). Stfeitn bann bie JKeitje an bie
Alned)te fam, jogen Meie ben Sd)ioengel, |iubem ber Grifte oon ben
burd) bie &rän$e 3ufammengefetteteu 23urfd)en bie gan3e JKeitjc in
einen länglichen Äreis ^ermn^og, fo bafj bie Vetteren faft allemal
oon ben Crrfteren abgeriffen mürben unb] baf? einer fjier, ber anbere
bort lag, worüber fid) ötcl ßadjen* crljob. die Dietger würben
in allen Käufern, wofjiu fie tarnen, herrlid) mit *>em unb 33icr
traftiert, unb bie, fo bvciiifru auf ben ^ferben fafien, and) nid)t
oergeffeu; ben .ttned)ten würbe gleidjfalle 2Mer genngiam oerabreidit,
wenn fte ben £d)wengel alfo gesogen hatten, ^aren fie in allen
9)fekgerbäufern geioefen, (benn fie gingen in feine anbere), fo ritten
fie wieber nad) beut IVart'te: die, fo 311 Jvupc waren, bilbeten bort
oor ber 2d)arne mit ber ^raut einen Alretö, fafUen in bie Miincjc,
bie fic in ben .öünben trugen, gingen fo ,}Wei= ober breimal runb
um unb fangen ein t'ieb, bao niemanb oerfteheu fonnte unb bao
fic and) uiemanbem lehrten, ber nid)t 311 il)ncn gehörte. 25ar
bie»? gcfd)cf)cn, gingen fie in bic 2d)arnc. die ttncd)te unb Jungen*
^ogeu bort ben 2d)wcngel, unb bamit war ee für biefeu llbenD
gethan; ein jeber ging wieber nad) Jpaufe. die läge Darauf aber
hielten fie nod) einen großen ;}ed), mit 2aufen unb ^reffen.
fluch war eo Gebrauch auf Dem domlpfe, bafl bie tont:
Ijcrrcn, fo eigene Haushaltung hatten, auf „lutteke vastelabendt-
d\ i. Den donnerstag Daoor, wenn bie ttomyagme*$rübcr ben
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9)iümterifd)c <Nauna$t^$eluftiaungcn
(^erf eingeholt hatten) 2Jbenbe nad) ber 9Jiaf)l3eit einen langen
t^Taf)! ober £t ort mit 2t\o\) mmoanben; btefen fefctcn fie mit bem
(fnbe in bic @rbe, gerabc it)rer Pforte auf bem £oml)ofe gegen-
über, fteeften bae £trol) oben an, unb unterbee bae 8trof) oon
oben biö unten brannte, tanjten bie Änedjte unb 9Rägbe ruub
herum unb matten pd) luftig unb fro^lid). SNee nannten fie
bae ,aueleud)ten", ba fie bamit ben Äned)ten unb DJiägben
erlaubten, aud) if)re 5aftnad)t 31t galten. Unb folc^ee gefdjab
gleichfalls auf bee gürften £ofe. Sienetag &benbd, menn bie
9We£ger umritten unb unb bie i\ompagnie*33rüber umgingen, ge*
febab ein gleichee Seudjten oor ber Herren Pforte, unb bae nannten
fie bae „Einleuchten", benn mm mußten bie Liener mieber ihren
•Herren aufwarten unb bie 9Hägbe u)un, roae ihnen befohlen. £ie
Domherren aber 30901 gemöfjnlid) bteje ;}eit über 3111- £tabt t)in*
aue 311 ihren ^reunben unb German bten.10)
3lu bem nämlichen £ien$tag*2lbcnb würben aud) in ber
ganjen etabt unb fonberlid) auf bem durfte unb bei ben Stabre-
fcbilbern XfteertMtnm aufgerichtet , froorin nod) etwa* Iljeer
bangen geblieben mar]. £iefe festen fie auf große ^einfäffer ober
anbere Tonnen, füllten fie inroenbig mit Stroh unb /Ö0I3 unb
fteeften fte oben an, bie fie 311 ßnbe brannten. Sin etlichen Drreu,
mo bie sitrafjen fo enge roaren, bafj man biefelben nid)t ohne
Acueregefatjr ftellen fonnte, fyatten fie einen großen hülfen buidi
flarue ober Hex aquifolium, v£ted)eid)e], an bem Ärän3e mit
brennenben Alerten hingen. Um biefe Iljeertonnen rourbe aud)
foon Änaben unb s})idbd)en, 3uroeilen nid)t ol)ne ^erlnft ihrer
&eujd)f>eit] beinahe bie gan$e Oiadjt hütburd) getankt unb gejubelt.
£a mar jold) ein fteuer unb Vicht auf allen £trapen, bafj einer,
m) Wud) fdjon als iBeml). Drengerioolt ba* Pfarramt ber "\afobifud)e
Devroalteie iloO*- \b'13) würbe ber „Vüiljefe 3>aftelaDenbt" auf beut £om<
t)ofe gefeiert. Tod) weiß biefer in f. x'lufaeidmungen nod) nidjtö »on beu
burd) jHödjeU gefd)ilberten ^Roheiten 31t enäl)len. (rr ermähnt nur, bof? er
alö Pfarrer an biefem läge auf 11 Ul)r fteto ,wm ^üttagötifd) auf bem
Aurftentjofe ibem jerjüien ^egierungeaebäube) gelaben fei unb bei 2tfd) ben
2,\t$ bes /5Ürftbtfd)of^ eingenommen Ijabe, inbciu er uor unb nad) bem
(vffen bao Webet (IV-m-dicih- et (Jratias) uerrid)tete. C^ne Bmetfel pflegte
ber gurftbifdjof Um, ber Unfug utd)t gebulbet tjaben mürbe, besljalb ein«
.mlaben, baft bic an fid) unfd)ulbtae Aaftnacrjtsfrcube ictuer £ausleute ofcne
llnorbnung oor fid) gelje. < Z. xH. Iibm\ Tic "safobünarre in fünfter 0.
l.">os— 15-J:i. fünfter 1n*ö |.a-. s»;.
l.V
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U?aul Stahmann
ber baoon nicfjte muf?te unb brausen mar, gemeint f)aben tollte,,
ee ftünbc bie ganje 2tabt in flammen.
2Vr reichjten Bürger £öfme fjatten aud) eine 2*ruberfd)aft
unter fid), roeldje aud) bie <yaftnad)t über gehalten unb 6t. tlttneu?
^rubcn'djoft genannt rourbe; bie trüber aber biepen bie .Horn*
pagnie*3* rüber (cumpanien broder). £tefe 3ef)rten oft Dor
ftaftnadjt jufammen, trieben aud) 3ur «vaftnad)t Diele unb inandjerlei
hoffen (boetze) unb feltfame ©erfereien. (>>Icicf>wof)l Ratten fie
unter fid) ftrenge Wefefce unb Trbnungen, monad) fie fid) tjalten
mußten; übertraten fte biefelben, mufete es ir)v 33eutcl entgelten. n>
£ie befafjeu gemiffe Kenten unb C^tnfünfte, um bie Soften be£
Welagee 311 beftreiten. 3» ^en Vorgelagen, bie fte immer beä
iHbenbe gelten, luben fte «äfte, melcbe fie bie 01ad)t über fjerrlid)
traftiertett. £te maren es, Don benen gefdjrieben ftefjt, bog fie
ben lag in bie Stacht unb bie Oiad)t mteber in ben Sag Der*
teerten; benn bee -Nadirs f offen unb fragen fte oljne Unterlaß unb
bee Sags fdjliefen fie, unb mußten Don feinem ?lufl)ören 31t fagen.
|2ie maren es, meld)e fid) arm unD anbere reid) madjten; fie
maren es, meld)e nid)t fo fcl)r fid) au? anberen moljlmollten: benn
burd) ^djmelgen bradjten fie ifjr Vermögen burd) unb if)rer Cs>efd)äfte
marteteu fie nadjläfftg; aber bie ^irte mürben burd) fte reid)].
C*s famen aud) mand)e junge ttaufleute (koepgesellen) Don £übeef,
Hamburg unb 23remtn unb nahmen beS Vergnügens falber Anteil
au biefer Kompagnie; mar ^afrnad)t Dorbei, 3ogen fte mieber ab.
£ieie ßompagnie* Vrüber trieben aud) offentlid) [bem Volfe $5e=
meiic ifirer Iborfjeit gebenb] Diele Werfereien unb hoffen, balb 311
Werbe, balb 31t Jvupe, unb maren allzeit Dermnmmt, banrit man
fie nient fettneii fonnte. donnerstags Dor «Yüftnadrt „lutken
vastelabendt" genannt ritten fte paarroeife in faltDdterifdjen
ober ftd) für it)ren 3tanb nid)t fd)i(fcnben] Kleibern, bie einanber
11 1 Detter unten fommt Möcbell normal» auf btefe Statuten unb
Weiettc (bie jungen i'ciiten jef)r nüulid) finbj .uirütf. 2te maren ba,\u ba,
bafi bie Witglicber „gletd)ioot)l im Raunte gehalten mürben, auf baß feiner
etwa* llnbübfd)f* unb allc^, ma* ttjnt grabe beliebte, au^füljren burftc.
"Jtiemanb, ber es» oerbient t>atte, blieb ungeftraft; unb folc^cc- gefmab, nid)t
örentltd), fonbern unter Urnen, gefdjab, aud) nid)t am Veibe, fonbern am
Beutel, fo ban biefer uomnagnie oon vielen nadjgeriünnt mürbe, baß
man bort motu" einen Stoben Abtuen fönuc, unb fie als ein 3nd)ibait*
unb eine 2d)ule ber jungen Bürger gead)tet mürbe, mes^alb oft audj
gute Yeutc ü)rc Äinber hinein tfjaten, baft fie allba etmao gewinnet mürben."
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$iiinfterifd)e Aaftnadjtö.jöeluftiguiuicn
ganj gleid) roareu unb bie fie aud) alle Jafjre ocränberten unb
bunt genug machen Uegeu , auö ber Pforte. £te Ratten einen
Sagen bei jtd), in meld)em etliche jagen, bie beim Stuefal^reit einen
[jugeberften] (Herfen [iogenannten „Morio"12)] in bem Sagen liegen
Ratten, ber oon £iunentud) nad) einem 93ienjd)en gemad)t unb
mmenbig mit &eu unb Ztxol) bid)t gefüllt mar. Senn fie un*
gefd^r bie Äiuberfyauä gefommen maren, fliegten fie ben „Doctor"
Ijeroor, trieben feltfame äfferct mit ifjm, Ijiefjen iijn millfommen,
hinten if)n unb traten il)m Diel @l)re unb ^reunb)d)aft au unb
mußten cor lauter £iebe nid)t, roai* fie if)m anttjun follteu: ber
eine roollte it)n efjer fjaben al$ ber anbere. 9Jtit fold) großen
^reuben unb Jubilieren brad)teu fie ifni in bie etabt, liefen il)n
oom Sagen tyerab iebermann feljen, als Ratten fie it)u oon brausen
gerjolt, [altf einen oornerjmen Jperrn prädjtig in Smpfang genommen],
unb ald mare ctmaä (9rofece baran gelegen, bajj fie ifm berommeu
fjätten, ritten mit ir)m etliche (Strafen entlang, bamit jebermann
ec geroal)r mürbe unb it)n fd^e. ^ulefet famen fie mit itjm auf
ben Sflarft, fuhren bort breimal mit ifjm tjenim unb gelten bann
mit i!)m auf bem Sagen ftille. Mba mar eine teilte mitten
über ben 93tarft gekannt oon einer £eite 3ur auberen oben au<ü
ben Sciiftern; baran fingen $äufe mit ben güfeen angebunben.
2*on)er fjatten einige gemettet, mer ben (hänfen in oollem kennen
ben Äoöf abgießen fönntc: nun rannten fie barnaa) unb griff
einer nad) bem anberen barnaa^, unb mer bae ($lücf tjatte, ben
Äopf ab3U3iel)en, gemann bie Seite 3um beften ber 23 rüber; beim
alle Seiten, fo unter ifynen gefdjaljen, galten 311m beften ber
Srüber. Sar bie* gefd)er)enf fo 3ogen fie mieber einträchtig nad)
bem §auje, roorin fie bie Äompagnte gelten, unb empfingen aud)
bort biefen neuen „Doctor" mit großen <Eolenuitäten, unb fraßen
unb f offen mit großen Areubeu. . . $on biefem Sage an bis baß
ber „Doctor" — mie man balb l)öreu mirb - mieber oerbrannt
rourbe, maren menige oernünftige £eute in ber ganzen £tabt, nid)t
aüein in ber Kompagnie unb unter ben 3unftgef eilen, fonbern eä
oermummten jid) aud) bie f leinen ßinber, bie faum felbft getjen
tonnten, unb 3ogen bie (Waffen entlang. pJtadjbem alfo ber ^or*
ftet)er (Doctor, Mono) angekommen mar, bezeugte ein jeber feine
13> „Morioues" t)iefjen bei ben alten Römern bie oon il)tten (uir
löelufrigung gehaltenen 3rocrge. £iejelben maren fo teuer, baß für
«inen mandmtal 1000 9iti)lr. bejaht umrben.
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i\Su U?aul ^üljlmann
Zartheit *reube wollte ich jagen iiict)t nur in bor 2d)änfe,
fonbcrn and) hin nnb wieber in ber £tabt, auf eine' linbefdjrcib»
liehe Seife. £enn bei ber (Megenwart iljrees ^arrenpatrone
glaubten jie unzählige Birten oon &u cid) weifungen uttgeftraft bc*
gehen 311 tonnen. Tiefer if)r Scrjukherr bemühte fid) and), fein
ffieid) immer mehr nnb mer)r 311 erweitern. £af)er fdjtctte er oft
feine oerlaroten Höflinge, mit Garfeln unb £id)tent bewaffnet, 311
Jvnfe unb unter bem ($eräufd) ber trompeten unb pfeifen in ber
oermegenen ?lbfid)t aus, baß fte in bie Käufer, wo gefchmauft
würbe, einbringen nnb burd) spielen, Irinren nnb langen
^erfonen beiberlei Wefchledjtä 311 gleichem Unfinn reiben unb burd)
biefe £ift bas :)ieid) ber Hjorfjeit 3U »ergröjjern fliehen fottten,
welchen (rnb^rocef fte beim aud) oielfad) erreichten.] £eö lienetage
31t „loste vastelabendt", gingen bie £ompagniess£rübcr, wenn
fte gegeffen hatten, in ihrer .ftleibung, bie fte eigen* ba3u Ratten
machen iaffen unb mooon bie eine wie bie anbere, unb 3War bunt
genug, fein mufite, paarweife unb Merten in ben £änbeu tragen b
au* ber .Hompaguie burd) bie gaine ^tabt in bie Käufer, wo fte
311 .paue gehörten nnb aue betten fte an ben vergangenen lagen
bie Jungfern unb grauen 311 (Mafte gehabt hatten, gelten bort
N))fummenfd)äii3e unb tankten aud) 3Wei ober brei länje, unb
überall, wo fte hinfamen, würben fte herrlich traftiert mit üh?ein
unb s#ier, baft fte oft bce 3Korgenä nicht wußten, wie fte wieber
311 .'pau* gefotmnen waren. T'm ^raffen unb Behren bauerte
bie 311m elften Tonncrätag in ber ftaften [oor bem (Eomttag
AnoocaoitJ. Senn bann biefee „Docters" Liener unb Untertljanen
fahen unb merften, baft fie oon ihrem .perrn betrogen unb Der*
leitet waren beim fte waren alle matt unb franf oon bem
oielen treffen unb kaufen geworben würben fte 3omig auf
ihn unb gaben ihm alle S'dmlb, e* reute fte, baß fie ihm fo grofje
(*hre bemieien hatten, fie [tieften unb |d)Iugen ihn gar unbarmherzig,
brohten ihm gar fyavt, warfen ihn barnieöer unb behanbelten tt)ii
übel, jagten, er wäre ein 2d)elm, Verräter, Wörber unb £ieb, er
hätte fte alle Oermten unb io weit gebracht, er follte unb müfttc
ohne Wnabe fterben. 2k nahmen ihn wieber in 301'nigem $Jhtte
auf ben Sagen, fuoar nid)t einen jolcfjcn, auf weichein er gletcf)fain
im Iriumph war in bie 2tabt geführet warben, jonbern auf einen
Srauerwagen, neben welchem eine Sache unb ein uerfappter ^rieftet
alo Per ^eichtoater beo Worio, hciflingen,] ehrten ihn nid)t roic
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WiimtcvifdK ^aiiuadjt* ^eliutiiuimic" -'.*5 1
vorher, f on bciit biffcn Die ;|äbnc über ihm ^uiammeu uub broljteu
ihm (ehr. Tic, fo bei ihm auf bem Sagen waren, fd)obeu, (tieften
unb fd)lugen ihn, unb fuhren all o mit ihm burd) bie gan^e 2tabt;
alle anbereu trüber ritten mit uub gaben iouberlid) ad)t auf ihn,
irnf? er ihnen nidn eutfonunen möchte. "Kenn fie bann bie Waffen
mit ihm auf uub nieber gewefen waren, famen fie julefct mit ihm
auf ben Warft uub führten ihn breimal barnm herum. Sllebann
ftanb aud) allba mitten auf beut Warft ein hölzerne* SMIb, welche*
beibe £anbe auegeftreeft h«tte unb ba* fie ben Wolanb nannten.
£a* $ilb ftanb fo auf einer eüeruen £tange, baf; ee umlaufen
tonnte; ee hatte in bei rechten ^aub eine runbe £d)cibe, etwa*
arojjcr ale ein Seiler, unb an ber linfen >>anb einen Oiarrenfolben
( irockeskolbe) hangen. rUinge fjermn ftauben lauge Speere; bamit
rannten fie, einer uad) bem anberen, unb ftad)en bem JKolanb in
Die rechte >>aitbr marin Die runbe Scheibe mar: alebaun lief er
(ber Wolaub) um unb ichlng mit ber linfen >>anb, barin er ben
.Kolben fjdtte, umher; meuu bann ber jenige, fo geftoaVn hatte,
nidit mit genügenber Cfile ivegrürfte, befam er einen berbeu .\?ieb
auf ben Würfen ober in ben Warfen, baf; iebermann alebann lad)te.
2k hatten aud) an biejem läge iowot)l ale an bem porigen
^Tonneretag, mo fie tl)n (ben „Doctor") einholten, ein flein
Atränjleiu, burd) weld)ee man ungefähr einen 2*all fteefen fonnte;
Darnach rannten fie aud) mit ben Speeren, Ser baburd) in nollem
rKeunen ftedjen fonnte, ber gewann etwa* ben trübem ^uiii heften,
worum fie bie norigen läge gewettet hatten. Unterbe* biefe Äurj*
weil alfo öffentlich gefdjah, I)örte bei ^rieftcr bem armen 2üuber
(Dem „Doetor"), ber auf einer 2eite bee Warftee hielt, bie 25eid)te.
Senn iokbee alle* geid)el)eu war, fam ein beftellter ftid)ter mit
^wei $et lifeern, föftlid) gefleibet, IjerDor unb ging mitten auf bem
Warft auf einen ?Rid)terftubl, ber allba zugerichtet war, mit feinen
2*ciftfeeni fifcen. SUebanu würbe ber 2ünber uon bem Sagen
gebracht unb oon bem Werid)t*biener heftig angeflagt, baf> er wäre
ein l^ollfäufer, Sein* unb 3?ier*$erberber, Sürfler («loehheU'i •»,
2pieler, aller feiner Wütcr 3>eiid)rociibcr (utfkoeeher) unb Äht-
fd)lemmer, ein Lügner, Näuber, 5£cfd)üfeer (uflhoelder) aller lafter*
haften Üeute, ^erberber ber Jugenb, .vuuenjäger, ein C^rfiuber unb
xHnftifter (furgenger) aller Veid)tferttgfeit uub Werferei, ein 2törer bei
(Mnigfeit unb be* ^rieben*, ein Urheber (stiffter) tüeler Worbe unb
S otichläge, ein echänber ber Alanen unb Jungfrauen, ein Ehebrecher
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tnuii Stahmann
unb ^eräd)ter aller (Gebote ©ottee. Unb roeil biefe Rimbert jeberraann
in bcr aai^en Seit funb unb befannt waren, formte er fie iiidit
ableugnen unb burfte bteö aud) nid)t tljun, bamit er nid)t $otteö
3om nod) mefjr über jtd) erwecfen unb iijn nod) weiter er3ürncn
mochte, fonbern fdjroieg ftill ba3u unb fdjien jümmerlid) 311 meinen,
benn bie Liener, fo babei (tauben, mifdjten il)m bie Iljränen Don
ben Warfen. £eet)alb mürbe er burd) ben 9ud)ter, obtoorjl er mobl
einen fdjmereren 'lob oerbieut l)ätte, nun *veuer oerbammt. siobalD
bie* Urteil oon bem 9itd)ter gefprod)en mar, marfen fie i(jn in bae
neuer, bae bereite ba mar unb brannte, unb Derbrannten 1:i) if)u
ui $utoer, bafj bie &fd)e über bie ganje £tabt flog. £a mar
beinahe alles £*olf in ber ga^en 2tabt auf bem 9Jiarfte, unb aud)
bie Aenfter runb um ben ÜÄartt lagen Doli ^olfeo, ba* bieien
."öanbel unb biefe (Mecterei mit anfal). Senn bie* alfo gefd)ef)eu
mar, ritten jie mieber einträchtig nad) ber Jlompagnie, Don mo fie
auegeritteu rcaren, fdjicften bie ^ferbc mieber nad) £aue unb labten
alöbann mieberum itjre betrübten .öe^en. Tee Montage1 barauf,
nämlid) be£ erften Montage in ber haften, menn alle bieie
Werteret unb freimütige rKaferei ein Grube tjatte, gelten fie ein feljr
großes unb l)errlid)e$ Welag unb (5onDtDium( luben ben gan3en
#tat unb bie anfel)ulid)ften ßeute in ber £tabt ein, geiftlid)
unb mcülid), unb begannen14) alebann ba bie haften; mao bort
dou Aaftenfoft uid)t üorfjattben mar, bae fonnte man rooljl ent»
beeren. ,5) 2ie Ratten in biefer Äompagnic 3mei Sllterleute. benen
fte gerjorjam fein mupten unb bie alle ^njjDerftänbniffc unb Un*
einigfeiten fd)lid)teten unb beilegten. £iefe 2llterleute mürben alle
B) Das Verbrennen (ober (nfänfeni eilten 2trolnnannes finbet fid)
aiiBcr in «fünfter, roo es Aarme (1. c. pag. 119» nod) im Csabre ls*2U ge
fetjen rjatte, aud) in anberen bentfctjcn etäbien S. Aianffurt o.
als altl)ergebrad)te 2itte. (v;. gei*d)iel)t au einigen Trten Dienstags, an
anberen 2li\l)ermtttrood)s unb tft bem Jöacd)ii^-33egräbniö 311 Dergleichen. —
Ten gallijdjcn Alarneoal bcfdjlofj es ftets unb runrbe nod) im SfäjXt 1«ÜX
in *-üarts ausgefübrt.
14 ) Slls bie ^nibcn'd)aft 1596 angeflagt mürbe, baß tf^rc 2d)effcr
am VljdKnnittmod) Alctfdjfpetfen öorgefetjt bitten, oerteibigte fie fid) bamit,
ba& bies feit mebr als 41) 3ab,rcn (^ebrand) gemejeu märe. i£d)olm*
^rotofoll bes C^res 1596 p. 9 im 3tabtard)iu \u ^fünfter; ogl. >itid)i.
f. oaterl. C»ejd). 11. Altert. 43b. X), ^fünfter 1*77, 1 paj;. Sl.l
,5i 2old)c großen ^aftenbinero als 'J{ad)feter be* Aarncoalo finbeti
nad) Aabne il. pag. 1*25 1 an jebem ^itttmod) nnb Aieitag ber Aauen in
ben (^attbäiifcrn Wündjen* itatt.
Uigitizecl by Goog
}}ȟii|terifd)c 'Aa?tna<ht*'!Beluftigunacn
3af)re an biefem Zage in Slnwejeuheit aller Wäfte mit pfeifen unb
Irompeten unb Überlaffung einee Axnfelfrugeä (hanse kroses)
öffentlich gewählt. Triefe nnb nod) Biel mehr Wetferei imb frei»
willige Waferei trieben fie bic <yaftnacf)t über, bie alle 311 erzählen
,ui lang fein mürbe.
Die anderen jungen 6efeUen, bie nid)t in ben fünften
waren, lagen bie gan$e 3?it über auf bem *DJarfte nnb auf offener
Strafte, würfelten unb jptelten aud) ol)ite Unterlag. tftlidje festen
einen lebenbigeu .öatju auf ein N&eiufaft, baß auf bem Äopfe
(uberende) ftanb, unb hatten einen 23all, ber eben burd) baä
Spunblod) gehen fonnte. Daun mürben etlid)e ftuft oon bem
Äinfaffe aue abgemeffen, wo einer fteheu muftte. 2i>er bann oon
ba ab ben 33aU burd) bae Spuuolod) in bae Seinfaft fd)ieften
fonnte, ber Ijatte ben -Jpal)n gewonnen. Jeber l)atte etlidje Sd)üffe
für ein gemiffee Weib; fd)oft er unterbeft ben 33all nicht hinein
unb wollte bann mehr fdjieften, fo muftte er aud) mehr Weib geben,
ober eä waren jofort anbere ba, bie Weib gaben unb an feine
Stelle traten, bie er (ber .N)ahn) gewonnen war; unb wer il)n ge*
wann, fefcte it)u oft wieber aue unb lieft weiter barum id)ieften. —
(rtlidje anbere fjatten einen ober mehrere anbere £äl)ne auf
leb igen lifdjen ftetjen. Dabei lagen fedje Würfel, unb war
auf bem einen ein Äuge, auf bem ^weiten jwei Singen, bie 3U
ied)fen. Da waren bann etliche, bie um bie meiften Singen
warfen, unb fjatte ein jeber nid)t mehr ale brei 3£ürfe (smetze)
für fein Weib. Sollte er ober ein anberer mel)r werfen, in ber
Hoffnung mehr unb l)öf)ere Äugen $u werfen, fo muftten fie wieber
anber Weib geben, unb warb foldjer .\>al)n eine Stunbe ober eine
halbe auegefefct. Sobalb bie Wlotfe fd)lug, ging ber mit bem
.>}atyn weg, ber in biejer 3eit bie meiften klugen geworfen hatte. —
Gtlidje anbere Ratten einen .'oafjn an einer s^eine mitten auf
bem dürfte, legten &nüppel babei unb maften etlid)e Schritte
Segeö oon bem £ahn ab, wo einer flehen muftte. Dort holte
aud) ein jeber etliche Söürfe für fein Weib; fonnte er bann Den
•Oahn in ben dürfen, bie er hatte, mit ben .Knüppeln, bie ba
lagen, tot werfen, fo war ber £af)u fein; wo nid)t, fo waren
anbere ba, bie aisbann aufe neue barnad) warfen, bie baft fie
ihn tot warfen, unb wer bae tl)at, ging mit il)m weg. — 3lm
felben läge ftachen ftcf) auch etlidje oor ?igtbii=Ihor Sanbe oon
ben i^ferben tyxab. Die alfo uifantuien ftad)en, hatten Lüftungen
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2:U
an unb lange 2piej?e (pulse) in ben 21 raten liegen nnb rannten
alfo gegen einander an. &>er bann ben anberen fo treffen tonnte,
baf; biefer oom vl>ferbe fallen mufne, ȟljrcnb er auf bem feinen
fi&en blieb, ber Ijatte gewonnen; ftürjttn fie aber alle beibe, fo
ging eo »teber oon neuem an.
Tiefe nnb bergleidicn nocl) otcl mef)r anbete Stffereteit unb
(tfeefereien mürben allster bie Auftnad)t über betrieben, bie f)ier
alle $u coolen, $u lang mdre.,,;) Tiemeil aber ber Wat l)ernad)
oft grofce Wüf) unb .Klag' befnm nnb and) fal), bafc C^ott burd)
fold) kaufen unb treffen unb jolcften Übermut gröbltd) erzürnet
mürbe unb foldjer £anbel aud) nid)t djriftlid) unb göttlid) mar,
Ijat er foldictf Anno 1 :><;:> htr^ oor bc$ ÜMjdjofe >l). oon £ona
Regierung |$ur Ateube alter :)ied)tfd)affencn | abgefd)afft. Unb ob
ee mol)l in einem Jatjrc nid)t fo gän^ltd) tonnte abgejdjafft »erben,
(tnb }»ar uod) etlidK vestigia (Spuren) unb }tad)»el)en baoon
eine ;>>ett laug im (Mebraud) geblieben, iebod) uon o>a^r 511 Jafjr
gentinbert unb ntcfjr abgefd)afft morben |fo baf; jeftt nid)t bie
geringfte £pur mehr baoon übrig ift|."
3lud) in ber am legten Cftober I">7I oon bem SMfcftof
Johann oon A>ona ebirten Wünfteriidien (Gemeinen Crbnung17)
»irb ^nr ^ermeibung oon „Uberfluf; nnb unnotturfftigeu Unfoften
nnb barauf; l)erflicffeuben mehrfaltigen Uurafjte nuub ^ibermertig*
leiten" auf 2. 21 f. beftimmt: „Tie ^aftelabent * 3Mer unnb
*Wcfelfd)afften jollett nur in ber Oiad)barfd)afft 311 einer $tolt,$ctt auff
gemeine Unfoften unnb pillidje Beilage eiuec jeben gefdjefjen unnb
babei gelaffeu, aber bie £d)»crbt&enfecr unb Wummeret f ollen bin*
furter abgefdjafft unnb oermittenn »erben . . . £0 off t bamiber ge*
nanbelt unnb ein jeber ^erfonn Ungel)orfam gefoltert fmirb, foll| bie^
felbe AÜnff Wäret .«tr i;een uunadilefUid) 311 bemalen fellig fein.*
Tiefe »ic alle übrigen bort belwfe (*injd)ränfung ber ^ufammeufünfte
unb fd)»clgerifd)en Waftmaljle ber Uutertljanen getroffenen 33efttm-
muttgen »urben am 24. $Lpv\l l~)7s, 20. :Vooember 1(>2X,
23. Wärj 1 (»32 nnb 22. Te^ember HJ.V2 oon neuem eingcfd)ärft,s),
K') i'ln anberer 3 teile beridjtet Mödjcll il. i-. pau. 4i, baß <saftnad)t
l.Vw ein miefemoeib au? Trabant, ba* 11 aiir lang mar, nad) ^fünfter
fam unb fid) für Weib (eben lief?.
,7i (Erneuert am 17. üUml 1M7. i^eibe (nenmlare auf ber 5Uil.
^aultmicfien ^ibliottjef ,ui fünfter.)
Sammlung ber Weicfcc unb ^erorbmuigen, meldie in b. Ägl.
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$iünftcrifd)e «aft!uid)t<y-^elu!tifliiiiflcii
2X>
beebalb aber bod) immer noch auf bie althergebrachte ^aftuadite»
feier einige Diiicffichten genommen. 31 lc 55. ber lag bee
^Ipoftel^ 9Jtotn)iaä 19) auf Sfchermittmod) fiel unb beetjalb am
<vaftnad)te=£ienstag hätte gefaftet werben muffen, gemattete ber
2?ifcfiof ßrnft Don dauern für bieemal unb jpäter, wenn ee fid>
mieber fo träfe (wie Kilo, 1 <">2 1 , 163-2 jc.), an biejem Jage
Tvlcifrf) 511 effen unb bafür am samötag nor ber grofjen Aaftuacht
gn faften.20)
Jtn 1 7. Jahrhunbert mar ooir größeren ftaftnachtöluftbar-
feiten abgelesen Don ben italiemfchen £täbten, in benen fid)
ber .vtarnenal unauegefefct tu fefter, hergebrachter $orm fortbewegt
hat nirgenbe Diel 311 fpüren; aber fd)on $u beginn bes fol*
genben Jahrtuinberts tjatteu fie im galten .öodhftift mieber berart
überhanb genommen, bafj ftd) ber 2Jtfd)of ftranj Slrnolb am
9. Januar 1 71(1 31t folgenbem Schreiben21) an bie Slmtebroften
Deranlafjt fah: /Jiad)bemaf)len bie Erfahrung geiget, meldjergeftalt
in Unferem £od)ftift fünfter an Derichiebenen Crtern ber Wifc
brauch eingeriffen, bajj bie Sa|titaa)tetage ad 14 Jage unb länger
mit £auffen, langen, Jyrepen unb anberen Üppigfeiten Don
benberlei ©efchlechte^erfonen pflegen celebrirt 311 werben, babmdi
aber nicht nur allerljanb <2canbalen unb anbere £ünben Deraiv-
läget werben, ba man Dielmehr 511 iolchcr 3eit bnrd) anbere
chriftliche Übungen fid) gu ber 1)1. haften anid)icfen follte, Unfcr
^Bifchöftich unb Sanbesherrlichec 2fmt aber bnref) gehörige Verbote
berglcichen ^ipbräuefte einstellen erforbert, io befehlen Sir (Such
hiennit gnäbigft, allen unb jebeu (hiree kirnte Cfingcfeffenen, baf;
bergleichen 5öftnad)te=^ufammenfünfte unb Zechereien Döllig ab-
gefchaffet unb nur bie lernten jwei Jage Dor ^fcrjermittmochen eine
ehrbare (Srgöfclichfeit, woraus fein 2lrgernif? eutftehen fann, Der-
ftattet fein folle, burch ein i>ublicanbum bebeuten 311 laffen unb
allen £rte*SBebienteu nachbrücflich einjufchärfen, baf; fte auf bie
(5ontraDentoree fleifjig ad)t ha°en unb biefclben ^ur ^eftrafuug
gehörigen Crto bemusteren.* Jn ber £tabt fünfter mag Diel*
leicht manche Shtefchreitimg infolge ber Don ber Üanbeeregienmg
i*reuB. (nbfürftent. ^fünfter . . . ergangen unb. ^b. I u. 11. Wflnfter
1*42 -Mro*. 53, «II u. 122.
'24. Februar, in einem 2d)altjaf)rc 2Ö. Februar.
9{Öd)eU 1. pa^r. 141.
-M ?sm Ägl. itaat^arebin yi fünfter.
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236
%4>oul Stahmann
gematteten 2)ia$fenbäUe unterblieben fein, bezüglich beren 1775
imb 1 77i) bie beiben nadrftefjenben, in meinem 23eftJ$ befmblidjen
i^ublifanben erfctjienen:
35allorbnung.Jl)
Wadjbem 3einer &uhrfürftlid)en (Knaben $u Äöln, $ifd)of
AÜrft ju fünfter Unfer gnäbigfter ,\ürft unb .f)m( 2C. für bie
bic$jäi)rige A-aftnad)t*jeit bie öffentliche 2MUe jur Chrgöfcung bei
Sßublici auf beut hiefigen jpoffaale in ber gnäbigften 3uuerfi(f)t
wieber $u erlauben gnabigft geruljet hoben, baß niemanb biefe
hoffte (9nabe mißbrauchen, fonbern jebermann fidj umfo anftänbiger
betragen werbe, als wibrigen Aalte ber ivad)tt)abenbe Dffkier an»
gewiefen ift, ohne ftüefftcht ber *ßerfon bie hierunter §et)Ienbe auä
bem ^allorte hinausführen ju lafjen ; 3U§ werben folgenbe fünften
$u jebermann* genauefter Befolgung hiermit befannt gemaaVt:
§. I.
(*rftrecft ftdb biefe (nlaubniß ber abjubaltcnben öffentlichen
maoquirten Fällen allein auf t)em ^tefi^en .froffaale, unb fiub
auffer biefem Crte fonft nirgenbe bergleid)en oerftattet.
§. 2.
Werben bie maöquirten i^äUe auf bem .fooffaale ben erften
Wontag nach bem bren AlönigSfefte ihren Anfang nehmen, unb
fofort alle Montage bi* Wontag naefj sseragefima eiujdjlieölich,
fobann ferner auf ben Sonntag C*fto mihi unb ben barauf folgen»
ben Tienftag gehalten werben.
§. 3.
Werben jwar ju biefen Fällen aUc Sßerfoncn ohne Unterfchieb
beC" 3tanbeo gegen Erlegung be$ gewöhnlichen (*intritegelbeö ju«
gelajfeu werben; bod) mit bem ausbrücf liehen Vorbehalt, baß ein«
jeber, e* feue bann, baß berfclbe in ber -öof» ober WilitaiMlniform
erfcheine, madquiret fene; ober wenn er in eigener .Hleibung tommt,
wenigsten« eine Varoe oor baö I9efid)t habe:
l'ior«e^ebienten unb Dienftmägbe füllen aber gar nia)t m
bem 2aal bineingelafjen werben; wornach ben Wad)ten bie ge-
meffeufte ftnweifung ju geben tu.
§• 4.
Die Wahl ber 9)ia$quen bleibt einem jebeu frei) r gleidjwobl
barf niemanb in einer unanftänbigen ober etfelbaften tDladque ober
Varve, noch flutf) in geiftlicfter» ober Crben^fletbung erfebeinen, alä
welche ohne Oiüctficht ber ^erfon fofort unb ohne weitere Anfrage
abgemiejen werben follen.
22) i>gl. Sammlung ber OiefeKe zc. 1. »■. Oir. 4!>7.
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Sttünftertfcge £aftna(rjtö»$eluftigungcn 237
§. ö.
bleibt es gleichfalls einemjeben fr«), ob er bte gange 3cit
fnnburd) bie Varoe oors ü£ejidj)t behalten unb maöquiret uerbleiben
ober ftd) bema^quiren roolle: nur muß einjeber, tote fd)on §. 3. be*
merfet, benm Eintritte in ben ^alljaal bie i'aroe coro Wefidjt haben.
§. 6.
$>irb Ijiemit bei) roürflidjer Mbroeifung burd) bie ih>ad)e Der-
borgen, ein 2eiten* ober Reiter- ober anberes f)eimlid)eä $etoef)r
ben fid) gu baben.
§. 7*1
C*s ift ber SMrector ber Wuftque angewiesen, abmed))elenb
IKenuet, Seutfd) unb (*nglifd) fpielen gu laffen, unb ift irmt unter
feinerlen $orwanb erlaubt, oon biefer flbwed)jelung abguweidjen;
(Se wirb bemfelben bes (SnbeS ein fdjriftlicfjer $efef)l erteilet
werben, wie lange jebeömal eine jebe Gangart gefpielet werben joll;
Tie Wufique gu ben englifd)en Sängen muß aber folange
fortgefpielet werben, bi* baö ^aar, was gu Anfange bee Sange*
bao Unterfte in ber Kolonne gewefen, bie gange Kolonne bura>
gelanget pat;
:!»>ef)renb baß Seutfd) gelanget wirb, haben ftd) biejenige, welche
nirf)t mittangen, auf bie leiten 31t ftellen, bamit* für bie S augenbe
»Kaum genug offen bleibe, unb c§ ift niajt erlaubet mitlerweile
burcrj Slnfteliung einer Golonne 31t englifdjen Sängen ober fonft
benjelben 311 oerengen.
§• ».
3et>e^ $aar, wa$ englifdj langet, ift oerbuubeu, folange in ber
(lolonne fielen gu bleiben, bt* es nad) burengetangter (iolonne,
oon bem unterften (*nbe berfelben wieber gu ben lUufang gerütfet
ift, unb wie man
§• ti.
nid)t anberft oermut^et, al* bafe einjeber gu feiner eigenen tttyre
ftd) eine£ anjtänbigen unb pöflidjcn betragen* gegen jebermann
befleißigen roerbe, fo foflen alle, weldje jidj bierwieber was gu
n) 3>n ber am 15. San. 1*12 bejdjloffenen ^allorbnung lOTünft.
3nteUig.«$H. 1812 >Jtr. 2) roirb folgenbe iTietgenfolge ber länge feftgefent:
1. Menuett, 2. Söalger, 3. Kolonnen» lang, 4. Ärangöf. CuabrtUc, ö. *talger,
<i. Golormen-Sang, 7. $rangöf. Cuabrille, s. >&alger, J». Kolonnen »lang,
10. ^rangöf. £uabrtlle, 11. ©alger, 12. (5olomten=lang, 13. ber Äeqraiw,
14. lefcter Baljer.
9luf ben erfreu 35?alger folgt eine ^aufc oon 1 4 £tunbf, roelrfje nad)
iPeenbtgung eines jeben Sanges mit ?lu6fcrjhiB be«? Jicfnaus unb bes
legten 2£alger3 roteberpolt roirb. £te 3ftufif wirb f)öd)ftens '/« 2tb. für
jeben Bälger, V» £tb. für eine "Cuabrille unb 3,4 2tb. für einen (5oIomten^
Sang fptelen.
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i>3s
4>aul $tat)linami
-2 dm Iben fommon laffett unb au* -.Waulafferen ober 2tuge.$ogen*
fjeit iemaitben beleibigen ober ben ^rctcnr fpielen wollen, ol>ite
:)\ürf|"id)t ber ^erfon fofort burdi bic $*ad)e von bem StaUorte weg«
gefdjaffet werben.
3d)lief,lid) nerficpet man (ich $n iebermann, baß obbefagte
fünften von männiglid)en pienaueft beobad)tet, mithin and) alle
Stänbe fid) bermaffen galten werben, baf> non (einem ein Unter«
fd)eib, es jene im Jangen ober 3ifcen, $um flbbrudje unb %)iaa>
ftanbe be* anbern gemachet werbe;
Unb bamit fetner fid) mit ber Unwiffenljeit entfdjulbigen fönne,
foll gegenwärtige Jöallorbnung bei) fluätbeilung bec- 3lnfunbigungö'
jettelo $ugleid) mit aw>gett)eilet unb auf bem 35aUfaale felbft an*
geheftet werben.
Urfunb furjrfürftlicnen geheimen Mangeleh^nfifgcl« unb ber
^ibimation. fünfter ben '>tC11 oänner 177.").
(L. s.: vi. *X\ Don Jööfelager.
(5. 35. Wunftcrman.
Äerncre ^allorbnung.
Tamit ben ben in biefein ^atjre im Aomöbieu^aufe annod)
gehalten wevbenben öffentlichen mafquirteu Fällen gute Crbnung
benbefcalten unb ber etwa }u befürcrjtcnbcn Unorbnung vorgebogen
werbe, fo wirb
1. bic unter bem .Ven Jänner 177Ö im Truct erlaffene ^all«
orbnuug für bief; ^>af>r hiermit erneuert, unb neben bem
1. befohlen, baft bemn Inngauge nad) bengebrutften ^lan*4)
34} Wan, wie bic Jicljung aufm ^aü um bie Wäue folle oor^
<lcnommeu werben.
(** werben \n biefein (*ubjmeif fed)o ftäitgenö zubereitet, morinn
in einem jebmebeu bie nötrngen Rillet* ober diumern für jeben San,»,
bereit unb gebrurft liegen.
Tiefe 1; Aäftgen* werben benen ranieit gleid) betjm ("•iugange
uräfentiret, woraus biefelben alsbann au? einem jeben .tfentgen einen
Gunter 3iel)eit; biefe <l ".Kumeni finb alfo auf <; bifferenten Säu.}e ge«
richtet, unb in felbige* au* uad)itet)enber Atgur ,ui fetjen.
TiXO. 1.
trritet etiflltfdjer
bin 3. irebr. 177'.».
Oiro. I.
giertet cngUfdjcr lau;
b«n X fcebr. 1770.
>)(X0. 1.
ferner englifrtxr Ja»?
bat 3. »jebr. 17?.».
3iro. 1.
fünfter «ifliiidjer Jan;
ben 3. ftebr. 177'.».
Miro. I.
trtttcr englifctxr iaiij
ben 5cbr. 1779.
ttro. I.
2cd)ft« enfllüAer lang
bei! 3. r?cbr. 1779.
.^entmerling.
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3)iftniterif$c *aftna$i*>$fUifHaungcn
239
^lumeren gebogen werben jollen, nad) berer geometrifd)er
ben ben englifdjen Sänken jebeo ^aar ftd) bergeftalt $u fteüen
fyat, bafj in jeber ber erjten Kolonnen, wenn jur folgenben annoä)
10 ^aar t>orf>anben finb, beten nid)t unter 25 fenn foüen.
:t. foU biefer Jöefe^l unb ^erorbnung, bamtt ftd) niemanb mit
ber Unrotffenfjeit entfdmlbigen fönne, jum £rutf befobert unb
baoon bei) jebem t^all ein ober mehrere (fremplarten öffentlich
angeflogen obfonft uor^anben fenn.
Urfunb fiir>rfüi-ftlid)en geheimen Äanjelen ;%nfiegel$ unb ber
Hibimation. fünfter ben Ven gebruar 177ü.
iL. s.) vi. .(■>. ?i. uon Olagel.
*B. Wümtennan.
£afj ftd) bae Treiben aber immer noef) nid)t in angemeffenen
Vflrenjen bewegte, läßt ftd) aue ben klagen fcrjltejjen, melcf)e 17S8
im , fünfter, gemeinnüjjl. Wochenblatt-25) über bie «vaftnac^te=
feier auf bem £anbe erhoben werben:
„ 1 ) bringt man fester eine gan^e Wod)e im DJiüjjiggange nub
mit €d)welgen 311.
2) Äud) jene, betten ee manchmal fatter wirb, ba£ fte ein
Stücf 93rob im ^attfe Ijaben, müffeu r*aftnad)t Ijaltett.
Warum? ?>aftnad)t fontrnt nur einmal im Jaljre.
3) «Betteln ift jwar »erboten, aber £aftnad)t$ganger fd)cinen
prtöilcgirte Bettler 311 fenn: bentt fte gehen öffentlich
Ijaiifenmetfe mit gropeu eatfen auf ben Würfen, tfleifa>
gabeln auf ben Sdntltern, bae gait3e AUrchfprengel burd)
oott einem ASauje 311m anbern, unb wer ihnen nid)t freu«
willig fo Diel giebt, alö fte wollen, beut nehmen fte ee mit
©ewalt. 3§r l'öfewort ift: „Gro gebt mit ^afinadjt burd).41
4) &llee, Wae fte nun auf btefe 2ht 3ufammeugebetteltf mad)ett
fte in etlidjen lagen burd), ba bod) mit biefem üielen
dürftigen unb Ernten föunte eine geraume 3eit geholfen
werben. 5>enn ee ift nicht etwas Weniges, bae fte 31t*
lammen fyolen. Jet) bin in einem 2>orfe gewefen, wo
mau mehr alä *25(> Scheffel Äorn (^leifd) unb anbete
3*iftualien nid)t mitgerechnet) beneinanber braute.
r>) £ie mutwilligen Spiele, bie fte treiben, finb nid)t minber
in ^etractjt 31t 3iet)cn. Wäbcher oerfleibeu ftcf> in Gliben,
unb biefe in IVäbcher: unb fo ftreifen fie herum in Der*
laroter (Meftalt, um befto frener ausfdjweifen 31t tonnen.
6) Wae für OJcfarjren finb nid)t mit bem ^ferberenneu Oer*
*) Saora. IV. fünfter 17ss 17; pgl. il>i<l. i»air. 33.
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240 $au! Satjimann, TOnftcrifcrjc Saftnachts-Öetoitigungen
fnüpft, ba>? an nielen Crten gebräuchlich ift, roeil feiten
baben Jemanb nüchtern anzutreffen.
7) 9ioct) mehrere bergletdjen unvernünftige .panM"ngen unb
gefefctoibrige Unorbnungen, welche ben ben ?vaftnad)ie>
luftbarteiten norgehen, !önnte id) anführen; aber id)
hoffe , biefe werben r)inlönglici) ferjn, feben Vernünftigen
311 überzeugen, bafj et t)öü)\t nüfclict) jene, biefe
brauche abaufchaffen.*
£ie h^r gerügten Übelftdnbc würben erftim legten Sahrc ber
bifchöflichen £anbcel)oheit burd) folgenbe 3?erorbnung 26) beseitigt :
oerfcf)iebenen Crtcn bes ^iefigen .v>ochftifteS pyogen bie
5tauern*Äned)te gur <x af tu a rfi t*^ i t in ben .Hircbfpielen auf gerben
herum juiagen unb ben ben (fingefefjenen 311 ben ^aftixad)!^- Rechen
gu collectiren.
Ta hieraus unb aus beut gur Jxaftnad)tsgeit gleichfalls ge<
fcfjebenben i>erf leiben unb Vermummen fel>r leicht UnglütfsfäUe
unb fonftige nachteilige folgen entftehen tonnen, fo wirb Flamen*
bes ^ocfjmürbigen se<h» vacani«' gndbig regierenben romfapitels
verorbnet, baß bis auf fernere Verfügung
1. baS gemelbete 3agen unb Gottectiren gänzlich eingeftellet werben,
2. "Niemanb in einer unanftänbigen i*erfleibung, ober mit einer
WaSque, ober mit einem gefärbten Weftchte fitt) auf öffentlicher
•strafte feben laffen,
3. oeber Übertreter bes l. ^erbotbeS gur Zahlung einer Strafe
0011 25 $tt)lrn., unb jeber Übertreter beS 2. i*erbotbeS gur
Zahlung einer Strafe oon ,r> JKttjIrn., oon welchen Strafen bie
•Hälfte bem renunetanten gugelegt wirb, angebalten werben folle.
Übrigens wirb bas gnäbige Zutrauen gebeget, baß ben beu
wäbrenb ber Saftnacbtsgeit eintretenbeu iuftbarfetten Oiiemanb bie
(drängen bes Hnftanbes unb ber £ittlicf)feit überfebreiten, auch 3cber
bie nachtbciligen folgen mancher x}lrt, welche burd) 25etrunfent)eit
nur gar gu leicht entftehen tonnen, bunt) TOfugteit im Printen —
fo oiel an ihm liegt, -- gu oerhüten fud)en werbe.
Tamit biefe ^eroronung gehörig befannt werbe, foll fie ge-
brueft, an ben gewöhnlichen Crten angefangen, unb jährlichs am
Sonntage oor Aaftnacht unb am »vaftnachts- Sonntage, ohne bau
es einer erneuerten itnmeifung an bie Pfarrer bebarf, oon benfelben
oon ben .mangeln oerfünbiget werben.
Urtunb bengebrutften 6od)Würbigen Soinoiapitelß Geheimen
?Hath'^nfiegelsunbber^ibimatioit. fünfter ben 8l<» Februar 180-2.
-:L. s. vt. Engelbert oon Srebe gu Welicrjebe.
33. 3)iünfterman.
26 1 ä*gl. Sammlung ber Weie&c :c. 1. c s)lx. .'»♦;;.
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tmm Jafftt 1588.
„Sätorfjafft önnb Wrunbtlidje ©eidjreibung, berenn öon ^enebig
gegacionn önnb ^ottfefjafft an ben lürcfrjifdjenn Äanferr gtjeenn
(5onnftanntinopeI.
Hud) öon benenn .froffjaltuuge i>ebenn, önnb ®ebreüd)enn,
Sambt ben benannten Crttcn beä ©elobtenu ftutnbtö Jcfu (5I)rifti.
U>88.*
5)ie3 ber litcl ber betreffenben .panbfdjrift! £erfelbc be*
finbet ftdj innerhalb einer einfnef) aber bunt bemalten Umrahmung,
roeldje üier runbe Öffnungen jeigt, aß menn biefe burd) Stifte be*
feftigt werben foflte.
£ie Übcrfd)Hften ber erften ad)t Kapitel lauten folgenber*
niagen:
1) „2lufoug öonn ^enebig, beä ßbln önnb (^eftrenngen
Setter nnnb Herren, Herren 2lIuigo Wocenigo
mirt fambt ber 2*enebigifd)en ^refennt önnb ^eretjrung
an @l)ebemdrten $ürcff)tfd)enn ftanferr.
'2) Storni ber Statt 9R!)agufi im 9Jlöer geleegenn aud) üoh
ben ^ndtyonneren önnb 21 (lern gemed)6 fo oafelbft 311
Sed)en.
3) 9?onn ber Statt ^*era önnb roie fid) önnfer >>rr ber
s5tocenigo ORüftett mit mw feiner ^ienneren £cd)$f önnb
ber £d)annffjung ober ^raefennt, auf ßonnftannttnopel
3ue bem Iürfr)ifd)enn Atatjfer 311c ffyaaren, aud) öon
feinen Xrabannten Janniceri genannt.
4) Sie mier für benn $ürf()ifd)cnu Äanferr fbommen, önnb
önuferr ^raefennt nbergaabenn.
3eitfAnft ifir ftulturgefctüAtf. I. H>
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•242
">) $*on bem 2caragIto beo Iürfl)tfd)eii ftanfere tniUaft ba*
rinnen er feine grauuen i)att, and) oon iercn ®ewonn*
fjaittn.
<>) ^onn bes Sürff)ifd)enn Äaufere 3cua,t)auH, mm0 üom
$raud) onnb gepränf^ man er Jflet.
7) s^onn bem getranntfl) ber üirftjcmi onnb oon ber 2tatt
GonnftamttinopeU fambt ierem dufter Nl>laa&.
S) 3>onn ber liirtljenn IVofttyea ober ©öfeenn imuh ^nc
(5.onnftanntiuopeIl. *
5>ae <i. Kapitel fiiljre id) im golßtnbcn mörtlid) oor:
„(&x (ber maajcfja, offenbar gleid) N}>ajd)a!) jagte one and)
baö in bifem >Ecaraglio bee lürtljifdjen Magere ßeugljaufj were
barinnen er geferjüt}, Wülfer, fljugel, larttfdjen rjannbpöegen
sJ>feiU, epiej? onnb Slnnbere 311cm fljrieg geljöerig, Ijette. wier
Ijaben aber foldjee nit, fuuber bifen (scaraglio micr oon duften
gefed)en. imnber Sinnbern oermelbet bifer maafdja aud), mae für
Gercmonien man gebrandet man ier Käufer Crpc: Oicmblid) fo
2tuennben nmb in tjer bie großen fjerren ■Janniceri dal Circolo,
bie ba aufmartten, aud) Gfjen onnb Grebenfeen, man 3ünbet aud)
alle ^aaljeitt e$ fene bei) tag ober ^aadjt big in bie *2oo minb*
lied)ter an bie ^rennen fo lanugfl) er Gjje. Ge marbt om> and)
burd) in oia vscclt.jaamvö munberbarlid) biug gejagt, onnb miemoll
mier biet) ^arr lanugfl) barinnen gemeft waren, Ijaben mier bodi
ben Jürff)tjd)en & auf er mer nidjt ale ben 2ld)t maalen gefed)cu.
bau man in ieelten fid)et, ee Neben aud) bic s}>ottjd)aafter mier
3mai) mall s}>erfonlid) mit %\iue. Giftlid) mau fie ankommen onnb
^eeiUid) man ier l'cgacion auf} ift bae fie Urlaub nemmen, wae
fid) aber fünft in bei -Jettt ierer ^egacion 3iietragt bao Ijannblcu
fie mit bem (Mrann waafd)a. man aud) 311c i>era ober WaUata
ain Ghrift oon aiuem lürfljen belaibiget wiertt, fo oerflagt er in
oor bem sJ>ottfd)aafter. £er bringer bann bie fadjenn au bcit
(Mrann maafd)am. ber laft alsban bei« Sürftjen barjnc oerorb*
nette barinuen bie WUigfftaitt Imnblen. sCb fid) aud) bifnoeilleu
Grimmale fachen juetragcu, fo Ijaben bie ^ottjdjaafrer nber bie
"senigen fo ierer ^acion feiubt gemalbt i)ber ba* Milien 3iie
:Kid)ten. bod) müefwi fie oon "TbebienuU meegeu mau fie ain
Mid)teu lapen wollen ioldjco 3111101* bem Giraun maaierjam aiqaigen,
n clct)ee er ^uen nidu abidileegt, f im ber Jufticiam ergljeen 311c
laf?en 311 lafiett."
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•243
3>on tfonftantinopcl ging bie "Keife nad) Jerufalem 311 allen
fcen efjrmürbigen Stätten ber (5l)riften, r>o\\ oa nad) iHgnpten,
DJteffa nnb mieberum jurücf nad) 9?euebtg.
£ae Wejagte wirb f)inreid)en, um einen gemiffen ßinbltcf in
bae nad) Jufjalt unb ftorm eigenartige, intereffante 33üd)letu 311
bieten. £er ^erfaffcr ift ein gemiffer (hnanuel Ccrttl am Äuge*
bürg, ber, mie er felbft in ber ^orrebe berid)tet( 3u ber 3eit in
iienebig bei bem &errn D. ÜHocenigo gebient (!)( aU btefem bie
2enbung übertragen mürbe. £b mir in bem fauber gefdjriebenen
£uartbanbd)en Don i>2 blättern bae Original Dor une tjaben,
fann td) ofjne meiterce nid)t eutfdjeiben. ftebrnrft fdjetnt bie
:)ietfebefd)reibung nid)t 311 fein, £iefelbe befanb ftd) früher im
N3eftfce bee Jngolftäbter ^rofeffore 2Ub. junger, mie bae Dorn
eingeflebtc Cnltbrie mit ber 3af)r3af)l H'»04 bemetft, beffen
$ibltotfief iw>5 ber Unioerfitätebibliottjef in ^ngolftabt einoerleibt
morben ift.
Mm ben £inbanb nnferer «ftanbfdjrift anlangt, fo Iwben
mir Pergament betfen in f)üb)d)er ©olopreffung ; bie s£d)nirtftad)e
ift rot gefärbt, bie 4 33änbd)en, mcldie ftatt ber £d)lieHen bienteu,
fehlen nunmehr.
£iefelbe befinbet ftd), mie am bem (Gejagten bereite fyerDor*
gel)t, je&t in ber .ft. UniDerfttät^^ibliotljef 311 Wündjen unb jmar
unter: Cod. ms. :*:>8. 4°. Sur benjcnigen, ber burd) biefe fur^e
."öinmcifung Dcranlafjt mcrben folite, bie £d)rift genauer an3ufeb,en,
fei 3um 3d)luffe nod) bcmerft, baj} aud) in ber f. Ä?ofs unb Staate*
bibliothef bafelbft mehrere Meifebefdjreibuugen üou Ghn. Hertel:
cod. germ. 12h«;. soola- -f u. A. 14. 2i> (1*7) Dorliegen. £en
möd)te id) 3ugleid) auf Meinl). :Köf)rid)t: „Bibliotheca geographica
Palaestinae. Berlin lNim* unb „reutfdje ^ilgerreifeu nad) bem
1)1. vanbe. Wottja IHN!»" anfmerffam mad)eu.
C5l)v. :Huep»red)t.
]<;•
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$u ben tl)coretiid)cn (frörterungen über ben begriff ber Äultur-
gefd)id)tc ift oor turpem eine neue hinzugetreten. %hoj. bitter in "Bonn
behanbeltc in Beilage 211» ber „^Ungemeinen Leitung" „ben streit
,\ iu i f cf) c n politifd)er Mcfd)id)te unb &ulturgefd)id)tc". Crr meint,
es laffe fid) bic ©renjltnic finben, innerhalb beren bic ja nod) oorherrfdjenbe
2taatengefd)id)te bie Aufgaben ber &ulhirgefdnd)te in (fid) aufzunehmen
hat, nnb jenfetts bereit fic tfjre tforberungen als unerfüllbar abroeifen muß.
Tas, roa£ man nad) feiner ^Henning mehr bcadjten muß, finb bic
(*cf eil f d) a f t ö f reife, bie auf ber OUeidjheit großer Sebensoerhältniffe
berufen nnb foioot)l aus ben Aufgaben ber roirtfebaftlichen wie ber geifrigen
Kultur crroad)fen. £ie üben auf ben Sauf ber ($efd)id)te mefentlidjen
(MiifluB, inbem fie bie Mccfjtsbilbung beeinfluffen. „Areithärig ruft bas
fingen nad) ben Äulturgtttern ber 9ttenid)en immer neue t'ebeusüerfjäUniffe
heroor: jiuingenb ftiftet bie 9ied)tsfatjimfl (ur>ifd)en alten unb neuen Gebens*
oerljältniffcn Crbnung. Csebes neue große ecbensoerhältnis erl)ctfd)t
neues Mcdjt: bas neue Riecht, inbem es nidjt nur fduifet, fonbern aud) be^
fdiränft unb unter Umftänben unmittelbar förbert, befityt 3ugleid) bie
sD(ad)t, eine Äulturenttoitflung ,ui hemmen ober ju begünftigen. £ie per-
sönlichen Kräfte, meldje bic Kulturarbeit oerrid)ten, finb bie ^efellfdjafts«
freife : Diejenigen, roeldje bie Wed)tsfafcung Doll<uet)cn, finb bie Crgane bes
Staats. ;\n ber 3&d)fetrotrfung (yui|djen (.Gefell fdjaft unb 2taat ooll.uetjt
Üdj bic (^efd)id)tc: ihr >Biittelpunft ift bas fingen um altes unb neue*
Mtd)t" Siefent begriff ber C*efä)td)te ftellt er ben ber Kulturgcf deichte
gegenüber. 2ie ocrlange einmal unmögliches, inbem fie, bie fid) ,jur 5>luf=
gäbe mad)c, bie iBcftrebungcn unb (*rrungenfd)aften bes menfd)lid)en
Weifte* als fo!d)e ,ui erforfchen, als ihr 3*^1 hinftclle, alles iHebeurcnbc,
bas burd) bic Weifter feit ^ahrtaufenben gegangen ift, nad)znerfenneu.
sie bringe weiter, inbein fic als träger ber 3bcen einerfeits bie bahn»
bred)enbcn ^nbioibuen erfaffe, auf ber anbereu ^eite mit ungeheueren
ÄoUeftiocridjeinungeu (Nation, Wcnfdjbeitl arbeite, bie pcrfönlid)en Kräfte
nur ,uim fleinftcn Seil ,uim 9luäbmtf. 2tc überfehe (?) eben bie (Gefell'
fdjaftof reife. 2k nehme cnblid), inbem fic 5Rcd>t unb 2taat mie anberc
Kulturgüter beljauble, aus ber gcfd)id)tlid)en (*ntir>icflung ben SRiitelpunft
.nad) ber obigen Definition i heraus. Mitters £d)luß ift: „Wd)t einer ,ut
eng gefaßten politifdjcu Wefd)id)tc unb nid)t ber ut loeit gefaßten Kultur-
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9)iitteilungen unb Oiorijen
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$efd)id)te bütftc bie 3ufunft gehören, fonbern einer ji&iffcnfdjaft, bie ben
^auf ber Wefdnd)te in ber lebenßöollen Sß^ccfjfclioirfunfl .uiufdjen ben
Staaten unb ben OtefellfdjaftSfreifen anfd>aut." "SWh bem oorfterjenbeu
Furjen Referat begnügen wir uns, uferte ben Stanbpunft beß ^erfafferß
bamit au btüigen. ^olctje (nörterungen fönnen aber jebenfaUß nur vJtufeen
bringen. (*ß gefet boefe ein Streben burefe bie feenrige Wefcfeicrjtßwiffcnfcfeaft,
ifere Aufgabe weiter alß bisher ,311 faffen. unb wenn 3. 33. £cfeäfer, ber
julefct bie &ulturgeid)id)te befämpft feat, ftrentag einen maferfeaft gott«
begnabeten $iftortfer nennt unb bie Wefcfetcfete beS italienifdien 5>olfß.
efearafterß alß iöeifpiei tuifünftiger feiftorifefeer Aufgaben anführt, fo trennt
unß otclieidjt weniger, alß wir beiberfeitß glauben. (2 t.
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•
AÜr unfere V'efer wirb ein beriefet über eine Außfpracfee, bie jwifefeen
jwei namhaften £iftorifern über feiftorifdje ^rinjipienf ragen cor
einiger 3eit ftattgefunben r^at, über bie aber anbere fetftorifdje 3eitfd)riften
cingefeenbeß nidjt berichtet feaben, twn Jntereffe fein. 2£ir geben nadv
ftefeenb ben ^Beriefet bes leipziger Sägeblatts (9ir. 1221 unb 241), ber, wie
wir feören, baß äikfentlicfee beß (gefügten gut feeroorfeebt, wieber. 'Den
SlnftoB flu ber (5rörtcrung gab ^rofeffor "3J?ar Seemann, ber in feiner
Veipjiger flnrrtttßrebe über „(*>ef<feicfete unb 9taturroiffenfcfeaftM fprad) unb
babei folgenbe Anlieferen oortrug:
„Ter JKebner ging oon einer <S<feilberung beß immenfen Auffdnoungö
auß, ben in unferem Csaferfeunbert bic naturwiffenfcfeaftlidje We =
ttjobe, inßbefonbere burefe fTanjöfifcfee unb englifefee Aorfcfecr genommen
t)at. tiefer Anffcfewung aber ift (uifll«<fe öon einer gefäferlicfeen ftolgc
begleitet gewefen: er feat flu ber iBefeauptung geführt, biefelbc Wefe^«
mäßigfeit, meltfee im Dteicfee ber Statur feerrfefet, gelte auefe für baß Gebiet
ber Weifte3wiffenfd)aften , ja biefe SjMffenfdjaften führten jenen ftolyrn
Flamen flu Unrecht, fie feien im OJrunbc niefetß anbereß alß Seile ber
alleinigenben 9iaturroiffenfcfeaft. Wewtffe TiSfliplinen featten biefe Weflcrton
oermittelt: bie Spracfewtffenfcfeaft, weldje für ifere pI)onetifd)en Sferfucfee
Anatomie unb pfenfif flu £ilfe rufen mufi, bic nationalöfonomifefee Statiftif,
welche mit 3afelen erperimentiert, bie 3urtßprubenfl in jener befonberen
9tid)tung, welcfee baß $erbred)en auß Abnormitäten beß Wefetrnß erflären
will. Tie Tarwtnfcfee Tefcenbenfltfeeorie fdjten bem $eroeife für bic 33c-
redjtigung ber Auffeebung beß Unterfcfeicbß flwifdjen Weifte*» unb eraften
ihMIfenfcfeaften ben (scfeluiftetn einfügen flu f ollen : wie auß bem Proto-
plasma in unenbltcfeer 3ud)twafel bie ^ulle ber organifefeen ?ebewefen
feeru orgegangen, fo follte aua) bie f^ntwirfclung beß 9Renfä)cngefcfelecfetß
fic^ fort unb fort mit gleidjer Diaturnotwenbigfeit uollfliefeen, Aufgabe ber
Wefcfei(fetßwiffenfcfeaft fei eß nur, bie Wefefce biefer (^ntwicfcluug ,ui entberfen.
Tie ganfle oorgerragene Ifeeorie aber beruht auf einem großen
orrtum. Tenn ntefet jebe (WeicfemäBigfeit ift O^efctj, oiclmcbr bc^ieljcn fid)
bie (^efefee nur auf bie fonftantc ^irfung oon Gräften. 3inb foldjc
<%fe^e im 9tcirf)e ber Wetfteßwiffenfäjaften möglidjY >){immcnnel)r! Ter
$erfucf) beo fraupfifeben pofitioiftcn Auguftc dornte, bic Soziologie unter
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L>4<; «iittcilungcn unb ^ot^en
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allgemeine O^cfctje ,ui bringen, mufc alö gefdjettert betrautet werben, für
bic Nationalöfonomic unb Statiftif tft bie Unmöglichfeit fcfter Wefefce
burd) ben lübingcr banaler üRttmelin fchlagenb betotefen. Die Wefchichtö*
lu i f f c u f dj a f t oollenbö mufj fich auf baö (*nergtfchfte gegen bie lieber«
tragung ber uatimoif fenfdjaftlichen >JDiethobe in ib^r (Gebiet
oerroahren. Denn ben Regeln, roelchc man glaubte für bie bjftorifcbe
(fnttoicfelung bcö ^totfd)engefd)lechteö auffteüen ,)u tonnen, feb.lt ftetö
baö £auptmerfmal bes >Katurgefefeeö : bie SHuönahmßioftgfeit. Viel tft
gesprochen toorben oon ben annngenben 2i*irfungen, meldje burch bie
geographifehe Vage, bie SBobenbefchaffenheit unb baö Älima eines Sanb-
ftria)eo auf bie fojialen unb politischen Scfjicfiale feiner iBeoölferung
ausgeübt roerben foUen. «ber bie Räuber um bas ^gäifdje Weer, einft
bie Stätten blühenbfter Äultur, finb fpäter jahrhunbertelangcr Veröbung
anheimgefallen, baö reiaje Süeifjen, baö meerbefpiilte Werflenburg haben
nia)t bie polttifcfje 33ebeutung ber fanbigen £ohenaollcrnmarf 311 er*
ringen oermocht. Die Verfaffungsformen löfen fid) thatfächlid) bura)aus
nicht überall unb immer in ber gefetymäBigen iHeihenf olge : Sftonardne*
sHriftofratie, Demofratie, ab, tote (»eroimiö in Anlehnung an 9lriftotelcs
behauptete; SRanfe hat baö überjeugenb bargetham Das hauptiäajlia)fte
(nfennrniömittel bes Warurforfctjerö, baö («rperiment, ift bem £iftorifet
burd) feinen (Stoff au benufeen oerruebrt, ihm ftetjen uicht bie Dinge felbft
ju Gebote, fonbern nur bic Überlieferung, Diplom unb Sfriptor laffen
fich nicht in höherer sJ$otenj beftillieren. Analogien finb bem ^aturforfdjet
erlaubt, bem -Jpiftorifcr oerboten, benn fie oergeroaltigen bie Überlieferung :
3unftocrhälrniffe in Strasburg geftatten feinen fieberen 3iürffd)luB auf
Sunftoerhältniffe in 33afel. Silber aua? bie Überlieferung ift nur ein JHefier
bes inneren Heiligtums ber ©efchichte, bieö Heiligtum felbft ift bie "i* er fön«
lieb, feit. Die «$iftorie fann bes getfttgen unb fittlichcn Komplements ber
Vebcnsfraft nidjt entbehren. 2£enu ber Vater ber „roiffenfehaftlichen"
Sojtalbemofratie, Jlurl Wart, bie itafönlidjfettcn nur als Iräger oon
tfebensfräfteu gelten laffen miü, fo führt biefe Weisheit in ihren legten
ftonfequenaen a" t'ombrofoö ^Behauptung oon ber Verroanbtfchaft bes
(Genies mit bem ©ahnfinn. UnermeBliüjer Schaoen für bie <*>eidnd)tö'
tuiffenfehaft aber märe bie golge ber iHeaeption biefer ih^rien. Der-
fd)roänbc aus ber $efchtdjtsfd)reibung bie 5iunft ber C^harafteriftif unb
ber CHnfluft ber 2lffefte, es ocrfajioänbe baö moralifcfjc (5lemcnt unb bie
33eaiermng auf baö (*roige, Überfinnlid)c, woraus boef) gerabe bie größten
Staatsmänner aller 3eiten ihre befte Äraft gefd)öpft hoben, Verfchroinben
mürbe bao £elbentum; maö ein IHither, ein Stein, ein «iomarrf für ihr
Volf gethan, müBte unnötig genannt roerben, bic &raft ber Strömung
hätte baöfelbc auch »hne fie 31t ftanbe gebradjt. Verfchroinben mürbe
eublid) — unb baö ift bie ^auptfadje — bie l) i f t o r i 1 d; e Wahrheit.
Denn bie fo^ialen unb politifdjcn (>kbilbe ber Vergangenheit finb eben
bod) alle Schöpfungen oon ^erfönlicnfeiten unb erhalten hi^burch ihr
tnbioibuclleö (Gepräge; jebe hiftorifche Ztyat trägt ben Stempel ber ^erföiv
lichfeit ihres getftigen v^aterö an ber Stirn, ^»oei neunte Sumphomen,
,\mct ftrtinifdje Hiabonnen finb llnmögltd)feiten. lie ^erfönlichfeit aber
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^litteilungen unb Wotijen
ift in 3$af)rl)eit unergrünbJid). 3$ir tonnen einem Areiberrn vom Stein
roobl nad) weifen, ba§ feine Slbftammung nnb fein 2 taub il)it in feinem
polirifdien SBirfen beeinflußt baben, mober aber flammten fein tiefet
religiöfe» Weffif)! unb feine ftürmifd)e ^aterlanb»liebe, bie itm 31t feinen
iiröfeten Saaten befaßten? £af} au» ber äufleren SSorbebtngnng einer
(*emälbebeftellung burd) bie ^iöndje »01t S. Slfto eine firtinifebe SWabonna
l)eroorging, fonnte nur JRafaelä ^erfönltdjfeit berotrfen. £ie gefd)id)tlid)e
(*ntroirfelung ift nid)t ein Strom ober eine *Ü?ebrf)ett oon Strömen. Tenn
häuftet berrfdjt oölligc Stagnation, tute in Arabien oor 'tDlubameb, in
Sdjottlanb oor 3obn Änor; erft folgen gewaltigen s4*erfönlid)feiten gelingt
bann, bie träge 3fiaffe wieber in <s!ub ,ut bringen.
^nSbefonbere bei religiöfen Bewegungen jeigt fid) bie Wadjt ber
*lierf önlidjeit : bie £o»fagung oon ber fattjolifdien £trd)e im Zeitalter ber
Deformation mürbe unwetgerlid) einen 3erfall ber ^roteftanten in eine «Reibe
oon Seften (utr 55oIflc gebabt Ijaben, tjättc fidj nid)t tfutfjer» madjtoolle
*l>erfönlid)fett biefer Serfplttterung. entgegengeftemmt. £ie perfönliaje «e-
♦ orgni» Ariebrid) SSilbelm» I. oor ber ieeinflufiung feiner (rntfd)lüffe buref)
nuinblicbe llntcrtjanblungen mit feinen ÜHäten fübrtc ,ui einer itarfen Bc«
imruigung best fdniftltdjen ^erfa^renet bei ber Verwaltung unb in weiterer
Äonfequenj 311m befannten preußifeben Bureaufrari»mu». fKußlanb leibet
nod) beute unter ben folgen ber Regierung "Heter» beo Wrofeen, ber fein
bi»l)er an bie einfacfjften Aormen be» ftaatlidjen unb fulturcUen bebend
iiemöbutes 3>olf in geioaltfamem Sprunge jur moberuen 5Uilturmad)t er-
Denen rootlte. So ift unb bleibt benn bie Wefd)id)tc ber Wcnfd)'
Dett bie (*efd)id)te ber ^erf önlidjfeiten. Verriebt im Neidje ber
Statur Wotmenbigf eit, fo maltet im Meid) ber gefdnajtlidjen <*ntwttfeluug
Areibeit. 3)ie SRaturwtffenfdjaft fann bie (vrfcbeinuugen ibres" (gebiete*
erflären, bie £>iftorie fann, mie Troufcn ridjrig unb unter 3ufttmmung
oon £clmt)ol& befiniert tyat, bie ibrigen nur oerfterjen, b. b- il)«*"
ibrer Totalität gerecht roerben.
(In befonberer Unterfd)ieb ift nod) beuiglid) be» Aortidnitte»
oorbanben. Die 9iaturmtffenfcbaft barf fid) eine» niemal» abreißenben,
ununterbroebenen Aortfdjrttte* ibrer (nfennrni» rübmen, nidjt aber bie
<*cf$id)te. Pbriftlieber alö (*briftu» fann niemanb fein, Sbafefpeare unb
Hoetfje tonnen in ibrer Eigenart uic^t übertroffen roerben. ;>cbe» 3cit-
alter t)at einen befonberen 2£ert für bie (Mitroirfelung be» sJJ?enfd)en-
gefd)led)t», jebe* 3eitalter I)at anbererfeit» and) feine befonbern Webredjen.
JKotn ift beute &auptftabt be» einigen Italien», aber e» ift mit bem ftalle
be» ^apfttum» für immer feine» befonberen 3auber» cntfleibet. iVie toirb
ein Staat bem 3beal einer JKepublif fid) roieber in bem Wobc nähern,
mie ba» 5ltben be» ^>erifle» getban, nie roirb c» in £eutfd)lanb roieber
ein <v»eer geben, roie e» bac- preufnfd)e oon 1«13 geroefen, benn mit ber
allgemeinen 2$ebrpffid)t ift feitbein öefetj unb 3roang geworben, roa» ba
mal» 33egeiftemng unb freier 3$ilic war.
2xo{\ all' biefer $erfd)iebenartigfeit oereinigt bie univ. rsitas litt«-
r.iruni beunod) mit JRea^t (Reifte» unb erafte JiMffenfdiaftcn, .^iftorifer
unb »Jlatnrforf(^er. Senn in bemfclbcn Sinne f ollen fie iljre Arbeit tl)nn.
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-24S
«ittteiluugcn uub 9lottaen
2*>er ber >&iffenfd>aft bient, muß (vntfagung üben fönnen, er muß fiel)
aücv perfönlichen 3öflnfd)e unb (Erwartungen feinen Korfdnmgsrefultaten
gegenüber )\i entäußern uerftehen, ftrenge Cbjeftiöität ift feine erite
Pflicht. Xem iKaturforfcher ift bie (Erfüllung biefer s4*fltd)t fdjon burd)
bie föigenart feiner gorfchungsobjefte erleichtert, bei $iftorifer wirb iiifo-
fern oon ihm lernen fönnen.''
Wegen biefc Ausführungen ift nun oon fehr berufener Seite, oon
bem Mollcgen Lehmanns in i'etpatg (Lehmann ift inamifchen nad) (Böttingen
berufen l, Sßrofcfjor Marl S?ampred)t äSibcrfprud) erhoben warben, on
feiner Ü>orlefung „^ur l*inführung in bas fulturgefcbtchtltche unb politifdK
$erftänbms ber Gegenwart" ergriff er bie Gelegenheit, bei Öcfpredjuug
bcr menfehlichen Willensfreiheit feinen abwetdjenben Stanbpunft bar^
3m wefentlidjen äußerte er folgenbes:
„2öci bent Problem ber ^UUensfreiheit laffen fid) awei Birten ber $}e*
tradjtung unterfd)eiben, bierein gebanf liehe unb bie praftifd)e. s#t)ilo-
fophie uub Rheologie haben fid) bisher oergebens abgemüht, ben logifdien
Gegenfafo jiüifd)eu Areirjeit uub Oiotwenbigfeit 311 überbrücken, bie Gefdnchrs»
wiffeufd)aft hat feinen Grunb, fid) an biefent wotjl für immer ausrichte»
lofen beginnen 311 beteiligen, fic fann fid) auf bie |prafrifd)e Betrachtung^'
weife befchränfen. 2öas fehen roir nun baV (vinen ewigen, nie in einer
Aormel ausaubrütfenben ftonfUft jroifdjen ber Freiheit bes ^nbioibuums
unb ber 'Jlotwenbigfcit ber es umgebenben ^uftänbe. freilich finb lefotcrc
mächtiger als bas erftere, fic finb aud) ber größten inbiüibuellen shMÜens
ftärfc im entfd)cibeuben §aHe überlegen. Tic meltgefchichtlid}en Shoic"
felbft ber größten Staatsmänner finb nur benfbar innerhalb ber ihnen
oon ben 3"ftänben gezogenen Schranfeu, ftaatsmännifd) benfen unb
hanbeln t^eißt gerabeau: in ben äufjerften Greven bes gegenüber ben ^u«
f täuben eben nod) (Erreichbaren benfen unb hobeln. So trifft für bie
thatfäd)lid)e öeftimmung ber Willensfreiheit bas alte 23iib au, baß mir
gegenüber ben ?,uftänbcn fo frei finb in unferem ^anbellt, wie ctroa ein
Dienfd) innerhalb ber Greven bes ä>erberfo eines faljrenben Schiffes
feiner Bewegungsfreiheit genießt. Die auftänblidjen Greifen unfercs
Pollens aber finb freilid) fehr oerfcrjieben, unb 3war nicht nur für jeben
einzelnen -Xüenfdjcn, fonbern aud) für jebes einzelne 3^itölter ber menfd)>
liehen l*ntwicfclung. ls"ine niebrigere M.ulturepoche mit ber engen Gebunbeit'
heit bes (*inaclnen burd) ^amiliennertaffung unb genoffenfd)aftlid)e $>cr
bänbe gibt bem 3>nbioibuum nidjt entfernt biefelbe Stillens- unb i*e*
wegungSfreiheit, wie ein Zeitalter t)od)entwidelten fultureUen Gebens. Vlud)
l)eute genießt ein Durd)fd)nittsproteftant eine gana anbere geifrige unb
moralifche Willensfreiheit , als ein nad) ben »jjrtnaipien mittelalterlicher
Beoormunbung erlogener illenfd), bas beweifen wieber einmal fd)lagenb
bie füralid) erfd)ienencn VUifjeidmungen bes Grafen ^oensbroed).
3m fortwärjrenbcn 3 nein anbergreifen oon s4>erfönhd)em unb
Juftänblicrjem, oon Freiheit unb Wotwenbigfcit »oll,uel)l fid) alio bie
gcfd)id)tltd)e Bewegung. Tie oornebmfte Aufgabe bes Jpiftortfers, augleid)
aber aud) bei größte :Heia ber hittorifd^eu Aovfdjung befleht bemuad) barin,
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^Mitteilungen unb Göttien
für febe* ^ätaltcr unb für jebe ?Heit)c oon 2 tyatiatytn bie Äraft ber Aret^
tjeit unb ber ^otroenbtgfett, beo U>erfönlidjen unb be* ^uftänblidjen gegen
einanber abjuroägen. Sttürjeooll unb fdjroierig tft bei biefer boppelteu
Aufgabe bes j£)tftorifer*> infonbeTtjeit bie gefrfteüung beö ^uftänbltdjcu.
Qit Überlieferung fltbt uns nur Seile, an und tft es, fie alö ganje* ju
erfeunen. Taju gehört olel t*f)antafie, bte bod) attbererfette roteber ftreng
a,enug bisciplinirt fein muß, um fid) niemale über bie ftdjer oorauä«
jufefoenben 3iUrfungcn bes ttjatfädjlid) fteftgeftellten rjimoegAufefeeit. Slbcr
<tud) bie (rrfennrnis ber ^erfön lief) fei ten »ergangener $e\t ift feljr
fctjroer. 2lud) hierbei mufj bie s£l)antafie jtt £tlfe gerufen, aber aud) bjer
muß fte fojufagen oerobjefttotert, b. t). t<s muß ber 3>erfud) gemacht toerbtn,
bie (rigettfdjaften eines gefdjidjtlictjen gelben, \o toett bicö möglid), au 4
ben itm umgebenben iHorausjefcungen abzuleiten. T>nbeö ein unlösbarer
9teit roirb immer bleiben, unb btefer umfaßt bei großen ^erfönlidjfeiten
cjerabe bie entfdjeibenbe Begabung, bas (Geniale. Diefer 9teft Fann nur
nad)empfunben werben, Csnbem ber £tftortfer fiel) biefer Wadjempftnbuug
r)inaü>tf roirb er oöllig jutn Äünftler, rjicr waltet unfonrroüiert unb tut.
fontroUierbar ber 2d)toung gefd)td)tlid)er ^Ijantafte.
5Kub alfo nad) bem Wefagtcn ber ^>iftorifer gletdjerroeife 3wtanbs«
unb ^erfönlid)feitdl)iftortfer fein, fo tft forootjl ber 2tanbpunft bes ertremeu
ombioibualtften. al$ berjenige bes errremen 5o,tfaliften ein totffenfcfjaftltcb,
üerfeb,rter. £enn ber (rrftere erfettnt nur bte >ueib,eit an unb fann in ber
Hefd)id)te ausfdjließlid) ein totllfürltd) toed)felnbes Weioebe perfönlidjer
(rtnroirfungen erblirfen, ber Vettere läßt nur bie Mottoenbigfeit gelten unb
ftellt bte .fciftorie bar als eine unerbittlid)e (*ntn)tcfelung roentger anfäng«
lieber llrfad)en. Soroorjl ber (rine als ber Xlnbere begrenzt in toiUfürlicfjer
3#eife bte unenbltdje Wannigfalrigfeti ber rnftorifdjen S$ed)feln>irfungen,
bas bunte Spiel ber gefd)id)tlicf)en &räfte; fo müffen fie benn beibe oon
itjren unjureierjenben ^orauofefeungen aus 31t nohoenbtg falfeben, ber ge«
fdjidjtlidjen Uöatyrtjett nidjt entfpredjenben (yrgebniffen gelangett.
'Uber nur feiten fommen btefe errremen Ifjeorien in toirflid) reinem
Gepräge \u roiffenfdjaftlidjer ÜBetl)ätigung, bie Orariß ber P)efdrid)t0*
forfd)itng fdjleift oieImel)r it)re rjartett Gefeit ab. >&ärc £err ^rofeffor
l'ermtan toirflid), mie es nad) feiner JHebe ben Slnfdjein erroerfen fönnte,
ein ertremer ottbiüibualift, fo l)ätte er tiimmennet)r bie JBcljauptung auf
f teilen fönnen, baß ttod) b,eute ein JHeft »on ber 2lrt griebrid) Ü\>ill)elmo I.
in jebem preußtfd)en Offizier unb #inan3rat fortlebe: benn bie si?emttttc-
hing fann bod) nur burd) ^uftänbe, toie fie jener >\önig gefetjaffen unb
roie fte ftd) roeiter entmidelten, erfolgt fein.
Xennod) mirb eine nnrfltdje, btö ,ui oölltgem ä>erfd)roinbeit ber
toiffenfd)aftlid)en (^egenfäue fütjrenbe sl>erftänbtgung fid) faum ertnögltdjeu
laffen. Denn biefe Wegcnfä^e berurjen auf Erfahrungen, auf in langem
2tubtunt geioonnetten, burd) (^Ijarafter unb 2d)tcffal bebingtett 1'ebettö-
anid)aitungen. gorid)er( roeldje oorneljmltd) in ben Anfängen ber Äultur,
etroa gar auf ctrmograpbifdjem unb pral)tftortfd)em (Gebiete arbeiten, roerb'en
lcid)t ,ut errremen Bojialiften, roetl auf th,rem ^Irbeitsfelb bie inbioibuelle
Öetb,ätigttng nod) eine feb,r gelinge Molle fptelt. Untgefctjrt finb .>>tftortferf
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IVitteilungcn unb Otiten
bic fid) ber sJieu,)cit als fpcäellem Forschungsgebiet gcmibmet Ijabcn unb
mot)I gar noch, mit Vorliebe als Biographen thätig werben, in Otefabr,
bem ertremen Csnbioibualtsmus \u oerfallen, benn bie Äulturgrunblagc,
auf ber ihre gelben fid) bewegen, ift im mcfcntltct)cn bie (Gegenwart, biefelbc
fann beim tytablifum als befannt oorauägefefet werben, bas aber führt
leicht ,ui ihrer Ignorierung unb jur Überfchäfeung bes perfönlichen Momente,
(rine fold)e unbebingte Berftänbigung ift aber and) gar nicht nötig, im
Gegenteil fann bas rtortbeftehen miffenfd)aftlicher Wcgenfäfoc yuifchen ben
Vertretern einer unb berfelben DiScipIin au einer unb bcrfelben ^ocbfdmle
nur als ein großes Wlürf für bie Sernenben angesehen werben. £cnn biefe
lefeieren werben infolge beffen bor betn iurarv in wrba inajfistri bewahrt
fic finb unter allen Umftanben gelungen, fclbftänbig 311 benfen unb ab^
3itioägen. 2)as aber wirb auf bie afabetnifdjeit Vehrer mieberum förbemb
.uirücfmirfen, benn es forbert 311 fteter Selbftprüfung auf unb oertnnbert fo
ben lob alles Gebens unb mitbin aud) allen Unterrichts, bie yangewcilc."
Schon in beut oben abgebrueften ^Referat über ^>roieffor Witter s
^luffaO habe id) betont, bafs fid) ein gcwtffcr iHusgleicr) jwifdjcn ben Sin*
febauungen ber politischen unb ber .siulturtjiftortfer wot)l herstellen laffe.
£aB bic Berechtigung ber .stulturgefd)id)te immer allgemeiner anerfannt
wirb, bafür liegt eine ganje 9tcif)e oon Beweifen oor. So wirb in
Bernheim 's Vebjbud) ber biftorifdjen »JMethobe, bas jetyt in '2. xHuflagc
oorliegt, ein uns Döllig fnmpatbtfcher Stanbpunft eingenommen. 3d)
fomme im nächsten £efte in ausführlicher Befprechung auf biefcs treffliche
3i*erf jurttef. .<?ier möchte id) nur eine ^torij, bie fich in bemfelbeu (S.öWi
über unfere Zeitschrift finbet, ftreifen. B. weift in woblwollenber Söeife
auf fie hin unb erfennt aud) „bie fclbftänbige Bebeutung ber Äultur^
gefchichte neben ber politifchen Wefd)id)te" oötlig au. (_rr meint aber, ,,id)
fd)einc oon einer gewiffen Überfd)äming meines 3ad)es nidjt frei ,ju fein".
Sx'cnn jemanb eine Sache, ber er feine Arbeit unb fein Streben mibmet
auch warm oertritt, fo wirb bas nur natürlich "rw wünschenswert
fein; oorauögefetjt, bafi bic Sache — unb bas trifft hier wohl au — es
wert ift. Von btefer 5h>ertfd)äfoung bin ich ctls'o feineswegs frei; an einer
Überfchäfoung glaube id) aber nidjt ju leiben, od) höbe fchon oor längerer
Zeit in einem xUrtifel in ber „Gegenwart" (Xic &ulturgefd)id)te unb bie
bcutfdjcn Unioerfitäten ) mich bahin ausgefprod)cn : baft bie .Kulturgeschichte
eine aufitrebenbe ilUffenfcbaft fei. „Der £odvmut würbe ihr, je weniger
fie als ^iffenfehaft fonfolibiert ift, übel anstehen." Das meine id) nod>
heute. **as ich »erlange, ift bas, was Bentheim unb 100hl iefct bie
meisten .piftorifer .ytgeftchen, „felbftänbigc Bebeutung ber Multurgeicf)id)te
neben ber politifchen Wefcbidjte". £)en 3£ert nilturhiftonfd)cr Slrbeit be
tone id) oor allem einem ciufeittgcn Betrieb politischer (%)d)id)tsforfchung
gegenüber. ^m übrigen wünfehe id) — unb in bieiem Sinne leite ich b'c
Zeitschrift — jur politischen Historie ein freunbliches unb fein
gegnerisches Verhältnis. Jene unb biefe Ihätigfett gehören jur (9e'd)id)ts^
Wissenschaft überhaupt, sie ergänzen eiuanber notwenbig. St.
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ScfprccButitjcn.
Clntmer, Cfirubur. &ie beut Idj cu ftünigetoalilrn unti l»ir
CrrtftrJiuna fcts Äurfwrftentitm*. veipug, £pf idjc ^ucptjanblung.
IHM. 243 3.
Tie *rage, bie Xpcobor Vtnbner in norliegenbem ^ucpe auf* neue
beantworten unternimmt, gepört von jeper ,ui ben meiftuinftrittenen
Partien ber £eutfd>en l*erfaffungogefä)id>te. 2cpon ba* Mittelalter garte
ftd) in faqent)aftcn (Mlärung*nerfud)eu ergangen; in ben leptocrfloffcncu
3>ab,rjet)ntcn ift eine Unfumme bim £ct)arffmn uub ftombinatiimstalent
auf bie l'öfung be* Problem* nmoaitbt roorben. ,{uletd l>at im oapre
Waurenbredjer bao JKefultat rieliäprigen 'Jtadjbenfen* über ben ©egen*
ftanb in einem glänjenb gefdjriebeneu ^udjc niebeTgelegt. £a in ber
ttritif ber früheren Arbeiten Maurenbredjcr unb Vinbner im groB«n unb
flanken ,ui bemfelben ablcpueuben Urteil gelangen, fo genügt, um bem
Sintaier iepen 5Bncb,e feinen s4>lap in ber l'itteratur an.mweifen, ein Star'
a,leicp mit ben Siuöfüljrungcn feine* Vorgänger*. -Jubem finb beibe SMidjer
au* ber ganzen in ?xa$t fommenben t'ttreratur bie auf breitener Ofrunb»
läge aufgebauten, unb in beiben fomrnen prinzipielle Sluffaffungen Don
allgemeiner 33ebeutung in £rage.
Xabci ift aber ein llnterfd)ieb uiopl ,ui beadjten, ber au<r) Vinbner
entgangen ift; er gälte fonft unmöglid) feinem Vorgänger ben Bornum
mad)en fönnen, baß er bie „grunbfäplicpeu'' — b. I). boct) nur bie für bie
tfinbnerfcpc gracjefteüung grunbfäplid)en — „fragen mir fü'tcptifl beganbelt
pabe". Tie aanae lUnlage ber beiben *öüd)er ift, bei aller iHgniidjfett im
einzelnen, bod) eine grunböerfdjicbene. sMt feinem *h>orte, lueber im
Xitel nod) in ber Einleitung, beutet an, bafi es ber t>ornel)iufte
3iuecf feiner Arbeit fei, bie l*ntftcl)ungogefcgid)te bc* Äurfürftentum* flar*
zulegen. (*r will Dielmepr in eriter ?inie eine Weid)td)te ber beutfepeu
Äonigsroaglen geben, b. g. bad jeweilige ^erpältni* von 2£aplred)t ,ui
(rrbredjt feftftellen; biefer Wegenfap beiber ift ihm nid)i eine $erfaffung*>
frage allein, fonberu in il)m bewegt fid) tpm ba* 2Uif unb iHb ber
beutfepen Wefdntfe; 2ieg be* (rrbredjtä unb 2ieg be* :hiaplrecgt* ift
tpm ibentiid) mit Wacpt unb Cpnmad)t be* bcutfdjen JRcicpe*; unb nur
al* bem «Hefultat be* fdjlieBlid) fiegreiepen ii*ablred)t* gebührt in biciem
^uiammengang bem Äurfürftentum iBcacgtung. Wanj anbei* Vinbner;
fdjon ber Xitel iagt etf. (*r roill vor allem bie iiUtqeln be* neuen Csufritut*
bloR legen, unb Dornepmlid) um ftd) eine geiidjerte (*ntnblage für feinen
l*rflärungsoeriud) ,ui fdjaffen, beganbelt er bie einzelnen >\önig*roaplen.
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i>.")2 $eipred)muien
Irotjbem tjättcn bic Mefultatc ber Untcrfucbuna. am (*nbe bei beiben
bicfelbcn fein fönnen. Tob bem ntc^t fo ift, liegt bearünbet in ber $cr«
fd)iebenl)eit ber Wctbobe unb — id) möchte glauben ntd)t in lefeter ?inie —
bes Temperaments.
23ci ber 5h>id)tia,feit bes (^cflenftanbes fwnbett es fid) bod) um
bie Wrunbanffaffuna. bei £eutid)en (>>cict>icf)te ber foa.. .ftaiferjeit - mögen
einige allgemeinere ^emerfungen geftattet fein.
^eibe Ülutoren finb \u ben fott. politifd)cn .«Mftorifern ,ut redmen;
beibe fudjen bei ber Infläruna. oon ^erfaffungsinfriruten unb ib,ren 2>er
änberungen bie politifd)cn Worioe ber maBoebenben s4>erfönlta)fetten auf.
£abei aber maebt W. oon bem 9icd)t ber tjiftorifdjen ^t>antafic (>>ebraud),
inbem er, ol)ne jroar ben Quellen (bemalt an;uitbun, aber aueb, otjne hi
ifjnen eine 2tüuc finben, über bie einfädle Äonftarierung bes über»
lieferten Stjatbcftanbes Innausgebt unb burd) bie allfeitige Jflerradmtng,
ber jeweiligen ^erbältniffc foioorjl als bes Verlauf* ber fpäteren (*nt
witflung trabitionell fortgepflanzte polirifdje 2t)fteme finbet; Viubncr
bagegen nimmt bie Cuellennacbrid)ten toie fie finb, legt nid)ts Innern,
inas nidjt notroenbigerroeife in ibnen enttjalten ift, unb Dermal)« fid) aus.
briirflid) bagegen, aus ber Kenntnis bes fpäteren Verlauf* ber tinge
berauS bie It)atiad)en meiftern ,ui mollen; unb fo fiet)t er, wo Warnen
brcd)cr polttifdjes Softem ficljt, nur eine U>olitif oon isall ,ut aüü\ $eibe
Aorfcb,ungsmetboben fönnen natürlich, ,ut falfdjen Cugebniffcn fübreu.
ift ber leibenid)artlicbe Heiner bes MJapfttums, er ift gau\
erfüllt oon bem grofjen WegenfaUe bes imperium unb sacenlotini». "sii
ber Otefd)id)te ber erften oaljr^unberte ber bcutfd)cn Äaiferjeit fiel)t er
eine nmebmeube Nicbtung auf t*ntioirflung einer ftarfen, oon äußeren
('■inflüffen unabhängigen (nbmonard)ie. «sionrabs I. 3itat)l ift itmt ein
Erfolg bes (nbreebts, .<>einrid)s I. Weigerung gegen Fird)Itd)c Salbung
bebeutet für Um bie »Ibtoeifung fird)lid>en Wnfluffe*. Siefe (cntu>irflung
mirb gewaltfam unterbrod)en burd) bie ^aljl SRubolfs oon Mbetnfelbcti;
bas Csabr 1077 ift ibm wie ben meiften Arideren ber ^enbepunft ber
Xeutfdjen Otefd)itfe. 33is babin hatten (*rbred>t unb 2l*af)lred)t fid) gegen-
fettig ergänzt, oon ieöt an finb es unoerfÖl)nlid)e Wegenfäfce. Unb nun
fommt ein neues Woment binui! £as ^apfrrum toeiß «efebirft bie (>k*
ie^enbeit ,m benutten, es leibt ber Partei bes freien ik>al)lred)is feine
llnterftütum^ unb fdjläiit, aiiBer ber freien SMfd)ofsioab,l, für fid) fclbft
bas Wed)t auf ^rüfunci ber U>erfon bes Hemäblten unb auf ^eftätigun^
ber &>abl beraus. ^lafiflfbenbe (^influBnaljmc auf bie iBefetuma beö
bcutfd)en Ibrones ui üben, i^bört oon jefet an mm polirifd^en 2t)ftcm
ber Murie, unb »neun es aud) ben Staufen iieliiuit, nod) einmal bem
<*rbred)t lUnerfennunci \ii oerfdjaffen, rsnuoccn,\ III. unb feine Wad)fola.er
iireifen, fobalb bic (^elertenbett aüninfl i't aiIf bie "sbeen (Mreaots VII.
.utrürf unb fübren fic \um enbflülti^en 2iecie.
C%n #<ins anbere ^elcud)tun^ riuft Vinbner biefe c»nt)oirflunrt. .^oat
erfennt aud) er bas ^ormalten bes (vvbred)ts an, aber er betont im
(^e^enfatie ^u W., bafi aud) unter ben Marolinaern nun (^rbrcdjt bie
XHnerfennuua, babc btnuttonnueu müffeti; er fann bie tüaljl ilonrabs I.
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iBcfprecpungcn
nid)t als Steg best entrechte anfersen, fjöcpftens null er ein „gefcpidjtlicpes
(*rbred>t- jugeftepen, b. p. baß ttonrab gemäplt fei, roeil er bem §ränfifcpen
stamme angehört f)abe; er erfennt in ber ^Ibmetfung ber ftrdjltcpen
Salbung niept ben Wegenfafc ,yueier ^rtnjipien, fonbern bedient bic Sporte
£einricps, baß er ber Salbung niept toürbig fei, auf bie noep mangelnbe
Slnerfennung feitens ber an ber 2£apl niept beteiligten beutfepen Stämme.
Itnb Dollenbä ben ^reigniffen be$ 3at)res 1077 fcpretbt er jebe weiter-
tragenbe 33ebeutung ab, fic finb ipni niept mepr als eine (*pifobe; (uoar
finb bie Segalen (Gregors VII. bei ber Ihpebung Mubolfs zugegen ge-
toefen, aber Don einem poltttfcpen Softem ber Aurie, bas bie s4>to«
flamierung bes freien 2£aplrecpts bebtngt unb erreicht pabe, fönne feine
Miebe fein; unb bie ©itte um Slnerfennung ber >4>erfon unb iBeftärigung
ber 2$apl ift ipm gar feine Neuerung; fie fommt fepon in ber Äarolingerßeit
t»or unb ift ntepts anberes als bie auep peute unter Souocräncn noä>
übliepe ^ujetge ber Xpronbeitcigung. 33ei ber 3s?apl i'otbars umr aller-
bings naep Vtnbner bie frrcpliepe gartet beftrebt, „bas freie ä^aplrecpt
.^umWrunbfa^ 311 erpeben", aber „benuoep rotrb mau niept metttragenbc
polttifctje Webanfen oorausfc&en bttrfen; es fam eben alles auf ben
iMugenblirf an, auf bie jebesmaligen 3roecte". £aß an ein politifcfjcs
Sufteiu ber JÜirie ntept gebaept werben fann, bafür ift :öeroeis, baß fie
felbit fepon bei ber Ergebung &ourabs III. unb Ibann oiel fpäter bei ber
^apl ?Ubreeptö 11. mieber bas l*rbrecpt ,yt .pülfe genommen pat. ras
Scpicffalsjapr ber Dcutfdjcn Ncfd)icpte ift für «inbner bas 3apr 11!»*;
in ben ipm folgenben (neigniffen errang bas 2$aplrcd)t einen oollftänbigen
Sieg; aber auep pier bat bas (Angreifen bes ^apfrtnntö nidjt bie
beutung, bie man ipm gewöpnlid) jufepreibt; an eine Äußerung trabitio*
neller s4Jolitif ift babei niept 51t benfen.
So fommen beibe Scprtftfteller bei Jöenufoung beifelben Quellen ,ui
aanj oerfepiebenen 9tefultaten.
Csd) pabe pier ben Wegenfajj, ber fiep in ber (Mrunbauffaffung ber
beutfepen Wefcpicpte ber Äaiferjeit burd) beibe ibücper ,uept, aufbeden
roollen; eine quellenmäßige -SBegrünbung ber Stellungnahme für bas eine
ober anbere fann pier ntept beabfiepttgt fein. 2£euu man auep ?inbncr
zugeben rotrb, baß fein Vorgänger fid) mancpntal tum oorgefaßten
Meinungen pat oerleiten laffen, ben panbelnben iicrfönltcpfeiten sJDtotioe
tmtcr.utfcpteben, bie fie ntept gepabt paben — ,v ^. ben i&äplem Monrabs I.
ober bem bie Salbung t>erfd)mäl)enbcn ."peinriep I. -, fo roirb er bod),
glaube id), für feine 3luffaffnng beö großen (^egenfüOes ,uoifd)en .staifertunt
unb ^apfrtum menig 3uftimmnng finben. 2id)erlicp ift ein politifcpcs
Spftem nidjt auf einmal fertig ba, eo enttoicfelt fiep im Äampf, in
Angriff unb Verleibt gung, aber baß ein Staatsmann wie (Tregor VII.,
als er auf bic ^eie&ung bes bentfdjen ^Ijrones (Mnfliiß geroinnt, fiep
feine iDciterrragenben politifcpen Webanfen gemaept l)aben foll, baß bic
Vcgaten, bie feine (Viebaufen ,ui oertreten patteu, bic iHolle ber Statiften
iit bem loeltgefcpicptlicben 3lfte gefpielt paben, baoon toirb er miep nimnicv-
niepr überzeugen, ganz abgefepen baoon, baft ein ,^eitgcnöffifcper Clnronift
auobrürfliep oon einem burd) ben v4*apit beftätigten JHeicp^gefe^ fpriept,
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254
Beforedwngen
bas bie freie t&abl bes Äönigs als (Mrunbfafe aufftcllt; l'inbner allerbtngs
miBt biefer Quelle nur geringe Bebeutung bet. —
£ocb fontmen rotr eublid) 311m Äurfürftentum. Sdjou OTauren-
bredjer ^atte all bte »ielen Itjeorien, bie bie ätfurjeln bes neuen Snftituts
in einem, gemiffen AÜrften fei es als Vertretern ber Stämme ober als
Prägern ber Inderm tcr juftcrjenbeu i>orftimmrcdjt idjon in früheren $ai)x>
luinberten ,ut finben geglaubt Rotten, als (ngebniffe eines überfeinen Spür*
finns ,m roiberlegen geinebt; Ütnbner gebt nod) einmal bie Vorgänge bei
ben einzelnen «föaljlen auf bas forgfältigftc burd) unb gelangt ,ut bemfelben
Wefultate. In tftgt, wie bie eigentltdje inttfebeibung in ben Vorocrbanb-
lungen liegt, in benen bic AÜrften fid) über bie ^Aerfott bes neuen äönig£
einigten, fovocit ,utr 3ett bes uonualtenbeu tnbredjtd bas überhaupt in
Arage fant; wer nid)t mitfrimmte, blieb fern, rann fanb bie feierliche
«•Ii«« ti<», b. b- bic üh>at)l»erfüubigung ober ridjngcr bie Slusrufung ber
Herfen, über bie man fid) geeinigt batte, wol)l fd)on feit lange burd) ben
(n^btfdjof uon »Wain,^ ftatt, unb es folgte nidjt eine namentliche Stimm-
abgabe, fonbern bie laudatio b. I). bie pcrfönlidje xMnerfennung ober S?ul
bigung erft ber getftlid)cn unb bann bei meltlid)cn AÜrften. £a bie meiften
.Ibronbefebungcu bis 1 1 1 »s burd) lefignarion bes Vorgängers erfolgten,
ober, wenn eine »1)1 notwenbig mar, bod) bie i*erfon fdjon üorljcr feft-
ftanb, fo fann oou einer eigentlichen »bl in unferem Sinne b. I). mit
pcrfönlteber Stimmabgabe bes einzelnen gar niebt geiprodjen werben.
tHnbers mirb bas uon litis an. £as (*rbred)t mürbe .utrfirfgebrängt,
^efignationeu waren bemgemäf] feiten, es wicbcrbolte fid), baß jwei
Parteien je il)rcu Mcmtg erhoben. Unb utm erften sJJJale litis unb oon
ba an ftets finben mir in urfunblidjcn unb d)ronifalifd)en ^(adjridjten
bic $£ät)ler bezeichnet als |>iincip»s ad <|tios si>r<-ialiti'r s|Mwtnt iv«;is rlertio.
unb äbulid). .*icr faben bic Arübereu ihre Vorftiiumbered)tigten; Wauren
brcd)cr brachte bic i^etdmung mit ber iMusfcbeibung bes fogen. jüngeren
Meid)siürftenftanbes in ben *<>cv fahren bes 12. N\at)rl)unberts in ^ufammen-
bang, l'tnbncr bugegeu lucift uad), baf? aud) nad) Iltis nirbt bem jüngeren
,sKetd)6fürftenftaube augebörige (trafen .t. an ben Labien beteiligt gemefen
finb; er mifjt bei tl^ctdnutng feine weitere tHebeutung bei unb erflärt bie
Sh>orie m\ i|n«i> >'c. als banuloic tllpoofition, bie aus einer gemeinfamen
Cuelle bem Schreiben Cttos IV. an ^nnocen,! III. Iltis in bie
obigen iKad)rid)ten übernommen ift. Sie Labien fanben aud) nad) lins
trou bei oeränberten Sachlage noch in ber alten Steife ftatt. xHber et
giebt .\\\, baft biefc ;uUnc bes roppelfönigrums unb ber tttürgerfriea,e
^cranlaffung gaben, über bie Oieftaltung bes Ü&üblred)t* uad)}ubenfen ;
loollte man jemals ,ut einer Einigung fontmen, fo muöte irgenb ein tMb
id)UiB bes *!£äblerfollegiuins berbeigefübrl incrben. Unb ba mar ber
gegebene xUnfnüpfungspunft bas x\nftitut bes t>leftors. 2d)on lange oor
llt»\ meint \?tnbner. tjatteit bie .Mollegen bes WaiiMcrs, &öln unb Irier,
bie Beteiligung an bem (<l)ienontt ber tlliabloerfünbigung burd)gefebt;
natürlid) blieben bie Vaicn nid)t .uiriirf, unb als ibr Vertreter rourbe ber
lifal^graf in bas MoUeginm ber irleftoreu aufgenomuteu. 2o mar aber
ber leiten bes ;Heid)es mit einem überragenben («Influn ausgettattet: es
!öefpred)ungcn
:>:>;>
tonnte ntrtjt fehlen, baß aud) ber Cften JBerücffid)ttgung Perlangte ; £a$ jen
unb 23ranbcnburg mürben ber (*t>re teilbaftig. £ie|er 3uftanb entfpric^t
allcrbings auf» genauen* ber oom 2adnenfpiegel aufgefteUten 2Saf)ltl)eorie:
bie ©efamt&cit ber 2£ät)ler einigt fid) über bie Herfen, bie fed)3 (*leftoren
oerfünben bie !&>al)l, unb alle AÜrften, erft bie geiftlictyeu, bann bic weit*
lidjen, Ieiften bie laudatio. Später erft ift ,\u ben fed)ö Irleftoren alö
fiebenter ber ®öt)me Innjuigef ommen. 1 ±'ü erfcfjeinen jum erften s))fal bie
fieben (fleftoren als Äurfürftenfolleg.
8lnfpred)enb unb ungezwungen ift biefe Sfyeorie gewtfj, mit beT
Überlieferung unfercr Quellen reimt fie fid) olme großen ^roang jufammen,
aber bod) fann ld) einige Öebenfen nid)t unterbrüefen. £)ie immer wieber«
feljrenbe ^Betonung ber wahlberechtigten dürften oon 119s an, aud)
roenn fie aus einer Quelle flammt, mad)t mid) ftu&tg ; baß alle bie £d)rift.
fteller fid) nichts babei gebaut haben f Otiten, fdjeiut mir nicht recht
tilaublid). 2$enn V. bod) einmal fchon oor 1 19m mehrere C^leftoren an-
nimmt, follte ba fid) nid)t eine ^rilrfe bauen laffen, bic oon ben (*leftoren
ben wahlberechtigten dürften führt? Slber aud) ber Beweis für bie
(^riftenj ber fed)S (rleftorcn — bie id) burchaus nicht beftreiten will —
ift nicht erbracht unb fann aus ben Quellen nicht erbracht werben. £aben
ftc aber roirflid), unb ,uoar fd)on lange oor 119s, eriftiert, mo ift bann
ber fnnbamentale Unterfdjieb ,uoifd)en ihnen unb ben „üorfrimmbered)tigten"
Wählern ber früheren? Nud) biefe Ratten bod) - namentlich Cuibbe
betont bas bes öfteren — in bem 2>orftimmred)t nur ein ceremonielleä
<^renamt gefeben; unb wenn £inbner jwar in ben (*leftoren mit 9ted)t
nicht bie Vertreter ber 2tammcsl)erjogtümer fiebt, fo ift bod) aud) für ihn
bei ber ^uiammenie^ung bes* ^nftitutö bie territoriale ©eftaltung bes
Weiches oon (sinfluß gemefen. <>ianj fo groß als es fdietnen möchte, ift
olfo ber Wegen|ai5 nid)t; man befontmt bod) ben (rinbruef, als ob zuweilen
- id) fage nid)t burdjau* — aud) Ijier über ^orte geftritten fei, wäbrenb
über ben Inhalt bie Wctmmgen gar niri)t fo ii'eit auseinanbergingen.
Wufta» Becfmaun.
Jforrdiunaen jur Kultur- imi» titterarurarrrfiiditc ©aytrn«.
herausgegeben oon &arl oon $teiubarbftöttner. (nftes iöud). 3)iünd)en
unb t'eipjig. (rt. ftrana'fdjer Verlag. 3of. SRotb. 1*93 rl'A'l (2.).
$ie oorliegenben „^oridjungen", bie in jwanglofen 33üd)ern er-
fd)einen follen, Perbienen ^sntereffe über bie Wiensen be$ Vanbes hinaus,
beffen (5rforfd)ung fie .uinädjft bienen wollen. £ie fiiib ein 3eid)en bafür,
loic beute gerabe bie fulturl)iftorifd)e 9tid)tung ber Wefctjtctjteroiffenfctjaft
eine immer ftärfere Pflege unb eine immer größere leilnaume finbet; unb
fie finb weiter ein Zeugnis bafür, baß man fid) mül)t, biefe ftorjebung
nicht mehr in bilettantifcpcm Sinne, fonbern oon cd)t wiffcnid)aftlid)cm
Stanbpunft aus unb in miffenjd)aftlid) gebiegener üh>eife ,ut pflegen. (ss
ift fernerhin oon größtem Üi^crt, baß man fid) für biefe Aorfd)ung beftimmte
lofale ©renken feöt. %3Jian t)at "bislicr gerabe bem ipc.ufifcrjen fceben ber
beutfajen (Stämme oiel ,ui wenig 31 nf nierf f n tu feit gcfdicnft. Wan,\ rid)tig
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25«
»etprcdjungen
meiit her Herausgeber öuf 28aed)tolb s Wcfd)ichie her beutjchen ßtrteratur
in ber Sc^roci^ hin. (*rft aus ber Kenntnis be$ Sonberlebens bcr ein-
aelnen Stämme fann fid) eine wahrhafte (*efd)ichte bes beutfchen JBolfes
aufbauen.
Was ber Herausgeber im Vorwort Aber ben Wert ber 5tultur«
gefd)id)te faßt, ift oon Herfen au billigen. Seine 2luffaffung ift dölltg
richtig, unb wir tjoffcn, baß er uno al$ Herausgeber in ben nädjften
2Md)ern aud) Sdjilbcrungeu ber 3llHanbef beci Gebens ber Wefamtheii,
be£ Ünpifdjen bringen wirb, ift ein fleiner ftebler bes erften $*ud)es,
baß es* eigentlich nur ©iographien (^in^elner bringt, l'nne Slbwechfelung
wäre Dielieidjt wflnfdjenswert gewefen. (*s foll bamit nidjt gefagt werben,
baß biefe biographtf<hen Sdnlberungen etwa fulhtrhiftorifd) weniger wert«
ooll wären. Oierabe bic (rröffnungsftubie bes Herausgebers über ben
bancrifd)en Hoftweten Matthias (*tenbueber flirrt uns oieimchr oortrefflid>
in bas Peben ber bäuerlichen Vergangenheit. Was föcinharbftöttner a. 23.
aus l^tenhuebers „>Winchncrifd)em Wochenblatt in Herfen" mitteilt, ift
höehft intereffant unb Doli merfmürbiger Schlaglichter. 3" einem Doli-
ftänbigen 3citbilb erweitert fid) auch ber jroette große Beitrag bes Heraus
gcbers\ in bem er 5?lnbrea6 ^oupfer, einen bcr heröorragcnbftcn bauen f eben
„SlufFlärer" behanbelt. 3oh- ftriebrid) veröffentlicht einen lUuffafe: Uöllingcr
unb klaren, ber namentlich aur näheren Äenntnio bes merfwürbigen unb
bebeutenben $öllinger beiträgt. Siegmunb (Günther behanbelt (Mtfebiu*
Slmorts $)eftrebungen auf aftronomifchem unb phnfifalifch«geographifchcm
OJebiete. 2lmort ift, wie mehrere Zimten unb anbere ein 33eweis bafür,
baß bie bäuerische fatholifd)c Weiftlid)feit bei» achtzehnten 3oh*h»nberts ber
ftörberung ber eratten Wiffenf Charten ganz befonbere teilnähme mibmete.
Tas ganae Unternehmen ift uns burchaus fnmpathtfd) ; es oerbürgt
Wiffenid)aftlid)fcit unb ift boch aud) für wettere Mreife intereffant. Xie
Verlagsbanblung hat fid) eine oornehme Slusftattnng angelegen fein laffen.
Neorg Steinhaufen.
t>ic beutfdien Sfammbürficr be* rrdliclinten bie ttrun-
lcliuten JAfrrliiinbrrte. (*mft unb Schern Weisheit unb Sdjwanf
in £>riginal«'iD?ttteilungen aur beutfd)en ttultur (^efchichte oon Stöbert unb
Wiehorn 5teil. »erlin, W. Wrote'fd)e ä?erlagöbud)hanblung 1*<>3. YI11.
ifcts Seiten.
"Jiid)t immer wirb einem 23erid)tcrftattcr feine iHufgabe auf bei
einen Seite fo leid)t, auf ber anbereu fo fdjmcr gemacht, lote in bem dop
liegenbeu Aalle. Wtt ber Herausgabe nur eines einzelnen, gleidjfani
am Wege gefunbenen, älteren Stammbuches ielbft befdjäftigt, wirb er im
Cftober ist»:; burd) ein mit großem Sammelfieiße Dorbereiterc* Werf
über Stammbücher unb ihre fulturgefd)td)tlid)e ^ebeutuug überrafcht.
Xod) id) will barum nicht trauern. Unbestreitbar füllt bie Samnu
luug ber Wcbrübcr Steil, oon welchen fRidjarb ft. währeub ber Arbeit
oerftorben ift, eine ^iiefe in unferer Vitteratur aus. Sd)ou in fetner
auBcren ^lusftattung hat bas Häubchen eine gewiffe ^(hnltchfctt mit ber
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söefpredumgen
'257
oermelnrten Auflage pou ©ücfmianno „(Geflügelte £?orte" betitelter Spridj-
roörterfammlung. Unb „geflügelte ©orte" finb e* bod) jumeift, roeld)e
aud) Me Äctlfc^c Sammlung bietet. Der & tarn mbudj. Interpret tft aber
nid)t überall in ber tfage, gleid) 33üd)mann ba* geflügelte 2Sort auf einen
Starmnoater prütffübren ,ut fönnen: einer mad)te irgenbroo einmal ben
x'lnfang, anbere folgten, unb c* entftanben Sprüche, welche im Verlaufe
oon mehreren fmnbert 3atjren meift einem großen Söanbel unterroorfen
maren unb beren £erfunft unbefannt geblieben ift. Durd) ben (Hnflufe
ber 3eit ftnb fogar einzelne Sentenzen halbiert unb mit Seilen anberer
Sinnfprüd)e roieber al* £älfte oereinigt.
hieben Derartigen geflügelten Korten ober aud) beabfidjtigten Zitaten
ftcf>en gleid)rool)l Eintragungen, bei welchen bie rriginalttät be# Selbft-
fct)affen$ nidjt fortpbeutetn ift. Sluf biefe »Derben bie Webrübcr tteil ein
befonbere* Slugenmerf gerietet Ijabeu, fo fd)ii>er e* tt^atfäd)Iic^ ift, untrüglict)
überall einen urfprüngltcrjen Webanfen al* folgen ,ut erfennen. Gin be»
fonbere* "flitBtrauen in biejer «ipiitfic^t oerbienen bie fran^öfifcfjen iiUb
ntungen leidjteren Wetänbel*, aber großer, oolltönenbcv ä£orte. (>•* vtx<
nrfad)t bem l'efer einige 'JRuIje, jene 2innfprüd)c ju überfdjauen, lueldjc
mit geringer Veränberung bes 2lu*brurf * genau baöfelbc befageu ftolgenbe*
^eifpiel genügt:
Seite 114 |>Jtr. 429): .La v.rlu lammir . t Thonm-ur
S<mt l.'s trois llainVaux «Ii» nmu «hm-ui-
i^aris ir.:>:i);
l£v» r)lx. 7.r>.*>): „L.'s ariii«'>, Painour et l*h»nin.'ur
Sunt K s tmis llanib«>aux <lc nmn rurnr"
l Strasburg H>47);
17<i is)lx. NM.M: -I/K|m »\ l.-s haims et l*H<»nm>UT
Stint l«'s tlanuiit's « l «• inon c-immit"
(Dürnberg 1744».
£ier l)ätte metjr gcfid)tet werben tonnen, ,uimal ba eine innigere
Verarbeitung be* Stoffen bind) bie fonft ferjr gliUtUdjc Wefamtbiepofitton
erfrfjroert mar. Sind) bie ;snfcriptio au* $ari* ift ntd)t bie ältefte; beun
in bem ber Verausgabe tjarrenben Stammbuaje bes I». Slbr. s4>lato finbet
fict) au* bem Csülne 1G0!> it'uon) ba* gleiche SBefenntms, um einen Scrjreib-
fetjler bereidjert! —
Die «Hnorbuung innerhalb ber Alcilfchcn Sammlung tft nun fo
getroffen, bafi bie ganje Arbeit in fed)c» xUbfdmitte verfällt, bereu erfter
gefdntft unb erfd)öpfenb bie gefd)id)tlid)e (^ntmirfelung bes £tammbud)>
iDefen* barlegt. Die übrigen ö 3lbfd)nitrc bringen, möglidjft im xMnfölufl
au bie Polinnen unb religiöfen Vorgänge burd) brei bis oier oafyrfmnbcrte
beutfdjer Wefd)id)te, je nadj Uuioerfitäten georbuet, groben au* ettoa
i'W Stammbüdjern unter Vorauf fd)itfung einer (Anleitung über ben Weift
jene* Zeitalter*, weldjes fid) gcrabe in ben Stamm biid)ern mibcrfptegelt
Xtefe Einleitungen in irjrer Mefamtrjcit idjilbem berebt ben (rinfluB be*
&umani*mus unb ber SHeformatiou, bie (nnroirfungen bes breiBigjäfjrigen
.Hrieges, ben Pietismus unb feine Wegner, bie fogenanntc flafftfdje l*pod)e
unb bie S3efreiung*tricge, fdjlieBlid) bie Jcit ber burfd)cnfd)aftlid)eu iöe»
3fit'*<6rift für ftulturgefchtditf. 1. 17
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söefpredmngen
ftrebungen. Tic ^eifpielc finb metft glürflid) c^eiuät)lt, bafe aber eine
gewiffe Wcfat)r in berartigen gcid)id)tltd)en Älaffififationcn fteift, gebt \ux
(Genüge mieberum auö unterem obigen s#eifr»iele tjeroor, wo bie ein
fd)läg,igen 3ab,re HiÜH, M'üVS, b'Al unb 1744 brei uerid)icbcncn oon Mobert
.steil felbft abge'tedtcn Zeiträumen angehören. .Linns u mm ImvmU»!-
3$on ben brei ^{efliftent ift bao 'JJcrfoncu ■ $erfteid)ni* (w mager $c
Malten: entweber bie Manien aller berücffid)tigtcn onffribenten ober gar
feine! and) ba$ Crtfebaftöoerjeidmi* wirb wenig Kluften fttfieu, weil ber
xHufentijaltsort auf ben o"balt ber (Eintragung nur in befonberen Fällen
einen Cvinflufe ausübt; um fo banfenawerter bagegen ift bas 2ad)regifter,
burd) weldjes bie bunt burdjeiuanber gewürfelten Seoifen unb Oteime
iad)Ud) ,ui fd)önen unb oraftifd)cn Straußen oercinigt werben. £ao weitefte
$anb fct)lin^t fid) um bas 2tid)wort „Alanen unb Viebc" t2eite ;i.>i|,
uier umfangreiche 2träuflc, nad) ben Zeiten geteilt gebunbeu, in fid) oer»
ciutgenb. #ier fhtben wir aud) in iirwüd)figcr Teilzeit bie *f ermatten
beutfdjen (Sprüdje in einem beachtenswerten metrii'djen Wemanbe. Xem
^weiten xMbfdniitte, namentlich, oon 2cite Tj unten biv 2. sl gebül)it
über biefeö l^ema bie i*alme! —
.Sleilo aucigefprodjene ?lbfid)t war es (2citc Vit, bie (*raebnifie
feiner ftorfdjunaen „nid)t nur ber wiffcnfdjafrlidjen &ulturgefd)id)te, ionbern
aud) bem grofjen gebilbeten s4§ublifmn jugängig ,yi machen." (** wäre
bal)cr uerfel)lt, gerabe au biefer 2tclle Betrachtungen barüber an.uuteUeu,
was alle? nod) auo einer 6UUleftio<9lu*ftellung oon „mehr als *>X) 2tamm=
büdjenr ,ui madjen gemefen wäre. Oiur ein grell ,uitage treteuber
Langel ber Äcil'fdjcn 2ammlung möge Ijicr angebeutet werben, nämlid)
bae> Wcfjtrcgiftrieren eines beroorragenben iWerfco, meldjcö ui bebeutfamem
Zweite mit ben Wcbrübcrn Aleil teilweife aus benfelben Cuelleu gefenöpft
bat. Unb biefe Quellen baben gerabe am Wohnorte oon Robert .Mcil
itjren (>)runb unb Bobeu: in Weimar! (Gemeint ift Slbolf 2töl,icr$ mit
beut erhöhten :>tubcnow Urcife bei Unioerfität (>>reifowalb au*gc,\cid)uctec»
Werf: „Die (*ntwüflung bes gelehrten :Kid)tertums in bcutid)cn Serrr-
torien. Bb. 1. II. 2rutrgart lsTJ.' Ter Herfaffer wirft beute nod) als
Gräfes ber prenfjifdjen r>uftt.v'iiiimuictö'A'ontiitiffton; er würbe aerobe in
lentcr Zeit, wo eine x'inberuug unfercr 2tubienorbnunaen auf ber Saae*=
orbnung bei .^ndjfdjulcu ^olemif ftct)t, wegen feiner praftifdjen Cvnitiarioe
wiebernolt genannt. "Jiadj feiner eigenen Betonung fudjtc er in feinem
oreisgefröuten i^erfe einem grofjen I eile auo fieben ftnbeutifcfieu
2tammbüd)eru bac> (Einbringen ber römifdjred)tlid) gebilbeten ouriften
in bie beutfdjen :Hid)tevu^e nad)uiweifen. hiermit bat er bie erfte unb
einzige l'lnleitung gegeben, locnigfteiK^ bie 2tammbüd)er bco l<i. unb
17. 3«f)vi)itnbevtv mein ab> (>>efd)td)t«iuiellen uuUbar \u madjen. -- Ältere
2d)riTtfteller über 2tammbüd)cr finb oon .Mcil in einer turnen Vittevatur
Übcrfidlt (2eite 45 unb 47i aufgefüljrt. Über bie größte befaunte 2tamm
büdjer 2nmmlung auf ber (^roftlKr.ioglid)en 2Mbliothet ui 'Weimar be-
richten fowol)l >leil (2. 4s> al«;< aud) 2töl,^el ta. a. C. I. 2. ''>-J.
'Jimuerf. TJüi. Xiefc 2anunlung nnuafit gegen 4<H( J^änbe! —
^ei biefer (^elegeubett fei auf einen bübfdieu (^"ffni oerwiefeu, ber
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biliar nur für ben all(ut flücfjtigeu 3med eines 3eituugSt° Acuilletons be
rechnet ift, jebod) gletcfj feljr nad) beut lueifc gebrängten Inhalte wie nad)
feiner xoxm feffelt. (*s ift ein Sluffafc mit bem fd)Iid)ten Ittel: „£tamm>
büdjer. $ott £. »Webner rJNünd)ett)'* in: „berliner «euefte Wadjricfjten
i:>. 3tjg. xJir. ö(i5." Unter anberem erfd)eint ba ein ausjugsmetfe bar-
gebotenes 2tantmbud) „eineo gebilbeten iBätfergefellen'' aus Hamburg als
ein waljres ftabinetftütf. <s*in fteber Cnfel bat basfelbe oor Antritt ber
Steife gefpenbet. "Wtt feierlich • fd)alf^after Wiene füljrte er bie *eber \u
ber 2£Mbmung:
„Dutt Jöoof en .fteiligbotjm fall blieben;
Vat £i man flietig wat brtn fdjribcn.
?at iBiller maljln im Stlrmjetten,
Wtett'n lotlt'f l)ier gltetfs baneben fetten!"
»Wdjncr bat aud) eine Weljrjarjl oon ^tammbüdjern bemtlrt, weldje
aber oon ber a^eimarifdjen Sammlung weitab \u liegen fdjeineu.
.{weifellos tjat er gclegentlid) einen $Uitf in bie retdien ?lrd)ioe ber Familie
oon xUloensIeben in ber $rot>in,t 2ad)fen getljan. Marl XHbam.
tubtvin deiner, Berlin. Hiss -1*40. Wefcrjtdjte bes gelingen
Vebens ber preuftifdjen £auptftabt. (nfter iBanb. (*rfte .fcälfte.') Berlin lSMl
Verlag oon ttebriiber ^aetel.
3« biefem Jtfudje liegt ber Anfang eines Wertes oor, beffett
Watt ber tüdrtigc unb fleinige 2Utior feit langen ;>al)ren gepflegt
t)at. Da* Ügort ,,&ulturgcfd)id)te" l)at er im Ittel be^balb oermteben,
roeil „man in netterer ^cit angefangen rjat, bei .s\ulturgefdjict)te ben
.£auptnad)brutf auf ^irtfdjaftsgefcbictjte ,511 legen", er aber feinen Stttbieu
nidjt biefe 2lusbeb,nung geben rot 11. od) meine nun, ber SHnfprudj,
.ftulturgefdjtdjre foll ooraugsruetfe $ßirtfdjaftsgcfd)id)tc fein, ift nid)t ol)itc
Weiteres beredjtigt : ber iHcrfaffcr tjatte fein iHitd), bas wirflid; fulturl)iftorifdj
ift, otme iöebenfen aud) 1*0 bezeichnen föntiett. ÜlMr haben alfo eine
Vitterahtr» unb ttulhtrgefd)id)te Berlins in einer beftimmten zcitlidjen
'■Begrenzung oor unS; bas «JJolitifrfjc unb Stäbtifdje fdjliefct ber ^erfaffer
ausbrüdlid) aus. Tas iBud) beruht auf einer fetjr umfaffenbett Quellen,
forfdjuug: man barf in il)m, aud) abgeferjen oon ber ftofflidjen üUeridjiebeit'
Ijett, nidjt ein iBudj fel)cu, tute c* mand)e anbete über Berlin fdjricben. "sdi
babe bas (feiger 'fdjciöud) mit größtem oiitcreffe gelefen unb roünfdje aufridjttg
bie balbigc *ortfc$jung besfelben. 5h*as idj auszufegen l)abe, betrifft etwas
anfdjeinenb cmfterlidies, aber bod) nidjt unwcientltdjes: bie (Einteilung
bes 2toffes. (feiger nimmt aufd)eittcitb als Wefidjhipuuft bafih bie Me<
gieruugszeit ber fünf prettnifd)en Vvöuige an. l>r felbft fagt, bafi er oou
ihnen nur infoweit fpredjett will, „al* jene Könige auf bas geifttge «eben
eingewirft haben". s3iitn finb bod) nidjt ohne weiteres Regierungsantritte
ober lobesfälle oon Möttigeu iHbfdjnirre bes geiüigett Vebens, aud) nidjt
•) in.uoifdien erfdjteucne >. Hälfte ift uns nod) nidjt zugegangen,
r. ^{eb.
17-
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©efpreefjnngen
ohne meitcTe? für eine Nefiben^ftabt, obgleich tyiex natürlich bcr (rinftufr
bes ftofcS am ffihlbarftcn ift. C\n biefem aulcfct angebeuteten llmftaub
liegt üud) aUcin bte Berechtigung ber feiger fc^cn Einteilung: aber ia>
oermag fic bod) nicht 31t billigen. 2lud) SHnfango- unb Enbbegren3ung bes
ganzen 25ud)es, Wm— 1*40, iinb nad) bem JHegterungSantritt unb .frerr*
|d)üftefd)lup don Äönigcn geroählt. (feiger nennt bie *43eriobe in fid)
einheitlich: fte beginnt „mit bem Jöcftreben, bem Staat unb bamit aud>
ber 9tefiben,tftabt föntglichcp 91niehen ,ui gewähren"; fte fdjlieBf ab „mit
bem 3eitpunft, ba bie 33ürger ber 2tabt unb bes Staates t>or allem oolle
Teilnahme an ber StaatSucrmaltung begehren". 3ft ba? für bas getfrige
i'cben cntfchcibenbY 3ft bie ^eriobe auch in «eifriger £infid)t einheitlid) r
*Uein! »Iber man fann bod), iuie id) meine, bie Begrenzung Don 1 «8«- 1*10
midi in geiftiger Begehung motu" gelten laffen. Wegen 1670— KJso
beginnt aud) in ber allgemeinen beutfdien Multurcntmicfelung ein neuer
\'lbid)nitt, nad) meiner Sluffaffung ber jmeite Ülbfcrmitt einer ^eriobe, bie
turnt Ausgang bes fed)3el)ntcn oö^iljunbertö bis gegen 1730—1740 reicht.
Unb 1*40 beutet aud) in geiftiger .v>infid)t einen Ülbfd)luB an. 3d) barf
hier an einen 53ricf ber #riebertfe Ärufcberg oon £iecf, ben fte 1*41 fdnieb,
crinnent, in bem fie über baS Entfcfmnnben einer „fd)önen 3t»t" flagt,
in ber man geiftreid) unb empfinbfam mar. i*on Wengens ©riefen meint
fie: „Sie mürben fie beute nod) füllen — aber roer fünft? JJlud) biefe
Jeit ift oorüber; bie Viebe l)at ein anbercs Wemanb umgehängt; bie garten
Stoffe finb oermcht, unb id) glaube, ein junger Wann, ber jefot foldje
Briefe fdjriebe, mürbe fid) nidjt mehr männlid) ergaben oorfommen." od)
greife t)ier oielleidjt bem Berfaffer oor, aber id) mill nur anbeuten, baft
biefe 3eitgrcn,3e als 9lbfd)luß aud) beo geifrigen i'ebens ganj ridjtig ift. Daft
£amals Ariebrid) älMlhclm Iii. ftarb, tlmt nichts mr Sad)e. 3d) für meine
Nerton hätte lieber gefehen, baß bie ganjc Schilbcrung auf bem ®ang ber
allgemeinen Entmtrfelung aufgebaut märe. Der $erf affer märe bann im
einzelnen \\i anberer Einteilung gefommen. Er hatte mandjes anbers
gruppiert, mand)eS in anberer Beleuchtung bargeftellt. Er hätte bann aud)
mcl)t bie allgemeine 3eitftrömung burdiblirfen laffen ; 3. 35. burfte bei bem
Mapitel ,,.<>ofbid)ter unb £offeftc" ber «£inmeis barauf, mie bamals ber
.v>of ba? gefamte t'eben bet)errfd)te, ber „Jpofmann" ein i'ebenoibeal mar,
uiebt fehlen. Dod) über bas alles ließe fid) ja frreiten; unb id) mill
meine Auffaffung nid)t als mafigebenb t)ttiftetleu. Die oorliegcnbe erfte
Wülfte bes 1. ©anbes reid)t bis uim 3al)re 1740. Taä erfte ©ud), bie
„Bcgrünbung", befchäfngt fid) mit ber ^eriönlichfeit örtebrichs 1. unb btr
Sophie (5harlotte, mit ben £ofbid)tern unb £offeften, geht eiugehenb auf
bie religiöfe Bcroegung unb bie Entmidelung ber iötffenfdjaft, wo aud)
mand)c anbere Dinge unb 3uftänbe, bie eigentlich au anberer Stelle er»
mahnt merben müßten, geftreift roerben, unb geht hix\ auf bie Entmitfeluna,
bei .vumft ein. Da? jmeite 33ud), bie „eiferne $dt", geht äljnlid) oor;
erft mirb bcr .£of, bann bie religiöfen 3uftänbe, bann 3iMffenfd)aft unb
Vittcratur, Iheater nnb Munft gefd)ilbert. Äulrurhtftorifd) intereffant ift
befonbers aud) bao lejjte Äapitei: „Sittltd) öfonomifche 3uftänbc." Den
;>nhalt hier im einzelnen anmbciiten, mürbe mid) ju tueit führen; id)
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$efpred)ungeu
wteberl)ole, baß eine ^üllc iutcreffanter unb bead)tensmerter (.*inaelt)citen
gegeben werben. Einige Jüeinigfeiten finb mir nod) aufgefallen. Seite 7
Iprtdit ber Ükrfaffer oon bem otclfetrtgen Sntereffe ber Sopfne Charlotte,
„wie man es in jener 3ett ber fo mangelhaften Frauenbilbung feiten
finbet". 3>as „feiten" ift bod) nid)t richtig. <#erabe gegen Ausgang De*
17. Ja^r^unbertö gab es eine Fülle „gelehrter Frauenzimmer" in Qeutfcb*
lanb, id) erinnere an bic £öd)ter bes Sßrebigers iöofc, an bie l'eipaiger
$rofefforentod)tcr Warie Barbara tfelmtann, Warie Äunifc uub oiele
anbere. Von philofopt)ifd)cn ^iirftinnen nenne id) nur (rltfabctl; oon ber
s4>fala, bie Frennbin $)escarted'. 2lud) bie litterarifdjen (5rfd)einungen nad)
JÄrt bes „(Mehrten beutfdjen Frauenahnmers" jeigen, bafe in biefer Jeit
fid) bie Frauenwelt faft mit au *>tel <5tfer gelehrten fingen juioanbte.
Seite *2* fteht: „ein faft gänaltd) unbefannier Dichter, Grbmann 2£icrfer,
brad)te ei fertig, «erlin nnb SHthen gcrabeau neben einanber au (teilen."
Das ift aud) nichts feltenes im 17. 3ahrf)unbert. Schon in Zwinger o
M. thoilus a|)u(i« niira fmben|fid) Diele ^auptftäbte als AtlhiiaHJallicap u. i. w.
beaeidjnet. Sluf 3ena mürbe aud) bamalS bie 99eaetd)nung Atlu-na«* Sabina«-
angemanbt. SJian iie^t baraud nur ben epigonenhaft gelehrten Staftridi
ber 3ett.
(*ine Vorarbeit, ober ben Seil einer ^aterialfammlung ju bem
anerkennenswerten 3£erf (feiger 's ftellt eine oon ifmi oeranftaltete Samm«
lung bar, auf bie td) hn 2lnfd)luB an bie obige JÖefprecrjung ^inroeifen
roiU: Die „berliner ^eubrude", bie ebenfalls im Berlage ber (nc-
brüber ^aetel erfdjeinen. <Ss liegt mir bie a»>eite Serie in 4 «änben unb
ber 1. $anb ber brirten Serie oor. (tfröfjtenteüs finb fie für bie SMtteratur«
gefcqidjte Berlind wid)tig, aber fie ftnb bod) fämtlid) für bas geiftige
Veben, oft für bie berliner ^uftänbe überhaupt intereffant. feiger giebt
ben „SJiufenalmanad) auf baö 3at)r lstKi", beffen einfüge Herausgeber
<5b,amtfio unb 2?arnhagen waren, neu heraus; (vflinger ein Irauerfptel
bes einft oielgelefenen 3ulius oon ä>ofe: „£<mir" unb weiter ooljann
3oad)im Irmalbs ©ebidjte nad) ber erften Ausgabe oon 1755; (feiger
wieber „berliner Webicbte 1763-1HW" unb „Sfubwig »d)im oon Nrnim.
Unbefannte Sluffäfee unb Webid)te mit einem Anhange oon Siemens
Brentano". — CDic Herausgeber leiten ihre Ausgabe mit ausführlichen
orienrierenben Jöemerfungen unb 9cad)meifen ein, wie benn überhaupt
bie (*bitton ben (vinbruef größter ©ebtegenhett macht. .Stulturbiftorifd)
am intereffanteften finb bie ^Berliner (^ebid)te, bie Weiger mühfam aus
aatjlreidjen Quellen aufanrmengebradjt Ijat. $ifthetifd)en ©enufe foüen fie
nicljt bieten, fonbem uns „bas 5Mlb einer längft entfehwunbenen (>pod)e"
geben. Die Slbteilungcn finb aljo betitelt: Äönigdlieber, ^eitereigniffc,
berliner fcanbfchaft, ©efellfchaft, Sitten unb Vergnügungen, (^ebidjte auf
^erfonen. Wan erfiet>t fd)on hieran«, wie Okiger bie Aufgabe fid) gefteUt
bat. od) fann an biefer Stelle nur nadjbrücflid) auf bie Sammlung auf-
merffam mad)en unb fie bem berliner, wie bem 9iid)tberliner, fo u>eit er
fid) für beutfd)e 93ergangenrjett tiefer intereffiert, empfehlen. Die 5?lus«
ftattung biefer Sammlung, wie bes 0\eiger'fd)en Houptwerfes ift, bem JHufe
ber Verlagsljanblimg entfpredjenb, gebiegen. (^eorg Steinhaufen.
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^eipredjungen
«. 3lu, ©citrägc |ur ^eWlidlte ber äunft unb ßunft-
trdinilt aus mitielrujdtbcutriJien S>iditunflen (- CueUenfdjriTten
für Äiniftflefd)id)tc unb 5Uui|tted)uif bes Mittelalters unb ber Weujeit. 91.
V. ^b.j SBien 1*92.
(^s ift eine ber an(}iel)cnbften unb rei^oollften XUufgaben ber Aulnir-
gefd)id)te bes Mittelalters, beobachten nuc bie xHußcnroelt nnb bas l'eben
nnb treiben ber Menfdjen Don ben bilbenben nnb Don ben befdjreibenben
Aiinften aufgefaßt, uerarbeiiet nnb n)iebergefd)afreu wirb. £as Nina.cn
bes Äünftlerö mit bem 2toff, fein !Bemül)en bes Materialcs £crr \u
werben, bas fid) Nufbrängeube dou innen Ijeraus ,ui erfaffen, jeitigt immer
neue 2 rufen ber ^eobad)tungsgabe uub bes 3tuffaffungööermögen^ uub
jeigt bie geiftige tfraft ber inneren Verarbeitung ftetig im &iad)fen.
ih>äb,renb allcu Münften bie gleid)e Ohunbanfd)auung ber Slufeemoelt
gemeinfam ift, bieten fic bod) manche burd) bie Verfdjicbentjeit ber 23c<
ftimmung unb bes Materials bebingte xHbroeicf)ungen Don einanber. £ie
bilbenben Aliinftc verfolgen anbere 3ü*le unb arbeiten mit auberen Mitteln
als bic fßoefie. £o ergeben fid) in ben Stoffen, wie in it)rcr 33ct)anblungs<
weife Verfd)iebent)eiten. Unb bod) tonnen loieberum XHusgleid)ungen bei
ber fonftigen natjen Vcrumnbtfd)aft nid)t ausbleiben. "\n bem Ergreifen
neuer £tofffreife foroo^l, als in ber xHrt ber Verarbeitung jeigt fid) gegen-
teiliger (rinflufe. Unb ^licljen nüe Slnnäberung finb uns* glcid) an.ueb^nbe
2d)aufpiele. £as Verhältnis noifdjcu Aunft unb Iid)tung bietet uns
eines ber intcreffanteften Probleme bar, bas leiber bis jcot faft feine Ve
rjanblung gefunben t)at.#)
3»u ber allgemeinen Nuffaffung ber xUuftentueli ftimmen, wie nur
eben fagten, im Mittelalter .suutft unb Voefie übereiu. 2ie liegen beibe
oolltommen in ben Rauben bes lupifdjen; alles roirb nur als lupus,
nie inbioibuell aufgefaßt unb toieberge^eben. ii>ir Ijaben in ber ganzen
Vocfic ber riaffifdy mittelt)od)bcutfd)en Veriobe nur tijpifd) fonoentionclle
Figuren: bie Reiben finb alle mit ben gleichen strichen gewidmet, mit
ben gleichen färben foloriert. £ie entfprcdjen innerlich, unb äuncrlid) in
ber Äiinft wie in ber Xicfjtung bem "vbcale menfdjlicrjer £d)önt)eit unb
uollfommener Mitterlidjfeit, beffen einzelne ^üge meift id)abloncnb,aft
wiebergegeben unb gel)äuft .werben. (*injta, unb allein Wolfram Don
(*fd)cnbad) bilbet eine 9lusnal)mc: in feinen inerten, befonbers im Varjioal,
aber and) im S£illel)alm, finben fid) ftarf cutmicfelte ftnfäfec 311 iubioibueller
x'lnfdjauung.
XKid)t nur äußere unb formtjafte (^igenfdjafteu werben in ben
Kreis bes ^Dpifd) yvonoentionellen einbezogen, ionberu aud) innere,
etljifdje Vorgänge finb fo gebunbeu. (*in Veifpiel: Md)t aus innerem
T ränge fteigt bie jHeuejärjre in bie xHugeu, uid)t aus mirfUdjer Gemüts
bemegung riefeln bei cublid)er Verformung nad) langem £aber, grimmem
*) ^ri) fprcdje l)ier natürlich, nur v»on ber beutfd)en, nidjtfird)*
lid)en ridjtung. Über bie iBcbeutung uub ben (nnfluß ber Jptjmnenpocfie
ficUc u. a. ben .Hinweis 31. Springer* in ben Verid)teu b. iäd)i. (*ief. b.
•h;iffem"d)aftcu pl)il. I)ift. (M. Is7*>, 2. .i*'.
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bcnuccbungcu
Ä^afc mib Hanini bie neu .{äbven bie fangen herab: nein, and) bicic
fcbcinbar fooutanen £cr.\cn*miNerunaen ftnb burebau* fonoenrioiicU. 2o
gut mic bcm (tfefehäbigten pcvtra^^ninfji^ I5riafe gelctftet mirb, fo gut mic
über bie ^erfölmung urfunbliche AcftfteUungen ober feierlich binbenbe (*r«
Harlingen ^etaufct)t werben: cbeufo unumgänglich ift e*f bafi Sbränen
fliefien. Auf innere bemegung, auf mirfliebe beteiligung be* Hemute*
laifen fie feinen 3cf>Iuft ui, ob^lcid) biefe oft nid>t gefehlt haben mag.
ÜUenn baber nnfere .<Mftorifer fold>c berichte ,uir (cbctrafterjeicbnung ner«
inerten, ma* mitunter qcid)iel)t ober jebenfall* aefdjefyeii ift, fo \eigcn fie
barin ein mangelhafte* ^crftänbni* be* Mittelalter*.
bei Vaien mie bei Weiftlid)cu erfdieinr (Gebet unb bitte erft bann
aufrichtig, fräftig unb $iMrfung oerbeiijcub, wenn 2 brauen babei fliegen ;
nub ein befonberer Hnltu* unb eifrige* 2tubium be* Steinen* mar bie
Aolge biefer IHnfebauuug. Tie unbeteiligten boten einer Trauernacbricht
ocrgicfien ^äbrenftröme, unb ba* Ycicbengefolgc mein fid) oor 2d)lud)^en
unb deinen nicht ,m laffcn. Srofcbem geftattet beibc* — ld) mieberbole
c* — feinen 2d)luB auf bic innere Anteilnahme, e* ift lebtglid) eine
Aorberung ber (N"ttfcttc unb be* Anftaubc*, bie bier erfüllt mirb. i£ie bei
uu* bie fonocnnonclle borfdnift ein ernfte*, feierliche* (Gefidjt in folcfjeit
a allen oerlangt, fo mußten in jener Jeit bie I brauen fliegen.
(*■* mag noch ein oerioaubtcr Umftaub hier ermähnt merben, ber
gleichfall* ,\\\x HcniMeicbnung bc* HouDcntionellen bienen fann. ihMr feheu
bei Bahlen unb beförberungeu iOcltgeiulidjer unb Möiidjc, foioie and)
fäfularer ^erfouen faft immer umäcbft bic beteiligten in energifcher äSeife
bie eigene llniofirbigfeit betonen, fie mit 2d)lud)\en unb Ibränen bie
Aii*uMchnuug ablehnen. (** barf bie* auch hier nicht al* eine au* bcm
«V» er^eu flteBenbe Äußerung ber Xemut aufgefaßt merben; e* ift burd)au*
iDliifd) unb gehört \u ben Aorbcrungen be* äußeren benehmen* bei foldjer
(Gelegenheit.
(*rft für^lid) i)at ?amprecbt <T. 3f. f. (Gefd)id)t*miffenfd)aft 7r KJ f.)
loieber einige hierher gehörige fünfte betont unb in ba* richtige 5id)t
Stellt. Vciber mar ihm ein intereffanter unb febr lehrreicher IHimau
,;appert* lüber ben Au*brinf be* geiftigen Schmerle* im Mittelalter.
Xcnffchriftcn ber Liener 9If abernte obil. hift. <<l. ö |1*VH 7:5 ff.i nicht
befannt gemorbeu.
iSäbrenb biefe tt)ptfd)=fouoentiouelle (Gntnbanfcbauung ben bilbenben
& mitten unb ber tytoefie geineinfam ift unb in ihren (*r\cuguiffen in
gleidier 3£cifc uir £arftclluug fonunt, finben fid) in be.uig auf bic duftere
(Geftaltitng innerer bemegungen Unterfchiebc, bie \um Seil im Material
unb Hörnten, min Zeil in ber Hunfttrabition begrünbet fiub.
oii ber noetifdjen Tarftellung merben bie Heineren unb größeren
Äunerungen be* £d)mer,ie* unb Hummer* in ihrer lotalmirfung auf ben
Mettfcbcu gefdjilberi, mie fie bie ("eficbt*u'igc oeränbern unb fid) in heftigen
bemegungen be* Höroer*, in*befonbere ber £änbe micberioiegcln. £icr
oerbält fid) bic mittelalterliche Hunft, t»oruig*u»ene ber beutfebe nationale
2tilf auber*. Tau bei großen, heftigen, ben ganzen Menfd)cn cridnitternben
bemegungen merben bie <*efidtf*.u"tge mitunter in Mitlcibenfcbaft gebogen,
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*2(*,4 Befpreehungen
unb aud) bü ift man oon einer realtfrifchcn 91uffaffuug meift weit entfernt.
sJ{ur bie >$eber,}eichnung fommt hier nad); ich erinnere an bie »uffaffung
be* Sdjmerjes ber bethlehcmttifchen Mütter in bem berliner tfober oon
fernher* Martenleben unb auf einem feiner Jeit in 3appcrt* Befifce befinN
liehen a. a. C abgebilbeten iiergamentblatt. ^n ber Malerei tritt un*
in fold)en £äUen auf bem lieblichen Coal nur ein emfterer Jug ober
aber gar ein gan^ unberührtem, anmutig lächelnbc* Wefidit entgegen. 3s? tr
fuetjeu umfouft nad) tiefen Spuren gemütlicher tfrfchüttcrung, wie fte ber
Did)ter un* fdnlbert.
sHÜe innere Bewegung unb alle inneren Beziehungen werben nid)t
im flutlife, nicht im Eilige, fonberu burd) bie £änbe, weniger bind) bie
AÜfje unb bie Körperhaltung oerbeutlid)t. Da* Beritänbni* ber <*ebärbeu
fpradjc ber £änbe ift eine Borbcbingung für ba* Berftänbnifi mittelalter*
licher Bilbwerfe. Bei einem luntierbtlb, auf bem bie Tarnen Don einer
(tfallerie ben kämpfen ber bitter jufehen, offenbaren erft bie Bewegungen
ber .vuinbe bem Bcfdjauer bie oerfdjiebenen (rmpfinbungen ber einzelnen.
AÜr ben Unfunbigen geigen faft alle ba* gleiche ober gar fein Wefübl füi
ba* Schtrffal ber Ijoftierenben.
3wei Bctfpicle mögen ba* <>>efagte tlluftricren. Die Darfteilung
ber Berfünbignng ift einer ber beliebteften Borroürfe au* bem Diarien-
ajflu*. Die heilige Cuingfrau empfängt ben l*ngel meift mit lieblich
lädjelnben Jügen, bie nichts oon ben innpfinbuugen au*(uibrücfen fdjeinen,
weldjc bte bibiifd)e Srabittou un* oorau*feucn läßt. lUber adjtet man auf
bie Bewegung ber £änbe, fo fiubet man eine uoUfommcnc Äongrucn$
^wifdjen beiben Darftellungcn. fiall* beibe .£änbc frei finb unb bie eine
nidjt etwa einen "|>falter hält, fehen wir fte meift gefpreijt, bie äußeren
£anbfläd)en au bte Bruft gelegt, bie inneren auf ben (rngel ,utgcrid)tet,
auftreten, I** ift bie ©ebärbe ber oerwunberten ?lbwel)r unb be* Staunen*.
Der l*ngel aber ftretft ber heiligen Jungfrau brei isinger (Daumen, 3eige<
finger, Mittelfinger) halbfchräg nach oben gerichtet iben Daumen etwa*
tiefer) entgegen: bie* ber ©eftu* be* Sprechen*.
Die beiben .£anbe be* Menfdjen fönnen aber aud) unabhängig oon
einanber agieren, jebe fann für fid) eine (*mpfinbung oerfinnbilblicben.
Soiftc*,vB. bei ber iöiebergabe eben gebadjter Scene im (5 ober (*gberti
(Die Miniaturen be* (Sob. l*gberti hj*g- öon $ranj A*. Mrau* 3af. IX.
,sreiburg i. Br. 1**4). £ier macht Maria mit ber linfen £anb bie er
mahnte 0>ebärbe oerwunberten Staunen*, währenb bie red)te wagerecht bem
(5ngel entgegengeftretft ift, bie oier Ringer an einanber gelegt, ben Daumen
abgefprei.tt ; ber f leine Ringer iieht bem Boben ,311. (r* ift bie* bie (>>cbärbe
ber Eingebung, fo baß alfo hier beibe t*mpfinbungen im .freien ber
Flavia burch bie Sprache ber £änbe jum 5lu*brud gelangen.
(*in zweite*! Unter bem Arcuje (<h"fti finb bie ftchenben 'giguren
Maria unb o*hanne*. äsMr ftnben beibe faft immer in gleicher Stellung,
Maria ,uir JRedjten (^Ijrifti, "sohannc* ,ntr hinten. Beibe finb in Sehnten
oerfunfen, wa* aud) hiev burd) bie Stellung ber $anb }um XHusbrucr
fommt. Sie nit>t gewöhnlich bei beiben, faft immer jebod) bei 3*>öa«ne*
an bei 3£angc. Die* ift bie ftcbenbe Webärbe finnenbett Iranern* unb
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iBefpredningcn
3iad)benfen$. (5in^cln faltet Tiaria bie Ringer beiber .§änbe unb legt fic
fo an bie ©ange 13. 33. 5taialoge bee 5tahr. Wartonalmufeume ,ui Wündjen
V iaf. III »)ir. 147; 3ob,annes ebenbort Nr. 14*), unb mitunter fcbeu
mir aud), mcrjr ber fpäteren SMuffaffung oon ben (Gefttbjen ber (Gottes-
mutter fönform, fic oon höcbftem, leibenfdmftlidjem Sdjmcr.ie erfüllt:
frampfbaft brücft fie bie oerfchränftcn Ringer ber £änbe, bie fie ettuatf
pom Äörper entfernt hält (oon ^efner-xHltenetf, brachten, fluufttoerfe unb
tGerätfchaften J *2 laf. 11*2 Hl. Der mehr naturalifrifdjen Sfluffaffnng einer
fpäteren ^eit fd)ien ber Seb,mer,i ber jungfräulichen (Gottesmutter auf bicfe
Steife feinen genügenben 2lusbrucf gefunben \a haben. Die bilbenbe
Aunft folgte hier ber Dichtung, ^m 14. o-aljrb^unbcrt feljen mir $iaria
olmmädjrig oor grimmem Sdnucra unter bem Äreu^e tjingefunfen, eine
Änberung ber Muffaffung, auf bie fchon ^appert a. a. C rnngerotefen t>at.
©äbrenb fid), mic biefe 23eifpiele geigen, ber Äünftler al* £aupt=
mittel be* 2luöbrucfa ber (Gebärbenfprad;e bebient, ftcfjt bem Didjter \iu
iileid? anbereS ju (Gebote unb er mad)t nur feiten auobriitflicb, oon jenem
Littel (Gebraud). Tie Stellen finb ,ui jäblen, roo bie I>id)ter mit Korten
eine bebeutfame Stellung malen, um fie ,nir ^erbeutlidjung einer feclifcben
<*mpfinbung \u oerroenben, unb es ift bie* ganj natürlich, ba er anberc,
ipirfiamere Äunftgriffe fennt.
(rfcer noch, mirb eine Situation gezeichnet ale» .£intergrunb für bie
xUusmalung einer Stimmung. So in bem befaunten Sprud) ©altberö
uou ber ^ogelroeibe:
l«h saz uf eiuie steine
und dalitr Win mit beinc:
»lar 11 f sast ich den « llenboireii :
ich h. tr in minc haut iresmoireii
• laz kinnc 11111I ein min wanne.
d«» «Iaht«* ich mir vil anirc.
wie mau zer w.-rlt«' s«dte leben.
(i&alther e«i. 3&ilmaun& S. 115 unb ^Inmerfung)
Äqnlid), mit bem &opf auf bie £anb geftüfet unb übergeschlagenen
Änieen, bilben bie Äünftler ber ©eingarter unb £eibelberger 1 Waneffifdjen)
^flinnefängerhanbfchriften aufter 3£alther felbft, noch .^einrid) oon Gelbere
ab, in Anlehnung an bie bet ihm juerft frehenben M>erf c :
Hz sint ynotiu niuwe nuuv
«laz «Ii«* v»>üvI «»HVnhär«'
sinjjeiit da mau blimim-n > i « • t .
Zu«» den ziten in dem jure
stüeiide w«d «laz man fr«'» wäre:
leid« r des ellbill ieh lliet.
min tumbez herze mi< h verriet
«laz ieh mur.z unsanft. ■ un.l swäiv
trafen l. it «laz mir iresrhiet.
(Winnefango Frühling 1 S. 1 ff.)
&>te hiev bie Dichter, fo f oll auch ber dichter fifcen, ftnnenb naä>
benflid), oergl. j. Jö. bie Slbbtlbung ber rtunigunbeniegenbe bei oon £efuer-
flltenctf -*2 laf. M.
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1>(U; Beünedmugeu
3m jüngeren Sirurel finbct iid) eine 2 teile, wo bireft bie Mebärbe
ber Iraner für bie Angabe be* Jraurigiein* ielber einliefert wirb. (**
Ift wieber ber fd)on öfter* erwähnte Weftu* be* finuenben 2d)merje*:
Als nü Svif/im«' hört«* «in/. «*r <la was i;«»wll«'i
I>i*r «Ten lmv«'s bort«' innrrhalp «l.'ii wcnlcii was 'jvsi'lh't
Mit st«-tii:k«'it. als «>r da wo) b«'>r|it'in«l»'
Mit sinm*ri<'ht'in trost>\ >w«n sie «laz kitin«' mit arm.ii uml»'rl«*in<l.* .
War. wart hif un«lcrsi*txi't ir kitm«- mit «1«-ji hamlcn !
An fr.'iul.'ii iwri-ytz.'t b«'<run»li' >i« /. «Lmi ..ii^.-ii liiht « ntblaiul.'ii.
[Ua\ 1 ff.»
3« bem gleichen Webid)t fpie^clt fiel) ber heftige 2d)mer,i in bem
galten ber £änbe wieber :
Vi 1 kli*i<l«T wart ir««z«'nvt un<! «null mit kra<h«' ht-iul.« vil L'. valt.n.
i.S7<u>, 4)
Bei gletdjer (Gelegenheit werben bie &äube gebrürft, fo in ber Älage
(c«l. Bartjd) 1770):
mit [/.uo( !/«'«lrnhttn haml.-n w.int.ii si sTiv.
Wcwöhnlid) tritt in ber £id)tmtg bei heftigen 2dwter,icu*au*brüd)en
oon ben einfachen £anbbewegungen mir ba* 3$itiben ber .ftäube auf.
(nne ännerft roidjtige *rage, bie fid) an biefe Probleme auftupft,
ift mm bie folgeubc: 3$ot)er ftamnten biefe feftftetjenben (>>ebärbcn in
Aunft nnb ^neficV $aben fie ihren llriprung im Veben* Cber finb fie
,innt 2eil etwa au* funftlerifdjen £arftellungen genommen nnb auf bem
$l*ege ber <*rtfette in bie bitten ber böfifrben Wefellfd)aft hinein gebracht?
(5* finb weitgehenbe nnb fdjwer ut entidjctbenbc fragen, bie t)ier
auftreten, nnb e* ift ganj unmöglich, fie furjer ftanb beantworten m
wollen. 2ie finb aueb, für bie |Annftgefd)id)te nidjt iinintereffant unb
fönnten für ba* Problem bo^antinifd) ■■ raoennatifd)en (nnfluffe* wichtige
Kriterien beibringen, fall* fie genauer imter|nd)t würben. Sind) tner t>at
mieber Vampredjt .werft |energi|d)er auf bie 33cbeutnng ber ganzen Arage
btngemtefen unb einige* Hiv'id)tige betgebradjt i 3at)rbüd)er b. -Herein* oon
t1ltertum*freunben im tfihcinlanbe 70 |lsxl), 5ti ff.i. 3d) will an bieier
Stelle nur fur,i barauf aufmerffam maerjen, baft bie anttFe unb bie mittel
alterlid)e Webärbe be* 2prcd)cu* bie gleidic ift — mir haben fie beute ttod)
in ber Haltung ber Finger beim (nb , äfyulid) ber Weint* ber ?lboration,
be* Beten* unb bitten*, unb eublid) bie Weberbe be* leiben fcbaftlicqen
£rbmcrie*. <£urd) biefe Beobachtung fomplUieren fict) bie fragen be*
enblid)en Urfprung* ber fonoentionellcn Wcbärben febr mefentlid). Unb ein
genaue* 2tubium be* ^erhältniffe* ,iwifd)en &unft unb ttdjtung in
biefent fünfte fann maudje* ,uir x'lufhellung ber Tunfelhcit beitragen.
3d) will l)ier nidtf weiter auf bie Arage eingeben unb nur, in unferen
Bcmerfungen fortfdjreitenb, erunirjnen, ba^ bamal* infolge ber ASerrfdjaft
be* Itnüfd)en auf füuftlerifd)ein (Gebiete bie Wcbilbe ber .sinuft, tl)re Aorm
nnb (^eitaltuug oiel mebr in* ^olf brangeu, oiel tiefer ilnn in 31eifd)
unb Blnt übergingen, al* e* heutzutage bei aqII ift. (*in tntereffante*
3eugui* bafür ift e*. wenn wir in einer 3ifdnud)t ietter Mit bie i^oriebrift,
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^efprcdningeu
man iollc iüd)t mit übergefdUagcnen deinen bei Sifdjc fiueu, »o auogebrütft
finben: bn follft nid)t fitjeu, als,- man Tilatus j.l. ir. t t.. maUi. ber als>
Midrter mit ftbcrtief^l«rtcnen deinen fielen mußte
So fonnte benn aud) bei berartiger Popularität fünftlerifd)er
Tarftellung biefe bie poctifdje öfter beeinfluffen, fei co in SfcMebergabe poh
^iniarionen, fei e* in \Hu»malung tum ?iuf?erüd)feiten. iHuf ein inter
effante» ^eifpiel l>at fd)on 2d)ercr gclegentlid) rjingewiefen :
(Tin oft berjanbelte* 2ujet ber mittelalterlichen ttunft in früher unb
fpäter $tit ift ber .Mampf ber 3 ugenben unb vaftcr gewefen, wie er in ber
^ft)d)omad)ia bes prubentiu* bicrjterifd) gcftaltct murbc. Tie 2uperbia
ift Ijier eine ftarf l>eroortretenbe *iguv. i$ot)l bie beute befanntefte £ar
ftellung ift bie, meldje fie im I I«.rtu> .Miriamm gefunbeu bat.*) 3luf un=
gebügeltem Pferbe f türmt fie bal)in, auf einem l'öwenfetl fitjenb, in bev
.£anb bie gefdjwungene Vanje. Unb wie eine iHeminiicenj baran muten
im» einige fragmentariferje ^erfe an, bie rteinj tWüud)encr iitjungo
heridjte \s<>\), li, publiziert bat:
l l»cnii1lo( diu alte
tiiii ritt-t mit «jrwalt»',
rntrinwi* U*it<t ir dfii wanen.
(ÜriM-h.'it diu x lu-h.-t dann*»
/.•• ><had<-u «l»n aniun \\<i>.u.
•liu laut <liu staut w.d allich,- « n vr. is.-.
V>ier mag ein (*influB ber bilbnerifdKU (*ieftaltung auf bie poerifdje
vorliegen. i*telleid)t finb aber aud) bie iUerfe au» einer Mlegorie jener
^eit, bie fid) an bic "|?fi)d)omad)ia anfdjlieRt, auf un» gelaugt. Xenn ber
(*influB biefe» Webidjte» reidite nod) bi» in» 1<>. oabrlmnbert, tt»o Bebele«
^riumpbn» iUencri» non itjm ,\ebrt. :Kod) an anberen Stellen fdjetnt ein
innflufj ber bilbenbeu &unft roirffam ui fein, ^d) mill nur auf ein (*)e
biet aufmerffam mad)en, wo fid) bie ^eeinfluffuug oiclleid)t roirb am
flarfteu fonftatiereu laffen. o" ben Slbcntenrcrromanen ber mittelljod)
•> Abwarb £d)röber bat »iftorifdjc \\. »iü [\w>), 4l»5 einen etwa»
cmpt)arifd)en Vorwurf gegen bieienigen erboben, toeld)c bie Tarftellung ber
Euperbia im Hortu* nVliciarum für bie .vioitümgc|d)id)te oenoerteten, ba
fie au» bes prubentiu» t<ft)d)omadua ftamme. Xie Itjatfad)e, bafj bie
£uperbia ber 2dulberung be» gruben tiu» entfpvedjcu foll, ift rid)tig unb
aud) mobl ntdjt beftritten. xHUein idnöbev» uän,ilid)e Verwerfung einer
3^enufeung ift bod) red)t übertrieben, beim ber Waler hat im großen unb
ganzen ber 2uperbia ba» ftoftünt feiner Mit gegeben unb in ieiuem
Wabmett bie iHnbeutungen be» Tidjter» ,jit oerwirflid)en gefud)t. .'Hein
auo iirubenriuo ober früheren Xarftcüungcu ift nur fetjr u>enig entnommen.
Unb biefe» wenige ift, fomeit id) felje, tum 31. 2cf)ulU, gegen ben fid) bev
Vorwurf ridjtet, für bie Äofrümfcfjilberung nidjt benuyt. otn übrigen
fpridjt %. 2d)ultjntd)t f,oon einer ntobifd) gefleibeten Xaine ", wie ba» (*itat
bei 2d)röber lautet, fonbern „oon einer fo mobifd) gefleibeten Tante"
(b. I). in be^ug auf bie langen iirniel». 2cr)vöbcr» Vorwurf ift alfo \u-
rinf,ui weifen.
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2*efprecbjmgen
beutfcben (Epigonen, bic meift ber xUrtu*fage entnommen, aber feinen
Quellen entlehnt, fonbern jiemlicb frei jufammenfabulicrt finb, finben wir
eine ERctfjc Ungeheuer tjcf Gilbert, tier nnb menfchcnätmlichc ©ebilbe, bereu
£erfunft im Sunfel ruht. #ei näherer Betrachtung bürftc fid) inbefien
wol)l Ijerau Stellen , bafj freie Umbilbungen oou ursprünglichen ^hbfio'
logustlluftrationcn mit teilweifcr s3{eufct)öpfiirtfl oorliegcn, fo ban e* ftctj
aud) t)terr wie oielleid)t bei bem erftgenannten fünfte, um eine boppelte
SBcetnfluffung mit rürfläufiger Bewegung banbelt.
ÜSieberum mäßen bei anbern Cbjeften fowobl Motioe ber v4>oefie
als? ber bilbenben .ttunit ihre iiMrfung geäußert haben. Tie* fann bei
bem Bilbe oon ber Fortuna nnb bem Wabe beo Wtütf* ber acUI feiur
obwohl mir in letzter Vinte bic btlblidje Ausführung bie Priorität ,ut
baben fchcint.
lUnbrerfeito gel)t bie im fpätcn Mittelalter beliebte Tarftclluug
allegorifcber Motioe auf ben (rrjeuguiffen ber iSirffunft, ben Crtobelins,
unb il>r Auftreten in banbfd)riftlichen oUuftrationen auf bie im ÜUorbcrgrunb
bichteriicbei ^robuftion ftebenben Allegorien .mrürf, unb auch bei ben
Totentänzen mag bic poctifche «orm ben Ausgaugspunft ge- geben l)abcn.
2o üben überall ^oefic unb ttunft ihren Hinflug auf einanber unb
es fd}eint nicht unfruchtbar biefen «puren nachzugeben, ben Motiocn
imcbumufchcn unb ihre 2$anbluug burd) ben Vauf ber 3eiten jur £ar=
ftellung tui bringen. Mannigfache (rrgebniffe mürben bem ftorfd)er lohnen,
(rinen Beitrag ,311 biefen fragen liefert aud) bie oorliegenbc Sammlung
unb bev^alb reifte es bie fyauptfäci)lid)ften Probleme cinleitenb ti\x\
ftreifen, wofür fid) oiellcid)t eine (rntfcbulbigung finben wirb.
Xa* ,ui beipredjcnbe i^evf will beibringen, was bie fd)iiftlid)cu
Cucllen, foweit fie ber nüttelbocbbcutfcben Dichtung angehören, uns Über
bie Wcfcbicbte ber Äunft unb ttunfttedmit ju fageu wiffen. Allein fo
fdjätjenSmert als Matcrialuifammcnftellung eine foldje «ammlung aud)
iit, fie oerliert fet)r oiel an i^ert, wenn fie nur gelegentlich, (*rbafd)te*
unb llnoollftänbiges bietet. Mit ben „Beiträgen" ift bem Aorfdjer nur
wenig gebient; es hätte jur wirflieben v)iutjbarfcit eine annäbernbe Boll-
ftänbigfeit herbeigeführt werben muffen. Unb fo feljr wir fonft bas JHedjt
bes Berfaffers ,uir willfürlicbeu Bcidnänfung feiner Aufgabe anerfennen:
an biefem fünfte unb an ber !t)atfad)e ber ^ugebörigfeit ju einer
größeren Sammlung, bic, offiziell uutcrftütjt, Vlbgefcfjloffcncs bieten foll,
bat es feine ©retten.
Tie erwähnte llnoollftäubigfcit \eigt fid) in (uoci iHicfjtungen: (H\v
mal babureb, bafj nur ein Seil bes Materialeo herangezogen, fobann barin ,
bafj bas benufcte Material nicht inteniio genug ausgebeutet ift. bin
iöeifpiel mag bic leytere Behauptung, bic öicllcid)t nicht fo ohne weiteres
flar ift, beleuchten, Bei ber Bebanblung oon Wolfram* oon (*fcbenbadj
"iiar.uoal fehlen brei mir gcrabe zufällig gegenwärtige «teilen, bie hatten
erwähnt werben muffen.
1» 3lg führt 2. 111 Wolframs Morl* über bic fd)led)te ^Harmonie
bes safi-r teincs faphirartigen Nlasfluffesi nnb beo faffenben Wolbeä
au. Aber es fehlt bic folgenbc glcidjwirtjrtge ^cnterfuug:
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$efprc$untjci!
2M)
ich « iihän <laz niht für lilitin «lin«*
>w« r in den kranken messinc
verwirket etleln rubin
und al ilio avi-utiuri' sin (alle reine Crbelftcino.
*4.<nr,v eil. Fachmann 3, 15.
2i Eine Erwähnung von fcbmicbeci fernen Itjftrbänbern nnb itjrcr
^orm t)ötte 3lg ^arj. 151, 2« ff. ftnben fönnen.
3» Eubltch bat 3lg überfeben, wa* au$ ben irrigen ?lnfcbauungen
be* jungen *ar,jiool (IUI, 23 ff.) über baö iHusieben ber mittelalterlichen
$Htrg ,ut entnehmen mar.
So tiefte fteb bei genauerem Nachgeben ftd)er nueb oicleö geltenb
machen, aber biefe gelegentlichen iBetfpicle mögen geigen, baß and) bie
3ntenfität ber ftusnutumg, ,utm letl an* Langel an tieferem $erftänbnis\
mancneS m roftnfeben übrig läftt.
Cb bte non ^lg getroffene xHnorbnung gerabe bie richtige ift, ber
au* iebem Senfmale alle fid) auf bie oerfebiebenen .vumftjrocige bejicbenben
9i Otiten jufammen aufführt werben, ift mir .uoeifelbaft. Wx fdjeint bie 5lrt
unb Seife 3nl. von Schloff er« in feinen, auch fouft 3lgö 2$crfe meit
überragenben, Scbriftquellcn ,uir Wefcbtchte ber farolingifchen Jlunft ben
ä;or,mg ju oerbienen. Tiefer trifft bie Einteilung nach ben einzelnen
^iaterten ber Äunft unb Sedmif.
lUuch an 3lg« Einjelauofübrung ift nicht gerabe oiel.ui loben. Er citiert
öfter!? ungenau unb fchenft ber äorreftur nicht bie nötige Slufmerffamfeit.
z,o v 33. S. 114 ift alunn (nid)t alünn; fein 3mperfcctum", fonbern
Snfinitto, fo gibt es» S. 115 fein lud) oon „Surm (Smien?)", fonbern
oon Surin. Sie nalmasann matraz (S. IU*») finb nur olfl befannte
0>ebilbe. Sir lernen S. 117 nnb 147 einen Gerrit a. iöecf rennen unb
mftffen ihn und erft in a. S^ed) .uirütfüberfefcen, um ihn \u ibentifij}ieren.
129 wirb ber *itterarifd)e herein Stuttgart mit bem Uttel „IHltertt).
herein" belegt. 9luf S. 135 tritt uns» bie Schreibung Minnen fossätv
(ftatt Minnon fossiur«-) entgegen.
Allein auch bie ftontßoftrion ift läffig unb nicht genügenb orbentlia>
gehanbhobt; immer tritt roieber bie allmähliche Eutftebung ans* Sages»«
licht. S. Iis meint „Sir leniten bereits» im Sig. ähnliches» fenneu"
n>ährenb ber Sigalois erft auf <2. 1-20 ff. folgt. Ter Jufammenhang auf
i2. 7 ift recht unflar unb bie Fügung fqntaftifch unfehön. £as» „Es" auf
Beile 9 geht auf kemenäte, unb erft ein (bei 3lg fehlenbes») Komma nad>
SertesV* gibt bem ganzen Safee bas 5>crftänbniö. Sas» aber nach meiner
Anficht roeit febroerer als bas Angeführte wiegt, bas» ift eine gewtffe
oitbolenj unb Trägheit gegenüber felbftgcfühlten Mängeln. 3>er 3?erf affer
flimmert fich gar nid)t um bie crfd)ienene i'itteratur, unb, wenn fie ihm
in einer ber oon ihm beuteten Aufgaben aufftöfjt, fo ignoriert er fie,
irie er j. iB. auf 2. 9n fagt, ,,1'ucaes» Sdjrift •!«• nommllis l«.cis
W.,ifran»ianis", bie 3tartfcb an ber Stelle citiert, „fenne er nicht". 3d)
möchte bod) faft oermuten, baß fie auf einer ber Liener ©ibliothefen oor=
hanben unb leicht ,m erreichen ift.
So ber 2ert ihm nicht in oerftänblicher Seife geboten mirb, bnuf t
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270
$efpred)ungeu
C>lg wbrtlid) ab, fo beim Srubpcrer £uü)enliebc (Z. 2) bae in ber £attb«
fctjrift unb bemgemäB bei .^>axipt Unterpunftierte, alfo S5>efl.^ulaffenbc: nur
bat? 31fl ftatt bev \u tilgenbeu Silben bic Silgungspunfte fclbft weg-
läßt 2innftörenbe 2d)reibfet)Ier treten olnie Jbemerfung auf, .j. $5.
tram.Mle ftatt jfn<1i-nu> 2). £afr tue litterarl)iftorifd)en Einleitungen
,ut ben Webidjten manche Aerjler enthalten, läßt fid) leiebt oermuten, boerj
wollen tuir bies bem Äunftytftorifer nid)t ,uim Vorwurf madjen. 53e-
bäuerlicher ift, baß er bie 3prad)e nid)t fo lueit bet)errfd)t, um bie nötigen
(*rflärungcn ,ui finben unb aud) oor groben Wiifmerftänbniffcu ficfjer ut
fein. 3£cnn er fid) felbft biefes Langels bewußt ir>ar, wie xUnbcutungen
in ber (Einleitung geigen, fo r>ärte er eben einen Wertnaniften ,ui Mate
,uel)en füllen unb aud? toolil nad) 2d)erero lobe nod) fünft bereitwillige
Ct)ren gefunben. raun mären Uym nidjt Dinge paffiert, mie fie immer
i)in für eine berarrige 2d)rift etwas ftarf fiub. jwei *Beifpicle: Jin
.ttönig JHotljer tritt ein 2toff auf, „ber nad) ber i^eife fara^enifdjer Stoffe
mit Siermufter in Owlbgcmebe uornc mie rfufwärts gegiert üt" <Z.
*ii»ao ftct)t aber im Sertc bes >Kott)er ftatt ber oon mir gefperrten Sporte?
tjerje unbc Ijinbe, ^irferje unb AMnben! Unb was bie £ad)e nod)
fdjlimmer mad)t: in ber pon ^Ig citierten Ausgabe Witferts ift in ber
Slumerfung ,ui "Hers 224 unb 22«; bas Wichtige gefagt. (s"in ,uocitc$ 2^ei>
fpiel: 3m ^arutml < <l. $3artfd) 1, 27.N) t)ei«t es: siüer 2aumfd)reine
werben mit Wölb gefüllt ; «••■st.Mm-s mu..s.- mu-h vil .lar in. ^Ig er
Hart: ^üUfel doii Weftein, Weitein bas gemifdit brinneu lag, Wufiruiuv'
>. [1(n; ! (<v, miberftrebt mir faft, bic richtige wörtlidjc Überfettung ber
elementar leid)ten Stelle Ijterljer ,ut fetten : (rs muBtc oiel Weftein bafnnein!
A>ier ift nid)t ber Waum allco Verfehlte an,uifüt)ren. (*s Hegt mir
nur narje auf einige midjtigc fünfte, mit beneu id) nid)t cinoerftanben
bin, für,} l)in,mmeifen unb einige xHnbeutuugen über bas Micfjrige, mo eö
mir möglid) ift. ,ui geben. renn weunglcid), mie bic uorftebenbeu 5He=
mevhingen jetgen, oiclcs oerfei)! tc unb flüd)tige in bem ^erfe ift, fo cnt=
inilt co ja aud) mieber beffere ^artteen, was mir bei einer gcrednen $*e»
urteilung nicht oergeffen bürfen l)croorutt)cbcn. Unb bod) ift es nur
uatiirlid), wenn fid) mein $Mberfprud) gcrabe an bie fd)wäd)cieu Seile
anlct)iicn muf].
Tie gan^c iHuofütjrung über h«m l'rwl.- c. 2 f. ift ,ui frrcietjen;
alleo fpracblid) falfcrje aus bem ?lbid)nitt l)icr ,ui bemerfen. mürbe \u meit
fütjren. 3\Mc aus 2ccmüllcrs Icrt tum 'IvMlliram 07, In) ui erieben tuar,
ift laiiii»nit.- ui fdjreiben. 2.0 ift bie stelle einfad) unb flar. — Xas
über ^rte* gefagte (3. 3; ift unridjtig; bas .{utreffenbe ftebt angebeutet
fdjou bei Wrimm im ^Örtcrbud) -1,1, 2m. ^eiterl)tn ift bic game XMus
füljrung über bla.h-n.äl.Mi 2. ö f. unb 2.') falfd). Vciber bat fic in
ber erweiterten Aornt fdjou xMufnatjme in Cttcs .<sanbbudj ber fird)lict)cn
,N\unitard)äologic bes "))iittelalters <;>. iHuft. 2, *>»2 \'lnm. 4 gefunbeit.
Marh l)at nidits mit engl, black yt ttjun, fonbern ift — Ha. h. oergl.
i'.la* hf.l<l. Ula« Ii -mal.- fiub alfo foldic Cruamentc, bic nur ftaef) ouf
ber Cberfläcbc, ntd)t tief eingegraben fid) befinbeu. ran bantir oft
:KieUo be,)cid)iiet wirb, fd)cincn maud)e teilen ualje .ui legen n. xM.
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$efpre$ungcii
•271
2d)mellerc\ ^öai)nfd)ev ih?örterbuch -1, 322,. daneben be,}eid)net aber
blachmalij aud) opus pluiiiarium, ruic eine üou erraff (\Ul)b. Sprach«
fd)afo 2, 715 f.) angeführte (*>loffe jeigt. Jroci für bie 3lrt bes blurhmäl
t)öd)ft bejeid)nenbc stellen roill id) bei biefer (Gelegenheit l)ier an*
führen, £ie eine, bem ShÜUehalni bes Ulrid) von bem lürltn entlehnt
(LXXIX, 10; id) folge ber lertttjcnfion söa), fd)ilbert ben leint ,ber
Königin:
ouch was <U-r küni^iii swarzt-z wl
klar lüt. r klein in jrliz»-.
als oVr mit irtiotcni vlizi-
ivin blalimäl sniolzt in »olil««.
Sic anbere ftebt im jüngeren Siturel 345, 1):
Swvr an <laz fffdonkft <laz von rötnu ^«»Id«*
Mit blaclnual was vt-rblonkrt, darumbe daz oz iiiht v«'r;»nid«n sohlt*
on*?en »ein dt«r li«'ht**n »unia-n »litzcn:
Alsus wart .s besurget von in»-isteiTi<li«'r fcun.il mit «uot*Mi witzen.
Itfenti 31g S. einen 3»fai»ntenhang jroifcheu mal nnb malen
:'ping«w) leugnet, fo ift er int Unrecht, makn ^eißt „mit einem iifal
uerfehen", bann erft „febreiben" unb „malen". So ift benn aud) »«mal
nicht „gemalt" nnb liHitg«inäl nidjt „glän.^enb gemalt", tuie 31g öfter
<S. 7«i, 102 f., 104, 11*2) annimmt. 3m (free Si*04 ff. ift wohl oon
"Jiabelmalerei bie iHebe. tKacb bem eben ^Bemerften mirb aud) flar fein,
baß hantgemadde nid)t aue ber .*umftfprad)e übernommen ift, tuie 3lg
auf S. 101 will.
Über bie linfb<rg«- (S. 7) fann id) mid) begnügen auf JCöiualb
.Jingerle s Sluffafe 3f. f. b. !>l. 33, 107 ff. ,ut oermetfen. - Da* aud) oon
31g angeführte zomnr trugi-lm mar nad)brütflid) Ijeroorgittjcbcn. (>*
hat fid) hier nod) bie alte SBebeutung erhalten: zoutVr, unfer „,}auber"
toar urforünglid) bie rote ,larbe; orgl. Sicoer$ in sHaulsi Wrunbriß 1, 241
$ 4 XUnm. 2 unb (r. 2d)röbcr Jf. f. b. 31. 37, 265.
ÜSohl nur in feltenen fallen mirb üb»iguld.' (3lg £.34 unb 7!))
,*,u gold $u [teilen fein mit ber ^ebeutung „uergolbet", fonbern meiftenö
\u xAten =■ etwa**, bas ben höheren Stfert tyat. — (ybenfo heißt vinstur
t3lg 2. 44) in ber (*ueibc „genftcr", es ift eine fpeaiell rheinifd)e Aorm,
unb bie für 3lg mabrfchcinlichere Tcntung als ?iinfternitf trifft hier nid)t
\u. 9iid)Hg ift S. 5* bie 3uterpretation oon und = unb jroar, auch
eine fpeuell rheinifch'iiieberbeutfche (Mgentümlid)feit. Dagegen ift c* toieber
falfd), roenn 31g unfer „Atrnis" für ein 3s>ort beutfdjeu Urfprung* er-
flärt. (*» ift au* bem SHontanifcheu entlehnt; ,ut grunbe liegt in lefcter
Vinie bao lateinifche vitrinus — u.-sni.'lz.- (2. ötM bebeutet nid)t Stein,
fonbern (5:mail.
3lg bevüdftd)tigt 2. <i*2 nidjt, bafj brün neben ber Jttebentung
„bunfelfarben" and) bie „ hellglän \ent>, ftral)lenb" hat, tuao ohne j){üdfid)t
auf eine /farbc gilt. 2o tu alfo ein 2d)lufj auf bao Aarbentimbre bc*
(^lafes am Stellen roie ber angeführten nicht .Hiläütg. — Über bie baitn
(bowwin<low > bringt 3lg ettjmologifd) unb fad)lid) llnrichtigeo. (** ge=
ttüge hier auf ^arnefe y Beiträge .uir (ntlärung unb ,|iir (^cfd)id)tc be^
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Ti'l
©efprednmgen
*Kibelungenlicbeö (Berichte b. &ä$f. (9ef. b. ©iffenfcb. phil.-bift. ($1. Is5t>,
8. 153 ff.) p oermeifen, wo fid) eine eingehcnbe unb genttgenb öolb
ftänbige (Erörterung finbet. 3n bcr ©teile auö Däwalbä oon ih>olfenftem
Webicbten oerwedjfelt 3lfl bah* unb b«>i»> (ftenfter unb fteffel), wäfjrenb
boch fcbon ber 3ufammenhang bie oon ihm angenommene Jöebeutung
auöf4 ließt. f
Der Webraucb ber JBorte bei ber Äleibung ift in ber Slmt, wie 3lg
aweifelnb meint, eine Sftobefacbe. $11* ©efah treten bie Korten überall
im 11. unb 12. unb noch im 13. 3abrbunbert auf, wie ein iBIicf in bie
Miniaturen jeigt. 3s>ann ber Oiebraueh gänzlich oerfchwinbet, oermag id)
nic^t genau <w fagen. (rnbe be& 13., Anfang be* 14. 3abrbunberts hat
er wohl überall aufgehört.
l'mbriz (£. 77) ift nur burch £artmanno oon Slue mangelhafte
Äenntniö beö granjöfifaen ,ui einem Mnftlernamen geworben, wie id)
3f. f- b. $h. 24, 54s i5U 2. 41K) gezeigt habe. Über saranthasm.- unb
drianthaann- <£. 93) oergl. fr «iechtenftetn 3f. f. b. 31. -25, 302 unb
meine JKejenfion 3f- f. b. s4ty- -4, 532. Die auf <£. IOC) ermähnten
Mtritcs ni AI, bie ber «£elb mit bem Schwerte entwirft, finb nicht ^infel»
ftrichen, fonbern Rieben in ben 2tein oergleicbbar.
Daß ^ntarfia nicht fo höcbft feiten ift, wie 31g <&. 106 31t glauben
fcheint, möge ber .ftinweio auf bie mittclhodjbeutfdjen Wörterbücher oon
TCllcr^arntfe (1, W3) unb Verer (1, 64S) geigen. — Wolfram fchilbert
(vii. ^artfeh 1(1, SNO) feinen laufnapf oon 9iubiu mit einer (ürebe oon
3aepid, fonbern bae Saufbeden ift Mitbin, unb ber Iritt oor ber £dmle ift
t»on 3aspi6 (3lg £. 10!». - All.- sun.l. r (£. 110) beißt alle, jeber einzelne,
alle mitfammen. plutc t Z. 111 ) ift nidjt Wattenpanjer, fonbern eine platte,
bie oor ber ©ruft nodj uim befonberen Schuhe getragen würbe, oergl.
£d)ultj, .'ööfifdjeß Veben - 2, 47 unb 3f. f. b. sJ>b. 25, 103. Über bonit
fiebc bat? Süchtige bei 3d)itl^t Jpöf . V'ebcn 8 1, 345 unb 2, 4s unb 3f- i«
b. s4*h. 24, 532 unb 25, 103. — Der auf 2. 114 erwärmte toph ift fein
feramifches $robuft, fonbern oermutlid) am .">ol\ gearbeitet: toph tjetßt
hier „Äreifel". — Das mit pli^ gemadjte $ad) {2. 1<>3) ift weber faltig
(plica*!» nod) mit £ohl,ucgeln ausgeftattet, fonbern c* ift mit 33let ge
berft. Über Derartige Dächer oergl. 2d)ulh, £öf. «eben 1, 114 unb 3f r.
b. ^f). 24, 3*4 unb weiterbin aud) ;>. oon Schloffers Sdjriftquellen £. 4^
Hub 33Ict.
fei genug bamit. ©ebauerlid) bleibt eß, bajj ein Welebrter ioie
olg folcbe geringwertige Arbeit ocröffentlicbt, unb bebauerlid) bleibt e$,
baß biec» in einer amtlid) unterftii^ten s4>ublifation erfolgt ift. Um fo
mehr, alo babur$ bie wirfüa^ nid)t unnütje Aufgabe oermutlicb fo balb
nidjt loteber einen Jöearbeitcr finbeu wirb.
■V>aUe a. 2., im :Uooember IM »3. Joljn Weier.
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3>ie Jlnfänßc ber fombaröifdjen "podtefer
im e>eutr$en ^Hitttfatter.
Von (Sforg tiebr
vMe in unferen präfnftorifcbeif Ifynben fd)öngeftaltete 9ronfte;
gerate oon einer in nicht $u beredmenben ^(xten befteljenben 5üer=
binbung mit bem weiter fortgefchrittenen Italien fprechen, fo finben
!«b Stüde unfereo s&iort|d)a&eo, bie in ihrem frembartigen ©ohlflang
ben Cinflufo einer folgen für eine beftimmte ^eriobe bejeugen. So
in bie Sienennung «oftion ein Ueberbleibiel beo 16. Sahrfmnbertö,
als Italiener bie V'ebrer beo mobernen Mungobauo roaren, fo ent^
Hammen zahlreiche 9tuebrürfe unfereo öanfoerfehro noch früheren
Seiten, alö 3tnlifn*r Teutfdjlanb in bie Welbnrirtfchaft einführten.
Bie teilten jid) in biefe Aufgabe mit ben 3nben, mit benen fic ^ed^tö-
unb ^Colfäanfchauung »ielfacb jufammengeroorfen Ijat. $eibe hoben
nach iHofcherö ') Öemerfungen roie einft bie s^t)öni}ier ben niirtfcf^aftticr)
jurücfftebenbeu söölfem $uerft ben &<arenhanbel »ermittelt nnb fict)
bann oor ben gelehrigen Schülern in ben Welbljanbel jurüefgejogen,
um bem gefteigerten .f>aft beo s}$auperiömuö gegen ben Kapitalismus
ju oerfatten.
Urfadje unb (Snttuicflung beo wirtfdjaftlicfjcn (Sinfluffeö ber
l'ombarben ftnb in ihrer Benennung angebeutet. Söeit häufiger als
bie eben gebrauste aud) in ber ftorm Vamparter — ift eine
ichroer ju beutenbc, beren lateinifd)e ftorm cauvercini, caorsini im
Deutfdjen bie mannigfadifte Mbnumblung erfahren fyat (Äamcrjen,
ÖOTOertfdjen, ttanrirfctyin, (Saroerfcein, Äaun>er$anen, .flaroerjtnen,
Äamrerfchen). $t bie oon Kaltaus gegebene (£rflärung alö conversus
b. i. getaufter 3ube nicht emft *u nehmen, fo erfreut ftdt) bagegen
') «nfttyen bec 8olf«wtrt1$aft IL 6. 881 f.
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274
(Mforg ?if6e
eine anbere allgemeiner 3uftimmung. <3ie nimmt 33ejug auf bie
oon ben (Simoofmern ber fübfranjöftfd)en Stabt ßa^orö am £ot
früf>$eitig betriebenen ©elbgefdjäfte 2) unb fief)t beren ^erbinbung mit
ben 2Belfd>en in ber fprad)lia)en Jöeaetdmung „faubenoelfd)" oer^
förpert. 3nbeffen ift ed unroaljrid)einlid), baft man für einen übeT=
toiegenb von Italienern betriebenen ©efdjäftsjroeig bie Benennung von
einer franjöfifd^en Stabt genommen fyaben follte, bie itm erft oon
jenen empfangen f)aben fann. $>ie oon $u Gange gegebene Ableitung
oon bem glorentiner ©efd)äftöf)aufe ber (Sorfina ftüfct ftdj barauf,
bafi bie fiombarben ftd^ in Äompagnieen, bie ben tarnen ber an;
gefefyenften Xettyaber trugen, jufammenjuicbliefjen pflegten, aber
warum follte gerabe ber 9tome einer im itergleid) j. i8. mit ben
33arbi nidjt einmal fyeroorragenben gamilie jum $(uöi)ängefd)ilb für
ben ganzen betrieb geworben fein? (Gegenüber ben ermähnten Ijat
bie von ©üllmann s) gegebene ©rflärung alö campsores — 28ed)öler
ben 33orjug, fid> auf einen allgemeinen begriff $u ftüfcen. $)er
2Bed)fe( in feiner boppelten $ebeutung alö sJ)tün$n>ed)fel unb aU
Slnroeifung bilbet bie ©runblage bes lombarbifdjen Sinfluffeö. $ür
ben erfteren 3roe*9 fanben fia) balb einfyeitmfdje (Soncurrenten, für
ben lefcteren roätjrenb bea Mittelalter^ nidjjt, ba bie Siombarben allein
bie nötigen ausgebreiteten itobinbungen befafjen, bie auf tyreui
SBarenljanbel unb ber JBerbinbung mit ber Gurie beruhten. Ter bei
ber beftefjenben Unfia)erf)eit ben Stommifftonflfjanbel toeit übenoiegenbe
©igen^anbel jroang bie Äaufleute ju weiten Reifen unb sur 33eftellung
oon gaftoren in ber grembe, er beanfprud)te femer auögebebnten
(Srebü, ber roieber weite Reifen jur Sdmlbeneintreibung oeranlafete.
60 entftanben frity in Sübbeutfdjlanb ja^lreiaje Weberlaffungen
oon italienifdjen Äaufleuten, wie fie bureb bie Strafjennamen ber
Sßalengaffe in Megensburg, ber 2lMia>3tra&e in 2Bien, ber &am=
partergajfe in 33afel fief» bauernb firiert fjaben. £a bie oon ifjnen
importierten ^robufte forooljl befi ftanbelö, (Bewürbe, wie ber 3nbuftrie,
©eibenftoffe, auö Dber^talien famen, mar e« gerabe ber 9tame ber
ßombarben, ber fkf> für bie gremblinge insgefamt einbürgerte, wftljrenb
ftauwerjen immer eine $terufßbe$eid)nimg, für OMbljänbler, ift. 3>ic
früf)e fommerjiellc Gntmidlung ber italiemfa)en Jreiftaaten rnuftte
ben GJelbfjanbel beförbern, ja als notmenbig für grofte Unternehmungen
*) 3)ante $öOe, 11. ©cfang 8. 50: $u wirft, bnt flemern ©tnnentret«
bftradjtenb, brin bie Don ©obom unb uon Cabot« fäan'n. (©«1 aud> brr
3in« al« unuatürltcb galt.)
') @täbtrroeffii bc8 SHittelaltcr« II. 18U7. &. 44.
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3)ie «nffinge ber tombarbtf^en WtQtUv im beutfefce n STOittetoltcr 275
erWeinen laffen, trofe ber firdjlidjen Verbote, bie jeben 3in$ als
Shtodjer »erboten unb ilnt fo als „3ubenfoften" jum Monopol ber
aufterfjalb ber fanomfdjen ftefefce ftetyenben matten. $ie Gurie
uerftanb ed, and) bie im n. ^ö^^unbert jmerft auftaudjenben ©elb=
flänbler für itjren Vorteil nufebar ju machen. Um bie ifjr fälligen
Abgaben, infonber^eit ben ^eteröpfennig, $u ergeben, rjatte fie früher
tflerifer alfi Sammler auögefd)icft, bem (Sigenfjanbel treibenben Äauf=
mann oergleidjbar, ein 3ufta"b> fid) in bem loirtfdrjaftlid^ mefjr
jurücfgebliebenen Often £eutfd)lanbo länger erhielt.4) Slber ber
2£unfd), ben befdnoerlidjen Transport $u oermeiben unb bie oer=
fa)iebenen 9Kün$forten auf einen eintjeitlidjen gufe $u rebujieren, liefe
frülj bad Slmoeifungsroefen bequemer erfahrnen, bas in Italien oon
ben Arabern Ijer befannt mar. Seine einjig möglichen Xr&ger waren
bie überall oerftreuten lombarbifdjen tfaufleute, aus benen fid) bie
Gurie bie mercatoi es vel escambiatores papae 5) erwählte. Jöeibe
®efdjaftQ$n>eige finb in glanbern bin $ur 9{eu$eit in gemeinfamer
Drganifation oerbunben geblieben.4) So oerbreiteten fid) <£omman=
biten italienifdier sBanf fjäufer feit Dem 1 2. 3at>rt)unbert über grank
reidj, glanbern, ©nglanb, in Teutfdjlanb bem $anbelö$uge folgenb
befonberö über baö 3tyeintt)al. lUn bie für bie Gurie betriebenen
$ef$afte fdjlofj fia) natürlia) ber betrieb oon $&a)fel unb Darlehen
überhaupt, maö jur Schaffung oon Slusnafjmegefefcett für ba« ftinfr
nehmen öffentlicher 2ßed)filer führte (Stabtredjt oon greiburg, oon
3Hünd)en, 14. 3al)rf)unbert). 3n&Hfen faben bie internationalen
Öesiefmngen ber fiombarben in £eutftt)lanb mä^renb be$ Mittelalters
nidtf bie Sebeutung erlangt mie in granfreia), 1005U neben ber 39e-
fdjranfung tyrer $itofmfi&e auf ben Seften unb Süben aud) bie
Äonfurrenj ber 3"ben beitrug, bie feit iljrer (£nbe bes 12. 3af)r--
Imnbertö burd) ^ilipp II. erfolgten Vertreibung aus granfreia) bie
tftyemlanbe überfd)roemmten. 3n granfreid) bagegen empfingen jene
Steuerungen eine Stärfung burd) bie Ueberfieblung ber ^abfte naa)
3(oignon im Anfang bes 14. 3al)r^unberts. Sie oeranlafete bie
Florentiner Santyäufer, bie Slarbi, bie grescobalbi, $ur (Srridjtung
ftanbiger Gontore bort, fie oergröfjerte aud) ben Umfang tyrer
fajäfte burd) bie Steigerung ber s#ebürfniffe unb bamit ber ©infünfte
ber Gurie. 6) Die burd) iljren ioad)fenben (Hinflug tjeroorgerufene
*) fteutnann, <8efd)td)tc be« SBetbJet* im $anfagebtet. 1868.
•) Mathens Parisieosis. 1350. OL 0. XXVIII.)
•) Heitmann a. a. O.
18»
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276
33olföftimmung fpiegelt fidj wieber in bem Sprichwort: enlever
quelqa'un comme ud corsin. 9htd) in ©nglanb waren fie bereits
im 13. 3af)rhunbert als 2luSfauger oerhaftt; als pestis unb infames
werben fie beseitet unb über it>rc Segünfttgung burch ben ^ßnbft
bittere Klage geführt. 7) $as jentrol $u ^ranfreid), (Snglanb, £>eutfd):
lanb gelegene ftlaubern btlbete auch ben 9JKttelpunft ihrer intern
nationalen Sfj&tigfeit, nach welkem oon überallher bie ftäben geleitet
würben, um bann erft nadt» Italien weitergeführt ju werben. ißon
hier aus würben nach bem Horben unb Dften 2>eutfa)lanbs oereinjelte
SBorpoften, meift als ftaufleute, feltener als 2ßed)Sler oorgefchoben,
wobei bie 33erbinbungen ber &anfa bie Störung abgaben, ©is \j\ex-
her gingen aus ben neu erfd)loffenen (Gebieten bie päbftlichen ©in-
fünfte wie bie Senbungen oon ^rioaten bar, um befonbers oon
5örügge aus in ben Söedrfeloerfehr einzutreten.
«erfolgen mir bas frühefte Auftreten ber fiombarben im einzelnen,
fo finben wir fte juerft (1227) im (Srjftift Srier, in bas fie alfo
wotjl, wie weit früher bie Suben, aus ^ranfreid) eingewanbert finb.
3n ben Sefchlüffen bes <ßrooin$ialfon$ils p Jrier 1227 üTOärj 1.*)
als bie fpejififa)en (Mbmänner neben ben 3uben genannt, finb fte
als längere 3«t anfäffig ju benfen. 28irb boch bereits ein Sombarbe
als £ei6arjt bes 1152 oerftorbenen (£r$bifd)ofs Sllbero genannt,9)
wobei bie Erinnerung nahe liegt, bafe aud) ben Suben erft burch bas
angeführte Jtonjil bie ärjtliche 'ißraris unteriagt würbe. $as t>ier
ausgefprochene Sßuajerocrbot liefe ficr) gegenüber ben 5orDerunÖen
ber wirtschaftlichen ©ntwitflung, bie in ber ^weiten Hälfte bes
13. ^ahrhunberts einen rafchen 2luffd)wung nahm, nicht aufregt
erhalten; 1262 ftooember 29. gewährt (Srjbifdjof fteinrid) IV.
ßombarben bas 5Red)t, fid) in Xrier jum 3wed oon <Mbgefd)äften
nieberjulaffen.10) 1279 unb 1294 erfahrnen fie bort im Seftfc oon
Käufern, 1290 ift einer in Sdjönecf in ben 3lrbennen anfäfftg. l0)
Gin Hemmnis für bas ^ortfchreiten ihres GinRuffes ift gemife weniger
bas oom Xrierer ^rooinjialfonjil 1310 3(pril 28. wieberholte
SiMicheroerbot, bas auch wieber erwähnt, gewefen, als bie Xbal"
fache, bafe ber große ©rjbifdiof Salbuin feine ausgebehnten Finanz-
operationen, ja fogar feine Üanbesoerwaltung auf bie oon ihm
ungewöhnlich beoorjugten 3uben bafierte. 9luf Langel an tkx-
*) Mathens Paris. 1235, 1245, 1248, 1250.
*) Blattan, Statuta synodalia arcbidioec. Trev. 1844.
•) Broweras et Masenia*, Annale« Trevirensinm. 1670.
'«) «oerg, 3RHte(r$eimjd>e «egeflen III, IV.
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$if «nffinge ber lom6arbif$fn Öe$«ler im beuten gjtittflaltcc 277
binbungen anfäffiger i*ombarben läfit es fchltefeen, wenn bie 8auf;
mannfchaft oon 3)iailanb 1318 einen töenoffen zur Einziehung an
Sktlbuin geliehener 2000 (Bulben beputiert. ll) 1327 ift ber nach
ihnen benannte Kauroerjin^of tu ßoblenj in anbeten ßftnben. ll) Stur
bei 3urücfbrängung bes jübtfdjen ©influffes erfaßten fie jebeemal
:öegünftigung. 25ie beiben bem oben angeführten ähnlichen Sdmfebriefe
oon 1335 Januar 30. unb 1372 Dejember 27.") finb mof)l burch
ben Langel an $inanzträften veranlagt, ber einmal ber lofalen $er*
folgung 1332, bas anbere mal ber in Verbinbung mit bem fdjwarzen
lob 1348 eintretenben unb burd) :öalbutns Xob 1354 nachhaltigen
entftammte. 1335, 1349 werben fie immer noch in odmlbüer*
Pachtungen formelhaft neben ben $uben genannt.11) Von £rier
haben fie fid) wot)l, oerftärft burch ben wachfenben 3ujug oom Dber=
rhetn, flußabwärts gezogen. 1266 wirb ihre 9fafteblung in Stöln
noch ausgefchloffen, 1296 September 27. aber genehmigt; wettere
3d)ufebriefe folgen 1321 (<*ibbud)), 1332 l2). 1317, 1321 finb ju
tföln anfäffige ttauwerzen Gläubiger bes trafen oon 3ültch, 1335
bes oon .Uleoe. l*) 1308 quittiert ein X'ombarbe zu Siegburg als
Vertreter eines nicht bezeichneten Wefcbäftslmufes bem (trafen oon
Verg.15) 1279 werben Urnen ju Duisburg ihre fechte burch oen
örafen oon Selbem beftätigt. IS) 1317 behält fid) ber 2lbt von
Sterben bas töedjt ihrer wie ber ^uben 9luf nähme nor. 13) 1348
laftt in Soeft ber diame eineo Bürgers (Saoerfin auf ftattgefunbene
ßtnwanberung fdjliejjen. u) ^n Jlanbern werben bereits 1280
Sluguft 26. lombarbtfche &änbler als aeeifepflichtig genannt unb
gleichzeitig ein Sedjfel eingerichtet. 15) $n Vafel ift 1278 ein $au=
werje anfäffig16), 1400 uerbietet ein bortiges Konzil, ihnen Käufer
3U oermieten.17) 1293 erhebt ftd) eine totale Verfolgung gegen bie
ju ©ebweiler wie gegen bie Ouben zu töufad). ,e) 1381 werben fie
Zu 2£orms formelhaft in einer 3chulboerpflichtung genannt. 18) 1291
ift ein ^ombarbe Bürger ju Appenheim.19) 1353, 1363 finb zu
fingen tfombarben nachweisbar, benen 1371 ihre ^rioilegien vom
") @taat«ar$io (Soblenj.
") (fnnfn u. (fderö, OueÜcn 3. (defekte Äöln« II.
»») PacomMe t, U. 8. f. b. ©. b. ttieberr&t in« H, in.
") $anflf$e« U. ». III.
'•) «. 0. o. n.
'•) Ann. Colmar. (M. G. XVn.)
") ffiürbtnmn, ©ubj. V ©. 143.
»•) ©008, U. ». ü. ©orm« II 796.
©aur, f>eff. U. ©.
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378
Mforg ?ifbf
ÜMnjer ©tuf)t beftatigt werben.20) #ür bao innere fteutfdjlanb
fmb anfänglid) bie SRadmdjten noch febr oercinjelt. 1322 erlaubt
Äaifer fcubwig $wei Mauflcuten oon |y(oren$ auf beftimmte $rift bie
9lteberlaffung in 9törblingen. 21) $ao Privilegium maius für Defter;
reid), welcbeo bie 3Jerbältniffc ber sJ)titte beo ] 4. ^ö^rbunberö wieber=
giebt, gewäljrleiftet bao Sflcdtf, gleid) ben ^uben „©awertfdnn ju
galten".22) 3" Breslau Ijat int lebten 3nt)rjet)nt beo 14. unb ben
beiben erften beo 15. 3alptyiinberiä ein lebhafter £anbelöoerfebr mit
Jtfenebig beftanoen, 2S) inbeffen werben bie Welbfummen $mifdjen
beiben Statten bar übermittelt, unb reftierenbe Sdmlbcn laffen
*<enetianer (Gläubiger burd) Äommiffionäre eintreiben. 3Uo $8ed)fel=
unb Torletmogefdjäfte betreibenb mirb nur Antonius be Wleoim oon
#lorenj 1413 genannt, bem Mönig &>enjel 1410 foldjeo erlaubt bat.
Sein Stoiber Veontjarb ift ber colleetor denarii saneti Petri.
ßbenfallo ein Florentiner 2tfed)öler ift eo, ber alö äufeerfter norb=
öftlidjer **orpoften beö Wefdmftojmeigeo in Vitbetf auftritt, ©erarbo
ber 2&ile, ber 1413 juerft erfebeiut, 1449 geftorbeu ift, unterhielt
einen 3^ea)feluerfel)r mit weit auogebelmtcn v4<erbinbungen. (£r
empfängt 1 432 eine Summe aus Xänemarf, jablbar ju i*cnebig an
ben ^obflKniter^rofcmeifter,24) beogleitfen vom iHat von £an$ig,
jablbar au beffeu ^roturator (Vertreter beim ^abft) $u Horn.25)
*to feinem lobe werben feiten« ^eoollmädjtigter eineö Stanfyaufeö
*u Verona nnt> ber sJWebici «nfprüdie erhoben, bie einer Regelung
burd) ben 91at bebürfeiu24)
5htoo bie 3lrt t^rer Wefdjäfte betrifft, fo wirb jwar ftetö ber
5&ed)fel mit barunter genannt (cambire 1371 in fingen, 1372 in
Jrier, 1410 in Breslau), bo$ ift eo fein Zweifel, bafe fie t>on Slm
beginn $arlel)nogefd)äfte getrieben tyaben uff pbanbe, borgen aber
briffe alö bt)e juben, wie eo bao Medtfobud) beo 3oljann ^urgolbt
im Slnfang beo 16. 3at)rl)unberto fd)ilbert. itr) Sowohl bie Verbote
ber ^rooinjialfonjile (122/, 1310 Irier, 1400 $afel) wie bie
©ewäljrungen ber Äufna^meprioilegien (12«2, l33o, 1372 2rier,
*•) @d>unf, SBrilr. j. aRamjrr i»t]d). I.
»•) ©itymft, «cg. l\ b. SB. Hr. 497.
») M. G., L. L. II, ©. 101.
") 2>afl folgrnbe nadj ©tobbe« fflitttilungtn au* 8re*(auer Signatur«
bu$etn in 3tf*r. b. »«ein« f. ©. n. %. ©«blefffn* VI, ©. 836.
») fitbedri U. 8. VII, VIII.
'») $irfcb, ^anbdSgfli. 3>anjtg«, @. 237.
»•) <Ra$ ©tobbe in 3titf$r. f. $anbel*re<$t, berau*gegb. ». «olbfämibt,
Vm, ©. 46 f.
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3>it «nffinge ber tomborbifatti SSfdjSter im beutf^en SKittelaft« 279
1296 Äöln, 1 332 9?örblingen, 1410 Breslau) fefeen bieö ausbrflcflid)
oorauö. 3$on bem Umfang bicfer öefdj&fte jeugt bie Nennung von
Angehörigen bc« fpfcn SlbeU als Sdmlbner, 1308 $erg, 1317,
1321 3üKd), 1335 Gleoe, aud) ber §err oon »lantenfjeim wirb 1290
für einen ©euoffen «ürgfd&aft geleiftet haben. ©lei$ bei ber erften
ermäfmung 1227 erfd^eint bae $epofitengefa)äft als 3weig if>rer
X^ätigfeit (— ne pecuniam suam ad cauwercinos vel Judaeos
ponaot propter lacrum). 3" befonberer 2Beife werben fte fonncl
baft mit ben 3uben 3ufammen in Sdmlboerfdjretbungen genannt,
häufig namlid) enthalten biefe, um einen 3>rud äbntia) bem Gin«
lager auf ben fäumigen Sdnilbner außjuüben, bie $eftimmung, bafc
ber (Gläubiger bao innerhalb einer beftimmten ^frtft nidjt jurüef*
gejagte Kapital bei ^uben ober Äaumerjinen aufnehmen barf, wobei
bie ^infen bem Sdmlbner jur £aft fallen. So oerpflid)tet ftdj 1335
Februar 5. ÜBalram oon ^meibrüefen gegen öalbuin oon Xrier, fo
1349 fcbruar 17. Stolbuin gegen Äölner sJtotri$ier, ") fo ber $efan
oon S. $aul ju SSormft laut Urfunbe oon 1381. Sil« 3in«fufe
ioirb ifmen bei ber Aufnahme $u Äöln 1296 September 27. ber
oon 3 Dbolen oon ber Warf wöd>entlid) oorgefdjrieben, ebenfooiel
wie 1276 bem (trafen oon $erg für bie eben errofttmte 9$erfäummSi
fdmlb bei einem ^uben gefegt werben, ndmlid) 108 °/o! 35ei ber
örö&e ber -Kapitalien, meldje bie Unternehmungen ber Sombarben
erforberten, ift ber häufige 3ufammenfd)lujj ju ©efellfdjaften erflärlidb.
3otd>en, mehrmals aus oier Teilnehmern beftehenben, werben bie
Slufnahmeprioilegien oon Xrier 1262, 1372, oon Äöln 1321, 1332,
oon fingen 1371 erteilt, aud) ber $u Siegburg 1308 anfäffige
t'ombarbe oertritt nur feine magistri.
Xie rechtliche Stellung ber Äaumerjinen würbe wie bie ber
ftuben, mit benen fie bie Iftgenfdjaft als ftrembe unb Inhaber eines
oerbafcten (Gewerbes teilten, einjig burd) bie ilmen uerliebenen $rim=
legien beftimmt, bie gegen gewtffe Jöefdjränfungen bas Monopol ber
äludnufeung iljrer Vorteile gewährten. 35ie ftrage erfdjien wichtig
genug, um in ber Summa curiae regis, einer Jormelfammlung bed
14. ^fl^^unberto, eine Forma cauwercioorum 28) mit ben $runb-
jügen jener ©ebingungen aufstellen. ^efebränfung ift ju=
nädn't jeitlia), auf 25 ^aljr jn Köln 1296, auf 15 (ju fingen 1371),
auf 11 (&u Äöln 1332), auf 10 (ju Xrier 1262), auf 9 ($u Ober-
wefel 1372), auf 3 (naa) ber Summa c. r.), auf 2 3af)r (ju SRbrb=
") @taat«an$it> öoblfnj.
»•) 9}a$ ©tpb&e a. a. 0.
280 <». ?\tbt, $tf Knfänfl« It r (ortibatbtf^f n ©fd>*l<r im bnitfdjf n 9litte(after
lingen 1332) wirb bei* 2lufentt)alt nrftattet. itud) bie ftreijügigfeit
ift befäränft, bie l*rlaubnio gilt nur für ben genannten Ort. £aju
fommen Abgaben, loo SHarf, 150 Warf, 20 ty'b., r>u ^fb., HO,
HfM) Bulben, fcafür erhält bie benannte WefeUfdmft nebft ber 3*
fidprung beo odmfceo bie weitere, baft feine tfonfurrenten auf;
genommen werben foüen. ÜJtondnual wirb itjnen nad) Ablauf ihrer
#rift nod) ein $a\)t jur ßinftieljung ihrer Jvorberungen gewährt, waö
nod) int 18. ^ahrlwnbert bei Üluoweiiuugen ber ^uben im tSrjiftift
Trier begegnet, ^n bem s4$rioileg für überwefel I3?ü werben aud)
ttefttmmungen über ihren Wericbtoftanb getroffen unb Unten erlaubt,
fid) oon ber 2lnfd)ulbigung ber xJiot^ud)t burd) Crib ju reinigen.
Mein bie $ötje beo ^inofufteö, bie, wenn wir oon bem erwähnten
ungewöhnlichen #all abfegen, für bao 14. ^abrtmnbert boa) 30—40 %
5U betragen pflegte, fowie bie ber für baö Monopol entrichteten 2lfc
gaben, läftt auf bie oon ben .Hauwerjinen erworbenen Reichtümer
fajlie&en. (Sin -^eugniö im einzelnen falle liefert bie Xbatfaa)e, bafe
• ber $u fingen anfäffige Veo Cttinuo 13K0/H1 feinen 3otm in Ste
gleitung eines ftofmeiftero 511 "JJario ftubieren lieft unb burd) reichliche
(^elbfenbuugen unterhielt. aB) 2)afi alo Äebrfeite wie bei ben $uben
bie 9)ii§ad)tung gegen ben alo unrechtmäßig geltenben Erwerb beftanb,
bafür mangeln bie 4^ugniffe nicht, wenn eo aud) gegen bie jerftreut
mohnenben ^luolänber nicht $u fo gewaltigen 3leufterungen«ber iojialen
3Wifeftintmung Tarn. 1278 erregt $u $aiel bie ^Beftattung eine© £au=
werjinen burd) bie sJNinoriten ben Unwillen oeo sKolfeo, unb 1293
haben fie jtt Webweiler Wewaltttjätigfeiten beo Slbteo oon 3Wurbacfc
*u erbulben, ber ihnen wot)l uerfdmlbet war. £aö Necbtobud) tyir:
golbto 00m beginn beo 16. ^aqrljunberto nennt fie wegen ihre«
sBerufo offenbare Sünber, unwürbig beo 3aframento, rechtlos, ehrloo.
3ljre ^Hebeutung fd)liefct mit bem ^Mittelalter ab; wie mit bem
12. ^at)tt)unbert für ben Raubet, war mit bem 2(uffommen ber
groften beuticben öanfhäufer im 15. ^atyrfyunbert für bie ®elb^
wirtfdmft bie £et)r$eit $eutfd)lanbö beenbet.
»•) edjunt a. a. O.
••) Ann. Golm.
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I)a* l^etfejtammßudf) öo* D. Jlßr. IHato
üon 1607 Bis 1616.
<£in d}arafteriftifd)cr Bettrag $ur Peregrinatio academica.
Von Karl 2lbam.
„Peregrinatione et studiis ea bona comparantnr
Quibus qui olim expediti, dispares censebautur." Neapel 1628.
Deröjf. in Keil, beiitfdje Stammbücher 5. U5. Hr. ^3U
$)ad SHeifeftammbud) be* beutfdjen 3tubenten, rote eö etwa feit
3lnbeginn bed 16. ^flljfininbertö geführt mürbe, mar bie unmittelbare
unb natürliche golge beö ftubentifeben Meifebebürfniffeö. £ieo leitete
foroor)l wie bie iWeifc felbft ftnb fdjon oon ^eitöenoffen mit bem
3lu«brucfe „Peregrinatio academica41 belegt roorben. 2)er Deutfcbe
reifte in jener 3eit überhaupt gern unb fdwremueifc („mit feinen
(Sefellen" ober: „neben feiner (iompagnie") in foldje fiimber, roeldje
feinem Staterlanbe an Kultur weit oorauo waren, namentlich nad)
Jvranfreiä), £ollanb unb Italien, ihkiö bei Dielen eine sHerfd)roenbung
mar unb gerabeju in eine ^eifefudjt: in eine Hrantyeit ausartete,
erfdnen ben Stubierenben jener Xage als eine ^ßfliä)t unb jum £eil
mit 9ted)t. Sur 2\)eoloc^en t)ätten bie jablreiäjen beutfeben £od)fdmlen
genügt 3lnberö Derzeit eö fid) febon bei ben fturiften. ©ine s)loU
roenbigfeit aber mar bas Reifen für jeben angebenben 3lr*t, roeldjer
eä emft mit feinem Otubium nabm; unb jroar roaren bie ibm ge-
fteeften $ide rinerfeüö 28ien, anberfetts iöafel, Montpellier, finon
unb mehrere itatienifd)e $od)fd)ulen, böuptfäd)lid) ^abua. sparte man
fid) nun mit bem $efud)e oon wenigen auserlefenen &od)fdmlen be=
gnfigt, um bort in iHut)e ein t)albes 3a^r unD barüber $u oerroeilen,
fo mürbe n>ot)l fein 6infid)tfiooller hiergegen einen Hontmrf erhoben
tjaben. 33eifpiel$roetfe t)atte gelir ^later aus Safel fein £aupftubium
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282
Äarl 91 baut
mit 41/« ^atyreii SJtontpeHier abgefd^I offen.1) $>em roar in ber
Siegel aber nidjt fo. (Sö r/ [teilte fid) oielmefjr in ber jroeiten $ä(fte
bes 16. Safjrbunberte bie Sitte feft, ftott einen (angjätjrigen Stufenttmlt
auf ben fremben Uniocrfitäten ju nehmen, biefelben ju bereifen.
3!)ren &ö^epunft erreichte biefe Sitte im fiebjelmten ^rfjunbert,
in roeldjem bie „peregrinatio academica" alö orbnungömäfeiger
3tbfd)lufe beö Stubiumd erforberlid) mürbe. 2lud) bei nur furjer
Stnmefenbeit in einer Unioerfitätsftabt liefe fidi, roer bie Soften nidjt
ju freuen fyatte, immatrifulieren, unb je mefjr man 3tnroatrifulationeu
aufraeifen tonnte, befto gröfeer roar ber ^Hubm".')
% Xfyolud belwnbelt in feiner „SKorgefdndjte bed Siationaliömuö"
bie afabemtfdje JReife in einem befonberen Kapitel, ju beffen beginn
er einen furjen Öiteraturaußroeid liefert, um bann in bie SÖorte auö-
jubredjen: „Unb roie alled, fo wirb aud) bie© ?Reifegefa)äft nidjt
perfanetorie, fonbem solide betrieben — feiten weniger als Gin
3a^r, 5—l(> 3af>re häufig." •)
«bgefe^en oon ben burd) X^olurf unb anbere aufgeführten Steife
Jtated)iömen, ^aben fi<!> eine ganje $a\)[ von Stimmen erhoben, roeldje
teil« bireft bagegen, teils oermittelnb abroägenb über bie jfeifeluft
fd)rieben. Jüon ben lefcteren ift ganj befonberd ber Strafeburger
^Jrofeffor 9JJattl)iad SJernegger tyeroorjutjeben, unter beffen ^ßräfibium
Daniel ©ruber im Safyte 1619 mit bem „Discursus politico-bisto-
ricus de peregrinatione studiogorum" promovierte, ©ine neue
Sluflage ber f)eute faft in S3ergeffen^eit geratenen Differtation ift im
3at)re 1714 su 3ena erfajienen. 9lac^ if>r erteilt SJernegger jun4a)ft
jroei an ber SajroeUe beö fteformattond^ettalter* lebenben Satirifem
baö 2Bort, otme fi# ftreng an tyren Xe# ju binben, erftlia) bem
Sebaftian örant*):
,&a redeten Äunft man nit tf)ut a$ten,
Unnüt} (Beföroefe allein betrauten,
jDomit fo gat bie Ougent bpn.
©o ftnb mir ju 2ypi, Srbtfortb, XBpen,
3n $eöbelberg, flRenfc, ©afel gejlanben.
') Rommen, OJefö. b. Untoerf. 8afel 1682—1682. »ofel 1889, G. 222.
') 9b. ©tßtjel , <tntn>idlung be* gelehrten ffiid)tertum« in bentföen
Xerritocien. ©tuttgort 1879. 2«! I 3. 60 u. «nra. 66, ebenb. ©. 67.
•) Xeil I 1868 a. u. 2.: 2>a# afabemiftr 8eben be« 17. 3$b«. «bt I.
£ie atabemif$en ßufiänbe. @. 806.
*) ftarrenföiff, $«gg. o. darntfe, Peipjig 1854 (27) »on »nnufcen
fhibiftfn. ©. 29.
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$>a* «eiffftammbM^ oon D. Bbr. $fato üon 1607—1616 383
Jtummen $u letft boc^ ljcim mit fd)anben;$)
(Stüter ad&t ft<P Ijoä) barumb,
$a§ er au« ©elften Panben fumb,
Unb fp ju ©<$ulen »orbrn wie
3u ©onono, $aoq, Tarife,
3u po&en @irn in ber ©apienfc . . . ."
Unb weiter:
„Söelcper n?ttl lernt in jpm ?anb,
2) er finbt pet& ©lieber atfcrbanM,
Unb aQentpalb geleprte ?üt
Dit er mög fragen aöc jpt."
3)em 3<>hami Öetler nadjgebilbet ift ber oprud):
„(Jiit ©auf} tfl geflogen o§ Unb gagaef tumpt wieber $u ^»ufe!"
SWöglicherroeife ärgert ^ernegger tieft, bafc fo uiele Jünglinge,
anfiatt $u feinen Aüfeen ju t)5ren, über bie Ören$e nach 2i$elfd)lanb
Rieben, ,3m örunbc aber null er bod) einem uielempfunbenen Unmcfen
fteuern, unb er ift geredet genug, tnnjujufefeen : sJticbt jebe Weife mifc
billige er, fonbern bie unangemeffene, roeldjc bao „ßrotifebe" bem
©inbeimifehen nor§iebe unb cor ber genügenben ^ugenbreife untere
nommen roerbe. 9Jacb ^ernegger's Anficht bürften nur folebe 3üng;
linge felbftänbig reifen, meieren bie nötige „Aptitudo" eigen märe.
■Sn'd Sirtfc^aftii^^JÖiobeme überfefct wirb alfo ein $efäfngunga=
naebroeia »erlangt, tiefer 9tadjn>etö erforbert:
1) ein blfibenbe* Lebensalter,
2) einen natürlichen Scbarffinn, öffentliche Angelegenheiten 311
ju erfaffen („prudentiam politicam"),
3) einige gefducbtlicbe unb fpracblicfte .Henntniffe,
4) eine allgemeine Kenntnis ber jeidmenben fünfte („artis
pictoriae umbratilem seien tiaro").
teuere ©d>riftftetter, meiere ftd) über bie Peregrinatio junt
SBorte melbeten, oerallgemeinem ben begriff bes Reifens jumeift in
3lnn>enbung auf alle iHeifenben beutfdjer 3unge. S9ei ber weiten
gerichtlichen Entfernung r»on ben toirtlichen (£reigm|fen bilbet fich
hier eine Art Sprogreffion : fagen mir Örabeinteilung non Anflehten,
al« beren (Gegenpole etwa Äarl 33iebermann8) unb öuftar» grentag7)
feftjufteüen mären, ^nbem ber le|tgenannte ben jungen beutfa)en
•) $ier hört Qrant auf.
•) „3>ie allgemeinen <Befeflfd)aft«3iiflänbe 35eutj(ptanb« Don ber SRefor-
mation bU }om breißigjäprigen Äriege" in b. 3eit|<prift f. beutfepe Äultur-
flefaiipte. 3g. 1866. ©. 8» f.
*) ©Uber a. b. beutfa). »ergangenpeit, »b. III. «ufl. V. ©. 300.
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984
Slbel in granfretch fchlechtroeg als „ungefdndte Nachahmer bes fremben
Brauches" abfertigt, freiließ in bem söeftreben, mit turnen Striaen
bie Signatur einer ganzen GpoaV barjulegen, befürwortet Siebermann
im allgemeinen bas Reifen, wobei er mehr auf bie beutfd>en (Mehrten
fein 2luge rietet, über aud) über bie gefellfdwftlich &ocbgeftellten
fdjreibt er*) : „$en oornehmen Meifenben felbft war es in jener ^eit
gröfetenteilö roirflich um einen foliben Weroinn, nicht um einen bloßen
flüchtigen öenujj bei ihren »Itfahrten ju t^un; fie rooüten tfenntniffe
cinfammeln, ihren (St)arafter bilben " .Smifcben biefen febeinbar
unoerföfmlichen $egenfäfcen in ber silnfd)auung ftehen gemäßigtere
Urteile roie bie oon Stöljel, Ttiolucf unb neuerbings oon ©eorg
Steinhaufen.9) fcefeterer betont einerfeits, ähnlich roie greutag,
bie Verachtung ber 3)Jutterfprache als eine golge ber Reifen unb,
„bafc jene töeifeluft roefentlid) ju ber oerberblicben Sluslänberet, bie
bas 1 7. Sat^ljimbert charafterifiert, beitrug'' ; aubererfeits gelangt er
vielfach ju ähnlichen Schlüffen roie löiebermann. 9lud> er betrachtet
unb anerfennt bas Reifen als eine Silbungsfchule bes uornetmten
Cannes; gleichfalls rourbe in feinen klugen £eutfd)lanbs dieifefuebt
befonbers baburch geförbert, bafe biefes ^anb in politifcher roie in
geiftiger Sejiehung mehr unb mehr ben füblid) unb roeftroärts ge-
legenen tfänbem, oor allem granfreid), nadjftanb. —
Von ber söamberg'fchen Ütochhanblung ju Wreifsroalb rourbe bem
Üterfaffer biefer 2lbhanblung unlängft ein altes Büchlein in fleinem
Dftao=gormate mit melen leeren unb — in feiner jroeiten Hälfte»
— mit 46 oerfchiebenartig befchriebeneu Seiten jur geftftellung bes
3nf)altes anoertraut unb in ber golge erlaubt, bas Ergebnis feiner
geftftellung naa) belieben fchriftfteUerifch ju oerroenben. £ies geflieht
hiermit unter gleichseitiger ^Beantwortung ber grage: Wie ftellt fich
bies eine Stammbuch ju ben bisherigen Ucberlieferungen ber Pere-
grinatio academica?
$>as Büchlein roar oon einem jungen (Mehrten aus Stanjig,
Samens Abraham s£lato angelegt roorben, bamit es ihm ein bleibenbes
©rinnerungsjeichen roerbe an feine Stubienreife nach reichlich oierjehn
oerfchiebenen &ochfdmlen 3taliens, ber Sdnoeij, granfreichs, @ng=
lanbs unb 2Öeftbeutfa)lanbs. 9hm finb jroar Stammbücher felbft
bes 16. unb 1 7. 3ahrlmnberts in £eutfd)lanb heute feinesroegs aus*
•) a. a. JD. @. 100.
•) „©eiträge jur ®ef($u$te be* Äeifen*" im „Budlanb" 1898. Sftr. 13
unb 14; — befonb. ober „®ef<$. b. beut[$. ©riefe«" II, 4—9.
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2>a* 9Reifeflammbnd> oon D. «br. ^lato oou 1607—1616 285
geftorben10); aber es giebt nur wenige unter ben erhaltenen, welche
^plato's £afdj)enbüd)lein nach Älfeitigfeit ober Vornehmheit bes
Inhaltes an bie Seite aefteflt werben fönnten. Wan möd)te faft bas
Stammbuch bes werbenben 9lr$tes als ein internationales bejeichnen,
einmal wegen ber Wicbtung feiner Weifen, fobann in Slnfehung ber
£erfunft ber 3nff ribenten : Worbbeutfcher unb öfterreichifcher 9lbe(,
ein ungarifdjer Magnat, fübbeutfdjes Bürgertum, je ein fchweijerifdjer
"ipatrijier, ein J)of>cr Beamter, ein ©aftwirt, ein franjöftfdjer unb ein
italienifdjer ©eletjrter, fd>liefjlich ber berühmtefte Stnatom feiner &eit,
geltr s?later aus Safel.
^lato's Stammbuch ift in mehr als einer ^infid^t merfmürbig.
2luffallenb erscheint es, baft spiato oon feinem Stammbuche alles
heimatliche ausfchliefct11): Altern, Sippfdmft, Qugenbfreunbe fehlen
barin. 9ßar er oerwaift? ober toar bies Stammbuch nur für bie
bie ©inbrücfe ber Weife angelegt? — SBir werben es rootjl nie erfahren!
©in Weife ftammbud) aber war es in jeber &infuf>t. Sein entf Rieben
oomet)mer 3nbalt würbe burd) eine faft bürftige papier'ne ©ülle
umgeben, benn nad) bem 33efunbe hat ein foftbarcrer Umfchlag niemals
bas SBanbchen gefdimücft. 2luffallenb ift ferner bas geh*™ jeglicher
9lbbilbungen ober (Smbleme. Wur 67 nacfte Eintragungen jutn Xeil
höchft charafteriftifcher &änbe oon 46 Tutoren fchmücfen ben Keinen
$anb; bagegen nimmt bie Weifest bes Abraham <piato ungefähr
jefm 3ah« in 3lnfprud), foweit wir bies aus bem Stammbuche oer=
folgen fönnen. $abei bleibt bie ftrage eine offene, ob s$lato nicht
anfänglich §od)fdjulen ber engeren oftbeutfchen &eimat aufgefucht !
Ungeachtet aller Weifen aber finbet Seb. 93rant's treffenbe 98e=
mertung im „Warrenfd)iff" (jum 66. 2lbfd)nitt), bafe mancher burch's
oiele Weifen oöflig jum 33mber bes Warrenorbens geworben fei,
auf ^ßlato feinerlei 2lnwenbung. 33erfd)iebene Umftänbc fprechen
bagegen, in erfter &infid)t ber in feinem Stammbuche ange?
fchlagene £on ber 3nffribenten. 2lud) bie 2Bal)l bes Stubiums
macht müßige Weifeunternehmungen nicht gerabe wahrfcheinlid) ; benn
^Jlato legte jldt) auf bas Stubium ber $eilfunbe, welches unwiClfürlid)
ju einer gewiffen SJetbätigung anfpomt. — Ueber bie Widmung, in
welcher ber SRebijüter bes 16. unb 17. ^ahrfnmtert fich ju oerooll;
fommnen fuchte, belehren uns bie Stubienseiten oon jwei befon--
,a) JFetI, 25ic ©futfärn ©tammbütfcr. »erlitt, 1893. @. 48; — ©töljcl
a. a. O. I. ©. 62. «rtm. 129; I. 6. 62-78, II. @. 22-88.
»») 3m (Sfgenjafce $u ben ffeifföen SBeobachrungen a. o. O. ©. 8!
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286
Äarl 91 bei in
beren $ierben ber mebijinifcben ftafultät an ber Wreifsmalber &och;
f <^u(e : beS 6()riftian GalenuS (* 1529, f 1617) unb feines .Holleaen
3ofob Seibel (*1546, f 1615). GalenuS war fett bem ^abre 1554
bereits <Rrofeffor an ber iMrtiftenfafultät, als er im näcbften 3a&re,
mit einem jährlichen Stipenbium beö &er$ogs s4it)ilipp oon Bommern
ausgerüftet, ben Wanberftab ergriff, um auswärts bie fteilfunbe ju
erlernen. Sein erftes war Wittenberg, für welches er anfänglich
breifeig ©ulben, fpäter vierzig X^aler Unterftüfeungsgelber erhielt
3m Sahre 1559 würbe ihm bas Stipenbium ju einer Weife nach
Italien auf adjtjig Ztyalex erhöht, unb fo 50g er benn am 4. Dftober
1559 wohlgemut aus ben £l;oren StMttenberg's in bas Vanb §talia.
21m 27. besfelben 9Monats langte er in ^abua an unb liefe fid) bort
bureb ben Weftor Öeorg sJtalft, einen Ungarn, als Stubent ein=
fchreiben. v#on ^abua aus bereifte er bie b^roonagenberen l'anbe$=
umoerfitäten, namentlich sJiom. $n vJJifa erwarb er am 31. 3Wär$
156(i bureb öffentliche Promotion ben jweiten (mebi5inifd)en) $oftorhut,
nadjbem er im %a\)xe 1551 febon jum $oftor ber ^ilofop^ie pro-
moviert worben mar, wie bies bie unerläßliche ^orbebingung für
eine Üaufbatm innerhalb ber übrigen ^afultäten bamals mar. 3lm
29. September 1561 erfolgte feine Aufnahme in bas Collegium
medicum ber Unioerfität ©retfswalb. l2)
Seibel erwarb ju föeibelberg, 23 3<*hrc alt, im 3ahre 1569
bie philofopbifcbe Toftorwürbe als befter unter jelm ftanbibatett.
Sllsbann betrieb er ebenbort brei Sabre lang bas Stubium ber
SWebiflin, bis Äaifer 3)iarmilian II. auf ihn aufmerffam gemocht
rourbe, in beffen Auftrage er im ^aljre 1573 nach Wien ging, um
»on bem berühmten faiferlichen Slrchiater <3°h- Groto ». Grafftfjetm
in bie Praxis medica eingeführt ju werben. %n ben nächften jroei
3ahren wanbte er fieb nach 33rünn, Breslau unb weiter nach &afel,
wofelbft er am 29. September 1875 bas mebijinifche £oftor (Dramen
beftanb. 3u üeipjig arbeitete er weiter, bis es ber bortigen ^afultdt
gelang, ihn nach Bommern unb jwar junäenft als Stabtarjt nach
Inflam im 3abre 1576 Ju empfehlen.13) —
Abraham ^lato beginnt bas auswärtige Stubium in!Hom: „in
Urbe", wie es einmal im Stammbuche lautet, unb jwar im §erbfte
*") Rector magn. %oad). ©«ringe nad) eigenen Sufjeiitynungen bei
Solenu« (kalt) in D. ©aU^ofor'« Vitae Pomeran. vol. VI. «reif*». Unit>.-93ibl.
") Progr. fnnebre fc. «ett. ©art&ot. Sattus nach ©eibel'* ©elbfibiogt.
Vit. Pom. vol. XXXVI.
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3>a* 8Retfeflainmbu$ toon D. «br. Wato oon 1607—1616 287
beö 3a&re$ 1607. *<on ^ier auö erfolgt um bcn 13. Dttober ein
furjer Slbftecher nach Neapel. 2lm 30. Sttpril 1608 roeilt «piato in
«Ptfa, nad)bem er eine SBodje früher noch in Stena greunbe genoffen
hat. $en 9Jtot oerlebte er fo jiemlich in glorens, um oon bort nadj
SRantua überjufiebeln. lieber Sßabua, toofelbft am 9. 2foguft eine
.Eintragung in's Stammbuch erfolgt, ger)t eö nach ®enf. $ort wirb
[djeinbar eine längere iHaft gehalten; benn hier inffribiert ber Staltener
Gamilto ©arboim fid)tlich als #et)rer ober ald alterer greunb am
23. September bedfelben 3ahre« mit ben Söorten: „Mitte Dne
. angelos tuos, vt custodiant eum in via suau. $iefe SBibmung
nebft 9toä)fä)rift füllt bie lefcte Seite beö Stammbuches au«, ßarboini
ftammte aus Neapel; er nmrbe am 12. 3J?ai 1570 ju #eibelberg unter
bem 9teftorat beo 9tif, Gobbin au« iHoftod „in fidem et tatelam
Academiae" recipiert.14) — 3n 6ron(?) trifft Sßlato am 13. Oh
tober 1608 einen (heffifchen) (Sbelmann ^einria) o. Starfdjebel. 5>ann
folgt ein längere« Stubium $u £non biö gegen ben 16. 3Wai 1609.
$ter, roenn nicht in $afel, roo ihm noch im 3)tonat 9)iai gelip ^Slater,
ber „unoergleitt)lid)e" Selbftbiograph, neben emftem Spruch ein Stüd
Selbstbiographie in'ö Stammbuch eintragt, roirb er jum ßicentiaten
ber 3Webijin ernannt.
3(uf eine arbeitsreiche 3*\t frißt eme Steif eperiobe: Schon oon
sWafel aud fefjrt unfer Liceotiatus med. im golbenen Stern $u
Schaffhaufen bei einem jootalen, feingebilbeten SBirte ein, melier it)n
mit einem ehemaligen itanboogte oon i'ocarno1*) befannt macht, ber
ficb be^aglid) in feiner Ütaterftabt — toie mir nach 9(nalogieen an-
nehmen fönnen — jur roo^loerbienten 9^ur)e gefefct r)at. Seibe t)intcr=
laffen ihm unter bem 26. 3Jtoi 1609 ein Slnbenfen in ^eroorragenb
treuherzigen, auf jeben gaü* aber — beutfchen Neimen, ©in britter
Sdnoei&er, welcher am 2. 3uni inffribiert, gehört ber noch heute in
3üria) blühenben gamtlie ©fdjer an; er begnügt fid) mit ben oiel-
beutigen 3nitialen „©. 31." (©Ott oermag aUeö??). — Leiter
geht eö burd) ganj granfreich nach (Snglanb: sDtorfeille ben 8. Sep;
tember, «Montpellier ben 21. Eejember 1609, ßonbon ben 16. 3luguft
1610. darauf bereift ^lato beutfche Stäbte, fcheinbar auf brei bid
oier 3ahre in feine £eimat jurüdfehrenb. Sejeichnenb ift bie (Sin=
tragung beß Dr. phil. et med. 3of>. ©ffren $u Höln oom 24. Sep=
") aWotrifd b. Unio. $eibelb«g, b,*g. ö. @uft. Xctptt II. ©. 65.
'*) ?ugflaru« (?ocomo), $aupt|)abt b. Äonton* Xeffitt, roob,in oon 3*»*
ju 3^ «in neuer ?onböogt gefanbt mürbe.
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288
tcmber 1610, inbem Effren fid) auf eine ju ^abua begonnene uub
lange bafelbft geübte ^minbf^aft beruft, welche in ftöln nunmehr
auf's -)iewe beftarft werbe. Tiefe Eintragung beftätigt aud) fonftige
^Merfmale, melaje auf eine geiüiffe 3urütfbaltung bes ^ßlato im ge=
felligen ^erfetjr fcbliefeeu lafien. — Der Umftanb, bafe pato im
Oftober besfelben Jahres 1610 bem jettigen Oberhaupte eines alt=
angefeljenen <ßatri$icrhaufes, bem Veonfjarb vBeife18) ju Augsburg, in
feiner Wohnung felbft einen Sfcfud) gemacht bat, läfet es zweifelhaft
erscheinen, ob er feine Schritte $ur nörblidien Heimat ober nach
Sübbeutfd)lanb in ber $eit bis gegen Anbeginn beö Jahres 1614 .
gerietet t>at, über meld)e 3t\t fwn Stammbud) fid) ausfd)weigt. Eigen-
artig berührt hierbei ber Umftanb, bafe ber 3iame „D. Abraham
vJMato" bisher nirgenbs feftjuftelleu mar als allein in 3*bler'ö „Uni-
r»erfal=£erifon" $anb 28, Spalte 719 in betreff eines $u SHegenöburg
geborenen Abraham ^ßlato, welcher 3urift war unb beu 27. 9tooember
1680 im 44. tfebenöjabre ftarb, mitbin febr mol)l als ein Solm beö
gleichnamigen 2lrjteö gebadjt werben fönnte. —
9tocb ein lefetes Wal treibt ben „Dominus Possessor* beö
Stammbuches ber beutfcbe 3£anbertrieb über ben Mljein junädjft nad)
Strafeburg, wo er jum "Diinbeften bie $e\t ftebruar bis Cftober 1614,
febr mabrfcbeinlid) aber ein ganjeö ^aljr oerlebt. Erft am 25. Sep-
tember 1615 ftnben mir Um in ber franjöfiichen Unioerfitätsftabt
Seban, welche bamals eine grofte Anjietmngofraft auf Xeutfdje aus=
übte, unb wofelbft fid) beifpielswetfe als Stubent 3oad»im Sigismuub
oon JÖranbenburg immatrifulieren liefe.1,1) ,§ier in Seban fönnen
mir ^lato's Spuren bis jum 7. Cftober 1615 minbeftens oerfolgen.
Xie sJfeife enbigt, nad) brei Eintragungen ju fdjliefeen, in tfnon am
8. September 1616, biefen Tag als einen ber legten bes bortigen
Aufenthaltes gebaut; benn ein Stammbuch pflegt man gemeiniglich
erft beim 2lbfchiebe oorjulegen. Es läfet fich annehmen, bafe <piato
bas erfte Drittel bes Jahres gleichfalls in ftranfretd) oerlebt rjat.
Zweifellos fyat ber mieberholte Aufenthalt in i'non auf ^(ato's innere
Entmidelung einen bebeutenben Einflufe ausgeübt ; ben bort gepflegten
Stubien mirb er einen /pauptabfdmitt in ieiner miffenfchaftlichen Sauf;
bahn oerbanfen. Auch er mirb an feinem Teile otel franj&fifcbeö Siefen
mit nach Deutfchlanb jurütfgenommeu unb batnn oerpflaiij|t haben! —
flug«b. Ötfdjlfdjt feit ?eoii^arb SB. (* 1398); f. eiebmatyr'* SBappcn.
bud> »D. VI. «bt. 1, e. «1.
,T) 8our$rnin, Etade snr les acadtmies proteatantes en Frauce an
XVI« et au XVII« sfccle. Uarii 1882. «Seite 118 nebji «tun. 2; ©. 470.
2)o8 fleifef»amtnbu(b. üon D. *br. $lato oon 1607—1616 289
3let)nlid> wie wir allein aus bem roinjigen Stammbud>e
bie Xwftellung beö Meifeplaueö unb iHeifetriebes beö 2lbr. pato
entnahmen, oermögen mir unter ^utmlfeualjme gebrutfter Unioerfitätö:
inatrifeln unb Stammbücher eine flanke 3a()l Der 46 3nffribeuten
eine 3trccfe weit oerfolgeu.
3lbrian ^auli, $(ato'* ttinbämann unb l'ijentiat ber sJ)tebi$in
laut Onfc^rift oom 21. Xejember 1609 ju Montpellier, mürbe am
9. Mai 1602 als 3tubent *u fteibelberg reetpiert, mofelbft er am
17. gebruar 1605 ben Wrab eines „Magister Artium" enuarb.18)
3>en (tfeorg 21a)atiuö greil)errn o. ^olfjeim, ^lato'ö Jreunb $u Neapel
"am 13. Cftober 1607, ermittelte Stöljel im 3at)re 1606 bereite in
^aris. ir) (Sarboini ift fdjon oben alö ehemaliger Stubent oon
£eibelberg feftgeftellt morben. Tie in Sebau erworbenen Jfreunbe
fteorg $ertner in Egenburg 20), l'eonljarb SiMbmann auc 2)torferlbaa)
in granfen unb Tfran* tfift21) auo Ungarn sogen faft ein 3at)r
fpäter naa) l'euben unb mürben bort am 34. 1616 immatru
fuliert, Obmann 29 3af)re alt, bie beiben anbern ein jeber mit 22
3af)ren.22) Dem Herausgeber ber Marrifel oon fienben ift nur
ba* $erfel>en untergelaufen, bao abfürjenbe Sd)lufeeia)en für
„Guertoerus" oerfetjrt *u lefen, nämlid) „Georgius Guertnergy
Egenburg V ieunensis w. ~ 9lua) einen Xeil ber p £onbon im
^aljre 1610 gemachten iBefanntfdjaften treffen mir in iienben mieber,
unb jroar bie bafelbft am 26. ^uii 1611 immatrifulierten brei
fcf)lefifd)en sperren Saurman oon ber 3eltfd), -öernfyarb, ^euttjolb
unb Konrab geheimen, im Hilter oon 20 — 22 3af)ren.
2)aö ifeben oon gelty ^>latcr 24) ift befannt f omo^l burdj mehrere
»•) Soepfe a. a. O. JI. ©. 213 unb 472.
") ©ecf s ©tammbmfi, in ©töljet a. a. O. II. 37.
") «genburg, eine alte ÜanbeSftirfMidje ©tobt in »ieberöfierreidj a. b.
^djleinijj.
tl) ftranj ftreiberr ö. üifot, axor ©ufanna ®öutaffo. 3>ie 8inie erlifd>t
mit feinem ©obne ?abi*lau* ®raf eifert (@iebma$er IV. 15. $eft 16. ©. 873,
374 ; &et>Uv'S Uni»..?cr. »b. 17, @p. 1633).
") Albam »tudiosoram Academiae Lugdnno Batavae, Hagae Oomitum
1875 @p. 125.
") «benb. ©palte 1U2.
'*) Xbomo« glatter u. Jelir glatter, jroei Slutobiograpfjieen , bSfl. »
3). tl. ftedjtner, SJafel 1840; ferner b>g. o. .f>einr. ©oo«, ?eipjig 1878; aus
b. ©<$»eijerbcutfib. tibertragen ö. fernen, ©Üter*lob. 1882; 0. ftreötag, Silber
au« b. beulten Vergangenheit, öb. IL, Bufl. V., ©. 209—293. — ©iogr.
eerit. ber $erüorrag. «erjte IV. Söien u. ?eipjig 1886. ©. 685, 586 ; $äfer,
<»efd).b. üReb. II. *uf(. 3. ©. 56 f.; bef.: Rommen a. a. O. ©. 208—225. 238.
■Jeitfdjrift «r ftn(tnTflc1d|i4te I. 1»
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290
Äott Utam
neuere iBMcbergabcn feiner Selbstbiographie als burd) feine ü&ürbigung
in fod)tuiffenf(^aftlid)en Herfen. Unferem ^lato fd)rieb er in'ä
Stammbud>:
„Ut tibi mors felix contingat, uinere disce
Üt felix possis uiuere, disce mori.
Felix Platerus Basileensis Archiatros et Professor 38, Medicus
et Maritus 51, Homo Vi annos. Ao. Sal. 1609. Maio mens.
Heurenx on doit nommer celuy
Qni sage uient da mal d'aultrny."
vJJlato ^ot pietätooü baneben oermerft: „obiit 28. Julij St. V.
circa 10. diei Ao. 1614", in Ueberetnt'timmung mit ben fonftigen
Ueberlieferungen. —
Sieben einigen unoerfennbar felbftgereimten &ernfprüd)en enthält
bas Stammbud) jumeift CSitote auö fremben,25) fei es toten ober
nod) lebenben Spradjen. Sein r^auptfäci^ltd) pl)ilofopt)ifd)er ^urjalt
verbreitet ftd) balb in ernfter, balb in fdierjlwfter Jvorm über bie
©ebiete : Xugenb, Gljre, 3Mut, Ütaterlanb, ^reunbfebaft, i'icbe, Hoffnung,
©laube, Öenügfamfeit , i'ebenö^wecf unb =^ie(. Crrotifd)e Sprüche
berberen ^urmlteö fehlen gan& ; aud) tfjeologifdie ober politifdje s^o(emif
baben feinen ßinlaf; gefunben. Kur einmal wirb ein Xageöereignis
ermähnt mit ben Korten: „Maotuae ipsis uuptiarum ioter Man-
tuani ducatus heredem et Sabaudiae ducis secundo geDitam 2S)
diebus. Ao 1608. 2. Junij."
Unter feebö Spradjen rjerrfctjt bei weitem bas i'ateintfd)e, fobanu
bad $ranjöftfd)e »or. $aö loteinifd)c (Sitat mar eben bamalo baö
„3unftgef)eimnid ^es gelehrten Stanbeo"! 2T) ^n franjöfild^er Sprache
finben fid) einige intereffantere Eintragungen mie:
„Si de christrtl ma poitrine estoit fait' :
Von cognoistries mon amitie parfaitte."
$aö nadrfterjcnb roiebergegebene 2tnbenfcn r>om 8. September
1616 aus ynon oerrät nadj Jorm unb 3ui)alt ben geborenen £ran=
jofen, Laurent SWouton ™) : „La patience et rhumilite sont deux
") lieber bif „*u#länberei" be« 17. 3bbt«. f. ©teinbaufen, ®efd?. b.
«riefe» Xeil II., ©erliu 1891, ©. 1 ff.
") 3)ie jtDrite locbter t. Äorl (Emmanuel b. (Brofjeu, fcerjog t. 3ot>oi?en,
»ermäblte ft<b t. % 1608 mit bem Xbronfolger Jranj III. oon SWantua, bem
©obne oon Stncenj I.
") JRiebl, Äultuvftubien au« 3 3ab.rbunbcrten, ©. 24.
*•) SBafjrjdjeinlicb Bot« be« ju fnon geborenen bebeutenben 3Ratf?e*
inatirer* «bbe ©abriel SDiouton (1618-1694), \. Oaerard, La France, litte>.
T. VII. P. 360; Biographie univ. (Michaud) T. 29. P. 485.
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Tai HeifeflammbiKb oon D. Slbr. ^fato öon 1607—1616 291
vertus, lesquelles outre quelles nous maintiennent en la grace
de nostre dieu, elles nous iusinuent en 1'amitie et bienueullance
des potentats de la terretf.
$on ben (ateinifdjen Eintragungen befd^äftigt fid) eine fotd&e auö
8traftburg, gerabe bem »Sifce beö oben genannten 3eit9en°iTen WexK
egger, mit bem „f)ri(famen" (Sinfluffe beö Reifend:
„Vt plantae, si interdura transferantur, altius surgunt : ita
iogenia plerunque cum fructu pairiam ueteresque oidos
relinquunt."
$>ie jener (Spodje bereite eigene »Spradnnengerei erreicht i^ren
2tusbnttf in jenen (Eintragungen, meiere fid) in einer öebanfenfolge
bis ju brei nerfdjiebenen ©prägen ju ergeben belieben, hierfür
einige Seifpiele:
„II n'y a plus grand parente | Qu'un coeur de bonne uolonte !
Magni est ingenij in praesenti videre atqoe intelligere,
quid dicto et facto opus sit: Turpe est re acta intelligere quid
fieri debuisset.
Amicae recordatioois ergo haec apponebat Domino Ab-
rahame Piatoni viro doctissimo amico suo perebaro, 16. Augusti
Anno 1610. Londini.
Jobannes Baptista Strotz ab Hayding et Oezelstorff.M 29)
.En cour en amour et ala chasse
chaenn n' a pasce qu' il pourchaase. ,0)
Ante« moenrto Chi ben sta
che mndado. Non sj moue.
2?ife företb id) 511 freunbtlidjer onb gutter gebed&tnufe 3n
sJ)torfÜia ben 8. September 1 609. $cmd ^acob 9iotmuub."
„Lea amys ponr le present sont dn natnrel d'nn melon:
II en faut choisir cinqnant' avant qn'on trouve nn bon.
Chi di virtn non si fa lo seudo,
xnancandoli la rohha resta ignndo.
En tesmoignage du perpetuel souvenir, que je voue a
Monsieur Abraham Piaton, possesseur de ce liure, j'ay escrit
ce que dessus ä Sedan le 6. d'Octobre Tan 1615.
Leonbardus Widmannus Marckserlbacens. Francus."
„1608. En endurant J'eapere.
Cnra spe et timore.
»•) Jaibing, $errfo}aft in Defterreid) ob ber (Snns, bei SBelS; bie ftamitte
Strufe 0. 11. De. iß nirgenbs mebj fcftjuftetten.
••) 9hd)t neu! äb>lid) Äeil a. a. O. €5. 69, 9fr. 148 bont ^ab^re 1597.
19*
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292
Äarl «bam
Pa«SAndo il male, Bperando il bene
la vita paaaa, et la roorte viene.
Haec contractae amicitiae jucuodaeque recordationis ergo
scribebat Joannes Jacobus Renneras Fuldensis J. V. L., Flo-
rentiae 7. die mensis Maij Anno ut 5." —
Ueberaus erquicfenb in biefer $eit ber #rembfud)t unb #remb=
fpred>eret mirfen einige fd)Ud)te beutfdje Sprüaje, von 2 Staufen in
Initialen abgelesen: adjt an 3<u% 2tm Öfinbigften fafct fid> mit
2£at)lfprud) unb 3iMbmung „Sigmunbt oon £anbtfperg" :
„3$ roagö ©Ott roaltö. — 3U gubter rrnb frcunbtlidjer getedjtnuö
fa)reib 3d) bieö il)n ^loreii^ 2lnno 608 ben lo. sJ)ton."
Slafiuö Xalientfdjgerfl*) ftef)t itjm nid)t naa) mit bem frönen
Spruche aus £non:
,,©ott gibt @ott nimbt, wer toatg roetnb« glüdb tbumbt."
Daniel Sanböfjuter auö ^Breslau nüberftet)t felbft ju Neapel ber
SJerfudwng, italienifd) ju fdjreiben unb tuibmet beutfd) bie ftnlm:
„SWitt SRübe «rbut (sie) onbt «nrub,
«ring 3d> mein 3«" Dnot iu-
3ji «rmut ein «br, fo birn icb, ein $trr,
3fi ©enig Sief, fo b,ab 3<b mag td> niQ."
Xos aaftlufie ^atrijierljaus 3i?eif? ju Augsburg Ijinterlafjt be=
jeidjnenb ben Sprud): „Sitolgegunt iörott ift balb gegeffen."
„Jpanfc ^einria) Penning oon Ühigfpurg monlmfft in i'non"
übergiebt am 8. September 1616 bem fdjeibenben Sßlato bieüßorte:
„Hoffnung (aßt nimmermehr ju fdjanben werben."
(Sine n>örtlia)e Stfiebergabe oerbienen aud) bie Eintragungen ber
beiben obenerroälmten Sduocijer:
,„3mm giftet »ergpfj nitt (Rott
Omm Snglütf nttt berjagen ©ott (sie!).
§ainriä) JHammfjulüer nonn Sdjaff t)atifenn g'roefner !l'annbtuog,t
ber l'annbtgrafffamrft i'ugg(ent?V). Actum 2«. s3Hen 1609."
$em ÜiMrte bat fein internationale« (bewerbe nod) ein gefälliges
franjönfdjeo Bonmot in ben beutfa)en Xejt gefd)oben, otjne bafc efi
ben ber Eintragung Derminberte :
„3)etnut im $ertyen,
aßanbeitt im Slutt:
0<b boff mein fad; fo( werben gut.
Tont par amour
Rien par faveur.
") korrumpiert ju „Ramsooerus Schaffhnnannsu in ber $eibelberger
ajlatrifel, b«g. *>• Xoepfe II. ©. 253. — fuggen« etwa eine »ottfMmüty
ftorm ftatt vuggaru«?
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$a« Heifeftammbud) öon D. «br. $tato Oon 1607-1616 293
<pan$ (Sonrab 3)tobb, ^aftgab jur gulbin (Sron ju Sdjafftaufen
in Sdjroü) ben 26ten "äJiej 1609. ^mer." (= in raemoriam?)
£en merfroürbigften Spruch : „#f)rüegen ober roiegen" liefert
„Stortimee Umblad) (er)" ju ünon am 23. Januar 1609. tiefer
Sprud) fet)rt in ber beutfcfyen 3prid)roörter:£iteratur nia)t anber«
roieber, benn in ber lilppenjellifdjen Sorm „tfrieget ift nüb geroieget"
in bem Sinne etroa wie: bellum — flagellum. *s)
3elbft bei frembfpradjlicfeen Sinufprüdjen ift in ^lato'd Stamm=
bud) bie barauf folgenbe eigentliche ÜlUbmung mehrfach nod) furj
gehalten. 2lber oiele ätiibmungen jeidmen fid) bereits burdj fdmnilftige
oprncbe nnb Uebertreibuug ber öefüljle aus roie „Avec vous mon
amour finira . . .w, oft unter Häufung oon Titeln, meiere bem
3(ngerebeten nad) altem ^raua^e M) teineöroegeö juftanben. &toe\ aus
Ülugsburg gebürtige Stubenten ju finon nennen ben öeftfcer be«
StammbuaVö faft übereinftimmenb i^ren „(Sblen , ©rnueften, fite
nemen nnb roenfen Herren", itjren „infonberö gepietenben lieben (nnb
oertrauroten) Herren (alte brueberen)". &ier erblitfen mir rea)t augen=
fällige Spuren einer oerborbenen ©efdjmatfdridjtung, roie mir fie
befonbers in Steinfjaufen'd „(&efä)id)te beö beutfdjen Briefes" unb
ben barin gemähten iöeifpielen bargelegt finben3*). 2lud) bie liebe
Xitelfuctjt als 3luöbrucf ber (Eigenliebe treibt Ine unb ba eine !ölüte,
roie: „Jranfc, <perr nanu Stubenberge auff SBurmberg unb $aujj
3lmbad)er. (£rbfd)enfl) in Stein*" ober gar: „Franciscus Listras
L. B. in Közschen Prelleokirehen Kabold ac Dominus in Somlio
et Janoscbiza.a —
Leiber erhalten roir nur an einer Stelle eine 3lnbeutung über
bae öfonomifdje uub gefellige i'eben ber Stubenten unter ftd) unb mit
tyren üe^rernse) burd) bie Sitorte: „commensali suo". —
3um Sdjluffe: Verrät aud) ^lato'ö Stammbud) in Ginjetyeiten
bereits bie ^ntjaltölofigfeit feiner Seit unb ber bemnädrft folgenben
*
") ©anber, beutfd)e« @prid)toörter«Perifon »b. II. @. 1628 sab
„«riegelt" Hr. 13.
") Uebrr Xttutaturen »gl. Xb>ob. 3RuU)er in 3eitfd)r. f. He$t«gef$.
b*gg. ». SRuborff pp. $b. IV. ©. 426, roofelbf» aud) ein bei $ol). $rujj in
©tra&burg gebrurfteS Xitulaturbud) betrieben wirb. ©gl. aber auA) ©töljel
a. a. 0. I. 41.
»*) II. 58 ff.; «2; 222 u., *nm. 6.
*•) <8efd)l. oon ©tubenberg, t'inie ©urmberg in: o. ffiurjjba<b, ©toqr.
Periton b. Äaifert. Oefterreid) I. 40. ©. 125 unb ©tammtaf. I.; $ran$
t 6. ©ept. 1626, ax. SWargar. Oräfin <5rböb».
»•) »gl. „Cln>a3 ». gelehrten «oftocffdien ©ad»rn", 3a$rg. 1737 ©.619.
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294 Äarl Sbam, 2>a* 9Ictffflamnibiic^ »on D. «br. $lato Don 1607—1616
'•JJeriobe, fo jeigt es nad) feinem Wefamteiubrucfe bod) erfreuliche 'An-
f länge an eine beffere, babingegangene ^eit. 3til unb Spaltung ber
^nffribenten finb im (Mrunbe uornebm; bie Stierten 3prüd)C jeugen
meift r»on Wefdjmacf, unb unter beu felbftgefertigteu erfreut tjier ein
la tein ifdjes Elaborat forgfamfter betnnelaroeife ein fea)*
eiliger pluloiopljifdjer Safe von X >bel87), bort ein gehaltreiche
Seugniö ber nod) lebenbigen beutfdjen ^olföfeele. — &>ät)renb biefer
meiner Uuterfudmng ift bao Stammbud) auo beut Skunberg'fdien 3lnti=
quariate burd) .Häuf in anbere, uieUeid)t feijon in britte $änbe über-
gegangen. 3)cod)te bod) ber fcbliefclicbe „Dominus Possessor" eine
gemeinnüfeige öffentliche Sammlung merben! --
»') 84 fri 3bentität mit 3obfl bei etöljcl 0. a. O. II. 83 nur in
ben $ewid> ber ©ermutung fltjogen.
«
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3>er ^öroenftampf $raf gtrieöridte von
<?>fi>enßurg in g>age, Jtunlt unb I>id)funq.
Pon 03. Sello.
I.
Okaf Jriebricbs oon Clbenburg ruljmooller .Uampf mit bcm
Dörnen, meldjen bio 3age um bie Witte bes 11. 3fll)ri)unberts ftatt=
haben läftt, wirb jucrft unb ausführlich in ber älteren Gt)ronif bes
ber rHefibenjftabt C Ibenburg nahe flehen tieiuefcneu ^enebtftinerflofters
rHaftebe er$äl)lt, welche in ber Aorm unb Raffung, tote fie bie ein3ig
oortjanbene £anbfd)rift bes grofther^oglicheu 2lrd)ios in Clbenburg
jeigt, in ben erfteu x$al)r$el)Meit beo 14. 3rthrl)itnberts niebcrgefdjrieben
würbe. Jhkitere Verbreitung fnnb bie 8age erft baburd), ba& fie,
mit oerfebiebeneu, teils frei erfonnenen, teils ben erioeiternben Jöe-
richten anberer, jüngerer (Sljronifen entlehnten 3utl)aten gefcbmücft, in
ber oom 8uperiutenbenteu ,§amclmann 1589 abgefd)loffenen, oon
bem gräflid)en diat 31. Oerings umgearbeiteten Clbenburgifdjen (Styronif
als Ijiftorifd) beglaubigte Ibatfacbe loiebererjäljlt unb burd) ben ftupfer*
ftedjer ^o[)am\ £iericfs illuftriert nmrbe. .Kaum aber hatte biefes
für feine Seit nicht unoerbienftlicbe :öuch oier Saijxe nad) bem Xobe
&amelmann's, im 15»m, bie treffe oerlaffen, als irjm fdjon
ein ftreitbarer Wegner erftanb, ber gelehrte Mftor Ubbo Gmmius
ju (Groningen, welcher insbefonbere aud) bie Xl)atfäd)lid)feit ber ih-
jätjlung oom Wrafen Jriebrid; beftritt. Sie hieraus fid) entfpinnenbe
litterarifche getjbe, in meld)e felbft ber regierenbe öraf ^ormnn oon
Dlbenburg auf biplomatiichem Stfege eingriff, lmt o. Malern in feiner
©efa}id)te bes &er$ogtums Dlbenburg bes Weiteren erörtert; (ner
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296
®. Btüo, 3>er Pöroenfampf ©raf ft"ebri($* oon Ottenburg
intercffiert uns nur, ba& fpejiell t»ie Slutbenticität be$ Pöroenfampf d
it)re eifrigen ^erfecbter innerhalb unb aufterbalb beo !C Iben burger
i'anbeo, oor allem in ^ofyatm Wrupbianber, bem erften namhaften
Jorfdjer über bie rHolanbo ^ilbfäulen, in 3- 3- sMnfelmann, bem
tyeffifdjen unb olbenburgifdjen &iftoriograpben, unb in ^einrieb s))Jeibom
b. %Jl. fnub. 3a, fo feft mar man oou ber ^abrljeit ber (£r>äblung
burd)brungen , bafi fie jm>ei mal berufen mürbe, eine ftaatored)tlicbe
Atolle $u fpielen : alö Steroeio für bie Areil)eit Clbenburgs uon ^eiebö-
fteuern im 3o-brc 1509 unb $ur $3egrünbung ber uon Seiten £tnuv
marfö nad) bem Xobe Wraf 9(nton Wüntbero (IHK?) behaupteten
Mobialqualität ber 0>Jraffcbaft uor bem .^abre J 53 1 .
©ein erroadjenben fritifdjen Sinn ber Laheit erftanben
inbeffeu fd)roerroiegcnbe "öebenfen, unb mau lief nun förmlia) Sturm
gegen bie Maubroürbigfeit ber (Srjäbluug in allen ifyren fünften.
So fd)on ber jüngere 3)teibom im 3^bre M>88; insbefonberc ftellte
fid) ber 17«! oerftorbene tftatörat von 'Mtfen, ein felbft ber Sage
verfallener Sonberling, bem mir wertvolle« Material $ur Pitteratur
unb 3^nortrapl)ie unferer Pöroenfampf- Sage verbanfen, entfebieben
auf bie Seite ber Zweifler, unb aud) u. Talent neigte bal)in, obrooljl
er ben von anberer Seite gemannten $erfucb, mittele eine* fpracb-
licben Weroaltftreicbs — für „Pöroe", in älterer Jyorm „lewe", follte
„gleve" (*?an$e) gelefen merben — „ben alten ,£mno unb feinen brauen
Sotnt griebrieb" $u retten, nidjt aanj uon ber &anb mieo, unb felbft
in i^rofa unb Herfen bie ($*r$äblung neu bearbeitete.
Me biefe f ruberen ttritifer, roeldje ben $erid)t ber älteren
Mafteber (Sbronif nod) nid)t fannten, unb aud) Pappenberg, ber ledere
werft im jabre 1854 in fcljrentrauto griefifebem 3lrd)iv berauögab,
[tilgen fid) uornebmlid) barauf, baft anbere gleidwitige, oft reebt cm-
geljeube Duellen mcber bie beibeu (trafen nod) ben Pöroenfampf
enoätmen. Tie gefdjid)tlid)e (Srifteuj .ftuno'ö unb JyriebridTo ift aber
längft urfunblid) erroiefen, unb baft bao argumentum a silentio
nod) fein :)<ed)t geroäbrt, eine )fad)rid)t, bie nid)t fd)on in fieb bie
Kriterien ber Unmabrbeit trägt, an$ufed)ten, bat oor 190 ^aljxen
bereits ber alte Meibom erbartet ; eo mirb vielmehr barauf anfommen,
bie (S^äblung felbft nad) ibrer formellen Jvaffung unb ibrem materiellen
3nl)alt baraufbin ju prüfen, ob mir in il>r ben reinen ober vielleicht
fagenljaft gefärbten N-yerid)t über einen gefd)id)tlid)eu Vorgang, ober
eine ed)te alte ^olfoiage mit allgemeinem tnftorifdien ftintergrunb, ober
nur bie nouelüftifebe Tid)tung eineo ^enebiftinermönebe« etma beö
13. ^abrljunbertö befifcen.
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in ©agr, Jtunft unb $i$tung
297
II.
Tie ältere töafteber Gbronif beginnt ihren Skridjt ed)t feigem
mäßig: „£o gefepab einmal, l>aft ber Womifd)e tfaifer alle (Großen
beo £eutfd>en iHeicbeo $u fid) entbot, um mit ihnen Nato pflegen".
Tiefe Unbeftimmtbeit ber vJkrfon, ber ^eit unb beo Crteo ift be-
jeidmenb für ben fagent)aften (Sbavafter ber einer bestimmten gefebidm
lidjen ^öejiebung entbel)renben £r$äl)lung; erft jioeil)unbert ^flbre
fpäter brachten £>einrid) 3i>oltero unb ^ohanneo 3chipbon>er biefe 53e-
jiebungen hinein, inbem erfterer alo ^erfammlungoort Woolar,
letzterer alö ben beteiligten Maifer £>einrid) III nannte. — - „ftuno,
Wraf uon Wiftringen, leiftete biefem Webot nid)t Jolge. Ta erhoben
fid) vl\crleumber unb befdmlbigten ihn aufrübrerifdjer Wefinnung. Ter
ergrimmte £errfd)er befahl ihm nod) einmal, am jpofe ju erfd)einen
unb einen .Hämpfer $ur 3telle $u bringen, ber nad) tfriefenart mit beo
tfaifer Hämpen ftreite." Tie allgemeinen politifdieu ^erbältniffe unferer
Wegenben in bamaliger Seit, bie oon :Hbam uon Bremen gefchilberten
weltlichen $errfd)ergelüfte beo mächtigen lrr$bifcbof xMbalbert uon
Bremen, feine Erwerbung ber brei friefifdien Wraffchaften fomie beben-
tenber ^üefifeungen im Limmer; unb V'erigau, fobann feine ^wiftigfeiten
mit ben 3ad)fent)er30gen nebft bereu Anhängern einer- unb fein £influfj
auf bie .Haifer .^einrid) 1 1 1 unb ttaifer fteinrid) IV anbererfeito laffen
einen irgenbmie gearteten .Honflift ^uifd)en Maifer unb Wraf in ber
2friie, roie itm bie (Sl)ronif fdrilbert, nid)t alo gefchid)tlich unmdglid)
erfd)einen. Tie ^egrünbung ber ^erleumbung bagegen baburd), baft
beo (trafen grömmigfeit ben Weib ber Höflinge erregt tjätte, bie
9J?otir»ierung uon .§uno'o Ungehorfam bamit, baft ihn flnbachtöübungeu
Surücfgelmlten, roeil Wort mehr 511 bienen alo ben sJ)?eufchen, haben
mir unter allen Umftänben auf rXedmung ber (hiinbung beo «öfter*
lidjen Öericbtcrftattero 311 fefcen, beffeu tenbenj eo war, bie OSotU
feligfeit beö Mriinbero oon tflofter flaftebe möglichft ju oert)crrlid)en.
3n ben Bereich gefd)ichtlid)er sJ)iöglid)feit wirb biefer teil ber Grjafc
lung aud) bureb bao mehrfad) beglaubigte vJiorfommen gcrid)tlid)er
3roeifampfe jur Seit ber beiben .^einrid)c , unb befonbero baburd)
geriuft, bafe 3tbam oon Bremen 511m ^aljre 1048 etiuao ber (Siuleitung
ber &uno;3agc ganj ätpilidjeo berietet: Wraf Tl)ietmar, auo bem
&aufe ber 'öilhmger, Ijatte Verrat gegen ben rtaifer gefponnen, (?r^
biföof 21balbert entberfte benfelben, ber Maifer ftellte ben Wrafen
t)or ©erid)t unb biefer erbot fid), burd) gerid)tlichen ^meifampf feine
Unfdjmlb ju beroeifen. 3o oermanbt inbeffen biefe (rqäblung in ihren
allgemeinen 3"9cn mit Dcr 0CQ Mafteber (Shrouiften ift, fo jeigt fie
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298 @. @fao, 2)fr ?öroenfampf ©raf $rifbri$« oon Olben&urg
boch im einzelnen it»icf>ticte Differenjpuufte unb giebt wertuolle Singer
jeige für bie Mritif ber lederen.
Dao Siefen uon Sage unb Kardien befteht, nach ber Definition
ber trüber ßrimm, barin, baß fie bao Sinnlich Natürliche unb
^Begreifliche fteto mit bem Unbegreiflichen mifchen; ber ©taube beö
$olfeö an ihre 2iMrfltd)feit unb itjre uuftcrbltdje Vebenofraft beruht
barauf, baß bao unleugbar nahe unb fia)tlid)e Dafein Diefer bem
wirtlichen hieben entftammenben Unterlagen ben Zweifel an bem
bamit nerfnüpften Sftinber überwiegt. Die Mluft jwifchen biefen
beiben heterogenen "öeftanbteilen jeber Sage überfliegt mit Veidjtigfeit
ber Söunberglaube beo Golfes ; unier 9Wönd> aber fudjt biefelbe, gleich
bem wenig älteren bänifd)en 3)fi)thographen Saro Wrammaticuö, bem
(friemeroo beo Horben«, welcher bie großartigen Götter- unb &eroen--
fagen Sfanbinauienö oermenfd)licbte, mit nüchternem ^erftanbe $u
überbrüden, inbem er, baö „Unbegreifliche'' in bie Sphäre beo
Natürlichen herabjiehenb, eo alo notwenbige ($*ntwitflungo^h<*fc bed
^iftorifd) ■ Xhatfächlichen ober &iftori|d) - NJ0töglid)en barftellt. Dabei
ift es aber unucrmeiblich, baß er fich in itMberfprüdw, neue Unwahr^
fd)einlid)feiten unb Unmöglidjfeiteu uermitfelt.
%t\ all feiner Knappheit entfprid)t Äbamo wahrheitogemäßer
$3erid)t inobefonbere aud) ben gönnen bamaligen Med)togangeo,
währenb biefelben bei bem iHafteber (Shroniften nur wiüfürlich unb
jweefwibrig entlehnte Staffage finb, um bie (srjählung glaubhafter
unb unverfänglicher erfreuten 511 laffen. Der Maifev ift bei legerem
dichter unb 3lnfläger in einer ^erfon, ohne baß uon einem orbentlidjen
(Bericht bie NJiebe wäre; berfelbe labet ben iHngefdjulbigten oor unb
erbietet fid) jugleid), ohne bao ^eweiö-^iedjt beo s#efd)ulbigten $u
aalten, bie Wahrheit ber Auflage burd) feinen Mampf er ju beweiien.
Diefc gorm beö Mampf beweif eo muß ber (Shronift wählen, bamit
ber Streit mit bem l'öwen, ber ja einmal bao unentbehrliche ^>aupt-
ftücf ber (*r$äl)lung bilbet, projcffualifd) motiuiert werben fann; fie
foll friefifdjer Sitte entfpredjen. Die Berufung auf bao griefen=
recht ift nid)t ungefd)irft, ba £>uno alo Wraf uon diüftringen ein-
geführt ift, unb jeber 2tngefd)ulbigte einen Slnfprud) barauf fyatte,
nach bem Mefyt feiner Heimat gerid)tet 311 werben. Dennoch ift fie
hier ungehörig. Dao nod) auo ber $c\t ber farolingifdjen Mönigc
ftammenbe ältefte ^olföred)t ber Jyriefen ift jwar bao erftc, welches
Stellvertretung im gerid)tlid)en 3weifampf juläßt, jebod) nur in einem
beftimmten, uon bem uufrigen ganj oerfdnebenen galle. 3ur ^eit
ber Aufzeichnung unferer Sage galten aber in tfrieolanb bie fog.
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in @agt, firniß uiifr $ic$tmt(i
299
17 allgemeinen .sturen, welche $mav bie ßuläftujfeit ber otelluertretung
im gerichtlichen Smeifampf erweiterten — ber nach einer Bcobadjtung
von ^euerfus bei friefifdjen Miauten in ben Urfunben ficb febr t)äuftg
finbenbe Sufa^j pugil würbe barauf beuten , aber fclbft nach ber
im Wrofcberjoglidjen 3lrd)iu aufbewahrten flebaftion für bao ftüftringer
Vanb in bem gatt, bafi ein Wann von bes Hönigshalben einer tobes-
roürbigen Ilmt besichtigt mürbe, ben ^metfampf überhaupt, auch
burch 3tcltoertreter, ausfd)lofien unb an beffen 3telte ben fleimgungs;
eib mit \ > ISibeshelfern fefcten. „Ter Borfämpfer beo .tfaifers
mar ein gemaltiger Vöwe." v^u ben fällen, in melden bie «Stella
oertretung im ßmeifampf von uornberein gefe|jlicb ju^elaffen mar,
mürbe biefelbe be$a 1)1 ten V o l) n f ihn p fern übertraoen; mo fie
einer Partei am befonberen Wrünben erlaubt mürbe, mußte biefe
einen ebenbürtigen 3treiter ftellen. Tiefer Tlmtfad)e gegenüber
fat) ber (Styronift ein, bafj er feine pro^effualifdje giftion nid)t meiter
aufregt erhalten fönne, unb fudjte einen anbercn Ausweg, ber inbeffcn
SU neuen shMberfprüdjcn führte. „Tan Vömen mürbe wenig
Statyrung gereift, bamit bie ein um fo rafd)cres (Snbe fänben, meldte
tym $ur Bollftrecfung ber Tobesftrafe oorgeroorfen mürben. " Tanad)
roäre alfo nun bereits &unos 3dmlb ermiefen unb bao Urteil gefällt.
Tie illrt ber gemälzten 3trafe, bem römifdjen fechte eigen, ift bod)
in ber germanifd)eu 3age nicht gan$ olme Analogie, menn man fie
aud) im fyofyen Horben fudjen muß, unb bort nur auf .striegsgefangene
angemenbet finbet, alfo nidjt jur Bollftretfung eineo gerid)tlid)en
Urteil«. 9tod) ben tfbba^iebern mürbe ber beftegte Wnnnar in ben
3d)laugenturm gemorfen, mo ihn eine Gatter tötete; ber (Stählung
bes 3ajro ®rammaticus zufolge luarb £abbing gefefielt einem Dörnen
(aus bem iSttmüller in feiner l)übfd)en Bearbeitung biefer uralten
iiära^enfammlung olme ^fot einen Bären mad)t) preisgegeben. sDiit
folgern Ausgang mar jebod) bem (Sbroniften abermals nidjt gebient;
©raf griebridj burfte nidjt fterbeu, er muffte fämpfen unb fiegen.
Tesmegen eine neue ii>anblung. „sJiad)bem &uno unb fein 3olm
bei &ofe eingetroffen, befahl ber datier legerem, mit bem Vöweu 511
fämpfen, $ur 3 träfe für bes Baters Ungetyorfam." Taran, bat?
ber ftampf, urfprünglia) jum Beweis ber Wahrheit geforbert, 3ur
Strafe geroorben, baran fjält ber (Sljronift feft, 311 einer 3trafe,
in meldte ber tfaifer, olme gerid)tlid)es Berfal)rcn, ben 3ol)n megen
Unbotmäfjigfeit bes Baters oerurteilt; unb mieberum ift es eine
©träfe bes altrömifdjen 3ied)ts, bie damnatio ad luduro ve-
natorium, roie ber Äunftausbrurf lautet. Tiefe Berurteilung $um
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300 ®. ©rtlo, $>fr ?örornfampf ©raf ftrifbricfc« »°n Ottenburg
Stampf mit milben Tieren, mobl ju unterfdieiben uon ber eigentlichen,
ben Verurteilten tnebrloo ben ^efrien preiogebenben damnatio ad
bestias (welche ber (iljronift im oorljergebenben 3afce geftreift),
feine abfohlte Tobeoftrafe, ba bie (rntjdieibung bei bem Ölücf unb
Wefcbid beo .ttampfenben ftanb, uuirbe j. flehen NJ)iünjfälfd)er
erfannt, unb mar oor allen Dingen bem T>eutfd)en fechte ju
allen 3tiiCfl oöllig unbefannt unb unerhört. (*ö ift barjer
aan$ unmöglich, bah ein Vorgang biefer :?lrt fid) jemalo in beutjeben
Vanben habe ereignen fönnen, unb bamm ift bao, mal bie (Sbronif
hier berichtet, aud) fein treues :Heferat einer beutjehen Volfofage.
Dem gH einer ^eit, mo bao Volf felbft nod) Träger ber Necbtö-
überlieferung mar, tonnte eine foldje, altgermanifdjem fleebtogang
miberftreitenbe TidUung nicht im Volfe entfteben, mar oor allen
fingen eine (*inmifcbung römiuber 3trafredito obeen, mod)te biefclbe
aud) noch fo uerfebrt fein, abfolnt auogeidil offen. — sJiad) glütflidjer
Veenbigung beo .Uampfeo überfdriittete ber Raifer ben 3ieger mit
(Jbren unb Wütern; bie namentliche iHufjäblung ber letzteren, fei fie
hiftorifd) richtig ober nidit, entftammt nicht bem Volfömunbe; fold)er
sJiamen4mUaft erfdjeint mit bem si>efen ber 3age unoereinbar;
burebauo uolfotümlid) unb fagenmäfhg aber ift bao Moment, bafe
ber Maifer bao Vanb beo Wrafen auö bem Vehnooerbanb entlaffen
unb bemfelben ju oölltg freiem Eigentum übertragen habe. T'iefe
in Wahrheit begrünbete ober nur behauptete Freiheit mar feine
Ihfinbung beo (Sbroniften, in beffen Bericht fie meit jurürfftebt hinter
bem Verbienfte ber frommen .Uloftergrünbung ; fie mar bao bio in
bao Iii. ^ahrlmnbert hinein erfolgreich, nerteibigte ^allabium ber
olbeuburgifdum Wrafen unb ihreo Volfeo; fie, bie Wraf Ancbricb
gleicbfam bem rHadjen beo l'ömen entriffen, madjte bie oage von
feinem Vömenfampfe unfterblid). Tenn bah mir in ber (rrjäblung
von biefem nid)t eine flöfterlidje Wouelle, foubern eine echte redjte
Volfoiagc befiben, bereu Mern eo nur gilt von ben entftellenben
3utb,atcn ju befreien, lehrt bie Vergleicbung mit anberen oermanbten
Sagen.
III.
„Ter t'öme ift bao grüftfe aller Tiere au sMirbe unb xDJul,
unb alle Tiere ber Stfelt finb uor ihm in ,"vurd)t," heiht es in ber
norbüdjen 3age oon Tietrid) oou "Bern; bamm fanb bao Volt
einen befonberen Hei] barin, feine berübmteften gelben bem Honig
ber Tiere gegenüber ju ftellen. (So gefebah bieo entmeber fo, bah
ber ^öme burd) ben 'Mann, beffen Ueberlegenheit man ohne meitereo
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in ©ogc, «unfi unb Didjtiing
301
annahm, aus irgenb einer fdjroeren (Hefahr befreit, beffeu treufter
Tiener unb Reifer rourbe. Tao ift bie 2tuffaffung oerfdnebener
&eiltgen^egenben unb einer ganzen Weibe jüngerer ^olfoßpen, beren
Inhalt fid) aud) roobl $ur ^olfofage, rote ber oon .^einrid) bem ^öroen,
oerbid)tete. Cber aber in ber älteren, redenbafteren Steife, baf? ber
UWut, bie Weifteogegenroart beö gelben an feinbfeligcm Eingang beö
furchtbaren Tieres gemeifen rourbe. ^roei (Srjäblungcn bieier %xt
finb es inöbefonberc, roeld>e, cor ber flbfaffung ber älteren Mafteber
ß^ronif aufgezeichnet, und hier intereffieren. lUlo König ^einrieb, ber
tfinfler unb fein tapferfter Mriegömann, .Huno, oon feiner (leinen
rtigur fturjebolb genannt (bem merfroürbigerroeife mit Wraf ^riebria)
aud) bie ihkiberfrinbfdjaft gemeinfam), einft ratfcblagenb bei cin-
anber faften, ftürmte ein auo feinem .Häfifl aufgebrochener riefiger
fcöroe auf fie ein; .Uurjebolb erfeblug ibn mit bem Scbroert; roeit
»erbreitete fid) barob ber ftutmt oon beo .ttönigo mutigem Tienft=
mann; oiele (ftjäblungen unb Vieber giengen über ilm im Stolfe.
So berietet ber SHÖncb edelmrb uon St/ Wallen. Ta bie Sitte,
Dörnen ju Ijegen, aud) für baö beutfebe Mittelalter beglaubigt ift,
tonnte biefe Urform aller l'öroenfampf = Sagen ganj rool)l auf einem
gefdjidjtlichen Vorgang beruhen; ber cbarafteriftifdie Wegenfab in ben
iSrfdjeinungen beö Siegero unb beo ^efiegten ioroie bie t)Wße
SWiebertjolung unb Sanierung ber (Stählung befunben jebod) bae
Wegenteil. Sie rourbe weiter auögebilbet, inbem man ben bramatifdjen
Gffen. ober, um in ber Wrimmfcben Terminologie ju oerbleiben, bae
„"shhmber"" baburd) fteigerte, baft man entroeber ben gelben un-
bewaffnet bem roütenben Tiere entgegenfübrte unb it>n baöfelbe nur
burd) befetjlenbeö 'Wort unb gebieterifdie Weberbe 51t feinen ftüfeen
jroingen liefc, roie eö bie flnnalen beo .Ül öfter« Neinbarböbrunn oon t'anb=
graf fcubroig bem .^eiligen ober bänifebe Sagen oon .Honig (Sbriftian IV
ju berieten roiffen ; ober man oerroanbelte bie gefäbrlid)e Begegnung
au« einer jufälligen in eine alo ^rüfftein ber .fterjbaftigfeit ober
jum iterberben beo gelben abficbtlid) herbeigeführte. Tie 3lnnalcn
beö Älofteö S^e^au erjäblen, 4iMprecbt oon Wroifcid), eine ber bc=
rüljmteften ^erfönlidjfeiten ber fäd)fifcben Sage, befien Stammbaum
an ben ber ^arlunge angefnüpft rourbe, unb ber aud) in unfern
Wegenben nid)t unbefannt geroefen fein roirb, ba er feine ^uflenb am
&ofe beö 3)tarfgrafen Ubo oon Stabe oerlebte, roo er burd) feine
loUfütjntjeit fogar feinen Jyreunben furdjtbar rourbe, habe Haifcr
&einrid) IV im ,>bre lonn nad) Italien begleitet unb ihm bort
wichtige ttriegöbienfte geleiftet. Ter Maiier aber habe in Wegenroart
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302
©. öetlc, Der 5'öioenfampf Wraf ftrtfbridj« Pott Olbtnburg
meler geiftlicher unb weltlicher AÜrften sMpred)tö x3)tut prüfen wollen
unb unvermutet einen Körnen auf benfetben loo$ufoifen befohlen, ben
bcr unoerjagte Werfe mit ber Jvauft surürfgetrieben Imbe.
sJll)ulid) fönute n>ol)l bas ^ufammentreffeu in ber Sage oon
(%af Ariebrid) gefdnlbert geweien fein; bod) meine ich, bau mir fein
s)ted)t haben, bie blutige Wieberlage beo Königs ber Stfüfte aus Der
(Srjäblung $u ftreicnen, unb baft Cappenberg >u meit gebt, wenn er
bie Sage fo barftellt: ber Wraf habe oor .Haifer Kottwr — ein
Warne, ber in feiner Ueberlieferung ber Sage ftebt unb gar ntdjt
l)ineiugel)ört, ba bei Kotbaro Wegierungoantritt ^riebrid) laugft tot
mar — ohne Waffen mit einem Körnen fämpfen muffen, unb
bieten burd) eine Ä?anbbemegung gefebreeft unb befiegt. Wur auf
fold)e Steife freilief) uermag ber oerbtente .ftiftorifer bie (auch bann
nid)t einmal uorl)anbene) „auffaüenbe Slelmlidjfeit" ber Wafteber
Sage mit ber oiel fpäteren oom „Wationalbelben .<polfteinö", bem
fdiladjtenberübmten „3fern $tnrif", bem mit Wraf ^riebrich ftamm-
verroanbten (trafen .^einrieb II uon £olftein - Schauenburg, $u be^
monftrieren. Wegen biefen, als er einft, im ^aljre 1349, nur mit
einem ^auofleibe angettjan unb mit einem Solche bemaffnet, über
ben Sd)loftbof Des Tower in Vonbon maubelte, mürbe auf $Jer=
anlaffung ber Königin ein Körne losgelaffen. (rr erwartete Um feften
^ufeeo mit gejücfter 2i>affe unb bänbigte il)n burd) feine Stimme.
vD?an hatte fo, mie ber (Sljronift mitteilt, ergrünben wollen, ob ber
eiferne CHraf fürftlicben Weblütes fei, ba bes Kowen 3lrt eo fei,
dürften nicht anzugreifen! tftwao anberö gebt bie Sage oom Äölner
Wtrgermeifter Hermann (3nm. 3lw, ber mit bem (Srjbifdwf (£ngel=
bert um ber Stabt Freiheit miüen in Unfrieben lebte, locften jroei
Domherren oerräterifd) in einen Kömenfäftg. (*r aber fd)lug ben Hantel
um ben linfen Sinn, (tiefe biefen bem Tier in ben Wadjen unb erfdjlug,
basfelbe mit bem Schwert. Ter Umftanb, bau Wraf ftriebrieb ben fiöroen
im Mampfe erfdjlug. fd>eint fo mefentlid) für bao Wefüge ber Wa^
fteber Sage, baft ber (Shronift benfelben fdimerlid) fetner ^tyemtafie,
fonbem ber uolfotümlidjen Ueberliefemng entnommen tjaben wirb.
£>antm muffen mir bie Kölner Sage, nid)t bie oom „Sfent .<pmrif", als
bie ihr uermnnbtere unb ju einem Wütffchlufi auf il)re eigene Urgeftalt
geeignetfte bezeichnen.
IV.
$aö Wlbnio Wruno unb beo Körnen mürbe in Stein genauen
an einem Pfeiler beo Kölner Watbaufeo angebracht — möglich
es, ba& erft auö biefer Sfulptur, etwa einem ben Körnen jerreifcenben
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in &ac\t. Äunft unb Sinnig
303
Simfon, bie Sage entftanben ; in äbulid>er Steife fönnte bic ^Hafteber
Sage einem ^ilbioerf ihren Urfpruug verbauten, roie man benn aud)
neuerbingo an einen inneren ^nfammenbaiui ^luifcfieu ihr unb bem
Meliefbilb Simfono beo Vöroenfiegero gebaebt bat, roeldjeo C^iraf
ß^riftoptjer oon Clbenburg, ber ruhmreiche Mrie^o- nnb Meformationo=
belb, bem mir bie (rrbaltuug ber Mafteber (Sbronif oerbanfen, *u=
fammen mit anberen Wlbioerfeu auö ber Simfon ^totbe um bie
Mitte beo 16. 3al)rljunbertä an Tetfen = (Sonfolen in feinem Clben=
burger &aufe anbringen lieft.
31n bie englifebe unb fdjlefifdje Mobe beo 12. unb 13.
bunberto, baß dürften unb Herren auf iljren Siegeln fidb im .Mampfe
mit Dörnen abbilben liefen, mirb nid)t *u benfen fein; eher an bie
roeitverbreitete Sitte, ihren s"orträtftguren auf Wrabfteinen Dörnen —
bao Sumbol ber 3tärfe — *u lüften *u legen. $u SWiftverftäub:
niffen 2(nlaB gebenbe Tarftellungen, roie auf einer eugliid)en (Grabplatte
oon 1277, mo ber Witter mit bem Sdjaft feiner im rechten 3lrm
gehaltenen ^abne ben unter feinen lüften rubenben Dörnen Durchbohrt
ju haben febeint, finben fid) geroifi häufiger; oon einer l'öroenfage
roiffen mir mit «eftimmtheit, bafc fie auf einem berartigen Wlbioerf
berutjt. Sie fnupft fid) an bao im ^aljre 1334 gefertigte Epitaph
ber 2lebtifftn (^ertrub oon Miltenberg im l'abutbol, bereu ftüfce ebenfaUo
auf einem l'öroen fteben, unb oon ber man beoroegen erzählt, fie habe
einen auögebrodienen Dörnen im tarnen ,Vfu burd) ihr ^ort gebänbigt.
^reilid) läfit fid) Diefer ätiologifebe Urfprung ber Sage oon Wraf
^nebriebo fcötoenfampf heutigen Tageo nidjt mehr enoeifen, benn
nid)t einmal bie Munbe oon feinem Wrabitein hat fid) erhalten; nur
ber Stein, toelaVr nad) ber Xrabition, obioohl er meber Öilb nod)
Onfdjrift trug, bao Wrab feine© ^atero, Wraf fcmto'ö, berfte, mürbe
nod) um bie Mitte beo 17. ^ahrbunberto in Naftebe gejeigt. Mr
muffen Deshalb auch barauf ver.$id)ten, bie unfereo ^iffeno in fetner
ber oerioaubten Sagen fid) mieberfinbenbe Monte, bafe ber Wraf ben
Dörnen mit einem Strohmann gefd)retft unb bie vilufmerffamfeit
beofelben oon fid) abgeteuft habe baft biefe THgur mit jvett beftrieben
roorben, ift erft ein ^ufafc beo .fteinrid) holten), ihre Üluoftopfung
mit ben (Singeroeiben eineo Ccbfen roeitere nod) profaifdjere ßrfinbung
£amelmann'0 — $u erfläreu. Hab btefelbe erft ber flöfterlidjen
Ueberarbeirung angehört, bürfte bao ^^ahrfdjeinlidjere fein. Tenn
mit ber Senbenj biefer it'öioenfagen ift bie 3lmoeuDung folcher \!\)t
fa)led)terbingo unoereinbar; oieüeidjt toeift uno aud) hier bie Wrun-
Sage auf bie richtige Spur.
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304
®. Btüo, 2>er ?öncnfantpf @raf Jriebridj« von Ottenburg
V.
3n naioem 3elbftbetruge jeigte man lange ftaunenben Beioun-
berern in ber Clbenburger Müftfammer ein greifbareo Slnbenfen an
bie rül)iulid)e Itjat Wraf Jyriebricbö: bao 3cbroert, mit meinem er
ben Dörnen erfragen! ^uerft cnuätmt baojelbe Öraf Waleojjo
(äualbo ^riorato in feiner italienifd)en Beitreibung ber Oiraffc^aft
Olbenburg unter ber Regierung Oiraf 3tnton Wüntljero uom ^aijre
1664, inbem er alo ben gelben ber Wefcbicbte nicnt tfriebrid)
fonbent $uno nennt, ein irrtümlicher 9iamenörocd)fel , ber tieft fdwn
im 1 6. unb toieberbolt mätjrenb beo 1 7. oal)ri)unbertö finbet, fo auch
in ben aus ben ja^rnt 1667 bio 1680 oorliegenbeu Mufttammer;
jnoentarieit. 3ie befdjreiben bie fagenberübmte &>affe alo einen
liegen, beffen Wriff mit 8ilber überwogen mar. Cb berfelbe, wie
fo mandies anbere toertoolle (SrinnerungGjeidKn au bie glorreidje Ber-
gaugenljeit bes Clbenburger (^rafenbaufeö, luätjrenb ber 3)änifd)en
s}>eriobe nad) Kopenhagen gemanbert unb bort oerfdjoUeu, oermag ich
nid)t anzugeben.
VI.
Bei bem fväfti^eu fortleben ber alo beglaubigte Wefdncbte
erjäblteu Sage ift eö felbftoerftäublid), bafe fie aud) burd) bie .Hünftc
il)re Berljerrlidmng fanb.
£er oielfad) alo funftfreunblid) bezeugte 3lbt ^einrieb oon rHaftebe
lieft $u (Snbe bes 14. ^atyrtjunberte im (Sbor feiner Wlofterfircfye bie
Wefdndjte oon Wraf £uno unb 5"^°^ malen; baö mögen bie „in
Mirdjen $u fdjauenben alten Wemälbe" fein, uon benen Meibom im
^aljre 160S> fpridjt. Befonbero beliebt mar bie Darftellung biefes
8tütfeö heimatlicher Borgefd)id)te bei ben .Uunftl)aitbn>erfem Dlben=
burgö jur 3«t $raf 2Intoit Wüntbero. Bei bem ^runfgefebirr,
welches im Oatjre 1623 ben 6d)enftifcb im großen 8aale beo Oben;
burger 3d)loffe* gierte, befanb fid) „ein oergulbeter grofcer Bed)er,
auf meinem bie ClbenburgifaV ^iftoria mit bem V'eroeu in getriebener
Arbeit ift"; unter ben gefdjnittenen Wlaopofalen, welche ber ^rinj
oon Sänemarf im Oatjre 1 642 oon 3lnton Wüntber gefdienft erbielt,
werben jwet oerberfte öläfer genannt, auf bereu jebem,, Cyiraf &uno,
wie er mit ben dornen geftritten", bargeftellt, unb wenige Monate
fpäter erhielt ber leiber ungenannte Wlasidmeiber ben Auftrag, jtoei
neue berartige «efäfte „oben unb unten mit einem od)iuan,
barauf ber Wraf &uno, mie er mit bem l'öwen geftritteu", su fertigen ;
$um perf önlidjen Webraud) befaft ber 0)raf im ^aljre 1 663 ein ^aar
grojje braune £anbfdml)e „gar l)od) unb reid; mit Wölbe, aud) u. 31.
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in ©age, Äunft unb $idjtuita,
305
baruff geftitft bie jpiftoria von Öraf <puno mit bem Dörnen"; ein Stempel
mit ber „£iftoria öraf ,<punonio von Oldenburg" ivnrbe $u $üdjjer=
einbänden Oer gräflichen ^ibliotbef verwandt. l>at fid> aber teiber
nicht einmal im lUbdrutf erhalten, tlox allen Dingen aber find bie
büdlidjen Darfteüungen sn nennen, welche öraf xHnton ©üntber in
bem an Stelle deo alten Mafteder jlbttjauieo erbauten 3öQbfd)loffe
anbringen lieft. ^n bem (Srdgefdwtf deofelben befanb fid) ein grojjer
Saal ; ber Gahmen Oer vom $ofe bereinfübrendeu Dbut loar an ber
^nneufeite mit reifer Schnitzerei vcrfel)en; lueldje u. a. in 5ivei
^rontono bie beiden Sagen vom ^öwenfampf unb vom 2Bunberbom
barfteüte; noch 1744 werben diefelben erwälmt; fie mögen alfo bei
bem bura) 3uftijrat o. ^Horner vorgenommenen Umbau entfernt
njorben fein. Der &auptfcbmutf ivarett bie auf iteinwanb gemalten
Decfengemälbe, welcfye aufter 4 „Devifen" unb 12 ^5ferbeportrait6
(barunter bas bes berühmten „.Hranicb", von Dem bie funftfertige
£anb bes taubftummen Valero s-hto(f &cimbad) uns ein in Äuvferfria)
vervielfältigtes 3Mld erhalten hat) in 6 großen Silbern bie „&iftoria
von (#raf £unon, ivie er mit ben Dörnen geftritten" barftellten. Sie
ivaren nach glaubivürbiger gleichseitiger NJiaa)ricbt im &aag „febr
funftreid)" von Johann &owart gemalt. SJtit 2utsnaf»ne bes lefeten
ivaren ihre Vorwürfe ben einzelnen Elften bes im 3abre 1609
erfdrienenen, von bem aus Clbenburg ftammenben ^ofwnn ©ropl)i=
anber verfaßten lateinifdjen Sdmufpiels "Fridericus Leomachos"
entnommen, unb [teilten im (Sinjelnen, einer 3tufteio)nung des (Statsrats
v. SIMtfen sufolge, ber ba$u bewerft „bie Driginalien famt ben Kopien
finb fonft nirgends vorbanden", folgenbe Scenen mit bezüglichen
Unterfc&riften in lateimfdjen Difticben bar:
l ) „ftaiferlid)e Ginlabung $um Reichstage nad) (Boslar an ©raf §uno
burd) einen ßerolb" (^ol). (#rupf)iander, 2ttt I, S$ene 3):
Huno comes saeva vexatos praeaulis ira
Indaperatoris verba tremenda videt.
2) „3lbftt)iebnef)muug des (trafen von feiner ©emaf)lm" (Slft II,
Sjene 2):
Fluctuat at curia generosi prineipia uior,
Quo sit res vehemens haec peragenda modo.
3) „Der &raf vor bem faiferliajen ©eridjte" («ft III, Sjene 6):
Sed tarnen indigiram »ententia cocta reclnsa est,
Caesaris Imperium qaod lieget ille sni.
^titjdjrtft für ffutturgtict)i$te. 1.
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306
<0. BtUo, 2)er i'öroentampf ®raf ftriebrid}« oon Ottenburg
4) „2>er ©raf fjört fmeenb bao Urteil" (ibid.):
Ergo aubire feri certamina dira leonis
Cogitur, en vitam termina tila trahunt
5) „2>e$ jungen ©rafen ©ieg" (2lft V, 3$ene 5):
Filius ingemait Fridericus, proque parente
Heiculei etravit terga leonis ovans.
6) „Erbauung beo Äloftero ^iaftebe" :
Inde monasterium sab amoena comlidit aura,
Ut videas, qnam sit relligionis amans.
„Et cum sim saevi sirvatus ab ore leonis,
Raatetuni locus hic post mihi,*4 dtxit, „erit!-
3m Ratyre 1706 befahl .Honig rtriebricb IV oon $änemarf,
biefc 6d)ilbereien nebft bem Portrait beo „Mranid)" abjunetjmen unb
an bie ftunftfammer .tu Kopenhagen abzuliefern ; ba ftellte fid> tjerauo,
bafe nid)to meljr oon ihnen oorhanben war. sJiad> 3iuoiage ber Crto-
bef)örben hätte ber #elbmarfd)all ©raf oon Stfebel etwa im 3at)re 1694
angeorbnet, biefelben, ba fie infolge ^urchregneno jum Teil oermobert,
abzunehmen unb nad) Dlbenbnrg $u fcbirfen ; bieo fei aud) gefdp fyen ;
ber ©raf felbft aber wollte fid) nur erinnern, bafc er ein faft per:
moberteo ^ferbegemälbe oon Waftebe nad) Clbenburg habe bringen
laffcn. So finb benn biefe Silber, ebcnfo mie bie itjrer 3eit nidjt
minber berühmten allegorifdjen Terfengemälbe im grofjen oaale beo
Dlbenburger Sdjlofeeo unb fo mancbeo anbere, mao rühmlich ;}eugm<>
hätte ablegen tonnen oon bem Kunftfinu unb ber •pracbtliebe ©raf
9(nton ©üntbero, burcb bie Ungunft ber Reiten fpurloo oerfdnounben.
t£in ^weiter (Snflue oon ©emälbeu beofelben ©egenftanbeo fdjeint
fid) im Crnfaal beo gräflichen ©d)lofteo 511 Telmenborft, wo oon
167 7 bio 164? eine jüngere V'inie refibierte, befunben 511 haben;
benn bort werben im (enteren ÜQtyw „fedjo 3tütf ©emälbe oon ber
Clbenburgifchen Jpiftori" inoentarifiert, meldte nid)tö anbereo alo ben
XSömenfampf bargeftellt haben tonnen, ba ein ©emälbe mit ^arfteliung
ber $weiten olbenburgifdjen A-amilienfage 00m ^unberborn gleid)
banad) verzeichnet wirb. Wad) gefälliger Mitteilung beo $emt 3lrd)it>=
rat Dr. «nemüller befinbet fid) nun „auf einem (Sorribor beo Sdjloffeö
*u Mubolftabt bie fog. „Clbenburger ©allerie", fecho Silber, welche
bie ©efdjidjte beo ©rafen £11110 oon Clbenburg unb beo Kampfeö
feineo eolmeo mit bem Vöroen bilblid) barftellen. >beo biefer Silber
ift 2 m hod) unb 2V2 m lang. Sie finb in Dclfarbe gemalt unb
nad) ber Weihe in bie 3Hanb eingelaffen. %vl\ beut legten Wlbe
wirb ber- ©raf 311111 Witter gefdjlagen; bieo folgt nad) beut Mampfe
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in Sage, Äunfi unb 2>i#tung
307
mit bem Cötoen. ®ie Silber feinen genau nad) ber (£r$äblung
£ame(mann'6 gefertigt loorben *n fein". Xa bie 5)elmenf)orfter
\5inie 1647 mit Wraf (Sfyriftian im SHanneoftamme audftorb, unb
ber SlUobial - sJtod)lafc unter feine Sdm>eftern »erteilt nmrbe, beren
eine, ©räftn Emilie Antonie, 1638 ben (trafen ^ubroig ©untrer
pon Sdjroarjburg geheiratet tmtte, fo märe eo roobl möglid), bajj
bie fraglichen Silber biefer sugefaUen, unb von \\)x nach ber neuen
$eimat geführt luorben feien. $nrd) Unterfndmng an Ort unb
Stelle wäre $u ermitteln, ob bie sDtalioeife biefe an jtdy feljr gefällige
ÜBermutung unterftüfct.
VII.
Der ^elnifteoter ^rofeffor £>einrid) Meibom beruft ficf) in feinem,
bem (#rnpfnanberfd>en Sdjaufpiel nad) bamaliger Sitte beigegebenen
(hnpfet)lungefd)reiben auf „oou ben ^orfabren gebidjtete lieber"
über ben ^ötoenftreit; unter ben Tcbuctionen, tuelcbo nad) bem £obe
©raf Slnton Wüntbero bie Erbfolge in ber ©raffdwft Olbenburg
betwnbelten unb aud) bie Jvrage nad) ber 2batfäd)lid)feit beo 2öioen=
fampfeö, roegen ber angeblich bamit oerbunbcnen fniferlidjen Befreiung,
einge^enb erörtern, ift eine wem bänifeber Seite im ;}abre 1670 ab-
gefaxte, meldte gar bapon rebet, bafi „bie alten iMmmerlänber unb
^riefen oon (%af frriebridjo Vömcnftreit lieber gehabt unb foldje ju
ihrer £rge$ung in ihren offenbaren ^erfammlungen gefungen, baoon
nod> im Olbcnburgifcben arnhivn reliquiae orfic^tUc^". 2*on folgen
liebem bat fid) aber im 5lrd)io, felbft in ben bio auf ©raf Simon
©ünthero faxt jurüefgebenben älteften ftepertorien, feine Spur auf-
finben laffen, mie benn aud) ber Archivar Gröber Scbleoogt in feiner
im Sabre 1668 perfertigten ^nfammenftellung beo auf biefen Streit
bezüglichen SNaterialo beo Clbenbnrgifcben sÜrd)ioo baoon ebeufotoenig
etroao roeife, mie uon ber <panbfchrift ber jüngeren Waftcber (Stjronif,
ioeld)e, famt ber Ütremifcben CShronif oon .^einrieb Holters, ^einrieb
Meibom b. & nad) ber Angabe feine* biefelben im 3af)re 1688
peröffentlicbeuben gleichnamigen Crnfelö ans bemfelben 3lrd)ip empfing,
es ift banad) $jpeifelbaft, ob ber Werfaffer jener Debuction mehr alo
bie 9Weibomfd)e iKotij nnb otelleidjt bao „Dlbenburgifche tfieb
oom £5roenfampfe", meines SBitfenö Sammlerfleife, leibet obne
Angabe feiner Duelle, uttö aufgezeichnet, gefannt habe.
tiefes Xiieb, in ber Aorm, in welcher eo vorliegt, geioife noch
bem 16. ^a^bunbert angeb&renb, bietet beo ^erfmürbigen mancherlei,
^n ber ^lotioierung beo \üöioenfampfeo weicht eo erheblich unb ent;
frfneben $u feinem Vorteil oon ber d>roniftifd)en Xrabition ab. „Äaifer
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30K
W. ©etlo, 2>er föroentampf ©raf ftriebri^* oon Ottenburg
^einrieb, befahl ben beutfchen dürften, tote burcb, feiner Borfahren
(9unft faiferfrei geworben, ihm ju gehorfamen, unb jum 3^^en
beffen uor ihm $u erfahrnen, um ihre l'änber oon tym 3U ifetjn ju
empfangen. $raf .§uno fom nicht fogleid) eine befonbere Be=
grünbung biefes 3°9emö fetjlt — ; 5ur otrafe feineö Ungehorfamo
follte er mit einem Dörnen ringen; ©raf ftriebrich trat an feine
«teile; bead)tenoroert erfcheint hier ber an bie Xellfage unb Ber=
manbteö erinnembe $ug:
«(6 nun öraf $uno fabe bie 3?ot,
■£a§ fein @obn toolt geljen in ben lob,
Vuf ben Kaifei- tat er inerten;
<5r jüette fein ©djroert unb bräute feljr:
@o fein ©ob.n umgefotnnten roär,
<5r bätte e« nidjt loffen fteden!
3Wit fcilfe einer Sif) (bie nicht loeiter erörtert mirb) geioann ber
junge ,fcelb ben Sieg unb marb (mährenb beö (Mübbeo unb ber
©rünbung beö Hlofterö ^aftebe nur gan$ nebenbei gebacht mirb)
|Utn £olm im «efifc ber flaiferfreiheit beftätigt. 2>afe ber «enünn
ber lefcteren ftyon in ber älteren Maftebet (Stjronif ermähnt mirb
unb geroifc einen Beftanbteil ber edjten Sage bilbete, haben mir
bereitö gefetjen ; bafe aber um fie ber Streit jioifcben bem Äaifer unb
bem (trafen entbrannte, ift eine gute (Sriinbung beo SMchtero; jroed-
rnäfng Ijat bcrfelbe and) auf ben miftglücften Berfud) feiner Vorlage,
bem Verfahren gegen .fruno bie formen eineo ^rojefjeö aufjujmingen,
uerjichtet, unb ftellt baofelbe oon Anfang biö \a (5nbe alo roillfürlidje
Öeroalttb,at unb lorannei beo .Uaifero bar. iSrft burd) biefe gefdjidte
Siepofition mirb bem unfchulbig leibenben, enblid) triumphierenben
Wrafen bie Teilnahme mobenterer 8efet unb #örer ooll gemonnen.
2Bad aber auf ber einen Seite Weioinn, ftellt auf ber anberen einen
Berluft bar: mir überzeugen und, baft mir eo nid)t mit einem auo
ber Bolfofage entfproffenen Bolfsliebe, fonbent mit einer Munft=, ja
vielleicht fogar ^enben^Diajtung 51t ttnin haben.
^nt Anfang beo 16. ^alMuHberto mürbe bie iielmogualität ber
(#raffd)aft jioifdjen ftaifer ^Jcarimilian I unb l%af Johann XIV
heftig erörtert unb ih,re energifche Beftreitung burd) letzteren führte
jur Berl)ängung ber Weidioadjt über benfelben. 3um Beweife bex
Dlbenburgifchen Behauptungen berief fid), nadjbem Sdnphomer, roie
er felbft erjätjlt, oergeblid) im Mafteber Mlofterarcbio nach bezüglichen
Eofumenten gefucht hotte, ber grafliche Slmoalt, 9)iagifter ^ohanneo
Sartorio auo Lüneburg, im ^aijre 1609 auobri'tcflich auf bie ^rjäh-
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in 6aflf, Ämtft unb i>tcbtuitg
309
lung vom tföroenfampfe. iHlo Äuobrucf unb $Jethätia.una, ber Änfdbau-
unaen, »welche am Olbenbura.er -öofe unb im Dlbenburaer &tnbe
über biefe 2teraäna,e herrfdhten, möglicbenueife alo eine Örmabnuna,
an ben (trafen, (»leid) einem ^weiten .§uno biefer neuen faiferlicben
Iprannei fübn unb ntutooU entaea.en*urreteu, alo ein otreülieb, nmrbe
bao ©cbicbt üerfertißt.
Dafc baofelbe noch mitten in bem lobernbeu .ftaber entftanben,
ieiaeii bie Sdilufwerfe :
Ttfc haben wir von ihretwegen
(«ott fei Vor, «rei« unb <ft)r!) gefvegeu
tit ^ r e i f) f i t tu itniri'tn l' a n o e !
— Sorte, bie mir bann meljr alo eine tönenbe vJJbrafe finb, roenn
fie a,efcbrieben mürben, ehe bie Wrafen eubaültia. im vfobre 1531 ibr
fcanb rjom Weiche ju iielm nahmen.
Jiamit ift ber ,^eitpunft aeaeben, uor melcben bie ^bfaffuna,
tmfereo X'iebeo aeiebt werben mufu Tiefelbe läfct ftd) jebodi noeb
genauer umfebreibeu. 3d)ipbon>er, welcher ben lert beo in Clben=
bura. oorbanbenen jünajten Ihcmplaro feiner CSbronif mit 1514 fdiliefrt,
läfit (übricteno Holters' Wremer Gbronif folgern») ben «öroenfampf in
töoolar ftattfinben, mein aber von ber iufolgebeffen erfolgten ^er-
leibuna, eineo Stteppeno an Wraj ^riebrieb nod) uidbto, fonbem
erzählt üon einem anbem fagenhaften Meicbotaa, ebenfalls ju (Boslar,
auf ruelcbem uerfebiebene (trafen unb Herren auf ihre Meichsämter
anfpielenbe Wappen, barunter bie oon Clbeubura, alo Weicbobau-
meifter(!) ju bem ihnen von Marl b. Wr.(!) oerliehenen Mreuj (loelcbee,
\uerft auf einem 3efretfiegel Wraf Wcrbarbo beo ^Dtutt^en oon 1475
Dortommenb, feit Anfang beo 17. ^abrbunberto offiziell, aber irrtüm^
lid) alo Etappen ber fogenannten Okaffcbaft Xelmenhorft angefproeben
wirb) bie „fünf Steifen" erhalten bätten. Xer $td)ter beo fciebeo nennt
jroar ben Warnen beo Crteo nicht, vereinigte aber beibe bei 5d)ipbomer
nod) jeitlicb getrennte Vorgänge,1) inbem er jielbenmfet ^ugleicb eine
Öejtefjung jroifcben bem neureichen Mampf unb ber s.hteppenrjerleihung
•) »ernborb Sitte* ca. 1512-1517 im Älofter i'ie*born ©erfaßt« , erft
1778 gebrudte Historia antiqnae occidentalis Saxoniae sea nunc Westfaliae
tonnte ber Cerfaffer un|ere« ?iebe« roobl nid)t. fflitte fleflt jroar ebenfalls
bie Strleibung iti SBappeu« mit beit beiben rotrit 8alfen al« eine ftolge
ton Sriebrid)* ©ieg bar, teiuit aber nur eine anfctyeinenb auf blo« miinoltcber
Urberlieferung berubenbe oerblafjte Jorm ber ©age. Diefelbe nennt teinerlei
tarnen, unb bat flatt tstt manipulus ad similitudinem hominis armati, mit
roeläjem nad> ber 91af)eber Ueberlieferung ber ©raf ben Jörnen täufefct, einen
laseiculu» lignorain exsiccatorum, ben er ber ©eflie entgegenroirft.
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310 ®. iSfflo, 2>er tfemnifampf ®vaf ftriebrid)* Don Ottenburg
fcfcuf: ber Äaifer $og mit in bao Vöwenblut getaudbtem Singer jroei
rote ©triefte quer über ben golbenen Scbilb2); aufrerbem oerlieb er
baö unten jugcfptfcte 5treu$ - warum biefeo, roirö im töcbidjt uer;
fdmüegen, uon ^obann Wrppbionber aber finngemäji ergän$t: weil
ber felfenfefte (Glaube an bao Hrcuj Wraf ,*yriebriaiö äöaffen jum
Siege geführt habe.
$)as Sieb mirb banad) nid)t uor 1514 oerfafet fein, refp. nidjt uor
bem Befanntmerben ber 3d)ipbowcr'fd)en Gbrontf. 3n ber Belmnb;
hing, ber ihtoppenfage, aber nur in biefem einen fünfte, ift itjm nahe
oerroanbt bas etwa um 1550 oerfaftte ungebrutfte lateinifctje £ob^
gebidjt Cannes Fintels auf Jräulein "©Jana oon ^cuer, mcicbeä ben
Söwenfampf auofübrlieb erjäblt. Jomfidjtlid) ber übrigen Umftänbe ber
Sage ftetjt baejelbe ber ftafteber (Sljronif viel näljer, enthalt aber
aud) t)ier eine mid)tige Variante, roeldie jeigt, wie frei man Damals
mit ben Sagcnftoffen umging, unb mie baber foldje Bearbeitungen
für bie Sagengefebidjte eigentlid) mertloö finb. 'Jiadi Einfeld (Sr$äf)lung
märe bie <&inlabung gum Öoolarer $oftage in bie uierjigtägtgen Ofter=
faften gefallen, bereu 9lnbad)tsübungen $u unterbredjen ,§uno's ftrenge
Jrömmigfeit fia) gefträubt fyabe. So t'ei er erft nad) Beenbigung
berfelben — oon einer ^weiten Vabung ift nid)t bie Sflebe — jum
ftaifer gebogen unb megen ber ^erfpätnng mit ber befannten Strafe
belegt worben.
VIII.
$en i'ömenfampf bcljanbelte bao erfte ,ut Olbenburg aufgeführte
Sd>aufpiel, oon bem mir miffen. $n bem großen KVl'0^6 bes Bifdwfo
uon 3Jftmfter gegen ben ©rafen oon Clbenburg megen Scblofj unb $err-
jdjaft 2)elmenl)orft tagte ber frühere gräfliche Sefretär ^ermann £after=
page im %a\)ve I5(iö aus, er „f)abe für ben berru probucenten — ©raj
sJlnton I — anftatt einer comebien agiru feben, baft graf &uno uon
Dlbenburg in ber faiferlidjen majeftät ungenab gemefen, lurbe i^me
ber faifer aufgelegt, mit einem lernen ju fempfen, welchen er über*
munben; bo \)abc ber faifer ben gulben febilb, welchen furtjin bie
grauen uon JDlbenburg in ibren muffen geführt, mit beä uberrounbenen
lernen blute zweier burd)geftrid)en, baft alfo ijjunber in bem Dlben=
burgifdjen unb 2>elmen^orftifd)en mappen fünf ftuef fein".
2) 2)a& bteje SBappenfage, wie aüe äl>nlt($en, reine (Srfinbung ift, brauet
foum bemerft ju werben. 3t)rc Mdjtigfeit mürbe ftcb, im Uebrtgen fd)on baraud
ergeben, baß ba$ SBappen mit ben jwei einfachen Saiten ntc^t, wie man
gewöhnlich, annimmt, ba« urfprünglid)e war; ba« bit jefct befannte ältefle
örafenfteget öon ca. 1200 jeigt im ®d)ilbe jwei fogenannte gef^obene
C3t«f-3ocf-) »alfen.
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in @agc, Äunjl unb S)u$tu!tg
311
$te latcinifdje tfomöbie ©rnphianber'S oon 1609, welche bie
£elmftebter Stubenten in bemfelben ^afjre aufführten, ift bereits
wieberholt genannt worben unb ein näheres eingeben auf biefelbe,
welche oornehmlich ber ©rjälilung £amelmann'$, ^infiaptlia) ber
Söappenfage aber bem Spannes Fintel folgt, md)t erforberlid). 3ur
Gfjarafteriftif ihrer pebantifdj-gele^rten 3lrt genügt ber ginroeie barauf,
bafj als Stichter unb Seififcer bes faiferlichen gofgericbtö altrömifdie
juriften unb mittelalterliche italienifcbe föloffatoren, sJ$apiman, Gelfud,
Ulpian, ^piacentinue, Salbu«, aufjerbem aber ber Sammler bes
Sadjfenfpiegels, £ife oon Mepgow, unb ber berühmte t)oUänbifcr)e
Äriminalift beö H>. ^aljrtjunbertd, 2)amt)ouber, genannt werben.
Son einem gewifeen allgemeineren Qntereffe ift nur ber auch anberwärtä
hervorgehobene Dialog jwifajen bem faiferlid>en gerolb unb feinem
güljrer, bem Olbenburgifcben Sauer ganniduuo, bcren jeber ben
anbern für einen CSrjlügner l)ält, weil jener, ber Sewofmer beö
garjeö, oon ben Sergwerfen unb Salzquellen feines XtanbeS, biefer
oon ben 2£unbem bes leeres, oon Csbbe unb Jlut unb ben geroal;
tigen £>eichbauten erjär^lt.
3n welchem Serhältnio ein nach finer sJiotij o. Söitfen'ö im
3ahre 1702 ju Wubolftabt aufgeführtes Singfpiel „2)ie fiegenbe
Unfdwlb, unter bem Seifpiele gunonis ©rafen ju Dlbenburg" jur
Sage unb ju ©rnphianber's Äomöbie fteht, vermag ich nw^t anju=
geben. ©. 3C. o. galem t)at, wie fchon bemerft, bie Sage jmeimal
behanbelt, einmal als „Olbenburgifche Solfsbaüabe" unter bem £itel
„$er Wann oon Stroh'" (^oefte unb sJ*rofe. Hamburg 1 789, S. 87),
welcher ein oon Ghobomiecfi nach gamelmann's kupfer frei be*
arbeiteter Stich beigegeben ift, unb in welcher bie fentimentale Haifer=
tochter Äunigunbe nädjtlicber Steile bem ©rafen griebrich ben Stroh-
mann, ben fie erfonnen, mit guten 3Bünfa>n überbringt. Sobann
als profaifchen 2(uffa&, im SiVfentlichen nach ber jüngeren Mafteber
ehronif, in „Meine profaifcbe Schriften'' (1. Sb. fünfter, 1803,
Seite 240).
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|htr ^ör&erung öcr ^ufturflcfcOicQfc
l>on Kar! 23 i ebcrmann.
Sie Multurgefd)id)te bat bas Crigentüiulid)e, bafc bic Duellen,
aus benett fic fdidpft, oiel weniger offenfunbig unb bereit, als bie ber
polttifcben Wefcbidtte, bagegen viel mannigfaltiger unb über ein oiel
weiteres (Gebiet verbreitet finb. ftür bie rein politifebe Wefdncbte
fittb foldte Duellen foft nur in ben amtlichen Ärdnoen, ^öcfeftenö
nod) in ben an bie Ceffentlicbfeit tretenben Denfmürbigfeiten, Tage-
büchern, $3riefmecbfelu oon Staatsmännern unb Diplomaten ju finben.
Die ttultuvgefd)id)te, bie alle (Gebiete fulturfchaffenber **olfsthätig:
feit umf panneu will, fann unb muft eben bamm iln* SWaterial aus
allen bieten Webieten, fomeit nur möglid), entnehmen. (Sin Teil
baoon liegt wol)l aud) ,^u Tage unb läftt fidj leidtt lieben, fo bie
(Jrjeugniffe oon .Hunft unb vMffenfd)aft , bie Vorgänge auf bem Me-
biete Oes Stäbte= unb Bürgertums, beo jpanbels unb ber (bewerbe,
t'oweit biefelbeu in Stäbtedjronifeu , ^unftbriefen unb anbereu ge-
|d)riebeneu ober gebrurften Denfmäleru aufbewahrt finb. Allein es
giebt ttod) gan$e grofte (Gebiete beö ^olfo- unb .Kulturlebens, in weläV
niebt fo leid)t einzubringen unb bereu iMuffcbliefning gleichwohl für
bie Multurgefd)id)tofd)reibung oon l)öd)ftem ÜiVrte ift, fo bas Jamiliem
leben, ber gefellige ^erfebr, bie ^nftänbe oon Sitte unb Sittltdtfeit
in einer beftimmten $c\t unD bergl. mehr. (Sin nur irgenbmie ge=
treues unb oollftänbiges $Wb oon biefen unb ähnlichen $ultur=
erfebeinungen läßt fid) aber nur auf Wmnb einer möglicbft großen
sJDienge oon (Einseitigen entwerfen. lUbcr wober fold)e nehmen?
üJJJancbes in biefer Mtdjtnug bieten ja wohl bie ^Biographien unb
Autobiographien beroonagenber Männer, beren .^a^l neuerbings in
erfreulicher Söeife immer metir mächft; allein ba$ finb bod) nur
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3nv ftörbmtttcj ber Äuttitrflefd>icf>tf burdj i'airtt
313
$rud)ftücfe, aus benen ein ®an$es jufammenjufefeen fdjroer, niajt
feiten unmöglich ift- ©er .Hultnrtjtftorifer erfährt oiclIcid)t auf bicfem
Ü&ge manches gan$ 3d)äfcbare über bas Gefell fcbaftsleben in .<pam;
bürg ober «übetf, in 3i>ien ober Berlin; aber wie ftanb es bamit
in anberen teilen ©eutfchlanbs ? Ober er erljält redjt anmntenbe
Silber aus bem häuslichen unb j\ami(ieit(cbeu eineo (Mehrten ober
eines l)öt)cren Beamten; aber trifft bao auch $u für bao häusliche
Veben bes einfachen Bürgers, dcs ftanbroerfers unb bes f leinen
Kaufmanns?
§ier nun fauu bem „Gelehrten", bem .Htüturlnftorifer oou gacb,
ber fcaie mirffam £ilfe fommen. CTö ift ein *>or$ug ber #ultur=
geföidjte, baf$ fie auf biefem ätfeae Vieles erfunben fann, was auf beu
gewölmlid)en Siegen gelehrter Aorfdmng $u erfunben itjr vielleicht
unmöglich fein würbe. (Sine tfamiliendtrouif (wie folebe früher meift
in bie Jvonülienbibcl eingetragen würben) giebt oft ein anfdiaulicheres,
weil unmittelbareres Vilb oon bem Vebeu unb treiben einer Familie,
als alle nod) fo genaue 3d)ilberuugen auo ^weiter .ftanb. (Sin feam
haltungs^ ober Medmungsbud). welches ber .fcerr ooer oie ,vrau oom
&aufe geführt, fanu interefiante Einbilde gewähren einerseits in bie
3lrt bes betreffeuben Haushalts, aubererfeits in bie Lebensmittel; u. a.
greife ju einer gewiffen &\t u. f. w.
92un ift es wol)l zweifellos, baft oon ben foeben erwähnten unb
anberen Materialien jur (*rforfd)ung fulturgefd)id)tlid)er (Srfcheinungett
— $rieffd)aften, gamiliendtromfen, Tagebüchern, .ftaushaltredmungen
u. f. w. u. f. w. aus früheren Seiten — fo Manches in ber unb jener
Jamtlie fid) nod) finbet. Vielleicht hat eine foldie £>anbfd)rift für
bie jefetgen 9tocf)fommen ber Verfaffer berfelben Feinen befonbereu
Söert; wenn aber aud), fo würbe es fid) ja bod) nur barutn banbeln,
bafe biefelbe iljrem 3nf)alte nad) für bie .Hulturgefdjidjte verwertet
würbe; fie felbft fönnte bann tyrem Eigentümer mit ©anf surütf;
geftellt werben.
Würben bie <yreunbe oer ttulturgefcbidjte — unb bereit 3ftW
mädrft ja uon Tage ju Tage — , falls fie berarttges Material felbft
befifcen, basfelbe $ur Venufeung für fulturgefd)id)tlid)e .3 werfe bar--
bieten, falls fie foldjes bei anberen entbeden, biefe oeranlaffen , bas
©leiä> ju tlmn, fo wäre bies eine äu&erft wertvolle görberong ber
Äulrurgefc^ic^te, unb fie fönnten bes wärmften Tanfes aller ttultur=
gef^tsforfd^er unb tfulturgeföichtsfdjreiber oerfidjert fein.
Vor nun faft 40 fahren, bei Gelegenheit ber großen T>ia)ter=
fefte in SBeimar 1857 entftanb, auf meine Anregung, bafelbft ein
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314
kaü ©iebermanft
„fulturgefd)id)tltd)er herein", ber fid) eo gur Stufgabe fteUte, bas
Vaienpublifum jur werftbätigen Mitwirfung für $wede ber Äultur^
gefd)icbte in bcm oben bezeichneten 8inne tjeranjusie^en. Der herein
»crjweigte fid) auch über anbere Crte, rote Nürnberg, SWeiningen,
jpilbeötjeim, Dreöben, Veipjig, £alle, Hamburg, Bremen, ftannowr,
ftranffurt a. 3W., Safel, Raibach, jnnobrutf, ja bis nach Sieben;
bürgen, nnb $ät)lte febon bnlb weit über loo Müglieber. 3n ber,
Damals von Füller unb Aalfe in Nürnberg herausgegebenen „3eit;
fdnift für beutfdje Multurgefd)id)te" erftottetc berfelbe regelmäßig
Skridtf über bie bei ibm eingegangenen banbfehrif Hieben unb ge-
bntrften Beiträge $ur Multurgefd)id)te. Nach faum mebr als einem
halben Mxc feit feiner Segrünbung fonnte er bereit« 36 banb^
fcbriftliaV unb 16 gebrudte ^ufenbungen foleber 3(rt uerjeidmen.
Unter ben erfteren befanbeu fid) beifpielsweife flusjäge auö Orts-
ebronifen, ber eine, vom 1 1 . bis ins 1 i*. ^«^t^imbert reid)enb, unter
anberem mandjeö über bäuerliche ^uftänbe auo ber $eit bes Säuern-
friego entlmltenb, ber anbere aus bem 15. unb 16. ^abrtmnbert ;
allerljanb über Steuemerbältniffe auo bem 16., 17. unb 18. ^ahr-
bunbert; bie (Metreibepreife auf bem Marfte $u Weimar 1661 biß
1 854 ; .Uircheninfpeftionoafteu, eine Üirdjenrecbnung nebft 8peife$ettel ;
2lften, bie 2lnftelluug von Sdmlletjrern unb Crganiften betreffenb;
Stus^ug aus ber $unftlabe be« 8chneibergemerbes $u $ermannftabt ;
©illfür unb Crbnung eines abiigen Wefchlecbtes ; Jtontrafte, $aus-
baltungs- unb Nedmungsbücher uerfdjiebener Rittergüter aus bem
17. ^afjrbunbert ; Düö Netfebiarium zweier ^rinjen uon ®otba;
mehrere fürftlicbe (Srlaffe in Militärangelegenbetten; ein paar Briefe
uon ^rioatleuteu u. f. m. u. f. \v.
<5d)on aus biefen furjen Slnfü^ningen ift erfiebtlid), naa) n>ie
oielen (Seiten f)in unb in wie fruchtbarer &teife bie .tfulturgefdncbts
forfdmng unterftüfct werben fann bureb Derartige Mitteilungen uon
gebrudtem unb ungebrudtem Material aus allen Wegenben ^eutfa>
lanbs, einem Material, welches auf anberem 2&ge felbft nur ju ent=
beden unb ju welchem oollenbs 3U gelangen bem flulturhiftorifer
fdjledjterbings unmöglich fein mürbe. 3" einem Mittelpunkte ahm
licher Materialfammlungen hat fid) ja feitbem in bödjft wrbienft:
licher Steife bas OJemtamfcbe Nationalmufeum in Nürnberg ent-
midelt, wofelbft biefes Material nicht nur aufbewahrt, fonbem aueb
fatalogifiert unb repertorifiert wirb. Slllein beffen nerbienftliche SBtrf*
famfeit würbe mefentltd) geförbert unb erweitert werben fönnen, wenn
fich nach *>em SSorbilbe ber 1857 gegrünbeten (leibev allmählich wieber
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315
eingegangenen) „Vereine für beutfdje .tfulturgefd)id)te" oon Beuern fold&e
an möglia)|t oielen Orten bilbcten, meldje $ur Sluffudmng unb Xax-
bietung fulturgefd)id)tlid)en Materials Anregung unb Anleitung gäben.
£>urd) )öeriaiterftattungen Diefcr Vereine in ber „Seitfdmft für .Kultur
gefdüdjte" über bie oou itjnen erhielten Erfolge, b. n. bie bei leiten
eingegangenen Sd)riften unb #anbfd)rirten, würbe einerfeite baö
silugenmerf Solrfjer, roeld>e irgenb ein (Gebiet ber oaterlänbifcben
Äulturgefdrid)tc bearbeiten ober bearbeiten möcbten, auf bicfe Eingänge
Ijingelcnrt unb itnien bie Jyüglicbfeit gegeben werben, bel)uf$ ber näheren
@infid)tnaf)me in biefelben 3d)ritte ju tbuu, unb anbererfeito ftänbe
*u erwarten, baß baburd) fo mandjer Arcunb Der tfulturgefd)id)te
fid) oeranlafit fänbe, Durd) ät)nlid)e beitrage (wenn er baju in ber
^iage wäre) fein ^ntereffe für biefelbe 511 betätigen. £uö baljtn, wo
foldje Vereine ind &ben unb in it'irffamfeit treten (wie 311 Iwffen
ftefyt), fönnten berartige Beiträge an bie Mebaftion ber „^eitfdjrift
für Äulrurgefdncbte" eingefanbt unb fönnte uon biefer barüber Wedien-
fcfyaft crftattet werben. 6)rroift mürbe ein foldjeo ^ufammenmirfeu
uon l'aien mit ben Männern uom Aad) in bobem Wrabe erfpriefv
lid) fein.
s)l ad) fdjrift ber Mebaftion: 3d) Imffe, ban bie Anregung
bw oerbienten greifen ^iftorifero nidjt umfonft gegeben ift. ^d)
meinerfeitd erfläre mid) gern bereit, bie oben bargelegten s#eftrebungen
burtfe bie „Seitfdnift für .\tulturgefd)id)te" ju förbern. 8 t.
üigitiz
lSal)rred)t uni> ^ürßittc in öeirtTtfen
l>on (Scora £icbr.
®er auf ibrev &tßenf$afl alo Warft benthenbe (Sharafter ber
beutfdien Stabt beo si){ittelaltero , nerfdmrft bnrd) bao Auftreten ber
(Mbmirtfdmft, übte auf bie Meditoentuütfeluna, einen (Jinfluft, ber
befonbero in ber ^eejünftiauna, ber .x)ntereffen beo fityrenben Äauf-
mannftanbeo heroortrat. (Sine folge offenbart fid) in ber Tenbenj,
bao (Gottesurteil beo a,erid)tltd)en ^meifanmfeo burd) (*ib ju erfefcen,
nüe fie metyrfad) in "^rioilegien beo \± unb 13. ^afyriptnbertä , in
ihren erften Spuren anfangs beo II. ^abrbnnberto inäi^ormo1), er=
fennbar ift. £iefelben Werhältniffe, beren ^eiterenttuicfelung bao
auf bie einfachen si*erfehrejuftänbe ber ^iaturahuirtfdiaft begrünbete
Medjt nicht $u folgen oermoebte, haben (Snbe beo 15. 3ö^unöert0
jur Weception beo auogebilbeteren römifdien ^(ed)to mitgeroirft, in
ber bie Stäbte mit i^ren überarbeiteten Statutenfammlnngen, ben
^Reformationen, ben Territorien norangingen.
Um fo mertnntrbiger niuft eo fdjeinen, wenn fid) hier ^ed)to=
iuftitute erhalten unb anogebilbet haben, welche ihrem (Sharafter nad)
bnrebano in alten beutfehen Medjtoanfajauungen murmeln, roeldje roie
biefe fid) poetifeber Belebung fähig ermiefen haben, ©o ftnb ihrer
gmei, roeldje fid) im (Sriminalprojefj beo fpäteren ÜJiittelaltero finben,
bao eine beftimmt, ben Sdnilbigen gu überführen, baö anbere, ben
Überführten ber Strafe ju entgehen, 2tol)rred)t unb Fürbitte.
Dao 5bahrred)t ift eine £orm beo Wotteonrteilo, bao nebft bem
litbe bao einzige ÜWmeiomittel beo alten bentfd)en .Uriminaloerfa^reno
') ©gl. Äoeb,nf, Der Urfprung brr ©tabtöerfaffung in ©orm«, ©pri«
unb SRatnj, 6. 16 f.
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®. ?iebe, Sabrregt u. ftürbittr in beutjd). «tobten b. 2Htttrlallft« HI 7
bilbet. Saft bieies, ungleid) Dem beutigen ^emeife, bas Urteil voran;
geljen läßt, iveld)es für jenen 3nbjeft, Cbjeft, "JJtobus beftimmt, ift
barin begrünbet, bafi ber beweis aus früherer außergerichtlicher %\c\
legung burd) privates Verfahren ber Parteien übernommen ift2).
Öermanifdjeu Urfprungs wie alle Crbale trägt bas #abrred)t be-
fonberö altertfimlicbeit (Sbarafter, infofern es niebt auf bem (Glauben
an bie 3lUroiffenb,eit göttlidjer vJWäd)te beruht, fonbem auf ber ani=
miftifd^en, ber unterften 3tufe mnthologifdjer Anfdjauung entfpreebeuben
^orftellung von ber im Ölute lebenben 3eele unb ihrer sJk)iadjt , fid)
funb ju geben, Tiefe fluffaffung fpiegelt fid) mieber in bem fledjts^
fpridjivort: ftreunbesblut maüt unb wenn es auch nur ein Iropfen
ift, fonrie in ber uon einer hollänbifdjen Wed)tsquelle beö 15. j>a\)x
Imnberts gegebenen Worfcfgrift üur ^bentifUicrung eines unbefannten
fcrmorbeten ober Grtntnfenen. 3iWr mit ihm venvanbt $u fein uer^
mutet, laffe Ölut auo einer 3d)mttivunbe auf it>n traufein; ift feine
Vermutung richtig, fo fann es burd) 4^afd)en nid)t entfernt werben *).
3n merfwürbigem tyirallelismus hierzu erzählt eine jübifdje 3age,
wie bie Anfprüd)e eines wirflidjen unb eines vorgeblichen 3ol)nes
auf bas väterliche Vermögen burd) biefelbe "^robe an einem Wcbcin
bes Katers entfdjieben worben feien*). Aud) ber Aberglaube, ber
bes Blutes Eingerichteter habhaft üu werben fuebt, gehört hierher.
Aud) für bas Stahrredtf, in }torbbeutfd)lanb 3cheingel)en genannt
3d)etn bekämet ben Veidnwm bilbete fieb wie für bie anberen
Crbale ein beftimmter Formalismus aus. Ter bes Korbes Wefcbul;
bigte mufete natft, nur bie 3d)am bef leibet, an bie Veidje treten unb
fnieenb mit aufgelegter &anb feine Unfdmlb befd)mören. Ten 3dnil-
bigen tollte aisbann bas ben i&unben entftrömenbe Wut verraten5).
311s beftefjenb nadjjumeifen ift bie 3itte juerft burd) bie ^erwenbung,
bie fie in ber Ttdjtung im Anfang bes 1 3. ,}abrhunberts faub. 3k?
fannt unb aud) oon ber bilbenben Slunft verwertet ift ber Vorgang
an ©iegfriebd Seidje:
Kriemhilt begunde jehen
swelher si anschuldec, der lue daz besehen
der boI zno der bare vor den Hüten gän
da mac man die warheit harte schiere bi vers*tän.
>) »rannet, Dentjdje 9ifd)t#gcfdjid>tf I ©. 180.
a) ©runner a. a. 0. I 0. 82.
•) »erbonbhingen ber Berliner ©efttlftbaft für «ntbrobol., «tfrnol. unb
Ur<je1d)id}te 1888 6. 187.
•) Crunner a. a. O. II ©. 411.
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(gtorg txtbt, 2>a« «abrrfdjt unb ^ürbitte in
Daz ist ein michel wander : dike ez noch geschähet
swä man den mortmeilen bi dem tuten sibet:
sö blnotent im die wanden; sam oach da geschach,
da von man die schulde da ze Hagenen gesach.
(SRibftungenlifb ed. 8ad)mann 984.)
Weniger befannt ift Hie otelle auo .partmanno ^roein 1355:
nü ist uns ein dinc geseit
vil dicke vür die wärheit
-wer den andern habe erslagen
und warder zao ime getragen
h wie langer dii vor waere wunt
er begunde bluoteu anderstunt •).
M fpäteren ^aljrfjunberten, befonbero im 16., ift bie Slnfübrung
beftimmter x&üe in ben Stäbten nicbto felteneo, fo 1501 in vMrn=
berg7), 1503 in Stern8), 1578 in Sagan •), 1 580 in Steier 8), 1584,
1693 in Innern8), 1597 in Dürnberg10), 1HH4 in Öafel. Tie
Sobeourfacben ftnb bie oerfcbiebenften ; 1578 hanbelt eo fid) um einen
erftocbenen 8tubenten, 1597 um .ttinbeomorb , 1H(>4 um .^crerei.
itfäbrenb in ber Siegel nur ein Werbädjtiger ber ^irobe unterworfen
mirb, untergeben fid) ihr 157 k fämtlidw £>anbmerfogefellen. sJ)ierf=
mürbigermeife mirb nicht mir baß 3luobleiben eine« (Srfolgeo be=
richtet, fonbem 1503, 1597 baö Eintreten. Tie geograplnfdje Ver-
breitung jeigt fid) einer Uteidjräufung nicht unterroorfen. Tao ftort^
bauern ber Vorstellung oon ber Erregung beo Vluteo bei $terüt)rung
burd) ben vJ)iörber bezeugt nod) 1713 bao nuiuberlicbe Sammelmerf
Ufännlingo ll).
Ter arbiträre (Sbarafter beo beutfdieu :Hed)teo, ber im Stemeio-
recht nod) bie 3 puren beo ^rioatfompromiffeo erfennen läfit, maltet
audi nod) ob, menn bie £dmlbfrage entfd)ieben ift. SBte bie $up
Gablung urfprünglid) ein lUbfauf ber Wadie mar, fo fonnte fpäter
ber Xieb mit beo Miditero Wnabe unb loenu er ben Schaben er;
l'efcte, <paut unb £>aar mit ('•leib löfen12). 1<on ioldjer 3lnfd?auung
zeugen bie Mecbtofpridjmörter : wSßet fein Weib bat, 3at)lt mit ber
.Vmut", „sJ)ian hängt feinen Tieb, ber fid) oom Walgen faufen fann".
•) »gl. Midjarb in, 31. 1, 6e. 2.
*) ©täbttcbronifrn, Dürnberg V 6. 641.
•) OJrimm, 9itcbt0a(tertUmrr.
') $anbjd)rifUid)t Cibicitif von ftobing (iMatSbiblicttyft).
") SReiftnr ftranjen ttadm<fctrr« aO frin Siebten, ed. (Bnbtcr 1801.
n) ßuriofttälen brrcr ... abtrglaubifcbfn Slbrrtäten, 1718.
**) Cicbborn, ©taat«. unb 9ifä)t#a,ffcbidUf II § 380.
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bruttotn ©täbten bei Mittelalter«
319
Daß ®nabe baö Äorrelat beö ffledjtee ift, ftnbet feinen 3fudbrucf in
ffienbungen, roie: „©nabe ftebt beim Medjte", „fetten jiemt $nabe",
unb fnmbolifd) in ber ^orberung ber Seistümer, ber Weridjtofyerr
tolle einen einäugigen Nüttel fenben auf einäugigem "JJferbe, mit
Steiglebern oou i'inbenbaft, Ijöljernen Stegreifen unb Sporen oon
fcageborn. Die 3uftänbigfeit ber Ausübung ber ftnabe aber roeaV
feite mit ben Seiten unb fiel fcinesroego mit ber beo Medjtee ju^
fammen. ilrfprfinglia) mar «egnabigung roie ^eute ein sJied)t ber
ftrone; roie ber fränfifdje bot eö aud) ber langobarbifd)e Atönig ge-
übt, nia)t aber ber fränfifdje Öraf13). Tie mit bem ßnbe ber
farolingifdjen ^kriobe eintretenbe 3erfplitterung ber Öeridjtöoerfaffung
gab eä jebem 0)erid)tal)errn in bie .fränbe. ^a, in bebingter Seife
gewann felbft ber ^ronbote (£influfi barauf, fo roenn ihm ber jetynte
unter ben ju ridjtenben überlaffen roirb, roie es bie (£rjäl)lung vom,
3Heier $elmbred)t aus bem 13. i^abrbunbert berietet, fo roenn er
bie 3trt ber Tobeöftrafe beftimmt, roas nod) Bamberfrensis unb Ca-
rolina befämpfen u). So rourbe im ^rojeft SuUenroebcrö bas Urteil
butd) aHeifter "paus gefunben l4). M roeiteftem sJDiaftc enblid) rourbe
baö JÖegnabigung6red)t unterftüfet burd) bao eingreifen gänjlid) Un-
beteiligter oermittelft ber Fürbitte. Sic mar bao *>orred)t berer,
bie im Öenufc eines bcfonberen ^rieben© aufterjjalb ber geläufigen
3ied)tdanfd)auung ftanben, ber dürften, Weiftlia>en, grauen, unb be^
nu)t root)l auf ber ^orftellung, bafe ber folgen 3)litleibs teilhaftige
ber Önabe roert fei. Äuf foldjc Seife ber ftrafenben Wered)tigfeit in
ben fd)on erhobenen 31 rm $u fallen roar in ben S tobten im 15. unb
16. 3aln*l}unbert eine t)äufig bezeugte Sitte, bie aud) ale poetifdjeo
slHotiu Werroenbung gefunben bat. Tie riiljrenbe Wallabe oon ^eter
Unoerborben legt bem Wefangenen im Turme bie Witte in ben sJMunb :
öot grii§ ttd>, froro bie .fcrrjogin,
bittet ir min Herren itnb od) ftn Äinb,
baß er mir friß min leben1*!)
Unb für ben $u Ulm gefangenen .frommen oon fteiftett wer
roenbet ftd) oergeblid) bao Aräulein oon Cfterreich Unter ben
") »runner a. a. O. II S. m. 59».
") gtaaenfifibt, 3. 0efo>. b. ©egnabiguugövedjte« i. ^abjre«ber. b. jcblej.
«efeflfjbaft, 1866.
»■) ©oit, Surgen Stf. III 6. 237.
'•) Ubjanb, »o!t«lieber, Wr. 126.
") Ublonb a. a. £>., 9?r. 137. »gl. baju ba« Vieb auf .^einj Dom?;
nig« Xob Script, rer. «iles. Cb. XXIV 8. 221.
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320
(»corg Viebr, 5öatjmd)t intb Jürbittc in
fällen ber &>irflid)feit ift juerft bie Aorm $u erwähnen, bie uon
Surften bei ihrem erften Einritt alo ¥anbesl)erm berart geübt mürbe,
baji alle ber 3tabt ^ermiefenen tu tt>rem (befolge jurftrffebren burften.
Ties Nedrt ^äl)lt 1332 bao Wbrabüd)lein unter ben bem 3Jtoin*er
(*r$btfd)of >u Irrfurt ntftebenben auf18), unb 1538 weift Serbinanb l
bie SBitte beo Um einbolenben gtürgermeiftero uon Wörlifc, er möge
baoon abfeben, alo feiner fürftlidjen Freiheit >umiberlaufenb nurütf IV).
£>ierl)er gehört mobl aud) ber ?vall, bafc bei 3(nfunft l*r$bifa)of Na;
banö uon Trier $u sJ)ieO ein pn (Balgen Verurteilter begnabigt
mirb20). häufig mar Der Wnabeuaft sugleid) ein foldjer ber .§öf=
liebfeit gegen fürftliche Wäfte, fei eo, bau ihre eigenen Liener bie
Straffälligen waren, mic 1487 ein Tiener beo .§er$ogo uon <8ad)fen
,iit Dürnberg21), 1525 einer beo .frerjogs uon ^raunfebmetg ju Norb;
häufen22), ober 3tabtbürger. 144« uermeubet fid) bie .§er<\ogtu uon
Tonern su 3lugöburg, 1497 ber ^ifdjof uon ßicbftäbt, 1594 ."perjog
Wibrecht uon 3ad)fen ju Nürnberg für Verbrecher23), ber Nürnberger
Vofunger Niflao sJNuffel aber fiel 1469 ber Mache feiner StanbeS-
genoffen jum Opfer trofe ber Aürfyracbe ber 3Harfgräftn 2llbred)t 2*).
Tie Crbenogeiftlicbfeit ber Stabt erfaVint alö Sürbitterin 1473,
1478 $u Nürnberg25), aufterbem mehrfach in Wemeinfamfeit mit ben
grauen, 3bre Teilnahme, bie ben liebenömürbigftcn 3llfl in bi«?Kui
Wilbe barfteüt, Imt fich am häufigften betätigt, eutmeber burd) Ver
loenbung bei einflußreichen ^erfönlichfeiten (1446, 1597), ober burd)
unmittelbare© Eintreten. (Sin iolcbeo rettete 1491 ju 'Nürnberg einen
meuterifdjen VanbefnedjtQbauptmann uor ber Strafe beö .Haiferö,
unb ber ritterlidje ^carimilian uerfeblte nidjt, 511 bemerfen: Ratten
uns all gürften unb (trafen, Nitter unb ttnedjt für it)n gebeten, id>
hätte fie nid)t gemährt, aber mir mollen eud) gemäßen 26 ). 1494
ift es ber Nat uon 3i!orme, 1503 ber uon Nürnberg, ber fid) er*
meichen läftt, aud) bei ben 1576, 1588, 1592 511 Nürnberg er;
") Sgl. ffird^off, Sie älteften ©ei«ttlmer ber £tabt C.
»•) WeueS Pauker aWagajin, 53b. LI ©. 182.
") ®örj, Heg. b. SrjbifdjÖfe oou Xtitx.
") ©täbte^rontten, «Arnberg IV 884.
J«) 3ettf$r. b. fcarjöerein« XXIV ©. 165.
") 6täbt$ron., BugSburg II @. 186; Dürnberg V ©. 593. 577.
»♦) 0. a. O. Dürnberg IV ©. 309.
'•) (Ebenba €>. 335. 351.
»•) 0. 0. O. «Ilmberg V 6. 564. 732.
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tfutfdjen etobten be« SRittelaltrr«
32!
folgten fedjs öegnabigungen auf Fürbitte finb wohl bie grauen alö
Urheber anjufehen -r). Tic gebräuchliche Veseidmung für foldje $iegna=
bigungen ift „erbeten werben", imb aud) ber trodene Bericht ber Cbrouif
läßt bisweilen bie bramatifdicu diebcmimftänte erfennen. Da wirb
(löo.'i) ein Verurteilter erbeten, alo man ihm fdwn auf läuten will (mit
ber Armefünberglode); mun fepöne Jungfrauen fommen barhäuptig
mit ^erlenbaarbänbern oov ben :)<at getreten ( I 5o:j ) unb bem tfaifer
nahen fid) (I4*»l> bie ^Nürnberger (siefd}led)terinnen bittenb beim
Jpod)jeitofefte eineo .öaUer« auf beut Mathaufe. immerhin fd>eint
bie «Sitte nur bei fold>en Vergehen Anmenbung gefüllten $u twte"»
bei rc>eld>en bie Tobesftrafe eine .sparte in fid) fchliefit, bei Sotfcbjag,
.ttörpert>erlefcu"ö, Tiebftahl. Allmählich fanb burch unbefdjräufte
Auetetmung auf weitere Stäube eine Entartung ftatt. Sdwn 150:t
fpracb ber Nürnberger rHat fein TlKifef allen barüber auo, bafj, um
jwei ÜJiefferfdmtiebe los $u bitten, iämtlidie Wemerfögcnoffcii auf bem
flattmufe erfdjieneu ftatt einer Xcputation. tfinc 3Höglict)feit <\e
ieoentlidjer Werwenbuug feftt bie Zählung in tyntli Schimpf unb
(Srnft (ihtiu) uorauo, wo einige tfbelleute baju fommen, wie man
einen jungen Wefellen, auoführt unb üoii *JJfitleib bewegt fragen:
Hönnte man nicht für ihn bitten? WM riditet ein in Neubalbeno
leben gefangener Webbieb ein uon Xobeoaugft biftierteo 8dn*eiben
an ben tHat mit ber Witte um h tage Arift, ob jemanb für ihn
Vorbitte ttmn möchte, wao ein ^rotofoll erläutert : ob etwan uon Atel
für ihn intercebieren möchten '-'*). Tent "Düftbraudi p fteuem fdjeint
man früh öie ^orbenmg aufgeteilt *u haben, bafe bie leicht jum
üütleib bewegten grauen mit ihrer ganzen ^erfbnlichfeit eintreten
müfeten, inbem fie ben Voogebetcnen heirateten. Schon 1468 rietet
eine ttripjiger arme Familie einen Wrief an ben rKat uon &alberftabt
mit ber Witte, bao Anerbteten eineo sJHäbd)eno anzunehmen, bie
ihren bort gefangenen Sohn unb "Drüber im aoII ber Wegnabigung
ju heiraten fieb bereit erflärt hatte-'9). t*in am Aufruhr *u fangen^
falja 1525 beteiligter Sdmhnuuber oerbanftc bem gleichen Umftanbe
feine Kettling 30 ). sii>ie lange fid) bie Worfteilung im Wolfe lebenbig
") Monarn. Wormiiti<nsia ed. #oo* €.376; 'Jtürubfrg V, 668; iWfiftrr
§ranj a. a. O.
ul StaatSatdjiö aRaqbfbunj.
») 3eitjd>r. b. ^arjBftfin« XXIV, S. 5«J.
»•) *t*tö f. jä$f. ®efd)id)t( 1, 6. 386.
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322 ®. Sieb«, »a^rrc^t u. fturbittc in bmtfd). »tobten b. Mittelalter«
erfnelt, läftt ein ^orfomtnnis von 18S4 erfennen31); bte &inria>
tuna, jtoeier Manbntörber bei Stetten neranlafUe eine grauens=
perfon, ji$ mit ber gragc an bcn Pfarrer $u roenben, ob nia)t einer
burd) Beirat $u befreien fei. XHe bureb baö röntifdje ?Hed)t geftü^te
n)ttd)fenbe SWadit ber ttanbe*t)o(jeit war es, bie baö sJfca)t ber
©nabe roieber wie im Xnbegitm in bie fcftnbe beo $errfcbers fegte.
") Cbenba I, @. 237.
3ur $ffd)td)tr brs ionbaco brt |ebrsd)t in fPfitebt^.
Pon ftcnry Simotisf e Ib.
$urd) bie gütige Vermittlung be« .§errn Dr. (Urenberg in
Altona erhielt idj oor einiger Seit oon &errn 3)iajor a. &rl)vn.
oon ^m^off in Dürnberg aus beffen Dortigem gamiltenardno eine
UrfunDe in SCbfctirift mitgeteilt, n>ela)e es oerbient, t)ier oeröffentltdn
$u werben; benn fte enthält eine recty toertooUe (Srgänjung ju einigen
eingaben, bie id) in meinem $ua)e über baö beutfdje Kauftauc in
Venebig1) — unb jroar foejiell über Verfjältniffe in ber älteren
3eit oor bem großen Vranb Deo ^a^res 1505 auf ©runb Der
oon mir gefammelten 2lr$ioalien trotte maxien tonnen.
Au Den älteften Familien Würnbergo, meiere feit früt>efter ;^ti
mit Venebig in ftanbelsoerbinbung ftanben, geborten bie SRenbel.
3m Oatvre 1377 erhalt SJiarcuo2) oon ber oenetianifdjen töegierunn
bie Grlaubni*, bie oon irmi unb feinen Vrübern benufcte Kammet
famt Wetoölbe im Jonbaco aud) weiterhin p behalten, roätjrenb
eigentlich ein fteter Sitafifel in ber Venufcung ftattftnben foßte3».
2tber 3Warcuo SWenbel fei ein treuer Liener Der Regierung, ein
gro&er Kaufmann, ber jener Mäunüidtfeiten bringenb bebürfe unb
aud) bereits oiel für bie 3nftanbt)altung berfelben ausgegeben t)abe.
Unb im 3af>re 1429 berufen fid)4) - aud einem äf)nlid)en Slnlafc
*) 2>er ftonbaco bei £ebe*$i in Senebig unb bie beutf<$.benetianifd?cii
$anbettbejieb>ngen (Stuttgart, Sotta 1887) 2 »be.
*) ©. ©b. II, %. 7o.
•) e. »b. n, e. is.
*) e. o. o. o. ©. 14.
21*
.ftenrt) ©imonSfdb
ein nnberer Marcus SWenbel unb fein Ot)eim s^eter Darauf, bafe itjre
Vorfahren fchon feit 80 fahren ober nod) langer bie .Hammer, welche
„baö '•ßarabieo" heifje, innegehabt Ratten, $amit mürben mir alfo
in bie Witte bes 14. Sahrfninbert* jurücfoerfe&t merben, unb e$
begreift fid), bafe bie sJ)ienbel Mleö traten, um fid) im ungeftörten
"Hefa ihrer Wänmlidjfeiten $u erhalten, ba ein öfterer »cbfel in
benfelben für ihre Wefdjäfte nur nachteilig hätte fein fönnen. 3tlo
im 3abre 1430 ein Ulmer, Ramend %kter »in, fid) mit (bemalt
in ben $efa biefer Mammer ber 'iJfenbel fefeen mollte unb fogar
bao „Studium" (Bureau ober 5d)reibpult) erbrach, in melchem fid)
noch bie „Bücher" bes Marcus Wenbel befanben, befcbmerte fid) ber
Wirnberger ))iat mit Wecbt bei bau von Ulm unb legte bagegen
befonberd NHermabruug ein, baf? „einer beo reidioburger bem anbern
fold) einfeile $u madjeu furnimpt".5) l*lf ,)ahre fpäter aber — unb
bieo erfahren mir neu auo unferer uorliegenben llrfunbe — traten
Meorg sJ)tenbel unb fein Skubev bie Hälfte ibrer .Hammer im ^onbnco
an .Honrab 3ntboff ab, beffen Vorfahren gleidjfaüo feit geraumer
;Vit an bem beutfaVoenetianifrfnm «oanbel fid) beteiligt hatten.*)
"Hoftärigt mirb uns burd) biefeo Sofument zugleich ber "sHame ber
Hammer „bas ^arabieo" unb ebenfo bie £>öf)e beo ^Diietjinfe*
für folche „per graciamki (burch beionbere (%nft ber Regierung auf
längere $eit) oerliebene .Hämmern. Tvrfelbe betaig jährlich 4 Du-
taten — ebenfooiel $i aud) nod) im xVhre 14871) — unb iebe
Partei follte baoon bie .ftälfte befahlen, bleibt eine Partei bamit
Drei 3flbre im Wütfftanb, fo foll biefelbe jeben iMnfprud) auf bie
Vuilfte ber .Hammer oerlieren unb biefelbe gonj in ben $efa ber
anberen Partei übergehen. Tieo ift bann jebeufalls aud) eingetreten.
Tonn alo 8ebolb Bieter ber jüngere im x>ahre 147V) auf feiner Weife
nad) ^erufalem in ber .Hammer sJ>eter ^mhoffo im ft-onbaco auf=
genommen marb, bemerft er baut, bat? bie .Hammer früher bie ber
\Wenbel gemefen fei.8)
ferner barf id) hier nod) mitteilen, bau iid) im oon ^mhoff-
fdien Jamilienardni) Dürnberg auch jioei Criginalurfunben auo
Den fahren 1477 unb I4K1 befinben, meld)e bie )Weftallungen eine©
Haplano (Johann .Holb unb Wolfgang 3tahD am 8ebalbuealtar in
») ©. »b. 1, 6. 195.
•) 6. «b. 11, e. 75.
7) e. »b. ii, e. 13.
•) S. II, ©. 75« auft bciu „Meifebud) ber gatnilif Micta" (»iblic
ihr! be* litterar. herein« in «Stuttgart, »b. h'»8, ©. 37).
3ur OMd^tc be* ftonbaeo bei £fbe«d)t in «enebig 326
ber (beim gonbaco gelegenen) ^artbolomäuöfirdje 9) enthalten. löeibe
wirb fym sJ)tajor a. oon jmfjoff bemnädrft in ben ^Mitteilungen
bcä Ütoeine für ®efd)id)te ber otabt Dürnberg" oeröffentlid)en.
^at)re 1477 erfolgt bic Steftallung burd) ^otyanneö Xudjer.
Kcmrab Om^off, l'eontwrb &irfdroogel ben Weiteren, $atob (Partner,
Stephan Stoib unb Atonrab sJ)iarftaller in i^rem unb anberer in
NJ>enebig oerfetjrenbcr Nürnberger Kaufleute Manien, 1481 burd) ttun$
^mfjoff, tfeonbarb ^irfdroogel ben Weiteren unb Konrab SRarftaller.
(Tin befonbereö 3ntcreffe aber geroäfjrt ein — gletdjfallo im
Original im genannten silrd)ioe oorbanbenes — im Üafyxt 1491
angelegte« 3lbre^nungsbüd)lcin über bie Haltung jenes Sebalbue-
altarö, in welkem oon 1465—1514 alljäbrlid) oerjcidmet fteljt,
welche £innabmen für biefen 3^erf unb jroar aus ber ^ofung-
ftube — erhoben unb roelcbe Ausgaben in s#enebig — befonber« für
bie #eier beö 3. 3ebalbuöfefteo, ^efolbung bcö Jlaplanö u. bgl. m. —
gemadjt mürben. (So wäre febr ju rottnfd)en, bafj baöfelbe oollftänbig
befannt gemacht nnirbe.
<£in häuf prieff über bie Ijnltre karamer ;u nrnebig Ute
|org Penbel brat Conrat gm Soff »erkauft Ijat im 2Jar 1441.
^d) jorg SHenbel burger ju ^Urenberg befen offenließ mit btifem
briff für mein »ruber unb mid) bas mir reblict) oerfaufft b<*ben bem
erbergen ßonrabt nm £off unb feine erben ein l)albe tljeil an unfer
fammem 511 oenebig bao parabieft genannt ijm tcutfd)cn &auö bic
mir oon ber tjerfdmfft ju Oenebig p(er) gracia b<*ben unb er uiio
ben tooel behalt r)at, alffo bao (Sonrabt um Soff unb fein erben ben
felben t>albtf>eil fürpao eroiflidjen gepraudjen mögen in maffen allo
mir unfferen anbern tmlbteil tljon; unb er unb mir fdmUen all jar
nbe partbej fcroeb bucato feine ber berfdjafft boroon befallen unb
roeldjer iij jar lanf fein feino nid)t befallet, fo fdjol ber anbern
partben bie famer ganfe oerfallen fein; unb fdroll ein partbeo gleid)
aus oil red)fc \u ber famer baben als bie anbern on geroerbt.
•) ©. barüber #b. II, ©. 80 unb *b. I, @. 40« >Jir. 701.
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32f> <§inion*ffib, #ur <»ff<$ict)tf bf* ftenbace brt £cbc«<$i in $*enrbtg
$eö jur urfunbt fleb mir ob^efcbribcti meubel bem erbeten Gomrabt
nm &off unb fet)en erben biffen briff, bao alffo ftett unb fefft $n
baften, beit id) Worfl meubel mit meimer aU\en Ijantt gefförieben
tjab unb oerpefcett mit meinem auffaebrueftem pctfcfjeit für mein
pruber unb mid) geben nad) djrifti Geburt MCCCCXLI jar ju miter=
faften $u nurenberg.
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IKlttteiTimgcn unb ^lofiscn
Sine ganje JRetye oon 3(^i4irifteuf bie ba« (bebtet ber Äulturgefchicbte
mit gepflegt haben ober bereit 3nf>alt für bie Äulturgefcfjichte nic^t ebne
SBichtigteit war, ^abett in tr^ter 3cit ihr drfcöeinen eingeteilt; fo ba«„£ifto>
rifc^c Stafdjenbuch", ba« lange 3ahre hindurch beßanben unb jablreiaje fultnv
gefdjtchtliche Äbbanblungen gebraut ^at; fo bie „S3ierteljahr«fchrift für S$olf-5
wutfebaft, ^olitif unb &u(turgef$i$te", bie freiließ eigentlich lulturrnßoriMK
Arbeiten nid^t in attjn groger 3al?l veröffentlicht t)at. &uch ba« „Äu«lane",
ba« al« felbfiänbige 3^^f(htift fein (Srfdjeineu etngefleüt hat unb mit beut
,,©lobu«" Derfchmol$eu ift, mu§ t)i« angeführt werben: benn bie Äultui
gefchidjte «m weiteren wie im engeren ©inne ift in biefer wichtigen 3eitfchrift
häufig bertidftchtigt worben. 9co<h in lefeter 3eJt freien eine intereffante
Srttfelreihe Don ßgli über ben „Qöltergeift in ben geographifd)en 9camen".
(Snbfid) tfabtn bie berannte oon Pfeiffer gegrünbete „©ermania", bie für
bie beutfehe Hltertum«tunbe wichtig war, unb ba« „SRepertorium für ftuuft'
wiffenfdjaft" aufgehört ju erfcheinen.
Unfere 3eitfchrift wirb in oielen ©ejiehungen für jene 3eitfchriften einen
«rfafc bieten rönnen, unb erft recht beftrebt fein, ihre «ufgabe al« einige*
fulturhiftorifche« $auptorgan $u erfüllen.
* «
*
dxn auch fulturhifiorifch beachtenswerte« Unternehmen wirb in Sfena
geplant 2>ie Jenaer 9Winnefängerhanbfchrift fod uuberfürjt in natürlicher
©röge burd) unoeränberlichen Picbtbrucf ueroielfältigt unb fo allgemein «$u<
gängltdb gemacht werben. 2)ie Eigenart ber $anbfchrift beruht auf ben Pen
gleichseitiger $anb ben fiebern beigefchriebenen ©angweifen : fte wirb babitreb
jur $anptquetle unferer Äenntni« oon ber weltlichen 2Rufif be« SRittelalter*.
3>er lert ber $anbfchrift enthält lieber bon jablreichen befannten SWeiftern
ber t)«>ftf$«t 2>ichtfunft, namentlich be« 18. 3ahrt)unbfrt«: fo bon ^einrieb
gfrauenlob, Äonrab bon ffiürjburg, ©peroogel, lannhäufer. $en @<hi«f?
btlbet ber berühmte „©ängerfrie g auf ber ©artburg". — 2)ie 3lu«führnng
be« $(ane« ift bon einer genügenben 3a^ bon ©ubffribenten abhängig
gemacht. Such ro'r wünfehen, ba§ ftch bicfelben finben mögen. ^rofpehe
»etfenbet $err ©trobel in 3ena: bicfelben enthalten alle« fflähere.
Slitteilungen unb ftotijert
Ter tulturbiftorifcb tjixfcit roicbtige *ßapt)ru«funb Don Japum ifi jetjl
bind) Äarabaeef unb feine SJiitarbeiter fo weit qrficf^trt unb entjiffert, bafj eine
•Äu«fleClitng im Ocfterreidjifcbeu 9J?ufeum in ffiien bat erfolgen tonnen. St.
bat taut einen ftübrer frrtiggeftellt.
lieber bie Verbanblungen bf« „jroeiten internationalen $o(t(ore*(£o!i
greffe«" tft ein umfaffenber ©eridft feit einiger 3«t erfd)ienen: Tbe inter-
national Folk-Lore Congress 1891. Papers and tranaactions edited by
Joseph Jacob» and Alfred Nntt. London. David Nutt. IL Iiflc berietet
barüber in ber „3ufunft" 9cr. 73 unb beflagt namentlich ben geringen Inteil
bfittfd>er ftorfcber, tro|jbem beutfdje Arbeiten in biefen SJerbanblungen ftart
benntjt würben. 25er Verlauf be« Hongreffe« bat übrigen« gezeigt, bajj ficb
ein id)ärferer b'ftorifcber Sinn in ber „gfolflorr" bodj atlmäblicb geltenb maebt.
Von neueren 3ritfcbrifteuauffät}en üerjeiebneu mir junäcbf) au« bem
3nt;alte einiger un« jugegaugenen 3ritfdjrifteu:
3ritfd}rift be« Verein« für Volt«tunbe III. 3abrgang 1893
$eft 1—4: Ä. ©einbolb, bei ©ettlauf im beutfeben Volt«leben; Perne,
SRorgenlänbifcber Iberglaube in ber römifdjen äaifer&eit; Tl. ffiebfentr,
flu« Üioftenfafi. Arbeit unb Vraud) in £>au«, ftelb, Salb [; 8. Vrucb m ann,
3ur SRptbenbeutnng; 3- Volte, Ter ©djmanf oon ben brei liipelnben
Scbwefiern; 3- ©ebrber, SRätfelfrageu, Sett- u. Söunfcblieber; St. (J. $aafe,
»olf«rätfel au« ber Wraffcbaft ffluppin ; iSäfar ^(aifcblen, 3ur Volf««
biebtung; iß. ©cbwarfc, Volt«tüml»cbe ©cblaglicbter IV: 8. ©au m gart,
Au« bem mitteljd)leftfct}en Torfleben; Oiricjrf, Silber au« bem faeröifd?rn
Volf «leben Don .£>ammerfbaimb, au« bem ftaeröifcbeu übertragen;
(Sreujjing, Sagen unb Webräud)e im ©tubaitbal in Tirol; Voregfcb, 3U
ben beutfdjen Volfsliebern au« Vötjmen unb Reffen; Ter Jöolf mit bem
Söocfenbriefe. SRärcben, mitgeteilt uou (f. Tain tob, ler, erläutert oon
Ä. SB ein hol b: OJ. 3R in ben, Tie Iborab'töimprl ob. 2Xappe; 3.3. * m man,
Ta« ?eben 3efu, bou i\ SRartiuu« »on iSocbcm al« Cuefle geiftlidjer Volt«,
icbaufpiele: II), ©ieb«, Ta« ©aterlanb: ftr. 3ln?of, Allerlei 3nfd)riften au«
ben Alpeniänbern; C. ©cb.aU, Volt«rätfel au« bem Vergiften; Cr. edja^.
maör, ViUotte Jriulane; av. Vogt, Veiträge jur beutieben Votf«tuube au«
älteren Gneflen; fluguft Witten, r,bart gebilbete unb angeroenbett (Eigen«
namen im }cieberlänbifd}en ; Tl. .fpöfler, Ter ©erudj vom ©tanbpuntte ber
VolMfunbr. -
Äleine jWitteilung eu: 3- Volef, Megenjauber in Ofteuropa;
@. $raenfel, sJRi«ceden; @. (jobben, (Ärojbanfa unb laidahf, Tl.
Robben, ©. 3$ mar*, OWeffelte ©ötter; 8. Tirfjeu, «u« Oflfrie«lanb ;
3)1 ttller, $i\r Sage oon beu brei 3ungfrauen: Ciuc n?efipreu§if(t>e ©puf-
gefcbi$te; ^. SSeiuboIb, ©cbmur unter bem Milien; St. 9Raurerr 3um
Aberglauben auf 3«lanb ; ÜK i e I f e, Volf«tümlicbe ÄircbenbarfteHnngen ; £ ö tt i g,
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Mitteilungen unb flottjert 32$
©ommer* unb ©interfpiel au« ©djteften ; ©ommerfonntag in $eibelberg ;
Ä. ©einbolb, ©olMretme auf ©ettlerbocfoetten; 8t. Sange, ©tuen um
Hegen in $apan; G. Dirffen, Ofifrtrftfc^e« Wärmen; &rifd>auf, Die
falfdje ©raut; De* ©dmeiberlein« ®lü<f, ein SKärd)en; £. Sürßens,
sDiärdjen oon ber Äönig«tod)ier, bie ntd)t ladjen tonnte; 91. Hertmann, 3U
$ltic!«bafen unb SBettlauf; Wülfer, Heber ba« menbifcbe ©pradjgebiet; <Roa>
mal« ba« njfärdjen bon ben fleben ®rafeu.
Mitteilungen be« Berein« für bie ®efa)ta>te ber ©tabt
»Arnberg. 10. $eft. Darauö: 9t. (Einberg, $an« Äleberg, ber „gute
Deurldje", fein Seben unb fein Gbaratter. <£. SBernicte, 3ur Nürnberger
Ättnftlrrgefd)id)te. ©t. Donaubauer, Dürnberg in bev SWitte be« breiig
jäbtigrn Jtriege«. 9t. SJifl Her, Beiträge sunt ©riefroedjfel be« älteren fcierono
mu« Baumgartner unb feiner $ami(ie. (E. SKum men^of f , Beiträge jui
<&efd>id)te be« „freien $aubmerr«" ber SWalrr. <Dt. Äob n , 35er »tat ber ©tabt
Dürnberg a(« Taufpate.
9teue« Slrdjtü für ©ätbüfdje $ c jdjidjtc unb Altertum«
funbe XIV. $eft 3 u. 4. Darau«: 91. o. 9Jtinc!roi|}, Die furfürftlitben
?eibwad)en ju SRofc bi« jur (Errichtung be« ftebenben #eere«. 3Relfcei(
Über bie ättefle ©djulorlmung ber &reujfd)ule. Änotbc, Die (Em-
ftetyung unb ©Übung bürgerlidjer Familiennamen tu ben ©ed)«ftäbten ber
Oberlauf. SW. o. (S^rentbal, 3ro" #arnijd)e Don 3)iatt(jäu« grauen
prei« bem älteren. Di fiel, Ein ©abreiben be« Hofnarren ftroeblid) ein
feinen $errn (1727).
Leiter ftnb folgeube in ben testen SWonaten oeröffentlicbte Huffä^je
$u üerjeidjnen (wobei mir bemerfen, ba§ e« auf eine ©ibliograpt)ie uidjt
abgefefcen ifi):
Mitteilungen au« bem germattif eben Wattonalmuf eum
3at)rgang 1898: ©öfdj, 3ur ®efd)id)te ber tedjnifdjen ©erroenbung be«
Rapier«. (9Äit fpäteren ergänjenben ©emerfungen). ©öfd), 3U* ®f£
fa>td)te be« Wei^enbaOer ©aljtjanbel«. ©öfd), <8efd)roornenbud) bei
Nürnberger ©arbierer unb ©unbärjte. ©öfd), ©erlobung unb ©er-
ebelidjung in Dürnberg im 16. 3abrt)unbert. frubfe, ©elbßbiograptjie be«
ittater« ®eorg Sbriftopb (Simmart be« älteren. ©öid), »Da« Deutfdjtaufc
fegnen." ©öfd), (Entwurf eine« gotifd>en ©runneu« com (Snbe be« 15.
3abr&u«bert«. $. $eter«, Die Gbemte be« SRarfgrafen $riebrid) I. »?on
©ranbenbnrg. ©öfd), <Ei" ©eitrag jur ©üd}erau«ftattung. ©öfd),
(Ein ©djreibpult b. 17. 3at)r$unbert« im gcrmantfdjen 2Rufeum.
Alemannia, 21. $abrgang, $eft 2: §r. ?aud)ert, «u«fprüd)e bei
3immerifd;en St)ronit jur Äennjeid)nung ber Deutfdjen unb einzelner beutfd)eu
Stämme in (Ernft unb ©d)erj.
UnSlanb, 66. $a$rgang 9Jr. 43 ff: ®. © au calari, ^orfa>uugen
über ba« beutfa^e ©obnbau«.
Äpffbäufer, 7. 3abrg., tRoöember: 0. Orelli, ©itten unb dfebräudic,
fomie ba« t)än«(i(be 8eben ber ©ewoljner oon 3ürid) 1555-1575.
^iflorifdj-politifd^e ©lätter, 1893: ®. « r u p p , Sitteratentum in
ber «ufnärung»jeit.
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330
SRitteÜungen uttb 92oti^tt
fBeftermann* SRona t«^ef t r. 1893, Woöember : B$eli«, Äuliur«
$efd}i4)tli$e «Probleme in ber Seleutytung ber JBölferfunbe.
Eeutfche fflunbfdjau, 20. 3abrgang, £eft 4: (f. Äeoer, 3>ic
ttulturentroicfefung ttuflralien* 1/6.
Wieberlauf ifcer SRitte ilung en, 3. $anb, $eft 4: t>. ©($lobacb,
(Sinbrüde öon bem Pebcn in ©oran $u Anfang bc« 19. 3a$rhunbert*.
$ie Watur, 43. Jahrgang, flr. 2: &r. Älinrha rb t, 3)ie SWineralten
im Pi$te be« beutfäen ColfSaberglauben« ber Vergangenheit unb ©egenwart.
allgemeine 3''tung. Beilage 9ir. 285. (1893): «. «aftian,
Über $eti(4i6mu$.
allgemeine 3eitnng. »eilage 91r. 17. 18. (1894): <3. ©allanb,
3>ie amtmännin Don Oranienburg. (Sin »eitrag jur beutfifcen ©itten*
gcfc&ichte be* 17. ^al>rf|unbert«. («In* at* ©onberabbrud, SRümhen 1894,
erf Lienen.)
Mitteilungen be* biftorif^en Vereins für ©teiermarf 41 : Sin
öJrajer Äalenber für ba« 3abjr 1594 in bei üatitanityen »ibliotljet in Äom.
Beiträge jur Äunbe fteiermärfif^er ©efd)i^t*quellen 25:
a. SR eil, 3)ie mittelalterlichen Urbare unb aufeeicbuiingen in Steiermarf
ald Oueflen fteiermärfifeber ©irtfebaftsgefduefete. H. ©ubo, Au« ben föat«.
protofollen ber @tabt Gilli.
ard)i» für $oft u"b Xclegraph" 1894 tfr. 1: ©corg@tein.
h auftn, 3ur ©fliehte be« brieflichen ©elegenbeit«üertet)r3 in Eentfchlanb *)
*) SBir bitten bie Herren Verfaffer x>on 3eitf<hriftenauffäfcen, bie
Söert barauf legen, an biefer ©teile genannt jit werben, und bie betreffenbeu
«uffäfee jujufenben. SDie fflebaftion.
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ISefprodUmaeit.
Dr. gtfgmann u. Dr. C. flugo, fjnnDbudj bts §0tia-
lismiis in 7— ft Sief rammen ä ho ^fo. ^r. k°. tficferuiifl 1. 3ürid),
fBie ba§ Serwort be« in feiner erfteit Lieferung mir Dorliegenben
$anbbno}e« bemerft, beabftc^tigen bic SSevfaffcr, alle ©eftrebungen, bie ba«
tyerrfctyenbe pottttfdje unb feciale »Stiftern 3iigunfleu ber gro§en SWaffe ber<
änbern ober umftürjeu rootten, in ifyrcm ^anbbiicbe bar^nftetten nnb fo, oljnc
felbfi Äritit 311 üben, ben Ärttifer in bie Vage 311 fefeen, fieb. ein genaues unb
öoflflänbige« Urteil über bic ©ef<bid)te ber fojialiftii^en Bewegung 311 bilben.
SBie fo}toer e« iß, einer folgen Aufgabe geregt 311 roerben, ba« baben bie
Berfaffer felbfi empfunben, inbetn fte am (Snbe tfjrc* Borroorte« für ibre «r
beit nur ben (Sl/arafter eine« ©tttefroerfe« bcanfprud)en.
©leid? fern Don ber fanatifdjen ^einbfäjaft beS ©eguer« wie ber fdjwär*
merifdjen Begeiferung be« Parteigänger«, mit bcin ungetrübten ruhigen
"Äuge be* 3forf$er£ tyaben fte ben ®rfä)einuugeu ocO in« Ängeftdjt flauen
wollen. 9rad) ben öorltegenben groben roiü id) gern zugeben, baß fU fta)
reblfcb, bemfitjt &aben, foldje« $u tbun; aber weil, rote mir febeint, ibre per-
fönlto>e Huffaffung bie fojialbemofratiftbe ift, b,abeu fk ebenfo roenig oer^
modjt, tyren ^artetf!anbpunft 311 verleugnen, roie ein Sonferöatioer bei ber
?öfung einer äbnlidjen Aufgabe ben feinen verleugnet fjätte. 2>a« ift menfd)>
ltd) unb öer$eiblidj ; nur barf mau bann nidjt von feiner Arbeit behaupten,
bafj Pe ben objelttöen <5tanbpunft be« ^iftorifcrS vertrete.
«13 Belegftücf meine« Urteil« fübre id) ben flvtifel „Bäutrlid)er (Drnitb*
beftfc" an. Bevor in ib,m bie «Stellung ber So$ialbemofvatie bargelegt roirb,
fuo>en bie Berfaffer einen Übcrbtic? über bie gefa^icbttidje (Sntroicfelung bc«
beutfd)en bäuerlichen ©runbbefitje« 311 geben, bie unauffjaltfam 3ur ©iiter-
gerfpltrterung unb ^ßroletarifterung ber Bauern eiuerfeit«, 3111- Bilbuug von
ipatifunbien anbrerfeit« burd) 9lu«fauf nidjt blo« ein3elner Bauernftellen, fon«
bern ganger (Semeinben bind) ben ©rofjlapitaliften unb ben (^ro&grunb*
beftfcer fü$re. 35a« roirb als allgemein gültiger 2>atj aufgehellt, oljne
aud) nur mit einem ©orte ber örtlichen Beridjiebenfjeit ber Berfjäftniffe unb
ber SWomente $u gebenfen, bie einer foleben (Sntroirfelung entgegengeroirft
$aben unb entgegenroirfen.
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fcefprechnngert
SBo bleibt ba ber ©tanbpunft be« 5orfcber«? (Er mürbe gewahrt
rcotben fein, roenn bie ©erfaffer, fiatt it)r Urteil über ben bäuerlichen Orunb*
befifc in einer ftoxm oorgutragen, bie ben üefer 311 bem (Glauben oerleitet, e*
fei ba« objeftioe Urteil ber ©ef4i<bte, gefebrieben hätten: über bie gefdnebt'
liebe Gntroufeluug be« bäuerlichen ©runbbefitje« begt bie ©ojialbemotratie
folgenbe Hnficbt.
9Ru& ich fonacb bie Don ben ©evfaffern beanfpruebte ObjefttDität ihre«
Urteil« at« niebt überall erreicht bezeichnen, fo überfeine ich bod> be«balb bie
ißorjüge be« SBucbe« nicht, bie für mich t" feiner offenen Äbfage an be«
\Unar<hi«mu« unb in bem bemühen liegen, in ben biograpbifeben Srtiteln
auch täugfl oergeffenen ©oiialifien, namentlich englifcher unb franjöfifa>er
iWationalität, ein 2>entmal ju errichten.
Vermutlich febmebte ben ©erfaffern bei ihrer Aufgabe ba« «•©•(Meucb
für freifinnige ©äbler Dor, jene« fferiion parlamentarifcher 3eit« unb ©treit»
fragen Dom ©tanbpunfte ber beutfchfreifinnigen Partei, .ftätten fte nicht be«
anfprucht, ben ©tanbpunft be« forfchenben $ißorifer« $u oertreten, fo mürben
meine 9lu«fteHungen gegenftanb«lofe, fein unb ich tonnte nur einräumen, baß
e« ihnen gelungen fei, ein parteipolitifche« Viacbfcblagebucb ju fchaffen. ©0
aber mufjte ich jenen «nfprueb, jurüefroeifen , ohne im übrigen ju Derfennen,
baß bie SJerfaffer fta> beftrebten, objeftiD ju Derfabren, unb ba§ bie in leri-
fographifcher ffieife georbneten Brtitel ihre« $anbbudje« auch manchem nicht
fojialberaofrotifchen £ efer roiüfommeu fein roerben, ber ftch über bie (Entmidf*
(ung ber jojialiftijchen <Bemegung unb über bie ©tettuug ber ©ojialbemo»
tratie ju einer Weihe ber unfere ©egenmart bemegenben fragen in bequemer,
menn auch nicht in fritifcher Seife orientieren möchte. 99er fleh hingegen
über ben ®ojiali«mu« ein miffenfehaftliche« Urteil bitbeu rnitt, bem fei tjierju
ba« freilich erheblich teurere fcanbmbrterbucb ber ©taat«miffenfchaften (3ena,
©uftaD ftifeber) empfohlen, ein ©erf, Don bem nicht oft genug gefagt merben
fann, bafj feine«gleichen in ber tfitteratur nicht erifiiert.
©. St. «nton.
* .
gtlar Järjn$, |ibrr #rieg, |rielirn unb jfculrur. ©ine
Umfdjau. Berlin, Allgemeiner herein für beutfdje Ifttteratur 1893.
(XX it. 432 ©.)
„3)er Krieg mar, ift unb bleibt einer ber gemaltigften Kulturförberer
ber SWenfcbbeit". 3?a« ift ba« (Ergebnis be« oorliegenben ©ndje«. „2>ie
3ahl ber Kriege läßt ftch einfd)ränfen unb ba« ift gut ; benn Kriege um ge-
ringer Urfadjen mitten mürbigen feine meltgefchichtliche $ebeutung herab. 3)ie
Kriegführung lägt fid) milbern unb menn ba« in oernünftigem 9Raf?e ge-
fchieht, fo ift e« hoch erfreulich; benn ba« flJcenfcblicbe menfehlich ju thun, wirb
frei« ba« 3»el ber (Eblen bleiben, aber befeitigen lägt ber Krieg fich nimmer,
unb menn e« geläuge, fo mürbe bie Kultur unermeftlicben Schaben nehmen."
3<h ßette biefe ©orte, bie ben ©tanbpunft be« Sierfaffer« tharafteri«
fteren, Doran, roeil er biefen ©tanbpunft ohne 3meifel gehabt hat, ehe er
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Sefpredjungen
333
Irin ©ud) fdjrieb, unb weil er e« überhaupt ton biejem Stanbpunft au« gc
fdjrieben b,at. —
3$ teile benfelben infofern, al« id> meine, baß roir oom „ewigen
^rieben" re#t weit entfernt finb; id) glaube ebenfalls, baß ber «rieg eine
triftige ?eben«äußerung ber ©ölfer ift, baß er wobltbätig wirfen unb bie
Kultur förbern fann unb namentlid) aud) grförbert bat: aber utj fann und)
nic^t fo apobiftifd) gewiß äußern: „beteiligen läßt ber Krieg ftd) nimmer".
3<b weiß e« nidjt; aber id) meine, bie bi«berige biftonfdje tfntwidelung er»
giebt bod; eine iHeibe widriger Xbatfadjen, welcbe bie gegenteilige anhebt ju»
laffen fönnten. 3)iefe Ibatfadjen aber treten bei 3äl>n« entweber garnidjt ober
bod? nidjt in ber ibnen gebübrenben ©eleudjtung tjtxnox. 3d? Iomme barauf
fogleid) jurüd.
ftäbn« Sud) ift eine im boben ©rabe aneriennenSmerte Peiftung; e«
oerbient ba« Qfntf reffe weiter Äreiie unb wirb audj $weifello« oiet getefeu
werben. Cor allen fingen berubt e« auf einem febr reidjen SWaterial, baß gut
oerarbeitet ift. 35ie febr reidje tfitteratur über bie ftrage *ft in au«gebebn«
tefier ffleife berüdftdjtigt. ©er fid) jemal« bamit, wenn and) nur $u eigener
©elebjung, befdjäftigt bat, wirb ba« ju roürbigen miffen. ergänjungen
mären immerbin ju geben. fflofa>er j. ©. unb Gomte, bie fid) oerfcbiebentliib
über bie Jrage geäußert baben, fmb faum erroäbnt. 3äbn«' Sud) jerfädt
in einen tfjeoretifdjen unb einen biftonfdjen Seil. 3n jenem bejpridjt er bie
Segriffe „ffrieg" unb „^rieben", erläutert bie arten be« Äriege«, gebt auf
ba« 3beal be« „eroigen ^rieben«" ein, wobei er bie oerfdjiebeuen ftorberungen,
bie erboben finb, um ben ^ntereffenftreit ber Staaten ju oermeiben, al« un«
julänglid; ju erweifen juebt, unb erörtert bann bie „SSeltftetluua," be« Sriege«.
„2)fr Ärieg ift eine notwenbige, aber burdj freie Sefen gewirfte (!! warum
bie« gefugte Söort?) ©eltanfdjauung." 3n biefem Äapitcl fommt er aud)
auf bie jmeifello« erwiefene ftörberung ber Kultur burdj ben Krieg ju fpre»
djen. 34 fttmme freilid) — unb audj 3flbn* erfennt e« balb unb balb an —
im mefentlicben Herbert Spencer bei, ber meint, baß bie fulturförbernbe SÖtr-
fung be« Kriege« ber Sergangenbeit angehöre (Staatenbilbuug, Serfebr«»
erroeiternug u. f. f). 2>en größten Xt\\ be« JÜuaV« nimmt ber biftorifebe
£eil ein, ber fm>erlid) außerorbentlidj lebrreidj ift. «ber gerabe bei biefem
biflorifdjen Seil fommt t« eben bod) febr auf bie Seleudjtung an. 35aß im
?aufe ber b«Porijd)en Untmidelung ftcb eine «bnabme be« friegerifdjen ©eifte«
©oQjiebt, bafür giebt 3äbn« jwar inbirette Seweije, aber er ftellt e« nidjt
au«brüdlicb feft. ©ein au«gang«punft, bie ©tufe ber Ur^ unb 9taturoölfer,
ift bie ©tufe be« .Hriege« aller gegen alle, ©r felbft filtert ba« febr t>tibfdj
au*. Unb nehmen wir nun ben bi«berigen (Snbpunft, bie Stufe unferer
beutigen Äulturftaaten: tritt ba bie «bnab,me be« friegerifdjen ©eifte« nid)t
banbgreiflid) berDor? 2)iefe «bnabme tjättc nun in ibren einjelnen ^t)a\tn
bod) feftgeftellt werben müffen, im wcfeutlid)en ift fte bebingt burd) bie fort*
jdjreitenbe Äultur. oäbn« felbft ftedt ben erften $ortfd)ritt feft, bir Silbung be«
Staate«. (5r ftiftet, „aüerbing« nur in feinem engen Umfreife, ben erften
grieben". 35ie gmeite Stufe tritt bei ib,m jd)on weniger beutlid) berD01'» °'c
tpod^e be« friegerifdjen Staate«: jeber männliche «ngebörige ift ein Afrieger;
brr Ärieg ift ba« eigentlid)e bewerbe u. ). f. (OJermanen). #ier ift ber Ärieg
Digitiz
334
£rfrrr jungen
im Okunbc nod) iu Germanen}: wie beute ber Äricg, fo ift auf biejer
©tufe ber ftriebe bie «u*nabme. $n biefer ffieife laffrn ftd) bod) eine ganje
Bleibe »on SRomeuten flnben, bie bod) nid)t ofme 8ebeutung für ba« Urteit
über bie fünftige Sntmidelung ftnb. SRit fortfd)reitenber wirtfd)aftttd)er nnb
inteüettueller Äultur entfteben immer met)r Älaffen, bie an ber bauernben
(fcrfjalrung be* ^Hebend interefliert finb. 3n friegerifd)en Staaten ift nur
ber Ärieg männliche Srbeit, bic blutigen Äulturaufgaben beforgen $rc*e unD
©flaben. Da* änbert ftd) allmäblid). Slamentlid) ber $anbel ift Ijier au§er«
orbentlid) mistig. Die inbuftriellen unb int efleftu eilen ^vot'x^t menfd)lid)er
Xtyätigrett ermatten in Äulturftaaten ba« Übergewid)t. 2Rilitärifd)e «rfolge
ftnb nid)t meb,r bie menfd)lid) böd)ften. ,,©aul bot taufenb gefd)(agen, aber
Daoib aefjntaufenb", b>*6 öor 3*'****» a&*r ntd^t mebr beute. (Sine ganje
9teibe öon 93ebingungen, bie früher ben Ärieg erzeugten, finb fortgefallen;
bagegen (Bemalten unb SWa'djtc entftanben, bie ibn tjinbern, oerjögern ober
nad) 3Röglid)feit weniger unfjeilooü mad)en. Die <Sinrid)tung ftefcenber $eere
ferner ift burd)au« ein 3etd)en ber abnähme be« friegerifd)en ©etfle*. tBarum
trägt ber ©ürger f/eute feine Saffen mebr, aud) nid)t einmal ben Galanterie*
begen früherer Stxt't Der friegerijd)e £fd)erfeffe ift nod) bleute bi* au
bie 3&f>ne beroaffuet. ©ebeutfam ift bie neuere (Entnricfelung be* Söller-
red)t*, bebeutfam bie fortfd)reitenbe $umanifterung ber Äriegfübrung. — 3<b
will ljier nid)t weitere* anfübren : nur auf einen Umftanb mSd)te td) noa)
binroeifen, ber bie Slbnabme friegerifd)en ©eifte« fogar bleute bireft bewirft.
25a* ift ba* 3urürftreten ber perfönlid)en Dapferfeit im Äriege ber 3uiunft
Die Ärieg«ted)nif ift iefct jo fortgefd)ritten, bafi ein Wabfampf faft ganj au*«
gefdjloffen ift. Der Leiter, ber Xopu« Uberlieferter oorftürmenber £apfertrit,
ift al* Äampftruppe - baoon bin in) wenigfteu* überjeugt — garnid)t mebr
berwenbbar trofc neuefter SJerfudje.
fllle« ba* ftnb bod) SDRomente, bie $3ead)tung oerbienen. Unb feljen
wir etwa* tiefer in bie biftorifdje gntmidelung ber «Weujeit, fo fd)eint SWommfen
ORöm. GJefd). I, 483) red)t ju baben, wenn er meint, baf? ein, „wenn aud)
burd) wed)f elfeitigc ©efebbung unterhaltene«, bod) im ganjen frieb»
lid)e« unb freunblid)e* 3ufammen'<0t» °« Oerfd)iebenen Nationen ba* 3»*l
ber neueren $ö(terentmicfe(ungen au fein fdjeine". ^äbn* möge mid) nid)t
mißoerftrben. 34 wieberbole, ba§ id) gleid) ib>n, foweit wir jetyt fefjen
fönnen, ben ewigen ^rieben für au«gefa)loffen bo(te, baß id) ben Ärieg and)
für bie 3ufnnft für bie ultima ratio ber öölfer i)a\te unb ifjm in oielen
Sailen eine gefunbe biftorifd)e ffiirfuug aud) in 3ufunft sufdjreibe. «ber bie
biftorifd)e Sntwidelung ift lang. Unb ba*, wa* id) angeführt babe, fd)eint
mir bod) eine gegen ben Ärieg gerid)tete (Sntwidelung ber menfdjlidjen Äultur
ju beweifen. Sa* nennen wir SBeltgefd)id)te ? (Sine armfelige 6panne 3eit.
tJermeffen wir un* nid)t, ber 3ufunft @efe^e oorjufd)reiben ! 9Hod) ift nid)t
bie $ä(fte ber Srbe oon 2Renfd)en bewohnt, bie an unferer Äultur teilhaben.
(5* wirb fdjwer, weitere Sntwidelungen un* oorjufleaen: aber fie fommen,
ob.ne fid) um un* ju fümmern.
Da* ift e«, wa* id) grunbfä^lid) ju bem 8ud)e oon 3äb,n* ju be»
merfen b,abe. 3m übrigen wirb e* jebem, ben biefe bebeutfame Qftage inter«
ejfiert, ju empfehlen fein. Der b,ißorifd)e Jeil orientiert in fo umfaffenber
SMpredjuugen
335
2Beife über bte «uffaffung, bie ba« SKenfdjengefdjlecbt bi*ber oom Jcriegc ge.
babt bat, bag e« ifent faum entbebrlidj fein wirb.
(Seorg Steinhaufen.
Pilljdm iHl^pnffr $ alenber in feiner ©ttlttiiAelung non
*en älteren Jtaffingrn bis Ijeute. (*in .Hapitel ber beutföeit £auo=
aitertümer als Entwurf bargeftcllt. ^taberborn, fr 8d)öninöt) 1803.
(VIII u. 165 S.)
S)ie @efdjia)te be« beutfajen Äalenber« ift ein fulturbifiorifa) überau«
tntereffante« Xtyma unb erweitert fidj, wenn man in bie £iefe gebt unb
3eiten nnb SRenfdjen an bem ©anbei biefer eng mit bem 8olf«leben oer.
wa^fenen fftterarurgattung fhtbiert, p einem febr lebrreidjen Äulturgemälbe.
2>er Serfaffer be« öorliegenben »ll<blein« bat fub biefe botte «rfd)öpfung be«
©toffe« nidjt $nr Aufgabe gefegt. ,/Die Hbficbt mar, längft befannte , aber
bi«ber nod) nidjt bereinigte (Ergebniffe ber ©tffenfdjaft in fnappe unb ledbare
Jcrm Uberfic^tlic^ aufammenjtifaffen." (SHeidjmobl ftecft in ber &d)rift Diel
THi^t unb Ärbeit, unb mandjerlei »Neue« wirb ber Äunbige brrauSfinben.
©fiteren Äreifen ift bie Üeftüre fcbr ju empfebten; man wirb mand>e« @tü<f
»ergangenen 8olf«leben« beleihtet fütben. £ter unb ba wäre otelleicbt eine
meitergreifenbe ©djitberung wttnfd)en«wert qeroefeu; bie $Roöe, bie bie ©djreib«
falenber j. ©. im Gebert gefpielt baben — faft jebe ©ibliotbef bat ia nodj
€>erien foldjer Blldjlem mit oft redjt intereffanten (Eintragungen — fonnte
beröorgeboben werben. 3u ber »emerfung auf 8. 103, baß ibr erfte« auf-
treten nodj bi* in bie SWitte be* 16. ^abrbunbert« jurüdreidje , fübre icb
als befiätigenbe ©rgä'njung eine ©teile an« bem »udje ©cinsberq (br«g. oon
fceblbaum I, e. 12 u. 331) an. Sarin berietet ^ermann ©ein«berg, „mit
«nno 15&0 babe er angefangen in Heine aimanadjSbücbleui jroifdjen jebe*
©fatt ber Xage ein reine« papierene« ©lätttben 3u binben, barauf man un-
gefäbr lag üor lag, ©odje üor ©odje in aller Äurje aufeeidjnen fonnte,
roa« gefdjeben mocbte". 3weibunbert $abre fpäter erjagte $oetbe oon ben
©cbreibfalenbern feine« ©ro&oater«, unter betten er al« Änabe „geftbrt" l?abe.
2)0(b ba« gehört fcbliefelid) nid)t jttr edjilberung ber ffalettber jelbft,
alfo bem Ibema Upl«. 3fd) mieberbole. bo& ba« fleine 33ucb. Dolle 2lner.
fennung Derbient. Cr bietet un« oielleidjt balb eine größere Ausarbeitung
be« Entwurfs. ©forg eteinbaui'en.
*
*
P. Satljanfrn, glus $amburgs alten tagen, tfrnite unb
heitere aWitteirungen. Hamburg, 3ür«enfen & Metfor 1H»4. (!:«>«.")
3n anfprud)«lofer Jorm werben bier eine Weibe Meiner flttffäfce ge.
boten, bie fafi burd^weg auf eigener ftorfd;ung beruben. «in Xeil berfelben
Digitiz
33«
Befprecbungen
ift wesentlich lolalbiitorifd) intereffant; ritt anberrc unb jwar bei größere
fpiegelt allgemeine 3uftänbe unb Strömungen auf Hamburger ©oben wieber.
©o ift al« ein lehrreicher, für weitere Steife iutereffanter Beitrag gleich ber
erfte ju nennen: „3u ben Anfängen be« XabaN unb 3'a.afrenrauchen« m
Hamburg". ,,Xa« beliebte unb gelobte Ärätttlein Xaboct" bat, wie befannt,
um 1700 herum eine befonbere SBichtigfeit gehabt. Wach fcoffmann »on
3au*er«lebcn riecht in ber fcbönen Pitteratur bamal« jebe« Blatt nach Xabad.
SS betrieb te ein Äultu« fce« Änafler« wie ber Xwfe, ein Äultu«, bem auch
ba« weibliche ©efctjlecht hulbigte. „Die Schönen felbft fittb bir gewogen nnb
öfter« hat bein Wöhr ein gartrr ffltunb gefügt", fagt Ääjtner. 3für biefe 3eit,
aber auch für bie frühere unb fpätere ©efchichte be« Stauchen« giebt 9i.
hübfche Beiträge. „Bom Äleiberanfwanb ber legten ^ahrfjunberte", oon ben
„Verfielen, 3öpfen, $aorbeuteln" hanbelu jmei aubere Huffäfje, bie nicht ge-
rabe erfdjöpfenb, aber boch erwähnenswert finb. $ür bie ©efchichte be« beut-
fchen ßanbwerferflanbe« nicht unwichtig ftnb bie Wotijen über ben ©efellen»
aufftanb oon 1791, ber feiner 3"t auch eine (jan^e Pitteratttr hervorgerufen
hat. $ür bie Bolf«funbe oon SJert ifl ber lefete «bfchnitt: „Xie ber «Iten.
watlftraße bi« jum (Jahre 1842 eigentümlichen Äinberlieber , ffliegenlieber,
Wälfel." Dem 3iel, ba« ber BerfaRer fich flrfteUt, genügt ba« Büchlein oofl.
fommen, unb in biefem Sinne barf e« auch Mchthamburgern empfohlen
werben. ©eorg Steinhaufen.
#arl Paliher, (<3rmtlm|j Der fWfUtiffr^tf un& Her tynfllfn-
hunDr. Karlorube 1 h*ȟ.
(gegenüber ber immer mehr in« (Sinjelne gehenben Spejialforfchung
macht fich ie&t auf oerfchiebenen Gebieten ber SBiffenfcbaft ba« Beflreben be-
merflieb, eine aQju große 3'rfplitteruug burch 3"fa>nnienfafjung ber gefächerten
ttrgcbniffe ju betämpfen, ein Beflreben, ba« otrlfach, j. B. mit ber $erau««
gäbe be« „©runbriffeS ber germ. Philologie", ber ©iffenfdjaft gute Xienfle
leiftct. Berf. be« hier oorliegenben „©runbriffe«" befchritt ben üietteicht ganj
vorteilhaften, aber boch nittpt mtbebentlichen Söcg, in einer Betrachtung über
bie Aufgaben ber ©efcbichtßwiffenfchaft in ber „©egenwart" aubeutenb im
oorau« auf fein Buch h'njuweifen. Velber muß biefc Beipredjung mit Su«-
Peilungen am Xitel einfc&en. »uf 314 Seiten Tann mau feinen ©runbriß
ber fBeltgefchichte fchreiben. Xa« Buch ift feinem Xitel noch für „$iftorifcr,
Pehrer, (Jraminauben unb anbere ©ebilbetf" bejtimtnt; ich wüßte aber nicht,
welchem 3mecfe e« thatfächlich oÖUig genügen (Bunte. Bon einem ©runbriß
ber Oufüenlunbe bürfte man boch eine fortlaufcnbc Angabe unb furje Äenn-
jeichnung ber michtigften Cuetlen erwarten; ftatt beffen fehlt jebe «ngabe
hierüber, wir erhalten in ben Slnmerfungen nirbt« als bie Hufjätjlung einiger
Sammelwerfc unb h'ftorifcher 3eitfchriften mit gelegentlichen, jum Xeil fehr
anfechtbaren Bemerfungen. Xiefe Ouellenfunbe, in ber Don ben Duellen nia)t
bie Webe ift, oeranlaßt eine i ebenfalls nicht beabfichtigte , aber gleichwohl
bebenfliche Irreführung be« Ääufer«! Berf. bewerft in bem Borworte, baß
er ftch burd; M< Stubien öou brei 3ahrjehnten auf fein JBerf borbereitet
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^rfprechungen
337
hat. fBie mir f$etnt, ift er bennoeb nid>t tief genug in ben ©egenftanb ein-
gebrungen. Die Irrtümer, bie ftcb in bem ©udje finben, rechtfertigen bie«
Urteil. €5. 34 behauptet SB., baß bie 3nber urfpvünglid) ben Wegen- unb
Donnergott 3nbra oerebrten, wäbjenb bem 3ubrabienft fin Dämonenfult
unb bie Verehrung oerfdnebencr $imntel£götter oorau£ging. Die ftaatlic^c
SSerfaffung unb bie ©eoölferung oon Äreta waren ntdjt, wie Jöerf. ©. 30
meint, rein borifcb, jonbern acbäifdvboriicb. 3» ®- 48 '• SlnaragoraS oertrat
nicht gerabe eine ben flnfidjten beä Demofrito« ähnliche Pebre, ba er eine
bem «tt innewohuenbe, b,öd>fte ^ntelligena behauptete, e. 55 bezeichnet SB.
bie ©optnften al<S Vorläufer ©aüignpS, Stofdjer«, .ftcgelS, eine 23ehauptung,
ber in biefer narften Allgemeinheit faum jii oerftehen ift. B. 81 unten : „^ut,
(bem Xiberiu«) folgte fein 12 u. Gpc geborener 9Jeffe ©aju8 (Säjar, ein
©ohn beö 9 0. (ihr. oerftorbenen DrufuS" ftellt bod) wohl eine ztemlid)
r)anbqrf iflidjr Unmöqlicfjfett bar. 3. 85: Der eigentliche Sbrifteno erfolger ift
nicht Dioriettan, fonbern ©aleriu«. @. 90: <Rid)t ©ratian. jonbern iKarimu*
lie| 886 $ri«ciaian als Äefcer in Drier entbaupten. S. 96: Daß bie 3at)l
ber ©acbjen, welche ftarl ber ©roße ju ©erben mcbermachen ließ, ftcb wirf,
ltd? auf 4500 belaufen haben fann, ift naa) bem gegenwärtigen ©tanbe ber
r>orfd)ung fet)r zweifelhaft. Senn SB. auf ©. 97 bemerft, baß $inl>art nicht,
wie bie €>age erzählt, ©chwiegerfobn beS &ai)ers> gewejen, hätte er bod> auch
hinzufügen foDen, baß Angilben aber (Gemahl ber Äaifertod)ter S3ertba war.
Junta! biefe lijatfache gur Duelle einer weitoergrorigten ©agenbilbuna. ge»
rootben ift. Der «uffianb bei 3ad)fen unter ^einrieb IV (@. 101) beginnt
nad? ben Duellen nicht 1074, wie SJerf. will, fonbern fdwn 1073. Da« wären
für 100 ©eiten wohl ber 3"tümer genug; auch bie folgenben ftbfchnittc fint-
nid)t forgfältiger gearbeitet. SBa$ aber fdjmerer wiegt: es* fehlt and) nicht
an red)t oberflächlichen Urteilen in wichtigen 5ragfn- ~- 113: DaS .Honig«
tum ber Äopetinger befefrigte fid), weil e§ fid) ton ttjörichten SRbmerziigen
fernhielt. (Sntfpredjenb fla* ifl SB.« Urteil über ben Webergang be$ beuifcben
Äonigtum«; er hat immer nur ba* eine Moment ber SRömerjüge oorSlugen,
obgleich man heute über bieje ftrage *0<b nid?t me^r urteilen tonn, ohne bie
toirtfehaftlichen , ftnanjpolitifdjen unb oerfaffungSrechtlichen ®eftd)t3punfte 51t
berüdfichtigen. Dem SRerfantilfpftem in Greußen unter ftriebrieb, SBilhelm 1
unb ^fnebrich II gegenüber ift ili*. ben (Erwägungen, welche jugunften bes-
felben oon ©etymofler unb anbereu angefteöt unb mit lehr wichtigen ©rünbeu
unterftüfct mürben, üöü"ig oerfchloffen. Cr urteilt hier oöllig a priori nacb
bem Äatechilmu* ber freit)änblerifchen Doltrin '). Übrigen* ift es unrichtig,
wenn oon ihm ©. 181 behauptet wirb, baß Jricbrich ffiiltjelm I bie .^brig-
feit ber Sauern bee ^Ibel* nicht aufzuheben gewagt t)at. Der Ätfnig bat
bie Aufhebung ber feibeigenfehaft in cerfchiebeneu (Srlaffen befohlen, ifl aber
mit biefen ©eftrebungen wejentlich an bem pafrioen JBiberftanbt- ber Kammern,
olfo ber ©ureaufratie , gejdjeitert. ^in jiemlid)f Unfenntni« be* geiftigen
») ©ir bemerlen ju bieü*r Stelle unb ber jpateren über >Kitfd;l, baß
trgenbwelcbr ©djulmeinungen in biefer 3«tfdmft uid>t oertreten werben, baft
alfo Stellungnahme 3U folgen lebiglid) Sacbc bei betr. Herren ?He cenfe ntcn
ifl. - «eb.
3«tWrtft für ÄmnK9ci<t»«*tf. i. 22
338
l'eben« bcr ®egenmart geigt SB. ©. 257 in bem ©erfucbe einer Äenngeichnung
ber ttjeologifcben Stiftungen unferer fyit. 2>tc fcböpferifdje Äraft unb
grunblegenbe ©ebeutung ber SRitfcblfcben Geologie ift ihm ööflig fremb ge»
blieben, er fprid» im Jargon ber $age«preffe Don einer fyalb ortboborcn
IDttttelpartei, mährenb er ficb fj'ux leicht au« ben für weitere Areife bc>
ftimmten ©rofcbüren unb 3«Mf riftenauffäfcen oon fRitfcbl, fcermann, Äaftan
unb anberen hätte bcffer unterrichten fönnen. <S« ließe ftcb, auch in biejem
fünfte, inbetreff oberfläch. lidjer Urteile, noch weit mehr erinnern. Xro&bera
aber foll nicht beflritten werben, baj? ba« ©u<b feine ©orgüge bat. SRancbe*
(j. ©. bie griedfifcben unb rbmifcben ©erfaffungen) ift lidjtoofl unb überfiel-
lieb bargefteflt. 3n ben fulturgefcbicbtlicben Zotigen ftnbet fta) vielerlei, baS
man auch in größeren SBerfen oergebend fucbt. 3>te 2)arftrttung«* unb Ur*
teil*metfe tft bi«weilen recht anregenb. ©o barf ba« ©ucb, einem ßtftorifer,
ber einmal ba« gange Oebiet ber ©efcbicbte in gebrängter Earfteüung gu
überfein wünfcbt, trofe aller ©ebenfen wobl empfohlen »erben. 3U IoD'n
ift noch, ba§ SB. auch bie fUtlidjeu ©erhältniffe im Äuge behält unb und bi*«
ro eilen einen ©lid auf ben ©tanb ber etbifcben Äultur gu werfen gemattet,
©ei ausgiebigerer ©erwertung biefe« ®eficbt«»unfte« mürbe er ben (Eigenwert
feiner ürbeit entfajieben erhöbt b,aben. 25er ©ebanfe, welcher bem ©erte
SB.« gugrunbe liegt, oerbient gweifello« eine erfcböpfenbere »u«ffth rung , jo
e« ift ein Problem ber ©ef$ia)tfd;reibung.
©acbfa a. £arg. »ubolf «oette.
* *
*
Snni»b«rfj Her freut^en ©efdftditf m^erbintmna, mit^.ffttjgf,
p. J^ui^e, gj. f)at|n, G. gtdtjler, $. <Brof mann , ©. Jiebf,
©. ($Utn$fr, (fcrler, <8L phtter, J. Surfd), 31. gtlrinMrafot
herausgegeben von fruno tfrblprM. ^ 2toe., Stuttgart 1891.
Such ba« 3'eI biefe« §anbbucbe« ift eine 3ufantmenfaffung ber (fr*
gebniffe ber Jorfdpung. <£« fotl oor allem ein 92acbfcb(agemert fein, unb be«»
^alb ift für bie Slnorbnung be« ©toffe« Surfe' Äircbengefcbicbte gum ©orbilb
gemäht roorben. Die beutfd>e ®ef<bid)te ift mit einer für ben 3med hin-
reio>enben «u«fübrlicbteit in ben einfdjtägigen fragen meift Mar unb grfinb«
lif bargefleat worben. ©et)r lefenöroert ift bie 3)arfle0nng be« wirtfdjaftlidjfn
feben«, be« Med)t«leben« unb ber ©erfaffung, roie fle für bie beutfebe Urjeit
<Ricbarb ©etb,ge geliefert bot; ebenfo oerbient ber «bfdntitt „©erfaffung, 8Hea>t.
2öirtftf)aft Pom Cnbc ber Äarolingerjeit bi« jum Qnterreguum", beffen ©er«
faffer ©eorg Piebe ift, ade« $?ob. 2)ie »bftbnitte über ba« getfitge 8eben, t?on
®eorg «Üinger bearbeitet, ftnb entffieben gu furg getommen. SDlpftif unb
Äe^eret ftnb g. ©. auf groei ©eiten abgetan ob.ne irgenbroel*e Pitteratur«
angaben; natürlich fonnte auf fo beffränftem fflaumc bie ©ebeurung ber
SK^ftif für bie Information nifht gewürbigt roerben, ebenfo wenig roie bie
©ebeutung ber ©albenfer. ftuffallenb ift auch bei einem berartigen ffierff
ber 9u«fchlug be« Äulturgefchichtlichen im engeren ©tnne. (S« ift }a unbe*
ftreitbar, ba§ bie (frgebniffe ber fu(tiirgefä)icht(ichen ^orfchung uoo> febr lüden*
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«efprechungcn 339
^oft ftnb, aber Da« Vortjanbene tonnte bod) benufet werben. Sir tonnen
g. 5». ein giemlich genaue* »Üb be* gefeHfchaftlichen Sehen* in ber ©lütegett
ber mt)b. Sichtung entwerfen, mir ftnb auch über ba« ftäbtifche ?eben im
auSgebenben SDlittelalter leiblich wo&l unterrichtet; ba* ift aber au* biefem
$anbbud>e nicht gu evfennen. $n bcm gweiten ©anbe, bcr mit bem ©cginn
ber Deformation einfror, ift ü£irtfcbaft, JRcdjt unb Verfaffung nicht mehr ge«
fonbert bebanbelt unb tommt nun gleichfall* entfd)icben gu furg aud) für bie
3eiträume, wo genügeub Vorarbeiten gur Verfügung Ret)eu. 2>ie größten
©ebenfen muß bie 2>arßellung be* ßeitalter« ber ©efreiung«triegc oon <ßrof.
Srtt)iir Äleinfchmibt erregen unb gmar inbaltlid; unb ftiliftifd;. 3>ie ©täbte-
orbnung tann man nicht, wie auf ©. 416 gefd)etjen ift, al* ©tein* unb
©djrötter* ©erl begeidjnen, wenn man ba* b>r maügebenbe SBerf (8. äReöer,
Deform ber VerwaltungSorgauiiation) nicht bloß unter ber $itteratur an-
führt, fonbern e* auch tennt; Stein hat nidjt* gur Sbfaffung beigetragen,
ber eigentliche Vater be* ©efe&e* ift SBilfen*. $a§ man, wie auf @. 414
behauptet wirb, burd? bie „Vcrorbnung über bie oeränberte Verfaffung bcr
oberften VerwaltungSbebörben ber üWonardjie" mit bem Äollegialfoftem ge-
brochen b,abe, barf nicht behauptet werben. 2)ian lief? ia bie Äammern in
ben $rooingen al* „Regierungen" beftehen, worauf tjitx alle« anfam. Unter
benen, bie am öfterreidjifchen .$ofe 1809 lebhaft für ben ^rieben eintraten,
war befonber* auch (Benfe;, ma* St. nach ©. 425 nicht gu wiffen fd)eintt
S. 428 meint Verf., inbem er £reitfa)fe* «Meinung wiebergiebt, ba* »er«
fprechen be* Äönig* oom 3at)re 1810, eine gwedmäßig eingerichtete Wotioual.
repräfentarion gu gewähren, fei eine bebcnfliche Übereilung gewefen. (Sine
Übereilung war e* nur, wenn bie ©rfüUung be* Verfprechen* unmöglich war.
3u biefer ftrage aber tjat ber fet>r grünblia)e Verfaffer gar nicht ©teüung
genommen. 2)a§ man bem ®rafeu 0. b. ©oltj, wenn man ihn al* „wohl
gepuberte Duüität" bezeichnet (S. 429), bodj nicht gang gerecht wirb, geht
au« .fcaffel (©efd). b. preuß. ^olitit) heroor. St. führt biefe* 2Bert gmar mit
unter ber eittcrarur an, läßt fiel? aber buraj beffen 3nt)alt nicht im minbeften
becinfluffen. ®. 430 bürfte ber Pcfer begierig fein, gu erfahren, gegen welche
(SJegenleiflung bie ©auern auf ben Rittergütern gu freiem Eigentum gelangt
finb. @. 433 h«6t e* Don «leranber: „er ermannte fta) gum echten dürften"
S. 434: „3)er Äönig begnügte fid) oorerft mit Anlegung be* JBege* gur
«lliang mit öfterreich unb 9Ruf?lanb". (Sbeuba wirb behauptet: „2)er Äönig
hatte ambrttcflich oerboten, in ÄapitulationSDerhanblungen mit ben
Staffen eingutreten", obgleich Biebrich SÖilbelm III SSeiiungen oielmehr bura>
aus gmeibeutig waren. B>. 441: Napoleon „tonnte in Seutfchlanb feinen
$alt mehr machen". @. 374 in ber 2)arßelluug be* 9teoolution*geita(ter«
oon bemfelben Serfaffer (bie aber wie baS gleichfalls oon Äleinfchmibt bc«
hanbelte 3«tölter ftriebrich* be§ (Großen weit grünblichere Äenntnis beg
Öeqenftanbe« oerrät) „bie weitmeiften Deid)«ftänbe". 3)aö 2Berf als ©ange«
ift bei mannigfachen Mängeln bem ßiftorifer boch gu empfehlen, ba cS ftch in
ben meiften gäflen al4 nü^liched 9?achfchlagebuch bewährt; ba& e« (wie ber
$erau«geber hofft) auch ü&er ben firei« ber Fachleute t)\nau& Verbreitung
ftnbet, halte itf) für giemlich unwabrfcheinlid?.
©achfa a. ^arg. 5«ubolf ©oette.
340
3?f|precbungen
lUbredft Stfteridj, ilfkgio, Beiträge jur <£rflärung ber neu;
entbecften ^etrufiapofalgpfe. £eip$i0, 33. &. Xeubner, 1893. (VI u.
238 ©.)
$c mebr mir bie ganje ©fit al« rinnt einbeitlidben Organismus ju
begreifen unb auf afle (Erfcbeimtngen tu ib,r ba3 eine unb gleidje ©efefc ber
©ntmidelung anjuwenben lernen, um fo metpr mtiffen bie flteferüatredjte,
weldje man früher rinjrlnen ©ebieten mfnfdjlidjer Äultur einräumte , Oer-
fdjwinben. Widjt« bat wobl fo oiel BnfpruA, eine BuSnabmefietlung einju»
nehmen, als bie Religion. $at fie eS bod) $u tbun mit bem SSerljältniffe
bcS aKenfdjen ju bem überweltlidjen ©Ott, weldjeS nur burdj ein (Rngreifen
birfrr außerweltliaVn SDladjt in baS ©efitge brr ©eltentwidelung erflärt
werben ju fönnen ftf?eint. Unb bennod) fann unfer ©eltertennen aud> f)\tx>
t>or ntdjt #alt mannen. ©irb man audj bhtter tat ttcffle ©eljeimniS aller
Religion mit feiner nod) fo fein auSgebilbeten tritifäen SWeUjobe gelangen, bie
gefcbidjtltdjen formen, meldje bie* ©erbältnis beS 2Renfd)en ju feinem ©ett
jeweilig annimmt, unterliegen ber wiffenfdjaftlidjen ffirforfdjung unb Äririf.
©o rjat bie neuere Geologie feit geraumer ßett fid) baran gemalt, atk
bie mannigfachen SBejiebungen, meldte baS Gtmftentum ju ben Religionen
bat, bie iljm vorangegangen traten, in boren (£rbe eS eintrat, aufjubelten.
yi'xift als ob birfr drfrnntntffr gan.$ neue mären! CS muß unferer 3e^»
wrldjr in ber floljen ftrenbe an iljren (Jntbecfungen nur $u geneigt if», bie
«ergangenbeit ju unterfdjäfcen, immer wieber oorgebalten »erben, baß oieleS,
waS man a(S neuere Srrungenfdjaft preift, frbon oon alterSb>r längfl be*
tannt ift, unb baß eS Dielfad) nur bie $orm ber (ErfenntniS tfl r roeld^e ftdj
»eränbert Ijat. ®aß baS (Jtyriflentum (einfdjließltcb be« ja oon ber (Fb^Nen*
beit alSbalb ganj für ft$ in 9nfprud) genommenen SUten $eftamenteS in
djrifMidjer Äuffaffung) mannigfache Siegelungen ju ber ©etSbeitSle&re <8rie»
djenlanbs b,abe, baß fta) in ben formen, welie bir d)riftlid)e ©otteSüerebrung
frübjeitig annahm, oirl frappante Ä^nlidjfeit mit ben ©btterfulten ber Hntiff
ftnbe, wußtrn bir ältrrrn Äirdjrnoätrr fdjon fo gut wir mir. ©ir fpradjrn oen
rinrm 3)iebftabl, ben ©riedjenlanbs $b«'ofopben an SWoftS ©djriftrn begangen
hätten; fte glaubten ©amenforner jener bie ganje ©eltibee in ft<^ faffenbrn
®ptte*oemunft, roelrbe ftcb tbnen in Qbrißo inTamiert barfledte, aud) b,ie unb
ba im ^eibentume oerflreut j$u ftnben; fte ia^alten bie Dämonen ob brr
Wadjäffung göttlidjer ^nftitutionen in b.eibnifd)en ÄultuSformen. 6ie nahmen
eben ibren ©tanbpuntt auöfdjließlidj in bem (Sbrinentum — u. jto. ber bo«
maligen (£rfcb.einnng«form be*felben — , me((be« iljnen alö unüermittelt »on
©ort geoffenbart unb barum als allein beren)tigtr Äeligion«form erf&ien.
©tr jueben je^t aurb ba£ dbnflentum feiner äußeren $orm nad) üeit'
gefdjtcbtlifb ju begreifen. 5)aber ift unferr SKetbobe eine anbere geworben.
3uglci(b bot ff* unfer S3lid erwettert, baburdj baß wir — jeitlidj weiter
baoon entfernt — niebt nur bie grifdjifcb'römifcben Äcligiondformen beffer aW
jene in ibrer gef(bicbtlid;en Cntwidelung erfennen, fonbem aueb. eine große fn»
jabl frember „barbarifdjer" Sieligionen jum $rrgleid>e beranjieben fönnen.
3)a8 Material ift fo in« ungeheuere gewadjfen, baß e« bem einjetnm
febwer ift, e§ \n ilberbliden. Um fo freubiger muß bir Xbeologir e« begrüß",
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Vefpred)ungen
341
ba§ aucp Vertreter anberer ÜBtffenfdjafteu bie $anb bieten jur Pöfung ber
bier nod) (o japlreid) oorliegenben Probleme, $abeu ftc^ ^ptlologen wie
Sblftin unb feine ©cpule unb Diele anbere neben biefen ben betten 3)anf
ber Xbeologte baburd) oerbient, baß fte — be« ewigen $erumarbeiten« an
ben grierptfdjen unb römifdjen Älajfifern mübe — fiep ber älteren (priftlt<pen
?ttteratur jugemanbt paben unb fid) bemübeu, un« bieje aucp bem Vpjlologen
grofienteil« botpintereffanten Seite in lesbaren Herten bar$ubieten, fo ge>
büf>rt Ufener ber fflupm, bie religion«gefcpicptli(pen fragen ernftlirb in Angriff
genommen unb aucp feine Scpüler auf biefe bingemiefen ju baben.
3n bie Äetye ber bureb ipn angeregten, unter feinen Aufpicien Der«
öffentlicbten Arbeiten gehört aucp bie bier ju befpredjenbe be« SWarburger
^rioatboienten «. 3)ieterid), weldjer fid) bereit« burd) üerfdjiebene religion«»
gef(pid)tli<pe arbeiten, befonber« au« bem ÖJebicte be« orpbifcpen 9Wpfterien»
wefen«, Dorteilpaft betannt gemadjt bat. Verleibe ift burd) bie Aufftnbung
jener merfmürbiger Vrucpftüde eine« Croangelium« uub einer Apotalppfe be«
$etru« in einem (Sober au« ben (JJräberfelbern Don Afbmim Deranfafjt morben,
bie Cftitnwfelung ber UnterweltSüorfteÜungen innerbalb be« griedjifdjeu 2)eu»
fen« ju unterfuepen uub tpren Übergang in bie (priftlicpe Pitteratur, in weldjer
eben jene Fragmente ben Slu«gang«punft bilben, bar^ufteOeu.
3unäa>fi giebt er ben Xert be« in Vetradjt fominenbcn gfragmente«
mit Überlegung, foroie bie anbermeitig betaunteit Fragmente einer ^etru««
apofalppfe, um bieran bie ^ppotbefe 311 fuüpfen, baß bie urfprünglidje 3lpo>
fafppfe ein ieit be« $etru«eDangelium« (Anfang be« ^weiten ^abib,unbert«)
geroefen fei, ber fpäter, ju gleidjem 3rofrfc wie in bem Gkabc Don Aibmim
lo«getrennt, eine nod) beutlid) 311 unterfcpeibenDe Vereiterung erhalten babe unb
fo admäplicp ju einer felbftänbigen i*etru«apofalppfe geworben fei, wie fic
bereit« ©fernen« SU er. am (Snbe be« ^weiten ^aprpunbert« teunt. 3ener
Vereiterung, ber „$immel«< uub .ftöflenotfiou", gilt bann bie weitere Unter»
fuepung.
3n bem erflen Äapitel üetlt bietend) ben griecbijcpen Volt«glauben
bar, inbem er jeigt, roie bie fdjon bei .§omer faft gauj jurüdgebrängte Vor»
flettung oon einem «ufentpultSorte ber Seligen im fernften Sehen aUmäbltd)
in Die anbere übergept, welcpe biefe (Mcfilbe mit allem, wa« baju gepört, in
bie $abe«tiefe oerlegt. sJ?ur in Sagin doii geredeten Völfcru auf fernen
3nfeln lebt jene 3bee noep weiter. SeiR uub rot, bie färben ber Sonne,
ftnb bie (Sparatteriftifa jene« Panbc«, uub Saugeöluft ift feinen Vewofjnern
eigen. 2>uftenbe ©traplenfränje tragen fte in 2öeife bei Vicptgottpeiten.
Dem gegenüber ftept in bem SJoU«glaiiben bie — Don betn (»rabe abgelci.
tete — fcprecflitpe fteifdjDerjebceube Untiefe mit ihren graufigen Ungeheuern.
3pr oerfättt juuäcpft aucp iebcr a^rnfd). S)er Strafgebanfc tritt erft b««3».
Unb ba finb e« — wieber uad) urDolfdtümlidjcn ÖJebaufeu fdjott ber Dorpomeri-
jepen Qti\ — bic Beelen ber (irmorbeteu, weldje erft t>icr im ?ebeu, fpäter
eben in bem tfebeu ber 2icfe ÜKadje f orbern. nidjt nur für xJ)iorb, ionberu
bemnäepft aud; für ÜÄeineib uub anbere Sünbcu. öin jweite« Äapitel fiiprt
un4 bie SRpfierienle^reit über Seligfeit unb Unfeligfeit oor. ^äbrcnb
in ben älteren @d)idjten be« .^omec alle« in gieiipe« (8rau gepüflt ift, tritt
pier fiarfe« Sid)t unb ftarfer Sdjatteu perüor. Urgrtedjifcp finb ^unäcbft noep
5Pr)pre<puugert
fir Äulte brr lauft roaltenben cfxt^o nifcf>rit Wottbciten , toeleben oor aßen bii
elf ujiuifebe ii SWpfterieu geweiht roareu. Tnx<b ben Uuteridjieb jroiidjcn
<"»i*n>cil>tf n unb Ungeroeibteu, ber jiuiäcbft nodj naix? mit bem etbifdjcn (Wegen
uu öoii (Muten unb Söfen gleirbgejefet mirb, fommt fjitx aueb in bact £abed'
i'iib riiif ;}u>ritfilung. Teutlirber nett) mar biefe in brm apoflinifeben Send
Don Telpbi. brffen («ebanfen IJolpgnoti? brfannte* $Mlb und barfieüt.
>>ier treten neben leuer allgemeinen Scbeibung Jppeu oon ftreolrrn auf mit
intuvibualifiertrn Strafen. Slber erft ber aufjf ivirief^tft^c Tionpfodfult ber
oiphifcbfu iDJufterten bat bie ©ebanfen jrbroelgruber fmnlicbrr ?nft einer«
mib bäfjlirbrr, fdKiiijlicber, fdmiu|.Mgrr Strafe (A//<r*j (toftßoQOv) anbrerfeit« in
grierbijdie Umeraeltdbilb gebrad>t. 8Mc würben aufgenommeu 311 er
t mürbem ^wedr ton ben größeren alteren IVpflerirnlulten , oor allem aber
p'ianjteu Tie ftdj in unabfebl >ar reirber ißaiiation in bru mannigfarbfleu
föintetfoltetl fort, Don allerlei (Sbarlataueu ausgebeutet. TaS polleubete
Softem, bie litterariidjr ftirierung erhielten bieie $orftellungen aber erft in
ben orpbitdj pptbagoreifcbeu Mreifeu öiibitalirnd, von benen bad brittr
■ ipitel baubelt. .frier begegnet ber Wcbaufe brr 2erlenwanberung, ber beifceu
DueBen, bed Vetbetranfed, enblirb ber ftbftammuug t?on fttmmei unb Crrbe,
ip.ldje ein Aufgeben in ?itf)er unb Staub jur 5e,3f ^at. SBir finbeit biefe
'rpreit auf beit beut oierten ^abrbunbrrt r. Hf)t. augeböreuben $clt>täfeldjen
1 Dn $etelia 1111b auf einem fretifrbeu CVSoltoblättdjeu aud bem jmeiten uaeb-
ntlutnt ^abebuiibert. Tieteridj oerfolgt ftr bann auch bei (fmpeboflrd,
1-tnbar unb Wate unb gelangt auf (äJiuub ber $?eobad»tung . baj? bie apo*
lalppti'djcn ^djilbei uugeu im %4<ljaibrod unb ber ÜHepublif, weldjc bietend)
r.iidj Ujeuer für bie jeitlid) am weiteften audeiuanberliegrnben fddjatologifcben
»ipthen pMatc • bfti, genau juiammenfttmmen, \u brm Stefultate, bafj
biet eine erpbifdj • putbagoreijdje xntr.Jtwu iu"At>kn bentHjt ift. ©oldjer
rdjriften bat ed ivcpl viele gegeben, eine aber muf? oor allen beroorgeragt
haben unb ift — wenn irbon manchen i<eränberungen unterworfen — 0011
"IMato an bid auf bie iieuplatouijcben Kommentatoren bedfelbeu herab ge-
nullt werbtn. 3tyr entnommen ftnb aurb bie SBerfe ber (Bolbtäfelcben; ibr
i'reu ^aplieirbe oerjpreugtc ftragmente an. Tie SiMrfungen biefer 8itteratur
Mifeu ftrb bann bind) Satpriler unb Votemifrc b<»burrb bid auf jene jüngeren
i itljagoreri »erfolgen, wclrbr, au ^late aufniipfenb , beffen (Bebauten teil*
iittl floijrbeti, tfill mit peripatriifrbrii ^lemeiiteu burebfe^teu. 3 ti bie 8olfd*
miing fiub bieje orpbifcbrn ^orfielluugcu nur iveuig übergegangen. Tie
ittifeben fttebner frbroeigeu oon ibneu — bie 2"». bemoflbenifdjr iRebe mreifi
fia) aurb unter biejem (heftet» tdpiinfte al5 uurrbt ; bie @toi(er rationalißerrn
ntrb bie lluterivrltdbilber. ttbgrjcbeu oon ^ergil, brr ein orpbifd)'pptbago>
uifebe* (Webidit in (einer $abfJfa$M bed Vlneafl »erarbeitete unb baburrb ber
fp&teren Vitteratur ju manuigfaeben Sieberboluugen Einlaß gab, ift roenig
pon biefeu («ebanfen populär geworben. vJlur in '.Hgüpten rourbe biefer ®eift
gepflegt unb bat bort audp feine enbgiltige 5"rm erlangt. — "Jladjbrm fo bie
^ttttoidclung ber Untermeltdoorfieditugrn burrb bie ganje grirrbifebr i«enti*te
brrab verfolgt ifi bi« ju bem fünfte, ioo fie 311 einem geroifien 8bfd>lufj in
tterarifrber ^irierung gelaugt, wirb und nod? ein fpe^ieOer 9u6fd)nitt oor-
;.fübrt, bie traf arten. £<oraudgrfd)idt mirb ba aber mit Sterbt in bem
Sefpredjungett
crfien «bfdjnttt be« vierten tfapitet« eine £tubie über bie etbifdjen «n-
fdjauungen betreff« ber Unterfdjcibuug oerfdjiebener ©ünben. ffiäbrenb bie
ältere ^t'xt nur im allgemeinen »erlangte, bie GJöttcr ju efjren unb bie (Eltern
ju fdjeuen, moju noeb fdjwanfcnb Qribe«i)alten. öaftfreunbfdjaft u. a. fommt,
fpejialiftert ftdj unter bem (Siuflufj teil« q c f d.3 i et? 1 1 1 et» c r Creigniffe wie ber grie»
d)ii$en $reibett«!ämpfe, teil« pbtlofopbifcber l'ebren bie Untertreibung ein*
jelner ©ünben immer meb.r bi« $u einem förmigen tfafterfataloge. £>iefcr
ftimmt — wie eine moblgcorbnete Xabtüt leprt — bi« ju einem gewiffen
QJrabe gaiij mit beu altdjriftlicben ^ufammenftellungen biefer fcrt. 8Jor allem
aber ift c« eine ©ruppe ägpptifdjer ©djriften (Sibadje, carm. Ps.-Phokyl.,
Sibvll. lib. II, fcpof. 'JJetr.), welcbe ben aHmäblidjen Übergang pptbagoreifdj-
orpbijcber Jßei«beit hl ba« cbriftlidje (Gebiet jeigt. 3>tejer Übergang foQ fcbliefj»
lieb beu ^adjmet« betätigen, baft ade #abe«ftrafen ber ^etr.^pof. fid) fd;on
in ber gried)ii<beu i'ittcratuv — $war jumeift urfprünglid; mit luftraler 30e»
beutung unb erft aUmäblid) mit bem ©ebanfen ber Dual üerbunben —
fiuben, jeboeb at« joldje befepräntt auf beu Srei« orpbifdj-pötbagoreifcber Cor.
ftellungen. Äapitcl 5 enblid) bringt noeb ben negativen Söemei«, ba§ biefc
eigcntümlidjen Straf arten uia>t auf irgeubmelcbe jübij d> -altteftam ent-
lief Grinflüfi'e jurüdgebeu. Xie ältere jübifdje ?itteratur tennt berartige«
niebt, unb wo ftd) biefe ÖJebanfcn fpäter auf jübifebem ©oben jeigen, fmb ftr
eben bureb ©erübruug mit beu griedjücbcn vfbeenfreiien, i»nt £eil jogar erft
burd? djriftlidje ^ermittelnug, borten eingebvungen. 3nbem Eieterid; jum
Sdjlufte jeigt, wie bie Dieijcbu ©ünbertppen ber $etr..Hpot. nur burd; 3u-
fügung Don jübifcb'tbriftlitbeu unb teilweife iöcrboppeluug au« ben urfprüng»
lieben ftebeu orpbifcbeu Mategoriecn entftauben fiub, (ommt er 511 bem fteful«
täte, bafj ba« in ba« äoangelium eingearbeitete unb fpäter ju einer fclbftän*
bigen fcpofalppfe erweiterte <5tüd für un« ba« Sofument ber Übernabme
antiter orpbifdjer 5Borftclluugcn unb ©ebriften in bie d;riftlicbe ©emeiube ift,
meldje mir un« — nadj ibm - gevabe in 'flgppten wefentlid) au« orpbifcbeu
Äultgenoffenfdbaften hervorgegangen ju benlen baben.
Die« ber ^nbalt ber — wie alle Ifrjeugniffe ber Ufenerjcbeu ©cbule —
mit einer eiftaunlicb umfaffeuben ^itteraturtenntui« gearbeiteten, babei boeb
angenebm ju lefenbeu rdnn't 2)ietericb«. Über ben bei weitem größten Xeil
Dermag id) leine«weg« ein Urteil abzugeben. 3Mc Slu«fübrungen über bie
Cntwidelung griedjil'cber ^enfeitSoorftettungen madjen burebau« ben Giubrud
be« 3uberläfftgrn. Söenn id; mir einige »emerfungen baju geflatten barf.
fo möcbte id; nur fagen, baß bie Ü>olf«meinungen, oon benen bie fpejieO
orpbifcben ftcb fo beutlid) abbeben follen, etwa« ju jcliv gurüdtreten. 3f2an
bat bei bem erftmaligeu Pcfcn faft ben Sinbrud, e« fei bod) überall Orpbifcbe«.
3n ber Ibat fd)eint amti ber Übergang biefer $orfteQur.gen burd; £id>ter
unb s2Raler in ba« allgemeine $$olf«bewufjtfein bei 25ieterid; etwa« unterfcbäfct
m werben ^Ridjt ganj !lar ift autb bie (Sntwidelung ber ^ünbertppen
bargefteüt. S« ift nidjt eigentlid; eine Xria« oon SWoralgefetjen, pon weldjen
biefelbe au«geb.t, foubern ganj bem altteftamcutticbeu Scfalog eutfprecbenb:
*) 2)ie« gilt trofc ber au«gejeid;neteu jurüdbaUenbeu Söcmerfungen
auf ©. 193 ff.
Di
öefprerbungen
<8otte«furdjt unb Verehrung ber Eltern (»gl. Botrate«' flu8jprud> bei 3)ieterid)
166). 3)a« britte ®ebot , roeldje« in febr oerfdjiebener Seife fidj an biefe
anreibt, ift junädjft nicht? anbere« als eine Entfaltung einet biefer beiben
mit SJejiebuiig auf befHmmte Äulturoerbältniffr ober p$tlofopf>ifd)e Sin-
fdjautingeu. ? bie $eiligbaltuug be« unter ©ötterfdjul} fteb.enben (Haft*
vedjte«, bie beu (Dottern als Eibe«roäd)tern gefdjulbete Eibe« treue — anbrer
feit« ba« potljagoreifrbe Verbot be« $leif$effen« , roeldje* beutlid) mit ber
Elternoerebrung (burd) ba« äRtttel ber @eclcnroauberung«let)re) in Serbin*
bung gebraut reirb (ogl. bie Don 3)ieterid) ©. löo, 8nm. 9 beigebrachten
CUttC). Cfi ber weiteren burd) pljilofopbifdje iHoralfpfieme beeinflußten
Entnnrfelitng toerben bann aber bie einzelnen Ippen ntdu »cfjavf genug be
ftimmt unb auGciuanber gehalten. Nur baran« erflärt ücti tit rüttyaltlofe
®leid>febung mit ben ©ünbertppen ber itriftlictieu Etljif.
?cd) bamit ftnb mir fdjon ju bem $>auptpuntte gelangt, iöäbrenb
mir über bie iunergriednfdjen Entroitfelung«gänge (ein fad;männifd)e« Urteil
auflebt, glaube icp bod? bie Übergänge juin Ebrifientitm bin hier einer ge-
naueren Prüfung unterbieten ju biirfen.
2Nag bietend) aueb. mit iHedjt gegen bie Ebarafteriftcrung feiner si)ie
ttyobe al« „roilbe« iBerfabren" unb gegen bie ^ufammeitjieü'ung mit ber Don
ihm felbfi al« „luilft" bejeidnteteu 2Retl>obe *. fflirtb« oon tbeologifdjrr
Seite proteftierrii , bie Einroenbungen, roelibe $arnad in feiner betannten
Snjeigc ber religieuögefdjicptlidjen Uuterfudjungen Ufener« in ber Ibeoi. $?it.-
3eitg. 1889, 6p. 199—212 gegen bie ganje iKetbobe erbeben bat, treffen ra.
<S. aud) bietend)« Arbeit jum großen leile.
Sieterid) f e mit jroar bie jübifd>eu SJorfleQuitgen — befonber« ber fpät»
jübifdjen Pitteratur - redjt toobl unb tbut ftd) etroa« barauf jugute (bat
ganjc fünfte Kapitel baubelt baoon), aber — roa« bei einem llajfifdjen ^Jfci
(otogen kbv oerjcirjlid; ift — bie altteftamentlid)en (Drunblagen ftub ifym
nidjt geläufig1). Ei mürbe fonft bei ber Srpilberung ber Seligen in rorißen
unb roten ^arbeit ftd) neben ben altgriednfdjen $orfiedungen aud? einmal
be« Viobeit Viebe« erinnert haben , roo außer jenen beiben färben aud) ber
föfitiebe Tuft ju beu Elementen be« Sd>önljeit«begriffe« gehört; er mürbe
niebt oergeffeu b^beu, mie fefjr (Sefang unb Spiel ju bem ^ebrätfdjen Coli-
begriffe ber ftreube geboren. Er mürbe in ber S. 83, %nm. I citierten
fcenoAfteDe ftatt .i u e ,h : ) dj e v Corftellungeu edjt jübifdje $arabtefe«gebanten
gefunben haben. Überhaupt tann e« gar tudu genug betont »erben, baß t«
gemiffe SJorfteUuitgen giebt, und ehe bei ben i'ienjdjeu auf einer benimm ten
Äulturflufe io allgemein ftdj fiubeu , baß e« ein oergeblidje« söemüben if),
einen fuftorijdjeu ^ufammrnbang babei berfteßen ,;u motten. Vu«gejeid?net
finb einige ©emerfungen hierüber iu SRobbr« geiflooHem SBerfe „^fpd^e"
(bef. @. 73). '.'iiud 2)ieterid> bat bin unb mieber lehr gute ^ebanten biefer
.'in (j. e. S. 52; 79, 9nm. 4; 99; bef. 126, «mit. l)a), nur macht er fori
feiner ridjtigen Ertenntni« niebt immer praftifdjen (Sebraud).
*) Dafür, baß fein tbeologifdjer Berater it)n ju S. 11, Snm. 3 auf
3ej. 52, 3 ftatt auf O'i- 50, 1 perroeift, tann er «reilidi nid)t«.
*) Er rniK nur brmieien haben, baß bie« unb jene« „aueb alte grie-
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Weben ber attteft am entließen ©eeinflufjung br* cbriftticben öorfteünng«'
(reife* tarnt bie grunbfegenbe ©ebeutung ber aleranbrinifcGen Überfettung
bf* SUten Xeftamente* (ber fogcn. Septuaginta) für ben d)rift(icGen Spra$*
gebraut ntt^t boä) genug angeflogen »erben. 2)a* <5&riftentum trat in bie
£eibenwelt ein at* eine ©u$religion. $urcb ben großen Ärei* berer, weld) e
fid) juoor fa>on jur ittbifa)en Sonagoge bielttn, mar e* möglich, bie* ©ud>
fo rafd> üoflflänbig in ben GeibencGeiftlicGen @emeinben einzubürgern. 2Bel<tj
erftaunlicGe QelefenGeit geigt g. 9. fa)on ber Uerfaffer be* am Sebluffe be§
erften 3a$rGunbert* oerfaften römif$en Senbfdpreiben* nadj Äorintb (fogen.
I. (£(emen*«fjrief)! 3)arum barf (eine Unterfugung alta)rifMia)rr fttteratur*
bentmaler e* unterlagen, beren Spraa>f<$a(} im 3ufammenb>nge mit bem»
ienigen ber Septuaginta (LXX) ju prüfen, ©tr Gaben baju $itf*mittel,
metd)e bie* aud> bem in biefer Literatur nicbt belegenen feb,r leia>t machen.
2)ie neue engfifd>e Äonforbanj oon $at$ unb fflebpeatb, tann ni$t marm
genug ju teigigem $ebraua)e empfohlen werben. §rei(ia) ift e* richtig, read
M'xtfäl («ntjieb,ung ber altfatljoitfcien Äirdje, 2. Aufl., €5. 282, ogl. »ecbjf.
unb 8erf. II*, S. 14) fagt, baft fieb bei ben Reiben eine Unfä&igfeit gezeigt
Gabe, fid) ber nötigen altteflamentlicben $orau*fe(}ungen ber apofio(ifd)eu
(»runbibecn — unb, mir fügen Ijtnju, aud) ib,re« Sprad)gebraud)e* — ju be-
mächtigen. 2)a* ffiGrt Göcbften* barauf, ju unterf ud)en , ob bie LXX*@rae«
cität in ber altd)riflficben ?itteratur eine Umbilbung in beu tlaffifd)en Sprad)»
gebrannt erfahren b,at, biSpenftert aber nid)t baoon, auf bie LXX jurüdgu«
geb>n. So erlebigt fid) bie ganje SuSeinanberfefeung über dvatpvxttr
(S. 96 f.) burd) ben $inwei* auf «ct. 8, 20 unb bie alttefiamentlidjen Stetten
wie VI 88, 18; «5, 12 al. (Mnavait $iob 21, 18).
Cht anberer ftebjer fc^eint mir ber ju fein, bafj man bei attem ©tu»
bium ber 3fortpftan$ung unb (Sntwicteluug mptb,o(ogifcb,er Slnfdjauungen bod)
biefe immer gn fcljr präfent, b. b- oGne bie nötige ^iftorifebe ^erfpeftioe,
fd)ant (E* wirft ja allerbing* oft frappierenb, wenn man fo bie ältefte <$orm
mptbologtfcbrr $3orfteflung unmittelbar neben eine fpäte d)rift(id)e (Gebauten'
bilbung fteflt. <£« icbeint, al* ergäben fid) baburd) gang neue (Erfenntniff e ;
in ber £b>t aber ift biefer Sd)ein ein trflgerifdjer , ba* ©üb oon ber <Ent-
wicfelung wirb ein gang fd)iefe**). 3)a* fiebj aud) ©ieterid) bin unb wieber
ein (S. 97: „balb gewig nid)t tnebjr in u)rer urfprflngltd)en ©ebeutung");
biefe (Srlenntni* Ginbert iljfn jeboeb nia>t, bie Seelen ber (Srmorbeten in ber
$etr.*9po(. unmittelbar mit ben (Erinoen jufammenguftellen (©. 61). 9Wan
braucht, um ba* Auftreten ber unfa^ulbigen Seelen am Straforte, wa* natttr«
lidj nur jur SerfcGärfung ber Strafe ber SWörber bienen fott, unb wobei auf
jene felbft gar nia)t reflettiert wirb, ju ertlären, ni$t erft auf altgriecGifcbe
cbtfcb.e ©orfteüung ifi" S. 87, wa* aber ift bamit geholfen? — S. 40: „So
würben btefe 3*fl< topif<G unb man barf m$t attjuDiel im einzelnen ©ort
unb Äu*brucf fucb,en" — fefyt* beGerjigen*wert !
*) Oer foll j. ©. glauben, bafj ©ibuinu* oon 2t)on im elften ^a^r«
Gmbert an grieajifaje Seligteit*bi(ber gebaut 1)<xt, wenn er in einem $om»
nu* bie $arabiefe*freuben au*ma(t? So aber mutet un* bie dufammen-
ftrSung S. 33f., ?(nm. an.
^eipvetpungert
.£>abc«üorfleQungeu jurücf ju^veifrti. 3m fogrit. II. GlemenÄ-iöriefe |, 9.
(8ap. 17, 7) ift Lindl baöon bic Webt, baß bie (Berecpten nacfc iprem Peiben
beim Slnblitfc ber Dualen ber ©ottlofen im eroigen fteuer ®ottefl geregte«
®erid)t preifen roerben, unb ti lägt fut> babei au« Aap. 10 fepr roaprfcbein-
lid) macPen, bag bem ©erfaffer ba« lulanifdje ©leicpni« Dom reiben 3Wann
unb armen Pajaru« üorgefdiroebt pat, in beffeu fpejiftfd) jübifdjer Färbung
orppif<pe« roopt erfl nocb nacpgeroiefen roerben (ott.
l?nblid> ifl e* eine befonbere (Jigenbeit ber II f enerfdjen ©cpule, bag ba«
Gpriflentum, refp. fehle ältefie Qlrflalt mit Vorliebe in ben gnoftifeben @<pul-
ober SRpuerienrcnoentifeln gefuept roirb. Ter ®noftici«mu« ift aber bod) nitpt
mit bem älteflen ISbriftcntum ibrntifd). Sei jenem ifl ja aflerbtng* ber Sin-
flug be8 grieebifdjen ©eifte« auf cprifilicbr Tenlroeife panbgreifliep. $aruad
nennt bie« bie „afute Berroeltlicbung be« Gpriftentum«" im Unterfdjiebe oon
ber in ber fpäteren fircplidjen (Sntroidelung fiib Dottvepenben „aQmäpIicpen
S3erroeltli<puug". Jhm ift aüerbing« rieptig, bag gerabe in 'jigppten neben
refp. f<pon cor bem afuten ®noßici«mu« ein naioer @noflici«mu« in ben
cprifllicpen ©emeinben bcrrfdjtc. S« ift aud) ganj grroig anjunepmen, bag
bie }MM Cbrifieutum Übertretenben .Reiben nid)t auf einmal ipren ganzen
Sorftellung«apparat beifeite roarfen, fonbem bie ipnen geläufigen formen be*
nupten, um fte mit bem neuen 3n$alt( aujufüOen unb ju beleben. Uber
eben bag e« ein neuer ©ein roav, ber aud) in ben alten formen fid) regte,
ba« imtg ber §iftorifer boep peroortreten laffeu. SWan barf beibe* niept ein«
fad> innoptifcp Petrarpten, ienbem mug bie (Eigenheit eine« jeben aud) in ber
übereinflimmenben ftorm erfaffen. Taju gepört fdjarfe $rd)ifton. (St ifi
j. 8. bod) etroa« anbere«, roeun ber Ort ber Seligen in ber ^etr.-Äpof. al«
i'xrbi tov Koaimr liegenb bejeiepnet roirb, al« roenn bie Wrircpen oon einer
trau«ojeanifd)eu 3nfcl ober gar oon bem unterirbifeprn Toteureicpe fpreepen
(©. BO). SJor allem gilt ba« aber ton ben etpifepen 9lnf<pauungen. (Rne
anfmertfame ©etraeptung ber Tabelle ber PaRerfataloge — roobei noep \\\
bemerfen ift, bag biejenigen ber ißrieflitteratur meift ganj tontrrten 3merfen
bienen foflen — roirb ba« Pen Vefer opne Kommentar lepren. Tie xoyvn'a
fenut bie Sntife niept al« 8ünbe, ebenforoenig ben SWangel an tiftonvvtj
2)0 fdjeinen mir bem (Enbergebni« Tietericp«, bag bie $immel#- unfc
.QöQenDiftcn ber ^etru««Hpolalt)pfe, einige cpriftlicpe ;}ufäpe abgereepnet, birett
aus orppifeper ?itteratur entnommen fei, feproere ©ebenfen entgegrnjuftepen,
ganj abgefepen oon ber Onfongruenj, bag neben ber orpljifdjen $abe«oor-
ÜeQung bie $immel«fd)ilberung nad) Tietericp« eigenen 9lu«füprungen weit
eper grieepiftpem ^opularglauben entfpritpt, al9 ber truntenen ©eltgieit Per
©aeepauten.
Tag bie grieepifepe ODebanfenroelt au ber Äonception biefe« ^'"f''1**
gemälbe« beteiligt ifl, foll leineÄroeg« geleugnet roerben. 3U befreiten aber
ifi bie birefte !itterari|'cpe ^erübernapme einer orppifepen Wetpia. Ta« pängt
mit bem ganjen litterar-piflorifcpen Probleme ber ^etruS-Spofalppfe jufammen.
Tag aDerbiug« in ber flufjäplung ber $>abe«ftrafen ^nfonjinnitäten oorliegen,
ift jujugeben*). Uber itp fepe niept ein, roie bie oon Tieterid) perauftgefepfiltc
■) 3n ^fr Webeneinanberfteflung ber fifrfdjeinung ber beiben &elig«n
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B>fprerbungen
ttrfprüngltcbe 7-3ahl auf eine orpbifdje Vorlage weifen foll; Dietcricb bat niv=
genb« gerabe 7 £auptfünbcu in griecbifcbei 9Horal uad)gewiefen, "nb btc 7 ifi
boeb wot)l fonft auch bte heilige 3abl ber Hebräer.
SBa« noüenb« bic — am anfang vorgetragene, am ©cbluffc jeboeb,
al« febr fraglich bingeftelltc - Sbeorie über Den /}ufammenbaug ber ape<
falppfe mit bem Süangelium anlangt, fo fdjriut mir biefe rein au« der Puft
gegriffen ju fein unb aller faueuSgeirbicbtlidKU (Sutwirfelung ju wiberfpreeben.
Die erflen litterarifeben ^robnfte, weldie bic Gbriftcnheit teil« aus ber jübi«
feben tfitteratur übernahm, teil« fetbft hervorbrachte, waren apofalppfeu. Die
Oattnng ber ®efe^icbt«erjä^(ungeu (Geangelten) ift erß bie fpäterc. 3n bie
(Stmngelien arbeitete man wobt ^pefalpptifcf?eö hinein, nicht au« Goangelien
apofalljpfen b«au«. SWau braucht um bic ganje f?eibcn«gefcbicbie ber apo-
falpprifcben tfitteratur ju tenneu, um einzuleben, wie oerfebrt bie Behauptung
ifl, au« bem ^etru««©oangelium jei erft ba« apotaluptifcbe Stücf bcrau«gelöft
werben, um (Jb.riften mit in« (Srab gegeben zu werben — haben wir bafür
im {Weiten ;3ahrt)unbert überhaupt ^eugniffc? — unb bann fei barau« eine
fclbftänbige apofalöpfc entfianbeu. Hub wo$u bieje Behauptungen?
1) Da« apoialpptifrbc Fragment foll eine Situation oerau«fe&en, bie
nur bem irbiftben Pfben ^efn angeboren rann. 3m Gegenteil! (£« bleibt
nicht nur bie SWögliebreit offen ($arnacf, ^ehvgo. S. W6, aum. 1), ionbern
e« ift im hofften ©rabe wabrfebeiulieb, baß bic Offenbarung in bie 3eit
narb ber 3tuferfteb,ung fallenb gebaut ift. Dietericb fönnte ton gneftifebeu
©tubien b,er wiffen, wie beliebt e« im zweiten ^abrbunbert war. alle wil-
ligen SWitteilungen bem Berllärtcn in beu iKunb zu legen6).
2) Die frragmente bei Giemen« aier., SLKetbobiu« unb SMaoariu« joden
fieb neben unferem gragmeut uiebt unterbringen laffen. aber wer roiH benu
fagen, wie biefe apofalppfe bi«poniert war, welcbe nach, beut Oatal. Ciarom.
270 ©riehen umfaßte, wäbrenb unter Fragment nach, «paruaef« Beregnung
etwa 181 ©Hajen hat.
3) Dietericb beutet cnblicb au 18), baf; bie in unferem Stüd oor-
banbene $abe«öifion bem öoangeliitm and) ursprünglich fremb fein müffc.
aifo wäre auger ber legten apofalnpjeuoKebaftieu in ber zweiten £älfte be«
Zweiten 3abrhunbert« febon oorfjer eine Überarbeitung be« apofaloptifcbeu
Stüde« be« Soangelium« anzunehmen — eine äunerft lomplijiertc ^upotbefe,
bei welcher bie urfprttngliaV 3ufainmeugrbörigfeit ber beiben afbmimer ftrag
mente wieber fehr zweifelhaft wirb.
3n ber Dfjat erflärt ftdj ber Befuub iu jenem l£ober be« ®rabe« oon
afhmim oiel einfacher in ber Oon .^arttaef oorgcjcblageneu Seife. S« ftub
jwei Fragmente cinf* Corpus Petrinum. entnommen einer Derftiimmelten
^anbfehrift. Dabei ifl e« fetjr möglich, baf; jwijrteu bem crümalig per-
ftttmmelten (Eremplar unb bem unfrigeu nodj ein äRittclglteb eiujuicbifben
unb be« Sanbe« ber ©eligen mit feineu Bewohnern tauu ich feinen Sßiber«
fpruch fehen.
•) Der Bewei« au« bem II. ^etru«. Briefe fällt roeg, fobalb man fid)
erinnert, bafj in ber apofalnpfe ja oon ber Berfläruug gar nicht (ntebr) bie
«ebe ift.
Sefpredjungen
ifl, roorau« ftdj bie angeblidje örrec^nung be« Pergamente« für bie allein
beabfubtigten — toeil aflfiit Dorbanbenen — ©lüde nodj beffer frflärt.
5cblicßticb feien ttecb Sinjelbeiten erreäbut:
(Sin ©erfeben ift in ben tertfritifcben Woten ©. 6 |n 3 65 f.: nacb
OJebbarbt« ^acfimile ift an bcr erflen ©teile xQoq liotytiav, an jroeiter rqq
im/Jag flu lefen. 2>ie Überfefcung ift mebrfad) unglüdlicb. 13. 4 muß man
reiffen, baß xal 7tQoo9tl<; 6 xfytOQ *V»/ SBiebergabe be« btbx. vajjosef l'dabber
„unb er fpradj roeiter" ift, um niebt ju Überfrfcen „unb ber $err fügte binju
unb fprad)". C 28 ifl -r*;rvpai/*£»'o>' alStjQov xaxa rtöv 6tf&a).fnäv bod)
wob! nid>t ton „feurigem (flUffigem) (Sifen über ba« ©rfidjt", fonbern „fllü*
benbem (flabförmigem) (Sifen in bie Sugen" gu oerfleben. SJ. 32 überfefct
vi.unacf ba« wq ywalxeg dvaorQftpofifvoi entfebieben beffer. tBa« ©. 10,
Snm. 1, 3- 1 »nad> me^r j"bifa)er Überlieferung" beißen foll, entgebt meinem
3prad)gefüf)(. ftaljcb au« $arnad abgefdjrieben ift bie Angabe über ben
Codes Bobbiensis; roa« $arnad ©. *>8 anfübet, ift nur feine — aüerbing«
riditige — Äottjeftur; ben lert ton k giebt er ©. 57. 2Ba« 35ieterid> über
Clemens Alex. ecl. 41 auf ©.11, %nm. 1 fagt, ift burebau« nidjt felbflüer»
l'taublidj. fludj ©am. 4, 4 f. retrb nadj einem mit 6 xyopffrfffi eingefübrten
Tsanielcitat ein $roeite« ÜSanielrcort mit dfioUuq rrt(>2 tov ttvxov Idyet davt$k
aitgereibt. Tagegen ift e« für ben Äenncr ber altcbrifilicbeu ?itteratur fafi
fteber, baß » nnonxo'tjoq, reo e« allein ftebt, immer Paulus? bejeidmet; ber
anber*artigen Jätle giebt e« äußerft roenige (gegen ©. 12 Slnm ). Sieberlid)
geboren bie beiben ©äfce tiefe« Stüde» bem Siemen«, nid)t bem betrug an. —
tfine SWißbeutung ber ©ebanfen be« 3renäu« ift e«, roenn adv. haer. V,
I!». 1 in bem virgo virginis advocata bie ^eilige 3ungfrau a(« $ürbitterin
trblidt unb biefe bann ber pptbagoreifd) orpbiftbcn itd(f&svot &yvi) gur Seite
geüeflt wirb (187). Daß bie3umeifung be« litel* Duae uiae uel indicinm Petri
an bie fonft al« apoftolifdje Äircbenorbmtng citierte ©(brift nur eine 93er*
lmitung f>itgenfelb« ifl, batu Tietrieb pielleicbt rpiffen tonnen (©. 19U. Tu-
auf ©. 221 berfitcbte ©brourettuiig ber GHaubrettrbigrrit be« 3ofepbu« inbejug
auf feine griedjifdj • pbilofopbiftb gefärbte XarfleUung ber jübijeben Parteien
mrb roobl (einen großen Entlang finbeu. Sbenfo ift r« mir febr jweifel-
bajt, ob bie ©. 223, Slnm. 1 bebauptetc (Jinreirfung ber cbriftlidjen fetruft*
.'l^ofalppfe auf jübifdje fitteratur fieb wirb birett erreeifen laffen. — Sßon
^vudfebtern notiere id> ©. 4, 3. 1 P. u. (. II. ep. Petr. I, 19. — ©>. 21,
, 14 be« $>elio«. — ©. 108, 3. 8 ». u. $eintat. — ©. 191, «nm. 9 $>i.
baa>e ft. ^erma«. — ©. 206, 2nm. 1, 3- • •« »• *W ©träfe.
3um ©(bluffe moQen mir normal« naebbrüdlicb bcrucvbfbcii, bag — fo
cielfa<b mir aud> ben -Jtniuttni be« ©erfaffrr« haben miberfpredjen müffen
ivir bennod) i^m für feine äußerft fleißige, ton einer großen Kombination-*-
gäbe jeugenben Arbeit Dielen Sani fcbulbeu. (£« roirb jeben intereffteren,
tiefen febön bargefteOten Cntrcidelungen ju folgen. 2)?öge ber SJerfaffer bie
^rionnenbeit unb Sorftcbt, roeldje er an oieleit ©teüen in reebt beberjiqen«'
lvrrter SSeife (unbtbut, aueb felbfl immer mebr jum üeitflern fid) ern>är)len
unb baburd? bie in ber ©$u!metbobe liegenben Serfutbungen überrotnbeit,
fo «erben feine reeiteren Arbeiten un« bo<b reiütommen fein. ö. Tobfcbü^.
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SBdprfAungfit
ffcarl fHeoerutümt, C^rrrfjtrijtr Des iieutfdjnt dinljfttageliait-
ktns, ©in Slbrifc beutfdjer ^3crf äff ungögcf c^id^te tion ber Urjeit biß
jur ©rridjtung bcd neuen $eutfd)en Äaifertumö. Söteöbaben, 3. g.
Bergmann 1894. (VI u. 68 ©.)
2>ie fleine ©cbrift üon 68 Seiten, bie tyter bcr 9?cftor unferrc $iftorifer
oorlegt, will nic^t neue wiffenfchaftlidje SRefuftate bieten. Sie ift oietmehr
rill furj unb prägnant gefd)riebener Slbrifj ber gefamten beutfehen SerfaffungS«
gefchidjte üon bem ©taubpunft be« ffampfe* au«, ben bcr (Sinheit«gebanfe
mit brin $arti!ulari*mu«, bcr nationale mit bem ©onbergeift ju führen
hatte. 3>a* in eblem nationalem (Seift unb mit fräftigem b,iftort{^en ©inn
gefd)riebene ®üd)(ein wirb in erftcr ?inie im Schulunterricht gute ©ienfte
leiften fSnnen, unb für biefen möchte ich c* befonber* empfehlen. SIber auch
im tJublifum wirb fi$ biefer über ben roefentlidjen (Sang ber (SntwiäMung
in Äflrjc orientierenbe unb oon einem fo genauen Äenner getriebene 9b*
riß bei bem geringen greife biete $reunbe erwerben.
<#eorg Steinhaufen.
(ßrnfl Örrnlffitn, jeljrbuttj ber Ijiliartfdjen Jthtljflbf. SM\
SGadjroete ber roidjtigften Duellen unb Hilfsmittel sunt ©tubium ber
©eföidjte. 2. 2luflafle. tfeipjifl, Wunder & £umblot 1894. (XI
u. 624 S.)
3>a* ©uch hat ft$ feinen $Jafc bereit* erobert: ba* jeigt bie 9lot*
roenbigfeit ber zweiten Auflage. Unzweifelhaft war auch ber ©ebanfe, eine
enji?nopäbifd)e Orientierung Über e c^riff unb SSefen, Über SRettjobe unb
Xedjnif ber ©cfchicbt*wiffenfchaft ju oerfuchen nnb babureb einerfeit* ber ati-
gemeinen Unßa)erb>it in Öejug auf hiftorifchc (Brunbbegriffe unb Qrunbfragen
abzuhelfen, anbererfeit« für bie wiberftrebenben Meinungen eine ©runblinie
ber ©erfttlnbigung ju finben, ein burchau* glücflicfeer. ©einen Erfolg »er-
banft ba* Sud) aber meine* brachten« oor allen fingen ber 9rt, wie fich
39. fetner Aufgabe entlebigte. (5r nimmt nicht einen nur fd)ematifd)en unb
febiglid) referierenben Stanbpunft ein, fonbern er faßt bie Aufgabe ^ör)er
unb fuebt felbft überall eine ?öfung ber fragen ju geben. Da* $ud) ift in
feinen tb,eoretifd>en Xeifen notwenbig eine 8u«einanberfe(jung mit ben ©er«
tretern ber berfd)iebenen SWeinungen, bie freilich bie C.fdje »uffaffung nid)t
immer ohne weitere* aeeeptieren werben, ©eiter ift an bem S3ud) befonber«
anertennen*wert , baß &•* Suffaffung ber <3efd)icht*wiffenfd)aft feine be-
fdjränfte unb oerfnödjerte, fonbern eine umfaffenbe unb weitherzige ift, bie
ben )ahfreid)en ^orberungen, bie in neuerer Qtit erhoben ftnb, unbefangen
unb gered)t gegenüber tritt. 3>a« geigt ftd) z- ©. in ben 9lu*laffungen über
bie Äuliurgefcpichte, auf bie ich noch toty gurüdfomme.
3>ie »orliegenbe zweite Buflage bezeichnet ftd> mit fRed)t al* oottig
burchgearbeitet unb oermehrt. 35er Umfang bc« $Bud)c$ ift oief ftärfer
geworben, ganz abgefehen bon ben hin$»getommenen Hegiftern, bie aflerbing*
Befreiungen
ncttii »arctt, öon bellen aber bad tgadjrcgifter bod) nod) audfübrlitbri Irin
fonnte. Jiatürlid) liat aud) bie frit bor erften Sluflage erfdjienene Pitteratur
iöfrildfidjtigutig flffmiben. So g. ©. ber 2. leil von foreng' „(8efd)td)t{-
roiffenid)aft". 3d? möd)te bfi biefer (Gelegenheit bewerfen, baß mir B. bem
Mtitirtflin l'orengfdjen (Gebauten ber (Generation bodj ju unfreunblid) gegen«
Uber gu (ieJjen febeint. foreng' SluSfübrung im einzelnen h't mir buro>
au£ nidji DÖflig übergeugenb unb einleudrtenb, aber ber tSrunbgebante
bat intuncifelbaft große Berechtigung. (Gerabe für bie £ulturgejd)id)te,
ber t'orenj fo roenig Sicrtraueit fdjrnft, roirb berielbe frudjtbar fein
fcnnrn. Xai betont febon ttiinietin: „Siid)t gercattfante llmroälgungen unb
milfanijcbe 3lu«brüd)e gefialtcu baä l'ebcn ber 5D?rufc^t)f it tu perioDücbeu
'•Mitlaufen um, fonbern bit ((einen 2)ifferengeu in ben Sitten unb Stnfdjau-
Bügen bei Bä'ter unb ber Söt^ne fteigern ftd) ju ben SHaffeneffeften, bereu
3nbalt unb ^Reihenfolge teir bie Aeuttuvgefd)id)te bev sJDicnfd)bfit nennen". 34
mochte hier auf eine meifroürbige Stelle auS ber ..Etbographia mundi",
luftige, artige jc. SBejAreibuug ber heutigen leiten Seit Don 3°bonn ClorinuS
(Sommer). 2. Stuft., SWagbeburg I«14. Borrebe aufnterfjam machen, bie
bafilr fprtdjt, baß man bie Rnbrrung ber SJienfcben in ^rtträutite n , bie etroa
einer tGenerationSbauer rntipredjen, aud) idjou früher bemertt t)at. T\c Stelle
lautet: „'.'Iber roenn man t& bepm ficht anfeben Dnb bie roarb'öt betennen
roil, fo iji faft alle ftunffbig 3a&rf eine ncroc JBelt, niebt atiein roa« bie
ÜRenfchen an ftd) ietbft, jonbern aud) na9 ibre qualitet belanget, unb jdmne:
glcid) liualis Germaniae periodns gu fein; ja ci f Ott c rool biefer periodus
fo fange nia)t roebren, fonbern in bie enge gegogen werben, wie mir beffen
alte, fo ba etroa fatim ba« 40. $ai)v erreichet baben, merben geugniß geben
muffen". —
34 ffltin t)ier nicht alle Stetten bed iö .fdjen Budje« berühren, gu
benen idi etroa« gu jagen batti- : id) begnüge midi mit benjenigen, bie bie
ttulturgejcbicbte betreffen. 34 frfUC ntid), baß er anerfeunt, baß politifobc
unb «ulturgefd)icbte „gleichberechtigte 3rof'9f unterer 2Biffenfd)aft" ftnb, i&
ftimmc inner Slage über bie baitn^r bitettantifebe Betreibung ber Äuttur
qfjcbid)tf bei unb febf, roie er, ti alt t>erbeißung«eoll an, baß neuerbing«
mau ftd? ber Äulturgefcbicbte ernfter unb roiffenfobof tltcber annimmt. Setter
bin id) mit folgenbem Satje DöDig einoerftanben: ,,-Tif £ulturgefd)icbte ift
non ber volitijdjen grunbfäBlid) niebt irgenb berfdjieben, aber bod) an Xbema
unb üortmegenben (Geftcbtepunrten fo abroeidjeub, baß fte befonbere Öf-
b anbl imgSart unb Sorlenntniff e gu ibrem Stubium erforbert." üBenn
39. ba& auefprid)t, fo muß icb aber sott feinem Pebrbud) verlangen, baß ti Über
biefe „befonbere Söebanblungöart" ftd) bod) etroaö auSfübrlidier Derbreitet. Sturb
mit feiner Begrenzung ber Äulturgeftbidjte bin ich nid;t gang einoerfianbeu. fBenn
er ,v 8. £. 605 gegen "J?aut, ber mit Siedu bafür bie Multurgefdpicbte al« Steffen
begeiebnet, bie Srforfd)itng unb (Sutroidelitng ber „iogialpfncbifcben ftebingungen"
ber ,,^il!erpfbd)ologic" guroeift, jo roeiß id) nicht, tva5 bann äutturgefobiebte
ift. («trabe bie 5rfd)ließung „ber (Bebauten* unb ömpfinbuugÄroelt ber »er-
gangenen (Generationen" batle id) für eint ber aderroid)tigftcu fulturbiftorifebfn
'Aufgaben, an ber id) felbft mitarbeite. 2Kan muß ntd)t gteid) jeber mobernen
an ftd) trefflitben Öeftrebung bie roeitgeb,eubfte Sebeutung beilegen. $ölter>
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Sefpredjungen
351
pfpdjofogie unb Soirsfunbe, foweit jte ^iftortfc^ erfaßt werben, ftub 2>iSjiplinen
ber jtulturgrfd}t<^te , o^ne 3rofiffI- Sine* fjat mid> an bem $ud) itoc^ be^
fonber« gefreut, ba* ift bie tvtrber^ofte $3efbnung, baß fid) tyefrfjidjte ntd)t
ofcne bir genauere ÄenntniS bei* äußeren ?eben£Derf)äftuiffe ber Vergangen«
tftit unb ber inneren Strömungen unb 3uftänbe bed 3c^9f'n<* fdjreiben
laffe. 3>a* richtet fid) lebiglitt) gegen bie potitifdjen fcifiorifer, aua) ganj be«
tonnte, bie „wunberbare SfjarafterifHfen" n. f. w. oon oergangenen ^rrfonen
entwerfen unb oft wenig Ifcnung baoon baben, wie bie SJlenfdjen bamata
überhaupt waren. $ene äußeren tfebenSoerbältntffe aber unb ber 3uf*ani)
be* inneren PebenS in brn einzelnen Generationen: baö ift eben bad $aupt<
obiett ber Äulturgeföidfte. QJeorg Steinhaufen.
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■
Jlus ben ^agcn öcr Jtöntgm (Slifaßctl)
t)on (gngfattft.
(Joljn Jet. ^Ubredjt gaskl ©iortano fnuia. $\)üktfyt*xt.)
Von 3. £aro.
3 m Verlauf ber tjier folgenbeu Mitteilungen über ein neues
Den Magier 3ol)n £ee bebanbelnbes #ud) l) roirb eo fid) geigen, baji
nidpt bao ^utereffe an ber occultiftifdjeu Vitteratur bem Verfaffer
bie geber in bie &anb gab. (Segen ben Tanten letntt mein 8pracfc
gefütjl, gegen bie 3ad)e meine X'ebeitöanfdmuung fid) auf. ätfeim
aud) zugeben ift, bafe ber (tfefd)idrtoforfd)er zuweilen mit ben ^n-
gäugen menfd)lid)er Vernunft alo nurffamen Xbatfadjen ju rennen
tjai, wirb man fid) bennod) weigern bürfen, anjuerfennen, ba^ bie
8djn)elgereien franftjafter ober judjtlofer (*inbilbungefraft — um
nur bas unfdjulbigfte Diotio ju berühren — in bie ©egenftäube
unt> Äategorieeu ber .Uulturgefd)id)te einzureiben finb. $ei nod) fo
weiter unb mifibaubelnber ^tuöbelmung bec begriffe« tfu(turgefd)id)te,
burd) roeldje befanutlid) ein uner|d)öpflid)er 2lnefbotenfram eine an-
ftänbige itfejeidmung fid) anmafct, werben bie ^eroorbringungen uer=
Imnfelter $enffraft bod) nur in febr weitläufiger Vermittlung mit
unterfdjlüpfen fönnen; unb bann bod) aud) nur mit ber "öebeutung
») 3o$n 2>ee, ein ©ptritifi t>c« 16. 3a$r&unbett$. Äutturgejd)tc$tli$e
Stubie Don Start Äiefewetter. 9RU bem $rototott ber ätteften befannten fpiritifti.
fd^en ©üjung öom 28. SRai 1588 unb ben no$ nidjt »eröffentlidjten ^orhätö
oon Dr. 3o$n See unb (Ebwarb Äelleij. tfeipjig 1893.
^cüidjrift für *ttttutgcid|i4tc 1. 28
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:u>4
3- Coro
beo Schattens, ber für bao Vid)t, Der .Uranfbeit, Die für Den nor-
malen Staub, Deo äitatmo, Oer für Die Vernunft jeuflL Ter iKarft:
fdjreierei aebört eo an, wenn neuerbinao einiae Cccnltiften fid) Den
xHnfdjein geben, TtmtfaaVu Der Wefd)id)te mittels ihrer jünajiten
Hunft erläutern 311 wollen, loäljrenD ihnen Dod) nur Daran liegt, Der
sINad)tlo(igfeit ihrer ftber;>eugungQfäbigfeit burd) auo Der Jveme ber^
geholte jeugenidraften abhelfen.
Unftreitig uerbiente 100b l ^oijn Tee eine eingebenbe 8tuDie,
unD grünblid) Durchgeführt, würbe fie aud) nicht eine bloo „fultur-
gefdndjtlicbe" bleiben fönnen. Tenn wie eo aud) immer Damit be
(teilt (ein mag, worauf grofce Aorfcber unabhängig ooneinanber über*
einftimmenb gelangt (inb, mit ber iKeinung nämlid), baft vVh" £ee
einen umfaffenben unb beftimmenben (Sinfluf; auf bie auswärtige
^Jolitif ber Hönigin (Slifabetl) auogeübt habe, mag bao aud) einft-
weilen nod) nidjt mit unablebnbaren ^eweiomitteln erwartet werben
fönnen, fo fann bod) ange(idjto ber urfunblidjen ^emeife unb Briefe
unb autobiograpl)ifchen 2tuf>eid)nungen nid)t in iHbrebe aufteilt werben,
bafe 3ot)n Tee fid) in bie polnifcbe .Hönigowabl nad) bem Tobe 3tefan
^atorns in l)öd)ft bemerflid)er shk\U eingemifebt hat unb aud) fpäter-
bin am .Haifertjofe rWubolfo II nidjt bloo ben barmlofen xUbepten
unb Wolbmaa^er bat fpielen wollen. Unb uon biefer Atolle Teeo in
ber ofteuropäifeben ^olitif baben Die Villi), Die Robert &oofe unb
}lbam Glarfe nod) nidit einmal 'Jtoti* genommen, alo (ie >bu Tee
wefentlid) $u einem geheimen politifd)en Agenten ber Königin Glifa
betb (tempelten. Villi), ber burd) ieinen betrieb ber xUftrologie Dao
^ntereffe für bie ^erfönlidjfeit Teeö aufnahm, fam am £nbe m
ber Überzeugung, baf; bie Weifterbeicbwörungen unb aldjpimftifdjen
.Hunftftütfcben nur 3)toöfc wären, unter ber fid) „im <*rnft" ber gut
besagte „intelligenter" ber Königin (jlifabetl) uerbarg. #ei :Hobert
&oofe unb nad) ihm bei vilbam (Slarfe war bie Meinung, baf? „bie
feebo mtyt Webeimfram", bie (rliao flfbmole auo >tyi Teeo
pieren auogefd)rieben bat, unb bie in ber Sloane Vibrari) auf bewahrt
würben, eine frpptograpbifd) auogebrütfte Sammlung uon Staato;
forrefponbenjen jwifeben ßlifabetb, ihren sJÜiiniftcm unb auomär=
tigeu sJ)iäd)ten enthalte, fo felfeufeft, bnf? fie (ich mit Gifer auf bie
Suche nach bem Sd)lüffel biefer eigentümlidjen (Shiffrienmg begaben,
unb wäl)reub .poofe ihn in bem nott 3olm Tee mit befonberer ftn=
badjt citierten 2wd)e .fteuod) fiubeu su fönnen meinte, war (Slarfe
ber ftnfkfyt, bafe eine genaue Wergleidmng mit bem Terte ber iHpo
falnpfe baju führen müffe.
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Hu« ben Sagett ber Äömgitt dltfabct^ bon önglanb 355
SUeranber Ärauöbar, von bem mir gleid) ju reben haben werben,
glaubte jwar all biefen Vermutungen ben Voben entrücfeu *u fönnen,
iubem er mit etwao billiger Überlegenheit ausführt, bafe «Tee« Tage;
buch, von bem mir aud) balb fprecben muffen, einige $af)re vor ber
rHeife nach ^olen H5H3) anhebe unb mit bem Jahre 1607, lange
nach ber ftftcffebr beo ^uubermanno nad) ßuglanb, fd)liepe, alfo mit
einem Seitvunfte, in welchem tflifabeth längft auo ben fiebenben ge-
trieben mar. Mein mao ift buo für ein ©egenbcmeio? Jene äU
teren Xee^orfdjer haben motjl fdjmerlid) im Sinn gehabt, bafc (SIU
fabetb ibre Vejielnmgen >u $olen midjtig genug gehalten habe, um
fie in gebeimniouoller Aorm unb burd) einen »ertappten Agenten
pflegen ju laffeu. Sie bürften überhaupt mobl faum ben 3eitraum
im ittuge gehabt haben, ber burd) bao Tagebuch umfaßt mirb. 3lber
bat benn 3°bn $Ve nid)t febr auffällige Reifen fdjon oorbem ge=
macht? Unb waren biefe Reifen nicht nach Sänbern gerichtet, welche
für bie ^olitit ßlifabetbo eine unmittelbarere Vebeutung hatten alo
$olen? Jn ber ^(\tf ba Jofm $ec notorifd) im 3^nith ber $of=
gunft ftanb, unternimmt er eine fleife nach Cfat (1563), als eben
ber neu gemählte römifcbe König ^Dtorimilian II, bamalö felbft feiner
näheren Umgebung noch ein töätfel, feine erften Schritte vorbereitete.
Valb banad) fielet mau ben (belehrten in ben 9tieberlanben unb in
Antwerpen, mo eben ber Sturj öranoettad unb bie Verbinbung beo
revolutionären 3tbelo bie (Gemüter bewegten, ©inige 3al)re fpäter
reifte $ee nidjt in ber öelehrtenfchaube, fonbem als Äaoalier oer-
fleibet, mit 5mei Vebienten unb ausgerüstet mit 6mpfet)lungdfd^reiben
an alle cnglifche (#efd)äftsträger, unb als er in Sotfjringen erfranfte,
beeilt fid) bie Königin, iljm nid)t bloö *wei £ofärjte, fonbem aud)
ben .§ofberrn ^h« Sibnen ,5ujufd)icfen. ©inmal (1578) fernen wir
t»eit 2lldn)miften im Spätberbft bis nad) granffurt a. D. reifen, ber
Angabe nad), um für bie an ber (Grippe erfranfte Königin einen
3(r$t \\x tjolen2). Jft biefe T^atfadje nidjt oermunberlidj? ©ab es
ni<f)t in größerer sJiät)e berütjmte !Ärjte — aud) mof)l proteftaiu
tifdje? — Staub ber Mann einmal in bem SHufe, me^r gu wiffeu,
als anbere Sterblich unb aus ungewöhnlichen Duellen, warum follte
er nicht in ben £ienft ber Staatointereffen gebogen worben fein V
£ö gab wol)l faum ein Spalter, in welkem bie Spionage, bie iju
trigue, bie fd)leid)enbe £ord)erei fo fyoa) im greife ftanb, als in ber
") «eranla&t Ijaben bie «eife eeicefhr u. ©alftng^otn (^atttwcB p. 6).
8iel fpäter, am 4. 3onuot 1594, befugte tb> 9Ri$ael Reifer, ber 8eibarjt
be* SWattgrafen bon «ranbenburg.
23*
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3f»fi
3. (Eavo
(Spodje beo bringend juuifdKu tfliiabetb itttb Den oou Philipp II oer«
tretenen unb geführten fatbolifdjen 9Wäd)tetL Tie Wlütforitter unb
Abenteurer machten bamalo au Meinen unb grönereu .übten, in fleinen
unb yrofjen Beziehungen uortrefflidie Wefdmfte. Um in oemfelben
ttreife nu bleiben, barf mau wohl au Taoib Mccio, beu für 3)2arin
3tuart uerbängnisoollen .frauofapellen = Sänger, unb beu italieuifcbcn
s^ed)oler Roberto Mbolfi, Der ben $er$Og Ibomao DOtl ^orfolf
OltfS 3d)affot brachte, erinnern. Unb wenn Wifolauo Wrubiuo, ein
■üHitglieb ber u>anifd)eu .<öoffan;,lei, mit ben geheimücu 3d)lidjeu unb
flauen ber fpanifeben unb uieberlänbiidien fleaftionopartei uertraut,
plbfclid) am englifeben «pofe erfebeint, um Crlifabeth — aber nur
ihr — bie $erftcUung beo 3teineo ber Reifen anzuoertraueu, fo
fenn^eidjnet bao eine bamalo Abliebe Berbiubuug non ^olitif unb
Aberglauben, meldie bie rHolle 3ofm Teeo, wenn aud) nicht nolleubo
erläutert, jo boeb begreifen läftt. Beiläufig ift }ti jagen, ban tfli-
fabetl) itjre meiblicbe Neugier *u bewältigen wufUe unb ben naiuen
fpanifeben «poffefretär mit feinem aldnmiiftifcben Webeimnio auf yiVr
banblungen mit ^obn Tee oermieo.
£o mag babin gefteUt fein, ob man io weit geben barf, mit
.Hiefemetter zu behaupten, Haft >bn Tee burd) feine beiben 3d)riften,
bereu Titel unten in ber }iote3) angeführt werben, ber iutelieftuelle
Urbeber ber englifdjeu Crroberunge.uige nad) bem tranooceanifdien
faftlaube geworben fei. darüber mürbe beim bod) mohl erft xUuf=
fdilnft gewonnen werben, wenn jemaub fid) ber iiiübe unterzöge, bie
angeblich „in ber (Sottonfdieu Bibliotbef \\i Crforb" befinblidieu
3d)riften wirflid) 51t lefen. lieber haben bie Biographen, einfdjltefUid)
.Miefewetter, bod) nur fo Diel barüber mitzuteilen gewuftt, alo auo beut
Titel abgenommen werben fann. xHlobann erft fönnten wir auch be
urteilen, ob Burleigb wirflid) gegenüber einer fo unermenlid) grofien
Olbee wie bie Turdjbredmng ber fpanifd) fatholifdieu ^eltfuprematie,
bie fonft bod) bem Webanfenfreife ber ^olitif tilifabetho fid) fehr
paffenb einfügte, fid) ablehnenb Herhalten unb ben Berfaffer mit
einer bloßen ^enfur über geleifteten Aleif? abgelohnt hätte. —
(Sbenfo bürfte eo fid) wohl mit ber „gegenwärtig im ülfhmole
*) 1. Her Majestie* title Royal to many foraigne countryes, king-
doms and provinces, by good t«8timouy and nufheient proofe recurded. and
in twelve volume akinn? of parchment fair written for her Majestie* use
and ber Majesties couiendenient (1578). 2. Tabula geographica Aniericae.
Africae *>t rrgionum intra Polntn aretienra sitarnm por Jnhaunem Poe.
lf>HO.
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kÄu3 ben $ao,fn bcr Königin (Jlifabetb, von Gnglottb
357
inufeum" bofiitMid>eit 3d)rift über l»io Haleuberreform »erhalten, Die
wohl and) feit ihrer Prüfung burd) bie .£>ofmatbematifer im 3af)re
lnf*3 faunt wieber bao Wlücf gehabt bat, gelefen rcorben $u fein.
3&nu mir auch in btefem ^alle von einer Ablehnung burleigho unter
ber fet>r oerftänbltd)en bemerfung, bafc ber ^orfdjlag einen papifti-
fcben beigefchmacf tjabe, vernehmen, fo möchte tuot>l ber odjlufe nicht
unberechtigt fein, bafj, wenn ber 3d)lüffel $u ben ©eheimfchriften
£eeo gefunben werben follte, jebenfallo bie s^olirif burleigfjO feine
wefentlicbe (rrläuterung erfahren würbe.
Tie 3Je$icbungen $u Jvranj Sitalftngtrant , bcr allerbinge gan$
ber Mann ba$u war, allerlei munberliche Leute $u gebrauchen, ber
befanntlich in Vonbon hörte, was in iHom ins Obr geflüftert würbe,
ber für alleo ^feue, Ülufcerorbentlkhe , Ungewöhnliche voll empfängt
liehen Eifers war *) unb über ganj (Suropa ein }Jefc geheimer ©egen-
wirfungen gegen bie ^erfchlagenbeit ber ^efuiten ausgebreitet hotte,
trugen fichtlid) einen intimeren ßh^rafter. Oft befucht er ben Magier
in feinem Laboratorium, er begleitet bie Königin bei ihren befugen,
er fteht bis an fein tfnbe mit $ee in Äorrefponbenj, er t^ält vom
22. bie 2H. Wopember 157? in '&*inbfor mit ber Königin unb bem
(Mehrten geheime Konferenzen ab, er teilt Tees 2lnfid)tcn über bie
englifchen Mechtoanfprüdje auf Wroenlanb, tfrieetanb unb (Sfthtanb
(wobei aüerbmgo at^umerfen, bafe unter allen brei tarnen nicht
bie Länber $u oerfteheu finb, bie heute biefelben tragen, fonbem
Teile beo nörblidjen iHmerifa '•), er überlegt unb betreibt mit ihm
bie tfrpebitionen, bie oon >lm Taoio unb (Gilbert, bie mit 2>ee
im perfönlichen Werfebr ftanben, unternommen würben. <pier hatten
wir in ber Tiwt «ne greifbare unb beftimmte Witmirfung 3otm
Teeo bei ben politifdnm £anblungen beo tfabineto6). 2lber bao
waö Tee über feinen ^erfeljr mit ber .Uönigin felbü anmerft, (äfit
wohl erfennen, onft fie ihm wohlwollte, baft fie ihm oertraute, aber
uirgenbo, wo fie feine eigentlid)e £Ufe in iMnfprucb genommen hat.
3ie würbe gewifi nicht jeben beliebigen nad) bem beftnben beo
,/Dionfieur" (beo «fterjogo Aran$ von 2lnjou, beo Bewerbers um ihre
,oanb) ober nad) ben Wefinnungen beo „s))ir. Miroln" (kalter
*) #gf. »ante, Söcrle XJV, p. 381.
*) ^efdjet, ®e|d>. b. «rbfunbe, p. 271. C£S tonn fid) audj in jenen Äon-
fereit$cn nur um bie jogeiioiintcn ftvobijljeridjen Worbroefterjc, bie ber fd)roin-
belfjafte ^Ifc^pmif) ftgneUo für ©olb ausgab, geb,anbelt traben.
•) Wadj einer 9lote bei .^aUiroefl p. 4 fott ?lff)inole fef)f)eden , bajj
SÖalfingfjam 3)ee« gai«. bejoubtrer ©ejdiüfccr war.
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Gnic
Kaieigb) befragt haben, tote fie, ein imterect aittereffe uertraulidi
oaratenb, 3ol)n 3>ee gegenüber tliat. ^tamontlidi ift aud) tticfjt ju
übcrfeljen, bafe See uon ^Jolen unb Böhmen ano bor .Uönigin miobor-
fyolenxlidj fchreibt, wie er in [einem Xaaebudie aumerft. äfter ,ut einer
foHbawn Unterlage für bao &erftänbm< feinet Stellung pt poiiti
fdjen iMngelegentjeiteu reichen borl) and) biefe att t obi oiuaphi f dien iMn-
oaituugen nid)t auo.
3olange nid)t jemaub Den SKut bat, bie aefamteu in oerfdiiebenen
^tbliotbefen (£najanbo uorhanbeneu ober oorbanben fein follenben
2diriften 3)ees — eo finb k geDrutfte nnb 50 ungeDrutfte ^üdier
mit ^erftäuDnio unb fritiidjent Urteil >u lefen, folauge bfiefte nicht Darauf
;u redmen fein, baf? fein ^erbältnio $ur &;iffenfcbaft nnb fein x.Her
baltnio ut Den politifdjen ;)eitf ragen irgeubmie Dem Giebel eine« in
inlioitum betriebenen ^lagiuto Der oberflädjlidien Dnrd) Dr. Xboinao
3 mitb 1 7 57 jufainmenaetraaenen ^iotijen entrüeft nnb flar talgf*
legt werben fönne. (ritte „fulturgefd)id)tlid)e 3tnbie" hätte bao eine
eine „politifdie" bao anbete ^erbältuio, nnb eine grünblidte
2tubie beibe unterfndjen müffen. s&ao ift'o, fragen mir, Bin nur
liuiigeo anjufüljren, mit feiner 2dn:ift über „Wanten, ^efugnio unb
."('ad)t bes .Haifers" '< 2i*ao ift mit feiner „Tarlegung ber Urfad>en
i»on (£bbe unb Alut" ober „über bie lUbftänbe ber 4i>eltforper pottl
e-iD$entrum", ober über „bie nürMid)e Turd)fabrt nach (rbina"
nnb mit ben übrigen geographifdnm 3lbhau blutigen - roao ift'o
mit feinen pt)«fifaliid)en Arbeiten, mit ben „fed)o s#üd)ern über
^rennfpiegel" ober mit „ber Velne oon ber ^erfpefttoe in ber "äJJa-
lerei* — über „8tral)leubred)uug" n. f. m. n. f. m. 3inb bao uidu
fragen nom böcbften $ntereffe¥ Unb bodi fpredjen bie Biographen
itid)t einmal oon ben Xiteln biefer 3d)rifteu, bie, mie fie aud) bie
nnid)läg(id)en A'Mgeu beantmorteu mögen, bod) eine überauo fdjarfe
>uun$eidmung für ben 3tanb ber ^iffeufdmft in (Snglanb oor Ivranj
^acon ergeben mürben ' ». Cb nun jene älteren englifd)en ^orfeper,
rldje in Xeeo occultiftifdjen Wtdteru .ttrnpto^olittf ju finben meinten,
null fie Die große Summe recbtfdmffener Welebrfamfcit mit Der Unfutnme
oon 5öab,n unD Xljorbeit fouft nidtf in (rinflang ju bringen mußten,
ob jene X'ilh), $oofe unb (ilarfe biefe 3d)riften jur Unterlage ihrer
o ortreff liehen ^Meinung über Teeo gefünbere irpodje gehabt haben,
ift fdjon jiemlicb, ätueifeltmft. M, >mo null eo bebünfen, baft aud)
*) Com 11. nuqufl 1682 »rrjfi^nft Ttt in feinem Tagrbu^-. Mr.
r it'on aud Mr. Philipp« of tlie court cam.
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$uff bru ifl^fu ber Äomaju Gltfabetb bou (Siifltanb
360
VeibmY ajinftiaeo Urteil *), bao freilich eher bie %'oralität alo bie
Stiiffenfdmftlidrteit ,Vb« Teeo betrifft, mehr auf allgemeiner 3i)m-
rmtbie als auf iSinbriuaeu tu bie aelebrtcn Arbeiten beruht, tfann
fein, baß ^'eibni; außer bem von "Dicric (Safaubouuo berauoa,ea,ebenen
Taa.ebnd) nod) bie Chiclib 3tubieu unb (Sriniaeo von ben aftronomi-
fd)en s}>ublifationen fannte, aber bie oben angeführten unb anaebeu;
beten Bücher bat er jebeufallo nid)t aefannt. Unb nod) beftimmter
barf bao von beut Theologen Tfyontao 3mitbfl) angenommen werben,
ber für bie aefamte TeeAorfdHtna. uerhäuaniouoü aeroorben ift.
3mitl) hatte ;>iuei .ftauptauelleu oor fiep: erfteno bie Tenffcbrift,
welche Tee l.v.i^ ber oon ihm felbft erbetenen .tfommiffion, bie im
iUuftraa,e ber ttöniaju (S'lifabetl) über feinen Aberglauben aburteilen
follte, oora.elea,t bat, unb .weiten« bao von (Safaubonuo ebierte Taa,e;
bud). sJDJel)r alo eine rh'eilje äußerer iVbenotftae, ben Umriß äußerer
^erbältniffe l>at 3mitb bannte nicht gewonnen. Tie leiembe ^ob-
fina,erei unb ber 3nrupftil, in bem fie uora.etraa.en werben, hat bie
3ubftan* beo (belehrten a,an$ oerfduoinben laffen, fobaft fdjließlid)
nur ber $eifterfel)er übrig blieb. Tiefe ^erfion ift aber in ber
i'itteratur ftetjenb geworben, englifdjen 3ammelmerfen, in ^itte-
ratura,efd)id)ten unb felbft in Tieraelie prunfooller (Styarafterjeictymma,
ift faft überall ohne 3toffoermebruna, 3mitl) aueaefchrieben unb feine
anbad)teooUe (£nfomiaftif nachgebetet, unb wenn aud) Abelung bie
lefctere minbeftene nid)t fowotjl abftreifte als Dielmehr auf ben Hopf
fteltte unb aus bem „.UrwftaUgutfer ^olm Tee" ein Kapitel in feiner
„Wefcbicbte ber menfd)lid)en Narrheit" lu) machte, fo tarn er bod)
über bao Material 3mitbo nid)t binaue. Taß man fia) für Tee
nod) auo anberen alo fri)ftaUomanrifd)en Wrünben intereffieren fönnte,
ift and) itmt nidjt beigefommen.
Crinen f leinen Schritt über 3mitb ^inauo führte allerbingö bie
uon ^ameo Orcbarb £>alliweU oeröffentlid)te 3ammlung oon autobio;
grapbifeben NJion>u, bie auf #ud)ränbern unb 3citfd)riften in ber ^iblio-
ttjef beo Afbmole sJMufeumö oon £. Warf aufgefunben würben.
Aber aud) fie gewähren nur eine s#ereid)erung ber äußeren ^e$iet)ungen,
bie.miffenfchaftlid)en Arbeiten blieben unberührt, ^teueroiiiöß aber ift
>bn Tee - mau wunbert fid), baß eo nicht fchon früher gefdjeben —
») Seibuij an floiueburfl tu ©ruber: Commercii epistolici Leibn.
prudroaras. Hanoover 1745. II, 1366.
•) Vitae qnornndam ernditisfumonim «t illustrissimomm virorum.
?oubou 1707.
,u) ?fipiifl 1787.
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3. Gare
:tn Cccultiften, fpe*ieller Den „fritifcben 3piritiüeu", in Die $öafee
^•fallen, nodi fpe>ieller Dem .öerrn Hiefeioetter, Dem ^erfaffer Des
beiter berühmten -8ud)eo : „aüuü in Der Weidnebte unD IraDitiou"u)
unD Der nodj berühmteren „Haifernatioitüten" 1J>.
.bei ipiritimiaVn Büchern frittfcbeu mit unfritifcben — bnrf
et Dod) mobl fcboii umnDerlidt utaehen, nnb mir nnben eo Daher na
turlicb, DaR aud) Dao neue buä) Hieieiuettero oon einigen Uncjemöbn
licbteiten begleitet ift. ,}d) habe Den 3<bmer;, Dem $effftjjet fcbon
iiuf Dem inneren Xitel ieineo $ud)eo auf Dem Stifteten tft eo
f eflaefallen einen Irrtum beuudid) Der sJ)ieinutnj, bafs „Die *]>ox
träto oon Dr. ,^olm Tee unD CrDuarD Hellen nodi nicht oeröffentlidü
nD", nadnoeifen *u müffen. ±*ox mir liefen Die beiDen ^orträto,
idjön unb forreft aeieidmet unD aeftodk'u oon sJDi. Cr. iHnDriolli auo
cVtn ,Vhre \hhh unD Da>u foaar eine ^eidmuna. Deo „heiligen
Ttfdjee" i nie usa foederis), Der 3. 23 gan| richtig uon H. be
nbrieben mirD. H. „uerbanft Die ^orträto Der Wüte Deo .\>errn
Dr. (£arl ,"vreiberr bu^rel. Tao Original ftammt auo Der Sttblio;
thef Deo (trafen D'Curcbeo unD fpäter Deo ^arono oon WülDen
uubbe". 3o roie Der 3afc baftebt, tonnte man meinen, Daft Die
5tdla oon (trafen, Maronen unD Freiherren fid) nur auf Die Silber
begebt. Der Singular „Dao C riamal " jeiitf aber au, Dan leDiaUd)
oao oon 3Jieric (Safaubonuo berauoaeaebene Taaebud) gemeint ift,
Ulf bcffcn Worberblatt fid) neben Den Silbern oon xJ)tubameb, sJloollo-
niuo oon Tnana, Moaer SBacOtt, ^aracelfuo aud) Die oon ^olm Tee
unb CrbuarD Hellet) befinben. trben tiefe maren aber aud) Die ^or
laße für Den otedjer oon Ihhh.
Turd) einiae ald)i)miftifd)e 3d)riften ift Hiefeioetter auf eine
Jtotis in (Sreilinao „(SDela.eborenc ^una,frau jlldnmtia" geführt nun-
bell, nad) ioeld)er sJ)ieric (Safaubonuo, Der 3otju Deo aronen Sllter-
innioforfdiero, bel)uf o ^adjmeifuna. Der (Srifteir, Der Weifter Dao laae
luid) ,)ol)tt Teeo unter Dem in Der State fteheuDen Titel n) ju Voiibon
") $aufi in bcr ©cjdjidjte unb irabiiiou mit ©midfidniiiu»«} br«
inittrloltrrt. ßaubtrroefritg. Hit änbaiifl bif iöagurrjaa.r unD ba* itia^iif r>
lud) von Start Jttcfcrottter, t'rtpjtq. Vgl. bir Sitjfigr birjrS ^uAr.- iibbrr
rilaat brr „«Hg. 8tg.M (SRündjcn). 3abrg. 1898, 99r. 298.
") Ott ber 3tfd>r. „6p^tnr".
u) A trne and faithfnl relation ot what paased for many yeer» l»et-
W%tm Dr. John Dee, a matematician of great fatne in Q. Eli/., and kiujr
Immi their reigne« and Home ipfaits: tending thad it sncceedet) to a
«nerul itlteration of mo«t «tatOM and kin^dums in the world; Iii» private
caBferencM with Budolphe Empeior of (ii-rmnnv, Stephen king of Poland
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flttS beu toflcit ber Königin (Slifobrtb t>on Gruglanb 36 t
1 •;.">!> in Trucf bat erfd)einen loffeiu 3ofort ahnte Ä., baft bao $ud)
„für bie .ttultura.efd)td)te von ivröfctnn v"\ntereffo" fei, er ftelit bei
grünet nad), er lieft, wie feiten bao ^ueb ift; er „forfebt jahrelang
unb 5 war felbft in ben beriibmteften ^Bibliotbefen" nad) bem :öuche —
oeraeblid), bio er enblid) „burd) juiaU im .perbft 1889 bem
Stiebe unb \u bem oon 1 555 bio 1 b< >^ reiebenben N^riootbiarium £eeo
(t>. i. boeb mir Joallimello ^ublifation) fnm, welcbe 3d)riften itm $u
ber ganzen fofort folgenoen (?) bio bal)in oer)d)olienen Tee^'itteratur
hinführten". Xarauo entftanb nun .Kiefemettero ^ud), bad neben
anberen ^erbienften noeb bao eineo „nicht unwiebtiaen Beitrag* jur
Wefcbicbte beo occulten ^tyänomenaliomua" bat unb namentlich alo
„braftifebe &iarnuuaotüfel oor bem unfritifdien (Glauben an ben :$\u
halt ber auf mebiumiftifeben (!) Sikfle erhaltenen intelligenten M\U
teilungen bienen faun".
8ebr merfmürbig, ift eo nur, baß Hiefemetter bei feiner Jorfdntncjo;
reife bureb bie beriibmteften ^ibliotbefen niebt feinem Xouoela,äna.er be=
Regnet ift. 2)enn im ^abre 1 888 bat ber jebon oben erwähnte 2ller.
.Urauobar ein $nid) erfd)einen laften u), in welchem er e^blte, wie er
freilich nid)t burd) occultiftifdje 3cbartefen/ fonbern burd) Antuet,
Crbert, (*rfd) unb Wruber, ^eefenbout, ftalliweU unb befonbero aud)
burd) bie „Amenities of literature", burd) Hbcluncj, Gl). 3)iacfai)
oon ber (*riften$ unb oon ber ajofeeu Seltenheit ber (Safaubonfcben
auoaabe .Kunbe erhalten, lange oeraeblid) Mmd) aefuebt, bio er burd)
Zufall \ie in einer Sammlung entbeefte, bie ein paar Käufer uou
feiner s&ob,nuna, entfernt fieb befanb, nämlid) in ber Wbliotljef
beo Santoiöfifdicn Crbinato in ^arfebau, wo fie freilich "iebt aanj
binaeböria, in bie ^Ibteiluua, ber oolnifdjen Wefd)icbte eingereiht war. —
an«l divers other priueea about it; Üie particularn of big cause; by the
Pope« Intervention, bis banisbment and reatoration in part, as also the
lettre* of sutidrv great inen and princes («orae where of were present at
Hotne of tbese Conferences nnd apparitious of apirita) to the Haid Dr. Dee.
Our of the original copy, written with Dr. Dees own band : kept in the library
of Sr. Th. Cotton, k baronet. witb a preface contirmüig the reality (a« to
the point of apirits) of this relation and shewing the «everal good uses that
a »ober Christian may mnke of All. by Meric Casanbon D. D. London,
]>rinted by D. Maiwell for T. Gartwait aud aold at the libr. Northdoor
of S. Paul» and by other »tationes 1669. Über SWerie ISafoubonu« ogl.
Wood Antiquitates Oxonii, lib. II. p. 281 sqq., wo aud) tieft ^ublifation
crroäbnt ift.
"} Czary na dworze Batorego. Kartka z dziejow mistycysmu w XVI
wiekn jako przyczynek do charakteryatyki Krftla Stefana przez Alexandra
Kranshara. Krakow 1888.
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Xao $erra ftiefemetter „vorliegenbe Ihemplar ift prachtvoll in golb
gepreßte* (!) ttalbleber gebunden unb ivurbe in tfnglaub für 160 SRI
erftauben", bao .&erru Hrauobar vorliegenbe „Iheniplar ift ein
prachtvoller in fdmmruMn Veber gebnnbener Aoliant, ben Wraf Hon
ftantin ;}amojofi ls<il erworben hat", fytxt ttrauobnr, Oer feinen
föegenftanO entfdüeben nüffenfdjaftliduT unb ohne Die Xerminologie
Oer Cccultiften bebaubelt, triebt ben Xitel vollftänbiger , alo £err
tfiefeivetter. lUber beibe gehrandjen inbejug auf lUbelung ben i>lno
bind „tenbentiöo", beibe erzählen bao Veben Teeo ivefentlid) nadi
Xboiuao 3mith; beibe fügen aus \>alliu>ello ^Miblitalion bie Gebens
nötigen mit ein, nnb .vttefeuwtter hat alfo iiidit bao :Ned)t, w be=
haupten, baf? „fie bio jeftt nod) von feinem Biographen benutzt ivorben
feien" ; beibe aeben weitläufige, faft wortgetreue nnb baher }tun Xeil
übereinftimmenbe SbiOgJ&ge auo bem Xagehud); beibe ftimmen in ber
sJluffaffuug übereilt, bie „aetionsu Teeo alo bie /f^rotofolle fpiri-
tiftifdjer oifcungen" nnb libuarb .Hellen alo „Mebiunt" aujufebeu,
wobei Atiefemetter nod) bie erlantembe Aufführung giebt, baft er ein
„Xrancerebner" offenbar geweten tväre.
Xrofc aliebem mufi id) anfo entfdnebeufte bem Webanfen ent
gegentreten, baft hier irgenbmie *ein Plagiat vorliege, ^cb nehme
nid)t nur an, bnft £err .Uiefeivetter fein ^olnifd) verftefjt, fonbent
halte mich überzeugt, baf? er von ber (Triften,, beo .Hrauobarfcben
Büches vielleicht and) heute nod) feine Menntnio bat. 8eine lUuo-
jüge auo bem (Safaubonfd)en Buche ftnb reichhaltiger, umfänglicher;
feine Xenbenj ift eine vollfommen anbere,- alo bie ttrauoliaro.
3ilährenb ber lefctere nur ober iveniafteno vornebmlid) bie lUbfidu
geigt, bie vor bem Ronige 3tefan Stators, gefpietten 3cenen in ihrem
Urfprung unb Verlauf barsulegen, mie fid) auch baö ganje "Bitd)
lebiglid) alo ein Beitrag sunt l'eben Stefan Batorpo unb ber uad)
feinem Tobe erfolgten .Hönigomabl unb namentlid) alo ein ^ufafc $11
ber von bemfelben Berfaffcr erfdnenenen Biographie :!llbred)t Vaofio
auogiebt, hat ber entere, ."perr Miefemetter , für alle bie ^erfönlidt-
feiten unb Berhältniffe, weld)e von ben (>)eifter|d)einuiigen berührt
werben, fo wenig ^ntereffe, baß er nidjt einmal bie vorfommenbeu
Tanten richtig fdjreibt. $fam fommt eo nur auf ben „occulten s}>bä
nomenaliomuo" unb auf ben „fritifdn'ii (Glauben ber mebiumiftifd)en,
intelligenten Mitteilungen" an. Unzweifelhaft fteht Mrauobar tuehr
auf bem Bobeu iviffenfd)aftlid)er ttritif unb nur im flbermafi beo
Strebeno nach „Cbjeftivität" trägt er ber sJM)ilofopbie Medmuug,
bafi eo lingc jnrifdjen $tntmel unb (irbe gebe, von benen fid) bie
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Sn* bat -tagen bcr X&ntgitt (Jlifabct^ Don (Snglaiib
3dmlmetol)eit nid)to träumen läftf. 3ene formale ßctjre ber tjiftori^
fdien iNettmbe, bie jebem übrigens gut beglaubigten jeugnio fein
rHedjt ftufommen ju laffen ooridjreibt, mirb uon ibm in lHnbetrad)t
ber fontrooerfen Wiensen beo sDtöglicben aud) auf Wegenftänbe aufter^
«alb ber Peripherie beo gefunben ^JenfaVnoerftanbeö angemenbet.
iHud) prallt er nicut mie .oerr .Uiefemetter mit Prioritäten, bie, mie
mau fiebt, feine finb, aud) maßt er fid) nid)t, mie .Hiefemetter, an,
bie „ganje bio batjin oerfdiollene iVe^'itteratur" umfaßt ju baben,
mäbrenb bod) uiebt ein fünft beigebradtf mirb, ber niebt febon 2lbe-
lung ober ^allimeli, von anberen ,u gefebmeigeu, befannt gemefen
märe. Ellies, mao Hiefemetter oon „eigenbänbigeu vJ)fanuffripten
Tees" oorer^äblt, ift bod) nur plumpe« Weubroeif ober oielleidjt
mebiumiftifd>e ^Mitteilung, benn gefeben bat er bod) motyl — er
mürbe fonft mebr trommeln aud) nidjt ein einiges 3tütf baoon.
Taft $. & bas „eigent)ünbige s))ianuffript Xees" $u bem von ßafau=
bonuo herausgegebenen Xagebud) überhaupt nod) oorbanben, bafür
märe ber ^eroeis &u enoarten. (Slias ?lfbmole bat eö aüerbings
nad) bem Hatalog bei .frallimeü (p. Hl) nod) getjabt, aber Hiefe=
metter nid)t, benn fonft mürbe er aud) bie anberen älteren Xagebucfc
NJManuffnpte $u Weficbte befommen tjaben unb mürbe bie Stebauptung,
bie auf bem Xitel prangt, baf? bas frotofoll ber fpiritiftifdjen
3ifcung 00m 28. 3Hai K>83 „bao protofoll bcr älteften" fei, nid)t
gewagt ^aben. It)atfäa)lid) beginnen bie protofolle bereit© mit bem
22. Sejember 1581 unb füllen bis jum 23. 3)iai 1583 nidjt me-
niger als fedjs „libri Mysteriorum". 2lber Hiefemetter hat aua)
aus £alliroells Xrutffcbrift, bie nur überaus flüchtig benufet ift, baß
nicht geköpft, mas baraus $u fdjöpfen mar. feiner Tarftellung
mirb jmar an paffenben unb unpaffenben Orten als 9iieberfchlag
einer müften (Mehrfamfeit ein ganjer Raufen oon (Sitaten aus ber
alchnmiftifehen l'itteratur hingeworfen, aber tuas Tee betrifft, fommt
er über Stomas 8mitl), ^alliroell unb (Safaubonus nicht t)inaus.
Hraushar twt bod) für bie über bie polnifd)e Hönigsmahl u. a. in
bem Tagebuch oorfommenben Briefe bao richtige *<erftänbnis gezeigt
unb ben Wegenftanb burd) einige Nilus$üge aus bem$reslauer8tabtarchio
banfensroert beleud)tet, unb menn er aud) einmal fteinrid) II oon Jranf-
reich mit granj 1 (bei Ülbelung ebenfo) unb Nana bie Hatholifdje
mit Waxia Stuart oermed)felt (p. 124), fo t)at er fid) bod) in ber
englifchen Üiiteratur etmas umgefeben, um eine natürliche Stofis für
bie ^iftorifc^e ßrfcheinung beo $ld)nmiften $u ergrünben unb fein
iüer^Utmö ju gleichseitigen beroorragenben ferfönlichfeiten ju er=
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mittein. ^ebenfalls ift ttrauobaro 5tacb inftruftioer ata bao wort=
unb fdjeinreidje iHud) Kiefewettero.
jyaftt man nur Die ^erfönlidifeit ^omt £eeo ino Auge, fo wirb
fid) fein Lebenslauf in >mei Hauptabteilungen , bie wieberum in je
jmei Unterabteilungen verfallen, gliebern laffen. £er Hauptroenbe;
punft feineo Vebeno fällt in bao vx\ahr l r>8 1 etwa, in beut auo einem
gefunben unb namhaften Welebrten ein wabnbetbörter ttruftaUoman=
tifer unb ficbtlich betrogener unb miber Hillen betrügenber 3piritift
wirb, ^n ber erfteu (Spodje ftebt ber Mann für fid) felbft ba, auf
ber (Energie feiner Begabung fufteub, in si*erbinbung mit auogejeitb^
neten sDtännern wie Meiner Wemma, Werbarb sDfercator, ^eter
Mamuo, Habrian Tournebeuf u. a. ; in ber ^weiten (*pod)e fiebt man
ibn $ur $eute geworben oon CWuf oritteru , 3d)wadiföpfen unb (>k-
feilen, oon benen ©buarb .Hellen, ber ben breiteten ftaum in feinem
Sdntffal einnahm, unzweifelhaft ein auogemadrter Halunfe war —
trofc feiner itoronifierung burd) Maifer Mubolf II. 3Man begreift
eö, baft ber Mann, ber an ben Unioerutaten Gambribge, Poemen
unb sJ>ariö mit großem Erfolg — in ^ario faftte ber £örfaal bei
ben ^orlefungen über Chiflib bie Lernbegierigen nid)t — gelebrt
unb uon (Sbuarb VI ein ^abrgelb unb eine ^frünbe erhalten hatte,
ber unter sJJtoria ber Watbolifdien unter bem tuobl nicht ungegrun-
beten Vorwurf, ber ^rin$effin (rlifabetb Tienfte geleiftet ju tyaben,
in tterferbaft unb Lebenogefabr geraten mar, von ber Königin <£li-
fabetl), bie ber freien Bewegung ber roiffenfd)aftlid)en unb fünft-
lerifd>en Weifter bie Pforten geöffnet bat, in befonbere Affeftion ge-
nommen mürbe, baft fie für feine ctubien fid) intereffierte, baft fic
feine *Mbliotbef, fein Laboratorium, feine xxsnftrumentenfammlung be-
fud)te, befidrtigte unb mit tyrer gewohnten Herablaffung unb A-reuub-
lid)feit ibn auojeidjnete, jumal feine Mdrtfdmffenbeit unb Treue ilmi
Vertrauen ;,u erweif en unb ibn für oerfd) wiegen *u baltenbe 8eu-
buugen ju gebraudjeu gematteten. iHan begreift eo aber ebenfo
gut, baft fie ohne Jhtfbcrftreben ben SHann an bie 3&icbfel unb an
bie Dölbau mit einem Abenteurer abgeben lieft, alo er mit allerlei
oerbächtigeu Laboranten fid) umgab unb fpiritiftifd)e Weiftermitteilungen
oon einem „Irancerebner" fid) aufbinben lieft, ber notorifd) einen
febr üblen ttuf in feinem früheren Aufeutlialtoorte jurütfgelaffen
hatte. Man oerfteljt eo febr wohl, baft (Slifabetl) bei feiner nad)
fteben jahriger ^agabonbage erfolgten Wuffebr fühl fid) oon bem itjr
fufpeft geworbenen (belehrten $urütf*og unb ibn nad) einer formellen
:Med)tfertigung feineo rounberlidien betreiben« ber s&iffenfcbaft wieber-
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9lu* bcn in^cn bcr tfönigiu (Sltfabctlj üou (fuglanb
365
Siuxebo» verfucbte, indem fie ihm ein (Solleg in Wandjefter übertrug.
(*r iuar aber unrettbar feinem 3*>abn verfallen. sJiad) bem Tode
iSlifabetbs febrte er, da feine Pfründe ihm entzogen mürbe, nad)
3)fortlafe in fein früheres Vaboratorium wrücf, uub mäbrenb ihm
feine Weifter goldene ;}ufunftsbilder unb rofige Hoffnungen oorgaiu
felten, hatte er i)Iul)e, Die Auflage ber Wemeinfdmft mit dem Teufel
von fid) ab$ufd)üttelu. Crr ftarb in l*lend, jlroiut und Verfommeu;
heit, der "Dtann, der in fein Tagebuch am ;>4. "Jluguft 1588 unter
brünftigeu Tauf gebeten $u Watt eingefcbrieben hatte, dafc „fein uu-
uergleid)lid)er Jreund .Hellen ihm das göttliche Gaffer (die Wold er;
zeugende Tinftur) in der dritten 3tuude oor NJ)iittag gezeigt habe".
Aür die Beurteilung der flauten Bedeutung >bn Tees ift es
verhängnisvoll, daf* die Crpod)e, in welcher er fid) durch folide Aor-
fcbung und gelehrte 3d)riftftellerei Tanten und Stellung erivarb, nur
durch einige Stotijen auo feinen ^rivataufseidmungen erhellt mirb,
und bafj eo ju ihrer fieberen Betreibung auegedehnter Sammlungen
und eingehender Unterfudmng bedürfen mürde. Tabingegen ift die
£pod>e, in welcher fein Weift von Hebeln des ^abns umflort und
er felbft nur der Spielball unlauterfter 8pefulatiouen gemorden
mar, durch die forgfältige iHuf^eidmung feiner „artions" und durch
die Verbreitung derfelben mittels der ^ubltfation des (Safaubonus
bis in die (Einzelheiten hinein beleuchtet. 8eiu Verhältnis *u
fabetl) und die (Gründe ihrer Zuneigung find im dunfeln geblieben,
feine rWolle bei 3tefan Batoru aber und bei .Haifer Ludolf find nur
511 flar $ur Kenntnis gebracht, dadurch ift aber bisher mindeftens
in den :>tugen der ^Nachwelt meines Crrachteus das Wefamtbild fehr
mefentlid) verfd)oben, benn der Welehrte und, mie es fdjeint, ver-
dieuft volle Weleljrte trat in den Hintergrund, mährend alle Bedeu^
tung fid) auf den Weifterfeber häufte. Tiefe ^nfongruenj der SeiaV
nung mit der &*irflid)feit beruht aber lebiglid) auf dem $ufälligen
Verhältnis der bisher fid) darbietenden Cuellen. ^n der Sluffaffung
l*lifabett)s und ityrer freunde mar augenfdjeinlid) der (Sindrucf um-
gefehrt. Ter Welehrte galt ihr viel, den Weifterbefdjroörer und feine
Xranceredner fachte fie ftcb vom Hälfe $u halten.
Bei der das 3trafred)t nidit blos greifenden, fondern ftarf au-
ftoftenden Verbindung Tees mit Crduarb .Helle« dürfte namentlich tu
2lnbetrad)t der berüdjtigteu „action" von H>. lUpril 1587 ein
Ifuftfpiel, dem gegenüber 'JWaccbiaveUis "JUcandragola ein Spiel für
Töcbterpenfionate ift - dürfte, fage id), das befannte „cberchez la
femme" nidjt unberechtigt erfcbeiuen. Tee mar nämlidj $meimal
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36f>
3. dave
verheiratet. 92ad)bem feine erfte ?ran finberloo geftorbeu war, bei-
ratete ber ">4jäbrige Wann öie noch nicht gan$ 23jäbrige kernte Jro:
monbo, Die ihm im 3«bre 1571» einen Sohn, Arthur, unb bann
nod) mehrere .Hinber, bao lefcte, alo Der Water bao jteb$ia,fte 3abr
überschritten hatte, gebar, tftroa ein ^abr nad) bem erften kindlichen
Jamilienereignio felbftoerftänblicb gilt bie logifdie rh'eael post hoc
ergo propter hoc in feiner &Viie — uerjeitfinet bao ^riuat-Tage
bud) bao Auftreten beo „occnlten s}>bäuomeno", beo .Hlopfeno, nament-
lid) in ber 9Jad)t (all the night very stränge knocking und rap-
ping in my Chamber) imb jugleid) mieberbolte heftige Streitig^
feiten mit oerfebiebenen Vaborauten, in welche fid) „(triftige $>efen
auf eine munberbare &>eife bio Witternadrt beunrul)igenb" mit etn-
mifeben. SUobann erfebeint ber mit ivrau Tee geb. Aromonbo in
gleichem Hilter — er ift nur ein Vierteljahr jünger — ftebenbe
(Sbuarb .Hellen auf bem s^lane. Seine überwältigenben mebiuinifti;
feben l£igenfd)aften, namentlich feine .Henntnio ber „Wetbobe St. Tum
ftano", befeirigte alle übrigen Vaboranten. 3(ber bie 3ad)e ift ganj
unoerf anglich. Mellen ift ©erheiratet; allerbingö mit einer „»erlebten
garftigen Arau" ,5V Tie beiben Tanten ber Thauntaturgen fd>einen
fid) gut vertragen 511 haben. Watt lieft nur, baft fie il>re Wänner
nad) bem Aeftlanb, nad) .Hrafau, nad) ^rag unb nad) SiMttingau in
Böhmen begleitet haben. Tann aber trat bie Seit ein, im IHnfaug
beo 3al)reo 1587, ba .Honflifte jwifcbeu Tee unb .Hellet) entftanben
waren, weil .Hellet) in feiner Trunffucbt unb Brutalität anfing, „bie
manifeftierenben 3»telligenjen für Teufel" nnjufehen, fowie er auch
früher febou unter Abnahme feiner mebiumiftifeben ^bigfriten An
wanblungen oon .Hebereien, wie oou ber l'ebre ber Wetempfndwfe,
oou ber Unueränberlichfeit beo Wenfcbengefcblecbto unb t»ou ber s)k
gation beo heiligen Weifteo gehabt hatte. Tiefeo Wal mürbe aber
ber tfonfüft fo ftarf, bafe Joint Tee ben Verfud) madjte, feinen acht-
jährigen Sohn alo Webium einstellen. (So ging aber nicht, ber
.Hnabe fab in ber .Hnjftallflafdje nur einen „gefrönten, weifcbärtigen
Wann". ttbrigeno harte fid) Stellen auch in ber .Honfliftojrit febr
großmütig benommen; er hatte oon bem (trafen Wilhelm 0. !ütofen=
berg „für Arau Tee" eine golbene .Hette mit Juwelen im ilVrte
von 300 Tufaten mitgebraebt unb bann wieber 300 Tufaten für
Tee, unb fogar 3300 Tufaten. Är ber Spenber mar, ift etwa*
»m 18. «utjufl 1683 fdjreibi $ee in fein Ia<jfbu$: „Maxima era
OV"») EUwardi Kelley cum uxore ejus".
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$lu* brn Sogen ber Äönigiu öfijabftb, ttou (£u^ (anb
387
bunfel auögebrncft. Wach .fralliwell foll ber „illustrissiinus", ber
fcao Weib bergab, $lbred)t l'asfi gemefen fein. l*o wäre benfbar.
3116 nun aber ber fleine lUrtbur immer nur Den gefrönten Otiten
im OMafe fah, ba tonnte .Uollen fid) nidjt mehr galten, er muftte „fato
divinou eingreifen unb unter beut ftärfften .ftofusbofiiö ber fpiritifti-
fcben ^tanifeftatiou fommen nacbeinanber bie Weifter Uriel, 4)iabini unt»
Ben unb befehlen ^obn Tee alo Wortes Webot, baf? ber N))tetfter
unb fein sJ)iebium fortan ihre beiden Jrauen gemeinfcbaftlicb befifcen
follen. Joint £ee eilt nod) um 2 Utjr in ber Wad)t in feiner 9Tngft
mit ber 8d)recfenonad)rid)t jn feiner ,vrau, sJWiftrefc l^ec bricht in
ein ^ainmeraefdirei aus — aber loao ift ba 511 machen? 3)1 an muft
gebordjen. 21m U. i'lpril wirb eine auobrücf liebe Urfunbe — ein
.ftocbjettooertrag en quatre auogeftellt; am 17. Juni ift Jvrau
£ee fdjmanger, am Februar Iöhh ift fie oon einem jungen
entbunben ,b). Von ben .Hommunalfrauen bat >bu $ee feine eigene
in feine .fteimat mitgenommen. Cb Wellet), ber ja in Böhmen ge-
ftorben ift, feine eigene fid) behalten hat, fd)eiuen bie tagebüaVr
nicht $u oerjeichneu.
Stfir geben über biefen /fall <perrn Miefeiuetter bao sii>ort : „Me
biöherigeu Biographen unb .Hritifer Xeeo, felbft (!!!) Vetbni$, finb
in ber Sinnahme (!) einig, baft biefe Ibatfadjen einen Rieden auf
Teeo moralifdjem (Sbarafter bitben. Xem muft id) (.Hiefeioetter)
miberfpred)eu, beim bem 8(ijat)rigen Xee (!!!) mar es wohl nidjt
um gefd)led)tlid)e lUusfdnoeifuugen *u tbun." «ein fahler mar nur,
„fritiflofen Spiritismus" getrieben ju haben. flueb über .Hellen ur;
teilen bie flbelung, Veibni$ u. a. nur „aus Unfenntnis ber fmritifti=
fchen Phänomene" fo hart. ,,2i>iüentlid)" bat er nicht betrogen.
„£ntroeber haben fid) niebrige unb bösartige geiftige ^efen an ihn
herangebrängt, ober eo hat fein transfcenbentales 8ubjeft ober bas
Unberoufete, bao Xoppel- Jd) in ihm, welches bie Sollen ber oerfcbie=
benen Weifter fpielte, bie nnmoralifd>en ;}üge feines (Sbarafters im
fomnambulen ^uftanb roiebergefpiegelt." —
Wehen Sie in ein .Hlofter, l'ombrofo, Sie haben in .Hiefeioetter
Jbren SHeifter gefunben!
Je mehr id) bie Überzeugung habe, bafo bie fpiritiftiföe t*pod>e
John Xeeo eine $eit per Verfommenbeit unb beo Verfalle bes früher
") 2Wr«. tfibba Jtrflrii, bie eittru SWonat juöor mit einem toten SDiäb-
$en niebergefoinmen, mar bie (Bema^lin be3 X^omaö Äefleij. ©te gehörte
gar ni<$t juni Ouartett. sögt. .fcoUtroed p. 30.
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3H8
3. (Eoro
anfebulichen Gelehrten bezeichnet, befto weniger mürbe id) Beran-
laffung genommen haben, mid) bamit $u beschäftigen, loenn nid)t
gerabe in biefen X'ebeuoabfdmitt beo £baumaturgen feine 2 bätig:
feit in ^olen nnb Böhmen fiele. Ten Anftofj baju unb ben Au-
lafe $ur Überfiebelung ber ganzen muftifdum Wefelifdiaft einfcblieBlicb
ber grauen »on ber Ibemfe Ufern nad) Denen ber 2i*eid)fel gab
Albred)t Vaofi, eine ^erfönlidtfeit, bie nid)t bloo bnrd) ihr aben=
teuerlidjeo &>efen, fonbern and) bnrd) ihre Bcbeutung in einer ber
umfängltd)ften politifcnen Betreibungen beo H>. vVibvbunberto Das
^ntereffe in Aufprud) nimmt. 3iel)t man oon ber fird)lid)en Be=
megung beo ^abrhunDerto ab, fo ift fanm etwao für ben Wang
ber neueren Wefduchte fo bebentfam geworben, alo bie befind
tioe Jveftfetnmg ber baboburgifd)eu Tunaftie in ben .Höuigreidien
Ungarn nnb Böhmen. Taburd) allein ift jene rKioalität jwifcben ben
Käufern .ftuboburg nnb Bourbou möglich geioorben, bie bio in ntt-
fere Crpodn4 hinein ben Inhalt ber europäifdjen Wefd)icbte bilbete.
Unb fanm hatten bie £>aboburger fid) biefe erweiterte £>auömacht ge-
ftaltet, fo machten fie bie größten Anftrengungeu, fie bnrd) ben ^r-
merb ber Mronc ^olen abjurunbeu. .pierbei jebod) trieften fie bereite
anf bie Wegenwirfung unb ben Wettbewerb Araufreidjo. C^o finb
bie groftartigfteu Bewegungen auf bem politischen 3d)acbbrett i*u=
ropao, an Denen freilid) bao in religionoDogmatifdje &anbel oer=
ftrirfte Teutfdje Meid) fo gut mie gar feinen Anteil nahm, währenb
Mufelanb fid) auf eine Die ^ufunft anbeutenbe Weife einmifebte.
3n biefen 3d)ad)= unb ^infel^ügen mar aber Albrecht Vaofi
ein ftauptinftrument. ein Wann ohne Wemiffen aber oon brem
nenbem (Sbrgeij, oon raftlofer Ihatfraft unb boch ohne bleibenbe
Erfolge; ein hochmütiger Maualier unb bod) ohne ritterliche
ehre; halb fchmimmt er in Wölb - halb ich weift er wie ein
bettelnber «pibalgo umher; habgierig wie ein Raubtier unb m-
fd)menberifd) mie ein 9iarr. (Sinen „burd)löd)erten Beutel" nannte
man il)n. Ter flaffifdje unb uaturmiffenfdmftlidn' Unterricht, ben er
in ber ^ugenb oon peDantifcben (belehrten, bie ihn fpäter angefungeu
haben, erhielt, bie ^ertigfeit in ben Spraken, bie er Durch feine
rWeifen in aller .perren Zauber fid) aneignete, geftatten ihm neben
ben Wollen beo Magnaten, beo ,peerfüt)rero, Deo Diplomaten, beo
fahrenben Mttero, auch bie beo fahrenben (belehrten, beo peban-
tifchen .Ulopffedjters ober auch beo magifd)eu Abepten ,>u fpielen.
,>mmer auf ber Suche nad) bem golbfpenbenben 3tein ber Reifen
brauchte er einftmeilen ein anbereo Nüttel, um feine bura>löcherte
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3lu« bni £agru fccr Äouigtu $lifabet$ »Ott <fn glaub
369
Äaffe su füllen. (*r heiratete eine reiche :Sßitwe, uub alo ihre große
Mitgift eben $ur Neige gegangen war, ftarb fie ; barauf heiratete er
eine anbere, eine Tante, Die bao fanontfehe Hilter fd)on Übertritten
hatte, aber unermeftlidjen :Heid)tum befaß. Äoum hatte er bie Ncd)to=
titel barauf errungen, fo fperrte er bie ftrau in einen Turm, wo
fie weber conne nod) ü)ionb befdjienen, unb heiratete eine 3ran=
Aöfin , bereu s^ater auf bem fran$öftfchen Throne, wie ber Ütater
feiner eingeferferten Arau auf bem polnifd)en Throne gefeffen haben
fou*. Tie offenfunbige Bigamie t)inberte aber ntd)t, baß er in feinem
Baterlaube ein holjeo :Mmt, einen meitreidjenben (Sinfluß behielt, unb
baß er an beu &öfen twu Oüien uub v$ario mit beu auogefud)teften
(5l)ren empfangen würbe. (Sonbotticre burd) unb burd) — t)at er
immer eine uon ihm gelohnte 3d)ar oerwegener Vanjfuedjte um fid);
CSonbotticre burchauo ift er mit beu 3d)löffern, über bie er in
^olen unb in Ungarn 511 gebieten hat, nid^t aufrieben, will er ein
Jvürftentum, bie Dölbau, beu Türfen gleid)fam auo bem ftacfyen
reifteu; (Sonbottiere burdjauo — läßt er fid) oon bem §aufe ,§aboburg
jahrelang mit Wnaben unb (Selbem füttern, unb als eo jur (£nt=
fcheibung um bie poluifd)e .Krone fam, werf auf t er fid) für 150000 iiiureo
an .§einrtd) o. Baloto, um, alo biefer baö gewagte 8piel fallen
läßt, ftd) fofort mieber in beu gut bellten Tienft ber ^aboburger
ju ftetten. ^aljre hinburd) läßt er ftd) wieber bie Wefdjenfe unb
x^al)rgelber beo .Kaiferö gefallen, unb alo mieber ein &aböburger um
ben erlebigten Tfjron marb, fämpfte fcaoft für - ben Schweben.
'Me mit ber politifchen Partei, fo aud) mit ber Religion; erft t)uma=
nifttfd) angehaudjter .Katljolif, bann ßaloinift, bann erflufioer ftattjolif
unb Neligionoeifercr, bann fuperftitiöfer 3)iQftifer, Borfämpfer ber
Unbulbfamfeit, oom Zapfte belobt, pom arbinal ftoftuo umfömeidplt.
Unb bod) muß er in allen Sollen einen faoeinierenben ©inbrutf ge-
malt t>aben! (ft mar einer jener s))Jenfd)en, bie nirgenbo überfein
werben, bie s2luge unb &er$ feffeln. 5n einer ber „actions" beo
3otm Tee wirb ihm, beffen .ftauo auo bem polnifd)en Mleinabel ftd)
emporgehoben hat, eine (Genealogie auö normannifdjem Stamm unb
eine Bermanbtfdmft mit ben ^lantageneto angebietet. Ob er felber
bie (Srfinbuug gemacht, ober ob fie auo bem Kopfe beo fdnoiubel^
haften „Trancerebnero" entsprungen ift, jebeufallo beruht fie auf
guter Beobachtung. Unter ben Normannen märe ber 3Mamt uer;
i'tänblidjer alo im H>. ^ahrhunbert.
3lm 1. 3)cat 1583 erfdnen Wibrecht Kaofi am &ofe ber . Königin
^lifabeth in einem silugenblicf, in meinem Vonbon noch sn»ei anbere
Jcitrtrift für »uUur^ictj.djtr. 1. 24
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370
3- Garo
merfroürbige $äfte beherbergte, ben .^ofbeamten und (^efaitbteu ^iuüug
bes ©raufamen ^Mfemofi unb ben bem Ml öfter entronnenen
^Inlofopben ©iorbano Bruno.
(So oerftetjt ftdb oon felbft, bap .Kiefemetter oon fcaofi, beiien
Manien er nicht einmal richtig ,ui fdjreiben t»erftel)t , unb allen Den
Vorgängen in (Snglanb nichts mein, .ttrauotmr aber, bem wir eine
überaus intereffante jmeibänbige SNonograpbie über Vaofi uerbanfen
unb ber ben Aufenthalt in £nglanb eigentlich juerft beleuchten muftfe,
bat jroar mannen mertuolleu Umftanb überleben, aber im ganjen
meifi er nur *u oiel, unb $um 3»wtf feiner bio $um £od)romantifcben
aefteigerten £r*äblung fnüpft er an bünne ^äbdjen fo febmere .H lumpen
Kombination , baf; man ftdi uid)t wunbern barf, baß ber Stau nicht
fteben bleibt. 3o ift ihm j. B. bie Aumefenbeit bes (Manbten oon
sDco6fau — beö Jreimerbero um Flavia .£>aftiugs für ben $axtn
entgangen, Dahingegen läfrt er, mäbrenb Vaofi in Bonbon weilt, be^
reito 3lmfefpeare in ben 3 trafen ber Wroftftabt beobaebtenb, auf;
merfenb, 3toff fammelnb, finnenb unb bid)tenb umhermanbelu, wäiv
renb boeb fo ^ternlid) allgemein angenommen ift, bafr 3bafefpeare
erft 1585 nad) Vonbon gefommen ift. -Tod) junäd)ft ju Vaofi jurürf.
*?asfi mürbe in Stnd)efter=bomfe einlogiert 3eine Aufunft
mar bereits längft angemelbet, benu fdjou am 18. slKär$ trug
3ol)n $ee in fein Tagebuch ein: „3)Jr. sJtortl) aus ^olen fam,
naebbem er bei ber Königin gemefen mar, $u mir; id) empfange
einen Wruft oon Vaefi, bem ^alatin in %>oleu, burd) Mx. sJiortb,
ber ben Auftrag hatte, erft $ur Königin unb bamad) $u mir \\\
geben 18V Xer Umftanb ift wichtig, benn er legt ben (3runb eriteno
für bie Anficht, bafe t'aofi fchon früher Beziehungen }u Jobn 3ee
gehabt höbe, unb sroeiteno, ban einer ber .yjauptjmecfe ber Meife
üttadfio eben auf bie perfönlicbe Befanntfd)aft mit ^ohn £ee ge-
rid)tet mar. ^gleich aber erflärt er, luiefo Vaofi auf ben (Einfall
fam, oon allen feinen ihm }u (Gebote iteljenoen 'Hollen bie beö
fahrenben (belehrten in (£nglanb beruor^ufebren.
^ebenfalls nuift ber (£inbrucf, ben l'asfi am t<pofe unb in ber
C^efellfchaft hervorgebracht hat, ein fehr anfelmlicher gemefen fein.
William (Sambeu 19 ), Mcbarb Bafer unb baruacb Ib0"1«0
") ©. bic 9iotc bei fcaUiipfU p. 20 au« Ms. Douce 363, fol. 125.
'•) .ftallirocU p. lw.
u) Gamben, Annale» p. 344; SRidjarb XaUr, A chronicle of the Kings
of Engld. p. 385, benufct oon Söoob, Antiqniutes Oxonii I, p. 299sq.;
2$cma« 53ircb, Memoire» of the reign of tyieen Elisabeth 1, p. 30.
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Ku8 brn Zagen brr ffötiigitt <£(i|abct6 öoti öttglanb
371
xUnton s-hJoob oerjeidmen nid)t bloß feine 9tnfunft in Sonbon, fonbern
lieben allerlei rübmlid)e ^irtenfdjaften beroor. 9llle greifen oornebnu
lief) feine Ambition, feine Wemaubtbeit in oerfdjiebenen Spraken fid)
auöbriirfen nnb namentlid) and) „corporis lineamenta", feine fdjöne
Statur, feinen impofauten "Bart, feine überaus fdwne nnb gefd)marf=
uolle Äleibuug. „Crine anmutige s}>erfönlid)feit nnb einen grofeen
Welebrten" nennt ibn "Hafer, nnb "JDJr. $aunt fdneibt an £kco:
„Seine gamilie f oll in ^oleu $u ben beften geboren nnb ,}u benen,
ano meldjen man bie .Höuige ju wäblen pflegt; er ift eine wabrbaft
feltene (*rfd)einung nnb bat, fooiel id) fel)en fann, baö fedjsuubfünf-
jiajte ^ebenöjabr fd)on überfd)ritten, nnb obwobl er in mebr als
vierzig Scbladjteu fdwu gefod)ten bat, ift er bod) uoll ?Hüftigfett nnb
Alraft unb bürfte nod) manchen .Kampf oor feinem (£nbe befteljen.
(5r ift febr gebilbet, fpridjt aufter ben flamifdjen unb anberen Spradau
italienifd) unb lateinifd) faft wie feine 3)hitterfpracbe. 2>en dürfen
bat er fictj böcbft unaugenebm gemaebt. (*r bat grofee (sinfünfte unb
lebt bier auf feine eigenen .vtoften." *<on feinem Neidnum mufete
man fid) anfänglich mel in Cnglanb 311 erjäljlen, nnb man wollte
miffen, bafe er jur Mitgift oon feiner grau uidjt weniger als fündig
Scblöffer erhalten babe. Unb Vasfi mar gan$ ber s))tonn ba$u, um
folebe ^orftellungen ju uuterftüfeeu. So lange er etwas in ber
Tafdje Ijatie, lieft er einen Wolbregen um fid) fprül)en, unb wenn er
fid) öffentlich zeigte, gingen feine Liener tfjm ooraus unb trugen brei
filbeme Scepter in ben Rauben 20). So ftolj unb impofant feine
(rrfebeinung war, fo wufite er fid) bod) burd) befdjeibene &utfeligfeit
bie .<per$eu $u gewinnen. Man weife, wie empfäuglid) Königin <SU=
fabetl) für foldje Männer war, unb man ift nia)t überrafdjt $u
boren, bafe fie fold)en Wefcbmatf au ibm fanb, bafe fie iljn zweimal
in einer &tod)e $u fid) fommen liefe. Namentlid) fdjien tfeicefter
ben gremben auf Wrunb gemeinfamer Neigungen mit ben märmften
Snmpatbieen tui umgeben.
&tas aber loar ber 31üecf Der auffälligen Steife V $>ermutlid)
berul)te es auf feiner eigenen Angabe, wenn alle englifdjen iöeridjt;
erftatter übereinftimmenb ben 2lmnfd), bie rubmreidje Äönigin unb
ihren berrlicben $of fenneu ju lernen, als folgen bejeidmen. 5Die
polnifd)en Wcfd)id)tfd)reiber, bie mit ben ^erbältmffen Mastis oer^
trauter finb, wiffen fel)r wobl, bafe £asfi bamals gerabe nidjt in ber
l'age war, fid) folebe foftfpielige $enüffe $u gönnen. (£0 war bie
"j Söoob, Autiquitates Oxonii, Lib. II, p. 430 als Watyrag.
24 •
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372
3- Garo
beflommenfte fetuco Bebend. Sein uäterlicbeo törbe In Cbetuugarn
mar eben bamalo iljm oon feinett Gläubigern auo ben ftänben ge=
runden. 8etw .tfaifer RKK fein .Hrebit erfdjbpft uttb fd)on brei x\abre
.uioor hatte ber Jlaifer fomie ber töeidjohofrat bie lUbfdriitteluug beo
aufprucbouollen ^artifano für notmeubig eradjtet. ^mar hatte et
fid) mit bem Könige Stefan Tatort) nuotu'föI)tit , aber wenn ihm
auch bao fenatorifebe sJlmt unbehelligt eingeräumt untrbe, fo mar bao
bod) ,iu nötig für feineu £brgei$ unb feine weitläufigen tktoftrf*
ttiffe. — 5Mun, meint .Hrauofyar, bao feiner Weif« märe lebiglidi
bao Laboratorium tVlm 3>eeo gemefeu. Ta alle feine geroaltfnmeu
unb biplomntifcben .Häufte ihm bao erfehnte AÜrftentnm ber SRolban
nicht errungen hatten, fo glaubte er ,,uad) beut ^leifpiel ber .Haifei
iNarimiliau unb Wubolf" mit ftilfe t>er sJ)tagier unb Sdmmr.tfünftler
fein „^beal" ju erlangen. 'Mein ber Wograpb Laofio febeint über
fehen ju haben, bau bie ^erfpeftioe auf bie 'JWolbau bamalo bereito
imllftänbig aufgegeben mar unb bat? Laofi in feinem ganzen Leben
nid)t toieber barauf uirürfgefommeu ift. X'ao lag hinter ihm; er
hatte Sdnffbrucb gelitten. Slber fein ganzer (SbrgeU unb Xlmteneifer
lebten unb toebten je&t, feit bem glücflidten polnifdvruffifcbeu Kriege, an
bem er felbft noch Anteil genommen, in ben baltifcbeu Angelegenheiten.
Seiner ^bee entfpraug ber fühne 'Horfdjlag im herein mit Schweben
eine (Srpebitiou auf bie SRünbung ber Tmina, auf bie Gebiete oon
tHrcbangel unb (Sbolmogoru, auf oao Solome^fer (öfter, wo beo
„Saren Sd)ä&e geborgen tuaren, gn unternehmen J1), er träumte r»on
einer Koalition ber baltifd)en Seemächte utr irroberung oon .Hola
unb .Harelien — lauter meit umfaffettbe platte, bie >mar bind) ben
am 16. Januar 1582 burd) ben ^efuiten ^offewin pennittelten
^rieben einftmeilen in ben .öiutergraub gebrängt, aber feineowego
aufgegeben tuaren — unb lauter glätte, bie ohne bie Kounioenj unb
ben Hillen Gnglanbo fofort ui Woben fallen mußten.
Cb nun Laofi oom Könige Stefan Watonj ben Auftrag jur
Weife nad) ßnglanb erhalten hat, worauf namentlidi feine anfänglich
gut oerf ebene .Haffe rnnjumeifen febeint, ober ob er fie auo eigenem
Antrieb unternahm, foll an einem anberen Crte unterfudrt merben.
^ebenfalls mar fein ^ufammentreffen mf| t»t»tn feit bem Ifi. Sep^
tember 1582 in t£nglanb meilenben Xmoränin "J>ifemofi nicht ab-
fällig. ÜDenn abgefehen oon bem einen Auftrage, bao jpoffräulein
•JHaria ftaftingo auf „ihre Gräfte, ifjrc Stfohlbeleibtbeit unb bie 9SBei^(
*') 8gl f. *tifff, 9*1*11 gRagxnl, tfoiiig »ou HpfaNb, p. 146.
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flu« brn Sagen bei* Königin (Slijabetlj üon (Snglanb 373
ihrer .fcaut" au prüfen iinb und) bem befriebigenbeu Musfatl bei ber
Königin tfliiabetl) um it^re .franb für ^roatt ben Wraufameu anju-
Ijalten, butte sJMfemofi ben oiel widrigeren, eben biefe N^lane einer
Koalition ber baltifaVn 3eemäd)te in ISuglanb svl benunjieren unb
bie $*efteuerung ber englifayn Haufleute in Mujtfanb bamit ju be-
griinben.
Unter allen votitifdien itt^e l erteubeiten aber, bie bas englifdje
Kabinett befebäf tieften , ftanb ^olm Tee feiner fo nalje alo biefer.
4?aben nur aud) oben nur an ber £anb ber 2luf$eidmungen feine
xDiitroirfung bei ber weit lieben maritimen v^olitif naebgewiefen, fo be-
ftetjt bod) fein Zweifel, bat? in feinen Ziehungen $u ^alfingbam
bie öftlidje feine geringere 3 teile einnahm. x^n bem ^er$eidmis
feiner ungebrueften 3dmften fiubet mau menigfteno oier s#üdjcr ober
lUbtwnblungeu , weldje auf biefe Wegenftänbe ben Titeln naaj Ijinju^
weifen fd>eineu, oon lö/t>, 157K, 1580 unb 1583 Tie etwa
tiö 3rtt)re juoor oon ben irnglänbern gemadjte unb fettbem ausgebeutete
(hitbetfung bes nörblidnm 3ee$ugangö $u ben ruffifdjen (^efilben ift
bie Unterlage für Vasfio *JMan eineo tHngriffs auf bie sDlünbung ber
Twina. M biefer NJlngelegeubeit murmelt meines (sradjtens bie $e-
Mebung Vasfis ju >bn Tee unb ber aanje magifche unb fpiririfttfdje
Cccuttismuo ift lebiglid) eine ^leiterfdjeiuung, bie freilia) immer
mebr in bem Wertjältnio ber beiben "Dianner $u einanber in ben ^orber^
grunb trat, ober wegen ber genauen ^rotofollientng itjres ^Betriebes
uns oomebmlid) in bie tilgen fällt. Stfenn man an ber &anb bes oon
£aUimell publizierten Tagebudjes gerabe in ben Tagen oor fcasfis
tfnfunft >b" Tee im sD?ittelpunft ber ^erlranblungen $wifa)en bem
3taatsfefretär Si>alfingl)am unb ben fül)nen 3eefal)rern 3ofm Taois
(Taüis--3trat?e) unb Wilbert (Wilbert'3unb!) über bie etwa ein
3at)r barnad) unternommene (Sppebition jur ßntbedung ber norb-
weftlidjen Turchfal)rt 23), fiel)t unb wie mitten bajwif^en ber oon
^osfau fommenbe sDfr. i'ee unb ber oon s$olen fommenbe ^iortr)
ftet) beeilen, bei Tee ibre ^efuche ju machen, bann t)at man sDJübe,
"» 1. Her Majesties title royal to many foreigne conntries, king-
dooms and provinces, 1578; 2. The description of divers wonderfall isles
in the Northern, Scythian, Tatarian and the other most Northern aeas,
and neer ander the North-pole, 1576; 3. Navigationis ad Cathayam per
septentrionalia Scythiae et Tatariae litora delineatio hydrographica,
1580: 4. Hemisphaerii boreali» geographica atque hydrographica de-
»criptio, 1583.
") Sgl. ?ef$fl, «ffd)td)to ber «rbtunbe, p. 272.
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Gare
,W uerftebeu, mie ein in fo grofum ^ntereffen ftebeuber %J)ionn feine
;}elte abbredien unb, einem Abenteurer folgeub, mit &*eib unb Minb
nnd) "}>olen auojieben fonute, mit angeblich beo Könige 3tefan "Die
land)olie unb gefdnoollene ,vütfe mittelo fpiritiftifd)er 3uggeftionen ju
heilen. Tann ntufi man bod) mobl mit ÄSoofe unb Glarfe annehmen,
baß fidj hinter beut Magier bei* ^olitifer oerbarg. Übrigen* ftebt
audi bie Vermutung nicht in ber Vuft, baji Vaofi in Anbetracht ber
.Hranflidjfeit beo .ttönigo Stefan Tatort) mit ber Anmartfdjaft auf ben
polnifd>n Ihrem an ben europäifdum .öüfen haufieren ging unb nach
bem 3Nifterfolg in #ranfreid) fid) in tfnglanb umfeben wollte.
Taft Crlifabetb ben erotifdjen „Jvürften" -4), mie er bei ben mit ber
polnifdien .Hierarchie menig vertrauten iSnglänbern allgemein hieß, mit fo
oiel tarnte aufnahm, febeint um fo mehr auf eine föniglicbc 3enbung
beöfelbeu biuwmeifen, alo ber tfrembling bod) ein fatbolifdjer (Eiferer
mar unb >u einer $eit fid) ber Alönigiu näherte, in ber 3i>alftngt)am
all feinen 3pürfmn entmicfeln muttte, um ihr bie }Jieud)elmÖrber oom
Veibe \u halten. Auffällig ift eo, baß feiner ber englifeben Bericht;
erftatter fid) feine« Dheime, ^ohanueo Vaofi (a Vaoco), bei ber We=
legeuljeit erinnerte, ber etma :m Jabre \vmov in tfnglanb burd) bie
$ilbung ber proteftantifdnm Jfrembliugagemeinbe unb burd) feinen
l*influft bei ber 3d)affung eineo 3taatofird)enred)to unter Cbuarb VI
eine fo benfmürbige Molle gefpielt hatte. Tennod) aber, meine id),
bafe Albredtf Vaofi für fein Auftreten in Vonbon ben Ürebit eben
biefeo Cheimo mobl in Anfprud) genommen hat, unb baß eben barin
neben bem oben angeführten ber (tfronb ju fudjen ift, meohalb ber
tiriegomann unb angeblidje „3ieger in 4<» 3djlad)ten" fid) oomehm-
lieh f»r Welehrfamfeit \\i intereffieren fdjien unb nach &<oobs Auö^
brurf „an litterarifchen iSrgöbungen fid) gar nid)t fättigen fonnte".
3n Veicefterö 3im"lcr im ^tilaft $u ®reenmid) mürbe 3°dn
Tee am 13. sDJat bem Stfojeroobcn oorgeftellt. Am 18. befugte
Vaofi ihn in SNortlafe, foupierte mit ihm unb blieb bio nad) Sonnen-
untergang. Tao ÜJfebium <£buarb Mellen mar nid)t jugegen ; er mar
am ?. sJ)iai nach Vonbon unb bann für jehn bio jroölf Tage in bie
Heimat gereift. 2£te niel ihm biefe Steife *ur Information über bie
früheren Wer&cUtniffe Vaefio genügt tjat, mufe bahin gefteüt bleiben.
Tao mao bie ©eifter ihm fpäter „im Trance" über Vaofi, feine
SHünfdje unb feine Abficbten mitteilen, gleicht fo auffällig bem ©e=
,4) 3"« rrwä^ntfn Ms. Police M'i : „the iMike or Priiice of Vascos io
Polunia".
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Hi\S ben lagen bei Acnigiu (Jlifaboth, von (Jnglaub
idmmb von Tomeftifen über il>ro öcrrfdmft, Dan bie Duellen ber
„intelligenten Wauifeitationen" oielleidrt gar itidit oben in bim 3ternen,
fonbera unten im 3tall uou <3&nd)efter boiufe ,\u frühen finb. 31 m
28. 3Hai ift aber Hellen im 3tubierjimmer Xeeö - X'aßfi ift nid)t
>ua.ert,eu — unb ba fiubet jene ipiritiftifebe 3itmug ftatt, beren ^vo-
tofoll .Uiefemetter baß älteftc nennt, iuao es aber nid)t mar. £<on
beut erfdjeinenben ©eifte „NJ)fabini", melden ber in bieten Gefell-
fdwftofreifeu fnnbige .stieferoetter gaitj homogen „unferen mobernen
lUbilaß" erflärt, mirb unter allerlei überauo läppifcheu unb albernen
£mpfreben, mie fie bie fabreuben Leute in beu 3dmububen ber ^at)r=
marfte 511 Ijaltcn pflegen, uuferem polnifdjen 3d)lad)tfd)i& eine Öe
nealogie r»on Mdnub Vömen^er^ an entworfen, welche auf ben ^ifto-
rifd)en Unterricht bei ben Weiftern ein fe^r übeleö Vid)t mirft. Über;
baupt mufr bamalo bie ^äbagogif unter ben ©eiftern noch fehr
urwüchfig gewefen fein, benn ber Öeift ^tabini, ein fleineß Räbchen,
fürchtet 3cbläge $u befommen, menn er feine &iotmung oerrät.
ttbrigettß aber entwirft sJ)?abtni einen ganj gemütlichen 5amÜten=
profpeft; oon ihrem sl<ater f prid)t fie nicht, wohl aber von ihrer
ftrengen SJtutter, von ihren 3chweftern unb oon ber jüngften, bie
noc^ in ben SÖinbeln liegt. Jür bie s^h9Ht>logie ber fteifter eine
fehr bemerfenßmerte £batfache! Äuf bie fehr wichtige grage aber,
mos ^adfi gegen fein ^lobagra tfym fönnte, erroibert SJtobtni, baft
i^r baß fern liege unb oerweift auf ihre bemnächft eintreffenben
Schmettern. Unb $u biefem &umbug muffen fich ©Ott unb ßefuß
^hnftuß gefallen laffen, am 3lnfang unb am (£nbe angerufen *u
werben. — 3ollte aber jemanb an $u biefem SBlut leiben, bann fei
ihm empfohlen, bie orienticrenben unb fommentierenben 3lnmer^
fangen tf iefemettcrß ju biefem s}>rotofoll mit iHufmerffamfeit $u lefen.
*<om Erhabenen jutn Lächerlichen ift befanntlid) nur ein Schritt.
sMr aber muffen jefet biefen Schritt in umgefehrter Dichtung machen.
iHuch in ben Stfcungen 00m U. unb 3. 3um ift Laßfi nicht jugegen.
Da er ben &>uitfd) funb gegeben hatte, bie Uniucrfität Dpforb fennen
$u lernen, t)atte Leicefter, bamalß .Uanjler ber Unioerfttät, ben 3enat
baoon in Äeuutnio gefegt, lim 10. ^uni erfd)ien Leicefter mit bem
Wafte unb einer glänjenben 3char oon Waoalieren, auo ber mir
Lorb Muffel unb Den Xichter 3ir Philip Sibueu, ben ^erfaffer beß
3d)äfertomanß silrcabia, nennen föunen uor ber 3tabt. Taß
") Sei fBoob, Antiquität«« Oxonii, p. 229 fteb.t nur: .splendida 110-
bilinni cobor», abri ba Va«ti 11 ad) bru Orforbri- Jvffllidjffitfn nod) mit brm
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376
X (Saro
^rofefforenfollegium hegrüftf bie iHitfömmlhuu* in ber feierlidmeu
ih>eife, unb ber nie verlegene Vasfi antwortet mit einer meitläufi^en
rHebo in lateinifcher 3pradu\ :Hm 3tabtthor hält ber 3tabtfdireiber
an ber 3pifce ber 3tabtbet)örben eine furje iHnfpracbe, überreicht
jebem ber Kavaliere bas üblidje in .üanbfdmhen beftehenbe Watt
gefdjenf, nnb mm bauest fid) ber Zug unter rnnfd>enber Mwf
begleitung bnrd) bie 3traften bind) ein von afabemifchen, mit ben
Reichen ihrer Wrabe gefdnnütften bürgern gebübetes 3palier nach
bem Collegium b. Mariae virginis. Tort übertriebt ber xW*efantfer
ber Uuiverfität bem Kanter (Veicefter) bie „fasces", nnb ber Crator
mir würben tagen ber ßloqueusprofeffor — halt bie übliche Webe
nnb überreicht bem fremben Waft eine üibel nnb .oanbfchube, ben
Kavalieren aber nur .ftanbfcbube. (io ift jmar wenig, aber bie sperren
nehmen es mit gutem .«pumor auf. Tann mirb baS „Quadrivium"
befudjt, bann bie „aedes Christi" (Christ- cliurch), beffen Ka-
pitel ein ,veftmal)l veranftaltet hat. Traunen branden fid) bie $a\)U
reid)en 3tubenten, benn eö gab noch ein großes 3dmufpiel 51t ermarten.
Auf bem großen vieretfigen ^la^e oor bem Mebäube mürbe nämlich,
alo bie sJ(ad)t hereinbrach, ein prädjttges fteuerwerf abgebrannt.
3d)on früh am anberen borgen fal) man Vaofi unter £<oranrritt
feiner brei filberue 3cepter tragenbeu Tiener in bie lateinische Vor
lefung bes Dr. Tobiaö Matthen» ivanbern, nad) weldjer er ben
„(Srercitien ad Scholas publicas" beiwohnte, bann gings nach bem
Kollegium Omnium animarum, 100 ber s£i$efan$ler sunt grübfrücf
einlub. 3ln ber Thür prangten (Smpfaugsgebichte unb natürlich
fehlte auch bie ^egrüftungsrebe nicht. sJtod) beut Jföujftucf gab es
mieber einige ©rercitien, bie bem (^aft feljr gefielen, 3n$wtfchen
mar es brei Uhr geworben, man muftte in bas Kollegium b. vir-
ginis eilen, wo Disputationen über (^egenftänbe ber Theologie, bes
Zivilrechts, ber SMebijin unb ber ^hilofoptne ftattfanben, bie am
folgenben Tage um biefelbe Seit fortgefefct merben fottten. hierauf
begab man fich in bas Kollegium ecclesiae Christi wieber, wo auch
heute bas faftmahl eingenommen mürbe. Ten 6d)lujj bes Tages
bilbete bie Aufführung bes lateinifeben t'uftfpiels „flivales" oon
SöiUiam ®ager, einem Tichter, ben Anton :&oob höher als alle
*citgenöffifd)en Tramatifer, namentlich auch böl)er als SiQiam
ganjen ^omp jeine« Stufjuflfö nad) Ufortlafr fomtnt, unb bie beiben Äaüatiere
in Tee« ^aqebudj als Begleiter genannt werben ($afliroeQ p. 31), fo barf
man tooraii*jföeu, baß fte bei ber 2>i*pittation geroefeu ffoib.
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flu« beu £agen ber Königin (Slifabetb üoh iSngfanb 377
3l)afefpeare ftellt '-*). Der ßrfola. fprad) fid) in ber allgemeinen
.peiterfeit ber tfubörer auo.
:Hm Dritten laae moljnte Vuofi fdjon früh mieber ^orlefuna,en
unb Tioputationeu in Den 3d)ulen bei, nat)m ein ajanjenbes rtrüt);
ftiicf im Kollegium ju 3t. si)taa,balena ein, lieft fid) Dann weiter im
Coli, omni um auimarum feiern unb begab fid) nad)mittaa,$ mieber
in baö coli. b. Mariae virginis. Tort fanben >um aropeu x^er-
ajmaeit ^aofio, ber an biefen miffenfdmft liehen Wenüffen fiel) ijar
nidjt fättiiu'n tonnte, pl)ilofopl)if(t)e ^Jecfereien (velitationes) ftatt.
^on ben rjerbanbelten Avalen werben jwei überliefert: 1) ob bie
Männer länger leben alo bie grauen, roao mit einer ^Wejabuna, fcbloft,
nnb 2) ob man auo oen 3temen bie ^ufunft lefen fbnne, mao oer^
neint rourbe. Ter ^ojetuobe fprad) feinen bödjfteu Beifall aus27),
obn>ot)l für einen Aieunb uub Verehrer ^oljn Teeo ber 21uofall ber
Tiofuffion über Die letztere Araae bod) bebenflid) erfd)eineu mußte,
(sin folenneo föaftmabl unb eine barauffolgenbe bramatifdje ^tuf-
füt)mmj füllten ben iHbenb auo. s))lan gab biefes ^Dial bao Trama
Tibo non eben bemfelben William $aa,er28), ber in feinem 3türfe
ebenfo wie "iJJarloroe^fafh in ihrer gleichnamigen Xraaöbic bie Wörter
auf ber Öütjne erfd)einen lieft, unb jroar mürben hierfür unb 3ric
mittels 3Jiafd)inen auf- unb nieberfebroebenb bargeftellt. Einige
Teile bes Tramao haben fid) hanbfchriftlid) biß heute erhalten. Ter
*•) ©ei Cbrifhan Sartbolmefe, ber in feinem 3orbono $runo I, p. 117
biefe ©djilberung nad) ©oob« Antiquitates I, 299 giebt, ift e* roobl nur
ein lapsus, roenn er er&äblt: Lasco pa&sa qnatre annäes en Angleterre
für qnatre moia. — ftn Qrjug auf ba« bier ermahnte ©tücf fagt er: nne
comädie intitulöe, comme celle de Sheridan nles rivanx-. ^ad nimmt
Ärauöb,ar auf, fagt aber „na wzor Sheridana", 311 beutfd) ,,nad) bem SRufter
@beriban*" (!!!). — 3d) babe noä) nidjt gefunben, ba§ bemerft roorben ifi,
bafi ©00b fetbfi ben «utor (in Hb. II, p. 267) angiebt. 3)a« Urteil über
JBiüiam ®ager ift jo intereffant, baß i<b bierfjer fP^f: „p0eta utcunque
eximius erat, et quoad cotnoedias conscribeudas priranm semper locum
coaevos inter obtinebat: posthabitis nimirum Eduardo comite Oxoniensi,
ma^stro Rowley, Richarde Edwards, Johanne Lilly, Thoma Lodge, Ge-
orgio Gascoigne, Gaiielmo Shakspeare, Thoma Nash et Johanne Heywood.41
,7) ©artbolmefc I, t'iO iiberfe&t bie ©teüe unrichtig: „Celui qui reout
le plna d'acclamation tut le comte (?) palatin."
") Dido „wherein the Queenes banket ( with Eneas narrative of the
destruetion of Troie) was livelie described in a marchpaine pattern and
the scenic effects were all stränge marvellous and abundantu ($o(in£f)eb
TU, 1866). flft 2 unb 3 nebft Prolog unb Argument finben fid) im Brit.
Mus. Ms. Addit. 22583 sqq. 33—44.
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3. Gnu?
fönbrud mar gang auficrorbeutlid). Sie ettt^tegte 3agb mit .vmubeu
fdieint ein $arabejtäd ber Diforber zweien \\\ fein, benn 1? ^ahre
junot nun* gelegentltg beo SBejudp ber Königin lilifabetb btefelbe
ocene fdjon in bie .Momöbie „$alaemon imb tUrcnte" von ftidprrb
(SomarbG eingeigt raorben. 3Kan ficht, Iut .ounb beo £>erru v. iUubrn
hat alte Ütorgängfr. 9&M fonft nod) an fceittfd^en .Munftftütfen ge*
(eiftel mürbe, bie ungeheure iEorte, meldw Xroja barftcllte, bor $agel
auo 2 ragant bei Wegen oon buftenbetn StofeiuiNiffec unb ber 3cbn.ee
auo ^utfer übertrifft felbfl bic (rrfinbunaofraft unfern ^irfiio
cdmufteller.
Km folaenben SRorgen*9), am 13. 3uli, würben rafdi nod)
eittiejc Kollegien befugt, unb Weben, ®ebiä)te, Tiopntationeu ent=
gegengencwraien, bei beren banfenoer Grnrieberung t'aofi feine s}>oii)
ajottie leudüeu liofs. £ao im oobanneo ttollcannu angebotene ,vrüb-
itütf muftte aufgeben merben, mau begnügte ftd) mit einer eleganten
3cbüterrebe, benn febou hatten niete ber Volarer unb Sdniler ftd)
aufgemacht, um ben (Säften bae (Geleit m geben. 3RÜ einer Webe
Des afabemifcbeu Cratoro an ber ^cidibilbareiue idiloffen bie Jetet*
liebfeiten.
Veicefter eilte nach Vonbon mrürf30), Vaofi aber unb ^bjl-
Stinten unb Vorb Wuffel nebft anberen (^bedeuten übernachteten in
Mohorn unb fuhren mit Dem ganzen ^Jomp in Walafleioern unb mit
Trompetern nad) sJWortlafe $u einer anberen miffenfcbaftlicben vJJierf=
mürbigfeit, ju 3<>bn £ce, ber fieb oon tiefet illufmerffamfeit fehr i^'
ehrt fühlte. 2Me Königin banfte ben Crforbern aufs oerbinblichfte,
unb obwohl auo bem Bericht ^oobo eine aemiffe NJlfcbermittmod)o
fttntntung über bie iiroften .Uoften ber Acftlidifeit fpridit, fo tröftet
er fid) mit bem Semufjtfein, bau, fte einem Staune gegolten, ber
„bem sJ)iaro uidu minher alo bem hierfür ergeben mar unb in
opradumfunbe, in sl>bilofoplnc unb HJathematif bie meiften ^eitgenoffen
überragte". - Man fiebt: t'aofi ftaub bamalo im ,Senitb ber ^ert;
fdm&uug unb nrie mir fehen merben, bei ben 3Renfä)en nicht bloo,
fonbem aud) bei ben Weifteru.
tiefer fd)on oft, aber fo oiel id) fehen kamt, niemalo ganj
genau nriebeegegebene, auo ben Wegifterbüdiern ber Uniuerfität unb
auo Wicbarb Safere A chronicle of the kiugs of England etc.
*•) JÖoob treibt „die tertio"; e« ift ab« bfr »ifrtf.
*•) 3'» folgenben 3abrr toirb i'cicffifr roirber a.rlriifiiUi<4 cinr3 üffuebt«
mit jn>fi Äomöbien tf galiftt, aber tl rourbc ir>84 boeb Ofrbolr», baß €><bau-
jpifWr (»on ^roftjfton) na<b Oyforb tarnen.
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flu 8 bell Xaticit ber Äönigin (Slifabetlj üoh Uuglaitb 371»
jufammengefebte Bericht über bie Crforber Disputation läfet bocb
faum einen rh'aum für Diejenige ßpifobe, lucldic Wiorbano Bruno
in feinem ^IfdjermittnuKbs --Buufett 31 ) bierber $u oerlegen für gut
riubet. Überall, ioo uou beut 3iolaner gebanbelt wirb, bat man fid)
bureb eine s))ieuge geblümter :Hebeu unb getürmter sJi>orte Innburd) $u
arbeiten, roo.ut einerseits bie neroöfe unb überfpaunt geiftreidje
Diftion bes s}>f)ilofopbeu felbft, anbererfeits bie caltnniftifcbe Wbetorif
feines erften Biographen, bes (Stniftian Bartbolnu% bie alle fpäteren
beeinflußte , beigetragen baben. ,fcin$u fommt, baf? gerabe bao
„}lfd)ermittn)Od)s-Banfett'\ nad) ber eigenen ttritif Brunos, eine
— id) bitte hier für bao Arembmort um gani befoubere 9iacbfid)t,
ba mir mol)l fein ganj entfpredienbeo befifeen caaserie barftellt,
^ufammengefefct aus Did)tuug unb 4i>al)rl)eit unb babinflutenb in
einem (Semifd) von Beobachtungen , Einfällen, berausforbemben We-
banfen, trofcigen Chmiebeuungen , Redereien, üblen vJiadirebeu, ptjtlo=
foptnfeben Dbeorieen unb metapbnfifcben ^lubeutungen. Dafc bie
Ärfltdtfeit unb &>abrbeit ber eingemifd)ten Dbatfadjen burd) ben
(•»tefamtd)arafter bes Kerfes als eines caprieiöfen Webicbtes Einbuße
erleiben, liegt auf ber .panb. Übertreibung, llnterfd)lagung , Unter-
legung, fubjeftiue Weftaltung unb Jormung roerben l)ier, mie ja faft
überall im £eben Brunos, als ein natürliches :Hed)t in Slnfprucft ge-
nommen. Är mollte fo oermeffen fein, aus biefem 8piel mit ber
eigenen Seele, aus biefer 9ltelan-.Homöbie, in meld)er ber Dichter
beö ©cenartums $ugleid) nUe Sollen fpielt, roirflicbe beroeislicbe
Dlmtfac^en entnehmen unb auf biefe Begrünbung bin anerfennen 511
motten? 9cur eins überrafebt, nur eins fäUt mit ber Stfirflicbfeit fo
jufammen, baf? baoon ein Schein oon Wlaubroürbigfeit auf bie ge=
fantte <5cenerie fällt. Das ift ber „Principe Alasco Polaccou,
alfo unfer fcasfi unb bie Drf orber Disputation, in ber (tfiorbano
Bruno ben berütjmten vJ)iagifter, ben bie Unioerfttät ibm entgegen-
geftellt ^aben foll, an fünfaefm sJttal grünblid) abgeführt unb in
Berroirrung gebraut baben mill. fcasfi ift alfo jmifdjeu ben beiben
parallelen unb fid) nirgenbs berüt)renben Berichten über bie Crforber
Disputation ber einzige oerbinbenbe ^unft.
deiner ber lobrebnerifdjen Biographen Brunos jroeifelt an ber
X()atfa^e ber Beteiligung Brunos an ber Disputation unb feine
©dnlberung mit ber uon ^oob mitgeteilten verfnfipfeno, bezeichnen
fie ben SJtagifter Thomas X'enfon, ben Borfibenben (moderator)
■*) La cena de le ceneri etc., ed. Sßogner p. 112.
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3. Gau»
ber hciöou Disputationen in 3. IKavi) wll, als ben von bcu i^ei-
fügen Meulenfd)lägeu bes Italiener« mortificierten (belehrten. Die
3ad)e bat aber boeb ihre groften Bebenfen. iHngefidrts ber gan^
beftimmten *Jiad)iid)t, ban alle© uortrefflid) verlaufen , ban es in
biefem ttampffpiel feinen flberwinber unb feinen loten gab, ange=
fidrts ber großen Unwabrfdieiulid)feit, baf; Veicefter, oibneu, Muffel
fotd)e Brutalitäten unb moralifdje Bergewaltigungen aobulbct unb
aar gelobt baben mfirben , wie Bruno erlitten >u haben porgiebt,
bürfte bod) wotjl anzunehmen fein, baf* bei ber 3drilberung beo
^bilofovhen bie ^bantafie ino Atraut geidwffen ift. x^u alten ben
übrigen Mollciuen unb Burien waren bod) nur „lirercitieu unb Dis
putationen" ber Alumnen, bei beneu ber ^rofeiior unb Doftor aus
Xouloufe unb s^ario bod) wohl nidit feine berausforbernben Dhefen
SU durfte getragen baben wirb, (io fanu fid) alfo nur um bie
Disputationen in 3. sJ)iart) .oall gebanbeli baben. Bon bier aber
rennen wir alle amtlidjeu iHfteuro, ben rHeiponbeuteu, bie Opponenten,
ben IKoberator. Stfenn alfo Niorbano Bruno bas Utfort genommen
bat, bann fann eo nur bei ber üblieben ilufforberung an bas
börenbe ^ublifum gefd)eben fein, bann fann er nur ex coroua fieb
in ben 3treit eiuaemifd)t baben.
Da wir nun wfällig aud) bie Dbefen feuueu, um weldje ge^
ftritten würbe, fo fragen wir weiter, inwiefern fie einen Webanfen-
gang einfdjlietVn , ber fid) mit ben uon Bruno offenbarten ^beeu
berührt traben tonnte. &>enu mau ben weitläufigen unb fprungbaften
Bortrag beo sJiolauers auf feine pofitioen 3äfce rebujieren will, bann
wirb man — mit Berlaub ber ^bilofopben iwn *ad) — bie fol=
genben fünfte etwa als ben Inhalt be.ieidjnen fönnen: bas ptole-
maifebe ^eltfnftem ift eine Berirrung, bas foppernifanifd)e allein
berutjt auf einer wahren, miffenfcbaftlidwn Slufdjauung; bie Materie
ift unbegrenzt; bie (*rbe ift nidjt bie 2t*ett id)led)tbin, es giebt un^
järjlige Helten in ureigenen Dafeinsf ormeu ; bie Bibel fann unö an
biefer iUuffaffung nid>t binbern, beim bie Bibel ift ein f)iftorifa)ed
"hkxt, eine OJefefegebung alleufallo, aber nidit ein Vetjrbud) natur-
tviffenfc^aftlid^er, pbnfifalifdjer Wrunbfafce; ibre 3luöbrücfe über bieie
iljr fremben fragen finb lebiglid) ben .jiuecfett menfcblidjer (*inriaV
tungen unb bem populären Jvaffungouermögen angepaßt; e$ giebt
einen tfortfdjritt wiffeufdjaftlidjer ©rfenntnis, unb althergebrachte
Veljrmeinung bat *mar baö Übergewicbt ber ®ewolmr)eit, aber feinet
wegs bao ftberred)t ber Weitung. l*s ift ja nid)t unbenfbar, bafc
bei ber lilafticität ber 3toffe in afabemifdjeu Imputationen biefe
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%ui bni "Jagen ber Königin (Siifabett) oon <Engtanb
SRI
weit auofcbreitenben Behauptungen uub Beweife au bie uotorifd) oer-
l)anbelte SrtW> ob aus ben Sternen bie ^ufunft ju ergrünben wäre,
alfo über bao ?)iedu ber ^Hftrologie, in bor Tt)at gefnüpft werben
fonnten. (£o ift bod) aud) weiter benfbar, ban gerabe ber Wann,
bem ju (*hren bie ganzen Crforber Aeftlidjfeiteu uub bao geiftige
Turnier oeranftaltet waren, ber ^ole, ber l'anbomanu bco Hoppernif
in einer natürlichen ^beenoerbinbung bie Erwähnung uub CsHori=
fijierung beö foppernifaniid)en Suftemo nahe le^te, uub baß bie Tar=
fteüung ber neuen ^efjre alo Triumpl; ber menfcblidjeu Weifteofreil)cit
uub unbefangener mifienfdjaftlidjer <vorfd)ung -mgleid) als eine $vlU
iuguug für ^aofi angefehen werben modne. Uub benfbar ift eo
aud), bau Wiorbano fiefa ben beaux esprits beo £>ofco, bie l'aofi
nad) Crforb geführt hatten, bod) bemerflid) madjen uub bei einem
Speftafel, in bao er fo red)t hineingeborte, nicht bloft ben ftummen
^ubörer mad)en wollte. Wur fdjabe, baf? wir feineu anberen Belag
für ben Morgan« haben, alo bie rHemiuiocenj im sJlfd)ermittwod)o-
Banfett.
}ieuerbingo hat ber xVfuit % l'uigi ^reoitiSi), beut ber $afi
über manche fünfte im l'eben Wiorbanoo bie klugen mehr gefebärft
hat alo ben ^reunben beo ^iolanero bie t'iebe, bie Behauptung
fcfolectytmeg bingeftellt: ber ganzen tfrjäblung Bruuoo oon feiner ?'\&
putatiou ift fein ©lauben 511 fdienfen. Taft Bruno einige Monate
an ber Crforber Unioerfität Kollegien gelefeu habe über Unfterblid)-
feit ber Seele uub über bie fünffadje Sphäre, bao glaubt ^reoiti
mit allen ant>mn Biographen 33), wäljrenb ed bod) aud) auf feiner
außerhalb ber Schriften Bruuoo liegenbeu Duelle beruht, baft er
aber oor Vaofi bioputiert habe, ba$ glaubt er uid)t. v^u bem Fibrin
feineo l'ebeno, ben Wiorbano Bruno oor bem ^uquifitionogeridn in
^Benebig entwirft, wo er oon allen ben Unioerfüäten, an welchen er
eine X'elnlbätigfeit auogeübt hat, genau aud) nach ber Tauer feineo
iHufenthalteo an benfelben fledjenfdnvft giebt, erwähnt er wieberholt
uub mit mancherlei (Sinjelbeiten feinen zweijährigen Befud) in l*mv
lanb, aber bafi er an ber Crforber Unioerfität Borlefungeu gehalten
Uabe, fagt er nicht, ^d) halte eo auch nicht für wabrfdjeinlid) — nicht
,5) % l'uigt ^rebiti, Ciionlano Bruuo e i *noi tempi. libri tre.
Prato 1887.
") $a roei& jogar, bafj 8runo im «feaember 1583 bic lefcte 8ov-
lefung gehalten tjabc, roa« mit feiner ganjen £arftcllung ntdjt ftimmt. —
(Ibenjo, um einen ber neueflen Pobrcbner anjufüfyreu : ?ubroig Äufylenbert,
«. ».« Deformation be« Gimmel«, t'eipjig 1889, j>. 850.
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382
3- Gai'o
fomotjl trofc, alo niolmet>r eben wegen beo üluTfprubelnb fdbftbe-
wuftten ^reuiti bat Mdrt bio pi Unfinn wifeelnb prat)ler=
ifdiett Briefes, ben er an bie Crforber Toftoren gerid)tet baben will.
s-8io ein objeftioer ^eweto gefunbeu fein wirb, fanu man nidjt auf-
boren, baran ju zweifeln. Mnbero ftebt eo mit ber Xioputation.
Tie Slrdrioe ber Crforber Unioerfität, bie jeitgeuöfufdK'u Sdmftfteller
unb 3)rieffteller oerfagen jebe .ttunbe, aber bio ju ben fpiritiftifdjen
töeiftern ^onn Teeo unb tteUeno fd)eint allerbingo etwao oon bem,
waö ba in Crforb gefprodjeu worbeu fein f oll , gebrungen ,m fein,
freilief) in ber Tenaturienuig, bie ein ^eg in fold) nebelhafte Sphären
mit fid) bringt.
3lm 11. ober lä. ^nni fann $iorbauo 3tamo feine 3äfce oon
ber Unbegren-tfbeit ber Materie, oon ber ^ielfaltigfeit ber Helten unb
nameutlid) nudi oon ber Un$uläuglid)feit ber $tibel oor V'aofi unb
ben Crforber (Mehrten bargetban haben. 31m 14. ^uni war bei
3olm Tee eine fpiririftifebe Sifcuug, bei ber eo l)od> herging. 'Jüdjt
weniger alo brei Weifier treten nodieinanber auf, sJDiabinia, (Sinnier
unb Wnloal). Waloal) war eine Tarne auo ber xHriftofratie ber
(^eifter, beim fie gab fid) für einen „(Sngel" auö. Sohn Tee mifc
traut ihr ein wenig, ba nad) Xrithemiuo „bie (Sngel" nur Scanner
fein tonnen. iUber Waloab beruhigt ihn unb hält eo nid)t an ber
Seit, fid) mit ttleinigfeiten, wie (Sbarleo 3lebo Wafenbluten u. bgl.,
wonach Tee gefragt bat, abzugeben. sJKan habe ^idjtigereo *u tbuu,
nämlid) „ein neueo Wefefe, ein ueueo Vid)t unb eine neue l'ebre
oom Gimmel ,m geben" ; eo muf? ein „neueo s#ud) gefdjriebeu werben,
baö ben (Sljrifteu bie Wbel unb ben sJ)iuhamebaueru ben Koran er-
leben foll". „v>lm nadjfteu Tieuftag (b. i. ben 1 8. ^uui nad) altem
Stil) foll mit ber xHbfaffuug beo neuen *tacheö begonnen werben,
Omloab n»irb felbft Führer fein bio auo ©übe, fie wirb bem Sdjreiber
bie &anb führen." — 31 m feftgefefcten läge, am 18. ^uni, ift wieber
Sijmng, Waloab ftellt fid) pünftlid) ein unb entwirft bie Tiopofition
beo neuen Stachen : eo muffe ^uerft feftftellen, „bie ttöttlidjfeit ber
Trtnität, bann baö Weheimuio ber ^eltfcböpfung , bie begrenzte
Tauer ber Seit unb baö ©übe ber s&elt", alfo il)re enblia>feit.
Vielleicht würbe ber T'ert ber Teefdjen iHuijeidmung eine nod) grb^
fjere Vermanbtfcbaft ber ;>been bezeugen. ;>benfaUö ift baran *u
erinnern, baft bie fleligionooerbefferung auf ©runb einer neuen
$ibel bao jahrelang betriebene 04efd)äft ber (9eifter fortan würbe,
unb baft Gellep inobefonbere, alo er oon fefcerifcheu silnwanblungen
fjeimgefucfjt würbe, mit feiner SKetempfndjofe, mit feiner Theorie
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9u6 ben Taaen bei Äouia,m (5li!a6ftt> od» Suglanb 383
uon ber Unoeränöerlid)feit beo sJöienfd)engefd)led)to unb mit feiner
Theorie bei : Negation beo heiligen (deines fid) gemiffen ^been Wtorbano
Brunos anjufcfjliefien fd)ien fveilid) in ber 2lrt, wie ein Mai
Die gebilbeten Slusbrücfe feines .<perrn auffdntapot 3ehr ferner
wiegenb ift biefer Seweio für Brunos (Stählung nid)t ; aber giebt eö
einen anbereu? ^u^tleic^ erlaubt Waloah, bafc Vaöfi fortan, was
bto bal)in nicht gefdwh, bett 3ifouugen beiwohnen bürfe.
3a)abe, bafc Waluaho ^olemif gegen Wiorbano $ruuo im
Ijaltouerjeidjnio fteefen geblieben ift. Ter Vefer wirb fid) feinen
i*erö barauf machen nnb (rbuarb Mellen eine gewijfe Slnerfeunung
nicht oerfagen.
v2i>ie mit bem 3tanb ber metaplwfifdien fragen, fo jeigen fid)
t>ie Weifter aud) anfteigenb mehr mit Den ^ntereffeu unb geljeimften
*&finfd)en Vaofio vertraut vie mehr ber .pof unb bie uornebme
Wefellfdjaft fid) mit bem interefjanteu Jyrembling befdjäftigen, befto
mehr füllt er aud) bie Teilnahme ber Weifter auo. tki feinem *lk-
fud) in sJ)(ortlafe mit Philip 3ibnen, X'orb Zufiel u. a. war er in
ber Vage oon Tee ju boren, baf? „Waluab geftem bie in 3luofid)t
aufteilte Deformation in ber &>elt in nidit geringem üKafie mit l'aofi
in ^erbinbung brachte, benn uod) beoor bie 3onne ibren ^abreolauf
oolleubet haben würbe, werbe Vaofi .Honig jweier Deiche fein, erfteno
uon ^olen unb zweitens uon einem Deiche, bao er mit uollem Dedjt
anftrebt" — ob bao bie sJJiolbau ober Dujilanb ober bao beo eben
bamalo (NJ!)iärj 15h;}) uerftorbenen „.Hönigo sJ!)iagmio »on l'iolanb"
wäre, wirb bebauerlidjer &>et|e nidjt getagt. VV näher bie 3ibung
fommt, ber Vaofi felbft beiwohnen foll, befto mehr fudjen fid) bie
Weifter, bie fonft ein fehr maccaronifdjeo £ugli|d) fprednm, im Vatein
ju oeroollfommnen — ein Umftanb, ber ben .sperren (Safaubonuo,
3mith unb .Hiefewetter angefid)to ber mangelhaften 3d)ulbilbung
.Heltens 34) bod) fehr bemerfenomert erfcheint Ter am 1 i». ^uni erfdjei-
nenbe Weift mit bem entfd)ieben tranofccnbentalen "Damen ^ubanlabace
tl)ut grofte ^lirfe in bie Snfunft, inbem er oerfüubigt, bau Vaofi bie
^uben befehren unb ben Türfen unb Reiben bao .Hreuj bringen
werbe, aber aud) einen f leinen Wirf in bie Wegenwart, inbem er
etwas baoon munfelt, baf? bem fplenbiben Dabob l'aofi bao Weib
'*) 2)a Äeflcp in ben Athenae Oxonienses, Tom. I mit einer 5Bio«
grap^ie geefyrt wirb, fo muß er bodj in Orforb inimatrituliert gen?efen fein
unb mu§ außer bei ©t. 3)unflon aud) bei ben Orforber *ßrofefforen ftubiert
fpaben, n>a£ ofjnf etwa« Üatein not)l faum mög(id) war.
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384
X <5aro
ausgegangen \n feilt idjeiue. Cht in bie Silmng unicbulDig bereit
ftürmeuDer Xieuer Vaofio Hein Namen Xanfclt» nad) anfcbeiueni»
ein Teutfdjer — muft oon Dem erzürnten ^ubanlabace hören, fcafc
ihn binnen fünf Monaten Die j\ifd)e Treffen werben. 4i>ao aber Die
f leine WelDuertegeubeit Vaofio anbetrifft, fo serftreut ^ubanlabace
alle Sorgen mit Dem .ftinweio auf Den .Urebit bei £>ofe, Denn nicht
bloo (Slifabett), fonbern aud) ihr vorb Iljrenforer (iecil (Storleigb'j
liebten Um febr, Veicefter fd)iueid)ele ihm - alle fäbeu mit ae:
fpanntem »Uuge auf ilm, unb Die Weifter werben ilm um feineo hoben
reformatorifdjeu jfcrufeo nullen fdmfeen. 4i>enu Ciuglaub in Hriego-
gefaljr geraten follte, Dann mürbe 3ol)u Tee mit Vaofi nad) }>olen
hieben, unD Dort mit gewiffen Hütte In Den It)ronwed)fel be=
wirfen, unD wenn Dann Vaofi IS'uglanD einen zweiten Wefud) abftatten
würbe, Dann werbe er nod) oiel glanzooller ausfallen.
Enblid) am 2<>. ^uni, \\\v Uhr vormittags, war X'asfi \mn
erften 3Mal in Der fpiritiftifd)en Siüung perfoulid) anwefenb, in
weldjer nad) fompeteuter Ihflärung fid) Die „hoben Weifter mani;
feftierteu". $\i jagen ift, Da« Vasfi nidjto fah; £ee gleidjfalls nid)ts,
aber baft er Die Nähe Der Weifter fühlte; nur Mellen fah fie in
allerlei Wejtalten, alo weifte -Tampffugel, als rHiefenmenfd) mit
viNarmormmpf, mit einem in Den Schultern büpfenben, golbeneu
.Hopf mit Marfunfelaugen unD uon einer unermeulidjen (Srpanfiono
traft. 31 bieft Der Weift. 31ber was er oorbraebte, war nuffnüeitD
geiftlos. .UonfurrenjneiDifdje Tarnungen oor anDern Ooeiftern, oor
Xeufelojauber, Jammer über Der sJ)fenfd)en Sünbbaftigfeit, &>elt
Zertrümmerung unD als Spezialgericht für Vasfi Die wieberljolte
vHerfid)erung, baft Xönig Stefan Tatort) „elenb im Kriege um-
fommen", Vaofi alo Nachfolger berufen unD Durch il)U Die SRolbau
mit %^olen oereinigt werben würbe.
Eigentlich hätte Der anfprud)ooolle v\l, Der fid) gar für Wort
felber ausgab, Vasfi etwao enttättfdjen müffen. Tie #ofmung auf
Dao Jürftentum Der 3)tolbau mar, wie gefagt, bei ihm fdjon fetyr
juriia* getreten, unb baft Mönig Stefan „elenb im Mriege umfommen
werbe", hätte jeber anbere, Der eine Unwahrheit riofieren wollte —
Denn eo würbe in ber That uidjt wahr, Stefan ftarb in feinem
s#ette — aud) fagen fönnen. UnD Vaofi wuftte beffer alo 31, nue
gering bie 2lusfid)t eineo ^Haften (eines Eingeborenen) unb gar Die
feinige auf Den poluifcheu Thron war. Überhaupt muft Damals Die
Stimmung Vasfis, parallel mit feiner gefchwunDeuen Waffe, inj
Webergang begriffen gewefen fein. 3Cm 21». 3uni erfdjien N]Kat>iu»
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fln$ Den Xa$tii bor fföiitqin <8fifa6etf> Don (Stt^faub 385
luiebev mit ber c\ait^eit Familie, mit ber fc^la^fertitu*n Butter, mit
Der 3d)iuefter Walimb - nur Duo "Mcfelfinb bat fie im Weiftertjeim
.^urütfgelaifen — unb Waloal), Die unuerfeunbar fdmftfteUerifcbe
Neigungen bat, giebt einige weitere &>infe in betreff ber ^utunfto*
bibel. £ee geriet barüber in grofteo Crntjücfen , aber für ^aofis
Mümmerniffe nriffen bie Weifter feinen Wat. A)a in ber Sifcung oom
-j. 3uli erflärt kJ)tabini im uollen iiUberiorud) mit ^ubaulabace, bafe
■^urleigb unb &.ialfingham sJ)iifrtrauen unb &>ibernnlleu liegen fcaafi
t^efct)ö|>ft unb Um fomt >lm £ee bei Seite *u febaffen bie Abftdjt
Ratten.
l'aofio euglifdie (rpifobe nahm einen überaus tragifomifchen
Auogang. Ob iNabini in betreff ber ^einbfeligfeit ber beiben sJ)ünifter
uidjt übertrieb, muj? babingeftellt bleiben; oielleidu oenuecbfelte ber
Weift fie nur mit bem 3beriff, ber allerbingo unter bem Ütnbrang
ber Wläubiger ^aofio Urfacbe baben mochte, it)n nicht mit WumV
äugen w betrachten. > übertriebener anfänglid) bie (Gerüchte über
öeo &*ojen>oben :Heid)tum gewefen untren, unb je mehr er mit bem
Wölbe um fid) geworfen hatte, befto empfinblidjer naljm fid) jefct fein
rHuüt aus, in ben er offenbar aud) 3ofm £ee bereingeriffen bat*.
:Hlo X'eicefter ftd) am \± x^uli bei $ee $u einem £iner mit fiaofi
anfügte, geftanb ber Magier, bafi er fein Silberzeug oerfaufeu
mtinte, menn er etwas üjnen uorjufefcen imftanbe fein folle. $ie
immer groftmütige Königin half ber augenb lief liehen Wot mit einer
oenbung von 40 ßngeltfmlern ab; aud) fonft hört man, bafo bie
Königin bem fremben „dürften" auo ber Hlemme habe l)elfeu wollen,
bafi fcasfi aber in bem (Gefühl, fein grofeartigeo Auftreten in Bonbon
noch fefjlimmer baburd) $u beoaoouieren, bao fönigliche Anerbieten ftolj
abgelehnt tjätte. Aber in Bonbon ju bleiben mar unmöglid). $ie
$n>ei Monate, bie er bort nod) uerbrad)te, mögen Überaue fläglidje
gewefen fein, (£r fdjeint nur oon $orfd)üffen ^otm Deea gelebt ju
haben, unb alo er oor feinen (Gläubigem bie <?(ud)t ergriff, mufe er
wol)l unter ber üBorfpiegelung, bafj it)in in ber Heimat glän$enbe
Nüttel 51t (Gebote ftehen, mit benen er feine Sdjulben tilgen fönne,
ben Magier oeranlaftt haben, tlm mit feiner unb .Hellest» Familie
ju begleiten. 80 gelangten $ofni ®w unb fein 9)iebium nad)
s^olen.
(£l)e wir jebod) biete in allen Stütfeu ratfelbafte Weife oer^
folgen, haben mir nod) einer /frage natye ju treten, welche ber ohne;
hin fchon romanhaften ^erwitfelung nod) ein erhöbt ^utereffe bei=
jumifdjen geeignet ift. ^n feinem s#ud)e über ^aofi ftellt tfrauStyar
3eitf«t|rift für *u(tutatjd)i4tc i. 25
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3- Saro
bie Stimmung beo euglifdjeu .ftofeo oor l»er lUnfunft beo ^olen als
eine tief verbutterte, gelangwetlte unb vergrämte bar. sJtod) ihm
hätten bie raufdienbeu ,veftlid)feiten nnb vergnügenben ^eranftaltungeu,
bie bem .^er^og xxans von Mnjon, bem faft fdwn befinitio erflärteu
Bräutigam ber Möuigin lilifabetb, \u (ihren auogeführt morbeit
waren, burdi ben $rud) beo ^erhältnifieo, burd) bie xHbreife beo
.f>er.^otiio nnb bind) bie limpfinbung ber .sionigin, baft fie ihre ge^
heimen .^erjeuswünfaV ber ctaatsraifon \nm Opfer t^ebrad>t habe,
mit einem fdjrillen sJDiiftflaug ihr (inbe gefunben. Ter jauarumben
Aröhlidjfeit fei bie lärmte xUUtäglidjfeit, ben gehobenen (Gefühlen bie
#erbriefUid)feit gefolgt. Mi bem ^iuuebof von geftem hätten jent
bia übe nnb Langeweile fid) gelagert uud, wo Aftern Alöteufpiel
unb ftörnerflang ertönten, ba tjörte man heute nur bao X'etern ber
tätlichen Wefdmfte. Y\n biefe trübe ,yaftenftimmung hätte Vaöfi aber
luieber «eben gebrad)t. Aeft auf §eft fei wieberum gefeiert morbeu,
er habe bie greube unb bie Vebenoluft tuieber gemerft, er habe bao
Wähnen wieber vertrieben - furtum er habe wie ber ^rin* im
Waranen alle wieber auö ber erftarreuben Vetbargie gerüttelt.
3lllerbinas finb bao :Hntithefen, bie fid) im Romane gut aus;
nehmen, aber mit ber gefdnd)tlicben Wahrheit haben fie nidjtö ju
fd)affen. Tie fogenannte Liebeöaffäre mit bem Jper.iog von -Jinjou
batte fchon ihre vieljäbrige Wefcfyid)te unb war von Anfang an mit
einem fo bocbgrabigen Beifuß uon etaatoraifon gemifdjt, baß bie
gan>e Terminologie ber Viebeogefd)id)ten trofe bem golbenen :Hiug
unb bem mit bebenber 3timme geflüfterten tUbfcbieb hier wohl am
ungeeigneten sJMafce ift. diamentlid) aber ift in jener Sluffaffung bie
'Uebeutung l'aöfio übertrieben. Ter polnifdje „^rin,>" würbe am
.pofe als Waft geehrt, wie fpäter unb früher anbere auch 33 >, aber
für bie Snficfyt, baf; er bie Veicefter, bie 3ibnen u. a. auö ihren
angeblichen öiemütorefolleftionen aufgeftört, ja bie in tlöfterltyen
Trübfinn verfunfene .Königin iSlifabetb uöliig vermanbelt habe, münte
bod) erft ber 3d)atten eineo »eroeifco beigebracht werben, tyex
nod) bürfte Vaofi wiber feinen Hillen, wenn man einige 8d)aben^
freube beim <pofe uorausfefct, in ber ^eriobe feiner völligen vte
armung bie .peiterfeit ge werft haben. 31 ber bie ganje .ttrauobarfcbe
^ufcenierung hat lebiglid) ben ^werf, einer f leinen unb harmlofen
Vermutung beo fdjon öftero citierten (Sbriftian ^artbolmefi ein breiteo
"*) SRan Dfvqfeidje bieip j. bie 9(n«fiil)runqfn in Ulbert Gotjn*
Sliftkf!8|>«'are in (><«rniaiiy XI F sqq.
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«u« ben lagen ber Königin (Slifabetb, bou (Suglaub
tktt >u bereiten unb ein fleineö tfäferdjen burd) gärtnerifd)e Treiberei
,iu einer sJkad)tblume \a entmirfeln.
^Bartbolmtfi, ben eine grofje ^elefeutieit, aber eine fel)r ftumpfe
Airttif aue^eidmet, bat bie Vermutung auogef proeben , bat* „biefer
s}>ole (\iaofi) Dem 3bafefpeare einige 3üge 511 Dem Höfling auf
rKeifen in Loves hibour lost (I sc: 1 u. 2) geliefert fjabe" unb
citiert namentlid) Die 3teüe in Der Nebe bes Honigs, ber auf $Mrous
5rage, ob Denn in ibrer freimiUigen Kafteiung „fein 3d)er$ $ur
3tärfung" gewäbrt würbe, antwortet:
„D ja! roijjt, an unferem $of oerte&rt
(Sin iReifettber au« Spanien; ein (Jrempet
£er ncu'ften :Dfob', in Jyeiubeit rool)l belebt,
SefT #iru Sentenjeu ausprägt, wie ein Stempel:
(Einer, bem bic SMuftf ber eignen Stimme
So fü§ bünft al* ein überirbifd) Xönen;
5)a« Stifter eine« 2Rauu«, ben tt)rem ©rimine
Unred)t unb üRed)t gemault, fte 31t oerföljnen.
Xie« Äinb ber ?anne, 2>on «rmabo beißt er,
(Srjäblt mit iajmülfi'gem Stfort in 9Ru&efiunben
£>a« $b,un unb fBiifcn f)ot?er SöaffenmeifUr
Hu« Spanien* ölut, im Strom ber 3«* entfdjrounbeu.
3$ weiß nidjt, rble .fcerrn, roie iljr ib,n fdjfltyt,
2)odj roafjr ift, ba§ fein Vügeu midj ergoßt,
Unb baß er meine Sänger mir erjefet."
darauf SMrou:
„fcrmabo ift ber 9Wob' erlaubter $ort,
Unb ftintelueu von Wraf unb felt'nem ©ort."
Saß l)ier nun aber Dod) oon einem 3' panier unD nidjt uon
einem ^oleu gefprodjeu wirb, erflärt ^artbolmef? unter Berufung
auf Juller 3B) unb (Saftelnau *") Damit, bafe Sbafefpeare einer batualo
febr üoltetümUaVn Abneigung ber (£nglänber gegen bie 3panier ent^
fpredjenb biefe 3Jtetamorpt)ofe in ber Nationalität feineo opottbelben
oorgenommen tmbe. Cbmobl eö nun aber in „l>oves labour
lostu eine Neilje oon 3teUen giebt, bie mit größerer 9tnpaffung nod)
auf ^aöfi gebeutet loerbeu tonnten — id) fjebc inobefonbere bie fräf=
tige Gbarafteriftif, bie .poloferneo entwirft, beroor:
„Novi hominem (ben Mrntabo) tamquam te: 3ein
.pumor ift boebfliegenb, feine Nebeweife gebieterifd) , feine
;}ungc pfeilfdmrf, fein Sluge etyrfüdjtig, fein ©ang maje^
"1 Fnller Worthies of England III, p. 12«.
57 1 CaaUslnau de Mauvissiere M6moir» 11, c.
20*
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388
3- Garo
ftfttifd) unb fein "^etraaeu überall pomphaft, lädierlid) unb
tljrafouifd). Irr ift >u orlofcu, \\i oerfdmieijelt, ,w uerbaft,
ju nbfouberlid), fo pi fa^eii ; ja, Daf? id) mid) beo *&u<s
brutfo bebieue, |fl auolänDeriid). £r siebt ben Jttbett
feiner Voquacität feiner, alo eo ber 3i>oUenoonnt feiner
@ebanfen uerträqT' —
nnb obgleich and) Dao flanje ^erbältnio ftriuabw pun Könige unb
leinen ftofberreu eine a,eu»iffe Slnaloaje \u ben Wejiebungen X.'aofio )ut
Rönigin nnb l'eicefter, 3ibnet), Toer IL a. ;n baben fdjeint, fo ift
bod) nidjt abwfebeu, warum Der vJinrv nid)t bennodj bireft auo
3panieu beerten fein foll, „ein .Hinb ber heinen fpanifcben ")&)ai\
tafie", tote 3bafefpeare fei ber faßt 3o mahr nnb lebeuoooU ift
aUerbingo bao ^ebatttenpaat flruiabo unb .ftoloferneo gejeidjnet, baft
mau id>on Iftngft in tfynen mirflidje ^eriouen ber 3eit beo Xidjtero
l)at erfenuen wollen, in iHrmabo einen eitlen ^hautafteu ^Mouardto,
uüe 3bafeipeare felbft einmal (III, \) ibn nennt, in $olofernefl Den
italienifdien Spradjmeifter ^lorio; im Wruube aber bebarf bie lebeno
wahre Sdjüberurtg 3bafefpeareo foldjer Urbilber nicht. £afc et in
Srmabo fidt bao Jkrgnttgen genuufy habe, ben Xbrafo ber lateinv
idieu SHtyite uad) feiner xHrt }U formen, läftt er ben £oloferneo aito^
brüdlid) genug verraten.
-))hi\\ nun aber ein ;}eitßenoffe >u beut Wlbe beo ^Ijrafeu
brefdtenben Mittero a,efeffen baben, fo ift eo bod) fdnoer, fid) Den
poluifcben SRagnaten bafür \u benfeu. £batiüd)lid) mar 3bafefr»eare
mabrenb feiner flumefeubeit in Bonbon noa) uidn, mie .Hrauobar
mit fdmumaoollen Mebeuoarten behauptet, in ber fcauptfiabt, uuD
Da bao Vuftfpiel erft mehrere >hre fpäter entftanben fein famt —
anzunehmen, Dan ber (Siltbrud l'aofio nod) nadj fahren in Stlglanb
nicht oerlöfdit gemefen fein tollte, bao biefu' Dodt bie liefe uuD Gnecgif
beoielben gar arg ubertreiben. UuD Dann: ioao l'aofi in tfnglanD
,m einer fomifdieu s|>erfou tuadtte, bie ne&artige £urdtläffigfeit feiner
Welbbörfe unb barnadt bie ^\lud>t not ben (Gläubigern, bao nimmt
bodi m xHrmabo nidjt , ber ein bettelarmer Sdjmarober fein geben
lang gemefen. SBenn aber trob aUebem unb aUebent 3bafefpeare
Dod) an ben poluifcben Mittel bei Der Stöffling einer Spottfigur
aebadü haben iollte, fo tonnte ich gleidnoobl ebenfo wenig mit $errn
.Mrauohar barin „eine unerfd)öpflid)e Aunbgrube für Den ^orfcber Der
3ittengefd)id)te Der beiben Stationen" erfenuen, wie mit einem an-
Deren oolnifdjen Patrioten Die Menntnio 3bafefpeareo oom polnifdieu
Wolfe auo beut Tanten ^oloniuo auo bem djarafterlofeften
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sÄh$ bni taflfii her Äöiiifiin C?lifal>ct& \>on Ghtglanfc 3fW
(Sljurafter bebucieren. 3o id)lägt Mo (Sitelfeit fiel) felbft, aud) bie
patriotifdje!
sK>ol)l aber will mir fd)eineii, baf? mau ein guteo Medjt l)üt, in
3bafefpeareo Loves labour lost lebeubige 'JlNenfdnm unter ber .$üUe
ber poetifdnm Weitalten ,ut fudien. sJiur muft mau nidjt bei beu taufenb
mal fid) wieberbolenbeu Tnpeu ber Marren, 3dntlfüd)fe unb gebauten
fdnirfeu wollen. Von allen Trauten 3bafefpeareo finb bie 3toff=
quellen febon befannt unb überall finb fie alo Auogangopunft für
bao ^erftänbnio feiner .Uuuft, für bao begreifen feiner iMbfidjteu, für
bao (Srfaffeu feiueo genialen .wbflngo nerwenbet warben. Wur von
Loves labour lost bat man feine Cuelle gcfuuben, eben weil feine
Citelte wie man ridrtig herausgefühlt --- bie &*irflid)feit, bie
angefdmute irrfahrnng, bie u,itgeuöffifd)e Wefdudrte ift. s)M)t bauon
will id) reben, wie fid) in biefem Trnmn mehr alo irgeubwo anber-
märto ber litterarifche Aufruhr ber ^ugenb.UHt beo Tidjtero abfärbt,
wie l)ier ber tfupbuiömuo, ber oielfpradnge }Jiaccaroniomuo, bie
Tebupbrafeurbetorif, bao 3diäferwefeu , bao lurifdie 3üf»bol$rafpeln
u. bgl. an beu Oranger beo 3potto gefteflt werben. 3ie finb fo
unmittelbar auo bem (Getümmel jener litterarifd)eu .kämpfe genommen,
baft man bie stamlanl works unb bie Autoritäten nennen Fönnte,
auf welche ber ^feilregen gefdri'tttet wirb. %JMeljr aber nod) flehen
bie Aiguren ber .£>aublung ber an fid) fo windigen .franblung,
baj? fie faum ein 3nlerejfe \n werfen auoreidjt , mit ber 28irf=
lidrfett, mit bem Vebeu in einer innigen .Wongruen,}, unb auo biefer
^bentität entfpringt eine lebensvolle, paefenbe unb aufrei^enbe
beutung ber ganzen TidHung. Tenn wie gauj aubero bebt fid) ihre
ihhtcbt, wenn man für bao romantifaV Waoarra an (Snglanb felber
benft unb für beu namenlofen Honig bie grofte Königin l&tifabetb
einfefet. Tann freilich muft ftd) aud) bie miebemm namenlofe ^rin-
*effin von #ranf reich in ein m asm 1 in um jurütfbilben unb ben
^rinjen Jranj von 2lnjou bebeuten, unb bie hüben unb brüben neben
ben £auptperfonen ftehenben Trifolien muffen ihre Stellung nad) bem
Wefd)led)te wechfeln. 3o fein unb ,uerlid) erfdjetnt alobann bie trofeige
„virginity" (Sltfabetl)o ^u einer 3d)mlle abgebämpft, baft ber
Tidjter trofcbem bie oerftümmelteu Arme beo ^uritauero 3tubbo
unb beo Trutfero ^age lehrten, wie beifei bie Berührung biefeo
ihemaö ift — mit vollem Wedjte hoffen burfte, ber .Hbnigin felbft
über ben nun längft uerflungenen Montan ein Vädjeln abzugewinnen.
Unb wer bie Molle beo Simier in ber Werbung beo franjöftfcben
^riujen fennt unb feine Reibungen mit bem eiferfndrtigen ^eicefter,
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390
% Coro
ber wirb aud) fttt ben Souet beo Drama« bao Urbilb nidit verfemten.
Unb mit in Wahrheit trofc aller ^uueiaumz unb trob i<ertöbni« ber
franzöfifaV ")*nn\ mit einem bloüen ^erfprednm unb einer nagen
Hertröftuug auf eine ,vrift abheilen muffte, fo fdilieftt bao Urania
au$, wie 3hafefveare felbft fa^t, gang ungearitynlicb, „fo bafc .pano
bie Wrete nidit erhalt" mit einem „übero Jahr vielleicht".
Um einen völlig über.zeugenben (rinbrutf von bor ^nbridjein^
feit beo Sufammenbango beo Xramao mit ber Mefdritfite ber SBefc
buug beo fterzoao von Xnjou hervorzubringen, müfUe id) tief in bie
(Einzelheiten einbringen, mao nno freilid) nod) tnel meiter ob von nn
ierem 3hema führen mürbe. 9htr bao eine muß nod), um auf bao
felbe DOit ber iHbfdnoeifuug znrüdzufommen, hervorgehoben werben,
baft auch bei einer foleben ;}urütfverfetumg ber Ticbtung in bie We^
fchid)tc für Vaofi fein $lab herauofommt, benn alö Vaefi in Vonbon
erfdnen, mar bie fogenanute Viebeöaffäre löuajt zu (rnbe. Slucö bao
Zur Unterftüfeung ber üartholmefsfdien Vermutung von ber Jben-
tificieruug Vaofio mit Ton 3lrmabo herangeholte Argument, baf? im
Drama „Ter ftöttig unb feine brei ftofberven" fid) alö „'äWooforoiter"
uerfleiben, verliert bod) feine ^ebeutung, meun man in Betracht zieht,
bafe 3bafefyeare Muffen unb "JJolen fehr mohl ,zu unterfchetben
muitfe, unb bog in ben beiben lebten Jahrzehnten beo 16. Jahr
bunberto bie ntifiidien Wefanbtfdmften in Bonbon einanber auf beut
Aitne folgten. iMudj von biefer Seite mirb bie s^abrfcbeinlid)feit,
baf) 3hafefveare von Vaofi etmao gemußt habe, nidjt geförbert.
"Wel interefianter aber märe bie Arage, ob 3bafefpeare Jobn Tee
unb fein mnftifdjeo Treiben gefannt habe. Tod) Darauf fommen
mir meiter unten nod) zurütf.
Weldie $mde aud) immer $ofm Teeo :Weiie nad) ftofai an
ber Seite Vaofio gehabt haben mod)te, er erlebte bie furdubarften
(fnttäuidnmgen. gattc er vielleicht geglaubt, feine burd) ben äBoje
woben ftarf mitgenommenen %ltom5genouerbältniffe wieber berzuftellen,
fo war er vielmehr alobalb ;Jeuge, baf? l'aofto letrter Sferfttd), fein
uäterlidwo (Erbe in Dberungam (.Uaomarf) ben (Gläubigem zn ent
reiben, frbeiterte, unb er, wie rKidmrb Safer ber ein Jahr nad)
ben Crf orber Aeftiuitäten in .Urafau war, mußte bie "öemerfung
maetjen, „baf? ber ehemalige $eftt)er ber Wl 3d)löffer, verarmt uub
berabgefommen" nur nod) »on Tarletmeu unb ^eriebreibungen feine«
w) Chronic!« <»f tlie Kimp« Enirlainl s. a. 1593 tinto t>arnocf) Woob,
Antiq. 300.
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$u« brit iaant bei tföuifliit tflijabetb bou ($ita,lajtb 391
.Cmuocuiteo fid) über Koffer halten fonnte. rHediitete Der Magier
darauf, Durd) Den ühtojeroobeu ßinfluft unD tUnerfennung beim Könige
3tcfon *u gewinnen, fo muftte er oielmebr mit eigenen Ülugen Die
*<emucfelung feine« *kf<büfcero in einen ^odwerratoorojeft mit am
feljen, auo weitem Vaefi jioar, inbem er offen Den Ülnf läger feiner
ehemaligen JreunDe madjte, mit heiler &aut fid) berauöjog, aber
Das in Der 3eele Deo Königo Docb beftebenDe ü)iifttrauen fonnte er
niebt tilgen. ih>abrenD Der entfcbeiDenDen sJ>erioetieen Diefes ^rojeffes,
in meldjem angefeljenc Magnaten H'eben unb (£bre einbüßten, gelten
x^obn See unb feine Begleiter eo für geraten, iljren ^otmfifc oon
Pratau nad) s}>rag ju oerlegen, Hrafau, mo Die $ak}l Der 9lftro=
logen unD „Cccultiften" nia)t gering mar, fd)eint Der engltfdje 3)lm
ftifer aud) mit Der Unioerfität Bestellungen angeknüpft ju baben. ^n
Dem febr beaebtenoroerten Katalog feiner Bibltotbef, Der in jroei auto=
grapbifdien 2luf$eid)nungen nod) oorbanDen ift, unD Den 4?alliroell oer=
öffentlicbt bat, ift angegeben, Daj? er Die gried)ifcbe ftberfefcung Deo
Boethius He consolatione foioic Der disticha Catonis unD Deö Aph-
tlionius progynmasmata oon ^iarimuö s^lanuDeo Der ^mjiellonen-
bibliottief $um Wefcbenf gemalt babe. £ao Bucb finbet fid) in Der
Xbat nod) beute in Der Unioerfitätobibliotbef mit Der oon Sees eigener
.franb gefd)riebenen loeitfdjmeifigen SlMDmung 30). Übrigens fdjeint See
'•) 3>u birfer Umftanb »odj oon niemanbem bewerft roorbrn ift, fetyc
trf) bie Siomuna, Ijicrfjr v : „Vt praeclarissima Vniuersitutis Cracouiensis
liibliotheca, omniom iam oliin artinm et scientiarum libris inirifice ornnta.
vno Haltern adhnc raro vnlde esset monimento ornatior, tarn propter rei«
publicae literariae cmolnuientum aliqnod, aliquando, inde futurum, qnam
ut mea per hoc tale quäle immun erga gravissimum doctissimum decre-
tissiraumque virum. reverendum dnnm Martinnm Pilznensem, canonicum
Oraconiensem 8. tlieologiae doctorem ejusdcmque vniuersitatis dignisshnum
rectorem, et alios optimal um artimn professores stndiososqne, contestnta
esset beneuolentia et officiomm meorum praestaudorum promptitndo, lioc
oposculum valde antiquum Maxim i Planudis, monachi Constantinopolitaiii
ex illuatrissimi illins Boi:thii consolatione philosophiae Latina, Graeea
versione conscriptum, ego Johannes Dee, Anglns, philosophiae chmtianae
et mathematicarum artium studiosus eidem bibliothecae in peipetnos
studioxorum vsns do, immo luhentissime et humillime propria mauu oft'ero-
Novembris die 24 a. d. 1584. Joannes Dee Londiniensis. Adjnngnntnr
etiam Catonis Roinani l'vttijttu n{toT{ti-^rtx(u libris qninqne, ab eodein
Maxinio Planude ex lingua sna Latina in Graecum connersae sermonem."
<&$ ift rin ^apiercoN-j: au$ bem 15. ^abrfmubert Don 5» befdjriebeiirn unb
5 leeren flattern (»gl. tiMStorfi, Katalog rekopisow bibl. univ. Jag. p. 195,
Nr. 620, FF. V, 4). SBa« bo« Saturn bev »dViifiuig betrifft, fo firbi bei
$aUin>eU, p. 72: I gave this booke to L'raeovia Library a. 1584. Jnly 28.
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392
J. Cor*
uiraeubs fleifüaer alo in ftrafau Spiritiomuo getrieben $u baheu. Tie
Ubri mystici appertorii Cracoviensis f 1 1 1 1> jahlreid). Geniel (iafau-
bonuo baoon abaebrurft, unb ob namentlidi audibie 4k claves Aneelicae
„in ber Sprache ber ISngel mit interlinearer engUfdjer Überfettung" Cra-
poviae diversis temporibm reoeptae Dabei finb, foim ich triebt fugen.
Srfi alo vnofi auo feinem ^rojefe mit Snfianb tteroorgeganaen
unb einiaermauen bei bem .Hbniae toiebet in Stabil gelangt mar,
tieft er ,VMm Tee im Aritbjahr 1585 *,nrüef nad) ttrafau fommen.
Ta biefem iu>mifd)eu aber bie ÜRittel anoa.ea,anaeu maren, unb ber
„Cniael Remittier auf bie S$tttge, wie mau Wölb madu'n tonne, nur
mit einem unueiitäublid)en iMbrocababra einrieben hatte, mürbe Tee
bringlidjer unb fdmeb an bie (Reiftet einen bemealid)eu Brief, morauf
„eine Stimme" ben hüd)ft praftifebeu flat gab, moglicbft balb
Sdmiurf, £auorat, Mleiber, alleo, roorauf bie sJ>faubleiher etmao aeben,
Ui oerfetjeu. QbrifieitQ hatten fid) bie (Reiftet in ben öftlicben Xfe
a,elea.enheiteu immer mehr orientiert. $011 bem elenben Tobe ftönia,
Stefan« ipradjeu fie nidit mehr; im Öenenteil proanofticierten fie
ihm ab unb ju eine große ^ufunft. Talriuaeaen mürbe bie Thron
folge l'aofio nidjt mehr fo oft unb fo muerfid)tlid) betont, vielmehr
tarnen Sebenten auf, ob es ratfam gewefen, fid) mit einem fo „aott
lofen Manne" eiftytttaffen. sXox ber 00m Könige ben ^unbertbäteru
eingeräumten Xnbieuj finbet eine überaus cbarafteriftifd)e .Uonoeriation
mrifdum ben (^eifteru unb Vaofi ftatt. ,/AMUft Tu", fragt ber Weift,
„bau id) ben Konig Stefan oor Teilten älugen oernidjte, ober millft
Tu, bat? id) ihn geflutt) madie, bamit er Teiu ^oblthäter merben
tonne?" Ter SRagnat mußte fid) erinnent, bau f(hon in Vonbon
bie (Seiftet oon „befonberu Rütteln" fpradnm, bureb melcbe beut ®e=
idrid in Betreff ber itQronertebigung nadjaebolfen merben tonne.
Vaofi Perba! fid) bie Weu»alttl)ätia.feiteu. Tarauf fragt ber Weift, in
meld)er Spradie er mit bem Könige rebeu folle. Vaofi ermibert: „Unna
rifd)". „W, beeilte fid) ber Weift )ll faaen, „bie unaarifebe Sprache
liebe id) nidit, fie ift uoll Uuaenauia,feiten." ISt fprad) lateinifd).
Übriaeuo prallte ber aan;,e ^auberidmrinbel au bem flaren,
rubiaeu unb oernftnftigen Sinn Mönia. Stefano ab. Seine (Sinrebe
gegen bie Weifterfeberei unb ^ropbetenfpielerei ift vernünftig unb
eineo fcblidrieu fatholifd) iil<i»bic^on Manueo rourbig. (St ließ fid)
bie fpiritiftifd)en Manipulationen uormacben, hörte gebulbia. bie mit
allerlei ^uipprebiger liraben aefpirften, oöllia. nidriofaijeuben 3ufunfto=
fdrilberuna.en, bie fid) auffällig auf bem "Jiioeau ber politifcben (i*in=
ficht eineo Mamnterbieuero hielten, an unb entlieft bie Jremben mit
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$u« ben tagen ber ÄPiiiqin (Slifabetb oon (Suglaub
393
fülller .oöflid)feit. £iu nochmaliger ^Vrfud) A\ot)it Teeo, ben .HÖnia,
bureb aldjumiftifdie i'oefunaen *u intereffieren, fdieint nod) froftiaer
}utittfa,emiefen morben *u lein, ^enuntlid) umreit bie nun Hülben, Die
an X'aofi auo Der fouiajicbeu Mafie Dem oorbanbenen Montobudie ju
Aolae ae^nblt mürben, 3tefano Tauf für bie aenoffeue Uiiterbaltuim,.
Dod) fdüimmer erahn* eo ^otm Tee am .ftofe .Uaifer Dubolfs II,
bem 3trebejiel aller Damaligen Cccultiften unb Ätonberpbilofopben.
iHber Der enaUtdie Weifterfeber brachte eine cpielart tranofcenbentaler
Träumereien, für melcbe auf bem ©rabfenin, mo fonft alle leufelo^
fünfte — unb ber 3&üjnftnu aud) ibr S&fen trieben, fein ^lafc
mebr mar. ;}mar lieft fid) Der ttatfer ebenfallo mie Mönitx 3tefan
alö „3ünbenfnüpper mit einer .Uaftiaationorebe anbounern unb fid)
allerbanb Wrofttbaten propbejeibeu, aber er fanb boeb, baft Der sJDJaa,ier
„bei feiner Debe >u oft auf Die .vtuieeu falle", mao mobl enajifdie
Soffitte mar, unD lieft mit 3)iifttraueu Dao N«h>efeu Diefer enaUfcben
Webeimmiffenfdmft von fadjfnnDiaen beuten unterfudjen. shsax Tees
foaenannte allgemeine Deformation auf (%unb Der ISntbiillunaen
Durd) Die „Weifter" unb auf Wrunb Der neuen '.Bibel in Der „(fngel-
fpradje" eine Äarrifatur, fo fal) er neben fid) in Dem Italiener ^ucci
einen .Honfurrenten in ^raa, Der aud) eine allgemeine Deformation
anftrebte, aber freilid) in einer abmeidienbeu 2lrt. Stoib maren bie
Sitelroerbefferer in &aber, ^>ucci Denunzierte Tee, Der .Hleruo fing an,
fid) ein$utnifct)en. Tee muftte ¥xa# oerlaffen, er amg balD nad)
©rfurt, Dann nad) Veipjia., Dann mieDer nacb sJ>raa,, biö il)in fein
neuer Wönner, Der Cberbur&graf &Hll;elm u. Dofenbera,, an Den er
oon ^aefi empfohlen mar, ein fiebereo silfi)l in &Uttina,au in Böhmen *°)
barbot. inmitten Der 'Mrrnijfe, bie >bn Tee betrafen, fdmterjte
it)n am meiften Die juneljmenbe (Sntfrembuna. tfbuarb .Uellcuö. Tiefer
mar bem genius loci entipredienb immer beftimmter oon ber ®eifter-
roiffenfdjaft sur Daturmiffenfcbaft überaeaanaen unb lebte unb mebte
nur nod) in 2lld)i)tme, für ben lapis philosophorum, namentlich
aber für bie Wolbrinftur. Tamit t)at er fd)lieftlid) fid) bie Wunft
be« Äaifers ju ermerben aemuftt, bie freilid), alö bie Taufdmna. fid)
nid)t rnefjr uerberaen lieft, in ^orn unb Strafe umfcblua,. 5ür ben
mnftifeejen Schwärmer Tee ftanb biefe Jyrage erft in jmeiter i'inie,
ihm mar baö Dufen unb ftlfiftern ber föeifter burd) Mellens NJMunb
bie bimmlifdje Offenbarung bie er in oollen ^üaett in fid) aufnahm.
*•) 3>a* ift ba« in 2>rc« Xagebttcbern genannte $rebonia oom ced)i>
föen Xrbon, foroie bad bort oft ermähnte (Sremona Jrruman in ©bijmen be-
brütet, ba« aud? junt Äofenbcrgf^en Cefa gehörte.
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394
3- Coro
xUlieiu aud) bie (Stifter bereiteten ihm grofte s)lo\. "Me l>ie
fcböneit ^rop^e^et^unqen gingen in l>ie Brüche, 2(m \ tl. £e*ember 158«
ftarb ber .flönig uon tyokn, nidjt, roie bie Weifter gefagt hatten, im
ßlenb nnb Krieg, fonbern in feinem 3d)loffe, oerflärt uon ber l'iebe
unb iHnerfennung [eines trauemben Golfes. V'asfi rourbe nicht fein
Nachfolger, ebenf omenig mürbe es Mubolf 1 1, bem bie ®eifter gleiaV
falls ben Xbron oerfproeben batten ; unb noch weniger mürbe es ber
Burggraf Wilhelm uon Mofenberg, ben bie Weifter ebenfalls mit ber
fiaVm 8«f«ge biefes Throns genarrt hatten. Ni<on bem febtuebifeben
^rinjen, ber bie tfrone mirflid) ertitelt, batten meber bie Weifter noch
bie ISngel etmas gemußt. Gbenforoenig erhielt l'asfi bie sJWolbau,
aber Xljronmecbfel maren für Lasfi immer bie Onelle gewefen, feine
ruinierten Wermögensuerhältniffe 511 restaurieren, unb menn mir
fallen, baft er am 7. sJ)tär$ 1587 im 3tanbe mar, 33oo Zutaten an
2)ee uermutlicb als iMbfcblagsjablung auf feine 3dmlb 511 $al)len, io
mirb über ben ^wfnntmenljang biefer Ainan^reform fein Zweifel
abmalten fönnen. £ee fonnte froh fein, menigftens etmas erhalten
üu l)aben, benn ber päpftlidje Vegat ^oratio 3pannocd)i fd)ä»t bie
Sdjulben, bie Vasfi aller Crten in Teutfcblanb, Aranfreicb, (Snglanb
unb ^olen fontral)iert tyatte, auf mebr als eine Million Tufaten.
3m ;>ni 1587 unb im 3uli 1588 befuebte i'asfi ben si)lagier in
ättittingau nod), eine Neife, bereu .ttoften oermutlid) ber betrogene
Wraf uon Mövenberg tragen muute. (ritten 3)2onat nach bem lefcten
4t>ieberfel)en trug fcasfi ben Votm für bie bem fa>mebifcben Irinnen
geleifteteu Ticnfte bauon, benn er erhielt bie einträgliche 3taroftei
UNarienburg in l'iolanb, unb fortan betrieb er mieber grofee vJ>lonc
jefet in maritimem Greife. <*r mollte einen <rrportl)anbel mit
Spanien unb Italien anfnüpfen, feinen 3olm nad) ^entfalent fegein
laffen, aber uon ber Dölbau, uon Türfenfriegen, uon :)ieligionfi=
uerbefferungeu unb uon ber neuen ütibel ift feine Webe mehr. flb
unb su hörte ^ol)it Dee nod) etmas uon ihm, 1593, wie es febeint,
sunt lefcten SHal. Ser greife fingier, bem mäbrenb feines silufent=
balts in &>ittingau nod) bnrd) Abwarb Warlanb bie (rinlabung 000
$aren Jvebor ^wanoroic,; und) sJ)iosfau unter anfebnlid)en Xnerbietungen
überbradjt morben mar, hatte ben iHut verloren; er f ehrte in fein
mittlermeile uermüftetes Laboratorium in Hiortlafe $urücf.
Merbings hatte Tee mäbrenb feiner :>lbmefent)eit oft an bif
Königin, an &>alfingl)am, an Tyex unb anbere heruorragenbe }ht
fönen gefchrieben unb $umeilen aud) uon ben Unteren Briefe nnb
$ejudje uon uoroelnnen ßngläubern erhalten. 3n sh>oobs Atlieoae
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3n« bcii tac\t\\ ber Mötticiiit (Jlifabfib. bon (Juglaitb
395
Oxonienses (I, 519) mirb ertfblt, ban t»ie polmfdje Alrone nad)
Stefano Tobe bem ^erfafier Der tUrcabia, bem Sir Philip Sibnen,
angeboten roorben fei, mib baft nur ber (rinfprud) tflifabetbs bin=
oernb in ben »g getreten märe. Sie hätte jroar ihrem ^ieblinci
ein folebes iHoancement gegönnt, mochte aber bod) ihr ^aterlanb unb
ihre Regierung eines foleben Aileinobs nicht berauben. — Är bat
angeboten '< £af* in polen irgenb jemanb ben ttaoalier unb feine
fcnrif gefanut habe, möchte id) ftarf bezweifeln, l£s fann alfo nur
eine "2)tacbenfchaft entmeber Vasfis ober 3oqn £eeo gemefen fein, bie
oon tflifabetb fcbmerlid) fehr ernft genommen mürbe. Sonft aber
lätft nichts barauf fcblieften, baf? ber v#erfebr $>ees mit ber /Königin
einen politifebeu Inhalt hatte. Der Scbroerpunft feines Gebens lag
in ber 3*tt vor feiner $efanntfd)aft mit Vasfi. Seine ^ebeutung liegt
in feinen miffenfehaftlichen Arbeiten. Ter berühmte Staatsmann
Xisraeli mürbe ihm gerechter geworben fein, menn er biefe ans Vidrt
gebracht hätte, ftatt ihn als „tfuriofität" oor^uführen. Jreilid) ift es
überaus bemütigenb, bap am irnbe bes 1 9. 3bbts. nod) unter allerlei
^erfleibungen oon ^iffenfehaft unb 9toturerfenntnis ein 2ftafmglaube
fid) ausbreiten barf, gegen roeldum tief) bas Gnbe bes 1 6. 3h&ts. febon
ablehnenb oerhalten hat. Crs fann ja mohl fein, bafi Karton fteebt
hat, menn er bie Nilnfid)t ausfpridjt, baft bie Partie ber 3<"tberei in
Slmfefpeares Sturm gegrünbet ift auf bie Wartung ber pbilofopbie,
melche 3ofm $ee *u eigen mar, aber man hüte fid), Shafefpeares
auf bie SJübne geftellten Meiner, jene munberfamen sJMaterialifierungen
innerer Seelenoorgänge, welche alle Ält unb $u jeber $c\t $um
(»tauben an fie Urningen, mit jenen unheimlichen Wefichten in parallele
$u bringen, bie, oon bem raffinierten Troggeift eines trbmarb Kellen
gezüchtet, nur einem alt unb morfd) gemorbenen einfamen Sdjmärmer,
einem oon ber Unehre mißbrauchten Träumer Vertrauen unb (»tauben
an ihre Wahrheit eiujufiöfku oermod)ten. sJ)tan hüte fid) - nur
meil fie zufällig ^eitgenoffen maren — einen Prometheus mit einem
mahnbethörten (»olbmadjer unb feinem Trancerebner in entmeihenbe
Berührung $u bringen. Die (»ebilbeten jener (Spocbe haben, aud)
menn fie Dees (»elchrfamfeit unb feine geographischen .Uenntniffe
hochhielten unb roürbigten, an fein (»eiftertreiben nicht geglaubt.
Xas fann man allenfalls Tisraeli zugeben: Wofenfreujer, Immanuel
Smebenborg unb unfere Spiritiften mögen in >bu lYe ben slkn-
laufer ihrer Weisheit feiern.
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3>ic (£cfd)id)to i>cs C>ihcns.
£>on Dr. 21. r. (Eye.
Uine Wefdndite beo 3 i^cns V roirb man fragen, ungebulbig, ehe
man nur angefangen hat, ,m lefen. Sahen beim bie SRntfdjen nicht
immer gefeffen mic gegenwärtig '<
freilich mutet bie heutige ^Mffenfcbaft uns niel |u! 3ie null
une fogar glauben machen, baf? bie sJ)ienfcben einmal roie bie Äffen
auf ben Räumen umhergeflettert feien. Unb wenn eo ihr gelingen
follte, biefeo nacbjuiueifen, märe fchon baburd) eine Wefd)id)te beo
3i&eno in 3id)t geftellt. Tenn ber "JNenfd) mirb nicht in unoer-
mitteltem Übergänge uom Slft juni Steffel gelangt fein unb beburfte
eo baui Vorbereitungen, fo ift auch eine ^eiterhilbung ber Xhatfadjc
nicht auoge)d)lofien. r>ft bod) hio je&t nidit einmal bao gange
NJJ(enfcbengcfd)led}t $tttn 3ifcen gelangt. (Ein großer Teil hat eo erft
bio |UV1 Soden gehradit unb auch barin uerfdjiebene (Eigenarten auo=
gebilbet. fo, ielbft biefeo Vorjugeo finb nid)t einmal alle Golfer
teilhaft geworben. SDie Silben unterften Wrabeo fauern nur am
Soben unb geigen in bem geringen ober größeren SNafre oon Hal-
tung, bao barin fidi berauogebilbet, ein mehr tierifebeo ober menfet);
lid) fortgefchritteneo (Emufinben. Jyinben mir bei genauerer ^eobacb
tung bod) auch, baf? in ber heutigen &<elt ber Wefittung uerfdjiebeue
'Nationen, ja (Gefell fdiaftoflaffen unb fogar einzelne Teilnehmer, mie
im benehmen überhaupt, fo aud) in ber l'lrt beo 3ifeeno (Eigentum;
licbfeiten befunben, bie auf befonbere (Sharafterbilbung fdilieften
laffeu. Tie in :Hebe ftebenbe .Uuuft ift ein (Srgebnio ber Kultur, ift
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W7
bemuad) an bereu tfntuncfeluug ^ebunben. (*o triebt eine Wefd)id)te
beo 3ifceuo.
QiMe ber Jortfcbritt menfdjlidjer #ilbung fid) nid)t allein im
Gefell Der ^erfönlidjfeit, auf moralifdjem ober geiftigem Webiete
oolljiebt unb alo 3acbe ber Wemeinfcbaft nad) Mitteilung, Sluo;
bmcf unb ©eftalt ftrebt, auo oerfeinerter ßmpfinbung, lebbafterem
(Gefühl, tieferem ^ebürfen unb weiterem Sollen geeignet föeinenben
Mitteln ber ^etbätigung mubgeht, fo febafft jene unauogefefct
für bie allgemeinen mie bie befonberften ^erbältniffe Unterlagen
unb eine Haftung, mie fie in jebem galle beut bemegenben unb
bewegten Webalte beo Safeino entfpredjeu. Si>ie in auberen fällen
finb mir uamentlid) in bem unfrigeu für bie ^ergangenbeit auf bie
^eugniffe angemiefeu, bie fie felbft über fid) binterlaffeu l)at. Xa
aber faum jemalo einem ^eridjterftatter einfallen tonnte, über eine
fo geringfügige 3ad)e fid) auojulaffen, mie in jebem einzelnen Jolle
bao 3itten ber 3Wenfa)en fie uorfübrt, fo finb mir gan$ auf bilblidje
Xarftellunaen angemiefeu, wie fie glücflid)ermeife feiner tfpoebe fehlen,
bie für uno in ^etradjt fommt.
%hbt uid)t anbero uorauo-mfefeen , mar bao ältefte Multuroolf,
bem mir begegnen, bereis ein fifeenbeo. 4tfie bie alten Nilgnpter iljre
fifceubeu Siguren bar*uftelleu pflegten, ift burd) bilblidje Überlieferungen
binlanglid) bezeugt. &>er für bie bebanbelte graae x>ntereffe begt,
fann aus ben fteinerneu Äoloffen, bie bereits aud) ju nnferen 'IMufeeu
ben Zugang gefunben, mie aus ben Wrabmalereien , bie in immer
größerer $abi an bao triebt treten, fia) genau unterriebten. jn fteifer
Spaltung, mit gerabem Miefen unb Warfen, Sdjenfel unb ftnie in
rechtem Fintel gebogen, bie iHrme eng an «püfte unb Cberfdjenfel
gelegt, fifcen biefe Figuren ba. Jreilid) fonnte man meinen, bafc
biefe Haltung, bie uno fo gelungen erfebetut, nidjt foioobl bem
^eben nadjgebilbet, alo oielmebr bem auofübrenben .Hünftler, wenig;
fteno bem Steimnefeen, burd) bao ju bebanbelnbe fpröbe Material
oorgefd)rieben fei. Tod) fommt biefelbe Haltung, menigfteno in ben
Wmnbjfigen , bei ben Malereien uor, mo bie äuftere 'Nötigung meg-
fiel, $ber mer Welegenbeit gebabt, bie Wacbfommen jener älteften
Wilanmobner $u beobadjten, mer je einen ägnptifdjen Seilab uor feiner
$ütte fifcen fab, fonnte fid) überzeugen, bafc berfelbe mit bem inneren
Webalte jener frübeften $ulturepod)e aud) bao äufiere Webahren ber-
felben feftgebalten. &Me Silber auo ber ^baraonen^eit fiUen biefe
^eutc ba, mit bem Müden gegen bie serfallenben sDtanern ber .frütte
gefebrt, bereu bunfleo Dimere bie farge .ftabe birgt, auo meldjer fie
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Den !Het$ if>reo armen Tafeino entnehmen — mehr einer SdnlDmaaV
äbnlid), Die gegen etwaigen 2lngriff gerüftet ift, alo bem Herren,
Der bebaglid) an feinen gefiederten fid) anlehnt. Tie AÜftf
finb in geraber 'Hidrtung aneinanDer gerürft ; Die .fränbe ruhen auf Den
ttnieen unD finb, menn uidjt Die eine Den ^orwg hat, bao :Hohr Des
fcbnarcbeuDen Xfdjibufo w reineren, fo unbemeglid), wie Die (Kranit;
bänDe Der taufeuDjäbrigen .stoloffe. &>ie hei Diefen erfebeinen Miden
nnD Warfen in fteifer Haltung, Der .Hopf erhoben, Der Wirf, ohne
etmao ju fudjen unD fefaujjalten, iuo V'eere gerichtet. Tie leife ftebe
Durd)brid)t nur fparfam Dao 3dm>eigeu eineo traumhaften Tafeino.
UnD foldje förperlidK nnD geiftige ^erfaffung muti nod) Die Über=
legenbeit beo Jvamilienoberhanuteo befunDen. Um biefeo her liegen,
fauern unD borfen an Der (rrbe Die fluge hörigen, menig gefebiebeu
oon Den tierifd)en ^auogenoffen , Die hier *um $ieufd)en in einem
näheren CtfraDe natürlicher ^ermauDtfcbaft fielen, alo anDerowo.
ßinen intereffanteu tJeleg ju Dem Wefagten bietet Die uor einiger
Seit in illuftrierten blättern micDergegebene Photographie, auf welcher
Der vJlraber=3dieif Tippo Tip unD Der befannte :HfrifareifenDe (Sugen
&>olf fid) nebeneinanDer haben Darftellen laffen. Tie fteife Haltung
Deo erfteren, Die reditnünfelige Biegung aller feiner Welenfe, Die an-
gelegten iHrme erinnern Durdmuo an Die 8tatuen Der äguptifchen
Könige, roäbreub Die legere Anlehnung Deo V'efctgenannten Der neueften
^eit angehört, Die, hier fo unmittelbar neben Dao fernfte lUltertum
geftellt, faft einen fomifeben (SinDrutf macht. Übrigeno umrDe ja aud)
im Altertum Dao Sifceu in bem (ürabe alo Vorrecht betrautet, baf>
bei ben Hebräern Die einem ftneebte gemährte l*rlaubnio, fid) in
Wegenroart feineo Herren eineo 3effelo \n beDienen, alo Jvreilaftun«
beofelben angefehen mürbe.
sDJit Den oben gegebenen Sügeu finD auch Die fifceuben Weftalten
Deo alten ftgnpteuo umriffen. 9tur finD Die Figuren Der Wörter unD
Könige, Die mir meifteno Dargeftellt finDen, immerhin oon einem anbeten
aknntfttfein getragen, alo Die unterDrücften ttacbfommen ihrer einfügen
Verehrer. Tie 3effel befteljen anfänglid) auo maffiuen Würfeln,
in melcher. Aorm fie Der urfprüuglid)eu .Haltung Der 3it*enben dou^
fommen Wcnüge leifteten. Tan mir in Diefen Würfeln aber roirflid)
Die alten 8effel, nid)t etma nur ein notDürftigeo ^luofunftomittel Der
^ilbljauer uor uno haben, Denen eo vielleicht nur um eine funtV
lofe Unterlage für ihre Jiguren ju tfyun mar, bemeifeu Die nod) tjeute
bei Den "Jlnmormem ^Ignpteno, Den s.Had)fommen Deo alten .ftönia*
reia)eo -Dleroe, in (#ebraud) befinDlidjen 8ifcblötfe, in melden fie olfßt
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3V»9
Zweifel ^euguiffe einer Multnr bewahrt haben, t»ie ber alten cn\x)\>-
tifdjen nicbt nachzufolgen uermodjte. ^n, wir erfennen, bafi felbft
biefe Würfelform einen Aortfdjritt befunbet. Xenn wie mir im
bunflen (S*rbteil nad) Süben fortidnviten, werben bie Sifce immer
nieDriger nnb bilben enblidi mir nod) eine Unterlage, bie ben ftocfcnben
uom ßrDboben trennt. 3effel im heutigen 8inne nimmt
ber Würfel erft ben flnfafo, inbem im dürfen beo SitjenDen allmählich
in geraDer Vinte eine Venne emporfteigt, bie enblid) ben unteren
rXanb Der Schulterblätter erreicht. Tie urfprünglidje fteife Haltung
wirb faum merflid) gel oft; nur ein fdjmadjes lUnletmen Des Aiörperö
nach hinten bereitet Bewegungen uor, bie erft anf gan* anberem
BoDen ber Hulturentioicfeluini *ur Entfaltung gelangen. xHuf ben
altägnptifcben Wrabftelen, bie nicht feiten auch Wann unb *rau
neben einanber fi&enb vorführen, finben mir noch feine Spur beo
3uneigens unb ^Infcbmiegens ber Hatten, wie fie auf ähnlichen
griednfehen Tenfmälern oft mit fo großem Sfeije sunt tUusbmcf ge=
brad)t finD.
Malereien Der ^Igupter aus fpäterer ^eit, tu meld)eu mir Das
ganje Veben berfelben miebergegebeu finben, bemeifen inbetf, baj* man
aud) hier auf bie Tauer Der iMnnehmlichfett einer weniger ftrengeu
Haltung feineomegs abgeneigt mar. iSin foftbar ausgeftatteter Xrag=
feffel jeigt bereits eine nach hinten übergeneigte unb mit einem Teppich
belwngene Vehne. Man ftnbet fogar :)ruhebetten , bie ber neuefteu
Weftaltung unferer Sofas peinlich ähnlich fehen, unb Vebnftüble, bie
mit ^olftern uerfeheu 511 fein fcheiuen. vJlber Derartige Sluoftattungo;
ftücfe fommen feiten uor unD etan Die Hoftbarfeit ihrer ^luoftattung
beutet Darauf tjin, Dan fie nur in Den böchften Wefellfchaftöfchidhten
oorfamen. -•- jm gemölmlid)en Veben, namentlich bei Befd>äftigungen,
welche ein Sifeen erforberlid) machen, bleiben fleine, Dreibeinige Seffel
in Webraud), bie leidjt gebaut unD auo iHobr gebnnben $u fein
ftheinen.
3n Den altafiatifchen rHeidjen, Deren bilDliche TarfteUungen aller-
Dings üor$ugoweife nur Die ,§errfcber, fomohl ttönige mie Königinnen,
fifcenD üorfüfjren, thronen Diefe in engen Sefjeln, bie um fo weniger
etma freie Bewegungen julaffen, als Die rKücfenlehne gerabe auffteigt
unb aud) bie »Urmlebneu hod) hinaufreichen. Ter Sifc ift fo hoch,
Daf? bas iNuben Der <vüfee eine Banf unter Denielben notmenbig
macht. Ter Bau Des ganzen (Gerätes ift leidjt ; bie einzelnen Teile
finD mit Sdnüfcwerf reich negiert; ein bunter leppid) ift über bie
Velme gehangen. £0 hatte offenbar mehr Den jjroccf, in üorfommenDcu
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-100
fällen bi'it ruheubeu £>errfd)er mit ben uniljor ftebenbeu SafaBen in
gleiche .vjöbe *u bringen, alo häufiger einen angenehmen Aufenthalt
$u gewähren. Unter ben Ausgrabungen uon ttojarbfdnirf jeigt ein
:Kelief ben Höut^ Sanberib, unter einer 9EBeiltlatt6e mit feiner ®e-
mablin ben fteäjet leerenb. 2Me (entere nimmt nod) einen 3efiel
ein, DHC er eben beschrieben, hinter roeldtem Wienerinnen ihr Kühlung
Mücheln. Ter König zeigt fid) auf einem s}>olfterbett in halb;
erhobener .fraltung. — Auf altinbiicben Tenfmäleru erfdjeinen Wötter
uub iNeittdjen nodt in horfeuber Stellung. 3inb fie audj mit Riffen
alo Unterlagen oerieheu, erfdteinen bodi bie AÜüe meifteuo hinauf -
gebogen.
Begeben loir uuo aber $u ben Golfern beo flaififdieu Altertumo,
ben (kriechen uub Römern, bräunt fieb uuo wohl fdjon oor ber
nähereu Uuterfudmng bie ^raae auf, ob biefe and) in ber einfadjfteu
Äußerung beo Sjebeuooollsugeo, mie bao 3iBeu fie bebiugt, jenen
Weift ber Überlegenheit, bie Haltung befunbeu, bio ju welcher femft
fein s^olf eo gebradtt hat. ^l>ir wiffen ja freilidt längft, baft bao
flaffifdje Altertum in feinem] inneren SBefen uidtt jenem ibealeu
(SHattge entfnrnd), mit bem eo auo Mnuft uub Tidtfung uuo eut-
gegentritt. Sir iuiffeu, baü bamolo iomohl mie fpäter einzelne be=
beutenbe Vertreter beo "Holfeo in ibrem Stetten, Thun uub X'affen
Antriebe befunbeten, bie mehr in ihrer eigenen eblereu Natur alo in
ihrer Nationalität begrüubet maren. Tennodi geigen bie Abbilbuugeu
jener entlegenen ;}eit, felbft bie ber gewöbulicbfteu Art, bap ihrem
Veben eine .Haltung inue mohnte uub bio gu bem hier befprodteneu
fünfte in einem Abel ber Crrfdieinuug fid) auoraägte, ber bezeugt,
bafi mir eo mit anbero gearteten gefdndulidjen Elementen |U tbun
haben, alo bio bahnt in ber (rutmitfliing ber sJÜienfd)beit auf;
getreten maren.
Sao maren benn im Wruube bie Töpfer Deo alten .^ellao, mao
bebeuten bie Warftellungen, meldte fie in funftlofeu Umriffen ihren
'Hafen uub odjalen einzeichneten, baf? ulleo bariu auogebrücfte geben
bio gu feinem alltäglichen Verlaufe in fo Adttung gebietenber (Heftalt
uuo entgegentritt? Staren fie nicht .öanbwerfer in gemeinen
3inne? otellteu fie nicht bar, mao fie um fid) iahen ober was in
ihrer Unterhaltung lebte, uub führten fie eo nicht auo, mie fie eo iahen
ober mie eo fidt geftaltet haben mürbe, menn ihre 3*orfteUungen in
bie ätfirflidjfeit übergetreten mären ? Sie fudtteu lieber nid)t, irgeub
eiue Anregung \u geben, über bie Sirflicbfeit hiuauozufübren. Wc=
rabe unter ben hier bezeichneten 2)arfteUungen, bie oao geben oon
Die «f|d>id)if tti SiOfii*
401
ber .Hinbbeit hio *um lobe oergegenwärtigeu, fommeii fi^cnbe Figuren,
rote nidjt auDero uorauöwieben . in retdjlic^er iHnjabl uor. — &Mr
baben Da feine beionDere 'JUt beo Sitten«, Diefe ober jene uortjerr-
idjenbe AÜgung ober ^erfdjränfung ber Wlieber mehr \u oerjeidmeu,
öod» nebt man immer, Dan ee sMtglieber eineo beoorwgten ^olfo
ftammeo finb, bie Da fitum! Der Horm beftebt aber eben Darin,
baß nicfjt blon Die Nationalität fid) mit ihrem einzelnen Vertreter
auf Den Seifei nicberläfjt, fonbent baft fie Diefem erlaubt, bao, mao
er oon feinen Vorfahren ererbt, oon feinem "Kolfe erbalten bat, in
feiner eigenen 4i>eife fid) $u Wufce }u madjen, nad) Dem (behalte
feiner ^eriönlidjfeit felbft fibenD fid) *u (Senuf? nnb vor anberen *u
Ülnfeben ju bringen.
UnD jwar finDet biefeo in fortfdneitenDem 4Jiafte ftatt. Wo
tbronenDe (Götter bargeftellt iinD. Denen man etmao uom alten Ä&nüv
tum belief?, um ihnen ein (iiirfiuct)t erwetfenDeo duftere ;u uer
leiben, finb fie nod) unn Teil in Der .yaltung oorgefübrt, wie fie
Die &gi)pter auf weifen, xlber Deren Steifheit ift in majeftätifdje
2l%be uerwanbelt. "2i;ir fehen ba nod» Stuhlt', hod) unD gerab
lebnig, wie bei Den ^Iffnreru; Die Sdmlter berührt nod) Die rHüd
maub, aber wirD nidrt mehr DaDurd) gehalten. Die i'lrme betrachten
Die Seiteulehne alo Wreme, uid)t alo Sdnaufen Der Bewegung.
Der Sie emiebrigt fid) alliuäblidj io weit, bat? bie AURbanf weg
fallen fann. Aber aud) wo Diefe nod) oorbauben, ift fie mehr beran=
gesogen unb bilDet für Die Aufie eine feite Stüße, meldjc bie Spaltung
Des Cberfbrpero nod) freier mad)t. vh>äbrenb noef) bei Den älteften
Äulturoölfem , fo uiel mir merfen tonnen, foioohl bei fibenbeu mie
ftehenDen unb gehenDen ^erfoneu teilte unD AÜfie in gleidjlaufenDer
Dichtung getragen werben, erfdn'int Diefe bei Den ttriedptt oon 3lii=
fang an mehr in Der ^eife, mie fie unterer Wemobuheit entfpridjt.
3m erfteu aoIU' fiuD Die Muiee etwao >ur Seite gebogen; in aUcn
Drei Aällen Die A-erfeu utfammeugerürft unD Die Aufefpi&en nad) aufcen
getoenDet. ,\n Meter .ftaltung haben mir uuo Den oli)inpifd)en ^t'uo
Deo %M)ioiao oormftellen.
Die ^hroufeffel Deo beroifdKii ;{eitaltero ünDeu fid) jmar nod)
auf Dem .darpuenmonumem w .Vautboo. iHber balD gemiunt Der
griedjifdje Si& Die ^'Deutung einer auoreidwnben Unterlage für jeDe
Aaffung Deo ruhen Den oDer bewegten Cberförpero. 3ft Dieie aud)
ausgegangen oon Dem Sdjemel, Den wir fdjou bei Den älteften Gol-
fern finben, fo fdjeint Der letztere Da, wo Der WrunD $n h&bereu
Hulturftufen gegeben war, fid» fdjon oor :Huobilbung ber Spornt burd)
402
bköfte unb ^>öho feinen befonbereu ^merfeu utgobilbet ,ui hoben. Irin
3dntler *v & ftfct auf einer febr niebrigen hont, uontüber gebeult
in einer 3dm*ibtafel ftubterenb, ben einen Aufc uorgerücft haltenb,
ben anberen unter fid) siebenb. (Sine uornehme aiüu boge^cn hat
fid) auf einem fo hoben Weftell niebergelaffen, baf? fie nod) einer
Aufkauf bebarf, um in fefter .<paltung ihren siovi ber .oanb einer
Wienerin nahe ui bringen, bie eben befdmftigt ift, Defien 3dmiucf gu
uollenbeu. Ter ältere griecbifdje cdiemel >eigt ftarfe, gerabe Bebte,
burdi bie er beut Höriger einen fetteren £>alt bietet unb ihm erlaubt,
fid) um fo freier ,ui bemeaen. ^n fpäterer ,$eit fommen fünftlidie
unb felbft überfünftelte Aormeu mit hod) ober uiebrig gefreuten
deinen uor. £ao Aiif^u'fteU verengt fid) mehr unb mehr unb unrb
oft fo f lein , baß mau ficht, eo fei eine befonbere Wefd)ictlid)feit er;
forberlidi, auf fold)em 3iöe >u balancieren. Ticfeo ui erleichtern
werben enblid) Stufen eingeführt.
2>er Seffel erweitert fid) }tttn Stuhl, iubem er eine bis |it(
halben rKücfenhöbe auffteigenbe Velme annimmt. Tiefe ift fogleicb
uad) hinten mäftig übergeboten unb jnKtt mit einer rKunbung, bie
ber #onn beo Körper! fid) anfdjlicfu, ohne ihn 511 beengen. Oben
umfaßt biefelbe eine breite Veifte , bie Aunäcbft nod) feine iHrmlcbnen
auofenbet unb beit tSUenboium freies Spiel gemährt. 3BU bei triefet
(Sinricbtung ber Sibenbe ueranlafu Britto, ben Cberförper uiriicf^u-
lelnteu, fo ftrerft er bie AÜfte oor, siebt tuohl aud) ben einen unter
ben Stuhl mrürf unb befreit fid), um ben nötigen Spielraum $u
gemimten, uon ber fdnnaleu Aufmanf. Wauden aber biegt fid)
ber Körper, im loefentlidjeu Unterfdüebe ui ber ältefteu lUrt beo
Süjeno, fomobl au ben $8fteu mie ben Änieeu nicht mel)t ced)t=,
fonbem ftumpfminfltg unb überminbet baburd) allen Crtnbrutf beo
Steifen unb Unbequemen, gemährt vielmehr ben lUnblicf ber iHumut
unb (rlegmu, bie in ben grieebiidjeu ^ilbiuerfen sunt erftenmale in
bao geben treten, junt leil bao Sehen felbft aufmachen. — $Mo^
meilen finben mir ben linfen 3lrm über bie l'ebne snrütfgebogen,
mährenb ber red)tc auogeftredt im SdwiV mbt ober au irgenbeinet
bebeutfameu 8etoemttUj ben Shtfafc nimmt. Xao ift aber bao
flufjerfte , mao ber utjeitbe ©rieche fid) erlaubt. iSr legt nie bie
.Hniee übereiuanber, nod) fdjiebt er beibe UUenbogeu über bie Reifte;
er lehnt fid) meber auf Die eine ober bie anbere £mfte, nod) bringt
er ohne xJiot bao .fcaupt auo einer fanft geneigten Haltung. v.h>o
bu'ieo ber aoU, entnehmen mir bem Shtfbtucfe beo bleficbteo bie
nötige gtfiäruug.
Google
Sic (Mffdjtdjte bcs ©ifcen«
403
So fonnte ber ©ried)e beim Sifeen nidjt nur jebes 9)Jaß oon
*#equemlid)feit fid) geftatteu, fonbern biefelbe aud) jeber Stimmung
anpaffen, mit ber er fid) eben niebergelaffen l)atte, in feiner Spaltung
bie 3(bfidjt aubeuten, bie er mit mehr Wube ju »erfolgen gebenft.
3n ber Mibe beo .Körpers tritt bie Seele um fo bewegter bexoor,
and) ba, mo fie nur im Wirf uub leifer Spannung ber Vippen fid)
funb giebt. £ie fifcenben Figuren ber ^Ignpter mit ben regungslos
gepreßten C4liebern, ben bemegungolofen Äugen, bem gefd)loffenen
sJJmnbe jeigen eine Wcbunbenljeit beo Innern , bie nie aud) nur 311
einer oorübergebenbeu Stimmung fid) erbebt, wie fie im gricctjifdjen
^Wfen im ertten ungetrübten Wemanrmerben feiner fei oft, fem oon
#eängftigung ober Übertreibung, allen Reiten ein Ihmugelium ber
Schönheit barbietet.
Xiefer ^or$ug fdieint ben ^efiuern felbft fo meit $um $leroufit=
fein gebieten ju fein, baß in ber Weftalrung ober 5Ü$atjl ber Unter:
lagen beo Körpers erfid)tlid) balb bie perfönlidn* Liebhaberei eine
Molle ,ui fpielen begann. Sdmn in ber mittleren ,3ett bes bellend
fc^en Altertums ift bie Heftalt ber Seffel eine mannigfaltige unb
bie Spraye begleitet bie (intmicfelung ber formen mit be^eidnicnben
Äusbrücfen. ^efonbers beliebt fdjeineu biejenigen gemefen 511 fein,
welche nad) 31 rt unferer Jelbftüble sunt ^ufammenlegen eingerichtet
loaren. $)ie freujförmig übereinanber gelegten Steine finb an ben
unteren (mben balb nad) innen, balb nad) außen gebogen. 3" jebem
galle mußte man, inbem mau bie .Hreu$ungsftelle mebr nad) oben
ober nad) unten bin oerlegte unb fo ben Unterftüfcungopunft bem
Körper näher ober femer brachte, Wanderungen einzuführen, melcbe
bem Verlangen einer größereu Sicherheit ober 3Hemeglid)feit, mie
ber $efd)icHichfeit bes Stfeeuben aufo fetnfte entgegenfametu 2iMe
mix bie (Surte, oermanbte man bamals Siemen, um ben Sife hei-'
aufteilen, öeftopfte Äiffen uoUenbeten benfelbeu, bie übrigens auch
gebraust mürben, um ben harten Unterlagen feftftebenber Stühle bie
nötige 4&id)e $u oerleiben. Sdnoerltd) aber bürften unfere ^Jturfenfiffen
für jene Seit nadjjuiueifeu fein, :8ei ben oermeid)lid)ten Orientalen
fommen biete früher oor, alo bei ben europätfdjen Änmohnem beo
üJhttelmeeres. $en Übergang $u ben .Htffen hatten getrodnete .paarfelle
unb jufammengelegte Xüd)er gebilbet. $ie tflappfeffel mürben oor-mgS;
loeife außer bem .§aufe gebraudit unb ben Vornehmen burd) Sflaoen in
bie NJD?arftoerfammlungen unb bei anberen Gelegenheiten nachgetragen.
$ie allgemeine ^ejeidmung ber (kriechen für ihre Sifeoorrid)'
tungen be$iet)t fid) bereito auf bie $urütfgelet)nte Haltung beo Dber^
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404
torpero. Tod) blieben für beftimmte Aälle aud) Die Ibroitfeiiel mit
graben feljnen in Webrand). Sluf folcben finb fteto bie oberftm
(Götter fifcenb in ben Tempeln bara,eftellt. 3 ich ihrer 511 bebieiwi
war bao sl>orred)t ber "Kidjter in öffentlidjen Berfammluna.en , ber
&auoberren im Aamilien$immer, bao übriaeno mir bei befonberen (»ic-
lea,enbeiten alo foldieo beroortrat. 2lttd) Weifte mürben bnrd) bieten
3ifc aeebrt, bev bei reteben f euteu fünftletifd) auoaeftattet erfebeint.
Uian fannte übrigen* bereito and) fopbaartia,e Weftelle für \mc\ ober
mehrere ^erfonen. 3ie maren ohne Zweifel ano ber einfachen
3d)lafbanf nnb bem imUftänbiaer aitoaeftatteten Bette in Berbinouita
mit ben bei 4Har)lseiten ae4brcutd)lid)en Vaaerftätteu bernora^aamwt.
&Me bie nid)t feltenen lUbbilbumjeii eo ueraea.enmärtia,eu , boten biete
3ibe bereito 3eitenlebnen unb maren mit Herfen unb ^olftent btv
lea,t. Sliich foleue mit einer fehlte, in Weftalt unterer Aaulbetten,
fommen oor. Bon ben barauf rNiibenbeu, meifteiiG einem t*bepaart\
ift aemöbnlid) einer unb jmar ber Mann in halb lieaenber 3teUuua
r»onjefüt)rt, mäbrenb bie bemeaUdiere Begleiterin fiut.
^m Wömertum mieberbolen fid) im 4i>efentlid}en bie 3üjoor
ridmmaen ber belleuiidjen ihtelt. sJiur ein beimifdieo irleinent —
mir fönnen foajeid) faixen : Weftell fam binm, bao fid) in feiner ur
fprüua,lid)en Weftalt in einem etruofifd)en Wrabe $u (Seroetri erhalten
hat. (*o ift biefeo ein ruttber, maffioer 3Ü3, unfern Aleifeherflöfeen
nicht unäbitlid), am hintereu ftanbe mit einer tterab auffteictenben
unb uerunbeteu, oben etmao .utrütfaeboijenen fehlte oerfehen. Taoor
ftetjt ein oierfantigeo , ebenfo maffioeo Aufmänfdien. 3luo biefem
3effcl entmirfelte fid) ber berühmte cumlifebe 3tuhl, ber biefelbe Be
beutuna, hatte mie ber ^rjrottfeffel bei ben WriedKtt unb in feiner
fpäteren ^utmitfeluua, faft aan$ mit biefem jufammenfiel. — *&ie
aber fajjen bie rKömer, mie hielten fie fid), meint fie faften? — ifo
laa, in ber 3iatur biefeo frieaerifdjen Bolfeo, baft feine männlidien
s))lita,lieber feiten fid) fifeenb barftellen liefen. BJir finben fie in ber
Ibat häufiger \n sty*erbe alo auf bem 3tnhle, unb mo biefeo ber
Aall, finb bie Xaraeftellten meift altebrmiirbia,e sJ)taa,iftratoperfonen,
meldjen Hilter unb BJürbe mehr nod) alo bie UnbemeaUdtfeit beo
xUmtöfeffelo eine fteife ftaltuna, aufnötigen.
Dod) tuao ift 001t ben Römerinnen >u faaen? - Xiefe ließen
fid), menn fie in ganzer Aiitur abaebilbet mürben, uor$ua,omeiie item
auf 3effeln ruhenb barftellen. lUber eine aemeinfame jpaltunit ber
3ifoenben ift um fo feumerer naeb^imeifen, alo eo im (Sharafter biefeo
miUeuoftarfen Bolfeo tag, bafs aua) ber meiblidjc Seil tu allen 8tüefcn
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405
bem perfönlidjen ^Belieben einen groften Spielraum jugeftanb. %tx-
gegenwärtigen mir uns bie berühmten 9Marmorftatuen ber 3lgrippina
unb ber jüngeren Jauftina, beibe in ber (Valerie $u glorcnj. ^°
fonnten nur Römerinnen fifcen, gürftinnen auo einem $olfe, bao es
auf gleiche Steife oerftanb, politische unb geiftige Eroberungen 51t
machen. $eibe baben eine mehr geftretfte Haltung alo mir fie bei
ben griecqifcben grauen malzunehmen pflegen, beibe t)aben, roae bei
Den lederen uoeb faum oortommt, bie Jüfte übereinanber gelegt.
Steibrenb ber eine vilrm im Sdwfce ruht, ift ber anbere über bie
uiebrige X'efntc beo Seffelo $urütfgefcboben. gaft nur bie Haltung
Des .Uörpero bebingt ben Unterfdrieb beiber giguren. iHgrippina, bie
ebenbürtige Tochter unb (Hattiit ber beiben einigen mirflid) großen
slNänner, meldje :Hom im beginn ber Maiferjeit aufjumeifen (mite,
ball bao £>aupt gerabe unb rid)tet ben !£litf ernft unb feft ins Ütette,
alo febaute fie bereite bao tragifebe W?fd)icf, bao im nabenben *>er*
Derb ber Reiten ibrer barrte. 3ie begegnet Demfelben mit \\\\
erfd)ütterter äNtene unb iln*e uomel)m nadiläffige Haltung erleibet
uidjt bie geringfte ^eränberung. $ao ,£>aupt Der gauftina ift $ur
Seite geneigt unb mit unbefangenem $litfe fdjaut fie träumerifd) oor
fid). ihtao fie in ibrer föniglid)cu Weftalt feftl)ält, bao Erbe einer
großen 3eit, luaÄt auf Den ^efebauer einen um fo tieferen Einbrutf,
weil fie eo nad) unbeiouftf unb barum um fo uoller jum i)luo-
Dntrf bringt.
3luf ben Sdjreibtäfeldien mit Elfenbeinbetfeln, mit welchen in
ber fpäteren Haiferseit bie romiieben Monfuln unb ^ratoren nad)
ibrem ^Imtoantritte anDere $u befebenfen pflegten, finben mir bereu
Weftalten häufig auf ben iHmtoftüblen tbronenb bargeftellt, in auf:
rechter, fteifer Haltung mit auoeiuanber gerürften .vtnieen unb 311=
fammengefd)obencn güften erfiebtlicb ein $Mtb ber erftarrenben ^eit,
welche bie Erinnerung um fo frampfbafter feftbielt, je mehr man
Die Wegenmart fdmnnbeu füllte. Xiefc Silber ber römifeben &>ürbem
träger bienten ohne Swetfcl ben erften 2>arftellungeu ber beutfeben
tfaifer $um ^orbilbe, Die, namentlich auf ihren Siegeln, in ähnlicher
Haltung, nur, bem Verfalle ber bamaligen Munft gemäfi, nod) fteifer
unb unbeholfener uorgefülnt werben. Sie tjalteu bie IHrme in red)t=
minfeliger Biegung nad) beiben Seiten binauogeftretft, in ber einen
£anb baö Scepter, in Der anDeren bie Üteltfugel tragenb. £ie Seffel,
welche ihnen untergerürft finb. gleidjeu meiftenö unteren gelbftüblen.
3>ie Steine berfelben finb gewöhnlich mit geidmiutem Sdnnutf, oben
mit brachen topfen, unten mit Tierflauen uerfehen.
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406 i<. (&r>t
M ber itod) auo bor *$eü bor meftgothifdien .öerrfchaft her
rühreuben, febr freifinnigen ^erfaffung beo Mönigreiays Spanien
fommt bie ^eftinimung oor, bat? bor König gerabe in feinem 99ettc
liegen folle. Eine foldu* ^orfdnift, bie nno minbefteno pehroofl oor
fommt, mar gau? in bom Sinne jener jjeit gebadjt. Tao SBolt
wollte fich überzeugt holten, baf? fein .öerrfdier niemalo, and) mo er
0011 tremoen Singen nid)t nlu*rioad)t nmr, eine gebürfte, feiner im
mürbige Stellung einnehme. Cb irgoubmo berartige ^eftinummgen
in 3)e$ug auf bao Sifcen fid) oorgefunben haben, mifien mir nicht.
Unbeufbar märe eo feiueomego. Ittel ioenn bie "inufchrift fehlte,
trat bie Sitte bafür ein. Tie oft oorfommenbe übermäfuge
Telmung beo Cberförpers bei abgohilbeten ältefteu ciegelfübrer be^
mein, mie fehr ber Verfertiget ber Siegel bemüht nmr, feine iHuf
traggeber in aditnnggehietenber QaltUItg oorjuführen. 3m bretjebnten
^ahrhnnbert mar eo Wefeb unb tft bitrd) häufige ilbbilbungen be
ftätigt, baf? bie r>(id>ter mährenb ihrer 3(mt4$anblnng bao eine s#etu
über bao anbete fdilagen mußten ein Umftanb, ber auf ben erften
Wirf geringfügig erfdjeint, aber Qebeutuitg geminnt, menn mau neben
Dielen anboren ihn alo ^eidjen auffafu, baf? bamnlo bas beutfebe
SBefen begann, mieber \u fid) felbft ?u fommou unb fid) auo beut
überlieferten ftarren Mömcrtum \u löfen.
Über bie 31 rt beo 3i(jeno bei unfern beibnifeben Vorfahren finb
bie 3<wgmf)e fpärlid) jugemeffen. Ta bie Männer ju .<paufe wenig
ober nichts thaten, fonnten fie unbofümmert fich auf bie Bärenhaut
ftrorfen, wobei bem l'lnftanbe gemif? genügt mürbe, menn fie mährenb
einer Unterhaltung ben Cberförper auf ben Ellenbogen ober ben
Hopf auf bie £uiub ftübten. 3JJand)o ^eidjüftiguugen merben eo ben
fronen aber münfd)enomert gemacht haben, auf einer Unterlage fich
nieber.'gilaffeu, roo>u lauge Seit ein imljflotj unb bie .früttenwanb alo
Würfen lehne genügen mod)ten. Tie nod) in fpätereu ^abrl)unberteu
allgemein üblidum ättanbbanfe mögen unmittelbar pon biefen primitioen
^orriditungeu auogogangon fein. Uber in ben allomauuifd)en (Gräbern
bei Cberfladü, bie and) fonft bereits eine fortgefebritteue 3luo
rüftung beo Qaufeti befunbeu, fanb fid) ein ceffel mit gebrehten
tfeinat. Cbne .^wnü'I haben bie alten Sermonen, menn fie and)
feiueomego bao Sifeen erft oou ben Wörnern erlernten, bod) von biefen
mie in anberen "Beziehungen fo and) in ber beiproebeneu fdjon früh
Werbefferuugen angenommen. Troß aller Aortfdiritte blieb aber
währonb beo ^Mittelalters im gemöhnlidjen l'eben bao 3iben auf er
höhten Seffeln ober Stühlen noch ein i'luouabmeuiftanb, ein ^orjug,
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befffit folbft in l»er Familie nur bie älteren ^rfonen teilhaftig
mürben. £ie Minber [tauben beim ^tittagsmable unb bodten fonft
auf beut ik>beu, wenn fie uid)t etwa ein ^ufibänfdjen erbafebten.
3n ber Schule faften fie auf hänfen, bie memo, über bem Soben
erhaben waren unb ber X'ebne entbehrten. ftür anbere, welche 33e=
quemlicbfett fugten, waren in ben Emmern längs ber Sifönbe,
namentlich aber in ben tiefen fanfternifeben, bie erwähnten fdjmalen
^Hänfe angebracht. An ben lefctgenanuten s}>läfeen waren oft fdwn
burd) bie Steuerung Sifce oorgefeheu. $n reicheren Käufern lagen
auf ben hänfen Kiffen mit Überzügen von gepreßtem X'eber ober ge=
ftieftem ^euge, bie jeber an ben Ort 30g, 100 er s^la^ ju nehmen
gebuchte. — Ausgemauerte Sifce finben mir auch in ben profilierten
Crinfaffungen ber &austbore, ebenfo in Burgen unb Sdjlöffern in ben
iNorjimmern ber Pächter unb Liener.
#ür bie Herren bes Kaufes gab es auch im abenblänbifchen
Mittelalter ©tnvnfeffel mit Arm; unb Mücfenlehne, bie im Stile ber
3eit um fo mehr mit reichem Scbmutfe oerfeljen $u fein pflegten,
als fie im .'pausrate, ähnlich mie bie Throne bes flafftfcben Altertums,
eine befonbere $ebeutung Ratten. 2>afi fie mit biefer mie mit ihrer
fortfehreitenben (iJeftaltung unb Ausftattung an lefcteres fich anfcbloffen,
fcheint als merfwürbiges ^eifpiel ber bem ftonige Dagobert juge-
fchriebene^roncefeffel ju bemeifen, ber fdwn burd) ben für norbifd)e&anbe
a,an$ ungeeigneten Stoff, aus meld)em er oerfertigt ift, ben fremben
Urfprung befunbet. Auch aus bem norbifchen Altertum haben fid)
einige hohe Stühle erhalten, wol)l auch nur in golge ber NJtMd)tigfeit,
Die fie au bem ^lafce erlangten, meldjen fie einft einnahmen. £enn
fleroöhnlicb mirb man Weräte ber Art, mie nod) gegenwärtig, ber
s#ermd)tung preisgegeben haben, menn fie morfd) unb unbrauchbar
geworben. So oiel man ben erhaltenen belegen entnehmen fann,
waren biefe Sifee mehr barauf berechnet, Xenen, welche fie ein-
nahmen, ^equemlichfeit als Anfehen 311 verleihen. Sie finb mehr
breit als hoch unb gehen über ihren nächften 3wetf mobl gar hinaus,
inbem fie unter ben Sifcen Rächer unb Sdjublaben enthalten.
Xie &>eitereutwitfelung biefer Stühle ging mie bie fo mandjes
anbem (Gerätes hauptfäcblid) oon ber Mirale aus, mo (Shorftüble,
s<öeid)tftühle, $ifd)ofsfifee u. a. Anlaft genug $u bequemer (Einrichtung
unb glänjenber Ausftattung gaben. Aber es traten ^ebingungen
als mafigebenb mit ein, bie Darüber hinausgingen. s#ei ben Sifeen,
meldje bie s2ifönbe bes .Hiixbencbores umgaben, um für beftimmte
gottesbienftliche ^aublungen bie jungierenben Okiftlicben aufzunehmen,
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erfdbicn ee geboten, um jebem anginen (Sborberrn t»ie Eingabe an
feine Obliegenheit ungeftört $u erhalten, erftere moglicbft oon einanber
^u fcbetben. 3o mürben nicht nur Die 3eitenlebnen mit fefter Wem-
bung meit vor- unb bod) hinauf gerütft, fonbern auch in .Hopfhöhe
^angenftütfe angeorbuet, melcbe baö ©efiditofelb ber 8ibenben nach
ben 3eiten hin uöllig abfd)l offen. "Dcehr noch trat bie Xenbenj ber
2lbfd)liejniug bei ben tUbto; unb Bifcbofoftüblen beroor, melche bie
3eitenmänbe nad) oben [ich rcid) auölaben unb ju einem mit arebi-
teftonifdjem .^tmat überzogenem $>ad) fid) fdjliefjen Heften, uorn aber
ebenfaliö biß ->ur Bruftböbe mit einer Xbür oerbanben, melche oben
juni £ienfte ber barin befinblichen 4i>ürbenträger mit einem £efepulte
oerfeben mar. Bei (belehrten, meldte bieie (Einrichtung übernahmen
unb bie Vefepulte 511 3d)reibttfcben erweiterten, entftanben fo fleine
Limmer in größeren, bie in Räumen, mo auch anbere verweilten,
ihnen ben Vorteil oölliger sJlbgefd)lofienbeit gemährten. Auf Ufr
bilbuugen beo 15. jahrtmnberto fommen Dergleichen Vorrichtungen
fo häufig vor, bau auf einen meit oerbreiteten Webraud) gefd)loffen
werben fann.
sJ)iit bem H>. ^ahrhunbert, in welchem in germanifchen i'anben
bao Familienleben fich gänjtid) umgeftaltete unb welcbeo bie einzelnen
(^lieber beofelben ju größerer Berechtigung einanber näher brachte,
oerfdjioinben bie Xhronfcffel felbft in ben retchen unb vornehmen
Käufern, um allein in ben (impfangofälen ber dürften 511 beharren.
Aber ber eigentliche 3tuhl, ber fo lange um feine Berechtigung hatte
fämpfen muffen, fnnb nunmehr allgemeine Aufnahme. sitMe er bie
Cberhanb gewann, fdnuanbeu bie 2ikmbbänfe. 3ein erfteo 9luo-
fehen mar Diefeo. dtunbe ober oierfantige 3iftbretter von fchwerem
(Sid)enhol^ , oier eingepflodte, gef preiste Beine, .ebenfo oiele, hinten
eingefügte fdnoädjere 3täbe mit einer gebogenen Ouerleifte in halber
Wütfenböbe: bas war ber gewörmlidje 3tut)l felbft in guten Bürger-
häufern. Alö Aortfehritt unb ü'urus galt eö fd)on, wenn bie £ebne
nid)t oon 3täben gehalten, fonbern auo einem Brett mit eingeschnittenen
Beverungen gebilbet würbe, ^n Arbeitoftuben, wo jum Ausruhen
feine 3eit gegeben mar, entbehrten biefe 8tül)le felbft ber föütfen;
lehne. Aud) bewegliche Banfe mit mannigfad) geftalteten giften
fommen bafelbft nor. 3olche lourben aber aud), für mehrere s^er^
fönen eiugeridnet, nod) im H>. xN\abrbunbert um Die (rftfifebe gereibt. —
Jvür ben Aufenthalt im freien bebiente man fich fchon früh, nameut--
lid) in füblich gelegenen vänbem, Aufammenjulegenber 3effel, bie
aber uid)t wie bei uno oben mit (Kurten belegt, fonbern auo einer
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Aolge geraber ober geborteuer 3täbe bergeftellt waren, bie, in ber
s3)iitte trnrd) eine Stange gehalten, beim lUusbreiten unten bie ge=
ipreijten tfüfee, oben einen oertieften, meiftenö mit einem Äiffen be=
legten 3i$ barboten. lUuf reidjen italienifdjen l'anbgütern erfcbeinen
biefe 3efiel oft nod) auö ÜJietaU ober foftbaren &öl$ern gefertigt,
mit Elfenbein eingelegt, mit fonftigem 3d)tnutfe oerfeben unb er-
innern an bie ät)nlia>en antiquen (Geräte, oon melden fie iool)l in
geraber Vinte abftammten.
Tic betriebenen einfachen 3effel uon fcbmerem Eidjenbolj,
fpater 3)auernftüt)le genannt, oerfdjmanben mehr unb mebr aus ben
ftäbtifdjen Wohnungen unb erhielten fid) nur auf bem t'anbe, bio
man aud) hier empfinblicber nmrbe unb bie harten Fretter mit 3trol)=
ober SMnfengefledjt oertaufdrte. ^n ben Bürgerlmufern aber rief
man eine Erinnerung wad), iubem man bie ju ganz auberem ^mede
ben (Sborftüblen angehefteten vMingeuftücfe ben fogenanuten oorgen^
ft üblen anfügte: geräumigen 3iftoorrid)tungen mit ftarfen .froljbeinen,
geraben :>lrm- unb hoben ftücfenletmen, bereu Benennung fdjon ihren
^merf bezeichnete. 3ie waren nid)t fowohl nod) Ebrenfifce für bie Herren
beo Kaufes alo oielmehr rKubepläbe für bie älteften Jyamilienglieber. Ahr
^lab war gewöhnlid), wie jablreidK iHbbilbungen ergehen, neben bem
bol)eu Atadjelofen. Wad)bem man anfange für Inlflofe ^nfaffen bie
3ifefiffeu feftgeuagelt unb bie Mücfeulehnen mit weichen Tüd)ern be-
Ijängt haben modjte, wirb im 17. ^ahrl)imbert bie s^olftemng allge;
mein, bie fid) aud) auf bie S&mgenftücfe unb bie Armlehnen erftrerft.
fragen wir nun aber, in weldjer sJlrt man in ber fpätereu
ATulturmelt auf bie befdjricbenen s^orrid)tungen fid) hielt unb bewegte,
fo t>abcn wir freilid) in Beantwortung biefer Arage feine fo aiinuu
tigen ober großartigen Silber vorzuführen, wie fie auo ber ^eit beö
flaffifdjen Altertum© fid) barbieten. £er tageolauf beo norbifdjen
Vebenö brachte 511 oiele sJUtühfeligfeiteu mit fid), um bem ^uobruefe ber
Wut)e unb Erholung nid)t ba her einen Einbrucf mit zu uerleiheu. §ier
war eä feiten gegeben, in ber «Haltung eineo 3ittenben bao innere
Veben oollfommen $ur Offenbarung ju bringen. i\kx ba arbeitete,
ftanb entweber, ober ftreugte fid) ftfeenb bermafcen an, ba$ er bie ErfcbeU
nung $um Opfer brachte. shkx ausruhte, geigte, nachläffig jammern
a,efunfen, wol)l meiftenö, bafc er auf Eria& ber erfawpften tträfte
ijmrre, ober fteif geftrerft, Dan feine Wlieber bie Wefdmieibigfeit oerloren,
in ber Ermübung nod) fid) 00U *u fühlen unb ganz *u geigen.
2&iö hier gefagt ift, wirb natürltd) burd) bie Unterfd)iebe ber
fcänber unb Hölter unb mehr nod) ber 3tänbe bebiugt, welche wir
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a. t». ©t)f
>
tu immer größerem Umfange itt ben befprodnmeu ikxcid) ber Kultur-
entmitfelung eintreten feben. Italien hält fid) aud) in l»iefer fte-.
jtetyitng auf höherer 3tufe unb bietet eine größere sJWannigfalttgfett
ber (Srfcbeinungen bor. £ao ftetfe (Zeremoniell Des burgunbifaVn
&ofeo, bie unfleibfame Xrad)t ber bortigen oornebmen (Gefell fdwft
bebingen fomobl bie Haltung ber 3iüenbeu mie ber 3tet>enben
unb ©ebenbeu in ungünftigfter Stfeife. £eutfd)lanb bietet in feinen
bilblicben $arftellungeu, namentlich auo bem 1H. unb 14. $at)T
Rimbert , manche anmutige (frfcbeinnng, mie > ^. in ber befanntett
3Jlaneffifd)en ^anb|d)rift ber sJ)finnelieber. Tod) gilt biefeo nur oon
ben 3pifeen ber ftefeUfdraft, unter welchen bie grofje s)Jtaffe beo
^olfeo erft fetjr allmählich fidjtbar mirb. 3)?it bem 17. 3at)rbun=
bert, alo ber 3^t ber entfehiebenen (rnttoicfelung unb fefteren ($e;
ftaltung beo tfamilienlebeno, feben toir aud) bao lefctere mit einheit^
lieberm Gbarafter auf feinen Mubefifeen ^lafc nehmen. Leiber gilt
btefeO innerhalb ber betttigen Wrenjen unfereö ^aterlaubeo nur in
bebingtem ^tafje, ba hier ber entfefclicbe Krieg unb anbere Ungunft
ber ^ert)ältniffe ben ruhigen Wang ber Iftttmicfelung unterbrachen,
^n ooüem SWajje aber finbeu mir bao Wefagte in ben IHieberlanben
beftätigt, bie eben in ferneren, aber glücfliaVn Kämpfen fieb oon
ber fpaniföen ^Despotie gelöft unb im erften Anlauf ber frei ge=
tüorbenen Kräfte ju tyotym üöo^lftanbe fid) Aufgearbeitet hatten.
3et)en mir nur bie grofcen Familien- unb ©efellfdmftobilber einec
Werburg unb attberer 'JJleifter an : ba hat fieb immer bie ftefd)id)te mit
an ben Xifcb gefegt unb bao $)enmfttfein beffen brüeft fiel) in jebem
(bliebe auo.
(£o mürbe uno $u meit führen, mollteu mir, toie fich nun bao
Veben immer met)r im £>aufe jufammeufaftfe, bie fid) fortgefefct
reicher unb mannigfacher etttmicfelnbeu Behelfe beefelben im (Sin
feinen befchreiben. Ülto cnarafteriftifdjer 3effel ber ^eit geht mehr
unb mel)r ber grotfe unb meite, auo feftem ftolje — - man fönnte
fagen gezimmerte unb mit l'eberpolftern überzogene Vehttftubl her
oor. Meidjer Sraufenbehang oollenbet bie fonftige iHuöftattung biefeo
foliben Werüteo, bao halb in tjalben ober uolleu Smfeenbeu bic
Attmilienjimmer unb 3peifefäle ber retdien Käufer füllt. Jvür ben
letzteren Crt entfernte man, um ben iHrmeu mehr 3pielraum 511
geben, bie 3eitenlebnen. >tmer aber oerliehen bie großen Ikxtyxll
niffe, in tocldmt biefe 3tühle auferbatit maren, bie gemaltige ÜMaife,
bie ben barauf Mut)enbeu jur Unterlage biente, jenen mie biefen ein
befonbereo iUnfeheu unb mau fann fagen, baj? fie fo nid)t allein alo
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$ie l*W(fM*tc bf* eitlen«
411
Crrgebnis, fonberu aud) als Aörberuug bes ttnlturfortfdjrittes beroor-
fingen. 'Hber ehe foldnu* in btefeiit fünfte völlig jur (Geltung
fommen fonnto, verloren Die 3tüble Das Maffige; ihre Umriffe
nahmen bie gefdnoeiften Vinien an, lueldn* bie oerfdjuörfelten formen
beö ^arocfftiles fenn^eiebnen. 3ie folgten fogar bem s^crücf= nnb
^opfftile unb fdmn gegen bie Witte bes ls. ^abrbunberts gleidrt
fold) eine 3tubllebne, ja ber gan$e 3tubl oft einer großen MufaVl.
t<erbängni$ooUer war, bafc erftere nad) hinten fid) ui neigen begann,
alfo ben 3itjenben fid) jnrücf.utlelmen einlnb nnb barin fein Hilter
von bem anberen unterfebieb, bao täfeln, menn and) nicht erft er=
möglicbte, bod) allgemeiner einführte. Ä ftets bie (Gegenfäfee eim
anber bebingen, bemerfen mir jefct erft and) öfter auf iHbbilbungen
ber 3«t, bau 3ifcenbe unter ^erfebmäbung ber Stuhllehne bie (^Uen=
bogen auf bie .Hitiee ftüfceu ober eine anbere Vage annehmen, bie
aud) itjrerfeito immer jeigt, mie unter bem $rucf ber Reiten bie
Haltung im Innern ber sJ)tenfd)en febminbet.
Unb bod) mar es gerabe bei- lefctere, ber gänzliche Mangel
öffentlichen Gebens, mas befonbero ber gehaltvollen germanifd)en sJiatur
neue (GrunDlagen unb Damit aud) eine bisher unbefannte (Sutmicflung
febuf. $as £aus erfefete nunmehr bie Ält unb bie Familie mürbe
Die unfid)tbare .ttirebe, in ber bie geiftig=fittUd>e SMlbung — man
fann faum nod) fagen Des Golfes, ja nicht einmal ber Bürger, aber
um fo me^r bie rein menfd)lid)e gepflegt mürbe. $ei ber erhöhten
tHebeutung, meldje bie Familie gemann, galt es nid)t mehr fo feljr,
bie Unterfdjiebe in berfelben $u betonen, alö vielmehr ben Ärt ber
3ugehörigfeit für alle Mitglieber anjuerfennen. 3o mürben aud) bie
Minber oon bem Aitfeboben emporgehoben unb fameu bei paffeuben
(Gelegenheiten vom 3tehen 511m 3ifcen. 3ie erföchten oon jefet an
in ber Weibe, menn morgens nad) Dem Arübftütf bie ftausbemobner
fid) um ben bie ^oftillc »erlefenben ^ater verfammeln, mittags beim
Wahle unb abenbo bei ber iHnbndrt. MinDerftül)le fommeu allgemein
in (Gebrauch, uiebrige für bie beraumad)fenbe ^ugenb, hohe mit einem
fidjernben N#erfölufi an ber Worberfcite für bie Kleinen, meldje noch
auf fünftlidje Stfeifc ^ur Tiföböbe beförbert werben muftfen.
(Sbcnfo mar es bas gefteigerte ,yamilienbemufrtfein, Das nun aud),
namentlid) bei (Gelegenheiten, mo es befonbers hervortrat, mehrere Teil-
nehmer bcsfelbcn auf einem 3ifce oereinigte, ^aju bleuten bie
Kanapees, bie fpäteren 3optmo, bereu Aorm loenigftens mir fdjon
im gebilbeten Altertum begegnet finb, bereu ^ebeutung aber im We
reföe bes norbiföen Mittelalters gan$ gefömunben mar. Tenn bie
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fl. ü. (Sur
im 16. x\abrbunDert dou Der ^i'aul» gelöften unb ^erteilten 8fafe
fönnen mir nicht hierher reebnen, and) menn fie räumlid) noch mehreren
"^erfüllen NJ>laö gemährten.
Ter folibc Sinn, ber im Otiten "^ürgerbaufe fieb anöbilbete
nnb bieieo reichte bantalo nach oben mie nad) unten hin weit über
bie (#renjen biuauo, bie bemfelben gegenwärtig noch gemattet iinb —
ber Dorjugomeife bnrd) bcnjelben Sinn gefütterte allgemeine i$o\tl-
itanb übermanb im Vaufe bco 1«. ^abrhunberto alle blofjen 9ftfc
bebelfe beo Sibeno, namentlich tue Älö&e unD $önte, bie bio bahin
in ben Wefinbe^ unb itiuberftuben nod) immer einen Teil ber Xu*
rüftung auogemadrt hatten. Stenn and) in uereiufadUer @eftalt unt>
in mehr ober weniger beidjetbener lUiioftattun^ gab ber befdniebene hohe
Vehnieiiel bod) überall bie einbeitlidje Storni für alle Sibuorricbtungeu
ab. Crrft bie gegen linbe jeneo ^eitraumeo auftretenben gefdndü lieben
irreigniife führten wie in ber ganzen Aafiung Deo Vebeno, fo audi in
ber befprodumen rXücffidit eine Beübung herbei, bie mit jener wohl
uidn bloo ber ;}eit nad) juiammeufällt. Ter Stuhl giebt bie bio
bahin DurdjgebenDo feftgebaltene ^eftimniung eineo Umfd)luffeo für Den
Darin (Geborgenen auf unb wirb wieber pun Steffel in ber engeren
^'Deutung beo ^orteo. Tie Veline wirb auf bie halbe Micfenböhe
wrücfgeführt, fobaf? Stadien unD ftouf gauj frei werben. Tie Ärnts
lehnen oerfdiminben eutmeber gang ober behaupten fid) nur alo meit
unb in geringer i>bbe norgreifeube Sbttttftufet beo flütfenftücfeo.
Werabe bei Steffeln, hie von llubefdiäftigten eingenommen werben
iollen, liebt mau ben Sib uiebrig anzulegen. Tie furzen, geschweiften
üeine ftltb fteto nad) nuowärto gebogen, um heu SilH'iiben aud) bei
lebhafter Bewegung bie nötige Sicherheit $u verleihen.
-Diit biefen Wefiditopunfteu finb mir ber sJieu>eit nahe gerürft
unb mir f bunten, ba mir nur bie Wefdiidite Deo befprodieuen Stüdeo
menfdilidier liutmicfluug |U geben abbuchten, Damit nnfere s#etradi
tung abbredien. ?lber gerabe bie Wegenwart meift aud) für bie in
Siebe ftebeube Ziehung fo bebeutfame geidiiditlidie ^eroeggriinbe
auf, bau ein furjer .frinweio barauf felbft pir Klärung ber bergan
Neuheit beitragen mun. "Stfähreub bio bahin bao eigen immer ben
työtd gehabt, für ben iUufentbalt au einem Crte, fei eo für be*
ftimmte Arbeiten ober $um lUuoruben, bie nötige, momöglid) be=
gueme Unterlage 511 gewähren unb eine Weidiidite Deo Sifteno nur
auo ben bannt in SÖetbinDung ftebenben maebfeuben ober ueränberten
^eDürfniffeu hervorgegangen mar, fo bau im ^eionberen für unier
sttot! Die urfprüuglidie Bärenhaut in geraDer Viuie fidi jum iammet
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Tie (»rfdjidHc fccS 'Stfern*
413
bemogelten 3oolw, ber .<ool$flofc 511m franfenbeljangenen ^radjtfeffel
erhoben baben, ift fett ben leßten ^aljr^ebnten bie 3ad)lage mannte-
fad) oeränbert. Tie sJieubelebung beo .Uunftgemerbeo — um snnäcbft
nur biefeo beroor$ul)eben bat wie aller anberen xMuorüftungogegen:
ftanbe beojpaufeo ftct> aud) ber 3ifcoorricbtungen bemächtigt tutb btefen
^mecfe untergefdmben, bie benfelben urforünglid) frentb waren. 3iMe bao
.tf unftgemerbe, um fid) felbft einen fieberen itoben ber s^eiterentroicfelung
511 febaffen, in lobenswerter ^eife an bie Vergangenheit anfnüpf t, fo ent-
nimmt eo aud) für feine (hjeugniffe oou ber letzteren oft nidrt nur bie
lUuoftattung, foubern aud) bie Aorm unb C*inrid)tung. Unb menn ber
beutige Wefdmftobetrieb uno aud) geftattet, in ber reichhaltigen xHuo;
mahl eineo groftftäbttfdnm Vaaers ein 3türf uad) unferem befonberen
(Gefallen ausliefen, fo gefdnebt eo bod) tttctjt feiten, baji ein :Xn=
gehöriger ber ^eu.uut fid) auf einen 3tubl beo Itf. ober 17. iat)x-
bunberto nieberlaffen muft. &*ie früher bie viNöbel oor allem für
ben ^efiöer bequem fein füllten, fo bat jefct biefer fid) oft jenen a\u
^ubequemen. 3lber er findet (Srfau in beut ^emufttfein, baft er fo
beut eigenen ober bem (Mdjmacfe feiner ;}eit, meuigfteno beo .Hreifeö
ber (»efellfdiaft, meld)em er angehört ober nur angehören möchte,
mehr ettforidjt. — $tfie mehr alo je oorher bie ßeit eine ftrebenbe,
freilich oft nur eine ringenbe ift, fo wollen mir, 100 jene fid) recht
geltenb macht, auch auf unferen 8effeln weniger getragen fein alo
uno barauf erhoben fühlen. Xaburd) ift freilid) nicht auogefdjl offen,
oielmehr oft fogar bebingt, baft mir für gemiffe J^älle baö (Gefühl
ber Wuhe, menn mir uno bemfelben einmal in auogefprochener Stfeife
Eingeben, uno mit 31 bliebt unb um fo intenfioer $u (Üemüte führen,
alo eo in ben traumhaften juftänben ber Vorzeit möglid) mar.
T"ao bewerfen fidjer(id) bie meid) geoolfterten, auffallenb niebrigen
3tül)le unferer Crmpfangojimmer, bie bao 8ifcen fatt mm Rodert ber
Urzeit jurüefführen.
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3>er Doffftomnume Ssof mann.
€iu Cebensiöeal bes Kococo.
Von (Seorij 5 teilt häufen.
ihn v])tofd)erofd), ber, freilid) mit fritifdiem Stntlife, uom jpof=
leben alo bem „Compeodium vitae et actionum humanarura"
fpriebt, bis Inn $u bem galanten Sfribenten talanber, ber in feinem
„getreuen $of=9Meifter ablid)er unb bürgerlicher ^ugenb" Den £of
alo einen erhabenen 8dmuplafc, auff melden aller klugen gerichtet
finb", Definiert , ift alle S&U bariiber einig, bau ber £of ber
9)iittelpunft alleo Üebeno unb alle* 8trebens Siel ift. Unb wer nrie
sJ!)iofd)erofd) unb anbere fatirifd) baö £wfleben burd)t)ed)elt, fann i>od)
bie £batfad)e nidjt leugnen, baft eben biefeo &ofleben in ben klugen
ber jeitgenoffen bao eigentlid) ibeale l'ebeu ift.
2xo$ aller (&efat)ren „foll ein junger SRenfdj", uad) Xalanberö
?Kat, „$umal wenn eo einer i>on 2lbel ift, ben £of unb beffen Sitten
fenneu lernen"; unb ein anberer edit tnpifdjer iHutor jener (SpodK,
ber .Sperr r»on iHobr, meint in ber „Einleitung jmr (SeremonieU&Ujfen:
fdjafft ber ^rinat^erfonen" : „Ein junger Eaualier, beffen llmft&nbe
eo uerftatten molleu, ttmt überauo wobl, menn er mausertet) frembe
&öfe befud)t unb fieb eine Zeitlang an beufelben aufhält, um fid)
je meljr unb me()r &u qualificiren". • ,,^e mehr £>öfe er befeben
fann", meint er weiterinn, „je angenehmer wirb eö uor ibm feint,
unb je mefjr wirb er fid) qualificiren". $er &of war bie „Ijobe
3anile".
&>er nur einigermaßen fid) mit bem Weifte jener Epoche oer=
traut gemacht tmt, wirb bao feljr erflärlia) finben. Vorauf fam es
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Ororg ^tciiiljanfen, T(V boUfoinuifiie $>ofmanu
415
Denn Den xJ)fenid)eu jener ;}eit an, toao crftrebte ihre £r*iet)ung, alo
umo wollten fie gelten, um« prebigen loeiobeitotriefenb bie *at)üofen
fctnoeinolebernen „.stlugheitolebren" '( Äuf bao $ ujs er e ift allein ber
3inn ber &\t gerichtet, anf bie „Conduite", auf ben „WotjU
ftanb" fommt eo an, „in beut galanten unb p o 1 1 1 1 f d) e ti \ieben
^ujunebmen", ift bao böd)fte ^iel ber „jeftigen curiöfen Welt" *).
Unb fo find, unt luieber rXobr >u citieren, allerbingo „trie&öfe alo
nie befte hohe 8d)ule, auf weldjer bie politeffe unb bie Regeln
beo Woblftanbeo gelehret werben, an^ufeben. 3)enn bier r>at man
eine Wenge qualificirter Süeute um fid) herum, welche fid) bemühen,
um ihrer .§errfcbafft \u gefallen unb ben aubern beuten ftufym $u
erlangen, alieo mit einer boime grace }u oerridjten, unb bao äufjer=
licfce ih>efeu ber anbern, unb infonberbeit ber fremben, bie nad) &ofe
fommeu, mit fcbarffüdjtigen Äugen anheben".
Doch oermeilen mir nod) ein wenig bei biefem äußerlichen ^il-
bungoibeal beo ftococo. „Galant unb politifd)" foll man fein:
biefe gorberung birgt eine gauje 3umme non Reinheiten, bie aber
faft burchweg bocb äußerlicher }iatur finb, in fid). $ao eine ber
beiben sJ)iobewörter hat «pilbebranb in Grimmo Wörterbuch trefflich
bel>anbelt. Äuf eine Definition beo Worteo will id) mid> hier um fo
weniger einlaffeu, alo eine foldje fchon einem bamalo lebenben 3Men=
fchen. bem befannten £bomaftuo, 3d)wierigfeiten machte, „jumal ba
triefe* Wort bei) uno Teutfcbeu fo gemein unb fo fehr gemiftbraucbt
worben, baft eo oon &unb unb Maßen, oon Pantoffeln, oon Xifd)
unb kaufen, oon fteber unb hinten, unb id) weift enblid) nicht, ob
uid)t aud; oon Äpfeln unb kirnen jum Öfteren gefagt wirb". Äud)
ber erwähnte oon rWobr macht auf bie mannigfaltigen Definitionen
unt) bie Unflarheit über ben begriff felbft aufmerffam: „eo haben
bie meiften, bie oon lauter Galanterien reben, bündele begriffe babep,
unb miffen fid) bißfallo nicht beutlich ju erflären". (*r glaubt, „baf?
man bie Galanterie am heften erflären fan, burch eine Gefdjicflichfeit
bei feinem äufferlichen Wefen ben meiften ober bod) ben oomehmfteu
$u gefallen". ftbrigeuo barf man nod) auf eine anonome oor einiger $cit
in bem „Grenzten" erfdrienene, recht bübfdje „Wofofoftubie": „Ärtig
unb galant" oermeifen. 8olche Wobewörter finb eben ber Äuobrurf
beo äeüfleföniatfo. Wao mit biefem befonbero harmoniert, mao
ben beuten gefällt: bao erhalt bie beliebte Wobebejeidmung. Man
gortunanbfr, „Tn Galante unb in tifffö 9Belt«$>cbfii retfyt ftd)
fdjirfenbe SWfnfd)" (Sorroprt).
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-IIH
beule büinit, mao oor gar nict>t langer Seit in einem geiuiffen
Jargon alieo „fdmeibig" genannt mürbe. Ülud) bao 3i>ort „p o li-
:int)" hatte bamalo foldjen mobifdien ^eigefdnuatf. ^on Dem
tat f uo in höherem Sinne, alfo bem, ber „ber gemeinen SBolfartty
lathen toll", unterfdu'ibet (Sbriftian 9SSeifc ($oCitifdje fragen 3. 429)
Den lanbläufigen "}>olitifuo — nnb auf ben fommt eo für uuo hier
an , ber „beut gemeinen Iterftanbe nad) io uiel heilt, als eine
Inifon, bie mit allen beuten complaisaiit conversieren fann". Tamit
;•: aber wenig gejagt. 3)aruad) mürbe iid) ^olitif ungefähr mit
"Voliteffe berfeit, mährenb ^oliteife bod) eher mit (Galanterie fiberein
nimmt 3o foricbt aud) Wöhr einmal Don „ber wahren sJ>oliteife
ober Walanterie". 3nrifä)en einem politen aber nnb einem poli-
nunen *J)ienfd)en ift immerhin ein lluterfdneb. Stafette :Kobr er;
Hart bie Sadje uielmehr fo*): „SWe l'olitica ober bie Klugheit jn
leben bemerrfftelliget biefeo lentere (nämlich „ioie man auf eine ui-
lutuge SBeife fid) burd) feine .franblungeu mandjerleu flufceu sumege
gen, unb einigen Sdmbeu abmenben foll") nnb giebet (Sautelen,
man auf eine bequeme Slietfe fein ^nterefie beförbern foll". Tie
aur.ere ^eltflugbeit alfo, jene tum aller oon Arommigfeit unb „7te
lUiib" triefenben SdnoeinolebermeiGbeit tief unfittlidu' iMnpaffuugo
rr.higfeit, bie fenule Wemaubtheit beo ^enehmeuo, burd) bie mau
fortfam ober mir man batualo fagte „^efinberuug erlaugte", jene für
bie Seit übenuio d)arafteriftiid)e, ielbftfüdUige, gefd)äftige, gefinnungo
Streberei: bao mürbe ungefähr ,,^>olitif" bebeuteu. \>ienu,
mic ju ber Walanterie mürbe man bamalo erlogen.
9ti1 großem trrnft — ber Aud)oid)wam gudet freilidi herfür —
betrieb man bao. „Stier heutzutage ben Stammen eineo galanten unb
iuUitifd)eu sJWeufd)en behaupten null, ber mnü fid) gemafdnm haben".
.'Ufo beginnt Aortunanber iein oben ermähnte© Widüein. SÄbcr tro&
aller pbarifäifdjen IKatwungen m tiefem Stubium ber Weisheit unb
.uutgefälliger Arommigfeit legte mau ioie gejagt babei allen 9ükÜ
litT ^luüerlidifeiten. „^er fid» in bao lieremouiel ^tiefen mobl w
idnefen mein.", fagt 'Hohr, „wirb alo ein galantlmmme, ein politifd)
unb manierlicher Flenid) gerühmt". Wans riditig meint er: „fielen
ifi mehr an ber galanten, alo au ber folibeu Welelnfamfeit
gelegen. (So beftehet aber bie galante Welebrfamfeit Darinnen,
man fid) ooruehmlid) biejenigeu ^iffeufdmften befanbt madn\
bie su ber $e\t ben ben .$of= unb Stielt beuten in befouberem
') (Sitilntung in ttt Gf r«monicl.$ßifffiijdjaft brr f ri&at ^erfoiie», S. 6.
$it ooHfoimnene .fcofmami
417
(Srebit fte&en, unb aus »tandjeii ei) anbern SBiffenf (Rafften Das artigfte
l)erauslefe".
derart mar bie zeitgemäße Bilbung. ®ohl fonnte man,
wie 3tohr, Der es freilich faum fo tragifch meint, flogen, Daß „fiel)
bie (Galanterien, bie 3)ioben nnb Ält- Sanieren bei) Der heutigen
4£elt faft über Die göttlicneu unb natürlichen Siechte erbeben wollen,
unb ein groffer Xbeil Der sJOtenfchen fiel) mehr befleißiget, feine &anbs
tungen nach bem 3$ot)lftauD nnb bem (Gefallen Der §öljern ein$u=
richten, alo ben Säften ber TitgenD-^etjre ^ol^o $u leiften". Spater
aber meint er felbft: „Durd) eine gemeine Beobachtung ber einge-
führten Zeremonien unb angenommener (Gebräuche beförbert man
manches Stücf feiner .^ettlidieii (Glücffeligfett". UnD jat)llos waren
Die Büchlein, Die ber 2i>elt Diefe nüfeliay „.Hlugheit" beibringen
wollten. „Man hat oou biefer Materie unter bem litul: , ^InioeU
fung, wie fich ein junger ^Jeufd) in ber Khkit aufführen foll, unb
wie er ju einer gefdjeuten (SonDuite gelangen fair, ganfee £aM&igen
ooll Büdjer, nnb fonDerlid) haben fid) Die Herren Jyran&ofen, weil
fie t>ermeimen, Dan fic Die (Galanterie alleine befifcen, angelegen fenu
laffen, in uielen herausgegebenen Sdniffteu Diefes Stürf Der ttlug=
l)cit Des meufd)lid)eu Gebens *u ercoliren" 3). Übrigens batte fd)on
im 16. jahrhunDert Der Spanier Baltlmfar (Graciau eine arte de
prudencia uerfajjt, Die, wie ttwmafius fid) ausbrüeft, „aufe lauter
Regeln geichieft unD artig ju leben befteht". Der franjöfifche Über=
fefcer dlmelot be la .fcouffane gab Dem Buch Den Xitel: Homrae de
cour. Den aud) bie beutfdje Überfebnng trägt.
Der Crt auf Den man überall als üDiufter oerwieo, war
eben Der £ o f ; Der sJJiaun, Dem man nacheiferte, war Der o f m a n n.
3n Den Dingen, auf Die es ber Damaligen *-h>elt anfam, „richtet man
fid) insgemein nach Dem .oofe unD Den ,<pöhefteu Des ifanDes. Denn
was Diefe oor genehm nahen, pflegen anbeve X'eute nachzuahmen, unD
fo entstehet Denn enDlid) nad) unD nad) eine allgemeine (Gewohnheit"
0Hohr). StMe für alle isMt, fo war für Den .gofmatm am meifteu
eine uortrefflidK „(SonDuite" uotweubig. „(jiu Horame de Cour",
beiftt es in lUelitfantes' curieniem Effecten Spiegel , „hat nichts
nottjigers als eine fdjöne (SonDuite, fid) bei) .pöfeu zu infinuiren unb
bei) geringein gefällig ,m werben". Diefer ,,&off4<ruDeuce" teilhaftig
^u werDeu, mar Das allgemeine $iel: einmal weil fie eben Der
.üofmanu befafi unb biefer touangebeuD war unb fobaun um „quali-
*) D. Mo\)x, tfinleitmt<i ju Da Klugheit $u leben, 6. 587.
Sectidjrut für frultirrgetatdjtc. I. H
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(ürorg (Steinbaiifeti
ficirt" $u fein, aud) ein §ofmann ju werben ober menia,fteno alo
ein fold)er $u gelten. Denn bao träumte fid) mand)' einer bamalo
alo böcfjfteo 3beal.
Unb hier finb einige 3itorte nötig, um biefe Crrfdjeiuuua, Ijifto-
rifd) $u er Hären, ^er heute ein ^olf nach ben .§auutftänbeu
aUebern molite, mürbe nid)t fo glieberu, mie eo bamalo (Sljriftiaii
Äife *) tbat, nämlich nad) „belehrten, .ftoff^euten, Solbaten, &auff=
beuten, bie mit bcr .fyrnb arbeiten", (£r mürbe jebenfalio nid)t bie .£>of=
leute alo einen michtigeu föanutftaub anfeben. Unb ebenfo memo, mürbe
bao ein sJWenfd), ber etma um 1500 lebte, tinin. 2>er Stanb, bor bamalo
ber mafcgebenbe mar, bie eigentliche fübrenbe klaffe mar bao Würger-
tum. $er 3ürft, ber rKitter unterfdjieben fid) meber in Vebenoauf;
faffunix noch in £ebenobaltung meieutlid) uon beut Würger, t)ödntens
bafe nicht feiten auf Seiten beo Würgertumo größere Wilbung unb
nid)t feiten aud) größerer ^oblftaub *u finben mar. x>t (%ofcen
unb Wanden waren bie 8täbte bie Littel fünfte beo ttulturlebeno. 2ao
mürbe im Vaufe beo ^abrbunberto aubero. (So i)oü>g fid) eine
tiefgreifeube fokale unb roirtfcbaftlicbe }i>aiiblnng. 31 uf ber einen
Seite bie mad)feube H)Jtad)t beo AÜrfteutumo , um bao fid) ber xUbel
*u bräunen begann, auf ber anberen ber Diivdi ben Mücfgang beo <pan=
belo mefentlid) bebingte Verfall ber Würgertumo. .xHuf ber einen Seite
baburd) eine Steigerung, auf ber anberen eine ftarfe s})iinberung beo
Selbftbewufttfeiuo. Seit Meft ber ^iberftanbofraft , ber materieUen
mie ber moralifcbeu, brad) bem Würgertum ber Dreißigjährige .ttrieg.
tiefer gebrücfte unb gequälte Stanb founte fein „fübrenber" mehr fein.
Gr mürbe abhängig, fcbliefjlid) miberlid) feruil, er würbe „^öbel".
Jur bao ftürftentum aber begann uir fetben $c\t eine g(än$enbe
^ölüte ber s})tod)tentfaltung ; beim auch ber 2lbel war uon bemfelbeu
Weift ber Untermürfigfeit beieelt. :Uber er bilbete bie Umgebung
beo dürften, er bafcbte uon bem Ölanj beo AÜrfteutumo leud)tenbe
Straelen aud) für fid), inbem er fid) 511 .ftofe brängte. Unb biefe
&offd)ar mürbe folgerichtig ber fübrenbe Seil ber Station. s#er-
hängnioooll mar aber nod) eino. Sie mit bem Hi. ^abrbunbert
(feineomego erft mit bem breijjtgiährigen Kriege) beginnenbe Sluo-
länberei hatte bie beutfcbe Nation babin gebracht, in allem unb jebem
in granfreid) bao ;^beal \u febeu. Anr oie surften mar eo natür
lid) ber franjöfiid)e ftof, namentlich feit bem Aufgeben ber ^errfcber-
macbt beo Koi soleil, in bem fie ibrerfeito bao dufter unb Worbilb
*) $olitijdK Traden S. 4tib.
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Der octtfommrnc .frofmann
4 1 y
erb lief ten. ^icr bilbete fid) juerft jene alle anberen klaffen weit
überragenbe Stellung l»eo .pofes heraus. iBie Lettner es einmal
auobrütft: bas fd)recf liebe „Ter Staat ift ber tfönig" jeigt fid) alo
bao nod) febreef liebere „£er Atönig unb fein &of ift bie siJienfcbf)eit".
3einer 3^* mußte biefer franjöfifcbe &of, ber >unäd)ft politifd)er
Senrralifation feilte sMad)t unb feine tteoeutuna, oerbanfte, bann aber
aud) eine griffige unb äftl)etifcbe glitte beroorjauberte, iKufter unb
^orbilb fein. Slber bie oben ^admbmer faben nur ben glänjenben
Schein, biefen wollten aud) fie baben: in ihrer ^erblenbung faben
fie nid)t, baft, was fid) hier in einem mächtigen 8taat groft unb
glänjenb t^erancjebilbet hatte, nicht auf jeben f leinen ftaubftaat $u
übertragen mar. ftugerbem gab es eben in ^ranf reich nur einen
£of, in Teutfd)lanb bergleid)en aber in unglaublicher SatyL $>as
Unheil, was ber eine §of bort über bas fittlidje, nnrtfd)aftlid)e unb
fojiale fceben braebte, würbe in Seutfcblanb oeroielfacbt.
$iefe 3Haffe ber $öfe ift eo nun aber gerabe, iuela)e bie $of;
leute jur fübrenben Klaffe machte unb bas .pofleben alo bao ei^ig
ibeale erfebeinen lieft- Sitenn jebeo tfräbwiufel Meftbenj mar unb
tagtäglich ben glämenbeu Apparat abfdmurren fab, bie halbe (Sin=
lüohneqahl 511m .pofe gehörte, 00m Oberhof meifter bio *u ben £eü
buefen, ttafaien unb ttucbenjungeu herab: fo ift eo nicht luunberbar,
baft bie übrige &älfte unb bie Umwohner biefer glücffeligen ©efilbe
nichts Schöneres fannten alo ben <pof unb nid)to N#effereo fid) er=
träumten, alo gleichfalls baju ,>u gehören. sJWan fattn biefen (£influft
ber 3^bl ber &öfe gar nicht genug mürbigen. 80 ift eö auch nicht
\\\ oerwunberu, bafj (£t)riftiatt Äife bie „föoff ; fceute" alo einen
£auptftaub anftebt, unb ebenfo wenig, bafj ?Hobr, ba er bie Stätten
aufjäblt, an benen man feine Sitten bitben folle, ftolj fcf)liefet: „3n=
fonberheit aber, welches id) oor allen anberu juerft trotte erwebnen
follen, pranget unfer Xeutfdjlanb allenthalben mit foleben 5löniglid)en,
(Slmrfürftlidjen, Aürftlidien unb Meidjs Wräflidjen £öfen, benen quali*
ficirte Wegenten unb .ftäupter uorfteljen, unb bie mit gefebieften unb
manierlichen .<pof=Veuten angefüllt".
So waren in Teutfcblnuo bie .pöfe, nidrt mehr bie Stäbte,
bie NJJiittelpunf te bes getarnten 5tultur= unb Staats^
lebens geworben.
shkm es nur immer mögtid) war, ber br äugte fid) bort bin.
3unäcbft unb oor allem, wie febon betont, ber lUbel. Sdjon bei
ber (Srjiebuug bes Mbelo würbe auf bie £öflid)feit unb bie „&off
(rrercitien" wefentlid)es öewia)t gelegt. Sie „Drbnung unb gret);
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4*0
(Beorq «Steinhaufen
beiteil, bas gürftlidje ^eme (SoUegium *u Bübingen betreffet" uom
jabre 1609 laffen fid» über Den .^roeef beo .stollegiumo babin auo,
baft barin „unter eine« fürtreffliayn Cberboffmeiiterö General in-
spectioo, etlidjer bodigelebrter Professom fleiffiger institutioo, wie
bann anberer in Mitter unb $off-Exenitien »uol erfahrner 3Reifter
embfiger Information, bef? gaufeen ?Nömifd)eu "Heid»o 2eutfd»er Nation
3unger 2lbel in 2ugenten, sl>erftanb, s}Jolitifcben unb jum £< lieben
Regiment bienlicben fünften, }terlid»en 8itten unb in allerlep *ur
&öflid)feit gehörigen Exercitien erlogen unb unterliefen würbe". l*o
waren uerfdjiebene Wrünbe, bie ben £of für ben lUbel \um ftärffteu
iHnjietjungopunft mad»ten. aüt viele war babei bao unb X'orf:
mittel bie (üenuftfudjt , bie Sud»t, an bem bunten, gefelligen unb
galanten treiben, bei bem, für bie weiften febr erwünfd»t, feines^
wego immer bie dehors gewahrt würben, teilzunehmen. Sablreid»
waren bie fcl)metterlint\ot)aftou .staoaliere, bie $u biefem Menufe uou
£of 5U &of flatterten. Die 3)iet»r*abl beo vJlbelo aber befeette öao
Streben, „auo ber ^olitifcnen SVförberungo 3d)üffol etwao nafeben
ut wollen". „£a waren ^eute barunter" fo beim eo in Reifes
politiidjem MifaVr, bem id» aud) ben eben angewanbten Sluobrud
entnebme „bie waren veid) unb burjften ibreo guten X'ebeno
halben feinem sJ)ienfd)en $u gebotbe fteben, wenn fie nidu eine 8ebw
iudjt nad) ber politifd»eu $ofe *5upnen empfunben hätten". 3a,
biefe 8ebufud»t nad) ber politifdjen «ooffuppen ging fo weit, bafc fie
babei aller Öhre unb 3d»am oergnnen. ^iMbcrlid) feruil unb babei
ebenfo wiberlid» ielbftfüdjtig wer bie $e\t fenut, wirb mir bei=
ftimmen 3) war biefe Sd»av \u allem bereit, was bem Xuobe.v
fürften ein guäbigeo Soblgefallen erwerfen fonnte unb follte ber
Watte bie Jvrau unb bie 3)?utter bie Todjter barbieten: le sang
des rois ne souille pas. 3){afjenhaft ftrömte ber Vanbabel >u
."pofe — gab eo bod» in bem lieben £vutfd)lanb über ein halbes
Tanfenb .<pofbaltnngen , um fid» unb ben 8öbnen bie ,,^ebienten=
ftelien" beo .§ofeo, bie Offizier unb ^eamtenftellen beo Vanbeo ju
oerfebaffen. Tiefe 3eit bat bem beutfeben :Hbel unenblid» gefebabet.
•) $ier möchte ich nur eine äufierung einer f onfl tiidjtigeu frrau, bie
gerabe barnm um fo djaratteriftifdjer ift, anführen. ?uife oon 3)egenfelb
fdjreibt riumal tr)rcni ©ofync: „ßaprara gefjet ja nad) 95Meu, alfo roirb e*
i^m nicht Diel nutjrn: wenn er Gudj bort etroaö procuricren tonnte oon un*
frrm allerguäbigftem tiaijer, bamit mau aud» cor bir «levotiooi«
berofetbeu aud) loa'? (£r c\ e \\ 1 i rfj f e i t hä'ttr". $*gl. meine (ttefdjtdfte bf*
beutfdjen Briefe« II, &. m.
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$er »oflfommeur $ofmann
„irr fam", fagt Areutag, „in bringeube (Gefahr, fo nieberträebtig m
werben, baß bie (Gemeinheiten ber armen Wrippenreiter bagegen als
Tugeuben erfdnenen''. illber ber 2lbel mar nicht fdjlimmer alo
ber größte Teil ber Nation. Wie mar eo jum ^eifpiel um ben
Stanb befteüt, ber im I?. ^abrbunbert fo befonbereo Ulnfeben ge=
noß, ben (Gelebrtenftanb? Der mar nidjt minber barauf ner-
feffen, ftcb in ber 3onne ber .fmfgunft ,W mannen. Nehmen mir
ben bebeutenbften biefeo Stanbeo, Veibnij, ober mie er ganj im
2inne ber $e\t hieß, ben „Jvreiberrn mm Veibnü"! 'Nebenbei bemerft,
hat faulten fehr recht, mentt er in feiner (Gefdncbte bes gelehrten
Unterricbto nun Vergleich anführt, baß „bie ^bligmadmng (biefeo
Wort mürbe ich alierbinge nicht gehraucht haben) eineo (Gelehrten im
Ift. ^abrhunbert eine flbfurbität gen>efen märe; man ftelle (ich oor
£>err oon ÖJelancbthon !" Veibni* alfo mar bermaßen cbarafterloo
— er ift barin nicht allm uerfebieben uou taufenb (Gelehrten aller
Reiten , baß iHocbeim mm ^eifpiel uou ihm fagte: „Xieibnij mar
illleo, mao man haben mollte". (St fannte aber fein größeres (Glürf,
ale dürften unb .öofbulb. 3tol> rühmte er einmal feinem .£alb
bruber gegenüber bao „(Glürf, mo er auch binfommc, t»afi uoniehme
l'eute ihn tarnen lernen unb an [ich *it sieben getrautet". l'eibnu
ift barin burd)auo tppifd).
Unb ber iUirgevftnnb, bie „(Sanaille"? Nun, er mar glürf
lid), ben unteren Teil ber .frofebargen befleiben ju fönnen, ober fonft
irgenbroie mit bem .^ofe in Weuebung ,ni fommen6), fei eo aud)
burd) bie refpeftiuen grauen unb Töchter. Unb ber 3cbufter fannte
feinen glürflid)eren Tag alo ben. ba er *um .£>offd)ul)mad)er avancierte,
Ataufleute, 3dmeiber unb ÄSanbfdmbmacber beogleidum. Unb melcbeo
(Glürf für bie Beamten, bem Xameual beimohuen \n bürfen unb
iagen )U fönnen, aud) „bei ©off* gemefen ju fein. Unb bao ^olf
gaffte unb bemunberte ben .<pof unb mar aufrieben, bei großen Äfften
menigftens jubeln unb .frurrab fchreieu ,m fönnen.
föir bie gefamte Nation aber mar ber ,£>of ber t on an-
geben be Crt in jeber Ziehung. Tie neue frembe Wlbung mürbe
eben bamm allgemein, meil fie ber fcof pflegte. Wieber mürbe, mie
in ber gefeUfcbaftlichen Wütest beo Wittelalteio bie courtoifie, bie
•) 3n einem SRufUrbriffe in dtjr. Reifen« polittfäer 9Ja$rid>t öon
jorgffittia.en ©riefen II, ®. 57 tommt ber a)arafterifH?c$e >a& vor: „T>a* ift
xoat)T. i* tjafre ba« GJIficfe, baft mir ein vornehmer ftrennb luni $efff geiviffe
connuissiouea aufzutragen pfleget".
422
(SJforg ©trinbaiiffrt
boeoifdjeit, fo jefct bie „£öflid)feit", bao beiftt bao bofmaftige $e:
nehmen unb Auftreten, im weiteren Sinne bic tyofmafrige söilbung
überhaupt, unbebingteö Erforbernio für jebermann, ber feinem ^eit-
ibeal entsprechen wollte. ;Jm l(i. 3afobunbert empfanb man biefe
newe £>öflid)feit anfange nod) alö etwao ^efonberes. 2&ad)tjoltbs
Jormular ober Scbreibbud) $um iöeifpiel bringt unter anberen 'JNufter-
briefen aud) einmal eine „3Rifjroe an einen guten faeunb böffliaV'.
£er auobrücflidje $ufafc „^öfflicb" jeigt, baft er biefe iHrt nod) alo
etroao ^efonbercö betont. sMmäf)licb aber begann bie neue $bflid)feit
allgemein l)errfcben. ihkiö „bie oetftänbigen teilte bei £ofe tfoun",
mar unter allen Umftänbcn nacbjuabmen. £ao gebt herunter bio
511 bem oamalö fo wichtigen ^rieffebreiben. 80 fagt (Sbriftian Steife
einmal: „Unb ba fann eö nid)t getabelt werben, wenn man fieb
etlidje 8d)riften auo bem .§off*3h)lo befanbt macht: benn was an
bem uometmtften Ort ber äl*elt oor gut gebalten wirb, bao barff
um fo oiel weniger an geringem Orten getabelt werben" ; uub &aro
börffer oerlangt in feiner Xeutfdum Sefretariatßfunft aucbrücflid), baß
„ber örief nad) ben gew5lmlid)en Soffitten geftellet" fei Uub wer
bao alles nicht nadmimten fonnte ober mochte (lefctereo fam wohl
feiten oor): ber war ein oeräcbtlidjer SNenfd), ein „^ebant" ober
ein flauer.
s)l\6)t nur baö fokale ^eben tragt biefe .<poffignatur: aud) bao
geiftige ftebt unter biefem Sieben. ^»^r ber tieften JRöpfe biefer
$eit, (Sbriftian £l)omaftuo, fdnneb eine „Einleitung $ur &off = s}M)i;
lofopbie" uub wollte barin bie ^bilofopt)ie nad) bem ©efdjmarf
beo &ofeö jungten. £>ao Utfort „&of" bat überall einen befted)enben
.Wang unb überall febrt eo wieber8) ^n ber febönen fcüttcratur
ferner trat jene £>ofpoefie in ben ^orbergrunb, ber baö „eble"
.ftofleben bao wefentlicnfte Objeft ber 8d)ilberung war. Unb man
glaube nicht, bafl bao ^ntereffe an biefen albern -femilen ®elea,en-
Ijeitö^erfen auf bie eigentlichen &offreife befebränft blieb, brutto
Stauer bat oollfommeu Medrt, u>enu er fagt: „Sita* biefe &ofbia)ter
fangen, war ber richtige xUuobnicf beo SBemuBtfeino ber Waffe, flang
taufenbfältig in iljr wieber unb war ber flafftfd>e Sluobrucf ber Seit.
(So würbe alo meiftertjaft unb richtig in gans ^eutfdjlanb bemunbert."
7) SJgl. meine ®efd>id>te b. b. ©riefe* II, ©. 44. 57.
') €5o Ijeifjt bei* Xitel einer oon ©artoriuS oerfaßten Überfefeung ber
»riefe be* ^liniu« (i'eipjicj 1712): „Tet @taat«ringen ^linii $off- unb
Hir$rrli$e Briefe".
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$er bofltommrne ftofinami
423
3)iefe 'ilufterung beftätigt fid) aud) weiter burd) bie Beobachtung, bafj
bamalo aud) unter bem beliebten Momanfutter ber galante &ofroman
obenan ftanb. $iefe fchwülftigen „Staate^, «iebeo^ unb $elben=
gefdjichten" gelten als bao, was Birten von ben Romanen 2lnton
Ulrich© von :öraunfchweig rühmt: „oie ftnb rechte $of; unb Säbel«*
fcbulen, bie bao $cmüt, ben ^ierftanb unb bie Sitten redjt abelig
auoformen unb fdjöne &ofreben in ben sDtoub legen." sh>ie feljr bao
jpofleben im iitorbergrunb Deo ^ntereffeo ftanb, bao fielet man enblid)
an bem dtaum, ben bao §ofleben in ben galanten ^eitfehriften, ocm
Xbeatrum Europäum, bem 3)iercure galant u. f. w. einnahm.
&0 ift fein Zweifel: im $ofleben fal) biefe 3^1 ty* 3beal. —
3iun noch einige Bemerfungen über bao 3beal felbft. i&ao mad)te
ben oollfommeneu £>ofmann auo? 2Ber hatte Anfprud) auf biefe üBe=
SeidjnungV &>er etwao von bem £of leben jener 3eit gehört ;twt,
wirb wiffen, ban co nicht befouber© tiefe (Sigenfcbaften fein mujjten,
bie ba$u qualifizierten, ban bie notmenbige ^orbilbung burdjauo
äu&erlidj war. (*r muftte eben ber oben befimerte galante unb
politifche sJ)ienfd) comme il faut fein. Sie £wptfad>e war bie
conriuite, bao vollenbete benehmen. Wewiffe Sprachfertigkeiten, vor
allem ftenntnio beo ^rati^öftfdiett f bemnäcbft ^ollfommenbett im
langen, fechten, leiten ber franjöfifd)e Spradjmeifter rangierte
mit bem £an$lel)rer in einer «inie — , oberfläd)lid)e töenntnio in
ben beliebten matl)ematifd) =müitärif djen $ilbunge$meigen, einige 2$*elt=
fenntnio, bie man fid) bamalo auf Reifen von &of zu jpof — uon
ben vornehmen Greifen aue l)atte fid) bie :Weifefud)t wie eine 2)?obe=
franfheit allgemein verbreitet ") vor allem enblid) Unterwürfigkeit
unb Wunftbuljlerei : bao mujjte mau alleö befifcen. 2)ajj man in
Viebeoaffatren uid)t unbewanbert fein burjte, verftel)t fid) von felbft.
Unb aud) bao Spiel war bamalo eine widrige 3ad)e.
i&lcbe© Wewicbt überhaupt auf biefco «pofleben gelegt würbe,
bao fiet)t man namentlich «uo ben in jenen oben erwähnten „>Uug=
heitolehren" überall wieberfehrenben Weg ein unb 31 n weifungen
für baofelbe. 2>er Wefidjtopunft, von bem biefe Büdn'r bie 3ad)e
anfehen, ift sunädm wieber ber, bafi biefeo «eben bao wünfeheno;
wertefte fei, weiterhin ber, wie man babei fortfommeu fönne, vor
allem burd) richtige (b. I). l)eud)lerifche) Bebanblung aller anbem.
Auf bie Einzelheiten biefer «ehren einzugehen, wiberftrebt mir. Mir
•) «gl. meinen ^luffat« im „9ln«lanb" I8H», 9lr. 13 ff.: »ertrage jnr
Öfjd)i(htf bt* «fijen* I.
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424
(fleorg Öteinfiauirit
barf betont werben, bau biefeo erfelwte t'eben nicbt ofjne Olefabren,
fojufagen ein fortmäbrenbeö .kämpfen um bic beneibete Stellung mar.
So beginnt ^Dicliffantoo ben 3lbfcnmtt: „Stfie fau einer fein OHiirf
bei) &ofe befeftigen?" alfo: „Stier fein OHütf bei) &ofe befe|tia,en
will, muß unabläfng fein anbäd)tige6 OJebeth 511 OJCXX verliebten,
OJottfelig leben, fieb burd) fonberbare Oiefd)icflid)feit cxleicbfaiu unent-
bebrlid) madjen, aud) bei &of)cn uub fiebrigen mit einer uortrefp
lieben (Sonbuite recommeubiren, weil fold)er geftalt eines bao anbere
erleud)tet uub unterftüfcet , wenn er ju einer beliebigen $)ienftbarfeit
gebogen uurti". Unb er fdjliefet ilm fo: ,,2Wid) beudn, ban bie oor
ueljmfte sJ)iarime, moburd) man bei) £wffc fid) gefällig machen fönne,
bieie fei) : Änn man gefdritft nad) ber neuefteu unb beliebteren sJNobe
lobet, unb feine oerbrüftlicbe paffion merefen läffct." £ol)berg fpridit
fid) in feinem „abeligeu i'anbleben" in einem .tfapitcl, bao bie Über
fdjrift trägt: „Stimm ein §au6 = üMotter jemano t>on feinen tfiuberu
null an einen £oj bringen", baljin am, baft man am beften febon in
ber 3ugenb bie Sötme „m (Sbel = Knaben = Tienft tradrt aufbringen,
jnmal bei) ber jungen gürftlidjen jpenjebaft, fonberlid) bei) bem ixrrn,
ber fünfftig in ber Suceffion folgen foll; alfo gemobnen fie beö jpof-
(ebene uon ^ugenb auf, unb ift ibnen alle bafelbft fttrfallenbe Un=
gelegenbeit mebr ein £uft, alö ein WerbrufV'. Unb weiter meint er
fel)r jeitgemäft, ee foüen „fonberlid) biejenigen, bic uon 3ugenb auf
mit ber jungen £>errfd)afft finb auffcr30a.cn morben, uon ben tfinbo;
deinen an mit Oleljorfam, Ireu unb Vicbe fid) bei) ibnen infinuireu,
barburd) fic ibnen ein gutco Vertrauen unb lUffectton, aud) folgenbo
alle Zuneigung unb Skförberung enuarteu unb boffen fönnen ; barm
Ijilfft uiel, wenn bic uon Sitten böflieb, abelid) unb mol biepoft finb,
fid) fo mol Hüffen bei bem Surften alo bei Xencn, fo bie nädjften
unb böcbften am ^rett, genta a> ein $11 lieben". Unb menn er aud)
bic Gefahren bco £oflebcne febilbert unb meint: „ber groffe Ollanb
an ben $öfen ift mebr ein geuer bao brennet uub oer*ebret, alö bafc
cö leud)tcn unb erflären folte", fo hält er bod) mit 3)ialoe$$i bao
&ofleben für „einen Probierstein ber tapfrem Oleifter, ein 2l)eatrum
barauff bic X'after am fid)tigften erfahrnen, aud) bie Xugenben am
beften belolmet werben", Mobr aber meint: „£as $of=tteben ift eine
Verfammluug oicler fingen teilte, bic ihre £anblungen $um Ver-
gnügen tyrer .£>errfd)afft einrichten wollen, eine Stierfftatt ber politeffc,
eine Sdntle ber Olebult, eine prädjtig fd)ciucubc Sclaoeren, unb ein
Sammd-^lafc bco Weibeo unb ber NJ)üf*gunft". silue biefen Korten
fpud)t fdwn leifc Satire. Unb an fatirifdjeu iHuefällen auf bae
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$rr ooflfommenf .fcofmantt
425
4?ofleben, bas beliebte ^beal, bat eö bamalo ja aud) nicht gefehlt. 3m
Hi. ^abrlnmbert hatte ber Spanier ©ueuarra fein üiel überfefcteö
$ucb Menosprecio de lu eorte etc. getrieben, baß frcilidb mehr
nad) antifem dufter ben Unannebmlicbfeiten beo £oflebeno bie #reuben
beo ruhigen ^anblebeno gec^enübcrfteUt. s))tofd)erofd) fpridbt bauon,
„nüe ^efftitx bao Jpof leben t>on Dielen anfebenlicben berühmten sJ)tänneru
ange$äpfft nnb burgejogeu"; er felbft roibmet ihm fein fiebenteo
Weficbt: „$of=Sdmle". Unb barin beifit eo einmal: „:>lcb warum
l)ab id) mich nad) $of Bedeuten, nad) £of oerfübren, nad) £of be=
tljören laffen: ba bod) 311 ^»ofe anbero nid)to alo hoffen nnb harren,
$u hoffen nnb $u geioarten, 0 beft fnrfeen .^ofe-lnfto ! 0 bef? uertrief?
lieben £ofe = lufto! beo großen .<oof = unlufto ! ber mandjen fo tbeuer,
fein X'eib unb-Veben, feine 3cele nnb 3eetigfeit gefoftet". 9tod)
3Nofd>erofd) begann aber erft biefeö Treiben recht ,n florieren; in
biefer jdt finb fntirifche Stimmen feltencr. Unb überbieo: man
befpöttelt jmar bao $of leben, aber baf? eo im (»Irunbe boch bao uoll-
fommenfte irbifd)e Wlütf, luenn nidjt bebeutc, fo bod) bebenten follte,
Daran zweifelt oon biefen Veuten faum einer.
$u einem neuen V'ebenoibeal follte man erft burd) einen riefen
"2i>anbel gelangen, burd) jene in ihren Wrünben unb in il)rer
Deutung nod) immer nicht genug geroürbigte Meformarbeit ber Nation,
bie fid) in ber erften Hälfte beo 18. ^ahrhunbertö langfam uoll$og.
Xk 9todmrirhmgen jene« £ofibcalo finb freilid) nod) lange fidjtbar,
3um minbeften in ber unglaublichen 3en>ilität beo 18. jafyrfnmberto
ciegen alles, roae 5urft ift unb ihn umgiebt. Xrofe aller politifchen
,,(5rrungenfcbaften", trofc aller moberner freiheitlidjer ittnfdwuungen
ift biefer ©eift, ber mit einem nurflid) monardufeben (Gefühl nid)to
gemein hat, bann auch im 1 ^abrbunbert nia)t gefdnounben. $ao
finb bie fteuftroeben beo Wetfteo beo 1 7. ^abrbunberto.
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(4Lic6cst'c6cn unö ^ießesMenß
in ber (£ic5«56ic9tttnfl öcs öeuffd)en
IRTitfefatters.
Von H n i> o I f <S c» c 1 1 e.
£ie £id)ter »ermöoen uno nidjt mir Vorüber iHuäfunft $u oeben,
wie imfere ^orfatpen ajjen, tranfen, wohnten unb jid) Hefteten, fon-
bern aud) Darüber, wie fic empfanden. 3o barf mau bie ^iebco-
bidjtuna, nid)t nur als eine 3eite ber litterarifeben (S*ntnna*eluna, an
fetten; fie fann melmetjr mit c^letcbem dlufeen als ein 3iieDerfcblaa
Deo AUilturlebeno aeumrbia,t werben, &ier wirb nun uerfnebt, auf
©ronblag,e ber (£r$eua,ni|fe be$ 3)Jinnefana.eß unb beo iHolföliebes
bie fenn$eid)nenben ßrfayinunaöformen Des ®efül)lölebenG im fpä-
teren Mittelalter barjuftetten. Äuf biefem 3&ge wirb ftd) bie uor-
lieaenDe 31bl)anbluna, naturgemäß metyrfad), foweit eben bao Material
auöreidjt, $u einer Tarftelluna, mittelalterlichen Viebeobienfteo er=
weitem. (Sarm. #ur. 125a:
Eine wnnnecliche »tat
het er mir bescheiden.
Da die blnomen unde gras
Htnonden grttene beide.
Dar kom ich als er mich bat:
da geschach mir leide
lodircondeie, lodircnndeie.
(*o ift ein ^oifalieb urfpritnglicpfter 3lrt. £ic enbafionamfn
Deuten auf einen frühen Zeitraum Inn, ebenfo weift bie epiWK
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9t. ©ofttr, ?ifbf*l. u. ?ifb>«b. i. b. ?ifbf«bi$t. b. b. fttttrfaltrr« 42?
.Hnappbeit auf verbältmsmäfeig ()o(>co Hilter. Tas ©ebicbt bürfte
uor 1160, b. I). vor bie ber älteften, eigentümlich ritterlichen
s4?oefie in Cfterreict) $u fe&en fein. Tie int Eingang gefebilberte
^age, bie auf Blumen bereitete ^Hutjeftätte erinnert lebhaft an
3&altber$: „Under der linden, an der beide", .frier ift ber $or
cjang in fnappfter Seife angedeutet, ben Saltf)er ein wenig anfebau;
lieber barftellt. Selbft bie föftlicbe 3<^al fr) aftigf ei t in bem Selbfc
gefpräd) ber grau bei Salther erfcheint r)ier in bem wenig glaubend
werten „da gesebach mir leideu vorgebilbet. 2lud) bie 9iad)-
al)iuungjubelnbersJtoturlaute haben betbe©ebicbte gemeinfam. So bürfte
wobl baran feft$ubalten fein, bafi biefe unfdjein baren, aber glücflid)en
Tverfe Zither $u feinem herrlichen Vilbel liebe ieliger l'iebe anregten.
&ervor.wieben ift inbeft nod) sJ)i. % 34 rUt der linden oben»» da
sanc ein kleines vogelün", obwohl bieö Viebdjen ber Erinnerung
an genoffeneo WIM geweiht ift. ©ine blumige Mubeftatt int freien
vereint in allen brei Mcbicbten bie giebenben, bao Wlürf ber Ber-
einigung wirb jart, aber uujmeibeutig gefd)ilbert. Tie Viebe begehrt
uad) bem vollen Jöefife beo geliebten Wegenftanbeo, unb bie Tiehtung
ber oorl)öfifd)eu Seit gefleht bieö unumitmnben ein. Tie Betonung
ber bürgerlichen (5t)rharfcit beo ilierbältmffcQ liegt ebenfo fern wie
ein mobifeber ^wang. ßmpftnbung giebt fid) vielmehr in un-
gefd)minfter Sabrbeit. Sehr balb, fd)on in ber weiten Hälfte beo
Vi. ^ahrfmnberts, zeigen fieb inbefs bie Borftellungen beo Tienfteö,
ber senenden swjere, ber statte; fte tarnten aud) in Vaganten;
liebern auf, finb alfo febon bamalo über bie Greife ber ritterlicbeit
Wefellfdjaft tunau* verbreitet.
3m golgenben feien noch einige ^imveife auf volfömäfuge We
ftanbteile ber Baganteulieber gegeben. (S. 139a. Ich wil den
sumer grüezen, so ich beste kan fnüpft an bie weitverbreiteten
Mampf fpiele jwifdjen 3ommer unb Sinter an. Ter $ann ber grauen
foll über ben fd)eibenben Sinter ausgerufen werben (vgl. Wjlanbo
Sibhanblung über bie Sommerfpiele Schriften II, 3. 18 f.). £o ift
eine Xanjweife; fte fdiliefst mit ber üblichen Muff orbemng , bie
Sommerzeit mit lan* 511 begeben, (S. $S. 133 a. Vrowe, wesent
vro, gleichfalls ein Meigenlieb. ^n febr tnttfeber Seife wirb bie
21ufforberung jur gröblicbfeit mit bem Hinweis auf bao Sacbstum
ber Slumenwelt unterftüfrt. <£. 140 a. Einen brief ich sande
einer frowen guot fällt auf bureb ben epifdjen (Eingang, ber hier
gleich mitten in bie £>anblung hineinführt unb baburch an neuere
Bolfsliebcr erinnert. Ter Nrieffdjreiber empfiehlt feiner (beliebten
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428 töubolf OJoftte, ttebrtfrftrrt unb Pifbf«birnft in
Berfd)iniegcnf)eit. 3« b*n fd)lid)ten Herfen liegt eine Ijotje Seligfeit,
bie fid) felbft 3ügel anlegt, ein tjalb unterbrücftes Verlangen, alles
$u fagen. Bartfd) ($>eutfd)e i'ieberbicbter S. 377) roeift barauf tyin,
bafe bie pier erften feilen mit einem (Mncbte ^ttbarts „AI der
werlde hohe ir gemuete stata (B. 1'. S. 110) genau über;
einftimmen. (&. B. 105a. Ich solde eines morgens gän eine
wise breite ift gleichfalls ballabenlmft angelegt. T% sJ)taib bietet
fid) bem auf ber sMefe ätianbelnben als Begleiterin an unb bae
roirb mit $>anf angenommen. — $n bieten Webid)ten geigen fid) bie
Anfänge eines einfachen, natunnücbfigen Viebesbienfteo. Ser Brief
ift nid)t nur ein Littel ber Berftänbigung, er befifct als llnterufcinb
ber Viebe aud) abgefeljen pou feinem Inhalte einen <£igenit)ert. Ter
»rbenbe forbert, alo eo Arübjing wirb, bie (beliebte 511m 7an\ im
freien auf. Cime bie Sitte ui perlenen barf and) bie Jrau ben
erften Sd)ritt tbun, in artiger ^eife ibre Begleitung anbieten.
Pti bist min, ih hin tlin :
des nolt du gewis »in.
du bist beslozzen
iu tninem herzen;
verlorn ist das sluzzelin:
du muost immer drinne sin.
Xaft tttmlicrje Beübungen im l)öfifa^en s}Jiiuuefaug öfters bei
gan$ perf epiebenen £id)tern nüeberfebren, furidrt für bie Bolfstünt:
lidrfeit beo f leinen i'iebes. Belbefe (Bartfd), T. 1'. S. 14) lä mich
wesen din ende wis du min. griebrid) u. .ftufeu s3)t. Jy. 42, 19
Min herze muoz ir kluse sin al die wile ich habe den lip.
Jriebrid) v. Urningen rebet bie s3)iinne an: Sit du sloz bist umie
bant mins herzen und der sinue. Jolgenbe eigeutümlidjen i?erfe
ftnoen fid) bei bem Sdjiuaben Burfart p. .pobenuels, einem fteiftes
pernumbten 9titbarts (Bartfd), s2. XXXIV, 95 f.):
i Was wil 8i mir gewinnen an?
ich gib mich ir gar filr eigen.
War ich ein wip, war si ein man,
ganzen dienst wolt ich im zeigen).
Hab ich'm sin trösttxöide sam mir die mine tougen vor beslozzen.
ich slUzze im üf daz herze min und war des nnverdrozzen.
In minem fröidegarten mües er wellen
und mir vergeben Ungewissen leit; het im daz min, sin herze mflpste l»i
uiir twellen.
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brv ?trbc$Di($tint(i be§ brutfdprii aKittdaltfr« 424J
Tie Umfeljr beo nrirtltdjen ^erliältniffeo erfdjeint auf ben erften «lief
befrembenb, $eigt fid) jebod) bei uueberboltem fcefen alo ein reetyt am
fpredjenber bia)terifa)er Webanfe. £er 3d)n>abe Ulrich o. 28inter=
fteten bat in einem längeren ftebiajte & £. £. XXX VII bie Werfer
«st ein alt gesprochen wort
bwä tlin herze wont. da lit dm hört
fünfmal als .Hebrreim. iHud) biefc fprid)U)Örtlid)e Beübung meift auf
unfer Öebic^t bin. Abgeblaßter erfdjeint bie s^orfteÜung bei !Hubolf
won ^otenburc T. V. XI. XXX Du hast doch, frowe h**re, min
herze und den gedanc an aller hande wanc, swär ich des
landes krre, du lebst dar äne gedranc, da mich diu minne
twanc. £>er Xanf)üfer fingt in einem Xan^liebe, bao bie greinte
länberei ber f)bfifdjen £ia)tuug burd) sJlumenbung häufiger 3)tobe-
frembroörter in uolfotümlid)er Xonart uerfpottet "8. X. V. XLVII
ich bin din, du bist min, der strit der mfleze iemer sm> (Sr
gebraust tjier offenbar mit Bemufrtfeiu eine allbefannte Sßenbuug.
Reinritt) o. Körungen a. 141, ;21 si brach alse tnugen in mins
herzen grünt fommt bem heutigen 3prad)gebraud) nät)er. &tmlid)
beijtf es beim 8a)enfen o. t'anbegg, Bartfd) 3d)n>ei$er Üttinne-
fänger XXI. h, 2b
der ich min ze dienste ie gande
diu lit. in mins herzen grünt.
£ao (^ebia)t fdjeint mir in ben üblichen formen bes mobifdjen
3augeo ben ^reio ber geliebten £auöfrau ju enthalten, 3<h fctyliefie
bao auo bem ruhigen, fidjern Xon bee (#anjen, bem ie guude in
s.l*erbinbuug mit ben Korten am 8d)luft:
der vil siiezen, der ich diene
singe ich disen sanc vor Wiene
da der ktlnec lit mit gewalt.
(Gemeint ift bie Belagerung sMens burd) .König Mubolf im ^atjre
1276. 3Me unoermeiblidje £erriu in ben liebem ber Tinnef änger
ift fieber bisweilen bie eigene titottin getreten; bas Verbot, bie Wn-
gebetete $u nennen, begünftigte ja ein folmes ^rftrcffpiel. 3Me vi!or-
fteüung, baft ber Viebenbe bie Verfügung über fein <perj bal)iu=
gegeben l)at, beberrfdjt aud) ben 3d)inei,UT .Uoitrao v. flltftetten,
wenn er fingt: Ich han min herze der liehen gesendet. X'\c ;}at)l
biefer Steifpiele tiefte fid) leidit nod) vermehren. $gl. f. b. Vitt.
XIX, 94; bort finben fid) bie midjtigften l'itteraturangabeu unb einige
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A'M)
SRubolf (»octte, i»iebf«lebeu uub PicbrSbienfl iit
locttere Belege für bao ^orfommen unfereo #ilbeo. Xon "JRinne;
fängern, bie bao 3)Jotio gebrauten, ift nod) lUrid) oon Vidjtenfteiu
ju nennen. £ao oorangefteUte ®ebid)t, in bem büß 2Mlb fid) $uerft
findet, (jat fid) befanntlid) in ben Örieffdwften eines oberbanrifd>en
(tfeiftlidjen, &>ern()ero u. legernfee, gefnnbeu. Xk iNinnefänger,
benen bie itfenbung uertraut ift, finb oorioiegenb 8übbeutfd)e, be^
fonbero 3d)toaben nnb 3d)iuei$er. ii>ir baben jebenfallo ein füo-
beutfdjeö, tuabrfcbeinlid) aUemannifdjeo s^olföliebd)en uor uno. (*o
fei nod) an ein neueres sl>oIfolieb: „3>u, bn liegft mir am .freien"
erinnert, ^ebentfam ift bao betmnbelte sJ)iotiü, weil bie Ijobe, tief=
finnige Stuffaffung uon ber Viebe nnb £l)e, bie bao beutfä)e ^olfs-
gemüt au^eidjnet, barin ebenfo beutlidjen wie anforedjenben ^luobrurf
ftnbet. SJW 5. H, 7 ano (Samt. #ur.:
Wier diu weit elliu min
von dem mere anz au den Riu
des wolt ih mih darben,
daz die künegin von Engellant
liege an minen armen.
2>er (debanfe, bafj ber $eftfe ber (beliebten bem tfefttt ber 3<, beo
tfaifertumo oorgejogen wirb, muß bereit« bem alteren Eigentum bec
oolfotümlidjen Viebeobicbtung angeboren. s])Jan fefct bao feefe Vteba)eu,
bao fid) anf ©leonor 0. ^oiton bejietyt, mit outen C^rünben uor 1 1 6a
(So berührt fid) mit bem f olgenben : sJ)i. g. 4, 1 7 :
Wol hoeher dannez riche
biu ich al die zit,
8ö so güetliche
din guote bi mir lit.
9». g. 5, 36 :
ich mich ir verzige. ich verzige mich «> der kröne.
©0 ift enueiobar, baft ber Oiebanfe, ben $efi& ber (beliebten
einer .Krone uorjujietyen, (Gemeingut einer uolfotiimHdjen s}toefte ift.
&aupt bat bieo SJM. a- 3- f- für ben s3)linnefaug an einer }(n$abl
oon $teifpieleu bargetbau. 8eine eingaben finb uon uerfebiebenen
Seiten ergänzt loorbeu. Ülnj. f. b. Vitt. XIX, *ir>. Cro fei bier nod)
einigeo ^enuanbte beigebracht, ftoteuburc, 3B. £. V. XLIII, 11 0.
Ob daz riche w*re mir gesant dannoch al diu laut diu man
hat erkartt eigenliche lieze ich s iu ir haut, .ftufen oerfolgt
9Jf\ % 4<>, 11 f. einen etiuao anberen (^obanfengang : der keiser ist
in allen landen, kust er si zeiuer atuut an ir vil roten munt.
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frer l'iet>f6t>i$tint<i b<8 fcoulfdjfn sJJiittclaltfr«
431
er jaehe ez w*re im wol ergangen, ftbereinftimmenb bamit t>eifU
es bei Ulrich o. Wuotenbera. 3H. ?y. 8. mir wirt von ir vil
lihte geben dar nacli ein keiser inöhte streben unb bei bem
Sdnveifler ftoft filct> berre *e 3ame ir bilde ist also fin, daz
solde ringen ein k«iser wol mit «ir nach ir und durch si liden
pio. 3elbft bei bem oebanfenblaffen rKeinmar finbet fid) afmlidjee.
(St läfet *M. 151, 17 bie ,vrau in einem ^edjfel oertjeifeen, fie
roolle bem tarnte liebe ^üiäre fa^en, it>it fo begünfttaen, baß fie eo
memo, fümmere, ob eo ber Maifer fei: mich tiuchte es vil, ob ez
der keiser wäre. aud) nod) (S. t\. 1 13a: Ich bin dieiser
aue chrone im ane tant — daz machet mir ein frouwe guot
unb ^tonmoen *3Ji. a. \4U, H>: Ich bin kaiser ane kröue. 2>ie
bisher ermannten Stelleu ijebören alle benifelben ^orftellun^öfreife
au: bev ttaifer, bao rtaifertum, bao :Ueidj luerben für bao jpöc^fte
aefefct, um bie 3d)ät$una. beo ober bev beliebten $u »eraeaenftänb;
lid>en. 2ao tfaifertum aüt nod) burdmuö alo bao ^öc^fte weltliche
©ut, alo ein ^beal ber &errlid)fett ; nod) fdmute trofc beo erften
.ttamofeo mit bem tyipfttum bao *>olf bemnnbernb jum Äaifcr empor.
AÜr bie überauo beliebte ^inrebe ber grau alo Möniam ober
.ttaiferin ift wal)rfd)emlid) ber Crinfluft ber latetntfdjeu 3)iarienbid)tuna,
beftimmeub flewefen. 3et)r tjübfd) faat .Huonvut o. ^(Itfteten
3a)roei$. sJDfinnef. XXIV I, 8:
Quad, ir keiserimie,
la gnade an mir schinen!
dn gip mir din minne
und scheit mich von ptnen.
C*r frönt bie Viebftc mit Wefano. ebenba I, :w. .§er$og ^ol)auo
u. Trabant, -j- \i2t.)1.), fina,t nad) £offmann oon AaUerolebeno nieber=
länbifcber MitfüluTtraauna. X. M. 3. 2">i> fd)on aauj in ber Steife
neuerer Vieber: Si es coninghinne in miere herten gront unb balb
barauf: ach gnäde n:ningliinne! vVt erfterev Stenbuno, fmb meineo
ä&ffeno $um erftenmal bie ^Itlc^orie oom £inaefd)l offenfein im ^erjeu
unb bie $nperbel, meldje bie beliebte <uir .UÖniam mad)t, in einem
33ilbe oerfd)mol$en joorben. Tie Axtnefdje .fterjenofouiajn finbet fid)
bereit« bei ^einmar sJ)i. a. l "'11/ ~*>: wan nieman in der weite
lebt ern Ünde sines herzen kuneginne. ^Itmltd) Ijeiftt eo bei
^altber o. Künden £. 118, >u:
un int .si/. doch min küne^inne
swie si hat daz »ende herze min verwunt.
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4'M
SRubolf OJofttc, eicbcÄlfbcu imb i»iebf«bicufi in
Körungen menbet biettrone befonbero gern bilblid) an. iW. g. Iii», ->8
der gi; nach der schonen, diu mit ir krönen "M. g. 133,
diu mines herzen ein wOnne und rin krön ist. <0Ütbolb
u. 3dmmngau X. X'. äo, 57 ir zieme wol diu kröne, so schöne
wip wart nie. 3o hob fid) ber sMnnefang am #eifpiel ber #ei\u
liefen $id)tung $u ftärferm ^atboo, $u bemunbernber Übertreibung
empor. £er Überfdnoang war Damit in bao weltliche l'ieb ein-
geführt, unb bao gefönt) ju berfelben 3eit, alo bao \riebeogefuhl ben
natürlichen $oben gegenteiliger 3d)äfeuug werlaffen unb fid) beim
Scanne genwltfam \n einer föiuärmenben, halb überfinulicben Ver-
ehrung ber ^eniu aufförningen wollte, inbefc ber grau eine uor^
miegenb leibenbe Molle jufiel. 4N. g. 34, 1 1 :
Ez dunket mich wul tt'ixent jur
<laz ich an liebes arme lac.
3eit fte bie Blumen nid)t gefebeu, bie ^ögel nicht gehört, mufite ne
um ben (beliebten trauern. (So begegnet und in biefem unter Dietmar
u. (Sift aufaejeföneten Mcbföte Der edit »olfetumiföe ^aralleliomus
jwiföen fprofjenber Watur unb glütflidjer Viebe, ber oftmalo auch
jur 3httitl)efe wirb, wenn Dem grübling in ber "Jiatur fein X'iebeolew
folgen mill. $)ie ^nperbel in ben obenftehenben (iingangooerfeu ift
gan* im Sinne ber Volfobidjtung gefaxt. £em X'iebenben erföeint
bie ^eit ber Entfernung oom 3d)au unenblid), ebenfo wie in ben
Stunben beo ^eifammenfeiuo bie 4i>onue beo Müffeuo unenblid) er=
fd)eint. Xk -fahl taufeub fpielt in beiben gälten eine gewfötige
:Holle, fte wirb überhaupt in oerföiebenfter ^ebeutung oon ber naioen
Xfötung angeioanbt, um etwao unenblid) Wrofteo, bie 3eele $k
wegenbeo 511 beaefönen. 2Vim Taler um lt>40? beifit eo 3d)w.
■IM. IV, I, 1 7 unb :i/ din munt verwunt wol tusent stunt hat
mich unb ir ist der munt tüseutstunt nvter danue ein rcuselio.
!öei fteinmar g. 184, M Ich hun hundert tüsent herze er-
lost — von sorgen alse frö was ich. ^altber Pfeiffer
3. X\, 16):
kuste er mich? wol tüsentstuut :
tAndaradei !
sehet wie Kit mir ist der muut!
^itlmrt ^. v. 1<><>, li:i beginnt ein 3ommerlieb:
Snmer wi» emphaugcii
von mir hunderttüsentötirot.
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fccr rMebcäfeit&tuitfl bcö beutfd^cit Mittelalter^
2anl)üfer S3. T. i». 196, 23:
433
solt ich si küssen tiisentstunt
au ir vil rosenvarwen munt
so wrere ich iemer m§ gesunt.
Ter WcDiiiifc beo Vetteren, baß ein ajücflidjeo hieben aefunb fei,
fel)rt metjrfad) toieber. Ter (#raf Kraft oon logaenburc ift be=
fd)eibeuer als Saubüfer. i&v ocr«.leia)t meljrfad) ben sJWunb ber
liebten mit roten Otofen nnb meint 23. T. & 200, 31) :
sä zehant ir röter munt
einen tüsenstunt so schuinen lachet.
Webrüt (um 1260 V) T. X. LVI: Von Kunzeehen her Walis-
tuuot der minnet sine froweo über tüsent mile uub: Von ir
haut ein viogerliu: daz kust er tüsentstunde. 2lud) ber 3ßert
beo Huffeo wirb in biefer ;}al)l abijefcfya&t. Äuonrat o. Slltfteten
^. Sdnu. 228, 25: ir kus der waere ein pfant, den ich für
tüsent marke najme su zehant. Ter o. Iroftberc, & Sdjio. sJJl.
XXV, I, 20:
lebte ich tüsent jär in künde
rannt s«> roten niemer mer gestehen.
Wem betonen befonöero bie Sdnneiser Tiäjter bao fröl)liä)e Vadjen,
t>ie Oiefunbljeit ber l'iebe. sJ)ian barf barin eine 2(rt iHeaftion roiber
bao eioiae Älaaeu ber [trenn. l)öfi[d)en Tidptimg erfennen. Ter eben
cjenannte Ttajter [aat Sd)n>. "Dl XXV, I:
Nach hat si lachend an gewannen
minen Up als ich in wil verjehen:
von mir wolt din sSle sin endrnnnen
do ich sach sö minneclichen brechen
wize zene üz rotem munde.
Unb :
Ich wände, ich iemer solde lachen
do ich dich, frouwe, lachen sach.
}iid)t nur eine Oteaemuirfuna. miber bao füfcliaie dieimgebimmel ift
in ben angeführten Stellen >u erfennen, eo äufjert fia) barin and)
ber aefelifdmftlidjen >JMobe .wm Xrofc nanmimdtfiae, aefunbe Jßiebeo;
empftnbuna. (Sbenfo fenn$eidmenb mie für bie eigentlich höfifdje
TicbJuna, bao Sicdjtum beo /perjeno ift, ebenfo beutlid) fpricbj ftcb,
nolfotümlicbeo Gmpftnben mit befonberer Vorliebe für eine gefunbe,
^ofldjntt für Suliurflfidjiftte 1. 28
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434
Wutolf (Mccttr, i'if bc«lrb(rti mit» l'irbe«bifnu in
freubige Xiiebe quo, nie eo aud) im neueren t>olfoliebe beifit: „Tao
hieben bringt grof?' Jvreub'". 9t fr 8, 32:
Ich zöch mir einen valken mere «laune ein jür.
$cr #alk ift bao oinnbilb beo Weltebten. ä&ibltye Älug
lieit vermag bcn nrffben Maubuogel su jähmen, an fid) zu fetten.
tobet er entflicht mit ben feibeneu Zaubern am Jvufie, mit bem i>cr-
goibeten @efieber. ©ort möge bie, welche nadn'inanber uerlangen,
zusammenführen! £ao refzenbe Viebdjen gehört zu ben .nürnberger
ftropben. Stau benft iofort an .ttriembilbeno Traum: wie sie
züege einen valkeu starc, bcJkm und wilde, boö "Motiv ift genau
Dasselbe. (Sfl ift bie ^oefie ber ritterlichen Oicfcllfdiaft, bie mit
Ralfen jagt, welche mir an bieiem 2Mlbe erfennen. Slber bao $ilo
weift in eine ;}eit, ba fid) bie i'iebeobid)tuug unb bao l'ebcn ber
(ibleu nod) nidjt meit oon ber l'lrt beo Sotten entfernt hatte. vJ)ian
Darf fidi nid)t hinter bem beginn beo 1 >. ^alnbunberto zurürf liegen»
einen gemeinsamen Quell ber mittelalterlichen i'ijrif benfen, ber fidj
in einem Teile ber beutfehen lieber ber Carolina Buraua offenbart.
(üne schärfere 3dn'ibung ber 3 täube mürbe feit ber 9Rttte beo
IL 3<itori)unberto burd) bie mafienhafte ^ermenbung ber niebereu
'Hitterfdmft im Jlriegobtenft, wie fie ber langmierige Öürgerfrieg mit
fid) brachte, burd) bie allmähliche Erhebung ber 3)Iinifterialen über
bie (Skmeinf reien , eublid) burd) bie Mreuj^üge nad) unb nad) auge
bal)nt. £o ift anzunehmen, baft in früheren Reiten ein näherer i>er=
fehr zmifdjen bem nieberen 9(be( unb ben moblbabenben dauern
nidjt allju feiten mar. sJiod) im erften drittel beo 13. 3itbrbuiiberto
oerfebrtc Witbart jahrzehntelang fehr freunbfdmftlid) mit ben dauern
ber bairifd)en Dberpfalz, obgleich er fid) feiner höheren dUfeung
wohl bewufn blieb. Irin mohlhabenber haltet Durfte aud) in spä-
terer 3*Ü »od) rt,Q Ateier an abeligem $mtfe auflaufen (ogl. SUnrin
3d)ul^, .v>öfifd)eo Veben J. 8* o. ^{iunefiuger, ± tUufl., ireipjig
1 HS*), I. 3. 615). Weht mau nun uon Mtharto Blütezeit 150
,uüne zurütf in eine ba bie Wrunblageit einer eigentümlidj
ritterlidjen ^eltaufdmuung uod) nid)t uorhaubeu waren, bann ba rf
man ftd) ben lluterfdjieb .zmifeben einem mäfüg begüterten rliitter
ober ritterlidjen velmomann unb bem freien, sowie bem besser ge
l'teUten zinopfliebtigen Gatter sehr gering benfen. 91m ber (Frenze
ber beiben 3 täube u»irb feiner .\xrfuuft nad) ber Sänget ber ältesten
Viebeolieber geftauben haben. Tod) muf; aud) an bie Mitarbeit beo
gelehrten, lateiuifd) bid)teuben Woliarbeu gebadit werben.
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ber PiebfSbicftJung be« beutfd^n 3WttteIaltcrS
435
3n bot uns überlieferten Jölüten ber ältoten sJKmnebichtung
läfet ftd) Die ®ren$e ^lutfdjen uolfstümlichen unb aus ritterlichen 2ln-
fchauungen heraus uerfafjten liebem nicht überall fct>arf jiehen. $on
ben in 3)1. g. als namenlofe lieber abgebrucftot (#ebid)ten befunben
nur: Wol ho?her daunez riebe, Ritest du du hinnen, Ich grüeze
mit gesange die süezen unb Mir hat ein ritter, sprach ein wip
boitlidj ritterliche silnfchauungen. &as galfenmotiü ^etjört, inte er=
wtynt, non &aufe aus biefer Gruppe oon Biebern an. (£s finbet
fid> nneber in einem Dietmar n. (Sift jugefchriebenen Jtiiebe. 3)1. g.
37: Ez stount ein frouwe alleine. Sie fief)t einen Ralfen fliegen.
We biefer feines gluges &err ift, bat fie fid) fretroählenb einen @e=
liebten erforen, bot fie träfe bes Leibes anberer grauen $u beroahren
gefonnen ift. Scherer (3>eutfchc Stubien II, 3. 438 in Liener
Sifeungsber. 1H74) bezweifelt, bafc eine grau ^erfafferin fein fann,
beim er finbet bot ^ergletd) unmeiblid). 3tach meinem ®efühl
möd)te ich in bon Webicht Den £rgufj einer nicht gewöhnlichen, h°<h:
benfenben grau etfennot. (so ^cic^t sunt erftenmale ben 31eib grember
als geinb ber £iebe, eine ^orftellung, bie fpäter in ben tnpifchen
(^eftalten ber merk^re $u einem unentbehrlichen ^nnentar ber ^icbeö-
Dichtung mirb.
211$ Stnnbilb freubiger «Sriuartung erfcheint ber galfe in einem
älteren, natürlicheren ®ebid)te iHeinmars 3R. g. 156, 5: min herze
hebet sich ze spil, ze fröiden swinget sich min muot, als der
valke enflnge tuot und der ar ensweime unb nochmals ähnlich
in einem fpäteren weit mehr gefünfteltem Öebichte 3Jf. g. 180, 10:
Ich bin alö ein wilder valke erzogen, der durch sinen wilden
muot als höbe gert. 3n gleichem Sinne gebraucht bas $tlb ber
3dm>ei$er Otto $em Xurnc (um 1330) » Schro. 3)i. XXXI, III, 1:
Min muot den valken tuot gelich die durch ir adellichen art
sich geilent mit der sunne. Sehr meit ausgeführt ift ber Hkx-
gleich im Sinne non 3H. % 8, 3:> bei Heinrich t>. 3)higelin um 1360
S. '2H7, 37: Ein frouwe sprach: min falke ist mir
enphlogen so wit in fremd*) lant: Des vorchte ich den ich lange
hän gezogen, den vest ein fremde hant. Sie bebauert, bie
geffel ber Ircue gar *u lang gelaffot ju haben, hofft aber, bafj bie
2i$inter$eit unb ber beginn ber rHeiherbei,H' ihn, ber „uu sweimet
witu jurüefführen mirb. Sd)liefUid) münfeht fie fich „einen bläfüz
vor den valken", ein (tfebanfe, ber fofort bie 3Mache perrät.
SJisber ging bie llnterfud)ung »cm ber sKorausfefeung aus, bafc
Die älteften beutfdjen *>agantenlieber unb bie oon fremblänbifchen (Stn^
2b*
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436
Slubclf Wofttr, f rf bt«leben mib f ifbeSbtriift in
flüffeii im inefentlicben unberührten Anfänge beo sJ)iiuiiefaiifl« beu
geeigneten SRofcftab für bic Prüfung ber fpäteren höfifdien £Ubeft
ruebtung auf ihren uolfotümlicben (behalt unb ihre Bedungen pnn
mirflidbeu ¥eben abgäben unb eo warb an einer Weihe uon 8*
fpieleil bao gfotttuirfen uolfoliebartiger ober bodi oolfotiitulicber
Biotine bargetbau. (Sine einigermaßen taftfefte ilenntnio ber [jäteten
^olfolnrif »oiu 14. ^abrhunbert bio uir Wegewuart faun uuo aber
ivfäbigen, noch mandie anbere SorfteUuno. unb biditerifdie SBetfbUllg«
Ml fich ber böfifay Dcmneiang angeeignet bat, alo urfurüuglidKii
^efiö eineo sHolfoliebeo, mithin alo ÜluofluB uon iMnfcbauungeu, Ufte
ber Öefnmtheit gemeinfam maren, in lUnfnrud) ju nehmen. Unter
ben im ftrengen 8inne böfifd)eu 2Md}teru aal» eo oielieitige "Jiaturen,
in bereit Siebern fidi (Sinnnrfungen heimifd)er Sbt mit beueu weit-
fiänfifdier 3angeon>eife Bereinigten. 3n bieten gehört WZ allem
öeinridi u. "DJorungen. Tao Urteil, bao s.h*olfgang Woltber (Weich,
b. beutfd). Vitteratur 3. 261} über ihn fällt: „nidit auo bem er
tiifdienben Duell ber ^olfobiditung erlabte .<peinrid) feineu .HuntV
gefang" erfdjeint mir uoreilig. (Sr gebraucht häufig ben burd) bie
iWarienbidUuug unb bao Wibelungenlieb alo Crigentum beo ältere»
^ilberfdiafceo ber beutfdjen "^oefie erioiefeneu Vergleich einer fdjöiten
Arau mit 'JJionb ober 3onne, ber fid) in ben (Sr^eugniüen beo alte
neu sDliunefangeo nicht finbet. sJDc. X 123, 4: nlse diu maminne
verre über laut. üf. ,~v. 129, 2<»: si liuehtet sam der suoe tuot.
SR, 134, 36: Wa ist uu hin min liehter roorgensterne? W.
A. 123, 1 : Ir tugeot reine ist des suuneu gel ich. "M. a. 124, 63:
Als der mäne sinen schin von des sunuen sc hin enpfät: also
it. f. m. 3idjer mein auf Anregung burdi ein ^olfolieb hin ber
wniefacbe *um ^ergleid) anogefponneue ^araUeliomuo SJK. Jv- 126, H:
Mich entzündet ir vil liehter ougen schin ssime da/. Hur deu
dürren /.ander tuot, und ir freraeden krenket mir das herze
min same daz wazzer die vil beize gluot. Khknn ^Höningen
Ali. Jv. 1:24, 4 uon feiner lieben Jvrauen fagt: „der entzwei gebra-cbe
mir daz herze min, der möhte si schöne drine schouwen" (ein
v'Ulb, bao noch jnw Worftellungofreio beo werft betraditeten Iroimo
i»om ^erfcbloffenfein im .oer;,en gehört), io benft man uuroillfürlicb
an unfer: „3efce bu mir einen 3piegel ino $erge hinein". (Jnölicö
ivrgleicbe noch SJ)J. ft. 12'.», 36: Man sol schriben kleine. Tie io
tuginnenbe 3d)luR|"trophe uon „Sacli ieman die frouwenJ ftellt
fftt fieb ein 8timmuuaobilb uon hober iHnmut bar. vJ)ian f oll auf
ben (^rnbftein beo Tidjtero id) reiben, mie teuer ihm fein frouwe
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fccv i'itbeflbidjtuug bcö beutfc^ett Mittelalter!?
4**
iHMWu, mie fte il)it juiücfniMittefeu, Damit jeber, ber oorbei a,el)t,
von t>cr aronen 3üut»e erfahre, Die fte an itjrem greunbe beding.
id) möchte annebnuMt, Daf? Höningen bao ($mpfinbuna,ßleben bes
^olfeo in feiner .fteimat burdmuo uertraut mar, Daf? in feine lieber
lUnflattfle an tl)nrtiunfd)e ^olfomeifen l)ineinaeflofien finb. $em mtber;
fpridit es nidjt, meint er, mie Partien ai\>eia,t Ijat, oon prownc,ali=
fd)en ^orbübern beeinflußt ift.
Xcv (&ebaufe, baf? edjte, treue *?iebe bei $ott :te$etbuna. ber
3üuDe ermirft (tute und) IKorun^eu Die ^urütfmeifung einer folgen
Viebe fdjmere 8ünbe ift), finbet fid) in äufterft anfjeimelnber 3*orm
bei :Mlbred)t u. >f)auoborf SM. <s. 88, 33:
Swer minne minnecliche freit
gar äne valschen muot,
des sünde wirf vor gote niht geaeit;
unb ebenfo (lerjtiini^lid) fino.t berfelbe Xidtter 91, 29:
Swa zwei herzliep gefriundent sich
uiide ir beider minne eiu triuwe wirt
die soll meinen scheiden, dunket nich.
al die wile. nnz si der tot verbirt.
Äbnltd) Wricb o. giftteiiftein 3. V. 3. 1 45, :
Swä zwei liep einander meinent
herzenlichen äue wanc
nnd «ich beidia sö vereinent
daz ir liebe ist ane kranc
die hat got zesamne geben
nf ein wnnneclichez leben.
<£nblid> feien nod) ein paar f)übfd)e iöerfe ana,ejoaen, bie roabrfd)ein=
iid) mit Unrecht Netnmar $uaefcbrieben werben. 8ie mürben bei
entfpredjenber fpradiüaier ^eränberuna., oljne tra,enbmela)en &Siber=
fprud) fjerauöjuf orbern, in einer neueren Sammlung fübbeutfd)er
3rf)nababftpfl fteben fönnen. 1'. S. 58, 574:
Sollte ich mine liebe
bergen unde heln
So mttest ich ze diebe
werden unde stein.
Tie treuberftiae meift boffnunoöuolle (Sieben t)eit, bie bem $olfsliebe
tu allen Zeiträumen eigen ift, fommt aud), mie bie angeführten
3tellen auo 9Ronma,en, .oolmnaborf, t'idrtenfteiu, Wittmar $eißen, $u
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438
SRufcolf GJofttr, ?icbe$(cbrn itiib i'icbeöbtenft in
oerfd)iebenen Reiten unb an verfdnebenen Crten im sJMinnefang *um
£!orfdjein; ebenfo wenig wie bie weftfränfifd)e sDJobe jemals in ber
^itteratur <m uubebingt anerfannter .frerrfebnft gelaugt ift, fann oas
im Verfehr ber beiben WefdUedtfer, im gefelligen i'eben gefdjeben
fein. sJ)ian barf aus ber Betrachtung ber böfifeben i*iebesbicbtung
ben Schluß Rieben, baft bie ritterlid)e C4efelifd>aft in Cfterreicb unb
ber 3d)wei*, fobann in Katern unb Sdjwaben Jyüblung mit ber
Volfsfitte behalten bat.
£ie iSinwirfungen einer eigentümlich ritterlichen, b. b- böfifeben
S<anfdbauung auf ben beutfa)en IHinnefang äuftern ftd) im joU
genben : ber hövesche rHitter bient feiner grau. Seine £ugenb be=
weift er ihr gegenüber in rechter st*te, in unmanbelbarer Slnbäng;
lidjfeit, ob fie nun feine (Gefühle erwibern mag ober nid)t. ^Tao
WefetJ feineo Verbaltens finb bie mäze, er barf nidjt über gennffe
©renjeu hinausgehen, nid)ts Unerlaubte« forbem. Velbefe lätft 9)?.
g. 57, 34 bie mau fagen: Ich wände dat Ii« hnvesch waere: des
was ich ime von Herzen holt. sHber: He iesch an rai tö löse
minne dine fand he an mi niet daz herze brichet er
het gewinne. £>as Vieb ift fulturgefd)id)tlid) merfmürbig. £>ie
grau ift ber sDünne bes Zitters froh gewefeu; aber bas &er* foll
il)r brechen , ehe fie ihm bie $u lofe ^Jiune gemährt , bie er $u for-
bem wagt. 3)iand)C ritterlichen grauen haben fidjer anbers gebad)t.
2>ie beutfdjen r)ied)tobüd)er erfenueu in bem Verhältnis oon amis
unb amie (S'heu mit befd)ränfter Xauer auobrürflid) an. iHber ab--
gefeben uon fold)eu offenfunbigen Begebungen barf bie ftnulicbe
NJiatur eines Verbältniffes niemals offen eingeftanben werben, bas
bas mar ein unbebiugtes (Srforbernis ber mäze. Bei ben eigentlich
böfifeben 3Md)tern, bei £mfen, Belbefe unb fteinmar (wenn man eine
otelle in beffen frübeften liebem ausnimmt), ift bergleid>en un-
möglich-
Zubers mar es jur $dt bes frübeften sJ)iinuefanges in öfter-
reid) gewefen, ehe bie «iebe böftfeb geworben. S-Ui. g. 5, 7 : Wol dir
geselbe guote daz ich ie bi dir gelac unb ebenba 6, 10: SÖemt
fie ihn umfangen hat, wirb ihr ber hinter $um Sommer. Db es
aller ütfelt leib märe, fein ^>tlle muft an il)r gefajehen. SDaju jroet
.Hürcnbergerftrophen sDi. g. H, <». Tic grau tabelt ben SJtonn in
berben 'Jlusbrüden, bafj er fie nidjt befudjt bat, als er an tyrem
üBettc ftanb: des gehazze got den dinen lip. jo enwas ich nicht
ein ber wilde. sJ)f. g. H, 11». 3&mt fie allein in ihrem &einbe
fteljt unb an iljren ebleu bitter gebenft, erglüht it)re garbe, mie bie
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ber PtebeSbidjtmig be* beulf^en 2RittrtattrrS
439
rHofe ttmt. 3lucb in ben Dietmar ». Gift jugefcbriebenen Biebern
nnben ficb $etfpiele ähnlicher 31 rt, bie *um Teil fdjon an anberer
Stelle angeführt finb.
(#egen bie ftreng t)5fi|d)e 3luffaflung be$ ^erbältniffes jeigt fid)
naturgemäß balb entfcbiebener SBtberfpruch. Körungen 3Jt. 142, 14:
lies (b. b- bee oergebltdjen Sdnnacbtens) bin ich worden laz, also
daz ich viel schiere gesunde in der helle gründe verbrioue,
e ich ir iemer dienrie ine wizze umbe waz. s#on bem bewufjten
s&>tberftanbe gegen bie s))Jobe, ber von anberer Seite tarn, wirb
gleich bie NJtebe fein.
31U gembc ber ritterlichen Siebe jeigen fcbon früh bic topifcben
Weftalten ber nMaere, merkaere, lügenaere. welche bie ttiebenben
auöeinanber 511 bringen befliffen finb. $ei bem Schwaben sJ)ietnlol)
r». Sehlingen finben fid) in altbeimifcber gorm wof)l am frühen
bie 3lnfcbauungen ber böfifcben Sttinne ausgeprägt. Gr entbietet ber
grau feineu ®ienft g. 11, 14). Gr ftettt in einer Strophe
3W. g. 1 2, 1 bie Grf orbemiffe be$ grauenbienftes jufammen : fe^nenbe
Schwermut im £er$en, ^erfcbwiegenbeit, feufcber Sinn, £reue.
SJtan foll nad) itjm ze liebe gähen, bamit nicht bie raerkaere $eit
gewinnen, um ftörenb einzugreifen. 3H. g. 13, 4 läftt er bie grau
fingen, baB bie merkaere fie ins ®erebe brachten. Sie fyabe bem
(beliebten nicht nahe bei gelegen, wolle aber nimmer oon iljm laffen.
SJM. g. 14,4: itfer eine ber sJ)iägbe bes £anbe$ gewann, foU ftille
fein unb bie IWerfer reben laffen.
gür bie ju ifjrem £öb?punft entwufelte mobifche Sanges unb
3>enfweife ift bie Serglieberung ber eigenen Gmpfinbung, bie Neigung,
einen inneren ^miefpalt in ftänbigen Älagen ju erörtern, nor allem
fennjeichnenb. So flagte ber Mbeinfranfe grieber ich n. öüfen oiel
über baß Seib, bas ihm bie Viebe zugefügt, wie über bie raerka&re
unb bie huote. Gr erzählt oon einem Streit in feinem &er$en
(iH. g. 46, 9) unb befingt ben ßwiefpalt $wifd)en £er$ unb Veit),
.^n ber flagenben ^erglieberuug bee WefübUlebens bringt eo \>am\
fleinmar 0011 Hagenau *ur Ijöchften SBolIenbung.
3n ben xageliebem JÖolframo müffen wir eine füfme litterarifche
Ifyat bewunbern, mag er bie föeftalt bes Pächters erfunben ober
übernommen hoben. Gr ftellt bie X'iebenben im OHücfe bes (Henuffeo
bar unb fcheut nicht nor jener göttlichen ^iatfUjeit juri'trf, in ber
CHoet^e ben (^egenftanb in ben „rKömifcheu Glegien" beljanbclte. sM\t
ihm fefct bie ©egenftrömung wieber bie ftreng t)öfifche sJttobe ein.
£>ercn erfolgreichfter ^efätnpfer ift jebod) &*altber. 'Jiachbem er au*
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440
rttubolf (Socttc, fieMfrfern unb VteMbienft in
fänglid) unter "Heinman* (Sinfluf? nod) in böfifd)eu Wleifeu gemanöell,
rifj er fiep, alo er nad) feinem tHbfdiit^c von üfterreid) ein fabrenber
Spielmanu geworben, mehr unb mehr von beut Überlieferten los.
(Sr führte bie Viebesbidjtung $u ihrem natürlichen Beruf, bie flanke
Ält ber lirfdunnung im Vidite poetifdjer iSmpfinbung barjuftellen.
l*r fdmf von neuem bao heitere Tatulieb, er fanb mieber einen
glücfltd)en iMuobntrf für unfer beutfcbeo 9iaturgefühl, er lief? im
Viebeoliebe ungefälfdjte £mpfinbung fpredjen unb mar in feiner poli-
tifcbeu ^nrif ein Kämpfer in beu gewaltigen Bewegungen ber 3«*-
Durd) ihn trat bie funftmäfng gefdmlte Viebeobicbtung mieber in
nähere Begehungen sunt Bolfolebeu. (Sr ielbft fyridtf fieb über bie
Beliebtheit feiner Sanjlieber aus (Pfeiffer 142, 12):
joch sch&te e« guoten Hüten w*re ich tot
die nach freuden ruugen
unde ie gerne tanzten nude sprangen.
£aft uamentlid) bae Tanjlieb einem allgemeinen Bebürfniffe
entgegenfam, fftnnten mir aud) ohne befoubere ^eugniffe bafür an-
nehmen, beim jur %e\t ber ^errfdmft einfeitig ausgeprägter ritter=
lieber *tyrif fonnte ba$ volfetümlicbe Xan^lieb nur ein fümmembeö
Dafein friften. So t)at es fieber in jener tan^luftigen $e\t oft an
neuen Weigenweifen flefctjlt, wofür mir bei ÜHityart mehrfache 3eu&
niffe finben. .Heins, bie lieber sJieibbart6 o. Meuentbal 18, 3 ja ist
ez lanc, daz ich diu kint niht niuwes horte singen, Der Dor-
fanger, ber baö Meigenlieb oft jugleid) aud) mit ber giebel begleitete,
erfebeint alö eine widrtige ^erfÖnltd)feit. Ä. 3K, 59 der des vore-
singens phlac, daz was Friederich, &>dtyrenb nun itfalther bie
neuen Xanjlieber, bie er fchuf, in feinem &>anberleben an ben oer=
fd)iebenften Stätten, bod) aber wohl oornelmilid) an ben §5fen oor-
nehmer Herren jum Vortrag braditc, begegnen mir in ber eigentümlich
anjiehenben ©eftalt Weibbartö einem Mütter, ber ^alwefmie lang mit
ben Bauern feiner fränfifdien Heimat oerfehrte, an ihren heften teü=
nat)m unb iljnen feine Sieber vortrug, bie alö neue Xanjmeifen um
fo mehr työdjft milifommen maren, als bie 9Ruftf nur im üÄtrfchlufe
an baö gesprochene ober gelungene ^ort *ur Weitung tarn. 9lud)
äußerlich menbet er fid) von ben (itefefeen bes böfifdjen sJÄinnefangö
ab, inbem er in feinen fommerlichen Meieu mit menigen 2luanaf)inen
Dreiteilung nidjt beliebt. Die Mütter warnen iljre Minber oor bem
Witter als treulofen Bogelfteller. 12, 22 der daz gimpel gampel
sanc, der hat sich vermezzen und werde im din ein blic, er
lege dir sinen «tric. Bon feiner erften (beliebten 3iute fagt bie
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I
bei ?icbr$bi(f>tintci bf$ bcittfdjcu äNittrfa(trr$
441
Rentier ber weiten *riberuu Si. 2H, I :> der wuohs von »inen reien
uf ir wempel und gewun ein kint daz hiez si Lempel. Die
sJMäbcben aber finb wohl auf ihn \\i fpreeben. 3ie berufen fid)
Darauf, baf? bie Veute »inen sanc erkennent wol über al (13, 45).
^a ftriDeruu entgegnet auf Die eben erwäfynte, fel)r naebbriief liebe
Tarnung ber sJJiutter: er muoz mich sine geile spränge leren
(28, 28). ^erbeiftf er bod) ben .Minbern an ber Strafe etroao folbft-
bewußt: wir snln ein niuwes briuwen (b. b. ein neueo Viel» ), dar
nach si die tinger kiuwen. 3<b glaube, mau barf mit Ateinj bie
Vieber Meuentbalo alo bid)terifd)e flücffpiegelungen beo (rrlebten an=
febeu; er ift unftreitig eitel unb fel)r von feiner Unmiberfteblicbfeit
überzeugt, aber feine mannigfachen ^efenutniffe madjen gan$ ben
©inbruef beo fahren, wenn eo aud) an biebterifdjer Mnofdmiücfung
natürlid) uid)t fel)lt. ^n ibm oercinigt fid) realiftifdje .Hleinmalerei,
NJtaturftnn, Offenheit, l'ebenofreubc mit einer jiemlid) lorfern, felbfc
ffidjtigen Vebenoanfcbauuug. (ir übertrug in feiner 2lrt ben böfifeben
s3Kinnebienft in bäuerliche Hreife. Die fpätern 7vci nb f e t i ^ f e i t en ber
dauern gegen Um erflären fid) mol)l baburd), baft er mit feinen JNer--
fübrungofünften mandjerlei Unheil geftiftet hatte, fid) im ^enmjtffein
feiner 5Bebeutung mehr nod), alo bie dauern oertragen tonnten,
überbob. "hknn 2Baltber ben sJl)ttnnefang auo ber ßnge ber
böfifeben 3Jtobe berauofübrt, fo finb sJieibbarto Dichtungen bao gerabe
3Biberfpiel beö fööfifcben. Sie geben ein treueö Spiegelbilb ber ge=
fettigen ^eluftigungen unter ben moblbabeuben fränfifeben unb
bairifdjen öauern in feiner $e\L 3m 3ommer ber iKeicn auf bem
Singer, im hinter ber 2an$ in einem geräumigen Limmer auf biefem
ober jenem 3)ieierbofe; babei leicht entflammte, fd)ön gepufcte ÜBauern-
mabeben, profeige, retebe iBurfcben, bie neibifd) auf ben gewanbteren
bitter bliefen, ber fid) bureb feine Xansroeifen in bie fersen ber
Schönen einfcbmeicbelt.
Die silnfcbauungen beo böfifeben NJMinnefango bleiben bid in bie
aKitte beo 14. ^abrbunbertß b»nein biebterifd) frud)tbar, fie bleiben
noeb länger eine gefellfdwftlicbe 3)tocbt unb finb im iUolteliebc unb
sl<olfoleben beo 1 5. 3abrl)unberto lebenbig, wenn aud) in veränderter
^orm. 9Jacb Meibbarto ^orbilbe übertrug man fjöfifcfje Sangeowetfe
auf IdnbUc^e 33erbältniffe. Der ttberbrufi an ben berfömmlid)en
iBorftellungen jeigte fid) im Derben, Moben unb Schlüpfrigen. Der
Sdjroabe ©otfrit ü. 91ifen (um 1250) befingt feine Viebe ju einer
ttutjmagb in febr Verlieben Herfen. *L D. it. XXXVI, u»9. 3b^
grau fdjlägt fie ioegen beo ttiebtjabero; fie tuitt aber nid)t et)er mit
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\4l
iHubolf <^ecttf , firbcitefon imb Vifbf#*icnft i»
ihm cuvoongeheu, bio fie bao .ftembe uub ben Sdjilling erhalten, bie
ihr ulo l'obn aufteilen. Hilfen flicht in einigen feiner lieber ein mv
it it focht bares 3eH01tid für bao Aortlehen oolfomäfuger SBrifen neben
Per ritterlichen ilunftbicbtung. So 8, & 8. XXXVI, 208: Sol ich
«liscn sumber lanc bekumbert sin mit kinden. Sie tonn ben
^Jorgen nid)t erwarten. Tann luill fie bao Hinb bei* i>lmme über
^ebeii nnb binauo sunt Meien eilen. SD« Äebrreim erinnert an alter
tümlicbc Äinberlieber. 3(ttf bao icblüpfrige Ez fuor ein büttensere
sB. T. 3. XXXVI, 148 febeint anf ein von her Strafte her ev-
tiuugcneö sl?orbilb binjumeifen: 8i sprach „ir sit niht laz. mir
wart nie bunden bazu. SBet in biefer fcit noch in her alten,
iibcridnoenglicben "^ciic ben Alanen hnlbigte, hatte fcharfen Spott
\\\ furchten, (Gebnit "IS. SD. 8. I,VI, 1 macht fidi über ben bimmelnben
•h;ahomuot o. Stunsid) Inftifl. ih>enn er empfinge:
von ir liant ein vingerlin daz kiwt er tü«ent*tnnde.
h»'ge er bi der wolgetäneu mit ir röten munde
er geruorte niemer si. wand er vor liebe ei wunde.
,\n rvnfelbcn Spuren roanbelt her Sdmu'ijer Steinmar. (ir roenbet
Piio Tagelieb auf ben .Knecht an, her im .freu bei ber 9Ragb fcbliift.
Tao ihtäcbteramt verficht ber £>irte. & Sdno. 3». 19, 11. 2>ie
JKaflb null ihn nicht $u fich auf ben Strohiacf laffen, roeil er ihr bic
not 'f proebenen (Geidnmfe, Vciuen, ein paar Schuhe unb einen Schrein,
nicht gegeben, Sie läfet fich aber bureb Verfprecbungen erroeidnm.
X>cw frerabfinfen beo "äWinnefango pt rcaliftifdier Tcrbbeit jeiflt fich
auch bei bem 3ürid)er Steiftet £>abloub (um (900). £r benagt bie
;Jeit Oer (Srrnte, bie in ber Sdieuer (Gelegenheit |intt Stellbicbein mit
ben -»tägben bietet. (& X. Y. 87, 321.) ftlar genug ift an biefen
foiner-iuego mehr jroeibeutigen Vieberu JUT Verherrlichung ber niebern
■Winne ju erfennen, mie man in ben oberen Wefellfcbaftoflaffen nid«
fadi oer ntobifdien (Sourmacberei fo üherbrüffig geworben ift, baß
mnii iid) jefct nidjt mehr id)eut, unnerhüllt oon läublidvberbem Viebeo
genufl ju fingen. Sehr ftilmibrig marb nerfudjt, ben oeränberten
(Gehalt in bie alte .Hunftform höflieber lieber hineinzugießen, ein
üegttmen, bae zur allmählichen Äuflöfung beö sJ)(inncfango führen
mußte. So zog fidi benn ber ritterliche 8be( mehr unb mehr oon
ber Jluoübung ber .Kunft ^urücf. Tk ^erfplitteruug unb mannig;
frühe Heräftelung beo .Kulturlebens ber Station brachte feine großen
.'liiirmmgen mehr, 1*0 fehlten wohl nid)t oolfotümlid)c ^beale, e*
fehlte aber bao iMrenuglao einer gemeinsamen, auf ber (Grunblagc
lufdiidülichen l'ebeno ruheuben SiH'ltanidmnung, loeldjc im 15. unb
443
16. jaljrtmnbert bie blenbeube AÜUe neuen Xiid^teö 511 $ünbenber
Stfirfung Ijätte jufammeufaffen fönnen. sJtur im itolfdliebe fanb in
befebränftem Sinne eine folebe ^ufammenfafiung be$ allen (Gemein-
famen ftatt.
3n ber reinen tfunftlprif ber legten ^abrtjunberte beö WM-
alters finbet fid) manches, tros oon ber tforftellungdwelt bes 3)tinne-
fang© $u ber be$ ^olföliebeo binüberleitet. ^rouroenlop &
79, 319: Ach we, ich nach ir brinne saro in der glüt ein sinder
(ugl. Körungen 3. 436 unb fcid)tenftein & i>. 33, 7 Nu grif
her wie sere ich brinne: kalder sne müeste von der hitze
brinnen, diu mir an dem herzen lit). 3mei 9tadföüg,ler beö
t)öfifdjen SWinnefange, ber *<orarlbergcr &ugo u. SMontfort (f 1423)
unb fein .jeitaenofte Doroalb u. %&olfenftein aus Sirol (f 1445) bieten
in bem bunten 3&cbfer ber 8toffe unb normen ein fennjeidinenbeö
$Ulb ber Stillofigfeit ber lurifeben ilunftbid)tung unb ber Verwirrung
ber begriffe in ifjrer Unb inbeft beibe nicht ofme (^ißcn=
art, beibe nid)t ohne Verftänbniö ber uolfötümltayn Sanged- unb
(Srnpfinbungowetfe. 3)2ontfort in $faff, ber 9)iinnefang b. 12. — 14.
^at)rt)v 3. 268, 13 Ich wand ich wollt nach diner minn ver-
brinnen, ebenba 269, ?n schrib us ding hertzen grund siechte
wort mit trüwen richten, die tuont mich sicher gsund. 270, 94
frowt si mich nit, die rein die zart, so wer ich gar ein
burnin man. 272, 156 fagt ber $)id)ter feiner Üiebften: so hast
du min hertz gefangen von gold ein ketten die ist vin
damit hast du es beschlozzen, din eigen wil es iemer sin.
Söolfenftetn ebenba 280, 203 viel hundert jar auf erd, die gelten
nur einen tag, und wo sich lieb zu lieb haimlicb versliessen
mag, da ber ich nit ain sag. X>erfelbe $id)ter unter ÜJiinne^
lehren, beutfdje 9tat***itt. 12, 3.233,45 Wer wolt mer fräden
begeren, wan im sein morpenstern lieplichen sich erzaigt? unb
unter 5ifd)fang unb sJ)Knne an gletdjer 3telle, 8. 234, 31 kanstu
aber in sins herzen schrin so bistu sin und nummer din wip,
usserwelte keiserin. "JDian erfenut tjier, wie ein beftimmter Sdmfc
an Silbern unb Vorftellungen unnerlierbares (Eigentum bee mittel-
alterten SSolfdgeifteo unb Voltegemutes ift, ein Sdmfc, ber jebem
3)id)ter offen ftetjt, ber nur im geringften Sinn bafür bat, mag er
im übrigen in beu fünftlidjften unb fdmörfeltjafteften Xönen bid)ten.
£>eutlid)er nod> ift ber ^eg jum Volfelieoe bin in ber 1471 ab=
gefdtfojfenen ^ieberfammlung ber "ilugsburger 3ionne .Hlara &ä&lerin
bejeidmet. 3" ben Xagcliebern madjt fid) ein Streben nad) realifti=
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444 Mnbolf Werlte, ficbcSfrbrn mit» ftrbr^iruf) in
fdier fluomalimg geltenb. Ter ^iberwille gegen luvito ^arfteUiuui
beo durften fdjeint liier gefdmumbeu ju fein; bie .Ueufd)beit ber öe-
finnung bat iSiubufie erlitten, uameutlid) hei ben oberen Stäuben.
Vieberlmd) b. jpafeleriii ed. .s>altaitö, Cuebliuburg IK-Jo. 2, 21 : Sy
truckt ein prüstiein au das meiu, meiu hertz wolt mir zer-
springen; 13, 13: Mich dauclit in meinen sinueu, die nacht
war wol ein jar; 3, tfn: Si truckt in lieplich an irn stoltzen
leibe, sy kusst in mer dau tusent stund: 3, 84: wo] ver-
schlossen in dem hertzen mein, so duuekt er mich ein kaiser
sein: 12, 14: mir war ze tausend malen lieber ich wär tott,
wann das mir scheiden wirt kunt von meiner allerliebsten,
er kusst iren rotten mund vil mer dann tusent stunt. ©ine
Ülujaljl uon Biebern ift einer funftreidjeren .\Uaffe oou ^olfsliebem
Mitgefellen, ben fogen. $of= ober WofellfdjoftolicDem. (&o bürften
hierher *u rechnen fein i'teberbua) 3t>: mein hertz hat im erweit
ein fräwlein mynneclich, 41 : ich raitt ains tags spacieren,
44: hilft' wunneclicher. süsser may. 49: bis willkommen liebs
junkfrawlin zart, femer 51, 53, «n, <>o, in:j, 104, 110, 111.)
Einige Stüde fteben ben iHufdiauuugeu beo Ijöftfcueu ^iinnefangeo
nahe. 3ie laffen erfennen, wie Die S<anfdwuuug, bie bem TOnne-
bienft $u törunbe lag, fid) aUmäfyltcb 511 ber ^etraebtungs weife bco
älteren ültalföliebeo umbilbet, einer Xenfart, bie einen neuen l'iebeo-
bienft ins &eben rief, ber freilich uatürlid)er, freier, herzinniger war
al6 ber tjöfifdje sJJiobefult. s)lx. 4tf enthält nod) foft oollftänbig bie
(&runb$üae ber ritterlid)en Jvrauenoerehrung , tuie fie siNeinlob non
Seoelingen Darfteilt. £>er Liebhaber bittet: lass dir mein dienst
ze hertzen gan und tröst auch mir mein swärs gemüt. (£r
flagt: mich wundert wie dein gnad so hartt gen mir vil se-
nendem müg gesein. (£r liebt alfo nach sJ)teinlob$ Siegel mit
senender swaere. Gr marmt bie Jrau bann bei ihrer weiblichen
3nd)t, fein trauern unb feine fermenbe ttlage 311 füllen unb oercjetfjt
Xreue unb Stäte. Jvür bie nideere ift bie Zeichnung klaffer
üblicher geworben, (äanje lieber bienen baju, fie ju uerwünfeben.
£aö machtoolle unb nmnberbare ^eroorquellen be$ 33olf6liebe$
bleibt immer rätfelbaft. ^n trägem l'auf waren bie (#ewäffer beö
fdjeibenben sJDiinnefangeo oerenbet. 3luo ben Sümpfen, bie fie hie
hie unb ba gebilbet, founten feine neuen Blüten mef)r erfpriefeen.
Soweit man sJiäl)ere5 00m sJ)Jeiftergefang weif?, betrieben bie bürgen
liehen Nachfolger ber ritterlichen £id)ter iljre .ttunft red)t unb fehlest
wie ein ehrfameo &anbwerf. Xie Tidjtuug ergreift Partei in ben
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ber ?tfbc*bid)huifl b»'$ boittjri)cu WitirlotlrrS
445
Aebbeu ber 3eit, Den kämpfen Der 3täuDe. 3ie fd)iuücft fid) mit
buntfdjecftger (Meljrfamfcit unD oerliert fid) im erbatilid)en Wleidmis*
reben. 3lu ber Cberflädje beo litterarifdjen Gebens jeigt fid) im
14. unb 15. ^abrbunbert faum etwas oon ber Triebfraft wabrer,
naturfrifdjer Tidjtung. Ta auf einmal bricht es l)en>or mit ber
vJ)fad)t beo Urfpritngltcben. 3» einer ^ülle oon Tonen, einem Sauber
ber Farben, einer lunnberfamen Stimmung, bie Dem 3)ttnnefang
feiten erretd)bar, fpie^elt Dao ^l<olfdIieb reidjeo, mabreo l'ebeu in
X'tebe unb Öeib, Vilbel nnD Iraner mieDer.
2Mö sunt ßnbe beo 15. ^abrlmnberto (Der jioette Abbatet beö
.pelDeubudjeo erfdjten 1401) finb nnter ber Oberfläche Der für Die
böbereu 3tänDe beftimmten ^itteratur Die i'ieDer oou Crtuit, fcug*
bietrid), ^olfbietrid), Dem Mofengarten, l'aurin, Dem hörnernen 3ieg*
f rieb , &er$og Crrnft , .ftitbebranb, Ttetridjo Tradjenfämpfen u. a.
Durd) Die JvabrenDen im Weioufttfein Deo Bolfeo erhalten, bie nnD
Da fortgebilbet unD erneuert roorben. &icr laffen fid) unmittelbare
^Beziehungen ^nnfdjen Der Tid)tung Der nmnbernDen 3pielleute unD
Dem BolfolieDe bartbuu. Tao Vieb oou £ilbebranb (UblanD, lUlte
l)od)= unb nieberDeutfcbe BolfolieDer Wx. 132) jeigt alle SMerfmale
Der ^oefte Der ?wbrenben: Die oolfotümlidje 3tropbe in rober 3te
banblung, einen allbeliebten Wegenftanb, Die Jvreube an Terbljeit
unD ungefdjlacbtem : „Xein Start null id) Dir aufträufelt", „ihkx
fid) au alte Steffel reibt, Der empfal)et gerne ram". Tiefer Tid)tung
reibt fid) in Der vÜrt Der Tiftion unmittelbar an: Tanbaufer (Ut)l.
207), ^oringer (Ul)l. 208), Der Wraf uon rHom (Ut)l. 200). 3ebr
oft finb ältere MieDer neu überarbeitet roorben, mebrfad) Deutet Dieo
Der le&te Berfaffer am 3d)luffe an. Tie genaue ^etradjtung ein-
zelner 3tücfe, Der Bergleid) oerroauDter VieDer eröffnet bisweilen
einen Sluoblicf in Die 3Irt Der Didjterifcben ^robuftion, in Die s)ixt,
ioie fid) Diefer ober jener Dao bereite gemünzte (Gemeingut lieDartiger
Biotine bei paffenber (Gelegenheit *u eigen machte.
in „flugoburg ift ain faiferlid)e ftatt" (U. 1«) ift Der befon=
Dere Borgang, ber Verlud), bie ^iebfte ju befreien, au ein altes unb
jebenfallo in oielfacbeu iHbroeicbungen oerbreüeteo Botenlieb ange=
leimt roorben, Das ein ^roiegefpräcb sroifcben Der Nachtigall unD Dem
fciebenDen Darftellt <ogl. U. 15 u. 17). Ter Arbeit Deo guten
ftriegero, Der fid) am 3d)luffe als Den Berfaffer Des neuen ^iebleino
nennt, läftt fid) eine glücflidie Bereinigung Der beiben (GegenftänDe
feineoroego nadjrüljmen. 11. 48 3d)luft: „Ter uno Dao ÜeDlein nein
gefang, oon neroen l)at gefungen, Dao ImnD geton jroen £anbofned)t
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Slubolf (Softtf, fiebc«lfbfii unb ?tcbe«bienft in
ftuot ein alter unb ein junger". 3>ao l'ieb ift eine Hlage Uber bie
Untreue ber beliebten imb fann alo ein sJ)infter ea)ten Holfotoneo
gelten. (£o ücrbeutlid)t ben ^ufammenlwng beo Sdmababüpfl mit
bem Viebe in unübertrefflicher &>eife: „£eo brunnen, beo entrinf id)
uit, er bat mid) oft betrogen, ioao mir mein feinolieb t)at jugefeit
ift gan$ unb gar erlogen", daneben jeigt es ?Wefte böfifdjer Hör-
Heilungen: „hinter bu muofrt Urlaub l)an", „4l>öld)er ein lieben
buolen bat, ^alt in in redjter maßen".
Tie bidjterifcbe ÜJabe jioeier ^anböfned)te fann ein folibeo iiieb
aus inneren Örünben nid)t gezeitigt Imben, aber eo mag gleid)ioobl
in biefer ftorm im l'ager sufammengefügt fein bura) einen shktt-
gefang, ber aus oorgeprägten fciebf prüfen *u guter Stunbe wobl
ein artigeo ®ebid)t entfteben laffen modjte. U. 60 ftblicfct: „$er
und bi§ lieblein neuro gefang, ein freier fnab ift er genannt". SaO
i'ieb oerrät in ber Anlage eine geioiffe Äunft; eo *eugt oon leb-
baftem ttfefübl für treue Viebe. 8weifelloo fürt aber ältere lieber
©erarbeitet : ,,^d) tjatt ein bulen, bao ift mar, brei oiertel lenger
beim ein jar", „^dj ging ioot)l über ein grünen plan, ba fab ttb
oil f)übfd)er jungfrauioen flau", „Wein feiuo lieb tregt ein fibroar$eo
tfleib, barunter tregt fie groß berjenletb". Tiefe brei oerfdnebenen
Stropljenanfänge befunben, roie liebartige Sprütbe ober oielleidjt
aud) $rud)ftücfe uon alten l'iebero otme Siebenten meljr ober minber
gefdjicft aneinanber gereibt rourben, roenn fie in ©ebalt unb Stimmung
ungefäbr bem OJegenftanbe beo ©efangeo entfpradjen. (£o lafet fttb
bao ^eftreben erfennen, für jebe Stropbe einen neuen epifrfjen <£in-
gang ju finbcn. U. 76 A beruht auf einer beutftben 3°ffunÖ Der
norbifdjen föelgefage, roeld)e bier, gan$ entfprecbenb ber bramatifcben
Tarftellung oon &elgeo SiMeberfunft in ber tfbba, bie ftorm eineo
iitobielo empfangen tjat. Ten Tageroeifen gebort bao ®ebi$t nur
burtb bie %ovm beo Eingänge an. Ter Siebter, ber „bie tagroeif
neto gefang, oon neroem bat gemad)t", ift „ain uelbe", eine ^eitb-
nung, bie fia) bie rubmrebigen Spielleute gern jnlegten. Str. 1—5
ift aud) bem ^ntjalt nad) teilioeifc bao 'hkxf beo legten Tid)tero,
ber bie ibm auf irgenOeinem &>ege in entftellter Aorm überlieferte
alte Sage niebt reibt oerftanb. Ter bitter meeft am frühen borgen
feine V'iebfte unb bittet fie um ein guteo !h>ort. l*r mirb angeroiejen,
am sJibenb roieber ^urücfmfebreu, bann foll er Volm empfangen. %m
3(benb ftellt er fid) ein. $ier muft eine gänjlicbe Herroirrrung ber
iHegebenbeiten oorliegen; beim eo ift poetifd) ganj unb gar nnoer
ftänblid), meotjalb ber Mtter fttjon am borgen fommt unb bann
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bfr Virt>f«t>idjtnitg bf$ bfutfdjru 2Nittrlaltei$
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auf ben Slbenb uermiefen werben muH. Tie Ebba läftt Uni am
lUbenb fonunen unb mit bem Morgengrauen baoonreiten. ")laö) bem
■jnbatt ber Vorlage beo Tid)ters erfdjien unb oerfdjmaub er inel-
leid)t mit bem (brauen beo Tages, llnfer Tidjter mußte mit biefer
Slnfunft im Morgengrauen , bie entmeber auf einer Verwecbolung
ober auf einer oou ber EbDa abweicf)eubeu Überlieferung beruhen
mag, nid)ts anzufangen unb lieft in feiner Verlegenheit ben %n-
fömmling nod) einmal fortfenben, bio ber jlbeitb unb mit tym bie
richtige &\t für ein Stellbicbein gefontmen. s)hm fe$t bie ältere
Überlieferung mieber ein. Ter bitter ift fo feljr uerljauen, baft er
nidjt Nube l)aben Darf. Tie faau bebauert, nid)t fein Sd)ilb ge=
mefen 51t fein. Sie oerbinbet feine i&unben mit ihrem golbenen
©djleier. Ta wirb er ruhig. Sein Vingerlein weift fie >urütf, meil
fie es nid)t oor Gittern unb .Hned)ten tragen foll. Er tuirft es ins
Meer: „2lls wenig bu wirft gefunben, fo menig wirb mein .per-; ge-
funb". Tie bramatifcbe Sufpibuug am Sdjlun Str. 14 oerrät bann
wieber einen Langel an Verftänbnio ber alten Sage. Ter Ticbter
weift nidjt, baft fie Durd) ben ^erfetjr mit ihrem bem ^enjeitd ent;
ftiegenen (hatten bem Tobe oerfallen ift unb laut fie burd) Selbft-
morb enben. 3« £tr. 16 hingegen hat fich bie Erinnerung an bie
ebbifdje Sage oon Oer "ii>iebergeburt feiges unb Siegruns erhalten.
Ter ^ufammenbang ber Vallabe mit ber &elgefage ift bisher merf;
würbigerweife gänjlid) unbemerft geblieben. So fonnte Vartfd) (Tie
romamfdjen unb beutfdjen Tagelieber, Vorträge S. ^99) bie Vermu-
tung aussprechen, bafi bie SBieberermecfung oom Tobe ein 3uffltJ beo
Umbid)tero fei. U. 76 R fmt einen ^ug ber alten Sage aufbewahrt,
ber in A fehlt. Ter ,§elb ift „burd) ihren Hillen" oerwunbet worben.
Ter v«>lusbrutf ift oollfomnien bejeidjnenb, wenn man bie .ftelgaguibba
herangeht, &elge ift auf bie Vatjn beo Siegeo unb Tobe© burd)
Siegrun, feine Weliebte, geführt worDen. ^br StfiUe hat ihn beftimmt.
3hr »rf ift eo, läfa ihn bie Ebba fagen, Daft er fo ganj mit Vlut
übergoffen ift. Ebeut'o reitet in B ber .ftelb im ^lufchlun au bie
norbifdje Sage mit bem Morgengrauen oou bannen. Ter Wegen-
ftanb mutt gewaltig geoatft haben. ;}mei weitere oon Uhlanb unter
C u. D mitgeteilte Bearbeitungen haben ben nu)tbifd)eu Wehalt gänj=
lid) ausgetrieben. Tiefe Wruppe oon VolfoballaDeu legt im Verein
# mit Oer jpelgefage unb bem Märdjen oom Tbräuenfrüglein uad)brürf-
lid)eo ^eugnio bafür ab, wie tief Die Vorftelluug von Der unlösbaren
Vereinigung zweier Watten im Volfogemüte wurzelt. Tiefe Vorftelluug
ift fia)er oordjriftlia), wofür man neben Überlieferungen ber norbifdjeu
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jRub.lf iMocltc, Vicbrflrbrn unb Vicbcöbifiift in
Ticbtnng bio 3iad)tid)t beo Crofiuo, bafi bei ben gerulero bie ffittm
lebenbig mit beut Watten begraben warb, heranziehen Darf.
2d)reiber, 8tubeutcu, <h\bauer, .Uramerjungen , freie Leiter,
glttc Witter, :Neiterofued)te , l'aubofnedne werben alo SBerfaffet ber
einzelnen Volfolieber be.u'idntet; öftere ift bie £ieimnt, einigende
ber Staute beo Serfaifere genannt 2ebr häufig ift bie Stanertung,
ban ber £id)ter bao Vieb uon neuem gefungen habe; im Wegcnfafc
baju uerfidjern U. vii» B. 8tr. II brei Vanbof nedjte , frioei alte uuD
ein junger, bie erften Sänget ,m fein uub jiuar uon einem Viebe
<3J»uofatbüum), bao fdjon früher uorfommt. Üo ift eben auf alle
biefe 3lngabeu fein grofier 3\>ert \\i legen; oft mögen fie fid) nur
auf ben Vortrag beö Siebes in biefem ober jenem Streife, auf ein
3fieberfd)reiben auo bem Webädjtuio begeben, mobei bann abftditlidje
3l Uberlingen natürlich mit untergelaufen ftnb. U. 1 irouaemunt».
Ter fabreube SDtattn mirb nad) feinem lebten 3iad)tlager gefragt,
femet banadt, tuie er tfleiber uub ppeife bejage. (Tr ruhte unter
bem .fcimmelobad) uon :Hofen umfteeft (ugl. bao neuere Sieb: „Wuteu
3lbenb, gute 3iad)t, mit Möfeu bebad)t, mit sJiäglein umfteeft").
Mleiber uub Speife bejage er und) 31 rt eineo ftolu'it .Hnaupeu. Tie
lebte Arage uub ihre Weantiuortung fanu fid) mobl nur auf ben
3olb beo Sängero begeben. £r mill fagen, baf? er Itfefcbenfe nur
in ebler äSetfe unter Nahrung feiueo 8ellntbeumfufeiuo gebrt. 3luf
alle fragen lueif? er eine treffenbe 3lutn>ort ffl finben. l*o ift alte
:Hätfelbid)tuug, auo innigem 3iaturgefübl beroorgegaugen. Tie .v>aub
fd)iift ftammt auo bem 14. 3rtt)rbunbert ; ber fagenbe ÜJeifter be^
gegnet uno aber fdjon alo I ragemimt im Creubel; auch bort ift er
meitgereift uub feuut siueiunbftebüg Vanbe. 3llo geiuif? erfdjeint nad)
bieten 3luofübmngen, baft beim erften 3luftaud)en ben Volfoliebeo
ein reid)er öeftanb au Keinen fdmababüpfläbulidKn Biebern uub eine
geringere 3lnjabl älterer Sogen oorbauben, bie beibe im ^eiuuRtfein
ber Olefamtbeit luuneln. Tie Teilnahme an ben alten .£>elben=
gebidjten mar freilid) feit bem Verblühen beo SKinneiangeo im 3Uv
uebmen uub bie ©iebtet mußten fid) in ber näheren Vergangenheit
nad) Srfaft umfebauen. Tie lebten ,Vbrhunberte mürben nun pnu
Untergmnb neuer cagenbilbung unb eo entftanben bie lieber oon
beo Tanbäuiero Umgang mit Jrau 'Pernio, uon ber rHücffebr beo
3Jloriugero, uon beut Vrenneberger , beffeu ."per,^ bie (beliebte af»,
unter 3lulel)uung an ältere Sogen.
Tie Sänget ber ctraRe fpanuen bie Aäbeu, meldje ben sDliunc
fang, beffen geioerbomäfnge Verbreiter fie uielfad) gemefeu roaren,
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fiebeSbiAtung be* btutfätn OTtUelaltfr«
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mit bem Bolfoliebe oerbanben. Tie Teilnahme fteigerte fid) nod),
wenn bao &ieb jene glänjenben bitter mit anbeten Stäuben in
nähere Beziehung braute. Tie Xageliebform warb fo $um öefäfj
einer ftimmungswoUen tfomantif. Tae Jräulein, baß oon ber
Sinne ber Burg ober oom Burgfenfter aus ben ©eliebten be=
grüftt, ber bitter, ber fid) als feino Liebchen ein Bürgerm£b$en
errieft, ja auch ber fecfe Änecht, bellen Umarmung bie Königstochter
in ber Steuer fud)t, bas waren (Geftalten, welche fofort bas r)5d>fte
Onterefie erregten. Ter (Gegenftanb würbe unter Anlehnung an
biete ober jene wahre Begebenheit unerfd)öpflicb fortgefponnen. 2i>ie
gern fyörte man, bafc bie beiben l'iebenDen, bie md)t $u einanber
fommen tonnten, .HÖnigsfinber waren! Tie uralte Sd)wimmerfage
erlangte in ibrer Deutzen gaffun^ t)örf)fte Beliebtheit; geigte fie bod),
bafc auch ben Aürftenfproffen bie l'iebe nid)t ohne ^eib unb bitteres
Berljängnis naf)t. 3)tan mufe fid) oergegenwärtigen, baft mit bcm
gewaltigen $nwad)fen unb bcm suuebmenbem Reichtum ber Stäbte
bas Unterhaltungsbebürfms eine bebeutenbe Steigerung erfuhr. Tiefe
£ücfe füllte anfänglich ber Aabreube mit feinen Biebern aus. 3)iod)te
er auc^i minber geachtet bei Xifdje untenan fifcen, ober gar, wie
es ber Sadjfenfpiegel oorfchreibt, als unehrlid) gelten, man t)örte
il)it gern. 6s war {ebenfalls sunächft eine sJJoefie ber Hintertreppen,
aber es war wirtliche Tidnung. l±in f efter Stamm oon baüabeu;
artigen öefäugen würbe auf biefe &*eife Eigentum bes Bolfes.
3(ud) fördere lieber würben bei allen möglichen (Gelegenheiten, «ölte
fetten, &od)$eiten, Hinbtaufen, sunt frieblidjen Tan$ unter ber l'tnbe
unb als Borfpiel bes grimmigen s.h>affentan$es im gelbe oorgetragen.
(Sin äujjerft fruchtbarer Tilettantisinus münzte bao (Sbelmetall alt-
überlieferter oolfstümlicbcr Liebchen immer oon neuem um. Unter
ben jungen ^atrisicrn würbe eo sJJiobe, ber (Geliebten in möglidnt
regelrecht gebauten Herfen feine Ergebenheit ,ut oerfidjern. Tabet
bewegte man fich in ben ^Infdiauungen beo iftinnebienftes. 9hiv
war bie £iebe emft gemeint unb Deshalb bie (Srforene ber Siegel
nach eine Jungfrau. (Ss ift nicht unwahrf cbeinlid) , bafj in ben
älteften, uno nidjt näher befannten ftäbtifcfyen Singfdnilen eine s$oefie
gepflegt würbe, bie bem fünftlichcren Bolfsliebe, bem noch näher $u
fennjeichnenbeu ^ofliebe, nahe fteht. Ter Zeitraum, in weldjem bas
Boltslieb burd) sJ)ünuefang unb Mittertum nicht unwefentlich beein-
fluftt erfcheint, loirb burd) bie Kriege s)J<arimilians unb Marls V
unb burd) ben geiftigen Mampf ber Deformation befd)l offen. Ter
Beginn beo ltf. ^ahrhunberto brachte ber Tidjtung neue Gebens-
^cüidjtift für £ultut(jt(dii<t)tt. I- iW
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Mufcolf Wofttc, i'ifbf«lfbfii uiib Vifbfdfciciift in
gemalte, bie am frühsten in Dao ^olfslieö eiitDrangen unD liier Den
irinfluf? Der iHitterromanttf beidiräuften. 0anj oerfdnounDeu ift fit
inDen heute nod) nicht; id) oerioeife auf sBürgero uuD Woetbeo (3k
bidjte: £eo ^farrero Todner oon Taubenbain, Tas ölümlein
3Bunberf$dn, Ter .Honig in Thüle u. a.
SJJii fanDeu bereite, Dan Der SDtutnefattg Anteil au einem ge»
iiieiuiamen 9)eft^ Der VolfoDidmmg, an bilDlidjen ^Beübungen unt»
poetifd) Mittlidjen $torjteUungen hat, Der um fo geringet ift, je ent
tdriebener er unter Der .fterrfdjaft höfifdum Monoentionaliontuo ftebt.
:UuDererfeito iiuDet aber manuigfadie Übertragung an i"icf> höfifdiev
[Rebe« uuD lUnidmuuugoformen auo Der rittertidjeu ViebeoDidüuug iu
Die 2ßdt Deo VolfolieDeo ftatt, Die Dort oielfad) umgeftaltet, enuei
tert uuD fortgebilDet loerDeu uuD eine unmittelbare VerbiuDung
poiföen beiben l'itteraturürömungeu wie suufdieu beiDeu vebeuofreiien
Darthuu. Tie Verbreitung oolfotümlid) meiDenDer Reifen mag oielfad)
auf "Dleifeu unD oabrmärften Durd) ^änfelfäuger unterftflöt loorDen
fein. (So follen hier utnädjft Die itejietninaen iioifdjeu Volfoliet»
unD höfifdjem üJfinnefaug in betreff Deo "iUlberfduiiudeo, foDanu in
betreff allgemeiner noetifdjer Vorauefeiuiugeu unD fouoentionell ge
uunDeuer fittliduT lUnidiauungen unD enDlidi Die (rinioirfungeu Deo
Üiiunefaugeo, iuioioeit fie fid) in feft auogebilDeteu Birten Deo Volfo
lieDeo jeigeu, unterfudn werben. (So nürD fid) Dabei {eigen, intuie
weit Der ViebeoDienft Der "JHiuuefäugeneit in Den legten ^ahrh»|,:
Derteu Deo "Dlittelaltero fortlebt, meldu* SBanblungen er erfährt.
(io fei mit Dem finnigen WlDe oom eingeidü offenen fersen be-
gonnen. UhlauD, VolfolieDer Jhf. 29 Jungbrunnen, (sin editeo,
aber altertümlidjeo "HolfolieD oon Dem oben befdjriebenen Öatt, auo
einer iHnsahl oon idmababüpflähulidum (leinen Biebern juiammengefefct.
Die alle Die Voritelluug inniger Viebe oerbeutlidjeu. 3>ie fiebe»
ctropbeu fiuD oon fünf oerfdneDeneu Silbern bebenfdjt. 3tr. 1 :
,vsii meiueo buoleu femmerleiu Da ftat ein gülbner fdjreiu, Darinu Da
ift befdiloRen Dao junge bene mein. iUd) hett id) lieb Den
fdüüftel, Dein eigen molt id) immer fein. II. 3o. $n Diefem feiner
Aaffuua nad) jüngeren VieDe finb oon Den Statinen Deo uorigen nur
Drei jufammengefafu. Ter Vergleid) Der beiben 3türfe führt Die
Jlniprüdje ;meier (Schauer auo Gleiberg auf Die iUutorfdjaft Deo
weiten auf ihr bereduigteo 9Ra$ uirütf. Ter 3d)luf?geDanfe oon
24» bilDet iu 341 Den Eingang. Vogiidier alo Dort münfdü hier Der
Säuger, Den 3d)lüffel iu Den rHhein :,u oerfeufen. LI. 81 : tuot
eiuer her', auf fdjliefsen, fdjliefjt mid) Darein, beriallerliebfte mein.
ber ViebeebidMurtfl bf« beuttyrtt Stittefalter*
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II. 82, Str. 1 : ft ftont int berte rntju ft Ijout min berte beoangbeu.
$öl)tne, ^Itbeutfcbeo Vieberbucb, l'eipsig 1877. 105, Tagelieb: Tein
ftol^en leib bn mir uerfdjreib unb fchleup mir auf bein b^e!
Sd)leuft mia) bürein *art frcmlein fein. #ityme 129 in einem fefnu
fud)ter>oUen Viebeoliebe: (So leit mein $er$ gefangen unb leibet
manchen ftofe. & 132: Teilt freunblidio acfidit bat mir mein tjerj
gefangen. 578: sMr follen bao leiben ISbrifti fdjliejjen in berjens-
grunb, fo wirb bie fei gefunb. «päfclerin 51 in bem herrlichen „Ich
gib mich guntz ze wellen dir": Entschüusse dein hertz, nyram
mich darein, so bin ich gantz von dir ernert. 61 : mein
hertz hab ich zu ir gesandt, ebb. 78: ach gott wär ich ir
trvnn vmm hertzen als sv mir. i>. 106: mein hertz habt ir
gestnleu. 47: beleihen in deins hertzen vest will ich all-
zeit nacht und tag. £>. 48: seid ich dich in meins hertzen
selirein vor aller weit hab usserwelt. £wffmann o. #alleröleben,
T. beutfd). ©efeüfdjaftol. b. 16. u. 17. vVibrb., Mvm 1844, sJtr. 44:
s}iä) web, mir ift burcbfdwfieit bao junge .fterje mein unb liegt barin
uerfd)loffen ein partes Jyräuelein.
Ungemein verbreitet ift im ^olfolieoe bie ^orftellung, bafe bie
beliebte ben SJefifc einer Mrone aufwiege, u)r Wergleid) mit einer
.Königin ober .Haiferin. II. 24', Str. 8: fte ift mein« (jerjen ein
tron. <p. 14: du solt one zweifei wesen der eren ain kaiserin.
U. 69 B: ^nobrutf id) muoft bid) laffeu. Str. 4: id) wil bid) nit
ufaeben, bieweil id) bab bao leben, unb bett id) beo faifero guot.
daneben Str. 5: gott blmt mir bie fünfte feiferiu! 57: War
all dis weit mir undertan, uoch wolt ich lieber fräd nit han,
dann das ich dich allzeit voran solt mynneclich anschawen.
U. 71, 3 fagt bao sJ)fäbd)en : für in näm id) nito feifero gut. 73,4
ber Knabe: bu bift meine bergen ein frone. U. 74 B Illingen 21d)
bu fdjöne juugfraw fein, bu pfahgräuin, bu feiferiu. NJtnbero in:
„Ter bitter unb bie Jungfrau" U. 97, 12: gtn' enftjt gljeen fei-
ferinne. ^ötjme 149: N^ol auf, meino beiden frone, lool auf ber.v
liebfte mein. slS. 262: midi buuft in all mein finnen unb wenn id)
bei ir bin, fte fei ein feiferinue. U. lo7 rHofenbaum. Tao Urbiii»
beo beute gelungenen: „iSo waren mal brei Wefelleu". Str. 5:
fdjläfft ober wadjft mein feiferiu '< <vi» bem neuereu ^iebe beifrt eo:
fdjläfft ober wadjeft bu, ber,\allerliebfteo .Uinb?) Tao tfatfertum
wirb aud) in anberem Sinne für bao t)Üd)fte (shtt gefegt; fo fingt
ber Sd>lemmer IL 213, Str. 2: bet id) bao feifertum barjuo ben
jol am Mein unb wär Wenebig mein, fo wär eo alo oerloren, eo
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flubolf <«odtr, ?tfbf«Irbeti uub ?ifb<«bifnfi in
müeft oerfdilemmet ieiu. Tao imrd) bie SR^ftil angeregte geiitlidK
Bolfolieb beo 14. unb 15. ^ahrhunberto oerebrt Die Jungfrau Statu
als Mönititin ober in böcbfter Steigerung alo .Haiferiu. .§immcl*:
linbe. U. 336, 5 Wabriel tpridjt : beo mil id) bid) benüfen rool, bu
ebli fünigiune. 11. 318, £tr. 5: C Stoma, bu himmlifdie faiferinne.
IL 321, 2: 2>ao ift sDtoria, bie toiferein, bie mir tuot mol gefallen.
ihJalbuögeleiu U. 337, 7 %a* „nuilbuögeleiu auf? bimelo trone" tagt:
an bifer line bo null ich fingen, mir liebt bie faiferine in alle»
bingen.
Taf? bieielbeu Borftellungen, benen mir im äfönnefange fo rieb
tad) begegnet finb, auch bio in bie neuefte Tidmmg hinein fortuurfen,
fei nur beiläufig bemerft. Bürger, 8uft am Siebten: „&*ie felis,
mer ein Viebdjen bat, mie felig lebt ber »tonn! (*r lebt wie in
ber Äaiferftabt, fein Wraf unb Aiirft eo fann". Uub mie wann
bergig Hingt eo nidrt in bem Viebe beo Teffauero Wilhelm iKüller:
Siebten, nicht um Wolbeolobne t)ör' id) auf, bir treu ju ieiu, nicht
um eine ilönigofronc!
Tie tiefer gebenbe Betrachtung mirb an beut Umftaube, ba£ in
ber beutfdjen ^'iebeobidjtung ber ueriebiebenften Zeiträume mit bt
fonberer Vorliebe bao Meid), bao Maifertum \nv Bezeichnung bes
$d#en, SBeituoUften gefegt ift, nidjt mie an etmao Zufälligem oor
betaeben bflrfen. Tao #olf fühlte, marum feine Tidder bao tbaten,
fie mürben bamit feinem eigenften tfmyfinbcn gerecht. Tiefe *i'r
fdieiuung ging auo benfelbeu BorfteUuugofreiien hervor, benen bao
tieffinnige lateinijdje iHntidmübrama beo l 9, ^abrbunberto, bie uater
länbifdje t'iebeobidmiug beo urchipoeta. bie an bie iHntidmftlegentu'
anfnüptenbe .Unffhäuferfage bao Taiein uerbanft. Tao beutfdbe
■lüilfobemufnfeiu raufte fid) im früheren ^Mittelalter au bem Äaifer*
gebaufen empor. :Hlo Die .Maifermadn in Der ^irflidjfeit tfinbufse
erlitt, erhöhte fid) ihre*ibeale Bcbeutuug in ber Holfofcele; biefi
loottte beu WeDaufen in feiner .Roheit mit aller üiaebt feftbalten ber
^Jirflidifeit |um Erofc.
Ter Jtergleid) ber (beliebten mit comte, SKonb unb Stenn
ift gleid)fallo auo einem Imdiftrebeuben Sinn hcriuugegangen , ber
nur in bem .vxrrlidmen , Mehlfien ein imirbigeo ttbbilfa feiner tiefe
finbet. U. 24, 3tr. t»: fie lewbtet alfo ferne gleidmüe ber morgen
fterne, ber oor bem tag aufget. Str. 10: bu leudneft mie bie belle
Sonne. U. 5», Str. Iii: Stuf get fie mir im bergen gleich mie bie
helle fottlt &aftlerin 42: die v»iin die scheinet als die sumi in
fräden reicher wunn. .vmffmaun u. $aUereleben <>l : Sie leuchtet
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bfr i'iebfStMdftiinn be« brut^rn aWittrlaltet«
4&
wie ber Sounenglan$, tf>ut mir mein &er$ erguitfen. ^lud) im geift=
li*en *iebe fommt biefes söilb oor. U. 320, 5. *<on ber Gtottefe
mutter wirb gerühmt: meber funn nod) ber monc mag ipr gelicben
ganj. $öhme Bo3: sJ)iaria erfcheint: sJlm Gimmel fcböner nmnne
gefleibet mit ber funne, ir fcbemel war ber man. könnte 264 A :
Sie ift mein morgenfterne, gfellt mir im fersen wol. 3m allge=
meinen ift ber *<ergleid) ber fcr>lid>ten 9lrt be$ ütolföliebeö $u au-
fpracbopoll, baber fetjrt er nicht att^u häufig wieber.
Tas in ber älteren ritterlichen Sunt l)eimtfd)e ^ilb pon bem galfrn,
meld)en bie grau b^tf, finbet fidb in einigen fiebern ber .fräftlerin.
H>4. Tie perlaffene 'äJJaib fagt pon bem treulofen Liebhaber: mit
seinen eylen ueste will \o.\i in fliegen Inn, dunckt in aiu ewl
das peste, ain valken will ich han. 89: Tie grau, bie einen
Bewerber abmeift, fagt ju ihm, inbem fie an eine, wie mir fcneint,
fpricbwörtlicbe ishtenbung beö tfürenbergers anfnupft (wip un<le
vederspil diu werdent libte zam) sölieh edel* vederspil kannst
du nit gelocken. Ter gälte febrt ferner bei 41 nnb 53 alö
Sinnbilb wieber. 3m fpäteren $oltöliebe bat biefer Tropus eine
Umbilbung erfahren. Tiefes fefct in finniger *Hrt „ein fleines &>alb;
oögelein" an bes Ralfen Stelle, bie Nachtigall. (2lls beo
fciebesglürfeo finbet fid) bas ^öglein ja icbon in ber älteften {'iebes^
bicbtung.) U. 29, Str. 2: Tas f leine sBalbPögelein fliegt $um
genfter ber fiiebften hinein: „es flog ir nf ben geran, es flog ir in
bie fcboft, fie fd)riet in fein gefibere, ir beiber freub unb bie was
grojj". Tas iöilb bient genau wie bas oom galten im sJMinnefang
baju, ben s#efifc eines geliebten Siefens als ein unficbereo, ipobl ju
bewacbenbes ©ut bin^uftellen. 9lud) bie jagbbare Taube tritt an
Stelle beo galten als ein sJlbbilb beo (beliebten. U. 24, Str. 5 it. f>.
Tod) aud) ber lefetere fommt noch in ber alten Molle oor. $öl)me
54 911$ Einleitung einer ©ntfübrungsgefcbidrte: 3i*er id) ein wilber
gälte, fo toolt id) mid) fcbwingen auf, id) molt micb nieberlaffen oor
ein© reichen fd)ubmad)ers tmus.
Tie Nachtigall mirb auch jur ^erfünberin ber Viebe, wie fie
oas *<olt oerftanb. U. 16 OJlugspnrg ift ain taiferlidje ftatt). Ter
Sänger, ber feine viebfte befreien will, perfucht bie Nadjtigall an
fid) jn loden. Str. 3: „So fing, fo fing, frato Nachtigall bie
anber walbpogeleiu fdjweigeu, fo will id) bir bein gefibere mit rotem
golb befcbnciben". Tie Nachtigall fpottet feiner Giften unb giebt
iljm gute Behren: Ter ftnabe, ber in groftcn Sorgen liegt, foll auf
bie Sommerzeit hoffen , frifdjen, freien Wut haben. 3n ber Nolle,
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454
töubolf (Wpfttf, MfbfSlfbfii unb i'irbr0birnO in
welche itjr jefet bas £ieb pigeuriefen hat, ift es eigentlich linnlos, bap
ber Ünabe ihr bas Wefieber befdmeiben mill, benn fie ift nicht mehr
ein 3iunbilb bes gehüteten (beliebten, (je hat eben eine Vermengung
ber beiben an fidi t^än.Uidi oerfd)iebenartigen Vorftellungen ftattge
funoen. $a4 gleiche ift bei höhnte 187 in einem boUänbifcben 8es
bidite ber aoII, mir baü liier ber Miberfinn burdi neue iMotioierung ge^
hoben ift . 39totl foll ber sJJad)tignll bas .onupt an bie J^übc binben,
bannt fie nid)t ausolaubern fann, mas bie Verliebten thun. 3ie
aber höhnt : Statu man fie auch, gebunben habe, ihr .sper$ fei gefunb,
fie fönne nod) immer olaubem oon beut, mas jroei Verliebte thun.
,Nsn II. h:\ ((io fleugt ein fleiues malboögelein) ift bie ältere Vor-
stellung benuihrt. SDer Vogel ift hier ber (beliebte felbft, ber irinlaft
begehrt. Togegen wirb bie sJi'ad)tigall in U. 15 (irs ftet ein linb in
jenem tat) gwn Voten, JUT thätigeu Vermittlerin ber Viebe unb ift
bamit allem ,-}uianimeubaug mit betn urfurünglidjeu Vilbe entrüdt.
vJlnoerieits übentimmt fie bann aber and) bie Wolle bes Lamers.
Vöhme 161: Unb manu bie Viube bas laub oerliert, fo trauern alle
äfte, baran gebenft ir mägbleiu jung unb fefct eure fränjletn fefte.
3d)liefUid) ift im neuereu Volfsliebe bie Vorftellung oom Vöglein als
Viebesboten berrfdumb geblieben, ohne baf? bod) bie ältere iHuffaffung
ber bidjteubeu Volfsfeele gaiu uerloren gegangen märe, trin beweis
bafür läBt fidj aus Woetbes „Aauft" erbringen. Wretdien fingt im
.vierter: Ta warb id) ein fdjönes Malboögelein. fliege fort, fliege
fort! Xem geiftlidwu Volfsliebe mirb um 1600 bas Malboögelein
JH einem bequemen äNittel ber trinfleibung finulidjer (rmofiubungen,
bie fid) in manchen 3tüdeu fehr ungefdjeut beroorbrängten. 2>er
A-alfe ber Mitterreit mar bod) immer nur ein iUbbilb berViebc; Ijier
loirb bas Malbuögeleiu ielbft ßun Viebenben, es bient als Vcr
föroerung bes heiligen Weiftes. Ublanb 3.17 : Tas Vöglein naht
ber fünftigeu Wottesmutter mit einem febönen Jüngling, ber beu
(Sngel (Gabriel bes l'ufaseuangeliums oertritt; er unterrichtet fie über
ihre Veftimmuug unb fdieibet. 31 ber ben Weift mill er ihr (äffen.
Str. 7: „3ie fabt fid) |M im (bem Vöglein) niber unb fcblofc in in
ir idjoft, befdmaib im fein gefiber, ir baiber freub ja bie mas groft".
3tr. H: „iSx fprad): an biefer line ba loill id) fingen, mir liebt bie
faiferinnc in allen bingen". .öieran idjlient fid) bie Vefcbreibung
ber fiebeu jungen, in beneu ein lieplid) concorban* aus bes "Vogels
SKunbe erflang. Vgl. lieber ÜJiusfatbluts ed. Wrote, ttöln 1852,
24, 9: Die junffruu wart entzücket, got selbe zu ir smfirk« i
in irs liertzwn port in eyner daben wise.
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bfr tHrbe«bid)tung bf* beutfaen 3Rittfialter*
456
$lnfd)auungeu beo 3Nmnebienftee ftnb überhaupt in febr mannig=
facber 2lrt auf bao geiftlidje Vieb übertragen. Tie iHrücfe bilbete
nie s)J?t)|tif beo 14. ^abrbunberto. Tiefe ergriff weite Mreife mächtig
fd)on auo bem äußeren Hrunbe, weil fie eine gemeinoerftänblicbe,
n>at)r empfunbene beutfebe ^rebigt pflegte. .v>in*u fam aber, bafe bie
sJ)?t)ftifer in ihren für weitere tfreife beftimmten 3d)riften alle bog-
matiieben 3piöfinbigfeiten beifeite lieften, bie föntjeit Wotteo unb beo
^Jenfcben betonten, bie lebenbige, völlige &inwenbung $u Hott unb
^eiuö auf bao Tringenbfte anbefahlen. iNeifter (stfbart fagt uon
($ott: Er hat sineu suu ewecliche geborn um gebirt in iezuut
unde sol in ewecliche gebern in einer ieglicher guoter sele.
Selic ist der mensche unde vil selic, der den hiinelisclien
vater alsus in siner sele kintbetten sol. Da disiu geburt ge-
srhiht noeb hinte dis tages in einer guoten minuenden sele,
daz ist gote ltistlicher, dan dö er himel und erde geschuof.
3n einer Derartigen iHuffaffungoweife fam bie sJ)h)ftif ber nod) immer
nnauogetilgten pantbeiftifd)en Chnpfinbungoweife ber (Germanen ent
gegen. Tie Tarftelluug beo ^ieifter (£cfbart uon ber innigen He
meinfebaft ber 3eele mit Hott fonnte inbeft leidrt rein fleifdilid) wer
ftauben werben. Tie Hefabr lag befonbero nahe, wo bie mönd)ifd)e
^lofefe finnliche (impfinbungen uon ihrem natürlichen #el ablenfte.
3o ift benn uielfach fleifd)licbe Viebeoglut in bie uon ber "äMoftif
angeregte geiftlidje s^olfoliebbicbtung binriugefl offen. xUber bie 3dwlt>
an biefer ^erfälfchung beo heiligen tragen nid)t jene sJDfeifter ber
"JSrebigt, bie in ihren Korten nur einen uerftänblidjen bilbliaVn ?luo
bruef für ihre tieffinnige tfuffajfung ber Hotteögemeinfdmft fud)ten.
Tie 3chulb fallt ber Ijierardnfd) - aofetifdnm Bewegung $u, weld)e
feit bem Ii. vxvabrbuubert im djriftlicben Europa au (iinffuft ge
wann. Tao rein s)Nenfcblid)e, bao fie befchrftufen wollte, flüdUete in
bie "^erfleibung beo Höttlidjen. ^efuö wohnt ber liebenben 3eele
bei, biefer HebanFe febrt in ben nerfebiebenften Silbern uielfad) wieber,
bao .Himmelreich wirb gleidjfatlo in finnlicoer Steife auogemalt.
Tie Unenblichfeit ber Viebe 511 beu'idwen, muß aud) bem ^olfo
liebe bie 3flhl taufenb bienen. .Fabierin 3<i: mein dienst die sind
ir ye beraitt: und lebt ich tusent jar, so mücht ich nit ver-
gessen ir lieb ze keiner stund, libb. 49: Gott grüss dieh
hundert tusent stunt unb: und solt icli leben tusent jar, so
liebst du mir ye lenger, ye bas. II. :2f>: fie tet uil toufent
fprünge, ir her} wao freubenooll. U. :W: babei fie mein gebenfeu
foll s\i bunbert taufenb ftunben. II. Jii;: ui taufent huubevt guter
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45fi
SHubolf (Mocttc, eifbc*lebfit itnb ViebfSbifnft in
nad)t bat er bao lieblein tuol gemarot. U. 79 B: fie fuo ben oor
(in rober mont in einer forjer wilen oil me ban buifent ftunt
(£ieberbud) b. £er*ogin Amalie oon ßleoe). -3n einem sJ)iarienliebc
beo 15. ^ahrbunberto II. 320 l>eiftt eo: „bt ir ift fein verbrieften,
beo tageo tufent ftunb lot fie ir öugli fc^iefeen tief in beo \)tt^en
grünt". 5el)r reid) tönt unter biefem Söilbe bie überfcbwengliä^e
dornte beo .Uüffeno im foäteren Bolfoliebe naro, namentlich im
3tubentenliebe: „fügt fie mid) in einer 3tunb' taufenbmal auf
meinen SMunb", „taufenb .ttüffc l>aft bu ihr bufeenbweio gegeben,
tauf enb .Hüffe wirft bu ihr" u. f. f.; wie überhaupt in Der getarnten
neueren l'urif.
^oijl ftub bie 2lnfd)auungen beo 3)annebienfteo alo folroe in weit;
gebenbem s)Naj?e oom Bolfoliebe übernommen worben ; bie 3luöbrütfe
finb jum großen Teil biefelben ; aber eo wirb benn bod) etwao anbereo
banmter oerftanben. £)er i'iebtwber bient feiner ^iebften, inbem er
treu $u iln* t>ält, feft auf fie baut, Tie l'iebe beftebt in gegenfeitiger
Zuneigung, nicht in uergeblidjem 3d)mad)ten beo einen Teiles. Sie
naturgemäße Bereinigung ber beiben Vtebenben, bie (Sbe, ift ihr Siel
Tao &>eib üt batjer faft immer eine Jungfrau, wie eo aud) oon ben
älteften Reiten beo Tinnef angeo angenommen werben barf (W. %
10, 11 .Hürenberg: Aller wibe wüoue diu get noch megetin).
Tie Borftellung beo Tienenö, beo Tienfteö ift bem ttolfoliebe fefjr
oertraut. U. Tr. bao lieblein fei gefungeu, ber liebften $u bienft
gemadjt. U. 38: ir bieuer wolt id) fein; ich bient U)r gan$ mit
trewen bemfelbeu frewelein, id) bient ir in allen reien biß auf bao
eube mein. $m felben liebe am 8d)luß: id) bient ir frue unb
foat, id) bient ir in allen reien bin auf mein Ijinnefaurt. ^ö^me
194b: Ter junge Jifa^er fingt bem #ifcbermäbd)en $u Tienft ein
*iieb. .päfeleriu 1 in: Ich hett ein frawen in hertzen holt, der
dient ich mit gautzem fleias. 60: du bist von mir gentz-
lich gewert, was ich in dienst volpringen mag. U. 59: auß
inbrünftig red)tfd)affner lieb mödjt id) gern bienen wol. U. 86:
sJNein feino lieb wolt mid) leren wie id) im bienen foU. ^nsbefon-
bere bient ber X'iebfyaber feiner (betreuen, inbem er iie, bie mit einem
.Strang gcfdnnüeft ift, $um lUbenbtanje geleitet, fie beim töeien führt
(£r brid)t itjr bie Blumen $um Hran&e (U. M u. ^8); wenn er reid)
ift, fdjidt er il)r aud) wohl ein Mrän->lein oon Wölbe (U. 39). Ter
auogefurodiene Viebljaber wirb fid) beim Xanten auf bie ©rroäblte
befdjränft haben, benn „er bient ir in allen reien", wie es oben
beißt. Tiefeo $um Tanje=gfll)ren gehört im 8inne beo s#olföliebeo
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bcr ?ifbf*bicptunq be« beutfcpen «Mittelalter«
457
uotioenbio. junt rechten ^iebesbienft. 3)er .Huabe, beffen Viebfte fid)
oon einem anberen bat wrfübren laffen, flaa,t treuberjig: Sites fol
mir beim mein feines lieb, wenn fie nit tanjcn fan? für id) fie 311
bem tanje, fo fpott mein iebermann.
2lud) bie *rau bient bem Mannt. $em ©eifte beö Wolteliebeö
unberftrebt eö burcbauö, \i)t eine untätige ftolle $u$uroeifen. U. 71:
uil gute id) mid) $u ibm perfid), trero bienft mil im erzeigen, $n
einem in berbem Sone gehaltenen £iebe „3nö $eu", bem Vorläufer
einer befannten, nod) iefct fel)r beliebten ^olforoeife, faat bie grau,
al* fie ber fdjlaue (jtotte mit bem Liebhaber überrafd)t : ,,id) nriü bir
all mein leben lang bieneu befter ba&". $aö s)Häbd)en befdjenft
unb fdmtürft ben beliebten. (S. 33. 141a:
Süeze Minne, rame min
mache mir ein krenzelin.
«laz sol tragen ein stolzer man
der wol wiben dienen kan.
!öol)me 355: 2iterumb folt id) nit fremen mid), fo id) eo fid) ein
rounber, bafc mir bie ^axt, bie minneflid) bat aemadjt ein franj be-
funber. Sie ajebt ih,m alö ^fanb ityrer Sunttöuna, einen Kranj
oon iHofeu, sl>eild)en, $era,iftmeinmd)t ober perlen ; fie fefct itjm biefeu
auf (U. 27) fte ajebt ibm aud), roenn er ärmer ift a(ö fie, einen
l) *Jöpme 300 ift fiit ©cpWftjfr SNai» unb lanjüeb abgebrudt. $te
gorm fcpeint mebrfatp umgeftaltft ff in; baö Pteb bleibt aber trofcbem ein
eigentümliche« 3eu9ni* uralten Waturbienfte«. $ie Verjüngung ber fcrbe
burcp ben SWai wirb befungen. 3>ie ftüqrerin br« Steigen« trägt ein äranj-
lein Don jwölf ©turnen, in ba« ein Strauß gebunbrn ift. 2)iefen ©traufj
reicht fie, roäprenb bie ©cplufeftroppe abgejungen wirb, einer im Steigen; fte
jcpmlt if)r „ben SRepen jur lefee"; bie ©ff<pentte wirft iljn aud bem Äreife.
$ebenfa0« liegt ein üolf«tümli(per GotiQon Dor. — Wubolf $Ubebranb weift
in ber „3ettfcbrift für beutfcpen Unterriebt" 1893 auf ein «inbertanjlieb bin,
ba« in meiner £etmat, im 2öatbe<ff(ben , unter folgenbetn Eingang betannt
ift: „3$ wollt euch gern ein «rifflein bringen, «fula«" (?) «in Äinb be-
roegt fiep mit ber fcnrebe Dter <Sd)ritte Dormärt« gegen bie übrigen $in unb
gebt bann bei bem Äebrreiiu ©fula« in brei ©epritten wiebtr jurüct. (Ebenfo
machen e« bie flntwortfnben. $tr ^upalt ber SBfcpfflrfbe ift eine ©raut«
Werbung, $ilbebraub erteunt in bem fliebf fiepertiep mit SHfCpt altgermanifcpe
. Stpptbintt unb weift auf brn jepon Don ©eperer betouten 3ufamm(npang
awtfcpen SRarfcp» ober XanAfcpritteu unb ben Saften be« alten ©erfc* bin.
Um ©(plufc trat in meiner .fceimat ba« gur ©raut erleffne 3Häbcpen in bie
2Jiitte unb würbe Don ben anbertn umtanjt, inbfin fte fangen: ^eterftlien,
©uppenfraut, W. ift bic ©raut. SBBie id) Dermutf, pat urfprünglid) eine
Äränjung ber Qraut ftattgefunben unb man \}at in bem Hiebe bie (inbltcbe
sJ{acpapmung eine* cotiflonäbulicpeu Xanjf« }it frblirffn.
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SHubotf «orltf, ?i*bf?lfbfn imb ?ifbf«bifnfl iit
Mug, an bellen l'lnblicf fie fidi beimlidb erfreut (U. 61). Cber bie
Viebenben brechen jufammen bie Blumen ju einem .Hranj unb ge=
loben babei einanber Treue in ©bren (U. 23). S>ie Inffen ihre
jliit\lcin fdiiefien unb fetien einanber an. 2)er (beliebte barf bie
Jungfrau auf ben SDhnib füllen. £r null tfjr gelbes .fcaar mit
brauner Seibe aufbinben, et in Wölb Mitben (II. 42). Sie tritt
ihm oertraulid) auf bie AÜfu* (66). $t er innig mit ibr vertraut,
in läftt fie ihn „nahe bei fid) liefen". tfr fleibet fid) in ihre Aarbe.
höhnte 133: minfen mit ben äugen unb tretten auf ein fuee. 1)ieie
(efetere ^ärtlidifeitobeteuerung beutet noit .fmufe auo bie 5Wifcergreifum)
ünnbilblid) an, u;iiu^ al|*o uriprünglidi uom sJWanne aus. (*bb. 21?:
in meine färb ift er gefleibt, 00 tut er nur hinfahren. 178:
J<on rotem golb ein fingerleiu bah idi in feinem "-Nett gelaffen.
U. 41 Xcv Alnabe, bem fie ein Mrän.Mein gefdienft, hofft barauf balb
Don „treu blanfeu ermlein" umfangen }U merben. U. 40: eo ift uer
gangen jar unb tag, ban idi in buleno arme tag« mobl au ir bmft
aebrungen. U. 87 Sie freut üd) ber Umarmung beo äRamte* : fornd)
fid) bie (ram mit lüfte: er leit mir au ber brüfte, ber mir ber liebeft
in. Tic Umarmung ift innig 11. 89: lir halft, er fufft, er brurft fie
lieblid) an fein leib. Vüfterue äludmahutg beo "Jiatürlidieit mirb aber
im ^olfoliebe fteto uermieben. l'llleo äfogefftyfte gehört (um Tieuft
ber Webe, ber in rediter State gejdiiebt. 31ud> bie sJ)iaHe nürb
öftere betont. State ift jefct beiberfeitige Irene, .ftä&lerin 17:
Mein fraw, bis statt in triuwen, halt dich «less gleich von mir.
11. 61: „^d) hob mir ein ftiiten bulen Jtuar, breiuiertel unb ein
ganjeo jar bin id) im bolb geiuefen", jagt bie Jungfrau, bie beim
lidi liebt. £er fdieibenbe .Uuabe tröftet fid) U. 64, beim bie We
liebte „luvt mir ein eib gefdnnoreu, fie molt mir bleiben ftät". (rr
tröftet II. 72 bie (beliebte: bie red)te lieb unb fttitigfeit lafe id) bir,
feino lieb gm leiie. tfbenfo fragt ber Sdieioenbe 259: mao left
bu mir je letje? ^Intmort: mein er in ganger ftetigfeit. 26oa
Sie oerfuridit beut Sd)eibenben: fie möl mir bleiben ftet, fie möl
Daran gebenfen, menn fie ein anber bat. & 267 Sie bittet: trin
jar fan id) mol märten, ein jar ift balb bahin, fo bitt id) eud), *nrt
jintgling fchön, fürt nur ein fteten finn. U. 42: vxsdi münfdj mein,
buolen ein ftaten fin. II. 48 B : unb mer ein ftäteu buolen bat, ber
mag mol frölid) fingen. 48 A: SBökfct ein lieben buolen hat, halt
in in red)ter maoen. U. 69: Sein tu id) einig bleiben, ftät, treu»,
Der eren fromm Werne fdienft ber Sdieibenbe ber l'iebften ein Vieb
glt Vefce (Köllme 266; £offmanu e, ,yallerolebeu 76). ivd) bie
bnr fliebfdbidmtng bf« brutf4en 2RittelaUfr*
459
sJlbineifung gefd)iet)t nad) beftimmten ©ebräucnen. $ie $toib, bie
von einem Bewerber nidjtd roiffen null, giebt if)tn ein Wofenfränjlein
grüner de Hlee, b. t). einen Weftelfranj 263); fie giebt ifnn, wenn
fie roeniger fcbroff »erfährt, Den Segen mit tyren roeijjen &änben, mit
itjrem roten 9)tunbe. 3o roenig bae Volfdüeb an fidj ber tnnigften
öememfdwft oon Viebesleuten abbolb ift, fo angelegentlid) warnt eo
bie Jungfrauen baoor, if>re (Sljre leichtfertig aufs Spiel ju fefcen. $ie
Sacbe roirb nid)t nad) mobifdjen Vorftellungen, fonbem oom Stanb-
punfte ber Volfofitte unb praftifdjer ßebendioeiobeit angelegen. 3o
warnt bie Wadjtigall. Tie &afel erroibert U. 25 auf eine £rofnmg
beo 4)faba)en6: Unb tjaun fie mid) im minter ab, im fommer grün
icb miber; verliert ein mägblein iren franj, ben finbt fie nie mer
miber.
Tie xUnnabme ber tnpifeben Vorftellungen beo sJ)Jinnebienfteö
getjt bio ino (rinjelne. 3lud) bae Holfolieb fennt bie Jpute, bie
Leiber ober Hlaffer ata Aeinbe treuer £iebe. Sie werben immer
mebr jum Sünbeubotfe für alleö Unglütf ber Verliebten. Tao slVäbs
d)en giebt iljnen fdmlb am Verluft ihres Hillen. U. 3«: (rs madjent
bie falfcben jungen, bie fint barbi gemefeu, bie fdmibent mir biefe
munben. Ter glüdlid) X'iebenbe aber oerad)tet bie Weiber. II. 41 :
Sl>ao ad)t id) auf aller nmlrooglin fanf, auf aller fleffer jungen.
Tie Wadjtigall ift bier iljrer ihtarnerrolle halber mit ben neibifdjen
jungen in Verbinbung gebrad)t. Fabierin 19: Ain tageweise.
Ter Mann begrünbet fein Scheiben mit ben Korten: ich besorg
der klaffer kalleo. <p. 42: aia klaffer vrrt und enget, das
lieb gen lieb erlischet. 47: Ich bin dem neider ymmer
gramm und wuosch im alles hertzen leid. 3)2el)rfad) fe()rt ber
ihtanfcb mieber, ben Weiber am Walgen, in Tiebeobanben ju fetyeu
42, 45), ben fc^ou Velbefe auöfprad) (M. % 58, 11). #öbme
118 erfdjetnt berHlaffer ata Webenbutjler: ber flaffer mill mid) oer^
bringen mit feinem falfcben t)erj. 18H: Tann was bie falfcben
jungen tun ift jefcunb an bem tag. U. t>8 : Ter flaffer feinb f o oil ;
tjalt bid) gen mir redjtfdmffen ! büt bid) oor falfcben jungen.
243: ©ort geb ben flaffer unglüd oil, ber mid) armeo mdgbelein
inö flofter bringen roil. 253: Sie finb fcbulb an ber Trennung
ber iHebeäleute. U. 54: ber Weif, roeldier bie Blüten oernid)tet,
„fann fid) bem flaffer febmeieben mit ungetreroer 2lrt". ferner:
„mein lieb &at mia) umbfangen, bas tuot bem flaffer tue". U. 59:
Wictyfi ift baran gelegen, ob febon feinb flaffer oil. (Sin gottergebener
Sinn mad)t bie fciebenben getroft trofe aller flnfeinbungen 11. 72:
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tönboif OJoettc, Pirbetltben unb i'tfbf«biriiH ut
Unb roärii ber neiber nod) fo uil, fo gfcbicbt bocb, was gott fjaben
nnl. $ie &ute fteht aud) in ber ^olfeballabe ber ^ufammenfunft
ber Xiiebenben im 3Uea,e; ber ©achter mufj behilflich fein, fte $u
täufchen (U. 90). ^Vrfcf>u>ie^enr>eit ift bem Viebenben beilige ^flimt,
• baß MtolfeUeb folgt hierin ganj ben Vebren SWetnloho von Setz-
lingen. $ie sHnfcbauung reicht fidler über ben iWinnefang t)tnaus.
Sie muß bem feufdjen töemfit als felbftoerftänblid) erfdjeinen unb wirb
beötmlb nid)t allju oft ausgesprochen. U. 8<>: roer fidb fein* bulen
tut riimen, ber hat fein f leine er. Namentlich bie Jungfrau mun
barauf fehen, baß ihre ^iebe nicht uor ber 3eit befannt wirb. U. Hl :
id) barf nit frölid) mit im f ehernen, id) fordrt, man merb eö innen.
Slber eö tl)ut ihr im &erjen mel), bafi fie feine l'iebe t)eimlid) trafen
muß. §äfolerin II. Teil ^etjrtjaftes ) 58: Mynn will, das mans
haimlich trag, so wirt die lieb de8t grosser. 11. 212 £>cr 2&rt
mahnt einen gefd)roäbigen Schlemmer: gefdnd)t bir rool etioaö ivuote
r>on t)üofcf)er freulein fein, ba gehört fich febroeigen juo. bn folt eo
boch niemant fagen, bu foltes gar heimlid)en in beinern tjer^en trafen.
U. 104 iHofenbaum: bringt bie ^erroerf liebfett Oes ^rablenö unb s^lau
bemo in Viebesfadjen $ur Slnfcbauung. Tao neuere Jtfieb „(£ö waren
'mal brei ©efellen" faftt am Schluß bie l'eljre, bie ftd) aud bem Vor-
gang ergiebt, in berber Sprachroeife Mammen. Neuere« -Holfolieb:
sMUft bu bein &erj mir fdjenfen, fo fang eo heimlid) an. (Goethe
in „iBaljrer Wenuß": ©ollüftig nur an meiner Seite unb fittfam,
menn bie sBelt fie fieht. — Selbft bie SÖeifung sJDceinlohö: man sol
ze liebe gaben ift in Erinnerung geblieben. $er Verliebte fagt
U. 243: „$annod)t nul id) fein ir gad) id) main ber roerben weibe",
obgleich er roeiji, baß fie ihn $u einem Ztyomx machen.
Sidjer fehr alt unb oon £auö aue bem uoltetümtidjen Schate
poetifd) nrirffamer ilsorftellungen angehörig ift ber ©ebanfe, bafi feine
l'iebe ohne i'eib fein mag. 2lud) bie SMnbung burd) Slfliteration
fprid)t bafür. 3m älteften £ageliebe, bao mir beftöen, in Winnt-
fangs grühling unter Dietmar o. ©ift abgebrutft, fagt ber 9)tonn
fdjeibenb liep ane leit mac oiht gesin. £>ie grau entlaßt ihn
mit ber gleichfalls auf bie Empfiubungöroelt ber Wolfobidjrung bim
roeifenben grage: wenne wilt du wider her. .fräfclerin Ift: Ich
hab durch irn willen gelitten lieb und laidt. Jp. 42: Die lieb
die ward gemenget, darunter laid gemischet. 55: Lieb
pringt laid als hitz den regeu. II. Teil 58, 107 [teilt Mynn
lieb und laid als $uf ammengehörige Thinge hin. U. 53: £urd)
lieb fo lib id) yiu, burch lieb fo lib id) not. II. 90: Eö mouet lieb
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btv fifbeöbidytintq t»eö bfutjdjrn 3Rittc(attrr6
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bei liebe, barjuo groß t^eleib. Tie ftrage nach ber 2Hieberfebr
Deo l'iebften oerbinbet fid) aud) im Volföliebe naturgemäß tnit ber
tölage über bie Trennung. U. 70: menn roilt bu roiber fummen?
Das folt bu fagen mir. 2H7: iitann roiltu nriberfommen unb
baß bu mid) erloft. U. 79 B: bu hats mir berj, moit, finne
benomen, manne fo uült bu roeber fomen? (&ieberbuch ber ,§er$ogin
3lmmelia oon (Eleoe). $offmann x>. Fallersleben 85: ba bub fie an
$u flogen mit felmlid)er Regier: &erjlieb, fo tbu mir tagen, iBann
fommft bu miber fcbier. Erinnert barf aud) werben an bie (jerjinnige
l'iebedflagc ber Trompeterbraut bei Scheffel : Tu frifdjer Spielmaun
iu Söalb unb gelb, bu Sonne, bie meinen Tag erhellt, mann wirft
bu nneberfommen? Tie Meinung, baß glücf liebe l'iebe gefunb fei,
blieb gleichfalls unoerloren. U. 243 fcbließt: bie rain bie prächts
gar balb barjuo, baß id) mär fd)on genefen. & '2ti4 A : Sie f>at
ein roten ÜHunb, folt id) fie Darauf füffen, mein l)erj mürb mir ge^
funb. & 3iu Gimmel: Do ift gefunbheit otjne me unb märet
t)üt unb immer me. it. 246 : Muß mich, fuß mid), roter munb ! $uo
aller ftunb merb id) gefunb. — Jreube unb ttebe mad)t §er$ unb
(#emüt brennen. .§äfclerin II. s)lx. H): Ey, leg «lein band uff
mein liertz, das pryonet recht, als ein kertz. 149 in einem
3ommerliebe: Vor freub mein ber} tut brinnen, oergiß jefct alles
leib. 197: sJ)Jein t)er,> bat fid) $u bir gefeilt unb brinnt an allen
orten, .froffmann o. Fallersleben 83: Turd) beine flare Äuglein
brtmtft bu mich, jarts ^ungfräulein. teuere« dolfslieb: Mein geuer,
feine .Hohle ttmt brennen io ^eiß u. f. m.
Tas ftoflieb roeijt ^erübrungöpunfte mit bem Tageliebe auf.
311© £of lieber merben biev alle lieber bezeichnet , bie fid) nid)t oor-
jugsroeife auf oorgeprägteu bilblicben &<enbungen, dergleichen unb
^aralleliomen erbauen, .öäfelerin 25, 82- 135 ftier ift im Wohnten
bes Tageliebes bie lUnfdwnungoart bes fpätmittelalterlicben Siebes;
bicnftes $um Slusbrutf gebracht: Sie liebt fein meufdjlicb 3Wb mie
ihn. Sie miU fid) mit tym erfreuen, ibm in ftäter Treue anhängen,
mie er eö null- l$r erflärt hierauf, fie fei ibm bie Viebfte oon allen
Jrauen; aber er muß um ber flaffer milleu fcbeiben. (Sr giebt ihr
ben Segen unb empfiehlt ficb ibrer Treue. Sie mnnfcbt ibm (Rottes
&ut unb glütflicbeo Vollbringen ju feiner Fahrt, gan; wie er es begehrt.
Seine Fahrt ift ibr unlieb, Denn fie bringt ihrem .<per$en swa»re,
aber fie roirb ihm ftftt bleiben. Tas Tagelieb enthält hier alfo eine
gebrängte Tarftellung ber mefentlidjfteu formen unb 21ufdmuungen
bes Tienftes. (Tie lieber, meldte man als £>oflieber bezeichnen fann,
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Siubolf (jJofttf, ?irbe«(rbtn unb Vtebrtbienft in
finb jiemlid) ^ablreid). Sieben ben fd)ou $uoor angeführten Stücfen
Der &äfelerin geboren hierher inobefonbere U^lanb 19, 38, 39, 4<»,
49 [tjier ift roa^rfcbeinlid) bie urfprünglicbe Weftalt geänbert, Strophe
4 unb 5 Dürfte auo$ufcbnetben fein], 54 61, «4, 66 -«9, 71, 72,
86; 335l)me 252, 253, 259, 26«, 267, 242, 243, 127 äRirnirito
um 146(1, 129, 131, 132, 148, 149, 196, 215, 230, 231.)
$iefe öebidtfe bieten ein fiitrurcxefdiictjtlid) merfmürbigee #ilb
baoon, mie mäbreub ber lefeten jabrlmnberte beo s))ttttelaltero in
ben Greifen beo moblbabenben ftäbtifcbcn Swrgertumo jarte (jmpfin^
bunten gepflegt werben, fie eröffnen einen Wirf in bao ^nnerfte
beo Itolfolebeno. gefelligen vitcrfcbr ber ftäbtifcbeu C^efc^lexbter
fanb bie Sitte, ben Jraueu nad) beftimntten rHegeln $u bulbigen.
frül)$eitig Eingang, bao ^orbilb biefer töefcbleebter lieft bann einen
fonoentioneü geregelten Xfiebeobienft junt tfrforbernio feinerer ©Übung
lüerben. Jyür einen moblgefitteten jungen SHann geborte es balb >um
(£rforbenüö beo guten Xono, einem Räbchen „in jüdjten unb in
eren" ben &of $u mad)en. ©ei llblanb 60 beu'icbnet fid) ber Siebter
am SdHufj ale einen feinen ttnabcn unb fügt bin^u: „er get *u
Lüneburg auf? unb ein, bei ber ber*allerliebften fein er bleibt mobl
unoerbruugen". Cftmalo gel)t ein Ton mebmütiger Klage burd)
biefe lieber, bie l'iebc eridjeint boffnungoloo, ohne ba& bie joinber-
niffe näljer bejeidmet werben, ein ^uftanb, ber febr begreiflieb wirb,
menn man bebenft, baf? in ben »gerfamilien ber rHegel nacb bie
Altern über bie &anb iljrer Minber oerfügten. tnpifeben
jeidjnung foldjer bid)terifd) niebt näber auojuführenben .pinberniffe
ber eigenen Steigung ermieo fid) bann bie Weftalt ber Leiber ober
böfen Sunden als febr nüfclia); übeliooUenbe Smifdjenträger, auf
loelcbe bie ©eüeicfmung biujubeuten fd)eint, finb gemife ber fciebe tbafc
fäcblid) oftmalo in ben Seg getreten. £er uuglücflid) l'iebenbe, beffen
xUuoermäbltc einen anberen oorjtebt, bittet sumeilen trob ber ^>off-
nungölofigfett feiner Werbung bie 3rau, ihr ferner bienen ju bürfen.
steift aber menbet fid) ber .Unabe oon ber bauemb Spröbeu unb
ber Ungetreuen ftolj binmeg. £ao .froftieb mar oon .frauo auo rein
funftmäfng oerfafit; in ben älteren Stütfeu, mie fid) folebe bei ber
&iu}lerin finben, fpielt bie Weflerion über ISrlebniffe beo Genend eine
große ^olle. (So giebt ebenfo mie bie Viebeolieber beo SWinnefangeo
ben silnfcbauungen eineo Stanbeo sJluobntd. 3lber biefe ^nfebauungen
mürben immer oolfotümlicber unb fo marb co *um ©olfoliebe. Ute
älteren mebr ber ttunftbiebtung angebörigen Vieber, mie fie fidj
namentlich bei ber &ä&lerin finben, finb breiter angelegt, meift m
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ber VifbfSbidjtuug be« beiufdjeu SRittrlaltrr«
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breit; je oolfotümlicher Die Reifen merDen, um fo fnapper, über=
fic^tUdjer im $ebanfengange geigen fie fich- rtennjeicbnenb für biefe
Wartung ift alfo , Dan fie ben Slnfcbauungen eineo oornriegenb eh^
fameu bürgerlichen liebeobieufteo ^uoDrucf oerleibt unb femer, baj?
Der ®ebanfengang Der einzelnen lieDer oou euiom einheitlichen ^lane
^eugt unb fpringenDe Übergänge permieben werben. NJtaturfreube
unb glücfliche liebe, iHbfdjiebOfcbmerjen, Klagen über Untreue, ^ubel
über bie befeligenbe Wenußbeit geheimen ISinoerftänbniffeo, hinter;
leib unb Trauer über bie Trennung bilben ben Inhalt biefcr lieber.
Taö fittlidje ^beal, bao überall beroorleuduet, ift bie unerfd)Utterlid)e,
in tiefem Vertrauen begrünbete $eftigfeit beo liebeobunbeö, ber bie
Durch ein Treugelübbe Verfetteten inogebeim ober oor ben klugen
ber ^h>elt »ereinigt, ßr Dient ihr „in üüen reien" ober beimlid) unb
tröftet ficb bann gent am lUnblirf beo rHiugeo, ben er oon ibr em=
pfiug. Ter ftnabe, ber beimlid) liebt, bittet (Sott, nicht feinen, fon-
bem feiner (beliebten Hummer ju minbem. J>l)x tbut eo mel) im
£er$en, wenn fie ihre liebe beim lieh tragen muß, aber fie hält barum
um fo treuer ju bem Sluoerroäblten (ogl. Ul)laub f>o, «l). Tie
liebe ift eine .fcerjenoebe, bie fid) mit innerer Freiheit über äuftere
gemmniffe binroegfefet. Ter ^anfelmut unb bie Untreue merben fteto
herbe oerurteilt; uirgenDo ergreift bier Daö lieb, wie fpäter fo oft,
Partei für ben flatterhaften Wefellen. daneben trüben unb uner=
freulichen ©rfebeinungen beo auogebenben 3)iittelaltere gegenüber ftellt
ber liebeobienft im gefeUicbaftlichen leben beo ftäbtifeben Bürger;
tumo eine lichtfeite ber beutfehen Weifteofultur jener fetten Dar.
Diu linde ist an dem ende
nü jarlnnc sieht linde blüz,
mich vehet min geselle:
nn engilte ich de« ich nie genöz.
Tiefe Verfe fr 4, 1), bie ein alteo, aber immerbin fünft-
mäfugeo, auo burchauo fubjeftioem (Smpfinben berauo gebichteteo lieb
eröffnen, weifen bie (>Jeftalt ber älteften formen beo Volfoliebeo auf.
(Sine CSrfcheinung ber Wattn ift in parallele >u einem inneren ßrlebniö
geftellt unb Dient baju, biefeo in eigentümlichem SiMberfpiel poetifcb
*u beleuchten. Xafür, baf* bao 33ÜD oon Der einfamen ÜnDc Dem
Schate Der VolfoDidjtung entnommen ift, fprid)t feine häufige lieber;
fehr unb Die altüberlieferte fulturgefd)idulid)e Bedeutung Deo linDen^
baumeo. U. :>7: £e ftet ein linD in Difem tal, acb gott wao tuot
fie Da, fie mil mir helfen traureit, Daf? id) fein buolen Imb. Ter
Eingang eineo anberen liebeo U. 11 « weift Darauf tun, bajj Die
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fflubolf ®ofttff Ptrbrtlrbrn unb Vifbe*birnft in
*3J?aib in furjem allein fein wirb: (So ftet ein linb in jenem tal, ift
oben breit unb unten fdnnal. Tie blübenben Vinbeu$n>eige gelten
aber aud) alo Sinnbilb ber Jreube U. :>6: brei laub auf einer
Unben bie blüen alfo mol: fte tet oil taufent fprünge, ir ber$ roao
freuben ool, id) güno bem meiblein mol. U. 336: (*« (tot ein Unb
im fnmelreid), bo blücjenb alle efte. 2luo neueren Biebern: 3lm
Brunnen oor bem Tbore, ba ftebt ein Vinbenbaum. (Sine Vinbe im
&Mnbe bie biegt fid) unb fdmtiegt fid), fte mei& mobl warum. 3olcber
^laraüeliömen finb nun eine grofje Mnjaljl oorbanben, fie finb bao
(Sbelmetall, au« bem finnige 3ange«funft immer neue Vieber fdjmiebeL
3um Teil, inforoeit fie bem 3Rinnefange mit bem ^olfoliebe gemein=
fam finb, begegneten mir biefen Silbern fd)on f rüber; fo erfdjien ber
rtalfe, ba« "itfalboöglein als cinnbilb beo leicht bebrotjten 33efifce«
ber üfiebe. Ta« ^olfolieb bat aber oiel eigene« (äut: ber falte
^Brunnen erfrifdjt unb bie l'iebe aud). Ter bübfdje rote Äpfel
täufdjt, menn ifnt ein %&urm angef reffen, roie bie ungetreue Viebfte.
3luf einen Tiftelbaum fanu mau fid) ebeufo wenig fefeen, mie man
jungen Ainaben trauen barf. Tao jungfräulidje &er* ift ein iHofen;
garten, ben fein Unberufener betreten foll. Tie Vitien roadjfen aus
bem ©rabe beo ©etreuen, beo eljrlid) Viebenben. Tie bolbfelige
beliebte ift ein ftofenftotf. Ter 3d)lag ber s)Jad)tigaU, ber :Wuf beo
rtucfutfo ertönen $ur ^eit ber Viebe, begleiten beren Ölücf. Tic
3ungfrau, meldjer ber ßiebfte nidjt öffentlid) bienen barf, oerbirgt
ibr ßerjenoroet) unter einem fdjroarjen bleibe. Jaft überall leuchtet
aud) Ijier bao ,)beal ber Treue, bie erft lieb unb mert mad)t, neroor.
2lud) bem obllig naioen s^olfoliebe ift bennod) eine beftimmte fittlicbe
Äuffaffung eigen; aber fie läßt fid) nur mie ein oerborgener .ttero
auo bem Targeftellten gemimten. s))Jau barf annebmen, bafe bie
älteften einftropbigen lieber fid) auo einem 33ilbe unb auo beffen
Teutung auf bao innere Veben sufammengefetjt baben. Tiefe Wrunb-
form ift auo ben älteften (Srjeugniffen beo vJ)iinuefange« nod) mit
l'eidjtigfeit berauöjufinbeu. #gl. aud) bao oben oollftänbig angeführte:
brei laub auf einer linbeu. Tao si>olfolieb im engereu 3inne fefct
fid) nun, mie fd)ou bemerft, mofaifartig auo einer 2ln$abl oon
3tropben sufammen, oon benen jebe burd) ein beftimmte« SMlb be-
berrfdjt mirb. 2lufeem unb 3nuenmelt fteben in fortgefefcter ^iiVc^fel-
mirfung. Tie einzelnen Vieber mitfamt iljrer söe3iebung auf bao
Seelenleben gehören nidrt bem bestimmten V'iebe an, fonbem finb
Eigentum ber gefamten ^olfolieberbid)tung. (Sine ungemeine Veicbtig-
feit ber ^robuftion mirb t)ierburd) erflärt, ebeufo, baft fid) ganje
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ber £iebe«bid)tung be* beurfa)en «Mittelalter*
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Strophen, ja Strophengruppen in oerf dn' ebenen Biebern wieberfinben.
Das i>ereinigenbe ift immer ein befonberes (Erlebnis, bas von ber
Stimmung ber uorgepragten SJilberfpracbe getragen oft erft gegen
ben Scblufe l)in beutlid) wirb. %l. Uljlanb 86, Str. I : (Sin 2Beä;
ruf; 2: Der Dichter l)ört ein äfttjfer fliegen, ^iuet braune Äuglein
bliefen &um genfter ber ^iebften hinein: 3: (&r wirft if)r brei 2ilien=
blatter hinein unb bittet um (Sinlafe; 4 u. 5: @rft jefet werben mir
mit bem Vorgänge näher berannt: Sie r)at einen anberen öuben bei
fid) unb ber SBerber siefn" traurig oon bannen. Die ßieber biefer
2Irt untertreiben fid) oon bem &ofliebe einmal burd) ihr epifd)es
©efüge, fobann baburd), bafe ihnen jebe Xenben$ oöüig abgebt, Sie
bienen niemals jum 2lusbrutf beftimmter Anflehten barüber, wie man
lieben foll; fie wollen X'uft unb Xieib bes &er$ens barft eilen. Sie
ftnb unabhängiger oom 3)Jinnefange als bas $oflteb unb oerbanfen
ben größeren £eü irjreö ^efifoftanbes an poetifd) wirffamen ©leia>
niffen ftcherlid) einer älteren ^olfsbidjtung. (<5s gehören In'erber
&äfelerin 53: Das wetter will vereberen sich. Die urfprtinglicbe
Einlage ift oolfsmafug, bie oorltegenbe Bearbeitung allcrbings rum
ftelnb unb babei ungefd)icft. U. 16: 2lugSpurg ift ain faiferlid)e
ftart. U. 17: Dar lid)t ein ftat in Dfterrif. U. 21: sJ)iit luft tet
ict) aujjreiten. 21 B: Dort oben auf bem Serge bas ftet ein fjofjes
&auS. gerner U. 24, 25, 27—35, 37, 42—48, 50—52, 62, 63,
65. Söfmte 135 (ogl. U. 80), J38, 141, 159, 160, 169, 185,
188, 210, 229. Diefe Sd)etbung in ^oflieb unb eigentliches 33olfS--
lieb gilt für bie größere 3)tenge ber älteren lieber. U. 20 u. 36
ftellen eine >Bermifchung ber beiben Stilarten bar. Später werben
bie ©renken überhaupt unfidier.)
3um Seeluft feien bie wefentlidjften (Srgebniffe biefer Arbeit
nod) einmal furj jufammengefafit :
Die Betrachtung ber urfpri'mgltcbften <£r$eugniffe bes Wirme:
fanges auf ben Inhalt ber tnptfcheu Borftellungen hin, bie man als
fein ©emeingut anfe^cn barf 2), führt ju bem Ergebnis, ba& eine
ältere SBolfaliebbidjtung oorbanben, aus welker ber heimtfd)e SRinne;
fang fd)öpfte; feine 2tnfd)auungsmeife entfprid)t in oieler 4Mnfid)t
noch Dem poetifchen unb firtlidjcn Gmpfinben ber ©cfamttjcit.
») Öon einem (Eingeben auf bie Unterfud)ungen, bie ftcb, mit bem 9rfi^
ber älteflen ©aganten« unb 3RtuneIieber an fefl ausgeprägten formelhaften
tBenbungen beschäftigen, warb ^ier abgefetjen, ba natb, ber (Ükjanttridjtnng
biefer Arbeit überall üom 3nb,altlicben ausgegangen werben mußte.
.rffitfdjrift \üt Äwltwtgfidiirt)«. I. 30
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466 M. (»octtf, SMebf*(. u. WrbcSb. i. b. ftebeSbt^t. b. b. 3Äittflalter*
vVne unuüdjfige $)enfart bat fid) im inneren £Vutfd)lant» im
(>)eaenfat} *u ber im ci^eutlid)cn Sinne böfifaVn 3anaeotoeife unb
A-rauenuerebruna, erhalten, fo lanae ein iKinnciana, ^c^lüht bat; ihr
Umfdjlaa, ino Wobe unb sJtarfte fennjeidmet bie ^uflofuna. beo "iDiinne
fanaeo.
£>er l'iebeobienft alo folcber, ohne ftberfdntuina, nnb Inmmelnbe
Sdnoärmerei betrieben, ift uolfotihniid) aemorben; er lebt nicht mir
in einer befonberen, hier nnb ba lehrhaft anaeljaudjteu (Wartung bc$
^olfoliebeo, bem foaen. &ofliebe, ionbem and) in ber a.cfcUfcbaftlid)cn
8itte beö ftäbtifd)eu $ura,crtum* fort.
Dao ^olfölteb im enaeren 3inne iweift auf bie älteften (£r$eufl-
niffe beo Tinnef anges }urücf; auo beibcn läfü fid) eine aemeiniame
Wnmbform, eine 31 rt 3dmabat)üofl berauolöfen. ^n beibcn äußert
fid) oolfotümlidH'G Ihnpfinben ohne lehrhafte ^eimifdmna. aanj ahn;
lid) wie im fdnoäbifdjen, bai)erifd)cn unb öfterreid)ifd)en ^olfolicbc
ber sJfeu$eit.
60 ift hier für bie Vicbeobidjtuna. beö Mittelalter eine weit
aebcubc Kontinuität beftimmter Tropen unb tumfdjcr ^orfteUuiuien
nad)acmicfen unb beleat roorben.
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^aittcifttngcn unb ^loti^cit.
löom 29. bi« juin 31. SDlära b. 3. waren bic beutfehen £ijtovifer
$11 ihrer jweiten Hcrfainmluug, biefe« 2Ral tu ?eipjig, jufammengcticteu.
Die Beratungen erftreeften ftet) namentlich auf bie Stellung bev alten <§e<
jcfyicbje im gelehrten Unterricht (in Änfnüpfung au bic Dor jährige Söerjainm-
luug), auf beu Staub unb bie ©ebeutung ber laubeSgefchtchtlichen Stubicu,
iuSbefonbere auf bie Arbeitsgebiete ber lanbeSgefdjidjtlidjen *JhiblifationSgefcll«
l'chaften, unb enblidj auf bie ®runbfäfce, welche bei ber Verausgabe oon Slftcn«
ftücfen jur neueren (Jkfchichte ju befolgen ftub. Namentlich Schulmänner
beteiligten ftch. an ber Debatte über ben erfien (Segen ftanb; bie jchlicfjlicb
angenommenen X\)t\tn betonen mit (Entfchicbcntjeit, baß ber Unterricht in ber
alten ©ejdndjte bie ©runblage aller weiteren ^tflortfc^eii ÄeuntniS unb BtU
bung bleiben muffe unb nicht gefchäbigt werben bürfe. Vielfach würbe in
ber Debatte hrroorgehobeu, ba§ ber Scachbrucf babei auf bie Äulturgefch'ichte
31t legen fei; jo namentlich Don £>annacf-ffiien, ber bie SBichtigfcit ber heflenifch
römifcheu ©efchichte mit {Recht fchon auS bem (Sinflug bev antifen Äultur auf
bie ftolgejeit herleitete. So ocrlangte er auch einen ÄurfuS ber altorieutalifcheu
OJejchichte, bei bem bic Äultur biefer Hölter befouberS hfVöor9e^0^cn wirb.
Äaemmel empfahl, bie altorientatifche ©efchichte nicht 511 fehr ju betonen unb
ftd) auf bie entfebeibenben ^auptthatfachen unb charafteriftifcheu Änlturbilbcr
ju befchiänten; icine I^efe: $ie (Öcfchichte ber altorientalifchcn Bölfer if!
nur infomeit unb jwar in enger Herbinbuug mit ber griechifchen Wefchidjtc
$11 betjanbeln, als fte bie ÖJeftaltung beS uerftfehen deiche« öorberettet hat,
würbe angenommen, ©ine aubere Ibefe, bie ben ^ifiorifc^eit Unterricht auf
ber oberfleu ©omuafialfhife wefentlicb ber neueren, inSbcfoubere ber beutldjeu
QJeicpichte wibmen unb bie Dcrtiefeube Betrachtung ber alten ©efchichte im
mefentlichen ber Älaffticrleftüre juweifeu will (ebenfalls angenommen), er-
läuterte er bat)in, baß gerabe für bie tu" öorgejchlagcue Vertiefung beS Bci^
ftäubniffcS, namentlich nach bev rulturgefchichtlichcn Seite bin, ba§ ^nteveffe
ber alteren Schüler leicht ju gewinnen fei. Sine weitere Xljefc, für bic
30* ,
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^Mitteilungen mir Motten
yicrrlirfj eintrat, unb bie gutgeheißen mürbe, wirb ebenfalls bem Äultur-
biflorifer fr/mpatbifd; fein; fie lautet: „Die ?eifiungeu ber (Griechen auf bem
Gebiete ber bilbenben Äfinfie foHen an ber £>anb geeigneter AnfchauniigS»
mittel als wichtiger Veftanbteil ber Äulturgefdnchte ber 3ugenb Dorgefüb,rt
merben". 3m übrigen trat bei ber Verbaublung ba« Veflreben h«Dor, bie
neueren Angriffe auf baS liuntaniftijAe (Somuaftum jurüdjuweifen, fo nament>
lieh in bem Referat beS «DireftorS $äger. Die Icute angenommene Dfcjeje,
bt« in ber ©djmälerung beS lateinifchen uub gried)ifa>en llutc cndjtö über eine
iieroiffe (Drenke hinaus eine ©djmälerung beS Unterrichte in ber alten (Sc-
'jidjte wie in ber ®efchtd)te überhaupt ftelit, unb betont, baß biefe ©renjf
nt bem preußifchen ©pmnaftallehrplan iiberfchritten fei, bebeutet eine Demon
ftration nach biefer SRichtung Inn, lieber ihren SJert fann man iebr jroeifel'
liaft fein. Auch, gehörten bie ©chwierigfeiten, alte gute Jrabitionen unb jetjv
reebtigte neue ^orberungen in bie 3n>angSiade beS PehrplanS ju bringen,
nic^t jur ftompeteuj ber Verfammlung. (iin an fidj ganj richtiger Antrag
L.uibbe, ber eine gebeitjlidpe (Geftaltung beS Unterrichts in ber flkfchidjtr öoit
m burch äußere liJrünbe Deranlaßten (Sinfdjnitl naa) Uuterfecunba gefä^rbet
h, hing auch mfbr imt ber allgemeinen (Befialtung unferer (Schulen su-
mmen, hatte aber als 9iefoIution angenommen werben fönnen. — Sei bern
zweiten <9egeuf)anb »erhielt fta) bie Verfammlung weniger beratenb , als
,i<hörcnb unb gutbeißenb. Iis baubeltc ftch um bie für ben politifchen unb
ft noch mehr ben Äulturhiflorifer böcbft wichtige lanbeSgefchidnlichc 5öe«
megung, bie ia DerhältniSmäßig jung ifi, aber bereits außerorbentliche Gr-
bniifc hworgebracht hat- jimächfl einen allgemeinen lleberblid 51t er*
möglichen, fprachen eine Weihe Dou Vertretern Drrfdjiebener lanbcSgcfchichtItchcr
Organifationen, nicht beliebiger, fonbern foldjer, bie bie Derfchiebenen Dr/pen
ber (Jutflehuitg unb Sntwicfelung Deranfcbaulichen tonnten. Durch, ben gut-
geheißenen Antrag ber Referenten, ber gemeinfame Äonfcrenjen Don Ver-
letern ber lanbeSgefcbicbtlicfoen |Mibli(ationS>3nftitute im 3ufammenhaug mit
tiinftigen $ifiorifertagen begrünben will, ift ber ©ruubflein ju einer allge-
meinen Organijation gelegt, bie für bie Srgebniffe ber laubeSgefdnchtlieheu
ibtubien t)öd>ft folgereich werben rann. Durch bie Vertretung gemeinfatner
,'uite reffen unb (Erörterung gemeinjamer Aufgaben tanu Diel erreicht werben,
aß bie Äulturgeichichte, inSbefonbere bie Verwaltung*- uub ÜBirtfchaftS-
.••chichte, ju ben wefeutlicheu Aufgaben ber laubeSgefchicbtlichen ftorfchungeu
(hören, würbe wieberholt herborgehobeu. — Der britte VerbanblungStag
.ib ©tieoe (Gelegenheit, feine Dhefen über bie (drunbfätye bei ber Verausgabe
von Anenfrüden jur neueren (Gefdnchte ju begrünben. — VJeiter ifi bann
noch auf bie beibeu Vorträge binjuweifen, bie Dor bem $>iftoritertage gehalten
mürben unb bie beibe großes fulturhifiorifcheS ^utereffe hatten. Vortrefflich rear
ameutlich ber Vortrag ©dnnolIerS Uber ben beutfehen Veamteufiaat beS
16.— 18. 3ahrhunbertfl , ber einen umfaffenben Stoff in meiflerhafter Mem>
ofitwn Mar uub lidUDotl entwidelte. Der Vortrag, ben D. Seibis über bie
'pätgotifdje Äunfl im Königreich Sachfen hielt, war lehrreich unb itttereffant. —
?>ie Leitung ber Verfammlung würbe Don Pamprecht uub Arnbt gebaubr)abt.
-Meibe haben ftch um ben .fjiftorifeitag jebr Derbient gemacht, namentlich ge-
lilirt l'atnprecht ber märmflc Daut. (SineS wäre 311 Dermeibeu gewefeu, bie
^iSmardlmlbigung. ViSmard fteht boch noch ju jrhr im Vorbergruub unfercS
^Mitteilungen unb Nötigen
469
öffeiitltc^ru ftbrii*, al« baß eine foldje .frulbiguug uiebt bei allev $erriaufu>
Urning beu Slyarattrr einer Politiken Semouflratiou trägt. — AIS Ort bei
itäd)fien SJerfammluug würbe Harburg benimmt. — 2)aß bie 3"lamiucntuuft
eine $üUe perföulidjer Anregungen unb (Äelegcnbeit jur Au«fpradje bot, braucht
iiicljt erfi fyerüorgebobcn 311 werben. SSBobJ aber barf i<b bic ©eobadjtnng
mitteilen, baß bie beutfdjeu $iftoriter in i^rer großen ^ie^r^a^l für bie Äultur-
gefdjidjte fräftigen Sinn fjaben; indbefonberc t^at e« un« mobl, baß biete
gefd)ätyte Sttäuner unferer 3«tfd)rift ipre roarme Sprupatpie au«fpraa)cn.
3>a« SRepertortum für Äuttftmiffenfdjaft, Don beffen eingeben wir berid)
teteit, erfdjeint weiter unb jwar unter ber SHetaftion Don Xjcpubi unb £bobe.
£a* 1. #eft be« 17. ©aube« ift bereit« ausgegeben.
Neue 3eitfd)rifteuauffäfee:
3eitfcpr. b. herein« f. 8olt«ruube. IV. .fceft, l: A. .frauffeu,
.Da« beutfdje $olf«lteb in Ocfterreicb-Uugarti; 3. ©ölte, $a« 2Kärcpeu uom
(#e»atter lob; Sartori, £>er Sdjub im 5Bolt«glaubeu I; 21. (Sit giert,
SBicgenlieber au« bem «Spcffart; Sfjriftaller, Negermfirtpeu öou bei
(^olMnfle; <S. ©inger, Söubbpiftifdje weibttdje ^eilige; £. (5. $aafe, ©aft-
löfereime; £b. $ eil. Huf einein löauernljofe im <9ftegt^al in$trol ; A. «aum
gart, «erfepiebeue« oom Aberglauben, oon ©itten unb (SJebraucpeu in
äRitteljdjlefien.
^Mitteilungen au« bem germanifdjen Natioualmufeum 1894,
$ogeu 1—7: 3. Santa im, Au« bem ©riefwedjfel eine« iuugeu nürnberger
Kaufmannes im 16. 3ab,rb.. ; £. $öfd), 3um söerteb,r«leben im 15. 3°9rb-;
ib.. £ampe, ©pruebfpredjer, äReifterftnger unb £o(p$eitlaber üornepmlid)
in Dürnberg.
3eitfdjrift für b eu tfd)e« Altertum 38. $eft, 1: ^riebfep, öegeu
au« Sonboner £anbfdjiiften.
(Slobu«, 65. 3abrg., Nr. 9; (». »aucalari, £a« läublitpe SHopu.
bau« in ben ©Übalpen. Nr. 17: <S. £. V. Äraufe, $er Uebergang be«<
Gartenbaues au« ber romanifrpen in bie germaniftbe Kultur.
«om $el« jum SWeer 1898/4, £eft 8: ®. ©teinpaufen, «eruunft
uub Piebedpeiraten.
Am Urquell, V. $eft, I: SBeinbolb, 3ur ©fbeutnng ber 3abl
Neun; A. SBiebemattn, Aegpptifdje iotenopfer u. ib^r3meel: A. Spam-
berlain, lieber bie Benennung be« $fcrbe« tu ben ©prägen ameiitanifeper
3nbtaner; 2H. be 3iloa Söi(f rem a jtngpe, ÜJolf«glauben in Geplon: XU
fturept böfer (Seifter r>or Sifen; O. Knoop, Die neuentbeeften beutfd)en
©öttergeftalteu unb $ötteruamen; Jcrauß, .^erjog äJcirceta; C. Nabe
macber, üWaifitteu am 9lbein; 3. 9lobinfobu, Au Ajen>bore ober ©üt
Aeug; o. SIMi« l odi, ^iblifd)e 9{ätfel ber 9Hagparen; Xbecn^<Söbp,
öieneniauber unb Jöieneujucpt ; A. $errmaun unb |). t<olt«mann,
3aubergelb; Sartori, 3onberjpraa>en; ^cwurat, (Sin polnif£be«
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470
^Mitteilungen unb Wolfen
Slefruteitlieb; v>. üHcrte nö, JBejeidjuungcu ber irunfeitljeit in ber scprodjc
be« Ü3olfe«. Sine Umfrage; O. GMöbt, Da« lounenabfcplageu; Vi. 5&runf,
Xierftimmeu im $o(i6munbe; fl. Ireidjel, 3«länbifcpe« Normal Saeuiitafc
an einer £ird>e; 91. Sprenger, 3"t ©uge oom Irinfb,orn br« trafen »eil
Ottenburg.
I f utfepe ItRebue, 19. ^aprgang, sWärj: $ottenrotp, lieber ben
3«t<parafter in ber SRobe.
3eitf<prift ber piftorifepen ^efellftpaft für Uofen, VIII. ^eft
2: 5R. £affenc amp, Sin oflrorooer $erenprojr§ a. b. 3. 171».
Ungarifcpr «eöue, 13. ^aprgang, $eft lü: ©. Deutfcp, 3ur (8t
f(pi<pte ber 3agb in ben Pänbern ber ©tefan«frone.
9ieue« flrcpio für fäcpf. («rfepiebte. XV. $eft 1/2: ®. <K filier,
£au« $arrer; ©uttfe, ^hv Kipper» unb SBipper;ieii in ÄurfacpffH.
Dre«bener ®ef cpicpt«blätter, 8. Jahrgang, $eft 1: R. fö utlf c,
Sin <5tanbre<pt in Dre«ben roäprrnb be« breifjigjäprigen Äriege«.
3ettfcprift für terg leitpenbe ? itter atu rg ef epiepte , VII. $eft
1: O. 8. 3iricjet, Der 5Bergeffenl>eit«traHf in ber SRibelungenfage.
«repib für ©eftpitpte be« beutf(pen »uepp anbei« XVII:
fl. ttirepboff, I3irtfa)aft«leben im älteren ©ucppanbel.
Sie ©efellfa)aft, 10. $eft2: fl. «ergrr, SJirtfcpafttiay folgen be«
Kriege« unb be« ^rieben«.
3eitftprift für beutfepe »Bpilologie, 27. $eft 1: S. 2Rartin,
lieber ba« altbeutftpe Saberoefen.
3eitfdjrift für Stpnologir, 2« £eft 1: SB. öcpwarp, Die »utter-
per« in IBagnip. Sine pabellänbifdje Sage mit einem Srfur« Uber bie
mptljifcpe ©utterfjere.
üJiouatabrfte ber 6 o in eni u«. 0 ef el I f cp af t , 3. $eft 4/5: J. t.
Vauge, lieber ben 3ufammrnf>aug ber Srjie^ung«fpftrmc mit ben berr
jcpenbeu iöeltanfepauungen oerfepirbener ^''a!'«- 1 '855 uiebergrfepriebeu,
au« bem Wadjlafj.)
Stpnolog. l'f utnl. au« Ungarn, 3. $cft 5/6: fl. §errmann,
Äartenfpielerglauben au« Ungarn: 8. JWatpä«, flu« bem $olt«lebeu dou
OolpmÄr unb 5jent • ,toän (I. 6efprea>uug«formelu , II. flütag«glauben.
III. Scpä^e).
Äpffpäufer, 8. 3ab.rgaug, ftebruar unb -Eldty. (0. Pifl, SBie bir
alten (Germanen afjeu unb tränten.
3eitfeb,r. b. fladjenrr (8 e f(pi d) t «t> erein «, Canb 15: ?orrfa>
unb SR. SRojenberg, Die flaa)euer (Solbfcpmiebe, it>re Arbeiten unb tyre
IRerfjeidfen bi« jum 18. ^aprbunbert: S. $aul«, Seiträge jur töefa). bei
öudjbrucfrreien, be« ©udjpanbel«, ber tSeufur unb ber 3f'tun(lfil)rcfff W
jum 3at)rc 1816; Ib,. Oppenb,off, Die fla<pener ©ternjunft.
Krcpio br« herein« für fiebe ubfirgifepe ?anbe«tunbe,
25. $eft 1: 3- ©• ©erappin, flu« beu Briefen ber Jamilie o #epbenberft
(1737-1853).
5(proei jerifepe SHunbfdjau IV 9ir. 3: «etter, Tai fAir-rijer-
ij(pe 4>au« im ÜHeformation«,^eitalter.
Uren&ijdje ^aprbüdjer, 7«. .£ieft 4: O. öeed, Die ältefte »ultui
ber Drutja)en.
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ÜWitteilungen unb tHori^en
471
$arte lila übe 9lr. 12: H. XUle, 3>ie (Sterfpiele ber Oflerjeit.
Stimmen au« 3Raria*?aa$, 46. #eft 3: 2R. öaumgarten,
:X>eutf<$e Ȇbung unb *Biffeiifd)aft im 1K. Sabrfcunbert.
Solflore V, 9?r. 1; SB. ®erif$, Valentine'8 day cnstom at
Northreppa; «B. 5). Won ff, Italian votive offerings.
Moyen Age VI, 11: 3. © Ott er, La communaute dea habitanta de
Blois.
SWitteilungen be« <8ef cb, id>t«« unb £1 1 ertum«f or f $enbe n
herein* (Eifenberg, £eft 9: O. SSeife, Ueberblüf über bie ölte fle Äultur«
gefdfidjte be« Umtdbejirt« (Eifenberg; $>erfelbe, #opfeubau unb IBeinban
in ber (Eifenberger ©egenb.
35er ©ilbungöüerein 24, 9ir. 3: <£&r. fltupprecbj, 2)a« Äunft-
banbroerf. (Sine rulturgefdjtifctlidje ©tiaae.
<Eariittf)ta I, 84. SMrgang, 9h\ 1—3: 31. 0. 3aff$, $eren unb
ßauberer; (5a rl ©aron $ auf er, ttltertiimer*3runbe unb »(Erwerbungen im
3afcre 1898; H. o. 3atf($, (Eine (Ikabinfdjrift au« #ola au« 9Waria*&törtb ;
3. Seemüller, (Ein 3Hiflflättif$e« 3unflPlotofoU ; $r. JranjiSji, „Un-
term $ütel fpielen"; ©. ?aj$iQer, 35a« $arabie«-@piel; 35erfelbe,
fcirtenlieber au« bem ÜÄöat^al.
Sonntagsbeilage jur $offif($fn 3eitung 1894, 9lr. 19—21:
©t ein bau fen, 3>er ©anbei beutfajen ®efttbj«leben« feit bem Wittel*
alter *).
*) ©ir bitten bie Herren SJerfaffer tton 3"*f4>"ftfn auffädelt , bie föert
barauf legen, an biefer ©teile genannt 311 werben, im« bie betreffenben Huf*
fäfce ^ujufenben.
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ll>cfprcd)mt(jon.
§omtnrrlali, llrbrr Utrfni unb ^ufgnbm orr pirtrdjafte-
grfrtjirljtr. i'lntrittöüorli'fuinv $attt a. 3. 1 8<»3, Mämmoror Si (>o.
3h flar burchbacbter, fonnDolleubetcr SBcife giebt ber SJerfaffer über frinr
fluidjauiingfii 9ied)ettfcbaft. Söfnn et eine Jöerquicfung ber ®efd)icbtf unb
Dcatioualöfonomie qlrid^erroeife toic eine 3folteru nc) ablehnenb, in ber SBirt«
irhaftSgejdnchtt bie 4*erbinbung bribev ürbt, bie nicht jutn ;Jiim1 prattift^rr
Wurmig, fonbern ivtffcufdjaftlid^rr Srlenntni« nach, brr fintftebung be« ©f
iDorbeuen fragt, fo roirb rr ^'M'imnuing ftnben, nid)t fo unbrbingt, rornn rr
erft ihr bie ^erföbnung Don 3nbiDibualität unb uniDrrfrürm ©rfrb, jufchrribt,
iubem rr als 4* errreterin br« jiocitcii bir sJcatioualötouomir betrachtet. Norbert
rr, ber üüdcnliaftigfrit brr Irabttioti ba« Ucbcrroiegen be« Generellen ju-
idjreibenb, .fjeraujiehung brr ScbriftftrIIrr jur ©tärfung be« inbibibiKÜrn
Slrmrnt«, fo iß brm entgegen |U halt'«, bafj fo Diel mehr bie ^nbioibu alitat
beö Autor« al« bie feine« ÖJegcnftaube« jur Geltung fommt unb ba§ rinr
auf Urfunben grftlHjte $orfd)ung ber gefürchteten 3beenloftgleit nicht Der
fallen wirb, roenit ftc ba« GrnrrrHc abjulritcn oermag. <Sie roirb auch
richtige ^orberung erfüllen, beu öinflufi ber roirtfchaftlichen ftaftoren auf brn
05rfanttorgani«mu« ju erroeifen. Georg riebe.
('-. Duim-Iiiiiinii, Das römtfnjr Dfrulirnnrii in HortiDnitrdj-
lanfc. 3Rtt brri .Marten, ^efonberer 9(bbntcf aito bem 20. @uppfe
mentbnnbe ber ^al)rbüd)cv für fIaffifrf)o ftyifofogte. Beipgio, Tenbner
1893. 5. 83—141.
eine in« (Sinjelnr gehrnbe iBrfprecbung ber Dorliegenben Schrift,
nie in ber d)iethobe roir in beu Rrfnttttrtl ^ti 'öMberjprucb Überreiche <8tx-
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•Pefprechungen
473
anlaffung giebt, in biefer 3eitfdjrift nid)t angängig erfcbfint, fo befd?r5nfe ich
mich auf einige Bewertungen. 3>ie lotaCe ftorfchung iß in ben legten fahren
mit jrofifelloffm Erfolge tbätig gewefen, ben römifchen ©puren in Worb.
beutfdjlanb nachzugehen, unb e$ oerlob, nte Tiefe, wohl, einmal überfichtltdj bar«
aufteilen, waS in biefer Beziehung an gefiederten ©rgebniffen gewonnen ift.
2)aß 3XS ©djrift trofc ihre* Titels eine fet)r erwünfdpte fritifdje Nachprüfung
ber jablteiajen Untcrfudjungen über fllömerftragen in 9?orbbeutfd)lanb nicht
geben fann, jetgt fthon it)r Umfang; bennod) wirb uns auf einer beigegebenen
Äarte eine $üüc Don ©tragen römifchen UrfprungS üeranfehaulicht, bie unfere
fütjnflen Cfrwartungen übertrifft, föenn auch etngehenbe Äontrole biefer Be-
hauptungen nur burd) ©efidjtigungen an Ort unb ©teile möglich ift, fo mug
t>od; oon oornheretn (Jinfpriidj erhoben werben gegen bie prinzipiellen , oon
bebenflieber Boreingenommeubeit jeugenben Aufhellungen 35.«, bie, füllten fte
allgemeine 311f"mn,UIt3 ftnben, biefe wichtige $rage mehr oermirren als
flären werben. 35en römifc^eu Urfprung ber Um breiten f$nurgeraben
©anbwege unferer norbbeutjdjen Tiefebene, „bie fdjeinbar gefliffenttid) 2>örfer
unl» ©täbte oermeiben unb jumcilen ftnnbenlang feine größere Anftebelung
berühren" (wenige 3eileu weiter beißt eS aflerbiugS: „ba bie älteften ©täbte
WorbbeutfchlanbS, bie BifcbofSfiäbte fünfter, DSuabrürf, ^aberborn, SDiinben,
Bremen, an biefen ©tragen liegen"), folgert 3). auf biefe Söetfe. 35ie|elben
roerben auf ben Äarten beS oorigen 3at)rhunbertS als <Uoftftragen oerjeidmet,
ftnb alfo älter als Napoleon« (Styauffeebauten; aber roeber bie ©täbte nod)
bie dürften tonnen fie gefdjaffeu haben, benu bei ber 3erfplitterung Teutfdj-
lanbS roaren foldjc mehrere Territorien berührenbe Unternehmungen uumög*
Ixdf auszuführen. 3)aß bie faiferlidjeu Regierungen — 3). beuft befonberS
an bie fädjftfdjen ftaifer — ben ©au nicht Oeranlagt fyabtn, wirb an bem
£effeweg unb ftolcroeg ju geigen gefügt, welche ©augrenjen fmb unb alfo fdjon
Zur 3eit ber <&auteuungen oorbanben geroefen fein müffen. <£nblich if% bie
nahrliegenbe Annahme, Äarl ber Gkoße habe biefe teilroeife nach ihm benannten
SSege, auf benen er in baS ©aaMenlanb einzog, augelegt, abzuweifen, ba ni
fo umfaffenben SBerfen bie häufigen ^elbjüge ihm feine 3eit gelaffen haben:
folglich ftnb bie ©tragen oon ben Wörnern gebaut! (©. 87.) SWit einer
folgen Beweisführung in Baufd) unb Bogen ift und nicht gebient ; nötig ift
bie peinlichste 3)etai(forfchuug, bie ben ?ofalbefunb genau Bezeichnet unb bie
Srroähnung ber einzelnen ©tragen in Urtuuben, Cbjonifen, auf Äarten foroeit
als möglich rüdwärts oerfolgt. Die maßootlen Ausführungen ^ßf^tlipptd über
Römerforfchungen unb fflömerftraßen (ÜRitteilungen beS Wox. herein« ju
DSnabrüd 1899, ©. 388ff.) haben biefe uädjften Aufgaben in treffenber SBeife
bargethan; 3X freilich hält es ©. 88 für überflüfftg, jeben ©tragenlauf oon
Anfang bid zum (Snbe zu oerfolgcn Auf ben burch fo unfichere Kombinationen,
ermittelten ©tragen, z» bereu baulicher ttonftruftion übrigens auger ber erheb
liehen Breite fein Analogou unter ben zahlreichen ©rragenanlageu beS römifchen
9ieid?eS aufjafinben ift (©. 93), lägt 3). nun bie $eere be8 OermantcnS
in ben fahren 15 unb 16 marfchiereu unb gewinnt natürlich ein oon bem
bisherigen oerfdjiebeneS Bilb biefer Truppenbewegungen unb ^elbzüge, beffen
Sin^elbeiteu tf'xtx nidjt auf ihre Richtigfcit h»» geprüft werben föunen. (fr-
wähnt fei noch, baß 35. feine fdwu früher in ber ©chrift über ben ©d)au«
pla^ ber $aru$fd)lad>t unter Berufung auf bie Mannte ©traboftefle au«ge-
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474
örfprrcbungen
iprocbeuc .fpppotbcfe, ^n Vupta* br3 XacitttS fei nitbt. roic allgemein .mr.r
nominell ifl, bic i'ippe, fonbern bir (mite, nochmals ürricibigt, obur fit
meines (£rad)tru£ alt irabrjcbi iiiliober -,u riiücifen. 3>> tfi i'liialutr ber
tacitcifrbeii Berichte (j. Ö. «. 115. 188) oerfäbrt D. wir Diele feiner *ct
ganger, l>ir gleich ihm ba« Surfen ber biflorifcbru Äunfl be$ Xaeituö tmfeiincn
unb Vofalbejcbrcibuugen biefeS großen .£>iflortf er« um« bir in einem niobenirn
(Mcncrali"iab*n>crl gegebenen XerrainjliMen betrachten. Da idj mich über biefen
mctbobijibeu yycbl,-r in glecfeifen« ^abrbürbrrn 1890, 6. 7^3 ff. au9iiibil«brr
au<3grfprocbrn habe, crr^icble irb hiev baranf jiiiiirfjiifommeu.
3ena. feB. Viebettam.
* *
*
fr. fintlrnnitl), fimtMuirii örr Ttrutrcli rn &rafJ)t. Vicfenimi
1—5. (3. I — 380.) 3turtivirt, W. 9Sdfc
Kttf biffef Jpanbbucb, ba« in 15 Lieferungen »oUftäubig werben foQ, bavf
bic 'Jliijmcrfjainfcit namentlich beS größeren $ub(ifuntd nnb ber ©djule grlrnlt
roerbrit. Xer SJerfaffer roitl uidjt mir roiffcnfeljaftlicfcen, jonbrrn namentlich
and) praftifrben 3TOfC*en nßf^H fein. 3" fünfUcrifcber roie in gcroerblicbcr
$rjirt)uug {oll {ein ©urb ber Orientierung nnb 9*elef)iung birneu. 3>ie
foftümgefdjirbtlicbeu Arbeiten Jrüljcrrr fiub gut »erroertet, SelfeftBfinbtgffll
u nb <&riinbli<$teit aber gewahrt. Tee ill uffratioc Xeil, ber bri einem jolebm
^nrb, namentlich willig ifi, if) reichhaltig nnb größtenteils üortrrfflicb au*-
geführt. Tic gaujr Ärt beä 4i>crfc5 erlaubt et, wenn icb tt auch brm Äiittur
biflorifer vom ftacbe empfehle. Raa) feinem flbfcblnß werbe idj noch auf
baSfclbe jurücltommcn. (tteorg Steinhaufen.
* *
*
£ubuit9 firin, Dir Oürrdjidjir iies dBifrus in trdpiifdirr unH
kulturjirriljirijtlirijrr f^irtjung. '2. Äbtdlung. Stent iKittelalter bio
tttt Ittttcftal ;]c\t. 1. Teil: I^ao 1<>. mit» 17. ^abrlnmbort. Vu'fV
ruini 1—4. (3. 1 — 7i>4.) £fraunf$n.H*in, $icrocQ & 3olm.
Unter ÜJorbebalt einer ausführlichen Öefprecrmng nach tfollenbung Ott
Serie« empfehle ich ba*felbe jebon jebt nacbbrüctlicb. 9<icbt nur für bir &t-
jcb.idb.te ber (Jubuftrie nnb Xecbnif, fonbern für bie (SJefcbicbte ber Jiultur
eiittvicfluug überhaupt fommt ti in feiner umfaffeubeu Anlage irejeutlicb in
tfctraibt. Xie Aufgabe, bie scJecf in biefer |»rfttn Abteilung Ott 2Öerlc3 fieb
grjrbt bat, ift eine große unb jebmirrigr, jumal er neben ber &rbilbciuit3
ber tecbuifd;cn (£ntiuicfluug aueb ben 'Jiacb.meid ihre« fulturgcfd)irt?tlirbru om
fluffH uuteruomineii bat: aber bie fluätühruiig ift eine fo treffliebe nnb ge-
biegeue, bajj ba* ^ttcb eine amflicbe Bmtymillf. unferer Vittrratur betratet,
unb feinem ^ortgauc) mit guten ^nvartuugru cutgcgcugcjetycn merben lann.
(4)eorg Steinhaufen.
y Googl
©efprechungen
475
<$. Jirrihs, Itnlturbüfter aus Den gereinigten Staaten.
Berlin. lUUflemeiner herein für $eutfd)e ^itteratur. (378 6.)
Äafeel l?at einmal gejagt: „SBir m üffeii forgen, baß Deutjchlanb, ba«
au« feiner £enntni£ ber bereinigten ©taaten febon uiel Nutten gejogen hat,
in biejer Aenntni« Don teinem SJolfe übertroffen werbe." Unter ben Dielen
Schriften, bie neuerbing« biefe fteuutni« bei und ju förbern fliehen, barf bie
oorltegenbe Snfpruä) auf Beachtung machen. (Sin guter Äenner be« Panbe«
unterrichtet un« hier in gefälliger $orm über bie $aupterfcheinungen be«
ameritanifchrn Äulturleben«. «tele« Unfchone bort brüben barf über bie
raßlofe Arbeit unb ba« rafllofe Streben nach felbßanbiger Äultur nicht hinweg«
täufchen. ©enig roeifj man namentlich bei un« üon bem ftch immer be<
beutenber rntwicfelnben amerifanifeben <$eiße«(eben : auch in biefer ©ejiehung
iß ba« Buch (ehrreich. 9iicht bei aflen ttmeritanern iß aber ber 3beali*imi*
fo gering, rote ber Herfaffer meint. $m einzelnen werben fofgenbe Äapitel
bebanbelt: ?anb unb J?eute, Help yonrself unb Hurry up, Materielle Kultur,
Ceffentltcbe« ?eben, SRrligiöfe« ?eben, (Erziehung unb ©chulmefen, <8eiße«>
leben. Äunß unb Äunßgefrhmarf, ©tabt, $au«, $äu«li<he« ?eben, ©ojiale«
?eben, Berfehrawefeu. ©. ^ermann.
jt. Jftihr, 5er SobfittDenHii^tcr <£ari |tnioU> Hartum. Sein
Xcben unb feine Schriften. ü)ittl)It)eim a. b. Muljr, ft. ^äbefero
^Bud)^anbiunö (@. ^wm\ 0. 3. 11" ©.
2>a« Büchlein iß recht gut gemeint uub für einen ©tammttfeh in Mühl-
heim ober Bochum geroi§ eine erfreuliche ®abe. Der Berfaffer hat gar fein
Xaleitt, burch fchriftßellerifche Mittel auch weitere als rein lotale Areife *u
feffeln ober auch nur anzuregen, nicht einmal in einer berhäftntdmäfjig baut'
baren Partie, roo er auf bie journalißifche Ibätigfeit feine« gelben ju fprechrn
fomtnt. Söenn mir banfbar annehmen, roa« er au« ben Pofalblättern unb
Kirchenbüchern mitgeteilt bot, iß bem $errn Berfaffer gebührenbe Qttyt roiber*
fahren.
3ena. frriebrieb, Äauffmann.
(Dtto fjemie nm iUjijn, C?5rrrfjid|tr Hee Jttttfriums. QUu-
Itrierte siMbliott)cf ber Äunft= unb Ätultmiiefd)id)te, ^b. III.) >lti\>m,
%i. Ariefenl)Qi)n. C. & (243 3.)
Die SJriefenhahnfche BerlagSbuchhanblung hat ein größere«, jmeifello«
ju uuterßttfcenbe« Unternehmen begonnen, ba« ber Orientierung unb bem
©tubiutn weiterer Äreife auf bem (Gebiete ber Äunßgefchidjte unb ber Äultur-
gefchiebte bienen foU. ftuä bem fulturgefchichtlicheu leil tß bisher ba« vor«
liegenbe Buch erfchienen : feinen ^mect erfüüt e« ja aunäcbß, aber ich glaube,
bafj bie 3ufammenßeUung bem befannten Berfaffer wenig Schwierigsten
*
47K
Öefpredjnngen
gemalt r/aben wirb. £ie ueuerbingö tu rafdjer ftolge auf oc" SWarft ge«
brauten Schriften $enne am fltbtyu« ftnb groar, al8 populäre SUerfe beti-aa>tet,
brauchbar unb lesbar: aber eine größere liefe n?äre fein Stäben. 3n bem
Programm be$ Unternehmen* ftnb nod) feb,r banTbare Xljemata angefiiubiqt
<fo (3efd)id?te ber beutfrtyeu <2>itte, (Mefd)id?te ber ftamilir, be$ $olf$(ebeu$ u. a ):
mögen flf "d)t ernfte ^etjanblung erfahren. (Äeorg Steinbaiifen.
fruAfcljlfr im crflrn jtanbe.
3. 108, *rief XIV, $cilc 1^ ff- «0 3» interpungieren: )o maiß id) n>ol, bir
roeu aiß bit bie, ba& toü witter mid) b.ftat bafc baufj. jol bni
icb bar ein retten, fo büß u. f m.
3. 108, flum. 66 ftatt oorjugeben lie* Dorber gehabt.
'S. 111, fyWc 13 „ (fonümia „ ©oniimia.
8. 253, „ 22 „ fllbrectjt« II „ fllbredjt« I.
*
©. 266, „ 4 „ Svignne ., Signne.
5?. 267, „ 19 „ wanen „ vanen.
5. 269, „ 4 „ reine „ jeiue.
8. 271, „ 17 „ malen „ m&len.
8. 334, „ 7 „ Jreic „ ^reigelaffene.
8. 341, „ 3 „ Söölftin SöölffUn.
8. 345, „ 14 „ 9iebpeatf? „ fliebpatp.
8. :*48, ,, 9 „ ,7f.iii)w/<n'or lie§ xtnrntout'rtn:
8. 348, „ 2f> „ .T«(*,7f r#»«: lie? rirtoSh'ro*.
8. 348, „ '29 „ 3)ietrieb lic« Xieterid).
ferner madjt un« $err Dr. 3of?n SWeier auf einige $erfebni aufmert»
fam, bie mir hiermit ridjttg fteflen;
Hu 8. 97, «um. 20: bir iiit ant loß U)un = $id> nic&t ärgern, ant tbon
unb aut fin ift eine bäufige f braje.
,\n 8. 109, fluni. 79: glot gelt = (SJetcitgetb.
l\n 8. 109, flnm. 83: ungeirrt, iurifhfaVr jTerminu*.
3» 8. III, fluni. 166: unbitig fein — nicht warten tonnen, uugrbnlbig fein.
3» ?. 2!«2, ^cilc 29: £a6 (sie!) ift nnberedjiigt : fott ift bir richtige ale
manuifay ^orm für fott joüft).
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für
Brut (4.) Jrolge
Settfdjrtft für bcutfdjf #ulturgefd)id)tc.
■VH'i auöiUiH'lu'H
ton
Dr. (ßeorg Steinhaufen
Kuftos an ocr Unirrrfitäts btbliotbcf in 3ena.
3rücifcr Banö.
Primär 1895.
Perlag oon €mtl gelber.
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MW«:
Äarl Don 3ierotin unb fein $agebu$ Dom $a1)tc 1691. ©on o. Ärone* 1
$>ie gauflfage na* ibrer tolturgef<bicbtli<$en ©ebeutung. ©on Äarl
$ tf b ermann 31
3ur (Sefdjid^te ber Uniform in ©futfdjlanb. ©on (9eorg$iebe . . 51
Xotenbretter im ba&erif$en fBalbe, mit ©erüdftdjttgung ber Xotenbretter
überhaupt. I. II. ©on Otto Hieb er 69, 97
Die «nffinge ber beuten ©olt*tunbe. ©on Hieb arb JK. SWe Oer . 185
3>tc Äolontalpolittf befl beurfäen Hitterorben*. ©on ftriebricfr
©ienemann 165
3ur ®ef$i4te brr S3otf8gebräu<$e unb be* ©olt*aberg(auben* im 9l^ttn-
gau roäbtmb be* 17. 3a$r$unbert*. ©on CB. C. Hotft . . 188
^Brofefforen ber Jrulturgefd)id)te? ©on ®eorg @t einbauten . . . 199
lieber bie tyißorifcben ©o(f*(ieber be* br einjährigen Ärtege*. L II.
33on Hi$arb Müller 199. 284
Gin »enetianif$er Heifeberidjt über ©flbbeutfalanb, bie Ofifömeij unb
Oberitalien au« bem Oa^re 1492. ©on $enro @imon*felb . 241
©erltntf<be« ©eflnberoefen im 17. u 18. $&bt. SSon 3. ©ilbermann 802
3ur Oe|a)id?te beutfcben ©olf*geifie« im SR..«, bi* *u ben 3eiten $einrid)*
be* ©ierten. ©on Hubolf öoctte 337
©itten unb dinrufyungen ber Uniöerfität <8reif*roalb üom 16.— 17. 3$bt.
Von öeorg Siebe 378
3ur (Befcfeitye ber ^uben im SWflnfiertanbe. ©on $aul ©abimann 380
ftünf ©riefe be* ©urggrafen unb $retyerrn (J&riftopb »on 2>o$na an
feine ©raut Gräfin Urfula oon Solm* . ©raunfei«. (SWit einer
«uf|ä^lung oon Spielen be* 17. $b>t*.} Bon «ntonfc&rouft. 410
3)ie ?anbftrei(ierplage in Düringen na* bem ftebenjä^rigen Äriege.
©on <£. ©inert 418
Zenfel«»etten. ©onÄug. ffiünfäe 427
Pisrelle n :
2)rei 9Ri*ceKen. ©on Äarl ©iebermann 80
2>ie ©Angelruten unb @o}a&gräber in ©Ötjmen. ©on S;&eob.$utter 217
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- IV -
€ftle
Pittrilungett unb flottjen (aud) Bibliographie) es, 220, 321, 483
f t Fprf djungf n :
Orupp, Äulturgefcptdjte be« SKtttelalter« I (©. ?iebc) 89
3anffen, ©efdjidjtf bc« beutjdjen Solte« VI (©teinfcaujen) «0
^apprife, Ulridj ton $uttrn (#. J)etmer) 92
©dort, Wteberfacpftfcpf Spratpbenfmäler (SR. 9R. SDlf^er) 98
(5(fart, SRieberbeutfcpe Spritproörter (81. SR SUirpcr) 93
Srampe, ^ilopatri« (t>. Dobfdjüfe) 94
o. 2>e«tou<pe«, ®efcp. be« b.tftor. äRujeum« (g. Döpler) 230
SBeber, «ntjlebung ber tJovjfÜan- unb Steingut-^nbuftrie [9. 33öpler) . 231
c. ®rp)'o, Sepfrieb Siproeppermaun ((£. 2)öpler) 231
«Önig, 2lu« jroei Saforpunberten ($opn SReiet) 232, 386
$epd. $eibelbergrr Stubentenleben (Stcinbaufeu) 235
Sinert, Sin Xpüringer Panbpfarrer (Steinpaufen) 236
Stieba, ^anfijtp-Pfnetianifdje §anbcl«bfgiebungen (Steinpaujen) . . . 236
»eiger, »erlin I, 2 (Steinpaufen) 237
$ij)orifcpe Untrrfutpungen, (Jrnfi ftörftemann gercibmet (Steinbaufen) . 238
2-djajifflt-v, Cuedcubüipleiu j. Äulturgefdj. b. b. *N. Ol. (Stfinpaufcn) . 238
Stieba, Stubieu 3. (Öefcp. b. «uepbrud« u. «udjpanbrl« i. 3Rrdlenburg
(Steinpaufen) 238
iBotgtlänber, 3>" Sntnjidelung be« $erlag«recptß (Steinbaufen) . . . 238
fange, (»reif«if alber ^Jrofefforen (Steinpaufen) 239
$abab, ftübifepe unb djrifilicpe SJor« unb 3imanteu (Steinpaufen) . . 239
p. Jifdjer.sBenjon, «Hbcutfcpe (»artenflora (O. Scpraber) 332
Veipmann, Xagebitcp ©Up. D. $umbolbt« (Steinpaufen) 334
Scpraber, 23er ©ilberfcpmud ber beutjepen Spracpe (Steinhaufen) . . 334
.fcoffuiann, "Pförtner Stanimbucp (ö. 25öplcr) 335
tfepfcplag, Xad Feben 3efu (SR. ©oette) 467
GJrabl, öJfjcpicpte be« ögerlanbe« (<5. 35öpler) 460
©iermann, (»efeptepte be« $erjogtum« Teftpen (<S. «. Scproeber) . . 461
Scpinibt.!tUci§cnffl«, ©eftpiepte be« mobertien SReidjtum« ((8. ,H. «nton, 462
äRucp, i<or» u. frubgefcpirptl.&cufinälrr au« Cefterr. «Ungarn (Steinhaufen) 463
Jpuber, 2)ie ge(<picptl. (Jntroidelung be« mobernen JBerfepr* (Steinhaufen) 464
ÖanfTrn, ®e»<p. b. b. 4Jolfe« VIT, VIII (Steinbaujen) 466
^errenfepneiber, SRonttrcafieü unb örafenfeplofj Horburg (®. l'iebe) . . 469
©ebparbt, «tu« ber (Befcpicpte be« 2>orfe« SWolfcpleben (®. Nebe) . . 469
toUin, ®efcpicpte ber franjöfifcpen Solonie Pon SDiagbeburg (6. 35öpler) 470
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itcuT v. 3icrotin
und fein ^aflclutcß »oui 3al)re 1591'),
Stubte pon Jf. p. Kr ott es.
Habent fata sua libelli! Unberedjenbar ifi bao 3d)irffal bor
^üdber unb cdjriften! 3o rief id) unioiUfürlid) auo, oti id) und)
geraumer ^eit einen $tanb auo bem WüdH'raefteUe triebet |itc $anb
iiatjm. iro war bieo bie Sammlung bei Staatofdjriften unb Rone*
fponbenjen beo ungarifdien l'itteraten unb Diplomaten Johann
:Himai v. 8Uf6*S$tregopa unb Mima, beo uamlmften unb oielge
fdmftigen Wenofien einer bewegten 3e»t (1?>t>4— H?31). Der uerbieufi
uoüe ungartfdje i'lfabemifer, Ülruolo ^polui (3 tummer), 8if$of oon
9talfo$(, hatte bie Uluogabe biefer nid)t unwichtigen ^eugnifie ber
^ergangenbeit vorbereitet, erlebte aber itjren Mbicbluft uidjt, unb fo
beforgte bieo ber unermüblicue iyörberer ber neuereu (%fdnd)te Ungarno
unter bem magnariidjen Welebrten, xHleranbet S.ülägm < 1 HR7 > - >.
l) <ßeter 8. D. Sblumecfp, Garl pon ^ieroiin unb feine 3<it 1664-1616.
iPrünn 18H5J, XXIV u. 864 @@. lieber fern 9?ad)laB ^ierotin« oerbreitet fid>
CMiinn-iftic fluffa^ in beu „8d)riften ber t> t ft c i 8eftion ber mäbr.-lcblej.
©efeüfdjaft f. flderbau unb ?anbe$fuubc", 1854 6. 65—94. i<ql. and) ba*
„"Jiotijenbtati" berietben ©ffetlfdjaft n. Seftion 1856 unb 1857 unb bie pon
b"£l»ertau3 Sblumrdp« Wacblaffe brrauSqeqcbeneu Beilagen (Brünn
187»), ipeldje ober nur einen *rud)teil ber 3irrotiufd)en fiorrrfponbenjrn ent>
balten, unb fcnljüge aus ben anberen laqebudjrrn 3ierotin« Pon 158«, 15H9,
1590 bei I)ubif, SHäbren* OlefcbirbtSqu eilen, I. #b. (Gorroui« ^anbfdjr..
öatnmluna,). $rünn 1850, 8. 358 f.
*) AUö-Sstre^ovni «'•* Riimii Riniay .Ti'm>>^ iillatniratai 09 l<*vHr/ <''.•»«•.
a magyar tndoniünyos akadomia tört6uelmi bizuttsäi^umk megbisüsiiböl.
jcttldifift für ffu(iatgdd)iit)l(. 11. I
2
ft. o. Ärone«
SClö icf) Die *<orrebe las, eleftrifierte mid) förmlio) bie Angabe,
bafi bem ^iad^Iaffe Mutans aud) ein Xagebud) Mario u. .tfierotin
eingefügt fei 3), unb $mar ein bisher gan$ unbefanntes. 9timai), mit
Marl u. ^ierotin befreunbet, Ijabe es abfdjriftlia) in ein :Öud) ein*
getragen, bas er als 33riefbud) benufcte. 5Bie unb manu -Miman
(Gelegenheit faub, bao Original einkleben, erfahren mir nidjt ; nur fo
uiel fteljt feft, ba& bie i>lbfd)rift 1609 $u Ofen entftanb, $ur $eit,
als Marl o. Sierotin als itanbesljauptmann Don sJ)iät)ren ben $öl)e=
punft feines Gebens erreicht tyatte, matyrenb Miman uon Maifer SRatbias
alö polttifd)er 3lgent nerroenbet mürbe. $afc mir es aber tl)atfäd)lid)
mit einem Xagebudje bes berühmten mäbrifd)en Staatsmannes $u tljun
l)aben, ift ebenfo banfenömert als ber Umftanb, bafc es bistjer unbe=
fannt mar unb ftd) ben früher befannten, oom SMograpljen 3ierotins,
s^eter u. (Sfjlumedn, benüfcten Xagebüdjem ber Sftbre 1588, 1589
unb 1590 an bie Seite fteHt unb jmar als bas inbaltlid) bebeutenbfte.
Dbfcbon jener SBanb ber SÖubapefter 2lfabemiefd)riften fdmn uor
fieben 3aljren erfd)ien, ift mir bis jefet feine eingetjenbe SBürbigung
jenes 2agebua>s uor bie 2lugen gefommen, mie ü)m eine fola>
in ber Xl)at gebührt, unb fo fei fie benn tner nerfudjt.
2)ie mäfjrifdjen 3ierotiue jaulen $u bem jüngeren Mreife ber
groften §errengefd)led)ter bes s3ttord)lanbes unb treten feit bem
14 ^abrl^imbert als Sn^aber ber iöurg ^terotin im Dlmüfcer Mreife
immer namhafter beruor. 2)ie trüber Sofa™ unb 33ern(wrb er-
langten im legten Viertel bes 15. 3a()r()unberts bie Sfofnafnne in
ben mäfjrifdjen „£errenftanb", unb begrünbeten jroei Sinien bes reiaV
begüterten &aufes.
$er üembarbifd)en gel)öi1 griebrid) u. 3ierotin an, als it)r lefeter
Vertreter, ein Sftann üon 3lnfel)en, in Staatsbienften uiel nermenbet
unb in ben legten £cbensjabren (1594 — 1598) 3nf)aber bes Ijödjften
^anbesamtes, ber ©auptmannfdjaft 3)iäl)rens.
3lus ber jmeiten £inie ging 3obann, ber ^efifeer ber &err;
fdjaften Stoffe unb ÜJtomieft, in 2)läf)ren, unb öranbeis an ber 2lbler,
in Sdfjmen, Ijeroor, ein im öffentlid)en hieben 3)täbrens bebeutenber
sJ)tann, eifriger 2lnf)anger ber böl)mifa>mäl)rifd)en ^rübergemeinbe ober
szerk. Ipolyi Arnold, ©ubaöef* 1887, löoiro., 12 Don «SjiUgBi-
3)cr 3n^aU bc$ „$riefbud?e£" Don SRimaü, jcrfäfll in (attiniföe unb magpo«
rifc^e attenfiüdc.
■) 2>a* Xagebudj 3ieiotin« a- ö« 3« 1691 °- „Ephemeride* in
annum Christi MDXCI" maä)i @. 3-42 ben *nfang.
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Marl d. ^ifiotin mib fein tagebu* ooin ^ahxt 1591
3
„Union"; alo foldjer ein Wrünber ber namhaften 3d)ule >u ßibeu
id)ü&, unb Urheber ber rührigen Dmcferei im -Dorfe Äralib, an
roeldje fid) eine Vitteratureoodn' Mäbreno fnüpft. Xem gleiten
Wlauben ergeben mar feine Wattin Marianne auo ber .\>errenfamilie
ber söosforot&e.
tiefer 6fp entfproR ben 1 1 . September 1 564 w 5braubeio Stall
o. ^i^rotin, ber £>elb unferer Sfkse. SBic forgfältig feine (£rjiebuug
mar, rote er nad) löblid)em Branche ^ilbung, 9BeIt= unb Meufdjero
fenntnio nod) in jungen 3»*bren enoarb, roeife uns fein Biograph ni
-.nahU'it, unb maudien lHuffd)lufj barüber enthält bao Jagebud).
£ier genüge bie Angabe, bafe er (£r*tehung unb ben erften Unterricht
im ©Iternbaufe gemeinfam mit bem ^unfer ^aebariaö 3laroata unb
jioar burdj fiebeu 3at)re unter ber Leitung beo ^aul 9tooobrooroh)
oon ^o^bictin empfing. Xaxm übernahm bie weitere Sdmlung ber
roadere fdjlefifctye ^äbagog unb (belehrte Xoten\ (Sirfler unb jroar
teilo inörtinn, teils an ber 1575 gegrünbeten ^rüberfdjule in (Libero
fdjüfc, alo bereu erften Meftor mir ben namhaften ^rofeffor ber
2l)fologie an ber üMttenberger .§od)fd)ule , (iraomuo Milbiger, alo
„Krnptocaloiner" feinerjeit oon ben ortboboren Lutheranern oerbrängt,
in fegenoreidjer Ihätigfeit bio }tl feinem Ableben (1591) genannt
unb ^odjgeadjtet oorfinben.
1678, ben ~>6. ^ejember, oerlor ^ierotin feine Stattet unb
roanberte balb barauf (1579), im Hilter oon fünfzehn fahren, über
Italien nad) 8traBburg, fpäter nad) Jöafel, um fid) an ben bortigen
Unioerfitäten fortjubilben, unb im jperbfte 1582 nad) Wenf, an bie
glaubenooermaubte CSaloiner -.*oodifd)ule. ^n ^afel mürbe il)iu ber
tüdjtige Theologieprofeffor unb ttircbenoorftanb Johann 3afob tflruiiäuo,
ein Sdjroeijer aue *iem (geb. 154<>, f 1617), befreunbet unb blieb
aud) meiterljin mit Sierotin im brieflidjen *<erfebr. 3" Cüeiif lernte
er ben Siierfgenoffen (Salome, I^'obor be g&jet ($e*a, geb. 15l*>,
f 1605), fennen unb fd)äben.
$er .pumaniomuo, meld)er bie bamalige ©Übung beo mäbrifdjett
^odjabels burd)brang unb nährte, bcfeelte aud) unferen ^ierotin, ohne
bie ftarfe religiöfe ömpfinbung abmfd)mäd)eu, meld)e ihn, ben We=
noffen ber örübergemeinbc, mit ber reformierten 5?ird)e innig be^
freuubete unb mit bem ^beale eiueo alle Wlaubenouerroanbten um*
faffenben Sinti*« erfüllte.
$ie fernere (Srfraufung feineo Satero mmug ihn ,mr Würffebr,
unb nad) beffeu Ableben (25. *ebr. 1583) fiel ihm, bem ßrftgeborenen,
bao reiche oäterlid)e tfrbe ju, beffeu Mitinhaber fein jüngerer trüber
l *
4
t>. ÄroneS
Dionys mar. — ®od) litt es tyu nicht lange bahetm, er hatte ben
Rcij ber grembe uub ihrer löilbungsmittel, ben ©enufe eines roeit;
fdjichtigen ^erfeljrs nicht umfonft gefoftet; es brängte ihn roteber
in bie weite SBelt hinaus.
2ßir fönnen bis $um ftatyve 1587 bie Reifen Äarls o. ^i^orm
nid)t leicht im (£injelnen überfdjauen; roohl aber loiffen nur, bat? er
oon ©enf ans einen glug nach granfreich unternommen trotte, baj?
er in Sübbeutfchlanb, fo in ber $auptftabt bes ^ßfäljer Hurfürften,
bes Hauptes ber Reformierten Deutfdjlaubs, $u §eibelberg, tjeimifd)
geworben mar, bafc er ben 21>eg nach Italien, an bie &od)fdmlen oon
sJtabua uub ^Bologna, einfd)lug unb Rom, bie eroige Stabt, fennen
lernte — , baft fid) ihm ber brittifd)e ^ufelftaat erfdjloft unb bie Ge-
legenheit bot, oon ber Königin (Slifabetl) gnäbig aufgenommen ju werben,
bat* er bie Rieberlanbe befud)te, in ber Unioerfitätsftabt Reiben oer-
meilte, unb bafj er 1587, bamals bei bem ^ourbonen Heinrich oon
Raoarra, bem geliebten $ugenottenfül)rer, oerroeUenb, roohl nur
ferneren £erjens bas im Sürgerfriege blutenbe granfreich oerliefj,
um bem 9iufe feiner „stformünber" $u gehorchen unb ben eigenen
Angelegenheiten näher ju treten.
Am ^ahveötage bes Xobes feines Katers (25. gebr.) 1588
übergaben ihm sroei feiner i>ormünber, Dforosh) unb Söanecfy, auf
bem Ramicfter .§errenfd)loffe bas väterliche ©rbgut, unb bie ©runb-
untertlmnen Imlbigten bem 24 jährigen ©ebieter.
Salb barauf reifte v^cr^lin naej Sölnnen, nio eine feiner fem-
fdroften, 23ranbeis, lag unb burd)freu$te bann oon ^ßrag aus $>eutfdj-
lanb, iuie uns bas eine ber brei bisher befannten Tagebücher nachroetft.
günf s))tonate fpäter ftnbcn mir ihn roieber biesfeits ber beutfehen
(Grenzpfähle, mit bem ©ntfcbluffe, feinen häuslichen §erb $u befteüen.
Der Verlobung oom Späthcrbft 1588 folgte im ©ochfommer 1589
bie &od)*eit auf bem Schlöffe Ramieft mit ber iugenblichen Barbara
o. Strajif, aus altem, reichem &aufe.
3n feiner Seele lebte unb roebte aber ber (Sntfchlufj, feinem
JNerfpredjen treu ju fein, unb bem bebrängten Anwärter ber Ärone
granfreid)ö, ^einrid) oon Raoarra, feinen Degen ju roibmen.
Üängft fdjon hatte er ^erbinbungen besfalls angefnüpft unb fid) mit
ben Agenten Heinrichs am ^rager ßaiferhofe, namentlich mit Ancel1),
perfönlid) befreunbet. Dod) mufete er bie Rieberfunft feiner grau
*) ©uiüaunif Slncel roar urfprilnglicf) Agent Äönig #etnrict)* IV am
^rafler Äaijfrbofe uub feit 1600 ftänbtgcr SReftbent aabort.
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Äart D. 3""tin unb {ein £agebu$ Dom Qo^re 1591
5
abwarten (6. 3uli 1590). 3U« bies Ereignis eingetreten unb bie
•Dtöglichfeit ber iHetfe gegeben war, machte fid) ben 11. September
1590 ^ierotin auf ben Seg, wie bas britte ber und befannten £age;
büd)er bezeugt, aber geroig im fdmierjlidjen ©efüfjle eine«
fpaltes feiner pflichten als ©arte unb 2?ater mit bem, was man ben
ibealen ©ehalt feiner politifch=religiöfen LebenSpläne nennen fann.
$)ie 2iebespfUd)t gewann bie Dberfjanb, bas £agebud) feiner Steife
f erliefet fd)on ben 29. September b. 3- ju Saben^aufen ab, benn
bas fdjroere Siechtum feiner (Gattin rief ifm heimwärts.
2öas it)m feither begegnete unb wie ihn 1591 ber ganjc ßrnft
feine« Siebend überfam, erjagt baß Xagebua), beffen Snfyalt uns be-
fdjäftigen foll.
2iUr müffen aber noch einen ^ölicf über ben weiteren Lebensgang
#arls o. B^rotin gleiten laffen, um ber ootten Sebeutung biefcs
9Wannes geredet ju werben.
5Us er 1593 aus Jrantreia) ^eimfetjrte, wo er feit (£nbe 1591
als SBitwer geweilt, mitten im ftriegSlager Heinrichs IV an Er-
fahrungen unb aua) an Enttäufchungen reich geworben, aber unent-
wegt in feinem ©lauben an bas gute Mecht ber Sache, ber er $u
geföworen, — trat er, wie mancher anberc Äaoalier 9Köl)renö uub
Böhmens, unter bie faiferliche galme, um 1594 unb 1595 wiber ben
türftfehen ©albmonb, ben ©rbfeinb, ju ftreiten. 3m grityjabr 1596
beftetttc er jum $weitenmale feinen häuslichen &erb, inbem er eine
nahe ^ermanbte ber erften grau, Elife o. Ärajir, $um 2£eibe nahm.
3hm fte^t er im 32. Lebensjahre, in ber SBollfraft bes SWanneS;
altere, unb er fühlt ben Steruf in fia), „feinem ^aterlanbe $ur 3ierbe
$u gereichen" 5) ; er wirft fid) in bie Strömung bes politifd)en Lebens,
ju einer 3C^/ ba fid) bie grofee Krife innerhalb bes &absburgerreidjes,
bie Erh*kun9 ber proteftantifchen Stänbefd>aft gegen bie prin$ipien=
unb energielofe ^ßolitif bes sJkager Äaiferhofes vorbereitet unb an
betn ^ruberjmift im &aufe £absburg einen 33erbünbeten gewinnt.
1600 oerlor 3ierotin feine zweite ©attin unb nahm oier 3<*hre
fpäter ftattjarina o. ihtolbftein, bie Sdnoefter Wibrechts & t>. Sßalbftein,
bes nochmals weltbefannten grieblänbers, jur grau, damals war and)
fein ©eftint im Steigen, bie 3«it nahe, ba fein greunb &obifc bas &*ort
fprach: $l*enn Äarl o. 3ier°tm einen 9hif ergehen liefje. fo würben
bie fahren bröhnen unb flirren nicht anbers benn ein ^an^erhemb c).
*) „Spartam nieam ornabo."
•) dtyumcdr), <L t>. 3- @. 379.
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ft. D. Ätonefl
£>ie Sturm; unb ^raugjabre s])tährcno 16<>/ imb 16oh uoll=
euben leinen unb ber dknoffen Sieg. ^icrotiu wirft an ber £n\-
djetbung, au tat sJ)taftregeln, bie .ttaifer Mubolf II nötigen, feinem
trüber (rr,tf)erjog 3)tatt)ia© SRtyren, üfterreid) unb Ungarn nbju-
uitretcu (1608 ^uni), im ^übertreffen mit; ober suglcid) null er
fein politifdjeo ^löeal , bie öeftaltuug eine© l'änber: unb Stänbe=
uerbanbeo mit einem Meidjoparlamente, alfo bao anbahnen, mao man
ein feubaUfouftitutionelleo Cfterreid) neuneu fönnte.
xHlo l'anbeobauntmann Diahren© erlebt er balb bie oöüigc Crnt-
fernung Mubolfs 11 unb bie Meiuberrfdmft Patina©', beffen SRurifter,
ttarbinal Ät)Iefl, ben prinzipiellen Wegner feiner fattjolifdjcn uno
zentraliftifdjen Staatöfunft an ^ierotin finbet. $cr 2)imaftie gegen*
über bleibt ^ierotin jebod) ^egitimift, ber fid) nie mit ben i!lbfid)ten
eiueo (Shriitiau von Slnlmlt, be© ©efdjäftöträaerö ber Union, be=
freunben tonnte, ba fic auf ben Sturz beo <paufeo §ab©burg unb
auf bie (sinbcjtelnmg feiner öftcrreid)ifcben unb bötjmifdjen i'anbe in
ben ^ntereffenfrei© ber Union hinausliefen.
Erlebte ^ierotiu bie fyerbe (£nttäufd)ung , bat? fein politifdjeo
,lbeal bem Separatiomu© ber ö|"terreidnfd)en Vänber nidjt gewachfen
fei, fo roar tifm balb barauf 161H— 1619 bie jMolIc ber Haffanbra
befdjieben, alo ber 2luf|*tanb ber böhmifdjeu Marone afatbolifcben
2Vfenntniffeö loobrad) unb ^ierotin ben ^Männern ber Skroegung
zurief, fic follten uidjt 51t üiel wagen, um nicht alle© ju ncrlieren.
Seine Vermittlerrolle mar nid)t banfbar; eo begegnete ihm, alo
Mcaftionär, alo sJNann be© Mücffcbritteo unb ber Regierung, oerfetjert
Kit werben unb anbererfeit© bei ber i'etjteren alo 2lfatt)olif unb
Aeubolift feinen .ttrebit pi finbeu. £r hatte bie Rührung ber 8*
gelegenheiten 4)cähreno läugft auo ber Jpanb gegeben, feine itanbeo:
ljauptmaunfdjaft bereite im ftebruar 1615 niebergelegt.
Seit 1614 in nieder (Jljc mit ber föfööe feine© ^teunbeo
Smil Ofonofi) u. Doubraiuifc, Atatlmriua, gleidjfall© auo bem ^öaufe
Sklfbfiein, oerbunben, erlebte 1620 ber 66 jährige 3)Jann ben 3*
fammenbntd) beo bbbmifdjen Aeubalftaateo unb bie Vernichtung beo
sJ>roteftantiomu©, inbem bie Sd)lad)t am beißen Verge (1620,
h. sJiou.) ben Sieg ber fatl)olifd)en ^louarchie entfd)ieb. Unucrbroffcn
uerfndjte ^torottn, alo #ürfpred)cr bao üo© sDJät)rcnö gn linbem unb
Die Jlditung feiner Wlaubenogen offen t)intan^ut)alten.
Mber bor iSrfolg blieb ber SRetfter ber $inge, unb an allem
in'im'eifelnb fudite ;}ierotin ben [elften £roft in ben geliebten Vmd)ern,
balb in Sdilefien, namentlich ,w Vreolan, balb in lUähren, halb in
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ftorl D. 3»erottn unb fein Sagefcitrf) Dom 3a$re 1591
7
Jööfcmen oermeilenb. Er felbft betrachtete fid) alo &eimatlofen.
Seine mährifchen ©üter iHamieft unb rHoffife oerfaufte er an feinen
Schwager, ben bodjgeftiegenen Wibrecht uon äitolbftein, ben fierjog
oon ^rieblanb. s^rerau in Diahren unb iBraubciß in m\)men behielt
er. ftaifer gerbinanb II Ijatte es ihm 1629 freigcfteUt, feinen 3lufent=
haltoort beliebig ju mahlen, benn man fenne feine treue Ergebenheit.
3Üd bie Sadjfen 1631 in ^Böhmen einbrachen, oerliefe er $ran=
beio, unt „alö Emigrant feinen Fintel aufjufuchen". Er habe auf
feineu 2Jcenfchen mehr Vertrauen, benn auf ®ott allein. Der fa)mer=
geprüfte ©reis ^atte mit ber 3*$elt abgefd>loffen. 3" ^rerau ereilte
ben 9tuhelofen, ben 9. Dftober 1636, ber £ob; er lebte noch, alö
baö ©eftirn SBaüenfteiuö noch einmal aufleuchtete unb bann gemalt
fam oerlofch (1634), unb ber breifjtg jährige grieg trofc Deö Sßrager
^rieben* (1635) fein i^üten enblos fortfefete. bitten in biefem
Jammer ging ber 3weiunbfteben$igjährige hinüber.
3ierotin ift ein bebeutenber SRenfd), ber an roeltbewegenben
Dingen nicht bloft alö aufmerffamer 3ufchauer Anteil nahm, fonbem
in beoorjugter ^ebenöftcllung in ihren ®ang felbft eingriff. (Seine
hiftorifche Erfchemung bewegt fich in ber äöenbe jroeier 3eiten, unb
eö umfliegt fie ber Sauber einer allgemeinen ÜJilbung, welche ihn
fuglich jum Weltbürger macht, oh«« fein ^eimatögefühl unb feinen
Politiken ^artciftanbpunft ju serfefcen, feine religiöfen Überzeugungen
abschwächen, üton Kinbljeit an in ber flaoifchen Sprache Mährens
als s^erfehrö: unb ©efchäftofprache beö heintifd)en 2lbelö fo grünblich
gcfdmlt, bafc 3ierotinö Äorrefponbenjen unb Staatöfchriften als
muftergiltig für ihre 3eit gelten *), genojj er anbererfeitö ben Unterrid)t
namhafter beutfcher (belehrten unb mürbe beö Deutfchen unb £atei=
nifchen jo mächtig, bafc er im erfteren ^biom, bauf lebenbiger Übung
im roachfenben ^er!el)r baheim unb auf langen jHeiien, ganj heimifch
rourbe, im weiten gemanbten Sluöbrucf jeigt, eine oft tlaffifdje Eim
fachheit unb Feinheit beö 5Muöbrucfö oerrät. silber auch feine fran=
Söfifdje unb italienifche Morrefponbenj läfit und bie )öeherrfchung
biefer beiben romanifchen Sprachen erlernten, bie er in ihrer £eimat
$u üben (Gelegenheit fanb unb in einem regen, mettoersweigten ^Brief;
wedjfel bauemb oerwertete.
Der gröfete Seil Wefteuropao erfchlofj fid) ilmt burch jahrelange
Reifen, unb ein weiter tfreiö namhafter ^erfönlichfeiten aller
*) X>tc in flaütfcb/r «Sprache öerfafjtcn ©taatSföriftfn unb ftorrrfpon-
bfitjen gab ber ?anbf8ard>iüar Wöhrens »ranbl f)fran«.
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fr. D. Ärone«
rufßftänbe bio jum £f)ron tjinauf fammclte ftd) auf feinen Reifen
unb in feinem politifd)en Veben an, ber ficb aud) Dielfad) mit
^ierottno reifem 93riefmed)fel becft.
^beeufüUe unb (Smpfänglicl)feit für aUcö, maö bie Reiten brauten,
ein fdjarfes, bemeglidjcs 9lnge für £anb unb ^eute, ^er^ältniffe unb
^erfonlidjfeiten, für &>iffenfd)aft unb für baö, maö bao iteben per-
fd)öncrt, — unb eine burd) reidjc (Srf abrangen geläuterte 2i>clt-
ant'djauung, meld)c gern ben 5luögletd) fd)roffcr ($egenfä$e anftrebt,
— djarafterifteren ^ierotinö (Eigenart, unb biefer oor allem mollen
mir näfyer treten.
£>ie menigen Xagebüdjer ^ierotino, meldje bid jefct betannt
mürben, gehören feinen jüngeren ^a^ren an; bao in SHebe fte^enbe
ift ba$ oierte in biefer iHeilje unb auöfdjlteftlidj lateinifd) abgefafjt,
roäfyrenb fiel) in ben früheren oon 1588, 158«), aud) (£im
tragungen in flaotfdjer Spraye oorfinben.
(So ift fein Xagebud). baö ftd) in flüebtig bingetoorfenen 9luf-
jcidjnungen oon Tag ju £ag bemegt, eö bietet, oft nacb längeren
Unterbrechungen, in ausführlicher sÄtfe (Sinbrütfe unb Beobachtungen,
(Gefühle unb l£ntmürfe; mir begegnen längeren flücfbltrfen auf s^er^
gangeneö, (Spifoben, meldte s}ierfönlid)feiten beö engeren unb rociteren
^erfeljro ^ierotino auf ber Öilbfläche erfa)einen laffen unb und bie
£ntftelnmgögefd}id)te ihrer Begebungen ju unferem ©emäbrömannc
unb beffen Urteil über ihren 3ßert etngehenb barlegen.
21lö &inb feiner Seit oerrät ^ierotin ftarfe religiöfe (Smpftnbung,
aber nirgenbö mirft fie ftörenb, an feiner Stelle feine« £agebud)eö
tritt unö eine Berfefeerung gegnerischen ölaubeno oerlefccnb entgegen;
Feingefühl, Bilbuug unb sii>eltläufigfeit erflären bieö, unb jolcbe
Vornehmheit ber (iteftnnung paart ftd) mit ber ©abe, unbefangen unb
oielfeitig $u beobachten, ber grembe unb bem gremben gerecht ju
merben. (£iuc bei aller (£mpfinblid)feit barmonifd) angelegte 9Jatur,
ftrebt ßierotin nad) bem Öleid)gemid)t feines inneren unb oerfügt
über iicbeuöpl)ilofopbie unb &umor.
&>enben mir uno nun bem £agebud)e oon 1591 ju.
2>ie (Einleitung bietet einer allgemeinen Betrachtung eine breite,
behnglidje Stelle, ^icrotin ergebt ftd) im ^obe unb greife ber (rr=
innenntg, beo Webädjtniffeo, beo großen 3peid)ero unb Rottes für
alleo, mao bem sJ)ienfd)en bie Sinne unb bie Seele berührt, ber un
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Äarl ö. Sicrotin unb fein £agebu# t>om Saljre 1591 9
entbehrlichften tfraft für £anbeln unb teufen, ber Duelle bes <£r-
finbens, beo Urteilö unb bcr Nebe, ber Stüfee für alles, bes Raubes,
bas alle« umfd)lingt, roeffen bas menfd)lid)c Dafein bebarf, möge man
uon ©etft, !öilbung, 35crebtfamfeit ober Weisheit fprecben.
Dann fefct mit bem 14. silpril, bem Cftcrfonntag beo 3ahres 1591,
bas Xagebud) ein.
2i$ir wollen feinen reichen jntjalt nad) bcffen tt)id)tigften Ülify
tunken gliebern. ^unäcty't foli uns ber 3)Jenfd), ber 3)fann ber
gamilic, uor Ülugen treten, bann ber bebeutenbe ®enoffe einer be;
wegten 'int, ber ^olitifer, bas Söort nehmen, Der Metfenbe mit
weitem, burd)bringenbem flirte mad)e ben §d)luj3.
8d)on bie erfte (£in$etdmung, bie roie alte folgenben mit ber
Angabe ber 2Bitterung anhebt, führt und in baö Familienleben
3ierotins ein. (Ss unterlag einer garten Prüfung. (*tne J^^lgeburt
warf bie ©attin aufs ftranfenlager, ber Dfterfonntag erfdjlofe ihr
nach fieben oollen ^odjen Siechtums p erften 2Jial ben 2L*eg aus
ber Stube jur Mirale.
Da führt ber $ranb in Mamieft, bcffen Schlo&herr unfer 3tootin
war, einen gefährlichen Mitffall ber (Gattin in fchroere ftranfheit
^erbei, non welcher fie nicht mehr genefen foltte. Der Scheden
hatte bieö beroirft, wenngleich bie ©efat)r oorüberging, unb ber er=
littene Schaben letd)t ju oerwinben mar. Den 3. üRai frühmorgens,
ba 3ierotin nod) $u JBette lag, werften ilm bie Jämmerlinge mit bcr
fa)limmen öotfdjaft, fein Üikib fei ohnmächtig geworben. @r ftürjt
in ihr ©emad), boch regelt fieb bcr §evtfä)la$, fie fommt wieber ju
fia). Der $uftaub beffert fid) fdjeinbar, unb fo glaubt er benn auch
einen längeren xUusflug untentehmen $u fönnen, ber ihn ben 23. 9)iai
uon sJiamieft in feine ©eburtsftätte, nad) Öranbeis an ber böhmtfehen
4lbler, bringen foll. Der ihteg führt ihn über Clmüfc, bie bamaligc
^auptftabt Mährens, 2)iüglifc, Zittau nad) Xrübau, wofelbft ein
Detter, Üabüaus Seelen o. ^ierotin, nachmals &anbesf)auptmann bes
1619 mit bem böhmifchen 21ufftanbe oerbünbeten Mährens, — als
Sd)lofr unb ©runbherr lebte, — unb balb über bie l'anbesgrenje nad)
Seitomifdjl. Den 26. 9Jiai trifft er in ^ranbeis ein, erlcbigt bic
©efdjäfte unb fehrt bann nach ^anlieft jurüd.
(£r finbet bie (Gattin beffer, boch tauf cht er fid) über ihren i$u=
ftanb; benn es follte balb anbers fommen. 2Uol)l hofften beibe, bic
Wcfahr fei oorüber, benn am 16. 3nni fühlt fid) bie Gattin rüftig
genug, nad) fed^ehn lochen beo tfränfelns bas erfte sJ)ial bas
91amiefter 3d)lofe 51t oerlaffcu unb bic fnrje iKcifc nach tfralifc,
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ft. ». Äronc«
an eine bei* £aupt|tätteu beo böljmifdjonäljrifdjen iHrübertums, bei
Union, ben (Satten an ber Seite, jurücfjulegcn.
Doxt l)ält Ootjannes Sleneas bie sJ>rebtgt, herauf wirb nad) $raucb
ber trüber baö Ijeilige Slbenbmabl «ereilt, unb bann oereimgt alle
ein „f^ulgeredjtes" sJHal.
3luf einem Ausflüge (5. .Juli) l)atte ^ierotin einen glimmen
£raum; er mahnte ifm an ein natjenbes Unheil, wie foletyes üjm
o orber (25. 5)tai) $u Seitonüfd)l ein Wefidjt im Sdjlafe angebroljt fjatte.
Unb bie bbfe Atmung füllte sJied^t behalten. <£$ mar jur $e\t ber
^bcnbbämmerung, als iljm (6. Ouli) in ber JÖrünner ^orftabt einer
feiner Liener ein Schreiben etnt)änbigte. Sein Burggraf fc^rieb,
bie Wattin ringe bereits mit bem £obe. ©r eilt nun tjeimroärts unb
trifft in ber 9Jiorgeuftunbe in 9tomteft ein. $>ie Katrin oermodjtc
faum mel)r einige leife ÜBorte an ifm $u ridjten. 3)iit tljränenben klugen
ftanb er an bem $ette feines $i>eibes, feinen Jammer ftill in ftd)
oerfdjliefcenb. $ennod) fdnuanft ber ^uftanb roieber, otme ber £off=
nung auf ©enefung dianm *u geben. Vom 20. auf ben 21. $uli
fämpfte fie ben legten febmeren ftampf unb ^audjte unter (Gebeten
Ujren Weift aus.
$)er ©arte fwt ni$t uiel i&orte für feinen Sdjmerj, aber fein
Xagcbud) oerjeidmet bie furje ©efd)ta)te feines efjeltdjen Gebens, bas
ein neibiges Sctycffal uorjeittg fniefte. Waffen mir itm felbft bas
2i>ort nehmen:
„Od) lebte mit ibr", Reifet eo ba, „jmei 3aljre, 12 Monate unb
2 Soeben, in fooiel Siebe oerbunben, mie bieo bie Vortrefflidjfeit
einer folgen (Katrin beaufprudjen burfte; unb bennod), i$ muß bie
äl^at»r^eit befennen, blieb meine Siebe in ber Sctyilb. Sie oerbiente,
menn aud) nidjt mebr an ttyatfäcbltdjer Siebe, benn bie fonnte nidjt
mel)r überboten werben, fo bod) an Siebesbeweifen."
„Od) fat) fie bas erfte Mai ben 5. ^uni am s^ftngfttage bes
Oatjres 1588 $u Oung^unjlau , mol)in id) mid) in Wefellfdjaft beo
&errn ^ßeter ^Hofenberg oon S(kag aus begeben l)atte, unter bem
Vormanbe, oor meiner ^Heifc nad) 2)eutfd)lanb bas Ijeiltge Slbenbmafjl
$u nehmen, in äitafjrfyeit jebod), um bie (Gelegenheit $u finben, fie $u
feben. Viele meiner Vermanbten rieten mir ju biefer £tje, ba fie
unb iljre Sdjroefter 3)targarett)e (Srben bes großen brüberlidjen Ver-
mögens feien. 9tod) Veenbigung meiner SHeife oerlobte id) mid) mit
il)r ben 24. Cftobcr 1588 $u 21lt-Vun*lau , unb Tags barauf fam
es *ur Jveftftellung bes (Sbeoertrages. 3m folgenben 3<*Ih? (1589),
ben 8. "üJiai, murbc jm 9tomicft bie ©oefeeit mit mäßigem ^runf
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.tarl d. 3icroitn unb fein lagebud) ootn 3o^rc 169t
11
gefeiert. 1 590, 1 1 . <3um, am $roeiten s}tfingfttage, gebar fie mir eine
Tochter, Bobunfa. 3n biefem 3aljre (1591, 24. Jfcbruar) fam fie
^u früh nieber unb befanb fid> feiltet nimmer mohl, obfebon fie mite
unter $u genefen fduen, wie auo bem &orf)ergehenben erhellt, unb
litt on oielem nnb unterfebieblichem 9)lübfal, Schmerlen unb Dualen,
ba alle erbenf liehen Heilmittel nichts fruchteten unb alle Bemühung
unb Weisheit ber ^te, be« Jt'aoiniuo, ^omariuo unb unferö $au$-
boftor$ Schulart, oergeblich blieb."
„So entfchlief fie benn beute im &errn, bem fie ihr ganjeo
Veben binbureb treu gebient hatte. Sie mar oon gro&er, aufrichtiger
grömmigfeit, oon auenehmenber ©üte, mtlbe im Berfefjr mit bem
Wefinbe, freunblich gegen grembe unb coli XJiebe für bic ihrigen, cor
allem für mich, ben fie nie, auch nicht mit einer ßeberbc beleibigtc.
ätyxc ©eftalt mar mittelgroß, bas Öefic&t moblroollenb, ber Körperbau
^art, bie Hautfarbe bräunlich, ityx Bater mar (frneft, ein frommer
3)fann, ber um bes ©laubeno willen oiel oom Böhmenfönige3erbinanbR)
ju erbulben hatte; ihre sJ)iutter Helena ftammte aus bem alten unb
berühmten öefchlechte ber greiherrn o. Scbmamberg9); unb ftarb, alö
bie Softer faum fechs Monate johlte, ^efctere ^interliefi unter
gleichen Berhältniffen eine Xodjter oon faum oierjefm Monaten. Sie
f)ie& Barbara, aus ber alten unb berühmten gamilie Jtrajir l0). ^etjt
aber, nachbem fie nahezu ihr ganzes &eben ferner unb in großen
^ebränanijfen zugebracht, mohut fie im Gimmel mit ihrem Schöpfer,
frei oon ben Übeln, bie in biefem £eben ben Sterblichen begleiten."
(hft am fiebenten Xage nach bem silbleben ber (>tottin oerließ
ber firmer fein Otemaa), um ber ^rebigt beijuroolmen, aber unfidjt-
bar für alle. $>ann tritt er mieber in ben Jheiö ber gefellfchafte
liehen Begebungen unb längft gehegter iHeifepläne, beren mir balb
') fterbtnanbl (1527—1564). ®« bejiebt fty bie« auf bie garten aRafc.
regeln gegen bic bötjuufa)en trüber. 2>ie bJftoriidK Dorfleüung bietet ©inbelp
in feiner (£}efd)i$te ber böljmifdjen trüber (t>rag 1857—1858, 2. ©anb).
(Srnft o. Str. üerlor fein $auptgut, ©raubet«, unb flarb 12. 3uui 1555 auf
bem 3ung>©ut«ilauer ©(bjoffe. ©ein einjiger ©oljn, Hbam, Derfa^ieb 1589
tiuberlo«, unb ba« (Erbe fiel feinen beiben ©chroeftern, Barbara unb €lifabett>,
jn, bie naa> einanber 3ierotin« grauen würben.
•) muß roob.1 flatt „Sdjlembfrg" im «bbruef be« iagebud)« S. 25
gelefen werben.
'•) Xad ($ej<bled}t ftammte roof}( au« Cfterreidj, roo e« fu$ in ber ur-
fprüngfidjen, beutfeben 9famcu«fonu „Ärager" fdfrieb. Seit Cfnbe be« Dior-
jebntrn 3abrbunbfrt$ gebären feine Vertreter ©öbmen an unb traten in ben
bierlänbifeben ftbel ein.
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fi. o. Ärotit*
beo näheren gebenfou werben. ;]wn U4. ^September oerjeidmei er
ben Eintritt ine '28. Vi'boitoiahr. hiort möge es ibn glücflid) vo(U
enbeu lafi'eu. <*r bliebt Hd) auf leine weite fterrfiaft Woffife, um
hier unbehelligter beton mib ruften >u tonnen.
Ten .Hern beo Tagebuches bilben bie politifdjeu s^länc «Sierotind,
nnb bier muffen nur in trübere jalm beo jungen, planreid^cti
Wunnes >urüdblirfcn, um beu ^ufamiueubung flar ju legen.
;}ierotiu nun ein begeifterter Verehrer ASoiuricbS t>on Staoarra,
beo Bannerträgers bei .üugenotteu, bereu (Glauben bem ber böfpifaV
mährifdien trüber fo eng oermanbt mar. 2d)on 1588, im 3abre
ber Verlobung ,]icrotiuo mit Barbara von tfrajir, laffen fid)
ieine rcrfbulidjen \He\tcbnngctt ut beut fr an .tfmdH'u STgenten 3lncel om
fraget. Uauerlmfe feftftellen. Tantals erreidue bao üdirrfal ber ^uftänbe
AViutfreidiö ben (Gipfel. .Honig winrid) III v. Baloift {jarte ftd) aus
Aiird)t vor ber :Nad)e ber X'igiüen mit Dem Neunter oerbunben, fiel
aber halb burdt ben Told) beo Aanatifero lib-ment, unb nnn begann
iviurun IV bett fdnvereu .Uamr>f um ben Thron ber SJaloid.
;]ierotin nun eutfdiloifen, ber 2 mite beo iKavarrefen feinen $egcn
in meinen. <ir nuntete nur bie Meberfnmt feiner ©attin ab
(,>uli l :><»<>>, um bann ben l!.2cptember bie .Heifc nach ^anfreid)
anzutreten, Nenuf; verlief? er mdit leidtten .tferjens ©atrin unb
Todnerdum auf Dem Oiamiefter 3d)loMe. Tod) erreichte er batnalö
fein ;>ic[ ntdu. Tao bamuliue Tagebud) id)lie|;t, roie fdjon oben
ainiebeittet, bereito mit bem 2evtcmber in Babenfyaufen auf
fdurübiulier (Trbe, au» bem BJege von Dürnberg nad) ^anffurt. 3Bir
feuneu nid)t bie Betveggrünbe ber Hinteln ; lagen fie in politifdjen
Berbältnifien, nunielten t'te nur tu :h'urfiid)teu für bie ^amilieV $ie
Nattin verfiel balb in ihr 2ieditum; nur tmifeu nichts nähere«.
*Jus bao ,\abr I.Vhi idmlbig geblieben mar, follte ba8 nadrfte
ivettiuadum.
Tao Tagebud) vom ,\ahre iiv.i] veneidmet fd)on jum 27. 3lpril
midjtige Briefe von ;5;emriu au Wilhelm Jlucol, ben „Sefretär"
beo frauzöfiidieu Königs, unb an beu Beamte v. Tureune
idiafter \>einnd)o IV bei beu brutuliett :hVid>ofurften. (£r fclbft teilt
im* bie .wuvtvuufte biefer ;>ind)nfteu mit: l. JiuiÜe er bem Atönigc
l.'inno Thak't- alo Tarlelieu utfommen l äffen. 2. fönne er im
,l) an tri (.«:i:r, im ^rtuvaimilirii, 7 "t Wn\. littirefuid) Don HngÄbnrg.
'• .(vmu). ^iu'intr, ^'hih-; feit V * c 1 1 1 1 ( c 1 1 r ^-iivfl von @rtan, 9iromtr
Äarl o. 3tecotin unb fein £age&u<$ ttom %af)tc 1691
13
2lugenblicf ben Krieg in granfreid) nic^t mitmadjen unb jwar aus
Drei örünben: wegen eines SBeft^ftrciteö, wegen bes füralid) oor=
gefallenen Branbes in 3iamieft unb vor allem wegen bes Sied)tums
feiner (Stettin. 3lm 9. 3Wai erhält er bie Antwort 9facels, ber
3ierotins Berf)inberung lebhaft bebauert unb ber SHplomatenfabrt
Turermes gebenft. 2Bie und bas Tagebud) $um 1. 3um anbeutet,
ftanb 3^0^ m^ lefcterem auf fet)r freunbfdwftlid>em 3u&e.
®en 18. 3uni erfdjeint bei 3ter°tui ju Bitefd) ein Vertrauter
3terotins, 3ttarc=2lntonio, ber Üombarbe, um bie ©ntfd)liefwngen
bes mäbrifd>en £ugenottenfreunbes ju ergrünben. 2luf bem SKorgem
ritte im Tiergarten — nod) tyute eine 3wrbe ber 9tomiefter Sdjlofc
tjerrfdwft — eröffnet 3icrotin bem Gtofte fein §erj. @r füble noeb
immer für bie Saa> «peinriebs IV bie alte <£rgebenbeit unb Opfer;
nrilligfeit, aber ber leibenbe 3uftanb feiner #rau, ber feine Slbreife
ben nähern Tob befdjert tjätte, fei ein unüberfteiglid>s &mbernis
öewefen. ®r wollte unb fonnte nia)t ber genfer feiner grau werben.
Ulaä) längerer 2£ea)felrebe, in weldjer 3ierotin feiner Betrübnis, bem
Berfebr mit «Karc--3lntonio als greunbe unb ^ferbefenner entfagen
$u muffen unb feiner unentbebrlia)en Begleitung nad) 3ranfrei(b be=
raubt ju fein, 3Harc=3lntonio binwieber ber unbegren5ten ßrgebenbeit
für 3icrotin 3lusbrucf gab, fdjieben fie enb(ict) mit ber Vereinbarung,
bafj 9Narc--2intonio oorläufig auf Äoften 3tootinS nad) (&enf nerreife
unb bort junädjft feine 2lngelegenbeiten orbne. 3ierorm wollte bem
Bicomte o. Xurenne flmei Sßferbe burd) s))torc^ilntonio als ®efa)enf
^ufüfjren laffen.
Salb barauf empfängt 3i^0tm em Schreiben eine« ©elefjrten
unb s$äbagogen, Piflas (Sberbaä) aus s}tobua, ben 3ie* otin in einem
Briefe vom 10. 9Wai offenbar für ein längeres 9lusbarren in ber
Stellung eineö §ofmeifters unb &ebrers beftimmen wollte. ISberbad),
fd)eue ftd), eine größere üaft oon Verantwortung auf feine Sdmltern
an nehmen, als er tragen fönne. 3lus mef)r benn einer Urfacbc fönne
er bie SReife nad) granfreia) nid)t aufgeben, wofjin tfm ber Trieb
nad) @bre unb ©rfaljrung bränge.
$ann folgt ein Brief bes Bicomte o. Turenne mit oielen Ber*
fpredmngen oon feiner unb bes Königs Seite, 3eitungen aus diom,
aus Jranfreid), aus ben Weberlanben, oom unteren ^Hrjein bieten an
Sefeftoff bie gfille, unb mel)r noa) beffen befd)ert ber Brief 3lncelo
oom 5. ^uni unb fein Sdjreiben oom 14. 3uni aus ^rag, über bie
Meife Turenneo oon ftranffurt nad) Strasburg unb über ben fran-
$öfifd)en Äriegsfdjauplafc.
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14
ft. D. Äronc«
Überbieo liefert bao lagebuch Sierotiuo bei biefer Gelegenheit
einen millfommeueu Beitrag *u ber allerbiugo jiemlid) reiben 8tttt<
ratur ber in jenen Reiten gang unb gäben politifdjcu ^ropbeu'ibiuuu'U-
2?em Briefe 3Harc--2lntonioo Olli Dürnberg (14. ^uli) lagen nämlich
Seitungen unb bao lateinifd)e JBüdhlein eineo tfranjoien bei, ber unter
bem ^feubonom Francus Atitipante* feine 3d)rift bem X>änenföniiU'
(Shriftian IV gemibmet hatte. 8ie enthielt bie Deutung rätfelljafter
ccbrifaeicben, welche angeblid) im ^abre 1689 in pod im bäniict)
norwegifcheu 3)leere eingefangenen ^äringeu l%) oorgefunben morben
fein follen, unb mirb oon ^ierotin auojugomeiie mitgeteilt. $ie in
bem einen gtfdje entbecfteu ^ucbftaben lao ber frnnjöfifdje SBajjr«
fager alo: Viei Fiumini Nervura, bie im auberen: Waineri Poculi,
Poculi, Poculi unb erflügelte auö biefem Slbrafababra nadjftebeuöes
^ufunftsbilb.
3m Mxe lBi»2 merbe in ^rauf reich, allgemeiner triebe berrfcben,
ber .König im uäcbften $abre in $iom eingehen unb biefe Stabt einer
Aeuerobnmft oon acbtu'b» Jagen Stauer verfallen. Der gegenwärtige
%k\bh werte erfdjlagen unb nad) 25 Monaten ein neuer ^Sapft ge-
wählt werben, nadi langer Säuberung feinen 3i& in sBabplon auf;
fdjlagen, ben caloinifeben Glauben annehmen unb bie Verehrung ber
3uben anftreben. 2)er Atönig im füiliicben vJ)cecre merbe auo Übermut
ben Xob finben, bao ^aofenlanb ootl ben 2panieru bebrängt merbeu,
3panieu felbft bem söürgerfrieg oerfallen unb fdUiefUid) bem ^ranjofen-
fönige gehorchen. 2(11' bieo merbe fieb oor bem vfabre 1697 ereignen.
Um bao 3<\l)v 1598 merbe ber groftte König in ^ranfreid) regieren
unb nicht burch (rrbfolge, ionbem burd) Sahl >ur $errfcbaft ge=
laugen. J>t)\\ mürben nid)t bie Hugenotten, wohl aber bie ttatbolifen
eifrig certeibigen. 8o gemaltig merbe bie ^mietradjt aufflammen,
baf, ber lürfe bie Gelegenheit ergreifen unb ganj (ruropa alo offen
'iegeube Öeute bio gmn AVihre H>04 ober bödjfteno bio 1608 oer-
iDüftett ioirb, um welche Jeit beliebig feine ^erftörung erlebt, ^enei
frau*öfifd)e ftönig merbe 4o ^aljre herrfdien, bao gnnje (*rbntnt>
unterwerfen unb fdjliefUid) bie lürfeu in ber Gegeub oon Köln be-
ilegen. (5r merbe $u ^emfalem fein Veben bcfchlieften unb bie
3ubeu fid) bann bem Gbriftentum jumenben. itatfertum unb ^ioil-
redjt würben *u Grunbe gehen, bao gatetn unb bie eiuheimiicqc
••) lagebueb, 0. 22: duftba» lialecibu« captis. (halex. alex
harengua, Döring u. j. Söfibdjtn.)
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Äorl ö. 3ierotin unb fein Xagebu$ t>om %a$u 1691
15
2Hiffenfd>aft tyren Untergang ftnben; bie ganje lüöelt ftd) oerjüngen
unb alle* neu werben.
„9Jiit folgen unb älmlidjen <Sd)mänfen," fdjreibt 3icrotin, „füllte
er 25 Seiten aus. tonnte nid)t genug bie Äed^eit eines foldjen
SNenfdjen bewunbern, ber bies alles berart behauptet, als wenn es
bereits gefdjefyen wäre, 2Held>e bis baf)in leben, werben bie Slidjtio-
feit ober SBaljrbeit all' beffen erblttfen." Sejeidjnenb ift eine dianfc
gloffe im £agebud)e aus fpäterer $eit: „2Bir, bie wir feit <£f)rifti
(Geburt 1626 3abre jäfjlen, erfahren bie 9Jid)tigfeit all' biefer ä8al)r=
Jägereien." Ob biefe öemerfung oon ßi^otin felbft l)errüf)rt, ber
befanntlid) als 3roeiunbfieben$iger im 3at)re 1636 ftarb, ober aus
anberer geber flo&, lögt fid) bem 2lbbrutf feines Sagebudjes nidjt
entnehmen, ^ebenfalls lag im 3al)re 1626 hinter itjm unb ben
3eitgenoffen eine SBelt oon ©reigntffen, bie oon all* jenen propl^
tifdjen Alfanzereien feine einige oerwirflidjt erfreuten liefe.
3ld)t £age nad) bem <Qinid>eiben ber GJattin (29. Juli) oer^
jeidmet gierotin in fein lagebud) ben fertigen (Sntfdjlufe, bie längft
gehegten politifdjen <|3läne auszuführen. Sunädjft will er feinen
jüngeren S3ruber Glonns, bajumal in 3talien mit feinem §ofmeifter
9tiflas o. ©berbaaV*) oerweilenb, b«mberufen unb mit it)m bie
oäterlidje (Srbfdjaft teilen. $>ie Weife nad) granfreid) falle ftrengftcs Gte
tjeimnis bleiben, wie er bies einem feiner oertrauteften Jreunbe einfd)ärft.
Sei biefem 2lnlaffe wirft er aud) einen Wücfblitf auf fein £eben.
*5eit jef)n 3afjren fei er auf Weifen begriffen gewefen, unb ©ott tyabe
itjm bie feltene Söofjltfjat erwiefen, bafi er nidjt blos bie 3une^9un9
ber guten 2Wenfd)en, modjten fie nun feinesgleidjen ober oon nieberer
£ebensftellung fein, — fonbem aud) ber gürften unb ftönige fid)
erwarb. $efonbers wäre bies bei ber Königin oon (£uglanb
((Slifabetb) unb bei bem Alönige oon Waoarra, gegenwärtig bem
j&errfd>er granfreidjs, ber gall gemefen. Cb jene, als er ^nglanb
oerlaffen, feiner nod) gebenfen, wiffe er nidjt, Mönig &einrid) t»abe
ttm jebod) in Briefen, bur$ eigene 6enbboten unb feine 23otfa)after
in $5eutfd)lanb feiner (Snabe unb greunbfdmft oerfid)ern laffen.
Deshalb fei ifjm aud) $ierotin treu ergeben.
2lls ^ierotin oor fed)S Jahren15) ben &ofl)alt bes ^öearners
u) Offenbar ibeutifd) mit bem oben erwähnten Äorrefponbenten
3ietorin«.
") 3)a* würbe auf ba« 3a$r 1686 butweifen. GblMmerfö« «Bert unb
baS, tras au« bem Wadjlaffe 3ierottn« betannt geworben, lägt nähere »n-
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5. 0. ffrone«
uerlieft, weil eo feine ^ormünber fo Reiben wollten, tyabe er i^m fein
äBort oerpfanbet, fo oft §etnrid) feiner Suenftc bebürfe, jur iHücffebr
bereit fein, an ben jpof ober in bad &eer. s)tod> langer tÄb-
roefeuljeit im opätjaljre 15H? nad) iDfabren fjeimgetommen, beeilte
er fid), feine Slngelegenljeiten ju orbnen unb rüftete fid) jur JHeifc
nad) granfreid), unter bem ^ormanbe, $)eutfd)lanb befudjen, in
ber ^()at aber entfd)loffen, fid) nad) Belgien unb uon Ijier auö nad)
granfreid) $u wenben. „($ott aber lenfte ed anberö unb oeranlaftte
feine £eirat, inbem er ibn bat)in brad)te, oon bem ewigen üBanbern
auöjuraften unb fid) ben eigenen 9lngelegenbeiten ju wtbmen."
9tod)bem er nun anberttyalb 3aljre als ©bemann gelebt unb
&ater einer Xodjter geworben, fdnen es it)m angezeigt, fid) für ein
paar SHonate beim Könige £einrid) einjufinben, ba ibn biefer brieflieb
einlub, unb fein Äämmerer, ÜJtanfreb ^alban oon J^ucca, im 3lpril
bee 3al)reo 1590 mit ben Aufträgen unb 3ufd)riften be$ Äönigä bei
Sierotin oorfprad). ©r fei benn aud) mit (Maubniö ber £anbes-
oberften Sttäbrenc mit feinem (befolge im September bee Safjres 1590
aufgebrochen unb bio an bie ©reme Jyranfreid)* gefommen, um hier
eine gelegene 3eit jum ftberfdjreiten ber Wrenje abzuwarten. Sie
^orfelmng fyabe eo aber anbero gefügt, unb fo fei er auf 3ureben
ber 5re»nbe unoerria^teter 3ad)e nad) Italien abgegangen, wofnn er
feinen SÖruber bradjte, unb r)eimöefel)rt, allerbingö ungern unb ärger--
lid) über bie grofcen Soften ber iHeife unb bie Sdjlappe, weld)e feine
(Stjre unb fein >Huf Dabei erlitten. $ott l)abe es fo gewollt, ba er
ben Xob ber Gattin oortjerfab unb mit ihr unb 3^rot^n s^itleib
Ijatte; benn er märe für immer freubloo geblieben, wenn fein 5h*eib
in feiner 3lbmefenbeit uerfdjiebe. ©in zweiter ^lan, mit bem beutfdjen
<Solbl)eere, baö ber ^icomte o. Xurenne nad) ^ranfreid) ab$ufüljren
Ijatte, baljin auf$ubred)en , mürbe bureb bie .ttranftyeit feines Leibes
ju nidjte. So babe er benn fdwn jebe Hoffnung aufgegeben, §rank
reid) mieber 511 feben unb ben Honig &u befudjen.
3efet, ba bie ftrau in ein beffereö Veben abberufen fei, tonne er
bie trüberen Entwürfe oerwirflidjen. ihtotjalb follte er benn müfeig
baltfpnnfte für biefe« 3abr niett gewinnen. «S beißt aber im lagebud) jura
29. 3uli (€5.27) anSbdidlid? „ante sexennium". 3)a er ober gleid) ro. n.
jdjreib:: Itaque promissi meraor, postquam domum ex tarn dinturna
peregrinatione rediiaseni tandem, qnod fuit sub finera anni 87 m. —
fo ifl c* gleidjiwobl möglid), baß ^ierotin 0,1 lffetp*c,J 3ab* bad)te «nb flalt
..sexennium" — rid^tiger e« „quadriennium" tjcißen fotl. ©ennod) liegt lein
entfdjeibenber (örunb gegen 1585 oor.
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Staxl o. 3'*c°rt" u»b f«n £a{jebudj oom 3aljre 1591 17
leben unb nidjt nad) Jranfreid) ben 2Beg nehmen, wo fid) it)iu bao
roettefte gelb erfd)liefje, feine £üd)tigfeit jur ©eltung $u bringen.
siöenn nidjt öott bawiber fei, wolle er bann im nadbften Oftober
über Hamburg nad) (£nglanb unb oon ()ier in bie 3formanbie. $mei
Sdjwierigfeiten ftünben jebod) im 2&ge, bie sJ)iitetgentümerfd)aft bes
Srubers, mos ben ©rbbefifo betreffe, unb bie 9totwenbigfeit, aus*
giebiges Öargelb aufzutreiben. Xod) tieften fid) aud) biefe über*
nrinben.
$5ie £agebud)einäei$nung $um 20. September 1591 $eigt
und 3^°tiu fa>n reifefertig unb im ©efprädje mit feinem £*er=
trauten, (Surtinus. 2)er aanje s3)?ouat Cftober fei ber 8d)ifffaf)rt
günftig, benn nidjts Ijinbere ba am Steden in bie «See, ben gall
ausgenommen, bafe bie ßlbe oereift fei, was jebod) r»or bem $e$ember
unb 3anuar nie eintrete. SM« Sdjiffen werbe es nid)t mangeln, be*
fonbers wenn bie Meife in ben 3eitpunft falle, ba bie englifdje
glotte fjeimfegele. (Surtinus riet femer, nur ein geräumiges Sd)iff
$u mieten, bas Me famt ben ^ferben beberbergen fönne; lefctere
feien auf bem sDieere weit ruhiger als bie ÜWenfdjcn. ©in foldjeo
mit Saffen unb 3Waunfdjaft oerfeljenes Schiff fofte minbefteno
80 englifdje $funb Sterling ober an 400 Xtjaler stiele. JBon
Seeräubern fei nichts p beforgen, ba (Snglanb bas SJteer befjerrfdje.
3i$as bie $eitbauer Der Jfaljrt jur englifdjen ober frauftöfifd)en Hüfte
anbelange, fo fei fie ferner ju beredjnen. Weift brause man bei
künftigem SiMnbe 5 bis 6 Xage.
(Surtinus übergab ,3ierotin rtUd> einen örief §einrid) $albans
aus $3afel. $alban unb 23rulart 16), ©efanbter ftönig £einrid)o in
ber (Sdjmeij, feien übereinftimmenb ber Meinung, ^tootin tt)äte am
beften, bie Steife nad) Jranfrcid) über #afel unb Jöurgunb $u unter*
nebmen, ba oon ©urgunb aus ber Äönig am leid)teften 51t erreichen
fei Dbfd)on il)m biefer Mat nidjt mißfiel, blieb Sierotin bennod)
bei bem urfprünglid)en gJlane, ba ber 2i>eg übers 3J?eer unter günftigen
Umftänben leichter unb bequemer fei.
$en 24. September bracb Sierotin oon 9famieft nad) Mofftfc auf;
in feiner nädjften Umgebung befanben fid) Girfler, (Surtinus unb Rubere.
28ir wollen uns etwas mit bem (Sogenannten befd)äftigen. Das
Xagebud) jum 27. 9Wai bietet uns tjierfür wiüfommenen Stoff.
,#) Xagebu$ &. 30 t>eifit e3: „©rularto ©iflofto" (ridjt. öittfrio). (S$
tft bie« ©rulort, $tvx oon öiflerp, Diplomat .§cinrid) IV unb Parlament«,
mttglieb.
3«tf4rift ffit ftuItUTAcfdiidttc. II. 2
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18
ö. ÄroneS
Saurem Girfler (3»rfler) aus Sd)lefifd)=($olbberg mar oormals
Mofmeifter 3ierotine. Seit langen 3at)ren befd)äftigte er fid) mit
vobrcn unb @r$iel)eu, fo bafj ^ierotin meint, es t»abe bajumal
n>ol)l niemanben gegeben, ber fo Diele abelige Jünglinge teils öffent=
itd) teils priunt unlerridjtct habe. £>ie eigenen Stubien t>abe Girfler
unter Valentin Srofccnborfs unb $u SüMttenberg nnter 3)celand)tbonö
veitung beenbet. 9CCfl Jüngling unterrichtete er an ber &eimatfd)ule,
oann fdjicfte man ihn mit Dielen fcfjlefifdjen ^unfern nad) $ranf=
ntrt a. D., bamit er fie an ber bortigen Unioerfität übermale. $as
Li äbrte roobl ein ^alrr ober etrons barüber. 9tocb einiger $eit über=
uib iljm .frerjog ©eorg uon öriea, nnb Viegnifc feine beiben Söhne
,\oad)im nnb .§ans sur Grjiebung nnb Vebrc, in welcher Stellung,
eirfler mehrere ^abre löblich roirfte. $>ann betätigte er fidj als
(irjieher nnb Vehrer bei ben böbmifdjen Maronen ©ionps v. Slaiuata
nnb ülcorg u. Ü&ilbftein, beren Söhne ÜNicbael nnb ftarl er bann
rurd) mehrere %afyxe 5U Wittenberg unterrichtete. Ülld bann Äarl
v. äitalbftein nad) ^ranfreich, sJ)adjael r». Slaroata nad) Italien ab=
fingen, unb Girfler bie Begleitung ber beiben Äanaliere ausfällig,
i'urben ferner Dbforge Gilbert o. Slaroata, ber Sruber sDtid)aels, unt>
\>einrid) u. Walbftein, Atarlö Seitenoerroanbter, übergeben- Sie be^
Dienten fid) feiner fpäter nod) burd) ^atjre uierft in Wittenberg, bann
in SJafel alo „^rtijeptor". $on $nfel brad)te er fie in öefellfchaft
De* (Strafen s4>l)iUpp o. $anau nad) Italien unb begab fid) bann
nad) fur>em iHuf enthalte tjiersulanbe beimroärts.
Girfler lebte hierauf einige sJ)tonate für fid) unb rourbe fpäter bem
üater ;}ierotins empfohlen unb fo „burd) göttlidie Fügung" Üebrcr
>uirlo r>. 3toottn. Girfler beforgte burd) uier $al)xe teils in #rünn
teill )n Gibenidnifc ben Unterricht oco (benannten, unb fpäter geleitete
er feinen Högling an bie auolänbifdjen $od)fdnilen ju Strafeburg unb
öafeL „Mes, roas ich roeifi", f treibt ^ierotin mit überftrömenbem
Danfgefüljle, „oerbanfe id) il)m"; fo lautet bas rool)lttnienbe ©eftäub-
io ^icrotinfi.
Girfler gab unferem Wcroäl)rsutann aud) nad) itenebig bao
1 Meierte. Won bort fetjrte er in bie $eimat surücf unb rourbe Schuh
reftos ut Wolbberg. $)er &erjog uon $rieg berief ihn bann in bie
u'iiannte Stabt, unb hier eröffnete Girfler eine Schule, bie oon
dt her ftarfrn ^ufpruch fanb. Dod) geuon er nid&t lange triefe
' mnft bes Wefdncfcs, beim bn er in feinem bem .^er^oge eingereichten
(^laubeiiöbefenutniffe bie sJ)ieinung Vutbers uon ber leiblichen Wegen
hui Ghrifti im 3lbenbmal)le beitritt unb fid) fo ben „Rechtgläubigen"
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Stad o. 3>eri>ttu unb fein £agcbu# uom $al)i-c 1591
19
$ugeiellte, — l)ier fprid)t 3te™tin al* Genoffe ber Vrüberunität, bie
in biefcm tote in anberen Glaubenspunften mit ber ^nfdmuung ber
Reformierten, ber 3">inglianer unb (Saloiner, sufammentraf, — fo
oerlor Gtrfler fein 2lmt unb würbe bes £aubes oermiefen.
Mehrere 3aljre brachte fo (iirfler in ber Verbannung ju unb
weilte halb ba balb bort, bis er fid) eublich jur Seit ber diücffehr
3ierotin« oom siluslanbe, mit beginn bes 3«r)reö 1588, *u bem Ge^
nannten begab. $)od) meilte er bei ^ierotin nicht lange. £enn fdjon
5u ßnbe 2lpril b. ^. braute it>n biefer nad) ^erbft, wiüens, (Sirfler,
wenn er es wünfche, heimwärts geleiten ; biefer sog es jebod) oor,
einige 3eit in ßeibelberg $u oerweilen. 1589 fehrte (Sirfler — anläfelid)
ber &od)$eitsfeter 3ierotins — >u biefem juriirf, verbrachte einige
Monate bei ihm nnb foflte bann im §aufe eines Verwanbten
^ierotins, &errn Jvriebrid) Sljeobor o. tfunowife, als &brer eintreten.
SDa (Sirfler jebod) utfolge ber fd)led)ten Sitten bes Fünfers baran
wenig Gefallen fanb, fo begab er fid) Slnfang 159o mieber $u 3ierotin
unb fobann im gebruar mit beffen Genehmigung juerft nad) Birnau,
bann nach 3erf>ft, n>o er bis ju bem in Siebe ftehenben 3eitpunfte als
^rioatmann lebte, bis er ftdj mieber entfdjlof?, bei 3ierotin oorju;
fpredjen.
^adr) biefer 2tbfchweifung nehmen luir ben 5aDen Der £«ge-
bud>ein3eidmungen oom ßnbe September 1591 mieber auf. (Sur-
tinus unb 3)iarc-3lntonius , bie fid) wieber bei 3ieronn eiugefunben,
mürben angewiesen, ben iliteg über Vranbeis unb s)>rag nad) Stabe
einschlagen unb bat)in bie ^ferbe 3ierotins $u fcbaffen. tiefer
oerwahrte bann bie .Hleinobien feiner babingefd)icbenen (Gattin in
einem ju Venebig angefauftcn Sdjränfchen unb oertraute ifm ber grau
2i*anecfi), ber Hüterin feiner kleinen, an, mit bem Auftrage, il)n,
falls 3tootin auf ber Sieife oenmglücfte, für bas £öd)terd)en ju oer=
magren, was fie unter Xhräncn jufagte.
SBir wtffen, bafj 3^rotin bas #iel feiner gafjrt möglichft geheim
3u galten entfdjloffen mar. 9hir wenige feiner Vertrauten weihte er
in bas Geheimnis ein; auch Wn Vetter Jyriebrid) o. 3^rotin wufjte
barum, beffen Slufforbcrung, oon ben sJllteften bes £>errenftanbes bie
(Erlaubnis jur Slbreife einzuholen, Si^^otin mit ben Korten ablehnte,
bas fei nicht notwenbig. 3lud) 3ierotins (oerwitwete) Stiefmutter
erfuhr burd) ihn baoon. Seim l'anbmarfchaU gab es (2H. Sept.)
ein glänjenbeä Gelage, bem alle Varone unb .Marl fterjog oon
SJiünfterberg beiwohnten. £ags barauf hatte 3ierotiu Marl oon
^iechtenftein unb ben 3lr*t Simon Simoni o. Vucca 51t Gälten.
2 *
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ft. o. Äroneö
X'efcterer wirb oon Sierotin als ein oor$ügltd)er ftadmtann, aber als
sJ)ienfd> oou lotferften Sitten unb als ^otenjäger gefa^ilbert; bes-
Imlb fei er beim Slbel in Gtanft, ber ftd) meift an Spafemadjera $u
ergöfcen beliebe.
2lm 27. September brachen 9)torc;2(ntomo, Dtitolaus Gurtinus,
3of). 93. l'acteo, 9lbam sJ)letinger, 3ot). &einr. Stoll unb Daniel
l'aoignius oorauo nad) :öranbeio auf. 21m 2. Df tober folgte Urnen
3ierotin, nndjbem er oon feinem £öd)terd)en, ihrer Hüterin unb com
(iJefinbe v2lbfdneb genommen hatte.
£ie uädjfte Elufseidmung fällt fdjon bem 12. Cftober $u. 21%
treffen 3ierotin bereit« in einem gat)r$euge, bae ilm nad) Xetfdjen
in $ötmien beförbert. Gs gebore ben Gbeln oon 23inau unb böte
einen freunblidjen 3tnblid. Über bem Jlufeufer ^bebe jtd> bie große
^Burg. Sann fül)rt ifm ber i&eg *u einer ftattlidjcn „Äretfdjme"
OhMrtöbaus) unb in bas Gngtbal, an ber ©renje 33öf)men$ unb
sJNeifeenß. sHier Pfeilen weiter fuhren Tie am Stönigftein oorbei, ben
ber oerftorbene tfurfürft oon Sadjfen1") mit nmnberbarer Arbeit unb
grofeen Soften auffübren liefe. $ic ^efte frönt ben bWten gelfen.
ringsum oon 9)iauern unb Türmen umgeben. 3roei teilen roeiter
begegnen fie bem 6täbtd)en %Mrna, unb gleich weit baoon entfernt
lanbet bie ^eifegefeUfdjaft oor Bresben. <Sd)on war bie 9tad)t ein*
gebrodjen, unb fo mufete man fiel) begnügen, in ber $orftabt Verberge
$u nehmen unb $roar „uid)t $um heften", mit meinem Stofefeufaer
bie 2Iufjeid)uung oom 12. Dftober fd)ltefet.
$>er 1 3. Cftober führt uns Bresben oor. sJ)ian betritt bie Stabt
unb beliebt ben ©aftbof $um Mng, 100 bereite einmal, unb $toar im
3uni 1588, 3ierotin beherbergt n>ar. Über Bresben r>abe 3ierotin
anberen Orten ausführlich gebanbelt. £ier motte er fid) mit naaV
fteljenben Einbeulungen begnügen.
Gr nennt bie Stabt fdjön gelegen, ftattlid) gebaut unb oolfreia).
Seit bem tfurfürften 3Horifc, bem erften ber albrcdjtiniidjen fterrfetjer
Sacbfeus, gewann Bresben an berounberungsioürbigen Öefeftigungen ;
fein trüber 2luguft (f 1586) oollenbete fie, machte bie Stabt un-
einnehmbar unb erridjtete ein mit allen Waffen toobloerfebenes 3^ug-
haus. lUud) bamit mar tUugufts Solm, Gbriftian I, nicht jufrieben
unb liefe ber $urg jur Seite einen grofeartigen sJ)torftall erbauen.
2lm anberen Gibufer läge Sllt^resben, mit sJleu=T>resben burd) eine
fd)öne Steinbruck oon 630 Scnrittcu oerbunben.
») SbufHan I, t 25. September 1691.
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Äorl o. 3»«<>t«n «nb fein $agebu<$ Dom $a1)xc 1591 21
2Me itorftäbte be$eid)net 3«rotin al$ fteUeumeife geräumig, aus
leichtem 3Hateria( gebaut, fobafe man fie im Notfälle, bei ^Belagerungen,
leicht jerftören fönne.
8obalb ^i^otin ftreeben betrat, forfdjtc er fogleic^ nad) feinem
gelehrten älteren greunbe , ^otyanneä £cunclatriuö (Söroenflau) l8),
bem befannten §iftorifer, s4$f)tlologcn unb Drientaliften. ßefcterer
fwtte, wie bie ^2oti$ im Xagebudje sunt 26. 21pril befagt, unferem
3ierorin feine lateinifdje 'Überfefcung ber römifdjen ©efd)i(fyte bes
Stföantinerö 3°fimu8 (o. 3- 1 o76) peretjrt unb tfnn mitgeteilt, bafj
er oom fädjftfdjen fturfürften einen ^aljreögelmlt im Setrage oon
300 (Bulben be$öge. ßierotinö (Srfunbtgungen umreit jebod) oergcb;
lia)e, ba bie Höflinge iieunclamuo ju fennen oemeinten. Seunclaoiuö
fjatte alfo ©reöben oerlaffen, roaö rool)l mit bem Ableben beö Äur-
fürften Gfjriftian I jufammentjing. Slton Sitolfgang 3iUDCKnr Dcn
3ierotin in ^enebig fennen gelernt, erfuhr unfer (Gewährsmann bnö
9täf)ere über ben lob biefes 9)tod)tf)aberö.
2Rit ben Korten „sJfu jefet ift 3ett, jefct wollen mir roanbem"
fei ber Äurfürft oerfdueben. 3ierotin rüfjmt alle feine £ugenben,
fann jebod) nid)t oerfc&weigen, bafj fie r»on feiner unfeligen £runffud)t,
ber ber faum 31 jäf)rige Regent erlegen mac, in ben ©Ratten geftcllt
mürben. 3ierotin felbft f>abe ben Jturfürften oon bem Slugcnblicf an
gering gefaxt, alö biefer ityx 1 588 ju einem Wlatyt einlub, bem ber
ßurfürft oon Sranbenburg unb anbere jwlje Herren anwofmten, unb
abfüf)tlid) unter ben £ifd) trinfen liefe. Später, als 3^°*"* burd)
ben SBtcomte r». £urenne unb Slncel in (Srfafjrung braute, ber Äurfürft
neige bem ßönig $einrid) IV ju, unb oon (SirCIer uernafnn, (Stjriftian I
befreunbe fid) mit bem „nötigen ^efjrbegriffe oon ber (htdwriftie"
unb fei entfdjloffen geroefen, ber £runffud)t ju entfagen, — fafete
3ierotin roieber eine Neigung $u bem Slurfürften, beffen Job ein
grofeer Sdjmerj für feine Jyreunbe unb ein Xriumpf) für bie gcinbc
geworben fei
3ierotin futyr bann $u )&agen nad) sJ)iei6en unb ftieg im (#aft-
tjof $um ©irfdjen ab. Sein Sagebud) wirb ber ^ergangeuljeit ber
Stabt unb itjrcn fürftlidjcn törabbenfmalen geredet.
") ®eb. $u* Stmelbeuern in ©eflfalen 1588. 3ierotin« $agebu(b bietet
einen nid>t unintereffanten JBetrrag gut Peben8gefd)i$te btefeS roanberlufitgen
©elebrten, ben 1598 #ugo ©lotiuS in feinem Briefe an SReineceiu« einen
„briittenben Vöroen", beffen „stauen" aud) ötotiu« ju flirrten babe, nennt.
3ierotin, ©plbutg, ftreljer, SReliffn* blieben ibm beflgeftiint. fcoraroit} in
ber «Og. beutfd). »iogr. XVIII. ©b., 1883, e. 492.
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22
5- ». ÄrotieS
Über 3tvel)la ging eo ben 15. Cftober tueiter nad) £orgau. tro
mar bercito Hefe sJcad)t unb bao Stabttljor gefcbloffcn. Tod) faub
3ierotin alobalb CSinlaft unb eine ftattlid)e verberge zur Haß und)
einer ^aljrt oon <i sJ)Jcilen. Trei Safyvt vorder hatte 3^°^ bie
ftattlidje 8uig befichtigt unb gebenft beo Spiegelzimmero, in welchem
fid; bei Stammbaum ber fädjfifdjen ^ürftenfamilie mit Wibufinb all
Ahnherrn unb bic iöilbniffe ber dürften befäuben. Tao .Konterfei
beo .Uurfürfteu Johann Jriebrid) Ijabe ben legten ftaum ausgefüllt,
fo baf? mau atmie, er merbe feinen sJfad)f olger in ber ^perrfdiaft
haben. Unb tbatfädjlid) nnirbe er ber lefete feiner Sinie, ba ihn
.Staifcr .Marl V gefangen nahm unb bao Murfürftentum in bie ftiinbc
3Roti$' oon Sadjfen, beo Älbrechtinero, überging. Tao (Weiche habe
man oon ben s^alois prophezeit, als bie Statue Atarlo IX ben legten
rKaum im ^allaüe auöfülltc. iHud) anberer sHilbniffe im Xorgauer
Aürftenfdjloffc tt>ut 3ierotin Cfrioäfmung , fo eines riefigen .Knappen
unb beo in ganz Teutidjlanb namhaften Jüuftigmachero „ttlauo
Narr 19)."
Ten 16. Cftober gelangt 3iet°tm nad) Wittenberg. &*or allem
fpridjt er oon ber $od)fcbule, oon fiuther unb SWelandnljon , ben
beiben 3DJänncrn, bie bie Welt oon ber „päpftlid)en Xorannei" er*
löften unb bic jaljllofen Irrtümer aufbeeften, bie in jenen ftinftcr-
niffen ftd) bargen.
Über ©eftmfe, ein Torf beo gürftentum* silnrmlt, füfjrt bie
Strafte ber gürfteurefibenj 3cr°ft entgegen, berühmt burd) ihr (Me
brau. $ierotin bezog bie Verberge zum Wolf. l*r rühmt bao
Anfebcn ber Jürftenfdjule, roo co gelehrte Männer gebe, allen ooran
ben 2hc°l°9cn Ameling unb ben Joelen SBeromann. fieiber traf hier
3ierotin mit (iirfler nidjt zniammen, ber zwei 2age oortjer fdjon
abgereift mar.
#ünf „mittlere" Meilen oon ßetbf) entfernt fei Magbeburg ftf>
legen. Tie fonftige $kfd)affenl)cit beo Wcgco nötigte jebod) z"r
Mittagoraft in einer Crtfdjaft am Wege. 3" Dfr vierten sJtoaV
mittagoftunbe erreichte ^ierotin bie namhaftefte Stabt am Mittelläufe
ber Ülbe. l*r fannte fie burd) früheren Aufenthalt unb oerbraditc
baher bic meifte 3eit in feiner Verberge, bie bem vJ{atoherrn Xhomao
Sdml.ze gehörte, mit ^rieffdjreiben. ßr gebenft ^urz ber sJ)terf-
mürbigfeiten Magbcburgo, banmter ber hölzereu Wolanbfäulc. Abenbö
'•) ttyl. üb. bUff 3)iiiliiMirbiflffitfii loiqaufl t>ni Hvt. in 3f*Ier* IW».«
V.jrifon, 44. 0b. 1318—19.
Sari D. 3icrotin unb fein £agebud> oom 3abrf 1591 23
war $oftor 3afob &oratiu<J, 3lr$t unb ^rofeffor in £elmftäbt,
fein ©aft.
$en 21. Dftober ^atte ^ierotin eine Strecfe oon Steilen oor
fid). ©r brad) beoljolb früf) auf unb machte $unäd)ft im $)orfe 33urg
£alt, roo er aber nad) „fädjfifdjer *tauernart" fajledjt gehalten
würbe.
5ftnf Steilen weiter war Lüneburg erreicht, eine Stabt, bie,
„roenngleid) fürftlid), Ood) mef)r nad) eigenen Safcungen unb (£inria>
tungen i^r Sieben führt", ä^tui ftieg im (^aftr)of 5um Stern ab
unb fanb tyn bequem unb wohlgebaut, $n ben Stäbten lebe fiaYö
überhaupt gut, aber in ben Dörfern begegne man einer großen Un-
fultur. <5r roollc baher ettoaö über bie 25orfherbergen in 9tiebcr=
fachfen aufzeichnen.
9Wan nenne fie in ber ^anbeöfprache „Krug''. (&i)ev fonnte man
fic „£araö"70) ober „Ställe" nennen, benn biefen glichen fie am
meiften. S)a$ ganje ©ebäube fei Mohbau, *u unterft Rot unb 3)tift,
oben ein Strohbach unb im Innern alle« ooll 9faud). $er 2lnfomm=
ling finbet ein riefigeö Ztyox, baö für ba$ größte ©cbäube ausreißen
mürbe. S)urch basfelbe gelangt man in einen förmlichen Stall, aU=
mo Sßferbe, Dchfen, Äühe, Scbroeine unb Schafe mit ber gamilie beö
Kaufes bie SBolrnftätte teilen, unb am gleichen Orte in ber äußerften
&fe f)oden bie ©äfte am &erbe ober flehen mitten im ftaudje, ber
aud) bura> bie X^ür ober bie ^enfter entweihen fann, unb merbcn
burd) foldje «Pein für jebeö SKühfal abgehärtet. *on ber £>ecfe (pr*
unter Rängen Spetf, Sdnoeinöfeulen , gleifd) unb alle Birten oon
Seldjroaren. 2öas ba an Jett ^runter auf bie ftarunterftetjenben
niebertropft, gilt al« ^ierbe. Über ben (Sftrich laufen mitten burd)
bie ©äfte Rennen, ©änfe, &üt)ner, grifchltnge, Lämmer, ^ötflein
unb ähnliche Tierchen, mit oielem Rehagen ; oon 3?it ju $cit finben
fidfc) aud) 9flutterfd)roeine unb Kälber ein; nicht« jeigt fid) bem tkr=
fct)r mit ben 3Wenfd>en entfrembet; ja alles ift im ©egenteil fo jus
traulich, baß ben Unoorfidjtigeu bie Speife oon biefen unberufenen
©äften aus ben #änben ober oom £ifd) genommen ju werben
pflegt
3)ie SBänbe finb nid)t getüncht, ioot)l aber oom Wand) gefcbmär^t,
baß ed niajtö Sdnoär3ere« geben fann. 9iid)t anberö fetjen bie ^enfter
aud, ba ja burd) fie ber Maudj entweicht, unb nur fpärlidjeö i'ta)t
*•) SBab^föetnlub, baSfflbr, roa« im SWagtjarifäfn ftllta = SBagenfdjupfe,
Untftftanb für ©agen unb *pffrbf, bebcntet.
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24
5- ö. ÄroncS
einbringt. 8d)emel unb Banfe fmb mit Junten unb tHfd>e bebecft.
Tic anberen Teile beö Wcbäubeö girieren in ftinfidrt ber :Heinlid)feit
bem Wefdrilberten. SReift bennbet fid) in ber Nabe biefeö „atrium".
bac mabrljaftig bem in Tanteö gegefeuer21) betriebenen «bnlc,
bicitüd)e ober Batfftube"), md)t fetyr oerfd)ieben uon Unterem, aber
oljne ben läftigen 9toud), ba bie TInir gut oerfdjloften unb ba«
Aenfter offen fei. Bon ben ©eridjten, bie ben (Säften oorgefefct
werben, wolle ^ierotin nid)t$ weiter fagen, ba man fid) leidjt felbft
barüber einen 8d)luß bilben fönne. „Tie regelred)te Speife ift ein
Brot, fc^tuärjer alö bie (Srbe, roljer Specf unb Jleifd), niefat 5roei=
mal, fonbem $ebnmal gefoebt; ba$u fannft bu nod) ^öa^ftenö eine
gebörrte 2S>urft tyaben".
Ter Bcfud) oon Lüneburg matmt unferen (tfewäbrömann an
feine bortigen (£rlebniffe am 13. $uli bee 3at)reö 1588. Jamale
fonnte er oor lauter Siegen gar nidjt cor bie Sd)melle treten, um
bie Stabt $u befidjtigen. Um fo metyr wollte er Diesmal baö ^cx-
fäumte nad)l)olen. Bor allem galt es bie Befid)tigung einer foft=
baren golbenen Tafel in ber 8t. 3Jtid)aeltsfird)e. (*r ging baber
um 10 \tyx uormittags bat>in in Begleitung eines 21beligen unb
oer$eid)nete in bas Tagebud) eine genaue Beitreibung biefer Sebent
mürbigfeit. (*r fanb bie Tafel über bem 3lltare aufgerid)tet, ein=
gefaßt oon wertuollen ßbelfteinen , baninter jwei Smaragbe im
8d)ä&ungsmertc uon 20000 Tälern. (Sö beißt , fie fei aus „ara--
bifdjem" Oiolbc angefertigt unb ein 2i*eibgefcbenf ttaifer Cttos bes
(Großen. (So gelje aud) bie 8age, baß baraus eine ®olbplatte für
irgenb eine englifdy Königin oerwenbet unb an beren Stelle eine anbere
platte aud „ungartfdjem Wölbe" eingefügt worben fei, bie fid) nod)
jeftt oorfänbe, aber oon weit bläffercr #arbc jeige. 3cne englifd)c
Königin babc fid) aus ber ermähnten platte eine Ärone anfertigen
laffen ; als fie letztere jebod; aufgefegt, fei fie augenblicflid) wabnfinnig
geworben. Um itjrer Ü&ebergenefuug willen würbe baljer bie @olb=
frone eingefdjmol^en unb aus bem detail ein s$aar Hrcuje, mit
(Sbelfteinen unb perlen gegiert, angefertigt unb bas (stanze ber Äircbe
4w Csnabrüd *um (Srfafoc gemibmet; alobalb genas beim aud) jene
") Xagebud) e. 37. Plerumque tarnen hnic atrio (qnod sane Pnr-
tratorii a Dante descrinti speciem habet) ....
"j "Xageb. a. b. O. „atrium" ljicr roobl im ©iinic öon ©ärnffhibr,
icäbrrnb unten „hypocanstum" bic Äildje ober »acffhtbe öerRanben frin bürfte.
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ffarl t>. 3ierorin unb fein Xagebu$ oom 3a$re 1691 25
Königin. 3n biefe Xafel feien au* bie SWbmffe be$ £eilanbs unb
ber Slpoftel gegraben
iton Lüneburg reifte 3^votin 22. Oftober metter nad) bem brei
teilen entfernten Crte Lintern (Sßinfe an ber Üuhe) mit einer gut
bef eftigten Burg, fam an bie (Slbe, fuhr bann über ben 8trom
unb gelangte in eine 8tabt, bie einft bem &er$og oon ßauenburg
gehörte, berjeit aber unter ber £errfdwft ber Hamburger unb £üne=
burger ftüube. Offenbar ift Harburg gemeint £ter flieg bie 3ieife=
gefctlfd)aft im jweiföpfigen silbler ab. sJtod)mittagö ging eö jmei
teilen weiter nad) Hamburg, &ier bejog ^ierotin ben Wafttjof ju
ben brei Königen, wie oor brei 3abren — unb fanb fein ganzes
Weftnbe famt ben s$ferben i>or. Buerft empfanb er #lrger, fie bier
ju treffen, bann aber lieft er fid) burd) bie vorgebrachten (#rünbe
bcfd)wid)tigen. (Surtinuö tyatte injwifdjen an Sofjann (Salanbrinus
geschrieben, um $u erfahren, wie eö mit ber ^erjdnffung ftünbe. Balb
nach ber Slnfunft $ierotins in Hamburg traf auch bie Antwort ein.
(Salanbrinus riet, einen aus bem (befolge nad) Stabe ju fd)itfen,
bamit biefer im Tanten 3^rotinö äße« in 3lugenfd)ein nehme unb
abfchlöfje. Xa ^ierotin meinte, bies felbft am beften erlebigen ju
tonnen, befchlofc er, am nächften £age na* Stabe ju reifen.
33ei büfterm unb regnerifebem Detter unb wibermärtigem Sftinbe
brach ijierotin incognito, oon (Surtinuö unb SHarimilian begleitet,
8 Uhr morgens oon Hamburg auf, beftieg einen Bauernwagen, benn
man pflege ftd) t)ier nur foldjer $u bebienen, unb erreichte ben brei
teilen entfernten Ort i&ebl (SSebbl) in ber ©raffajaft ©Naumburg
am ßlbufer. 9iad) furjer sDtol)l$eit, um nicht bie Überfuhr 511 oep
fäumen, fdnffte ^ierotin ans anbere ßlbufer, mietete einen jwetten
Bauernwagen unb traf in Stabe ein. (Sr tjieft bann (Salanbrinus
herbeiholen, unb fam mit ihm bahin überein, bafl (Salanbrinuö am
nächften £age bie Abmachung mit bem Schiffer treffe, unb für bie
Beherbergung ber 3ieifegefellfd)üft forge. (Salanbrinus ^ätte gern fein
eigenes &aus jur Verfügung geftellt, ba ihm aber foeben eine Xodjter
geboren tourbe, fonnte er fid) bamit entfdmlbigen. 3ierotin bejog
bie Verberge $ur Stabt Antwerpen, beren Inhaber ein redjtfchaffener,
um beß ©laubens willen h^imatflü^tiger sJ)tann war.
») »gl. Aber biefe Safel ben «rt. „Lüneburg" in 3eblerS Unto..$?ertfon,
XVIII ©b„ ©. 1098- 99. Sie wirb a!8 ©eibgefäent ni$t Otto b. ®r.,
fonbern Otto II jugefärieben. ©el$e Äönigin öon Snglanb in biefe @age
t>erf!od>trn, lägt fid) roo&l faiim erraten.
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26
ft. o. «tont«
Stabe, färeibt ^ierotin, liegt an ber S^inger, t»ie in bie nahe
ßlbe münbet, in einer ttmbföaft, meldte bie Hamburger an §rud>t--
barfeit weit übertrifft, $ic Stabt gleiche in allem unb jebem ben
anberen Stcibten bes Sachfenlanbes. 2ln (Sinroobnern wäre Stabe
arm, wenn nid)t ein Zeil ber (jnglänbcr unb 9fteberlanber megen
Streitigfeiten mit ben Hamburgern hierher übergefiebelt märe. 2Hefe
2lnfaffen t)ätten bie größten ©efcfyäfte in &änben, unb roenn bas fo
fortginge, mürbe Stabe mit Üeid^tigfeit mo^l^abenb unb oolfreid)
merben.
<Dte Witterung blieb oorjüglid), fobafc man fagen burfte, bie
lötilbe bes fterbftes fei SKeifter ber raupen 3a^reöjett gemorben.
3ierotin fd)liefet bie 2luf$eid)nung jum 24. Oftober mit StetraaV
hingen über ben Tob ©regors XVI, ber jt$ ben 16. Cftober 1591
ereignete.
£as Tagebud) fefet bann erft mit bem 12. 9Iooember ein.
Offenbar mufete 3inotin ftille liegen, bie ber SBinb feine Jaunen
aufgab. ^iUfommen mar ibm baljer in biefer Cbe bes ^umartens
bas Eintreffen bes englifdjen Wefcbmabers, roelcbeS ad)t Tage für bie
ftberfabrt gebrauste, ^ierotin fuhr $u ih>agen auf eine änijö&e cor
ber Stabt, um bas ©infabren in bie 6lbe beobachten ju tönnen.
l'eiber mar es aber fo büfter, bafi er faum bas eine ober anbere
Schiff wahrnehmen tonnte.
Unb fo oerge^en beim 18 Tage, beoor ^ierotin jur fteber greift
(30. 9iooember), um mieber mit leibigen Beobachtungen bes Stfinbcö
anheben, pnf Socken fteefte er fdwn in Stabe, ooll ungebulbiger
Sehnfucht, los $u fommen. Vormittags enblia), nad) eingenommenem
ftrühmabl bricht er auf, um oon (Salanbrinus unb bem portugie^
fifchen 2lr$te Bolio geleitet, ben Äahn ju befteigen, unb bureb
ben Aanal, ber bie Stabt mit ber (Slbe oerbinbet, ju feinem
Sdnffe ju gelangen, ©egen 10 Utjr erreicht er es, unb gelangt bei
fd)tuacber Brife jmei SWeilen ftromabwdrts. S)a es aber fdjon ju
bunfeln begann, unb nicht ratfam mar, bei ben zahlreichen Sanb=
bauten unb gurten ber (Slbe weiter ju fdnffen, mufr man galten unb
bas 2Rorgenlid)t abroarten.
^ierotin bebauert feine unfreiwillige 3Hufje in Stabe, bie ifmt
feine anbere Befcbäftigung barbot, als ben 2£ed)fel ber ©inbe unb
bie 3u: un& Abnahme bes 9Monbes ju ftubieren, unb smar nicht mit
bem ^ntereffe bes Fachmannes, fonbern ber Selmfucht, fortjufommen
unb bem ©efühle bes 3citt>erluftes. Seine Üitartefrift märe noch un*
erträglicher gemorben, meint nid)t bie Jtlarheit unb Xrodenheit bes
Di
Äart o. ßierotiu imb fein Xagrbud) Dom ^abrf IftWl
27
Stetten feinen ^erbnif; iiolitiDcrt hatte. $i>ar er nämlidj beo Veieuo
unb Sd)reibeno mübe geworben, ffl fonnte et, ^nltf bec HSHttetimg,
beinahe täglich, fpajiereu gehen, reiten, fahren unb anbete Settel
Übungen jur ßrboluna. vornehmen. So tonnte eo gefdiebeu, bajj er
ben ^Aufenthalt in Stabe minber fc^toer empfanb , ba biefe 2 tobt
fonft fo gut lüic gar nidjto barbot, um ilm \u unterhalten, unb ihm
baber ganj antipatbifdt blieb.
Staut aud) ben L. Te;ember Der Stoib etwa! ftärfer ging unb
man um trier Ubr moraeuö bie Hinter liditeu tonnte, fo trat mittags
triebet S&nbftitte ein; mau gewann nidu bie b°be See unb
mufite etwa fed>serjn Steilen oon Stabe unb noei Steilen uor ber
©Ibemünbung £alt machen. 9Cnf biefet Aabrt bewegte mau fidj im
Hicliuaffer *ablreid)er hollauMiduT unb $amburget S$iffe, non
benen jene tjeimmärto, Meie nad) Spanten Regelten. Sierotiu hatte
Welegenbeit, mit polier i>iuf?c vom ßerbetfe auö bie vor unb nadi
faljrenben Sdjiffe auf beut Strome, beffen SRünbungdbreite ibn vom
3)ieere gar ntebt unterfdieibeu liefte, ino Shtge ut fafien. £r unb
feine iöegleiter mürben gaiq better geftimmt , fangen, taugten unb
fpiclten ben gangen Sag, „offenbar in ber Vorahnung ber öettttbufo
ber folgenben £age."
3ierotin f)at es unterlaffen , über bie 2Be$felf&Ue feinet Aaiut
buref) bas Siorbmeer gen fttglanb unb u>eitertüu an bie franun'u'die
.ttüfte in feinem XagebuaV \\\ berichten. ^ielleidu nahm ibn bie
Seefrantyeit b,art mit unb verleibete bem Itteifenben bie Anbruug
beo Xagebucbeö.
2)enn bie nädjfte unb leibet leite 3btf$eidmnng in bemfelben
trägt ben 18. Uejembi-r alo Tatum unb jeigt uuo ßietotin bc
reitö im Heerlager $xinnd)o IV. tJetm ätntleiben befugt ihn bei
alte ftrenoiö unb bauft ihm fttt bao feinem 3 ohne bemiefene 3Bol)l
rooücn. Dann begiebt üd) ßierotitt in bie fouiglidie ^ehaufuug unb
fofort in baö Scblafgemad), wo eo oon Vornehmen wimmelte. Ter
König lag im 3tette unb unterzeichnete Die ihm non ben Serretären
rjorgelegten Scbriftftücle. Än feinet Seit* befanb üct> ber ftarbinal
oon öourbon"), reidne ihm nad) Abgang ber Sefretäre bao Unter
genxmb unb legte üjm ben Qatnijd) an. Tann ttaten bie ftämmet
linge berju unb befolgten bao weitete Sintieiben. 3n$wif<$en unter
,4) 33« ftarbinal Don Öourboit, fogCU, Irr „jihlflerf", aud) Äarbmal
oon Venbüme genannt, gobn Viitivniä Don Contbon«üiMiCi-, t I5H4. Mar
binat oon $ourbou bn „ältere", [fingerte ©ruber ft. Xuione D. ÄäMrra,
ir»8»oon ber falb, i'iga }uw „Jrdmgr*1 ausgerufen Mar! X), 1 [rtjon 9. Roo. I6WJ
2R ft. ö. Ärone«
hielt fidf) ^ierotüt mit ^leffy ^einrieb IV begab fi(i> bann in
baß öcbeimc ©emaa), baß bie granjofen „Kabinett" nennen, unb
ü)m folgten ba^in ber tfarbinal, bcr tfanjler Glnnernoiß 26), ber
3Rarfdwll SMron"), ber 3)larf^raf oon sJMfa, ber Dbcrftftallmeifter
£JeUegarbe -% bcr &err o. ®riüon *•), la Wutdje, s}käfeft ber 3tr-
tiUerie so)/ 'sßleffö unb anbere aus bem üornet>mften $bel Jranfreidjo.
3i*äf)renb man bort ratfdjlagte, traf ^ierotin jufällig mit iöoißtaille
Mammen, bcn er einft ju vi?enebtg, bei beffen Dtmt, $orfä>fter
$ranfrcid)ß, fennen gelernt unb jum Jreunbe gewonnen l)atte. sJKan
plauberte fo eine f>albe Stunbe über ^erfdnebeneß.
Dann rourbe 3terotin oom Äönig ju ftd) befdjieben. "^leffu
führte i(m oor; ^ierotin begrüßte bcn §errfd)er in fransöftfeher
Spradjc unb erbot ficr) it)in $u Dienften. jQeinrid) IV umarmte ilm
mieberljolt auf© freunbfd)aftlicf)fte , beteuerob, er fenue längft bic
Wefinnung 3i^orino. (£r meinte bie 3eit, alß 3ierotin — nor bem
^atjre 1587 — bem $oflager §einria)ß in ätauitanien folgte unb feine
Ijrgcbeubeit burd) mancherlei Dienfle ernneß. ^ierotinß Slnfunft fei
ifmt überatiß luiUtommen unb gern mürbe er tym nad) Gräften feine
$ulb berueifen. ©r fragte bann, mann ^ierotin oon &aufe aufge=
brocken fei unb wie lange er ju Sdjiffe geiuefen. Der Äönig brachte
aud) bie Sprache auf baß ilmt oom "Wscomte von Xurenne $uge-
füljrte ^ferb, ^icrotind ©efd)enf, unb forfebte nach feinen iBorjügen
unb feiner §erfunft. Dann nahm er bie iöriefidmften entgegen,
welche für ihn Slncel unferem ©eroährsmanne anvertraut harte, be=
lobte Sierorinß Gifcr unb begab ftd) )um ^rübftücf.
^ierotin machte hierauf bei beu oerfammelten JHcicbßgrö&en bie
»iunbe, füfete ihnen öie $anb unb lourDe aufß freunblichfte beroifl-
fommt. ülad) bem Pcrütjftücf begab ftd) ber Äönig inß Üager ber
(Sngläuber, 3>crotin biwoieber in feine Verberge jum ©ffen, unb nach
bem Pfahle in ©efchäftßangelegenheiten sunt dürften ßhrifrian oon
«») Äorl bu *lfifi«, fcevr von Vtoitcourt, t
u) imxauU, <4>raf o. Gb>evng. flonjler fcetnrüfc« IV, geb. 1528, t IM».
") Srmanb oon Oontault, $err oon ©iron (t 1692), l>atte einen ©o|>n
Aar!, erfier „$erjog" oon ©iron, f. 1689 Marfcchal da camp, 1592 «bmiral,
1604 enthauptet.
") Woger IT t>. ©eflegarbe, <p*air, ®ro&|taümeifler $einridj* HI, H"
unb Üubroig XIII (t 1646, 88 3apre alt).
") «riOon, ridjt. (SriOon, Pubn?ig üon lUalt^ifr-Ätttfr, bei fcftnrid) IV
in «nfftfen, t 1615.
*•) ^b,i>tbert ^err Don 9md)t unb Cb,anmont, 1578, an Stelle Srmanb*
ton ©iton, oberfler ^nfpeftor ber HiliOerie, t 160'.
Varl ». ^ierotin unb fein Xagfbud) »cm yaljrr I5»1
29
Anhalt"), bem Cberanführer beo beutfeben Solbbeerea. i&x fanb
ihn $u ;Bettc, noch nicht geheilt oon ber SUunbe, bie er oor jroölf
bis breijehn Tagen an ber ©eite bes Könige baoongetragen hatte.
ISine ©tunbe rourbe über oiele $tnge, namentlich über bie beutfdjen
Angelegenheiten, oerbanbelt
$ie 3Hufce unb baa feböne &>etter benu&te S»erotin, um eine
Anhöbe gegenüber ber «uro, ber heiligen Katharina ju befteigen,
oon roelcber man bie Stabt bequem überbliden fann. 3116 ber
König abenbo betmfebrte, begab fieb äwotiii ju #ofe unb toobnte
bem 9<acbtmable beä Königs bei. ^einrieb IV begrüßte ihn mit ent-
blößtem Raupte, rief ihn ju fid) unb hielt ihn bie Seit über in (Ste
fprächen feft. (Sr fragte Hm oieleö über ben Kaifer, bie dürften
oon Cfterreicb, über Glauben, l'anb unb fieute. Mach bem Gffen
|Og fid) ber König in fein Scblafgemacb wrüd; ^ierotin aber begab
fich in fein Quartier unb aß fein Abenbbrot.
Wx muffen lebhaft bebauern, baß mit biefen Korten bas oor*
ließenbe Xagebud) 3'CTOtino abbricht Sein Wograob bietet uns aus
ben Briefen ^ierotinö sa) an feine fareunbe in Diahren, oor allen an
feinen Detter ^riebrieb o. ^ierotin ben Abfcbluß feiner (Srlcbnifie auf
fransöfxfcbem öoben, aber aud) ben unentbehrlichen Kommentar $u
feiner Weife an baö ßoflager ^einrieb,© IV, ohne welchen bie 3i>
vember* unb 3>e*embereimeid)nung unteres lagebuebeo bunfel unb
lüefenbaft blieben.
So erfahren mir, baß bas 3dnff, auf meld)em 3ierotin nad)
langem Marren in bie Worbfee ftacb, mit bem englifcben Ciefdnoaber
herbeifam, 160 Tonnen Webalt unb 3o Kanonen hatte unb 125«) Jvrs.
^ttiete foftete, baß gfootin am 6. £e*ember gu T>ieppc in ber Uior-
manbie lanbete unb nach fursem Aufenthalte bafclbft, oon ber See-
franfljeit genefen, ben 2öeg in bas .Uriegslager oon ?Houen einfdilug.
König ^einrieb IV hatte bereits oon ber Amocfenbeit 3ierotins in
£)ieppe erfahren unb äußerte fid) über ihn in ber fd)meid)ell)aftcften
Üiteife. 3Me ^orftellung im .ttriegslager oon Mouen fanb ben
17. ftejember 1591 ftatt. ,)n iHouen befehligte biliare, berfiigutfi,
unb eo galt, ben ^auptort ber Mormanbie ben CMegnem bes Öour-
boneu |n entreißen, beoor ber gefährlicbue Aeiub, Aleranber o. ^arma,
ber fpanifebe Cberfelbherr, ben Kriegsplan .fteinridjs IV vernichte,
©in englifebes unb beutfdjes Sölbnerheer, lefeteres oon bem plaiu
»•) $er befannte ©adjrealtfr ber Union, t 1630.
") <Jtyum«ro, St. o. 3ierotin @. 160 ff.
30 g. i>. «rotte«, «od D. 3iftotttt unb fein lagebu* Dom ^oljce 1591
reiben ßerjoge oon i8nl)alt=&ernburg befehligt, oerftärften bic fean-
üdfifc^e Äriegemad)t r>or Mouen.
$em «riefe ^ierotins an ben »otfdmfter &einrid)s IV am
fraget Äaifer^ofe, an feinen $reunb 2lncel, entnehmen mir aber
aud), bafj ^ierotin fo mandje ßnttäufdnmgen erlebte, für meldjc fid)
in feinem Xagebudje nodj fein sJiaum fanb, bafe e$ feiner geringen
Selbftoerleugnung beburfte, um nidjt ben ©ntfdjluf} ju faffen, ^ranf-
reidt) ben JWütfen ju fcljren. Unter feinen Begleitern räumt ber Xob
auf, bie anberen „motten lieber auf mäf)rifd)em ©trot) al« auf fra«=
jöftfdjen g^bern liegen", benn roä^renb ber frudjtlofen Belagerung
9iouens feljlt es aud) nidjt an ben fjärteften ©ntbebrungen.
21ber fernerer als aüeö brütfte «unteren ©emafn-«mann bie
Ültmung, bafj föeinridj IV um ber Ärone mitten ben Hugenotten oer=
leugnen roerbe. 2ln feinen oertrauten getftlid)en ^reunb, ben sJJriefter
3ad)aria«, fdjreibt 3ierotin (13. 2lpril 1502): SRit ber ©louben«-
fadje ftünbe ci fd)led)t; ^einrid) IV fönnte meljr Dafür tfyun, wenn
er emftlid) wollte, allein er fümmere fid) wenig um bie Religion
unb um bie $reil)eit beo göttlidjen 2üorte$, baber fäme e« mol)l, ba&
Upt ©ort nidjt fegne.
3ierotin blieb nod) lud gunt $erbfte bee Satyxe* 1592 im fiager
^einridjo IV; bamale mar bie grofee ®efabr für lefcteren, oom ^ar=
mefen überwältigt ju werben, gef djrounben ; leidjteren &erjenö f onnte
nun ^i^otin ftranfreid) oerlaffen, beim nodj immer mar bei aDen
unmutigen Ulnmanblungen fein &er$ ber 3adie $einrid)6 IV ergeben,
ühtoljl »erbrachte er bann iMonate auf ber Mütfreife, bie ifm nad)
Italien, fo nad) ftlorcnj, ju feinem »ruber ftionuo, führte, ©rft
im §odjfommer 1593 gehörte 3*erotin mieber Fähren an, beffen
weiteres ©efd)id)t$leben balb um ilm freifeu follte.
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if)rer &VLlturacf$i$U\$c%\ löeöcutunß.
Don Karl Bi ebermann.
&on ben oielen Sagen, meldte baö 3)iittelalter als ein poetifcheö
Vermächtnis fpäteren Seiten hinterlaffen tyat, i|l bie Jauftfage eine
ber bebeutfamften. Unb nicht blofj fpejieü* für uns Deutfdje, weil
fie unferem größten Dichter Stoff unb Anregung 3U feiner gewaltigen
Dichtung gegeben hat, fonbern auch an fid) wegen ihres 3"famnlcll:
Ranges mit einem ber tiefften unb bunfelften ftätfel ber menfehlichen
Siatur.
Denn was ift ber Äem ber Jfanftfage? ift bie SBorftettung,
bafj ber HWenfdj, feiner Einlage unb 23eftimmung nach ein enbliches,
in unüberfleigliche Sdjranfen eingefchloffenes SBefen, gleidnoohl in fid)
einen unmiberftehltchen Drang birgt, biefe Sdjranfen $u burdjbrechen
unb nad) einem über alles SRenfchlid&e weit hinaus liegenben 3iele jn
flreben, bog aber, roenn er biefem Crange nadhgiebt, er unrettbar
einem finfteren ©efa)icfe oerfällt.
©in Vorbtlb hat bie gauftfage bereits in bem 9)h)thus ber alten
flaffifchen Söelt. »ei ben ©riechen namentlich fpielt bie SBegfel*
bejiehung oon ößpt; unb v£|ieat$ (Übermut unb beffen Strafe) eine
Ijeroorragenbe Stolle. Der ben ©öttern trofeenbe unb fie gleidjfam
herausforbernbe Übermut oerfällt unweigerlich bem fieber treffenbeu
Strafgericht berfelben Wötter. Der grieefnfehe Wnthuo weift eine
sJJlenge warnenber »eifptcle oon folgern Übermut unb folgern Straf-
gericht auf. Dahin gehören jene 9Kobe, welche, ftol* auf ihren Mieidf»^
tum an ftinbern, bie £eto oerhöhnte, weil biefe nur jroei Äinber oom
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32
Äor! Oiebrrmauu
Jupiter hatte, u>eld)e aber jur Strafe bafür eines ihrer ftiuber nad)
Dem anbem, getroffen uon ben tötlia>n ®efd)offen beo Slpollo unt)
ber Diana, oor ihren Pütjen hinfterben fetjen mufete, jener ^pbaeton,
ber Sot)n beö ^»eliod, ber fid) oermafj, an feineö s#atero ftatt bie
feurigen Sonnenroffe $u leufeu, ber aber, weil ihm bie Straft baiu
uerfagte unb nun bao ungeftüme ©efpann, balb auf;, halb abmärtö
ftürmenb, Gimmel unb ©rbe in $)ranb $u fefcen brotjte, burdj ^upitero
£Ui& tot oon feinem Sifee berabgefdjleubert würbe, jener ^farus, bes
Däbalue Sohn, welker mit burd) 2$ad)$ 3ufammengefügten Jvlüc^eln
ber Sonne juftrebte, aber, ba in beren Strahlen feine ftlügel fdjmoljen,
herabfiel unb am iBoben $erfd)ellte.
3lm Ijärteften bod) oon allen traf ber 3»m ber (Götter ben
titautben v}$rometf)eue, ber freilid) aud) am fjartnäcfigften ben Chmi
piern ju trofeen gewagt tjatte. Unfer ©oetye lafet in feinem grofi
angelegten, leiber gragment gebliebenen Drama feinen ^rometl)euo
als einen eckten Slbfommlmg jenes ®efd)led)teö älterer Wötter, weldjw
bie jüngeren Clnmpier oeradjtete, an Jupiter bie trojjigen Sorte
richten :
„#icr ftfc' idj, forme 2Jtenfd>en
ftad) meinem ©Übe,
«in QJefdjtedjr, ba« mir glcid) fei,
3u leben, 311 weinen,
3u <jente§en unb fid) ju freuen,
Unb bein ntdjt ju adjten,
©ie idj!"
3n ber äfcfypleifdjen Xragöbie bagegen „Der gefeffelte sJiromeil)eus"
Oörcn wir biefen, ber auf ^upiterö Befehl oom SJulfnn an einen
rauben Jelfen beo .Uaufafuo gefdjmiebet unb ba.ui oerbammt iff, frflü
oon brei ju brei Tagen ein ©eier feine, immer mieber nadjroaa^Vnöe
^eber oer;,el)rt, fein &eib ben 2Öinben unb Otogen, ber Sonne unb
ber (Srbe in folgenben Herfen Wagen:
„O beil'ger Vltfeer unb 3br SBinb' im rafdjen ftlug,
2>er ©Körne SBeöcn unb bc« 2Heerf3 Wogen fflv,
Did), 2Kutter «rbe, Dtd), 0 ©onuc, ruf id) an,
»lid' b.er, roa« id) oon ©öttern leibo. felbft ein $ott.
O flauet, oon meld)' unroürbiger $ein
jum SWarfe gequält, uuenblidje $e'\t
3$ bulben fofl! Denn alfo erfann
Xn Olnmpier neuobroaltenbeS $aupt
mix fd)mäb.lid)e fteffelung!"
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3)ie ^auflfagc uad) tljrrr fulturqejd)id)tlid)en ißebcutung
^tud^ jenes anbere ©efd)led)t ftbermütiger, bie ©igauten, meldje
23erge auf SBerge türmten, um ben Clnmp 311 ftürmeu, traf ber alleö
$erfd)mettembe $life beo Jupiter; niebergeworfen, lagen fic begraben
unter uulfanifdjen ©ebtrgen unb nur ifjr feuriger Obern brang bis-
weilen in ©eftalt oon X'aoaftrömen an bie Cberwelt.
®efäl)rlid) für bie Sterblichen war nad) griednfdjem 3Jh)tf)us felbft
bie ©unft ber (Mötter, fobalb ber baburd) $eoor$ugtc fid) biefer (3unft
irgenbwie 311 überleben fd)tcn. 3lud) bao l)at ©oetbe meifterl)aft ge=
fdjilbert in jenem, feiner Qpljigenie in ben 9)hmb gelegten sJ>arjenlieb
0011 bem ©efdncf beö Xantaluö unb feineö &aufe$ :
„<J$ fürchte bic (Mtter
£a« Wenfd>engefdMec$t!
©ie galten bic #errf$aft
3n ewigen $änben,
Unb fönnen fte brausen,
Sic'5 itynen beliebt.
$er fürchte fte boppelt,
£>en je fie erfyö^en!
9uf flippen unb ©Olfen
@inb ©tübU bereitet
Um golbene £if#e.
Srbebct ein greift fi<$,
Bo ftürjen bie ®äfte
©ffebmäbt unb gef$änbet
3n näd)tlid)e 'liefe,
Unb barren DergebenS
©cremten OeridjtS."
3o uuübcrfteigtid)e 3d)ranfen richtete felbft bao tjeibnifdje 2Uter=
tum $wifd)en ©öttern unb ^feufdjen, Unfterblidjen unb 3terblid)eu
auf. Unb bod) oetfeljrten nad) bamaliger 3lnfd)auung bie unfterb-
lidjcn (Götter uielfad) mit ben fterblicben iteroolmern ber (Srbe,
mtfdjten fid) in beren Kämpfe, freiten 2öd)ter ber 9)?enfdjen unb
sengten mit Urnen Halbgötter.
Um mieoiel größer unb unüberfteiglidjer mußte im £id)te d}rift=
lidjer 28eltanfd)auung bie Kluft evfdjeinen, welche Oiöttlid)eö von
sJMenfd)lid)em, Unerfdmffeneo uon (tfefdmffenem fdjeibet. 5h>eil er
biefe Kluft hatte überfdjreiten, weil er bem allein Unerfcbaffenen unb
sMmäd)tigen fid) l)atte gleicbftellen wollen, beotmlb war ber oormalö
oberfte ber ßngel, Kneifer, am bem Gimmel uerftofjen unb \a ewigen
Dualen in ber &öllc oerbammt worben, mit ibm eine Sdjar aubercr
lingel, bie fein freoell)afteo beginnen geteilt.
•Jeitidjtift Hit Äuttiirgddjidjte U. 6
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34
Äorl ©iebermann
£er euglifdje 2>id)ter SJtarloioe lägt in feinem „ftauft" einen
biefer gefallenen <£ngcl, Den *ü)fepl)iftopheleö , über ihren Jall unb
ihr nunmehriges Sd)itffal folgenbermafien berichten:
tJaufi: ,,©ar uid)t ber ?ucifer ein (Jngef einft?
aWepbifiopbelr«: 3a, ftaufhi«, unb gar fetjr von $ott geliebt
göufl: ©ie temmt'« bann, baß er ftürft ber 2>ufcl tfl V
SJtepIjiftopbele«: Ob, um ben frediften @tolg unb Übermut
.frat ®ott iljn au« bes Rimmels vW geworfen.
gaiifl: Unb wo feib 3ftr benn, bie 3&r lebt mit ibtn?
!Repbifiopt>eleS: Unfel'ge ©eifler, bie mir mit ibm leben,
$erfd)moreu gegen unfern (Sott mit ifym!
Ja ufl: ©o feib beim 3br ©erbammte?
DlepbiftopbclcS: 3fit ber $öQe.
5auft: ©ie fommt'*, baß 2>u jefct au« ber $>ölle bift?
üJlepl)iftopf> ele«: fludj bier ifi $ötte, id> bin nidjt au$ ibr.
2)enfft 3>u, baß, wer ba« antlüj öotte« fab
Unb fdjmedte »on ben ew'ge" $immel«freuben,
Saß ber nirbt taufenb $öOenqualen (eibet,
beraubt be« ewig »ollen $eil« ft* füb,Ienb?"
^od) oiel braftifdjer unb in wahrhaft ergreifenber SÖeife fdnlbert
baö „^olfofdjaufpiel rom D. ftauft" biefe ^ein ber gefallenen Gngel.
Mdjt fo feljr wegen ihrer Dualen in ber ßölle, als n>egen ber fte
marternben SebnfudU nad) ben verlorenen unb auf immer oerfcberjteii
.^immelofreuben leiben biefelben eroige Sdnnerjen. ^n einem biefer
Spiele (oom Strafeburger Puppentheater) t)e\\\t es:
ftauft: „Sage mir, 2Repf>tflopbele3, wa« wofltefl $u wobt t&un, wenn $u
Hoffnung l>ä'ttefi, wieber gur ©eligfeit gu gelangen?
^iepbiflcpbele«: Sauft, $u willfl f« b^ben, fo böte mid; an! ©enn id*
Hoffnung jur Seligfeit erlangen lonnte, fo wollte id? gange 3ab«
lang bie aUergraufamften SRartern leiben; foOte audj bie gange Seit
mit (auter glUbenben föfen belegt fein, fo woüte ich fte taufenb' unb
abertauf eub mal nidjt gefcfyminber al« eine Schnede biirdjwanbern;
feilte com böebflrn Himmelsgewölbe bi* in ben tiefften «bgrunb ber
{tolle eine Leiter ftebrn, beren Sproffen mit lauter fdjarffdmeibiaen
@d>eermeffern befelft wären, fo wollte id) fte gern fjinaufflimmen, roenu
id> nur baburdj bie Hoffnung erlangen tonnte, einen fingigen ®rab
ber bimmlifdjen $reuben genießen ju bürfen," (ober, wie in einem
anberen, bem fcugSburger $"nppenfpiel ftebt: „ein einzige* ÜRa! $ott
angufebanen), bann woüte id) gern wieber in alle (Swigfeit ein ®eifl
ber ©erbammni« fein."
^ian faun fid) beuten, mit welchen frommen Schauern Stellen
wie biefe ben 3u^ö^r erfüllen modjten!
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X'xt ftüuflfagc nadj ibrer rulturgefatdjtlidmt ©rbeutnng 35
tiefer elecxtfdje 3ug im (Stmrafter ber gefallenen ^ncjel (ein
ttberbleibfel ihrer himmlischen Abfunft) uedjmbert aber nicht, baft
anbere 3Me mieber eine Seite ihreö 2&fen$ heroortritt, bie fie
recht eigentlich als ooüfommen eingeteufelt bezeichnet, nämlich bie
bodtjafte ^reube, bie fie empfinben, fo oft eö ihnen gelingt, einen
9)ienfchen bem Gimmel abmenbig unb jm ihrem Öenoffen in ber
$öHe $u machen. 2lud) bao finbet fid> im ^3i*ppenfpiel gauft auö;
gebrücft $ie meiften biefer Spiele beginnen mit einem Vorfpiel,
in welchem ber gürft ber Unterwelt (merfwürbiger SBcife bort puto
genannt, roie man beim bamalö öftere &eibnifcheö unb (Shriftliches
burcheinanber mengte) fich beflagt, bafc feine &öUe fo wenig beoölfert
fei, unb beötmlb feine Unterteufel auf bie ßvbe audfenbet, um Seelen
empfangen.
©ae jene gefallenen (Snael einft beo &immelö oerluftig gemacht
hatte, baö mar eö auch, moburch nach ber mittelalterlichen Sage
SWenfchen ber &ölle oerfielen, nämlich ber Übermut, bie Selbftüber=
hebung, bie SNifwchtung ber ben Sterblichen gezogenen Schranfen.
Qnbem ein SKenfd) baburd) fidt) mit bem Xeufel oerbrüberte, erhielt
er burd) biefen eine ungewöhnliche s3)tocf)t über bie Äräfte ber 9totur
unb zugleich bie Littel ju einem hieben ooll ber ftenüjfe ; allein ba=
für gehörte er nach «ner beftimmten grift mit fceib unb Seele bem
£errn ber Unterwelt.
5Dieö ift ber allgemeine Wrunbgebanfe jenes Vorftellungöfreifed,
oon welchem bie Jvauftfage nur gleichfam eine befonbere Spejieö
bilbet. 3>enn lange oor #auft waren oielc anbere ^erfönlichfeiten
eines ©ünbniffeö mit bem Teufel befchulbigt, alö Schwarjfünftler,
3auberer ober sJ)iagier oerfdirien worben. So jener Simon sJ)iagu$,
ber angeblich ju ber Spoftel $t\ten lebte unb fich oermafj, wie biefe
ober wie (Stuiftuö felbft ben Elementen gebieten ju föimen. Um
bieö $u beweif en, warf er fich oon einem hohen Xurme aud in bie
£uft, alö fönne er fliegen, lag aber balb jerfchmettert am :öoben.
Sud bem 1 1 . ^ahrbunbert wirb oon einem &er$og Robert oon ber
^ormanbie berichtet, ber bura) ungewöhnliche Xfjaten baß Staunen
feiner Seitgenoffen erregte, aber auch im Vollgefühl feiner tfraft fich
über Sitte unb ®efefc hinwegfegte unb baburdj ber &ölle oerfiel.
911© „Robert ber Teufel" ift er ber ©egenftanb fowohl cineß fran$ö=
fifchen Romans auö bem 15. ^ahrlmnbert (La vie du terrible
Robert le Diable) alö auch ber befannten Dper oon sJNenerbeer ge=
worben. (Sin ähnlicher Abenteurer, $on Tenorio oon SeoiUa,
betannter unter bem tarnen $on 3nan, bie Verförperung ber Un*
3*
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36
ffarl ©ifbermann
erfättlidjfeit finnlid)en (*tenuf)eö, f)<rt nod) weit mel)r bie ^antofie
ber £>idjter unb Mufifer (©olboni, Spron, (Krabbe, Henau, ©lud,
Momart u. a.) befamftigt.
3öie fdjon quo biefen Slnfübjungen erhellt, ift bie ftauftfage im
weiteren Sinne feineöwegö von fpejififd)=germanifd)em ©epräge, jeigt
uielmel)r einen entfdbicben internationalen (Sbarafter. So giebt eo
beim aud) einen polnifdjen Jvauft mit tarnen Tmarbowofi. Seiner
Wefd)id)te bat ber polnifdje 3Md)ter 3Ibam Mirfiemicj folgenbe ^eitere
9Heubung gegeben. 2Uö berfelbe vom Teufel gcbolt werben foQte/
bat er biefen um bie @unft, er möge in feiner Slbroefenljeit feiner
©attin, bamit fie fid> nid)t ju einfallt füt)le, <3efellfd>aft leiften. $er
leufel oerfpracb cö, warb aber uon ber 2)ame fo übel be&anbelt,
bafi er oor^og, ben Mann mieber auö ber ^öUe $u entlaffen.
(£ö märe umnberbar, wenn in einer 3ett fo beftiger Bewegungen
für unb miber bie firdfcjlictyen ©ewalten, mie eö baö Mittelalter mar,
nidjt auö) eine Sage, bie fo tief in bat» Gefeit beö Menfd)en unb
feine ge^eimniöoolleu Begebungen ,m beeren Mächten eingriff/ ju
einem Äampfeömittel fird)lid>er Parteien geworben märe. 3" ber
Ibat warb fie bieö. 2luf ber einen Seite iuebte bie fatlwlifcpe
©eiftlidjfett ben Maxim unb $eiligen=£ienft, foroie bie Kraft ibrer
eigenen #ürfprad)e bei ber Mutter Wortes mit #ilfe jener Sage ju
oerljcrrlidjen. So erjätjlte fie uon einem Söifdjof Xtyeopbilus auö
Ülbana in Gtlicien (aus bem 9. ^ab^unbert), er ljabe aus oerlefctem
(Sfyrgeu Wort unb (Stniftuä abgefd)woren unb fid) bem Teufel ergeben,
bann aber bereut unb im brünftigen ©ebet bie ftürfpradje ber Mutter
Maria angefleht; biefe babe benn aud) bewirft, bnft ber Teufel bie
Blutfdjrift, burd) welcbe ber Bifa>f fid) ihm oerpfänbet, wieber
berausgeben mufete. 5luf ber anberen Seite gefiel fid) ber Boltogeift,
ber je länger je melir in febarfen ©egenfafc jum ^apfttum trat,
barin, eine gan*e ^Mettje uon sßäpften beö Bünbniffeö mit bem Teufel
ju bejiajtigen. 2)ieo gefdiab bem ^apfte Sploefter 11 (bem früheren
JBifdwf Herbert), einem l)od)fabrenben unb intriganten Mann, ferner
bem fiebeuten (Tregor alö bem Urljebcr beö Gölibateo, baö wegen
feiner fdjlimmen ftttlid)eu folgen bie emfteu SDeutfcben gegen tt>n
aufgebracht tjatte, bem fdnoelgerifdjen s}*aul II, cnblid) einer ganjen
^atjl oon ^äpften mit bem Hainen ^obann. $u berartigeu Slngriften
ber öffentlichen Meinung auf bie gefaßten Cberbäupter ber ftirebe
bot nur ju reid)lid)en Mnlafc ber "podnnut fo maneber berfelben, bie
fid) mie böbere Siefen geberbeten unb ebenfo in iljrem prunfbaften
Auftreten bie rüljrenbe Einfalt unb Teinut, wie in ibrem oft jüael^
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ftaiiftfagc nad) i^rrr fuUurgefd>t$tlidjen SBcbeutung 37
lofen £eben bic ftttlidje fiotjcit Ghrifri, beffen 52ad)folgcr $u fein fie
oorgaben, auf bas ©dmöbefte oerleugneten.
t}£ac^ einer anberen Dichtung hm erhielten bie VorfteUungen oon
einem Xeufelö^ünbnis mancherlei Nahrung burch bas im 1 3. Safo
hunbert beginnenbe Erwachen eines regeren wiffenfchaftlichen öeiftes,
eine golge teils ber burch bie ftreu^üge oermittelten ^Beziehungen $um
Crient, teils ber Örünbung oon Unioerfttäten in ben Nadjbarlänbern
2>eutfchlanbs. Söenn bann einzelne l^ötjer begabte unb eifrig forfdjenbc
2Wänner fich eine nach ben bisherigen 3Kafjftäben ungewöhnliche
Summe oon ßenntniffen, befonbers natunmffenichaftlichen, aneigneten,
oielleicht fogar überrafchenbe Entbetfungen ober Erfinbungen machten,
fo raupte bie ungebilbete SMaffe ihrer Seitgenoffen [ich bas nicht
anbers $u erflären, als burch ein geheimes SBünbnis biefer Männer
mit bem Teufel. So erging es einem ber größten (belehrten bes
13. Sahrfmnberts, bem ©rafen Ulbert oon VaUftäbt (gewöhnlich
Albertus Magnus, auch Doctor Universalis genannt), ber feine
3eitgenofien burch Erfinbungen, wie bie oon Automaten, in Erftaunen
fefcte, besgleidjen bem englifchen granjisfanermönch ftoger Jöaco, bem
Urheber einer 2lrt oon gemröhren, burch welche er 2)inge fah, toelche
anbere nicht fahen, bem £alberftäbter Domherrn 3oh<*nnes £eutonicus
xl a. m.
$)as (bleiche wieberfjolte fich in SJejug auf heroorragenbe
lehrte bes 16. 3ahfhunDertö/ 5- & Den ^olphiftor Xritheim ober
Xrithemius, ben 2lrjt £beophraftus ^aracelfus oon Hohenheim, ben
2lrjt unb ^ß^ilofopt)en (Sornelius %rippa oon Nettesheim u. a.
ÖemerfenSroert ift babei aber, bafr oon biefen SJJännem, obfdjon man
ihnen ein öünbnis mit bem Xeufel beimafj, bennoch bas gewöhnliche
£00 folcher ,,Sdm>ar$runftler", nämlich, bafe ber Xeufel fie geholt
habe, nicht ausgefagt warb. Vielleicht hatte man bodj injwifchen
eine Slfmung baoon erhalten, bafe es fich in biefen gällen nicht fo=
wohl um Sßirfungen ber fogenannten „fcf)war$en" 9ttagie, als oiel--
mehr um natürliche Vorgänge h*nble, b.-h. um bie Grgebniffe eines
tieferen Einbringens in bie Kräfte ber Natur burch ben forfa)enben
SWenfchengetft felbft ohne Beihilfe bämonifcher Gewalten.
So hatte bic gauftfage im weiteren Sinne, b. h- bie Vorftellung
oon ber Ueberhebung eines 9)fenfchen über bie oon ber Vorfefmng
ihm angewiefene Sphäre, bereits eine gan$e Nethe oon yt)u\en bura>
laufen, tyatte fich <m bte oerfchiebenften ^erfönlid)feiteu geheftet unb
bic mannigfachften OJeftaltcn angenommen, als fie enblid) im 16. ^aijx-
hnnbert fich tw emer beftimmteu ^erfon gleidjfam fonjentrierte nnb
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38
Äarl ©iebevmatin
fixierte , in ber s$erfon jenes D. 3ot>anneö $auft, ber feitbem ber
eigentliche Präger ltnb Vertreter biefer Sage warb.
£afj bies gerabe im 3citalter t>er Deformation gefchah, mar
nic^t jufäUig. $>ic feit bem 14. 3aljrfnntbert auch in Seutfölanb
ooUjogene Örünbung oon Unioerfitäteu batte ben Irieb gelehrter
Stubien in immer meitere Wreife getragen. &Uffenfd)aftlicbe (Zn\-
bedungen unb ted)nifd)e ©rfinbungen, jum Xeil oon ber ungebeuerften
Tragweite (man benfe nur an bie (£rftnbung be* Suchbrutfö unb
bie 21uwenbung bes Sdncfipuloers ! ), hatten ben ©efichtöfreis ber
sl)ienfd^en erweitert, jugleid) aber auch bie iiuft unb bie Hoffnung
erweeft, nod) tiefer in bie We^eimniffe ber Datur einbringen, in noch
größerem Umfange über beren Äräfte gebieten ju fönnen. 2)ie auf;
finbung neuer Seewege unb neuer Erbteile unb bie baburaj bebingte
2lu$behmmg ber Sd)ifffat)rt über bie grofcen Weltmeere fyatte bei
oielen einen ungeftümen 2)rang in bie 2£eite erzeugt. 3>ie SÖieber-
belebung ber flafftfdjen Äunft unb ^itteratur burd) ben Humanismus
hatte bem ©eifte ber ^orfdjuug einen ungeahnten Üluffdnoung oer=
liefen, aber aud) — in Slnfnüpfung an bie finnlich ^eitere ihMtan=
febauung bes ^eibnifa^en Slltertums im (tfegenfa(5 ju ber auf baö
ftberfmnliche gerichteten ^eljre bes (Shnftentums — manche irbiföe
Neigungen unb ^eibenfehaften entfcffelt. $icfe lefctere 5Kid)tung er*
hielt einen rnpifdjen 2lusbrucf, loarb gleichfam ftleifd) unb Slut in
bem Silbe ber gried)ifd)en Helena als ber Verförperung rjödbfter
finnlicher Schönheit. Schon in ber ^auftfage fclbft , bann in ber
bramatifchen söehanblung berfelben bei s))iarlome unb im ^oltefdwu--
fpiel fehen mir biefe Helena eine heroorragenbe Dolle fpielen.
So mar in meiten Areifen eine ungewöhnliche ©rregung unb
eine grofje ©mpfänglicbfeit für alles, was biefer Erregung !8efriebi=
gung oerfpradj, oorhanben. <*s jeigt fid) bie« nidtjt nur in ber raffen
unb allgemeinen Verbreitung ber gebrurften (Srjäl) hingen oon D. ^auft,
ber fog. „5auft=21ücher", welche alsbalb eine 3Wenge oon Auflagen
unb (Srmetterungen , ja mich oon Überfettungen in alle mögliche
Sprachen erlebten (in furjer ^eit erfdjicuen 4 englifche, t> ^olldribifd^e
unb olämiidjc, 3 bänifebe, 2 fran$öfifd)e, je 1 fchwebifche, polnifche,
böhmifche unb lettifcbe), foubern auch barin, baf3 ähnliche (Befeuchten,
wie bie oon D. gauft, aus älterer unb neuerer 3eit wieber heroor-
gefucht unb bem nach foldjer Speife gierigen tyiblifum in ben oer=
idjiebenfteu Aormen, in ^Jrofa unb Herfen, gebnieft unb oon ber
^übne tjevab , geboten würben. ^Tahiti gehören j. SB. bas Volfs-
fdmufpiel oon Jvriar SBaco, bie Wefdndjte eines böbmifdjen Zauberers
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3Me ftauftfage nad) i^ver fultnrflff^i^tlidjen SBcbeutitng 39
3ito ober 3uto, eine ähnliche von einem tauberer genannt trüber
^Haufche u. bergl. m.
£er ^roteftantiomus nahm es mit bem Abfall eines sJ)tenfchen
oon Wott $um Teufel ungleid) ftrenger als ber Siatholtjismus. 3)em
£atf)olifen, auch roenn er fid) gegen GJott ©ergangen t>atte, bot feine
Alircfjc mancherlei önabenmtttel (geiftltdje 23ußen, 2lblaß, gürforadje
ber ^eiligen), um feine Seele noch §u retten. 3iUr faf)en bies an
ber Sage oom SMfchof Theoptnlus. gür ben s}koteftanten gab es
bergleichen nichts; einmal fdmlbig, mochte er leicht für unrettbar
verloren gelten. @s ift bejeidmenb, baß bie gauftfage roefentlia) oon
proteftantifchen (steift liefen unb im ftreng proteftantifchen Sinne be-
hanbclt warb, fo namentlich in ber Bearbeitung bes Spteßfdjen
gauftbudjs burd) Selbmann unb nod) mehr in ber fpätcren burd) ben
fog. ,,(Shnftlich;2i>ohlmeinenben". 2lud> in bem s3)iarloroefd)en $rama
unb bem oon biefem beeinflußten ^olfsfchaufpiel ift bem gauft, naa>
bem er einmal oon Wort abgefallen, jeber sJiütfroeg sunt Gimmel
Derfdjloffen.
$as Stfibmannfche gauftbud) enthält eine Slnbeurung , als ob
gauft auf ber ftreng-fatholifchen Unioerfttät ju ^ngolftabt burd) bas
bafelbft übliche „(Srorciren, Teufelsbefdnoören unb anberes abergläubU
fdjes Tlmn" $ur üBefdwftigung mit ber sJ)iagie oerlettet roorben fei.
gerner wirb barin befonbers betont, wie in bem s}kfte bes Teufels
mit gauft biefem iiefeteren ausbrücflich bas heiraten oerboten morben
fei, roätjrenb gleichzeitig ber Teufel (ber babei im s])iönd)Sgeroanb
erfcfjeint) if)nt bie söefriebigung jeber unorbentlidjen $tegierbe oerfprtdjt,
offenbar ein gegen (Sölibat unb sJ)tönchstum mit it>ren entfittlichenbeu
^lUrfungen geführter Streich unb ein weiterer &teroeis bafür, rote bie
gauftfage ju einem ftampfedmittel ber Monfeffioneu benufct roarb.
gaßt man alles hier ötefagte $ufammen, fo toirb es erflärlid),
roie eine Sßerf önlid)feit , bie einigermaßen ungewöhnliche Öaben unb
Äeimtntffe befaß, ober bie fid) aud) nur folcher rühmte, bie ferf auf=
jutreten unb bura) ein abenteucrlid)es hieben bie s#licfe ber $e\U
genoffen auf fid) ju sieheu oerftanb, nicht bloß ber rohen sJWaffe,
fonbern felbft einem Teile ber Webilbeten bergeftalt ju imponieren
oermod)te, baß fte als ein äitouberthäter ober tauberer angefcheu
unb baß auf fte oieles oon bem übertragen rourbe, roas bie Sage
früher oon anberen er$äl)lt hatte.
£aß ein D. gauft gelebt hat, läßt fich faum bejroeifeln. Über;
einftintmenbe Seuöitiffe oon Seitgenoffeu , baruuter fet>v geroid)tige,
unb fonftige sJln^etrf)cn fpredjeu bafür. (Mehrte oon ftuf, roie
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40
Äatt siMebermauit
3)iuctanus Sütfus, Jrittjeim, iogar 3)ieland)tl)on, nuffen uon SJegea*
nungen mit einem limine bieies Samens $u er$äl)len unb fdulbent
benfelben in annäljernb gleid)er üsktfe. ^i)vc 9Iusfagcu werben burd)
anbere s}>erfonen beftätigt. Merbanb ürtltd)feiteu befnnben nodt
Ijeut burd) ihre Benennungen, bap ein i)iami bes Samens ftauft
bafelbfi »crfetjrt bat, fo ein „§auftgätfa)en" unb ein „<vauftl)auö" in
Arfurt (bamals Uuiuerfitätsftabt), eine „tfauftfiidje" in sJWaulbronn
(angebltü) ein Laboratorium tfaufts), uor allem 2luerbad)s Steller in
Lcipjig mit ben bie unechte ^al)reöjal)I 1525 tragenben, aber roobl
auo bem 1 6. ^aljrlmnbert ftammenben unb im 1 7. reftaurierten beiben
grofjeu üöilbera, oon betten bas eine $auft mit Stubenten fommer=
fierenb, bas anbere ben berühmten Jvaferitt ftaufts barfteUt Da*
entere trägt bie Unterfdmft :
Vive, bibe, obgraegare inemor Fauati hujus et hujua
Poenae, aderat clando haec, ast erat ampla gradn.
(i'ebe, trinfe, idnuelge, gebenfe aber and) bes ^auft unb ber
Strafe, bie itm sroar ipät, aber Imrt traf).
Huf bem jroeiten ©übe ift \u lefeu:
Doctor gouftu« ja biefer ftrift
Hui Huerbacb« »eller geritten ift
Stuf einem 5°6 m'1 SBfin gefdjroinb,
SkldjeS ge|ebcn biet 2Renfcbeutinb.
€>o(d?c$ burd) feine jubtile Äutift bat flttban
Unb be8 leufel« üobn empfangen barau.
^n bem iöergnftf)en Werjeidmis ber $i>erfe ;)fembranbts ftnbet
fid) ein angebliches ^orträt Aaufts ermahnt „mit fasern £>aupt unt>
umgeworfenem Hantel", (rbenfo gab eo oon einem anbeten ^ollän=
bifdjeu sJNaler, namens Sichern, ein SBilb, teetcheö #auft unb sJ)leob>
ftoyljeles barftellcn foüte. Wleidjuiel, tueffen biefe Porträts fein
mögen, ber Umftanb, bafe man fic für folcbe bes D. #auft gehalten
unb ausgegeben Imt, bezeugt, bafj man an bie Grifte^ eines fo!d>n
ÜDiannes glaubte, $n ber oon ©öbefe ^ausgegebenen Sammlung
oon Sdnuanfeu aus bem 16. .^abrljunbert ftnbet fid) unter 9fr. 150
ein Sdjiuanf mit ber Übcrfdmft „Jyauft", u>orin beffen Leben unb
lob erjäblt wirb.
Silo (Geburtsort biefes Imtorifdten ,vauit wirb ein «einer Rieden
namens Munblingen (in ber jefcigeu baöifdjen ^falu, als bie $eii,
tuann er gelebt, olmgefäljr bie »on 1480 ober 14i»o bis lf>4<> ober
1550 beu'idmct. Sein eigentlidjei ttame fei, beifet es, (%orijtU9
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$if ftaufijage nad) tyrrr rultiirgffätdjtli<$fn ©ebeutung
41
SabeUicus geioefen, er habe fid) aber gauftus, aua) rootjl gauftus
junior genannt. 3n ber SJiatrifel ber Unioerfität £eibelberg ftnbct
fid) unter bem 3af)re iftov» ein Saccalaureuo btefes Ramend ein;
c*cfd)rieben. $afe ber Teufel it)n, wie man es nannte, „gefjolt",
b. t). it)m ben §alo umgebretjt unb feinen Körper in Stüde geriffen
t)abe, roirb metirfacf) als futier berietet; nur über bas SHo gefjen bie
Slnfidjten aus einanber. öenug, nad) allem fdjeint faum $u be=
$roeifeln, baft eine wirflidje, lebenbc ^erföntiajfeit oon ber (Sage mit
ben x\)x «u ©runbc liegenben Ütorftellungcn ausgefdjmfitft worben ift.
Sie bisweilen oorfommenbe ^ermeaifelung btefes gauft ber
Sage mit bem oiel älteren Sauft ober ftuft, bem ©efjtlfen (Hutten:
berge bei feinem roeltgefdnd>tlicf)en SBerfe, ber (Srfinbung bes $ua>
bruefs, mag üietteid^t feine gan$ unabftd)tlid)e geroefen fein. SDie
bamaligen Sunfelmänner liebten es, bie neue (£rfinbung (als ein
itnten oerr)afctes Littel ber 2lufflärung) wie eine „fdjwarje" ober
„Xeufelsfunft" «»u oerjd)reien, woju bie fd)ioar$en Settern eine 2lrt
von äufjerem Slnlafc boten.
$urd) ©oetljcs unfterblidjes Srama finb mir baran gewöhnt,
mit bem tarnen Sauft bie Horftelluug oon einem aufierorbentlidjen,
tjodjbegabten unb tjod)ftrebenben sJJtenfd)en $u oerbinben. 3)er Sauft,
welcher als ber Träger ber gauftfage be$eid>net wirb, befaß oon allen
biefen ßigenfd)often anfdjeinenb wenig ober nid)ts. 3war werben
U)tn oon einigen, bie il)n rennen lernten, nicr)t ganj gewöhnliche
Äenntniffe jugeftanben; anbere wiffen nur, bafj er felbft fidt> über=
natürlia^er ®aben gerühmt tjabe, fügen aber funju, es feien oiele oon
itnu. betrogen worben; fdmrfer Urteilenbe, mie SWucianuS 9rufus, er=
flären ifm geraDeju für einen Sdmunbler. Safe feine fiebensweife
eine f)öd)ft abenteuerliche, ja ftügellofe gewefen fei, barin ftimmen bie
Reiften überein.
Um fo intereffanter ift es, ju fetten, wie fid) im sJlnfd)lu& an
eine foldje, jebenfalis fet>r sroeifeltjafte ^erfon eine förmliche 9Wutt)en--
bilbung ooüäiet)t. 9itd)t genug, bafe eine 3)ienge oon 3auberftücfen,
bie früher anberen beigelegt morben maren, jefet auf ben D. gauft
übertragen werben — fo bas ^eroor^aubern oon Blüten unb grüßten
mitten im hinter, ber aus einem fjöljemen Tifcfye flieftenbe ÜÖein,
bie Trauben, meld)e luftige Wefeßen ju fdmeiben glauben, wäfjrenb
fte nur bie eigenen 9{afen in ber &anb halten, ber Saftritt, bie
herauf befdjmöntug berühmter Toter, mie 9lleranbers bes ©rofjeu, bie
Enthauptung unb Sßieberbelebuug eines Cannes u. f. m. — , fonbem
feine ganje ^erfönlid)feit wirb nad) bem begriffe umgetoanbelt, Den
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Staxl ©iebertnann
man fid) oon einem mit bem Xeufel im 33unbe ftehenben SJccnfchen
machen $u müffen glaubte. X*icö tritt namentlich in ber erften ge^
brutften Stufjeictmung ber ftauftfage, bem Spiefefcben gauftbudje
oon 1587, in frappanter Seile heroor. $a wirb juetft Raufte
Welehrfamfeit gerühmt, vermöge beren er bei feiner Promotion alo
-Doftor ber Xtjeologie ben Sieg über 1 6 Mitbewerber baoongetragen
b,abe — waö oieüeidjt öoethe im 9luge hatte, wenn er feinen ^auft
tagen läfjt:
„3»ar bin i$ «fidmtfv al« alle bie üoffen,
TOofliftfr, ©oltorcii, ©dwiber uub Waffen."
bann aber wirb fein „bummer, unfiuniger, ^offartifler Äopf"
bcflagt, ber ihn ber Xfjeologie abwenbig gemacht unb ber $öUc 511»
geführt habe. 2)er Jauftbiograph entwirft mit id)wungooller ^bantafie
oon ieinem gelben ein sBilb, welches auf ben wirtlichen $auft fdjwerlid)
paf}te, wohl aber bem entfprach, wie man fid) ben Seelenjuftanb
eineö 3)ienfchen bachte, ber burch feine ftberfdpoäuglidjfeit unb Un=
erfättlichfeit 00m rechten Stfege abgezogen wirb unb einem bunflen
Schief fale anheimfällt. „(Sin Spefulierer", t>ei^t es> ba, „fei prauft
genannt worben". „2lblerflügel habe er genommen". „Me Örünbe
im Gimmel unb auf 6rben habe er erforfchen wollen". „Seine
Verwegenheit habe ihn ben Miefen ähnlich gemacht, oon benen bie
^oeten erjählen, fie hätten s#erge juf ammengetragen unb gegen ben
Gimmel Krieg führen wollen, ober auch bem böfen ©ngel (bem
l'ucifer)". hieben biefen beiben ©igenfcfiaften tfauftö, bem Crange
nach ungewöhnlichem Siffen (bem „Spcfulieren" unb bem „(Srforfdjen
aller Wrünb' im Gimmel unb auf ßrben") unb bem ©elüfte über
menfehlicher ^ad)t („ähnlich ben Wiganten ober bem i'ueifer")
wirb bann noch ein drittes heroorgehoben , nämlich ftaufts wCpifu=
riieh' Seien", b. h- fein unbäubiger Xrieb nach finnlichem «ebeno=
genufe.
&iner poetifchen Sludgeftaltung ber ^auftfage war fo burch ben
Volfsgeift fei oft ber ^oben bereitet. ßine unbänbige Öegierbe nad)
Voügenuft an *Diacr)t, an Siffen, an finnlichen #reuben — baö feine
wie baö Sluberc mochte fchon für fid) aliein einen 9Jienfd)en leicht in
bie frillftricfe ber jpöHe locfen. ^e uacb ber eigentümlichen s3ean-
lagung bes dichter«, welcher fid) bco banfbaren Stoffe« bemächtigen
würbe, ftanb $u erwarten, bafe er baö eine ober anbere biefer
Momente in ben Vorbergronb ftelien werbe.
2>er (srfte, ber bie #auftfage poetifd), unb jmar in bramatiieher
Jvorm, bearbeitete, war fonberbarcr Seife fein Statticber, fonbent ein
$ie $auf!fage nach, tyrer fulturgefäiibjlicben ©ebeutung 43
(Snglänber, ein 3^itgcnoffe Sfwfefpeares, Glnriftopljer 9)torloroe l).
3tym, bem 2lnget)örigcn einer Nation, roelcfye ebenbamalö unter ber
Regierung Ünrer grofjcn Äonigin (Slifabetl) nad) einer befyerrfdjeuben
Stellung auf ben beeren unb im s^eltüerfe^r ju ftreben begonnen
tjatte, tag es am näd)ften, aU baöjenige, roas ben gauft am metften
uerfüf)rte, bie unflare ©ef)nfud)t nad) ben tueiteften gernen unb ttjren
sBunberfd)äfcen, fo nrie ben Trieb nad) einer alle« überragenben
N)ttad)t unb $errf$aft ju bejeidjnen. 3n biefem Sinne läfet er feinen
Reiben jenen Ijodjpoetifcbcn Monolog galten, ber in ber beutfdjen
ttberfefcung fo lautet:
ftauft:
5>ie ^2rtapt)Qfira ber 3auberei,
2)ie Wegromantenbü(ber — bie ftnb l>immlif<&!
Die Pinien, ftreife, Aitern, (J&arattere,
Die finb'S, roonad) am meiften midj verlangt.
O roelcfce Seit ber Sonne, be« (KenuffeS,
Der 3Ra$t, ber (Jljre unb ber fcttgeroalt
3fi biet oerbeißen einem treuen 3ünflcr'
ffia« jroifdjen beiben $olen fid> bewegt,
3« mir geborfam. Äönige unb Äaifer
Sinb Herren jeber nur in feinen üanben,
Do<$ roer e« bier gum $errfd)en bringt, bej? SHeid)
SSJirb gelj'n, fo nmt ber Oeift br« 9Jlenf(ben reicht.
(Sin guter 3a,t^,r" ift txn tjatber (#ott —
$ier gilt'« ju grübeln um ein $imme(reid).
©uter (Sngel :
O ftauft, leg' ba« ocrflnc^te öudj bei Seite,
*>ie« in berEibel: - Die« tft GtotteStäft'rung.
$bfer Sngel:
®eb' oorroärtö, ftauft, in biefer grojjen Äunfi,
Darin ber Sdjafe ber ganzen Söelt üerkbloffen.
Sei ba« auf (Erben, roa« im Gimmel 3««*'
$err unb fRegierer aller demente!
5auft:
SBte ber ©ebanfe midj fo gang erfüllt!
SoÜ'n mir bie (Seifler fjolen, ma« miifc, lüftet,
flu« allen 3roeifeln meine Seele löfenb,
Vollbringen, roa« toüfübner SRut erbentt,
3um 3nbu« fotten f" nad) ©olbe fliegen,
') Die «nuabme, al« fei bie erfie bramatifebe ©earbrituug ber Jaufifage
auf einem Äretfc Dübiuger Stubenten bwrgegangeu, al« auf einem
SHi&oerftänbni« berufen*, längfl roiberfegt.
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44
Äarl ©icbermann
2) e« Orient« perlen au* bem üRetre tüü^lm,
3) ie fflinfel all' ber neuen SBelt bur$fpäb/n
9ca$ eblen ftrüd)ten, ledern ftürftenbiffen;
ÖJan$ 2)eutfd)(anb foflen fte mit (Jcj umroaOen,
2) en frönen fll&etn um ffiittenbera, mir leiten;
^ ol baten roerb' idj mit bem ®otb ber (Dcifter,
Unb Ijerrfd)' al« einiger Äönig aller 9teid>e.
(9tad) oer 93cjc^roörung be« sD?epbiftopt>ele«.}
$ätt' idj mefyr Beelen, al« bort ©terne (eudjten,
3$ gab' fte att' für aRepbtftopbele«.
3}urdj tyn roerb' idj ber (Erbe groger Äaijer
Unb baue ©rüden burdj bie leiste £uft,
Um über'« SWeer mit meiner @d)ar 311 jiofcen.
3$ roiO ber «frifauerfflfte »erge
ßufammeubinben mit bem ©panierlanb,
3) afi beibe meiner Jerone bieuftbar werben,
5)er Äaifer fofl burdfc meine (Bunfl nur (eben,
ffiie alle dürften in bem beutfdjen Meid?.
£a«, nad) bem $rama 9Karlon)eö bearbeitete, „**oltefdwufpiel",
fonne baö baraus abgefür^tc „s}htppenfptel com D. gauft" folgen
roejeutlid) ben Spuren beß (Snglänberö. 2)od) tritt in beiben,
namentlid) aber int „^uppenfpiel", ein neuer 3ug tnnju, ber ganj
ber bürgerten, oolfötümlid)en 2)id)tung, wie fie int 16. 3aljrf>unbert
in £>eutfd)lanb blühte, angehört. (*d ift baß bie Betonung be$
SBor^ugeö, melden ber einfache, gefunbe üNentdjenoerftanb beö Un^
gelehrten oor ber ftd) erleudjtet bunfenben 9Setof)eit beö ^od^gebilbeten
l)abe. liefen 3U& btt fdjon oiel früher eine tupifdje 2luöpräguna.
in bem ^olfsbudj „Solomon unb 2)torolf ober 3)tarcolf" erhielt,
tritt Jjicr barin fyeroor, bafe ber Liener gauftö, (Saöparle, fid) niebt
nur ber Teufel, alö biefe ihn „Iwlen" wollen, $u erwehren roeife,
fonbem baft er aud) mit itjnen ein nedifdjeo Spiel treibt, roäbrenb
fein £err, ber t)od)ge letjrte D. gauft, tlmen jur öeute roirb.
9Jler)r alö anberttjalb 3at)rimnberte lang befd)äftigte unb be=
ljerrfd)te bie gauftfage lebiglid) bie *iolföbüfme. $>er (£rfte, melier
biefelbe mieber ber Äunftbiä)tung anzueignen unternahm, mar ßeffing.
l'eiber befifeen mir von feinem „D. gauft" nur wenige Sjenen, unb
aud) biefe nur auö jroeiter, britter $anb. $aö ©anje mar angeblid)
fertig; Vefftng nalmt baä sJManuffript auf eine SReife nad) ©ien mit,
fdjitfte eö aber (oielleldjt weil er fürchtete, eö fönne untermegö ermaß
bamit geiajeben) nad) iHraunfd)meig jurürf. £ie ßifte, morin es mit
mehreren Sdjriften $ufammen fieb befanb, fam nidjt an unb ift fpur-
Iog verloren geblieben.
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£ic gouftfoge na<& iljrer fulturgffa)id)tltd)en ©ebeutuug 45
9tod) ben bürftigen Mitteilungen, meldte mir über bas Seffingfdje
ftrama teils burdj bes 2)icf)ters ©ruber, Äarl Veffinft , teil« burd)
jmei itjn iöefreunbete, o. 93lanfenburg unb ©ngel, erhalten fjaben,
(bie fid) gegent'eitig beftätigen unb ergänzen), t)ätte basfelbe in cifm;
lieber SBeife begonnen, wie bas ^olfsfdmufpiel, uämlid) mit einer
ßonferen^ ber Teufel unter bem ^orfife bes oberften ber Teufel, ber
luer baß eine 2)Jal Satan, baß anbere 3Hal ©eeljebub genannt wirb,
©ie SBerfammlung finbet in einem ^erftörten T>ome ftatt ; bie Teufel
fifeen auf umgeftürjten Elitären. 25ie S^ene erinnert aber aud) an
bie befannte Sjene ber ©efate unb ber £eren im Macbeth Sljafe:
fpeares, unb es ift mabrfdjeinltdjer, bog Seffing fie ba^er entnommen
Ijabe. Satan lagt ftd) oon feinen Unterteufeln berieten, toas ein jeber
im $>ienfte ber £ölle getljan unb ooUbrad)t fjabe. @r ift mit allen
unjufrieben; nur als ber lefcte ber Teufel baoon fpridjt, „er fmbe
einen benfenben, einfamen günglina, gefunben, ganj ber 2Öei6t»eit
ergeben, ganj nur für fie atmenb, jeber £eibenfd)aft abfagenb außer
ber für bie ÄHaljrfjeit — ber $öße gefäfjrlid), menn er einft fic^rer
mürbe" — ba ruft Satan aus: „Treff lid), fjerrlid)!" 3tls ber
llnterteufel befennt, er fei oergebens oon allen Seiten um bie Seele
btefes 3ünglings f)erum gefdjlidjen, r)abe aber feine Sdmmd)e gefunben,
fragt Satan: „£at er nidjt SBigbegierbe?" Unb auf bie $8ejal)ung
biefer grage fäf)rt Satan fort: „So überlag ilm nur mir! $)a$ ift
genug $um ^erberben". &ann l)ebt er bie Sßerfammlung auf, um
fid) fofort an fein SBerf, bie 33erfüfjrung gaufts, ju madjen.
<£§ ift bejeidmenb, menn fdmn nid)t überrafdjenb, bag ber -©tonn
bed fdwrfen T)enfens, ber 9)tann, melier ben djarafteriftifdjen 2lus=
fprud) tr)at : „menn ©Ott tf)m bie Satjl liege jroifc^en bem öefife ber
vollen 28aljrf|ett unb bem nie raftenben Streben nad) 2Bal)rl)eit, fo
mürbe er bas #efctere mahlen, benn bie oolle äitofjrtyeit fei nur für
©ort felbft!" — bag biefer ÜWann, fceffing, feinen gauft burd) ein
Übermag oon Söigbegierbe, b. f). burd) bas oermeffene Verlangen,
bie ooUe 3Bal)rf)eit ju befifcen, bem Teufel eine oermunbbare Stelle
bieten laffen moUte. 4i>ad man über ben meiteren pan Reifings
aud ber oben genannten CueHe erfährt, Hingt beinahe 5U abenteuerlid),
als bag man eö einem fo Haren flopfe mie fieffing zutrauen mödjte.
Satan füllte roirfltd) ben gauft bei feiner 3&gbegierbe gefagt unb
ilm fo meit gebracht Ijaben, bog er, Satan, fid) bereits feines Sieges
ftdjer roälmt, ba follte oon oben eine Stimme ertönen : „Triumphiere
nidjt! Än bu befiegt, ift nid)t gauft, fonbem ein bemfelben burd)
©ottes $>eranftaltung untergefdmbencs Phantom!" gauft felbft foüte
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46
«arl «iebermaun
nun tüieber erfreuten unb follte fid) als burd) bas Schief fal, weldjes
beinahe itjn ereilt tjätte, oon feinen übermäßigen unb gcfätjrlidjen
ÜBiffensbrange geseilt befennen.
2)iefe ganje Beübung erinnert ftarf an (Salberons „®as ^eben
ein £raum", weldjeS l'effing natürlid) fannte. 3lber es ift bodb, faum
ju glauben, bafj ein Seffing fid) hätte einbilben fönnen, bas Mätfel
ber ftauftfage fei fo leisten Kaufes $u löfen. $od) bem fei, wie
itjm wolle, intereffant ift es jebenfalls, 311 fehen, wie oou ben beiben
$>id)tern, weldbe juerft bie ^auftfage bramatifiert f)aben, ber eine nacb
feiner nationalen, ber anbere naefy feiner inbioibuellen ©igentümlidjfeit
il)r ein befonbereß (Gepräge giebt
$>er 9tubm, alle brei Seiten bes <vauftfd)eu Sefens — ben
3>rang nad) Riffen, nad) 9)iacbt unb nad) finnltcbem Xiebensgcuujj —
51t Momenten eines Dramas oon meltgefd)id)tlia)er ^ebeutung »er*
wertet unb jebe berfelben ju tjödn'ter 2lnfd)aulid)feit herausgearbeitet
ju haben, blieb bem unioerfellen $icbtergenius eines Öoetb^e uorbe=
galten.
gauft hat mit $ülfe ber Magie bie tiefften (Siublide in baö
innere ber sJtotur gewonnen unb ift baburd) für ben 9tugenblid fo
ganj befriebigt, bajj er eutjüdt ausruft:
„«in id> ein (Sott? SRir wirb fo lid)t!
34 W in bie(en reinen 3ßfl™
T>it mirtenbe 9?atur oot meiner ^ertr liegen,
«Bie %ütS ftd> jum ÖJanjen webt,
«in* in bem flnbern wirft unb lebt !
28ie $immel8träfte auf unb nieber ftetgen
Unb fi$ bie golbnen Simer reiben,
SKit fegenbuftenben ©Owingen
60m Gimmel bura) bie (Srbe bringen.
£armonija> atl' ba« Hfl bur^bringen!"
Allein bie Sefriebigung ift feine oolle unb bauembe. „i&eld)'
Scbaufmel!" hören wir gauft alsbalb fagen, „aber ad), ein
Scbaufpiel nur!" 3hn brängt's, bie Statur nid)t bloo ju erfemteit,
fonbern aud) ju beberrfdben ; it>n oerlangt es nicht blos nach sMfien,
fonbern nach £baten:
„3$ füftlc SDfut, min) in bie SSelt ju wagen,
3>rr Cfrbc Söcb/, ber (Srbe ©lilct 3U tragen,
SJJit ©türmen midj tjerumjufölagen,
Unb in be« ©djiffbrm}« «nirjdjen nid?t ju jagen."
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£ir ganfijagc uad) ityrer fulturgrfc^itfytlid^ett $ebeittuug 47
^ebocb, ber „Grbgeift", ber „in i'ebenofluten , im Xfjatenfiurm auf;
unb abwallt", unb „ber Otatttjeit lebenbigeo AUeib webt", oerweift
ilm nn „ben ©eift, ben er, ^auft, begreift." Unb fo wirft fid)
#auft biefem britten ©eift in bie 2lrme, bem (Seifte finnlidjen Öc=
nuffeö, ber ib,m „ein epifuraiid)' hieben" oerfpridjt. 3" tym, bem
SWeptnftopfycled, jagt ^rauft :
„?a& in ben tiefen ber Sinnlichkeit
Un« gltlb'nbe Peibenfcbaften fliaenl"
»uf ein foldjee Programm fdjliefet er mit tym ben ^aft.
Die 3iadjrreter Gtaetljeä auf bem oon tym oorge$cid)neten 4i>ege,
beren 3ab,I fcegion ift, traben inogefamt (wie (itoettje bies oornuo-
gefagt) nur Variationen ju bem oon bem SHeifter angefangenen
Jtyema geliefert, mefp ober minber gelungene ober mifclungcne (tjänfiger
bas £efctere), aber nickte 9Jeueö ber genialen $id)tung fjinjujufügeu
oermodjt.
Söemertenömert ift auet) nod) ber (Segenfafc ber brei Jvauftbidjter
in $ejug auf bas enblidje 3d)itffal, weldjeö fie iljrcn gelben ange-
beiben laffen. äßarlowe, fid) gän$lid) an bie Sage baltenb, über-
liefert feinen $au|t wirflid) ben leufeln. SDiefe Scene gehört $u ben
gro&artigften nid)t nur in bem sJWarlowefd)en Drama, fonbem otelleidjt
überhaupt im üBereid) ber tragifajen ®id)tung. (So fei mir vergönnt,
fie tjier wieberjugeben.
3uerft fpridjt ftauft, nod) gan* beo titanifdjen Irofceo ooll, jum
^eplnftopfjele«:
,.®eb', trag' jum großen Pucifer bie
Sag', gaujiu* ift bem ero'gen lob berfaUen;
<3ag'( feine ©eete übergiebt et itjnt,
SBenn er i^n »ierunbjroanjia. 3abre lang
3n allen «rbenfreuben bin läßt leben."
Unb bann ju fid) felbft:
„Stein $erj ift Stein, iä) fann niebt metjr bereu'»,
Äaum tann ich ©tauben, $eil unb Gimmel nennen,
3$ bin entfcbloffen. Jauft foH nitbt bereu'n!"
211d aber bie in bem tyatt mit ber ftöllc irnu geftellte ftrift abge-
gelaufen ift, ba finft fein trofjiger SHut unb er giebt feiner Ver;
3roeiflung in ben folgenbeu Starten 3luöbrucf:
48
Äarl 8iebermanu
(«« fcblägt 11 Uhr)
„ftaufi! o gaufht«!
3rjjt f)af) bu nur (in ©tttnblein noch jit leben.
Unb bann bift bu Derbammt in (Eroigfrit.
©tebt flitl, «V nimmfrmiibeH $tmmel«fpbäieu,
Unb brmmt btn fuuf bre 3eit ep' Airölf fif fcblägt!
92atur, fcblaß auf brtu {rhöne« Sing' unb gieb
Un$ ew'gen lag! Sie ©tuube roerb' jutn 3J,»r.
3um SRonb, jur ©oebe, nur *u einem lag,
Sag gauft bereu' unb feine Seele rette !
O, $erg' unb $ügel, fommt unb fallt auf mich,
Unb beeft mich bor brfl Rimmels febroerem Qoxnl
3br ©terne, bie mir bie ©eburt regiertet,
3tefyt mich empor gleich, einem 92ebelbunfl
3n jener fdjroarjen SSolfe febnjangerttn ©chog,
Sag mein (Sirbein au« ib.re« ©cblunbe* Sampf
©ie jpeie, toenn bie ©türme fie jerreigtn,
Soeb meine ©eele lagt jum Gimmel fdjroeben!"
(«8 fcblägt 12 Ubr.)
,,<f« fcblägt, tt fcblägt! 9lun, t'eib, jerflieg in Vnft!
©onft trägt birh Aug« jur $ölle i'ueifer.
O ©eele, fcbmelj' in fteine ©affertropfen,
ftaW in ben Djean, bag hieb feiner finbe!
(Sonutr Sie Xeujel fornmen.)
0 (Knabe, $immel! ©chau' jo ftolj ni<bt uieber!
Ottern unb ©drangen, lagt mich atmen uc-dj!
Älaff, febroarje $bHe, nicht! %oxl, Vuctfcr !
O SWepbiftopbele« ! 3n« &tu r bie Bücher!"
(Sie Xeufel jerreigen ihn.)
dpor:
„Sauft ift bapin! Betrachtet feinen ©tuvi,
©o bag fein aHiggefebid ben Singen roame,
JBerbot'iter ©ei$beit grübelnb uacbjitgeb'it,
Senn ihre liefe lodt oorfcbiieflen Srbenroitj,
3« thnn, roa* tjirr unb bort brr ©eele wenig nüfc. *)
*) Sag ©oetbe in feiner 3"g<"b 2Rarlen>cS ftauft g:taiutt habe, ift
nicht roafjrfcbeinlicb, ba 2Harlorce überhaupt in Sfiitfdjfaub bnmal* tieft nidbt
berannt mar. rVjfltig rrroäbnt jrcar in feiner „Xbeatratifcbru öibliotbcl"
Dom ;^abre 1754 bieten Siebter (er nennt ipn 2Jcar!oe), unb führt an: „unter
feinen fect>« ©lüden ift auch ein Softor ftauft," anritt ber Umftaub. ba& tt
e« bei biefer furjen "J?ott ^ benjfnbeu lägt, jrigt geuugfam, bag er ba« ©tfid
nicht raunte; mie hätte ein Reifing jouf) fo rcorlfarg an einem folchen 8tüd
oorübeigeben lonnen? 3n ber Sob*lepjd>en ©ammlung, beren fiefc ?effuig
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Die ftaufifage nad} ibjer fulturgefd)id)tlid)en söebeutuug 41*
tfeffina, unb ®oett)e, beibe fudjen ihren gauft $u retten, Effing
freilich (roeim n>ir ben $erid)ten über feinen $lan ©tauben freuten
muffen) auf eine fet)r äußerliche Steife, (Goethe baburd), baß er ben=
felben (im II. Xeil) von feiner Uncrfättltdjfeit wrütffommen uub eine
Sans neue &ben$rid)tuug einfd)lagen, firf> einer praftifd) 5 Rumänen
Zljätigfeit, ber beö .Uolomfiercns, ber Slnfieblung einer 9J?enge oon
3)tenfd)en auf einem bem 9)Jeere abgewonnenen $oben, Eingeben läfjt,
ums bann bie t)immlifd)en Öeifter *u bem s«Kuöfprud) ermächtigt:
„Söer immer ftrebenb ftd) bemüht,
Dm fönnrn mir ertöjen."
Xod) \d) fel)re oon biefer 3lbfd)toeifung über bie 5auftbid)tung
noch einmal >ur gauftfage jurütf.
3u bem $oftor ^emit flipfette, wie oben gefaxt, jener Sagen*
fretö, ber fid) wie ein roter ^aben burd) bao ganje Mittelalter l)üu
burchsieht. 9Wit ihm fcfjliefn berfelbe aber aud) ab. (Sine jioeite
^terfönlid)Fcit nach Aauft, an tueldje bie gleite Sage fid) geheftet hätte,
in nicht befannt. 3o oiele Vorgänger ber ®oftor gauft gehabt
hatte, fo wenig l;at er einen 9iad)folger gefunben. @o ift, als ob
ber Sriebfeim, auö loeldjem jene Sage früher immer oon Beuern
herauswuchs, feitbem erftorben märe.
9iid;t, als ob ber (Glaube an Räuberei, an ben Teufel unb
Xeufelsbünbmffe mit ber Deformation aufgehört hätte, $m (Gegenteil,
berfelbe umwerte im Hi. unb 17. ^abrljunbert nur immer luftiger
fort. $aö befunbeu bie maffenljaften &erenpro$effe, bie fid) burd)
biefe ganje ^eriobe binburdj-, ja nod) bis in ben Anfang beö 18. 3al)r=
Imnberts ^ercinjietjen. Xic proteftanttfehe Kirche untertrieb fid)
barin nicht oon ber fatt^olifcfjcn ; ber Xeufelsglaube galt ü)r red)t
eigentlich als bas ÜBahrjeichen eines eckten Lutheraners. 2lllein
biefem greulichen treiben mit bem 9luffpüren unb ber Verfolgung
angeblicher Seyen fehlt jebe Spur jenes tieferen pfi)d)ologifd)en (Sle=
bei feinem ®erid)tc über bie ,,©efd)id)te ber ena.Ufd)eu ©d)aubübne" bebientc,
fanb er nun ein anbere« Drama SWarloroeS, „(Ebnarb II". 3n feinem 2Hter
mar (Soetfje mit SKarloroe befanut, ba$ erfeljen mir aud C£cf ermann (3. Seil
©. 26 f.). (Edermann ber 3e>t9e n offen @baMP*are8 unb baruuter aud)
SWarloroe* (Ermahnung tbut, füljrt ber $lltmeifter in einem prächtigen ^ilbe
auö, mie Sbafefpeare gletd) einem Montblanc inmitten anberer iPergeöriejen
fietje, ein ©eroei«, baß er aud) SHarloroe als einen nia)t ganj uuebenbiirtigen
SRitberoerber @t>afefpeare« anfab,. TaS bezeugen n?obt and) bie angefügten
Stetten au« aRarloroe« ftauu.
3rirf$rift für ÄuttutfltfAtdjte. H. 4
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50 Äarl Oirbmnamt, Die gaufijage na<S) tbrcr tulturgefti^tl. «ebtutuug
mentes, welches ber gauftfage unb ben U)r ärjnlidjen einen fo poe;
tilgen sJfei$ oerltet).
9iid)t anberö uerbält eo fid) mit jenen „Sunbertyätern", Die
nad> ber Glitte bes oorigen 3ö(Munberts me^rfad) in £eutfd)lanb,
namentlich an ben &öfen, Ijerumfdjroärmten, fid) ber Öabc Der shkk-
fagung unb bes ^efifces oon £ebenselirieren, ©olbtinfturcn u. f. id.
rühmten unb bamit 3>ornef)m unb ©ering, betrogen — jener
6t. ©crmatns, ©aglioftroö, ©ajmers, Sdjröpfers unb nne fie alle
gießen. IStmas gauüifd)es im l)öfjeren Sinne ift au feinem berfelbeu
$u bemerfen, unb von gauftifd>en Seelenfämpfen , bie fie beftanben
Ratten, rmt man niemals etwas geljört. Sie waren einfädle
Sd)minbler.
^otjl aber entftanb im legten 2)rittteil bes oorigen ^öbrrmnbertö
eine tiefgetyenbe ©rrcgung ber ©elfter, melcbe einigermaßen an bie
bes 13. unb bes 16. 3al)rlmnberts erinnerte unb meldjc einen er-
giebigen grudjtboben für neue gauftiaben bot. ©s mar bie 3eit beö
„Sturmes unb Cranges" ober ber fogenannten „ÄraftgenicS" in ber
beutfcfyen ttitteratur. 3)ie oerfd)iebenarttgften ©lemente — Älop=
ftocffdjer ©efitylsbrang unb Älanbfc&er ©pifuretsmus , DffumfAe
Überempfinbfamfeit unb tJiouffcaufcrjer tfulturfmfe, ber „©fei oor bem
tintenfletffenben Säfulum" unb oor bem „pbilifterlwften £eben", in
meldjem eine feurige 3ugenb beim SRaugel groger nationaler ober
roeltbürgerlia>r 3ntereffen „fid) rjinfdjleypen" fottte — biefes 9tlles
mirfte 3ufammen, um einen Sireis l)öt)erftrebenber unb leibenfdwftlid)
empfinbenber Jünglinge aus ben geregelten Salinen ber befteljenben
Crbnung t)inaus>ubrängen unb ju turnen ^farusflügen in ein fcuftreid)
oon Iräumen unb ättfinföen $u oerfüfjren. &iefc mobernen gaufte
mürben jroar nidt)t oom Xeufel gelmlt, allein manage baoon oerficlen
enttoeber bem 2Batmfinn ober »ersehnten fid) in aufreibenber Um
gebulb, meil fie unfähig maren, jenes §öajfte ^u erreidjen, monad)
ibre Seele letzte. 9rur ©inem, bem gottbegnabeten 2Hd)terjüngliiwj
©oetrje, mar es gegeben, jenes tragifd>e ^ätfel ber sJ)icnfd)ennatur,
bas fingen bes ©nblidjen nadj ©rfaffung eines Uuenb liefen, erft i»
fid) felbft burdjjufämpfen, bann in Ijödrfter ^oücubung bidjterifdi *u
geftalten unb fo ber mittelalterlichen gauftfage ben oerfläreitben
©lan& poetifdjer 3Bci^c $u verleiben.
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?ur i£>em$te
öcr Uniform in I>cutfdH'ani>.
Don <5eorg Siebe.
ftür untere mobeme Slnfchauung ift bie Uniform foweit jum
uuterfajeibenben SKerfmal be$ Solbaten, jum ©nmbol ber in ber
föefamtheit aufgehenben ©injelperfönlichfeit geworben, bafe e$ uns
merfwürbig berührt, fie erft mit bem (Snbe beö 17. 3ahrhunDert*
allgemein eingeführt $u miffen. SBar fie bod) noch 1800 bei ber
fran$öftfchen 2lrmee nur unoollftänbig ; ber 3)Jaler 21. 2tbam, ber ba=
mate als Änabe $u ülörblingen fran^öfifcbe ©renobiere jeidmete, be=
merft, bafj nur diod unb £ut baö Regiment bezeichneten, bie fiofen
j. 33. häufig quabrilliert waren, weil fie au$ öettüberjügen beftanben *).
Umgefehrt aber finben fid) in ben oorljergehenben 3^^en bis in bas
frühere Mittelalter zahlreiche 2lnfäfce jur Sluöbilbung einer Uniform,
bie nie über biefe erfte Stufe btnauö gelangten. $)enn bie Uniform
ift ber 2luöbrucf ber Unterwerfung unter eine Autorität, wie fie weber
bie Selbftherrlichfeit beä Rittertums noch baö oaterlanbolofe ©ölbner=
roefen fannteu, bie ihren Kriegsbienft nicht al« Unterthanenpflicht,
ionbem traft perfönltcher Verpflichtung ber £el)nstreue unb beö 3)ienft=
- oertrageä leifteten. $ie Uniform fnüpft fid) an ben (Sebanfen beö
miles perpetuas, fte entmicfelt fidt> in *£>eutfd)lanb jut 3eit beö
GJro&en tfurfürften parallel ber Vcrftaatlidmng ber Regimenter unb
taucht oorher ftetö in Verbiubung mit ber allgemeinen ÜBehrpfiicht
') »utobiograotne I)r*g. o. fcollanb.
4*
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52
(Seoig fiebe
auf, am frityeften ba, tuo biefe juerft jum 2luöbrucf fam: in ben
Stäbten.
2lnfäfce jur Uniformierung bot ber überall bem £«pifd)en ju-
geroenbete Sinn beö ^Mittelalter^ fd)on in ber Sitte ber Stauben
trachten, unter benen bie möncbifc^-friegeritdje ber Drbensritter bem
begriff ber Uniform gan$ naf)e fommt. @ö beftanb eine loenigftend
burd) bie ©erootynfjeit geftüfete 9lnfd)auung, bafj ber ritterlichen Xradtu
bie rote garbe gebühre. $)ie bitter im iHat oon SBafel trugen fie
nod), als bie allgemeine Sitte für bie 9tatetrad)t fdnuarj angenommen
hatte'2). iUuch ift e$ roohl geftattet, f)ier eine Öebingung au$ bem
Vertrage über bie Sre^a^un9 ßöuigö SBalbemarö oon ®änemarf
burd) ben ©rafen oon Emeriti anzuführen : flleibung für 1 00 bitter,
für jeben 5er>u (SUen flanbrifchen Sdmrlad) uub 2\* 3tm™er ^un*;
werf3), grill) t)atte man ein ©efüt)l für ben (iinbrucf ber Statt;
lid)feit, ben ©leid)förmigfcit ber äußeren ©rfcheinung Ijeroorbrac^te,
bat)er wirb fie befonberö bei ©elegenbeitcn ber 9tepräfentation ge-
pflegt, tnbem man loenigftenö bie SBappenröcfe in ftbereinftimmung
brachte. 3Bie bie Sage fold)e$ oon fianjelotß 1000 sJüttem berietet4),
fo bie gefd)id)tliche Überlieferung oon fürftlidjem ©efolge freiließ roeit
fleinerer 3af)l. 3uerft erfcheint nur bie allgemeine $e$eidmung eim
heitltcher Äleibung, fo bei ben 40 Wittern, bie >Jttdmrb, ©rafen oon
(Softer, an bem papftltdjen §of begleiteten 1250, ben 50 beö ©rafen
oon &enneberg 1266, ben 300 33ifd)of ßonrabö oon Strasburg bei
Äbnig SUbrechts Krönung 1298, ben 400 föerjog griebrid)ö oon
öfterreich auf bem Reichstag ju Speier 13095). 3m legten galle
wirb jum erften 9ftal ber 3lusbnia* vestitura unifnrmis gebraust.
i486 wirb an bem ©efolge beö &er$ogö ^on 33aiem beim
Xurnier in Dürnberg fa^ioarje Äleibung erwähnt, 148y an bem bes
Äbnigo beim ^injug in Himberg rote — baö erfte mal betrug bie
3af)l 180, baö jroeite Wal 200 <pferbe6). $>en gürften ahmten Die
Stäbte nach- 33ei bem berühmten furnier ber 9Jtagbeburger Äom
ftabeln 1180 erfchtenen bie Stäbte in fonberlidum Söappen unb
garben, fo bie Sraunfdnoeiger in grünen, Slugöburg fanbte 1451 im
(Befolge König griebrid)6 nach 9tom einen $ürgermeifter, einen $oftor
») «otb. o. ©cbrcdenflfin, Wittcrioilrbc u. fflitterftanb e. 8i6.
») 2Redlcnbg. Urt..©. I ©. 817.
') «. @4ulj, £öftjd>eS ?fb«n II €$. 190.
•> Matthaeus Parisiensis; fflotb. 0. ©cbr. 1. c. ©. 183; (Ibtoniffn
fccutfeber etäbte VIII ©. 63; Ktymex ftonte« I @. 361.
•) Sbrotütcn b. ©t. XI e. 494, 508.
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3ttr GW^icfyf bet Uniform in 2>futf$lanb
53
unb 14 ©efeHen, blau gef leibet7). 9lber bie angeführten gftUe einer
Umformität galten nur bem ^runf bei feierlichen Slnläffen, ihrer
bauemben 2lnmenbung wiberfprad) fdjon ber 3nbioibualiömuö bea
^iittertumö, bejfen Wappen gerabe ben 3wecf hatten ben einzelnen
fenntlich ju machen, wie feine Xaftif nur in einer 9teif)e uon Sm^'
fdmpfen beftanb. Um unerfannt ju bleiben, legte £ubwig ber ©aier
bei 3Wühlborf mit mehreren ber Seinen benfelben blauen Wappenrocf
mit roeifjen Äreujen an. sJtur ein ftänbiger Dienft neranlafete ein
Aufgeben ber eigenen ^Jerfönltchfeit foweit, ba& baß $offleib beffen
9lu«brucf würbe. Schon 1 293 erflärten bie SJiagbeburger Stotmänner
für ratsunfähig, wer bes gürften Kleibung nehme b. i. 3Jcmifterial
märe; nadhbem währenb bes 15. ^ahrhunberts im £r$bistum Xrier
bad &offletb häufig als Seil ber $efolbung ermähnt worben ift,
befiehlt ber ISrjbifcfwf 1496, 31. 3uli, bem ©rafen von Sttanber:
föeib mit 12 ^ferben in überfdnefter ßoftleibung unb garben mit
ihm $u reiten 8). 9ttcht ben Dienft bes Staates, fonbem bes gürften
bezeichnete bas ftoffleib, es mar weniger Uniform als iiioree. ©ine
beftimmte Äleibung im öffentlichen Dienftc unb jwar norjugsweife in
friegerifcher $erwenbung finbet [ich $uerft in ben Stäbten, wenn auch
erft oom 15. ^ahrhunbert höupgcr nachweisbar; gingen fie ja bod;
in ber Durchführung ber allgemeinen Wehrpflicht ben Territorien
voraus, unb auch taftifch trat hier ber einjelne nicht fyetvox. Wie
bie SHatSbiener mit ihrem Solb auch tfleibung empfingen, fo liebte
man es, bei 2lusjügen ber Bürger rote geworbener SJtannfchaft bie
©emeinfamfeit beS Qwefaü äußerlich jum SluSbrucf ju bringen, juerft
in ben Wappenröcfen, bie fchon 1351 bie Eimburger (Shronif auch
bei bürgern ermahnt, bann in roirf liehen Uniformen. Die Söemer
jogen 1 365 1 500 2)tonn ftarf aus in wetjjen Wappenröcfen mit bem
fdhroarjen Söären ; ben Strafeburger Slusbürgern roirb um biefelbe 3^t
geboten, fich in Wappenröcfen mit ber Stabt Wappen uor ben £aupt=
teuten $u [teilen9). Die Unifonnfarbe roar auch beim ftäbtifchen
KriegSoolf mit Vorliebe rot, fo in Ulm bei ben 400 totesten, bie
im 14. 3ahrhunbert gegen Wibrecht oon ©aiem autogen, bei ben
9rürnbcrgern im Schweijerfriege 1499 l0), ober rot unb weife, wie
') «^ron. b. ©täbte TO ©. 169; V ©. 208.
•) Ctjron. b. ©tÄbtc VII e. 172; ©örj ffiegeflcn b. grj&ifäöfc.
•) «art&olb, @ffd). b. Sricgflwffenö b. Efiitfdjfn II <&. 76; etrnjrf,
£rieg$üfrfaffung 3)putfd>lanb<8 @. 162.
»•) ©art&olb 1. c. II @. 83, 184.
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54
<8wg tficfrf
1504 bei Dürnbergs 2luö5ug gegen ben ^ßfaljgrafen unb in Söorms,
1532 bei ben 300 ^anbsfned)ten, bie ©örlifc pm Xürfenfriege (teilt
3m legten Jalle werben bie garben alö bie ber Stabt be$eid>net.
3n föwarj nnb weife jief)t baö granffurter sJReffegeleit oon 1 1 1 9flann
1464 bie Simburger Alaufleute einholen auo, 1512 baö 400 SRann
ftarfe Kontigent ber altmärfifcfyen Stäbte unter s}Jroteft gegen bie
Neuerung l2). .2>ie ftärffte Sdjar, meldje erwärmt wirb, ift bie oon
1500 2Jiann, 1475 auä tföln bem tfaifer ,u$tel)enb, ben legten gafl
bietet 1588 bie Nürnberger Neid^üfe l3). 3lud) in frieblid>en 3eiten
finbet fid) ber 93raud). »ei bem Umritt, ben 1547 auf 3. ®eorgfc
abenb ^ermann oon Reinsberg alö Wittmeifter ber Stabt äöln fjielt,
trugen er unb feine 58 ÖJenoffen über ber Lüftung fdjwarje ^ßan$er=
fdjurje mit rot unb wei&em &efafcu). 1605 fleibete bie 6tabt
Arfurt 92 angeworbene Solbaten in blaue unb weifje Nöcfe lJ).
3Kit bem Auftreten ber mobemen ^toffenfjeere oerfdnoanb jroar
ber taftifdje Snbioibualiömuö , aber nidjt ber ber <£rf$eimmg. 3n
bem buntfd)ecfigen ©ewimmel ber £anböfned)t$f)aufen tarn bie (Sinbeit
ber Partei nur in ben gelbbinben jum iäuöbrucf. (£in fuerbei leidet
möglicher Irrtum f)at oielleidjt ben £ob be$ tfurfürften 3Wori-\ oer-
fdnilbet. $enn ba feine &eute rote unb meifje Jelbbinben trugen,
bie SJtarfgräflidjen rote, fo ift bie Vermutung aufgestellt worben, w
fönne it)it, burd) bie ftaubgefdjmärjte ^arbe getäufdbt, einer oon ben
eigenen beuten getroffen b^ben16). Nur bie ftraffe Crganifation bee
Drbenöftaateö ^atte im 15. Satjrbunbert bei feinen gufefötbnem, ben
bamalö allgemein fo genannten Trabanten, bie Anfänge einer Uni=
fonn, nämlid) rote &ofen, eingeführt Trabanten werben and)
fernerbin rjäufig aU uniformiert genannt, aber ber begriff anbertc
fid) ; feit bem 16. 3Mrlnmbert geboren fie 311m &ofgeftnbe, juerft ju
gufc, mit ber ^weiten ßälfte bes 17. ^rlmubertö su ^ferbe. So
ift 1625 am branbenburgtfdjen §ofe rote £rad)t ber Trabanten im
©egenfafc $ur blauen ber ®arbe bejeugt l7). 1616 mürben bei einer
Xaufe am metflenburgifdien &ofe 34 Trabanten oon ben Stabten
") (Stroit, b. ©t. XI ©. 671; Monumenta Wormat. ©. 486; Laufart
SWogajin «b. 51 ®. 162.
'«) Oanffen, ®fidjid?te b. beulen *>olfc* I ©. 869; ©tenjd 1. c. 6. 196.
»») «&ron. b. ©täbtf, ftöln III e. 839; bgl. XI ©. 716.
»*) ffleui«berg I ®. 262.
w) St..«. SWogbfbuvg.
'•) flnfro f. fä$f. ®ff$. III e. 231.
") d. l'rbrbitr, Da* Xrabantentüffen i. 3^»t)d»r. f. prr $cf$. u. Vanbr«
tunbc VII.
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3ur @ffd>i$te bcr Uniform in $)eutfd)fanb
55
geftellt, für ipeld^e eine Uniform oorgef abrieben n>ar17). 2Bir fetyen
t)ier alfo wieber nur beu gaU ber längft üblichen £offleibung oor
uns, ebenfo wenn bic nidjt am &ofe lebenbe Ritterfdjaft auö ©rünben
ber Repräsentation in gleicher Zxafyt erfcfyeint, bie regelmäßig fef)r
f oftbar war. 1569, 9. 2luguft, forberte fierjog Julius oon Braun--
fd)weig $)omfapitel unb Ritterfdjaft oon ftalberftabt auf, jetyn $8er=
treter ju feiner £ulbtgung $n fenben; biefelben foUten mit je oier
^ßferben in f<fynmr$er Äleibung mit @ammetoerbrämung unb gotbenen
Letten erfd>einen 1H). $>en Bafallen, bie fterjog &einrid[> 3uliuö von
Braunfd&weig, poftulierter 3lbminiftrator oon &alberftabt, 1610 $u
einer Reife außer iianbeö aufbot, würbe roter Sammetrocf mit
golbenen Schnüren — bie färben beö $qufeö — oorgefduneben lfl).
<£in»ig baö perfönlidje ^erbältniö jum gürften bejeidmen biefe ^runf=
foftüme; im ©ienfte beö Staate* bagegen erfd>eint bie Uniform in
äSerbmbung mit bem juerft im 16. 3^^r^unbert in ben Territorien
auftaudjenben öebanfen einer allgemeinen SBe^rpfli^t ber £anbeö-
Untertanen. SDie fdwn oon aWacdnaoeUi unb um bie 3Rüie beö
3aJjrlmnbertö oon ^ajaruö oon <Sd)menbi, Äriegöfommiffar Äarlö V,
nertretene 3oee nalmi ein beutfdjer gürft auf, beffen Xf)ätigfeit auf
orgamfatorifdjem ©ebiet oon ber größten Bcbeutung gewefen ift,
®raf 3o^ann oon Raffau, ein Detter beö s$rinjen 3Korij oon Dranien,
33efef)löf)aber beö oon feinem Bater aus Einlaß ber nieberlänbtfdjen
ftriegögefafyr eingerichteten 2luöfd)uffeö, einer SDtilij, ber alle 2öaffen=
fähigen angehörten, fyat er biefen ©tanbpunft aud) wiffenfdjaftlid)
vertreten, ©in in ben neunziger 3^^en oerfaßter „$)iöfurö" befür*
toortet ben Raäjteilen beö Sölbnerwefenö gegenüber bie Bewaffnung
ber ßanbeöfmber unb f)ebt babei aua) ben ©influß einer beftimmten
Xradjt auf bie Stärfung beö Selbftbewußtfeinö f>eroor. $)ie gäfjnlein
toiH er, wotjl mit Rücffidjt auf ben £eberftoff ber äöämfer, burd)
bie garbe ber wollenen &ofen unterfdjieben wiffen20). S)urd) ilm
beeinflußt würben bie Begebungen beö £anbgrafen 9ttorij oon Reffen,
bereu Refultat eine 1600 erlaffene „3nftruftton", bie erfte gebrurftc
Söe^rorbnung nebft Übungöoorfa)riften war. 2lud) er fd)lägt oor,
bic Regimenter burd) bie garbe ber Beinfletber, bie Äompagnicn
burd) 2lb$eid)en an ben Rötfen ,}u untertreiben'21). $enfelben Xon
»•) 3eitfd>r. b. $arjberem8 VI @. 529.
ebb. I ©. 860.
") 3ä^n«, <&t\d). b. £rieci«n>ifffnfd)aftcu @. 674 f.
") ebb. ®. 887.
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56
<0rorg fifbf
Ijat ipäter 3uftuß -Dföfer in feinen patviotifdjeu fßtyantafien ange*
fdjlagen, wenn er $ur Hebung bes Gbrgefüljlö ber ftabtiicben sbe-
uölferung für bereu militärifdje Übung unb Uniformierung eintritt21).
Ski ben im Anfang beö 17. ^afpfmnberto in ben oerfdjiebenften
beutfdjen Territorien in Angriff genommenen Skrfudjen, bie alten
^et>nbtenfte unb Kanbfolgen $u militärifdjer Wcrroenbung ju organi=
fieren, feiert bie Siorftellung von ber SHotwenbigfeit ber Uniformierung
immer wieber. $m tturfürftentum 3ad)fen biente biefem 3>uecfe bae
2) efenfionöwefen, Mtterpfcrbe unb Xefenfioner 511 #ufe umfaffenb.
§d)on 1610, 1. Stpril, erlief? Sturfürft (Sbriftian ber 2lnberc ein
3) tanbat an feine liefmleute, „meldjc uns mit Ritterbienft oerbunben",
er fei, wie fdjon bei ber SRuftemng 1608 ju Tage getreten, „bebad)t,
wie bei anberen &ux-- unb gürften bräud)lid), eine gewiffe fieberen
unferen ttanben anjuorbneu unb biefelbe fortbin ju gebrauten",
bie fie biö $um 1. ^uli fertig ftellen folltcn. £>ie foftbare Xradjt
beö Stüters ift fdjwarj mit golbenen Verzierungen, bie feine« Änedjte«
entfpredjenb, aber einfadjer. 3>em 9JJanbat liegt eine gefä)idt anö-
gcfüljrte geberjeidmung bei'J3). biefelbe Vorfcbrift wirb in ber
erften Sefenfiouöorbnung 1613 wieberljolt unb aud) gelbe $arbe ber
3d)ärpe unb bes geberbufdjes angegeben, fobafj biefe ^arabeuniform
bie ^ausfärben barftellt. £ie adjtytyn gäbnlein guftuolf fottten
grauen Sudjrod mit rotem ragen, furje Xudy- ober £eber(wfen unb
rote Strümpfe tragen"), ^n Verbiubung mit ber 1618 erfolgten
3ufaminen$icl)ung ber jroölf Äornet Siitterpferbe aus jwei Regimentern
in eins, würbe eine tnefyr für ben praftifdjen ©ebraud) geeignete
Uniform üorgefd)riebeu, nämlid) aufjer &elm unb Älüraft ein Waffen-
rod ((Safaquc) aus £ud), unten mit fünf Streifen befe&t Die ftarbe
beiber unterfdueb bie Hornels, j. 23. trug bao erfte fdjwarj mit
gelben Streifen, bao jmeite weif? mit blauen u. f. f.") 2>ie 1615
uerfctfjte £>enffdjrift über SluffteUung einest sJlusfdmffes für Trauben-
bürg nad) furpfäljifdjem äRufter fefct 2600 ilmler an für 2&<>o
Üafaden bes gufjuoUes'-'6). 3lud) baS ^rotofoll ber itriegsfoften beö
Oberbarnim füljrt ben ^rcis ber Hafiafe für einen Solbaten (brei
») ebb. @. 2168.
") @taat«ard)i» SRagbeburg.
**) ö. ftritjen, X>ffciijton«Dtrfaflmtfl in Är$i» f. öädjf. ®ffdj. I.
«•) ebb.
M) ÜHtiitftff, «rfoimplöitf für bie braubrnbiirgifcbr ©fljrDfrfaffung i.
tfojfv, 5orjd)iuigcn I 2 6. 119.
Digitiz
3ur <8efd>id)te ber Uniform in 2>eutfd>laub
67
X^alcr) auf"), was gemeinfchaftlidje ^ieferun^ oorausfcfct. $ie
zahlreichen sJJiili$oeriud)e fdjeitcrten fämtltch an bcr itnmöglichfeit,
mit bem ungefdmlten Material ben silnforberungen ber moberncn
Kriegführung ju genügen unb im breißigjährigen Äriege triumphierte
noch einmal bas Sölbnerrum in $ügellofefter Seite. Unter folgen
Umftänben ©erboten fid> Uniformen oon felbft, fdwn wegen bes
häufigen ^arteiwedrfels ; ihre Stellen oertraten immer noch tätyt $u
änbernbe Reichen, befonbers gelbbinben. $as einige Simibol
ber 3uf«"nmengehörigfeit war bie galme, oon beren garbe man bic
Regimenter $u benennen pflegte, 5. 33. ba$ berühmte gelbe £eib=
rectiment ©uftao Slbolfs. kleieförmige militärifche Trachten fah
crft bie 3ett nach b*nt großen Kriege, juerft in granfreid), jebod) noch
nicht bei ben Generalen. Sein SBorbtlb hat wohl auf flurfürft
^riebrich Sßilhelm oon $ranbenburg gewirft, ber in ben adliger
fahren juerft in $eutfa)lanb bie neue Einrichtung Durchführte; ihm
folgte balb Cfterreich- 3" ben betben erften 3ahrjehnten feiner fR&
üierung fcheint ber frühere 3uftaub obgewaltet ju haben, baß jeber
fid) oon feinem Solbe f leiben mußte; einen Übergang bilbeten bie
Lieferungen bes SWaterials, bie ber Cberft im ^EittercfTe beö guten
3lu6fehenß unb ber billigen $efd)affung am beften felbft in bie $anb
nahm28). 9ioch 1683 wirb in einem 3)iufterungsbericht über ftarfe
Ungleichmäßigfeiten in ber Uniform ber hirfürft liehen ©arbe Älage
gefuhrt29). 2)ie §auptfarbe fcheint nach ben jerftreuten Nachrichten
oon jeher blau gewefen $u fein, wenigstens für bie ©emeinen. &aupt=
quelle finb bie ©obelins mit $)arfteUungen aus bem Schwebenfriege
(im &ohen$ollern=3)(ufeum $u Berlin); bie Dberoffijiere tragen hier
friegerifche #aoaliertract)t 30). $as einzige überlieferte öeifpiel einer
^egimentsuniform bieten bie bis m's fleinfte genauen Angaben ber
s3Hunbterung bes Regiments Inhalt 511 ^Pferb unb $u guß; bas
erftere trug graue Siörfe, ©ofeu oon (Siendleber, fd)war$e &üte, baö
jweite blaue 9iörfe, $üte, botf leberne $ofen ; Dffijiere unb Spielleute
umreit burd) abweichenbe Xrad)t ausgezeichnet81).
3Härfif$e ftorf jungen XVII.
*•) 0. ©d)roetter, S>te branbenburgtfä'preu&ijdje $eere3ücrfajfung unter
Dem ©roßen Äurfürflen (©^motter, ftorfebungen XI 0).
»•) 0. ?ebebur a. a. O.
»•) ©rod, öranbenburgifd>$reu&if$e Uniformen (Beilage jur Uniformen»
tiinbe Don Änötel).
*l) 0. IHüloertfebt, 2>ie branbenburgif^e .ttriegSmadjt unter bem ©rofeen
Äurfürflen ©. 606.
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58
öeorg 2\tbc, 3ur ©efdjidjte bfr Uniform in ©cutft^lanb
(So waren bie 3al;re, in benen baö ®enie eines Seibnifc mit
ben Srogen ber ^eereooraanifation befdjäftiijt, bie shJidjtigfeü ber
Uniform aud) in taftiföcr £infid)t crfannte r* ), in benen ber @rofee
Äurfürft an Stelle beo Sölbnerbanbiuerfeö auf Seit ben $>ien[t bes
ftcljenben fteereö erjnmna,; fein Äienmeidjcn mar bie Uniform.
") 3äl>n« a. a. O. ®. 1 184.
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\|oienßretter im 6ar)enfd)en ^Staföc,
mit lXtorücftflcf)tiflimfl öor ^otenßrcttcr
üßcr^aupt.
Don ©tto Hieb er.
$em, ber in gcroiffen teilen kapern© unb üfterreid)s bafyeim
ift ober fic ringebcnber bereift f)at, finb Xotenbretter eine aHtäglia)e
unb faum mef)r bcaa)tenen)erte (£rfa)einung ; für jeben Ruberen etroas
$5rembarttgeo unb (£igentümlia)es. 91ia)t überall fyaben fie gleiche
3(ufna^me gefunben. $n Oberbanem erfdjcint itjr Auftreten namens
lid) an bas glaa)lanb jnrifd)en £ea) unb 3far, an bas (Gebiet ber
2lmmer unb 2lmper, beo üöürmfec«, foruie ber Sllpcn gebunben. 3lber
audj innerhalb biefer Sefdjranhmg waltet manage ikrfdnebenfjeit ob.
Sh>ät)renb man j. 23. im ganjen :üe$trtsamt sD{tesbaa), alfo um bie
SRärfte öol$fira)en unb sJÄieöbaa), um ben Xegern= unb Sa)lierfee,
trofcbem biefe bereits ben guft beo (Gebirges berühren, nia)ts r»on
Xotenbrettern bemerft, geigen fte fia) wot)t pertreten in ben öftlia)en
©renjämtem bes 5tönigreia)s, kaufen, Xraunftein unb 23era)teogaben,
auf ber etoiffer «Im, um Seifenborf, Sujell, 3ieia)en(mll, «erdetes;
gaben u. f. ro. 3a^^ta) trifft man fte femer im anftofeenben £irol,
unb pon ba erftrecfen fte fia) bura) baö v2al$bura.ifa)e — f)ier r>or;
jüglta) im ^m^gau perbreitet — unb ben ehemaligen Zraungau bis
Äarnt^en unb ©tetermarf, tpeta)e Räuber noa) in Spraa)e unb Sitte
mit Tawern jufamment)ängen, nadjbem fia) Sa^unberte lang aua)
baijerifa)e £errfa)aft barin behauptet t>at; ja felbft bei ben beutfa)eu
dauern um Cbcnburg in Ungarn füllen ipela)e porfommen. 3°
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60
Otto »lieber, totenbretter im baperif<$en ©albe.
9tieberbanern gar fiefjt man fie an ungemein Dielen Orten unb oft
in großer 9Wenge bei einanber, nidit minber nod) tief in ber Dber=
pfalj1), 5. 99. um Dberoiedjtad), unb im benachbarten $öl)men, too;
felbft an ber 9Jtolbau, (Slbe unb 3fer bie älteften bajuoarif<$en
Sitoljnfifce angenommen werben2). 3ebod) lofalifteren fia) ba bie
Fretter inöbefonbere auf ben formalen ©renjftreifen, melden bie efje^
maligen ©cridjtöbejirfe oon 8t. Äattjarina, jammern, (Sifenftrafi unb
$aibl einnehmen, alfo auf bafi fiimfd)e ©ebirge, baö Slngeltfjal unb
Umgegenb, reiben inbeffeu oon bem £rte sJüeumarf (norböftlitb
(Sfdjelfam) — bie Stabt Beuern allein aufgenommen — über (£ifen=
ftein unb ©tubenbad) s) bis nad) 9iet)berg unb ^Inltppöfyütte (nörblidj .
Dom Shtfen)*). Slud) im Öraunauer ßänbd^en, an ber @ren$e uon
^euj3ild):3d)lefien, finb Xotenbretter mit bem tarnen beö ^er=
ftorbenen fjerfömmlid) 5). 2Öaö aber öaijern anlangt, fo fdfliefeen fie
im Cberfränfifdien unb jroar in ber iKegnifc unb 9lifd)gegenb ab0).
s-h>egen ifjrer ftarfen Verbreitung tonnte bie neuere &mb= unb
Volföbeidjreibung nid)t umlnn, barauf sJtütffid)t ju nehmen, freiließ
in um fo hirforifdjerer 2lrt, ein je weiteres Xerrain bie einfdjlägigen
') ©aüaria. £anbe«« unb ©oIf«funbe be* Äönigreia)« ©apern, 9b. II
(1868), @. 322 f. (Äapitel 8. ©otttfitte Don Sbuarb ftentfcp).
*) $rof. Dr. Sepp, (Sin ©olf öon jeljn SRifltonen ober ber ©apern-
flamm, £erfunft unb Ausbreitung über öftreta), Äärntfjftt, @tepermarf unb
Xprol. 2Rüna>en 1882, ©. 22 ff. u. 58.
•) $ofef öenbel, 3>ie 2>eut|<pen in ©öbmen, SRäpren unb 6cplefien.
Söirn unb Srfcpen 1885 ($ie ©ölfer £fterreid>Ungarn«. «tpnograppifd>e
unb lulturljifiorifcpc ©cpilberungen, ©b.II),©eitc 158 f. — ^rieSriip ?aufefer,
©fijjen aud bem ©öpmerroalbe. (Mitteilungen be« ©ereind für ®efd)i(ptt
ber 3>eutf$en in ©i>pmen. 7. ftaprg. $ra9 1869), ©ehe 17.
*) Dr. ©tlpelm $ein , £>ie $obtenbretter im ©öbmerroalbe. Wit
2 Xafeln u. 6 lert'QQuProtionen. $n ben Mitteilungen ber Sntpropologifcpen
GJeffÜftpaft in Söten. 1891. XXI. (ber neuen &olge XI.) ©b.# ©eite 85-100.
Der ©erf affer, roiffenfäjaftlidjer $ilf*arbeiter am f. f. naturpiftorifepen $of-
mufeum in ffiien, giebt pier bie «efultate feiner im 3ult unb Sugujl 1890
mit einem <Smpfe&lung«f(preiben be* ftürften oon ©(pwarjenberg ad hoc
unternommenen ©tanberungen, fowie einer namhaften brieflicpen unb mfinb*
liepen fiorrefponbenj betannt.
*) Dr. 3°b,anne5 @epp, Hölferbraucp bei $ocpjeit, ©eburt unb tob.
©eroei* für bie (Einheit beö SKenfd)engcfd)led)t* unb bie Urheimat Slften (Um>
fcptagtitel: internationale $ocpjeit$», lauf« unb Xotengebräucpe). 9Rflu<pen
1891, ©. 140.
•) $aa8, Dr. Wfolau«, Über bie r,eibnif(pen ©rabbjtgel bei ©<pe&lifc
unb aubere im alten Megnipgau. ©amberg nnb «fd)affenburg 1829, @.31f.
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mit söcritdfidjtigung ber iotenbretter überhaupt
61
Söerfe 5U burc&ftreifen tjaben.7) Selbft bie ben banerifdjen $8alb
ausfd)liefeltd) betwnbelnben ©Triften gefjen mit situönafjme Sflebero
unb o. SHeintyarbftöttners meift in furjen SSorten über unter
Xtyma f)inroeg8). ©enannte Tutoren geben jugleia) etlid^c Seifpiele
aus ber jenen Brettern eigentümlichen Sßoltepoefie, af)nlüf> nrie es für
Dberbanem lueilanb ber fgl. ©erid)t$fd)reiber in Stauf, 3ran5
Xaoer ßartmann, in feinem »erbienftooflen öffan „Sitten unb
(Gebrauche in ben £anbgeridjtdbe$trfen Stadjau unb $taicf bei ber
©eburt, ber ^oc^jeit unb bem £obe"9) getrau f)at. 3n jüngfter
3eit ift gerabe jene ^ßoefie felbft ©egenftanb monograptnfd&er 23e=
arbeitung geworben, aUerbings nid)t in ber 28eife, bafe bie £oten*
bretter auöfd>Uefelidj beriitfftdjtigt mären, fonbem in $erbinbung mit
ücnuanbten ©rfdjeimmgen. So in 3lbfcr)nitt V ber „3>eutfa>m 3n=
fdjriften an §auö unb ©erät. 3ur epigrammatifdjen Stolfepoefie" l0),
übertrieben „2ln unb in Stirnen". 3n engeren ©renjen t)ält fid)
bie Ijödrft banfendroerte Sammlung beß Sßorftanbes ber f. f. Uni=
oerfitdtfibibliot^ef su Snnöbrucf, Dr. fcubmig t>. §örmann, betitelt
') 8ergl. u. o. bie fdjon zitierte 8aoaria, 8b. I (Ober- unb Weber-
baoern), Bbfcpnitt „8olf«fttte" oon &elir $abn, ©. 413 unb »94 f, roo in.
bfffen ben faftifdjen 8erl>altntfTen etwa« 3»on9 angetan wirb. — Sö. $>.
WieM, $ie «Raturgefdndjte be« 8olfe« al« ©runblage einer brutfdjen ©oaial«
^Jolitif, 1. 8b.: ?anb unb ?eute. 2. oerm. Hufl., Stuttgart unb BugSbuvg
1855, ©. 305 f. — Dr. ^einrieb 9loö, $n ben 8oralpen, ©fijien au« Ober«
baiern Don einem ©flbbeutfdjen. 3Rttnd)rn 1865 unb 1871, ©. 179 f. (fcb'
fdjnitt ,,«n ber «mper") unb 418 f. („$er Starnberger @ee unb feine Ufer").
©. 180 fagt er: „©er foldje Sotenbretter cor ben Xboren SRündjen* fe$en
will, ber ge$e ben ftu&pfab, ber oon ^aftng bie ©ünn entlang nad) $ipping
fityrt. 2>ort babe id> auf einem ärautader beren mehrere bemerlt."
") $er 8aoerifdje Salb (8öbmern?alb) tOuftrirrt unb befdjrieben oon
8ernl)arb (Brueber unb «belbert SWüfler. 3weitc, fe$r oermeljrte Bu«gabe,
5Hegen«burg 1851, ©. 68 f.; 3of. SRapenberg, ftü&rer burdj ben öaperifdjcu
2öa(b unb ben angrenjenben 8öbmenoaIb, 8. Sufl., *Baffau 1893, ©. 26. —
2)er 8ai?enDalb, gefdjilbert unb iflufhr. oon $einrid> »eber, fRegen*burg 1881,
@. 104—106; Äarl o. «ein^arbftöttuer, l'anb unb Seute im baberifdjen ©albe
mit 3ei$nungen bon Otto «. ?au. 17. 8b. ber »atjertfdjen »ibtiotbef.
Bamberg 1890, ©. 75—77.
*) Dberbatjerifdje« %xä)\r> für öaterlänbifd;e ©efd)id;te( 8b. XXXV
(iKündjen 1875/76), ©. 280—288. flud) ^rof. @epp giebt in feinem „8ölter<
braud) bei $odjfteit, (Geburt unb Job", S. 188, ein paar groben.
■•) 2>ie 4., febr oermebrte «uflage berfelben (8erlin, 8er(ag oon
©ilbelm .fcerjj) ram 1882, bit 5. im 3ab.re 1888 b«au«. Obiger «bfdmitt
nimmt in ber mir oorliegenben unb afleiit jitierten 4. «u«gabe bie ©eiten
185-217 ein.
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62
Otto 9iieber, Xotenbrelter im baberifdjen ©albe,
„örabfdjriften unb Kartellen"11), inbem fie fidj auf „©rabfreuje
uub iJeidjenbreter", „XobtenfapeUen unb sJ(rmefeeleubilber", „5Cotio=
tafeln, «ilbftötfeln unb gelbfrcuje", fonrie „sJ)torterlen" befd)ränft;
in jebem öänbdjen feljren biefe oier 3lbfd>nitte in ber gleiten ^icitje
mieber. $>er fleißige vSammler, ber uns oermutliä uoa) mit einer
brüten „golge" befdjenft, teilt uno in feinem erften «änbdjeu an
jerftreuten Stellen 3nfd)nften auß bem bauerifdjen äikilbe mit l2), unb
$ioar alö Mbbrucf nuö einem 2lrtifel flötjlero über „ßeidjem
breter unb iteidjenbretpoefie im 3kierifd)en 2Balb"u). ÜHidjt wenige
ber bei o. $örmann l)eraufigegebenen £*erfe ftnben fid) inbeffen fdjon
in ben „^eutfdjeu 3nfd)riften" oor. (Sine reifere SJlumenlefe giebt
für unfern iBc^irf &ein14) — aufter einigen fonft befannten
ober mit unferen ^eifpielen $ufammenfallenben etioa ein $ufceub
neuer, meiere bem (Grenzgebiet entnommen finb unb fid) auf bie
fünfte $obenmaiö, See-, 3)iooö= unb xUrbertjütte, ifofjberg, X'ain,
^ambad) uub Stierberg oerteilen. 3m Sommer 1892 befpradj
3 ol) au neö 33} ü Her aus Bremen in brei sJhunmero ber „3lüge=
meinen 3eitung"iy) „2)ie ^oefie bes lobe* in ben SUpen", toobei
er „bie oon iljm felbft auf feinen Weifen in ben 9llpen gefammelten
l>kübfd)rtften" miebergiebt, unb l)ier$u bemerft, baft ein grofrer Xeil
berfelben bereits in ben o. &örmaunfd)en, oon ilmt benüfcten
$üd)lein oertreten fei. Wt ber infd)riftlid)eu Seite, f o intereffant
fie aud) fein mag, erfdjöoft ftd) übrigens unfer Stoff feinesmegö,
unb folite er aud) — oon ben genannten uub Slaiblerö nod) l)iu=
^ufügenber trefflidjer 3lbbanblung l6) abgefetjen — fonfttoo in
2Jüd)ern unb ^eitfdjriften ber legten Bennien eine allfeitigere
u) 3wei ©änbdjen, beibe erfdjieuen 1891 bei 9L <£. $?iebe«finb in i'eipjig.
£ljeoier«flu$gabe (neueften« befprorfjen oon bem (JJrajer llnioerfitätdprofrffor
Dr. ©uflaü STOeoer in feinen intereffanteit ,©ffao« unb ©tttbien", 5f. 8b.,
Stra&burg 1893, ©. 157— 1«0).
■») 3ufammen adjt ©türf (&. 8, 17-20, 33, 35 u. »9).
»") Peipjiger ^fluftrierte 3"tun(l SJir- ltt49 *0,n 6« S*bmor 1875
(©b. t>4, Januar bi« 3uni), 9*3 f. Äöbler bat fid}, wie et faqt, burdj
toieberljolte uub genaue ©etradjtung mit ber ©aebe „redjt oertraut gemalt",
joroie aud? eine Driginatjeicbnung baju geliefert (worüber fpäter).
u) «. a. O., 6. 93-95.
>■) «eilageu «Nr. 178, 180 unb 181 (oom 2., 4. unb 6. «ugufl 1892;
3eitung«nummern 213, 215 unb 216).
••) ft. Äaibler, Sie tfeidjenbretter, in „®lobu*. giluflrterte 3ettfd)rift
für Sänber* unb SJbltertuube". 59. ©b. (1891), 6. 184-187.
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mit »erüdfiduigung bei- Xotenbretter überhaupt
63
SiMirbigung gefunben haben 1 7), immerhin bürftc eö fein überflüf figeö
beginnen fein, auf (tfrunb eigener, au$gebef)nter Beobachtungen bie
Stotenbretter im bauerifchen Salbe eingeljenb ju fd)ilbern, wobei
fleißige Vergleiche mit ben 9iad)bargebieten nur nüfclid) fein tonnen,
^er Verfaffer bat ben bauenden Salb nach uerfdnebeuen 9iia>
tinigen burchquert unb gerabe jener eigentümlichen «Seite beö Bolfs-
lebens befonbere Slufmerffamfcit geroibmet. Um fo mehr fül)lt er
fid) in ber Sage, folgen, bie mit ber ©ad)e noch nic^t vertraut
Hub unb eine Belehrung md)t oerfchmähen, Näheres hierüber mit*
zuteilen.
$)er 9?ame Xotenbretter — im Qbiom bcö SMblers £oubn=
bröber — ift ber in 3cbrift unb Sort jefet allgemein übliche, weit
f eltener hört man t»on „Zeichenbrettern" ,8). Sebiglich bem tloifo-
munbe eigen fiub bie iHuobrüde sJtee breiter ,fl) ober 3ted)bretter20),
tueldje fid) inhaltlich mit ben beiben anberen betfeu ; benn re bebeutete
im Littel bochbeutfdjen in erfter Sinie ben Leichnam, baneben bas*
Leichenbegängnis unb bie Totenbahre, ja felbft Tob, Tötung, ^torb
") <£« ift fdjwer, über einen GJegenftanb, weldjer ber feui(letoniftif<beu
Bearbeitung fo nalje liegt, bie Vitteratur üoUftänbig jufannnenjnbringcn.
2)er Skifaffer t)a\ fta) jmar, wie feine 3itatc bezeugen bürften, nad) allen
Letten mögtid)ff umgefeben — oon ja. 100 SBüdjern, bie er beniHjt, lieferten
etwa 70 mebr ober weniger GinfdjlägigeS ; nabeju ein 2?utjenb tonnte er fidj
tro(j oder Wlüt)e ittcfyt Derfcfjaffen — , gleidjwoljl roirb ibm nodj mand)e3 ent*
gangen fein. %iiv jebe bejüglidje Mitteilung in er aud) fünftig banfbar;
tjoffentlia) ftnb ibm nidjt wichtigere Oueüeu oerfdjloffen geblieben. — #ievju
fei uoäj bie «emerfung geftattet, ba§ bie oon if>m Dcrmertetc Pitteratur nidji
über ein balbe« 3al|rb.unbert jurüefreiebt ; ältere gjotijen über bie yeidjen-
bretter oermoebte rr biöb,er meber in jErudfdjriften nodj in ?lrdnüalicn auf«
jnjpüren, unb faft fdjeint in biefer .frtnfidjt wenig ober nidjtö uorbanben ju
fein, inbem bie ganje (Sridjeinung , frllber mit naioer ©elbftoerftänblidjfcit
ober @leid)gültigfeit betrachtet, erft in ^o(ge ber moberneu ?änber» unb
«ölfcrtunbe, wie ber rieftgen Entfaltung ber Sourtflif bie allgemeinere Stuf-
rnerffamfeit erregt b.at unb ein (Megenflaub wiffenfcbaftlidjen ^ntereffeS ge.
roorben ift.
") 3,n ©aljburgiidjeu febeint biefe 93ejeid)nung gang unb gäbe &u fein.
Sgl. ^eimgarten, eine SWonatSfdjrift, bcrauSgegeben oon y. Ä. fRofegger,
III. 3ab,rg., @raj 1879, ©. 716: „l'eidjbrctter. Sine «olfSfttte auS bem
@aljburgifd)en."
Jranj laoer $artmann, a. a. O. <B. 229.
*°) Pubw. o. f>örmann, Vorwort sunt erften ©änbdjen, p. XI, unb beffeu
«rtitel ,.^ob unb »egräbnt« in ben «tpen" (eanbeSjeitung für älfaß unb
eotbnngen, 1886, <Rr. 266 u. 267).
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64 Otto Weber, fcoteubretter im bancrifdjen fBalbe,
unb 2Rörbern). $m Wbelungenliebe fd)cint baö re, worauf man
bcn erfdjlagenen ©iegfrieb gelegt, fogar auf ein «reit fid) *u be-
$ief)en im ©egenfafce $u ber wenige 'Herfe nad^er auöbrüdlid) er^
toäfmtcn Satire22). 25em beutigen Spracbberoufjtfein ift baö 2öort
re (rech) längft entfrembet, tveöfyalb es aud) Sdjmellers 3>biotifon
ber älteren 6prad)e sutoeift'). dagegen lebt baö iKed)brett — nidtjt
bte %oim SHeebrett — nod) beute in Xitol '-*) unb Äärntben, unb
meint aud) in erfterem &anbe bie Lagerung beö Toten auf bemfelben
md>t metn- ftattfmt, fagt man bort nod) gegenwärtig oon einem in
ber grojjen ©tube Aufgebahrten: er liegt auf bem iHedjbrett. SDte
iltolföetnmologie, roeld)e ftd) afleö naa) ifjrer Seife 51t erflären fudjt,
bringt bie erfte Silbe mit „reden" jufammen, weil fid) ber 6terbenbe
bei feinem legten 2ltemjuge redt, ©ine anbere 3ufammenfefeung bes
3Borteö rech ift aus bem unteren ^nntljal überliefert: rechtuecli,
baö fieidjentudj. Slufeerbem giebt ©djöpf sub voce „leich" (3. 382)
nod) eine ergänjenbe 9iebenßart : leichweis ober auf bem leichbrett
liegen. 3" allgemeinen fiericiö ber beutfdjen Spradie, felbft in bem
oielumfaffenbcn $rimmfd)en äSörterbud), uermifet man, 00m Mecbrett
ganj m gefd)rccigen, fogar bie Wörter l'eid)en= unb Totenbrett.
2lud) bie encnflopäbifaje £itteratur Iwt fid), fooiel id) gefeljen, ber
Totenbretter nod) nid)t angenommen, obwohl biefelben jum SKinbeften
einen furjen Hinweis oerbientett. 3'wtr ftebt in einer nun balb
100^at)re alten (Sncuflopäbie **) ein 2lrtifel über baö „£eid)enbrett".
äl>aö lieft man aber barin? ©ttuas, umö für unfer Totenbrett
*>) t'fjer, 9Rittel$od)beutfdje« $anbn>örtfrbnty II, ©. 355 f ; Wittrlb. od»'
beutf$e68Börterbudj, mit »enutung be« 9iao}laffeS oon ©eorg ftriebrieb ©enede,
auggearbeitet oon 2Jtüfler unb 3arnde (getpöbnlid) a(« «5enccfc.2RUarr jitirrt).
II, e. 585 f.; Oraff, öprad>fdjafr IV, ©. 1181 f.
") Üubtoig üinbeufdjmtt , $anbbu<b. ber brutf$en aitertutnflfunbf.
1. Xett: Sie Altertümer ber merobingifaen 3rit, ©vaunfdjroeig 1880-1889,
©. 98 Hnm.
") ©d/mfUer.ftrommann , «aperifdje« S»örtrrbuo> , ©b. II, ©palte 1.
©gl. ben fcrtitel Idtenbret in 8b. I, ©palte i3'J.
") lirolifdjf* Obiotifon oon 3. ©. ©d>cpf, nadj beffen lobe {t $ebr.
1868), ooüenbet bon »nton 3. $ofer. 3nn*brucf I8H6, ©. 541. Dr. Valentin
fcintner ($rof. am afabemifo}en ©pmnafium in S8irn\ ©ttträge jur Xiroli«
f$en ©ialettforfäung. Der Deferrggrr Sialeti (im %i)ak 3)efereggen an ber
Oftgrenje). ©im 1878, 6. 182.
") Dr. 3ob, ann Qkorg Ärünüj, £foiiomifd>tr<i>nologifd)e «ncpflopabie
obrr allgemeines ©pftetn ber ©taat«», ©tabt-, §aa&- unb tfanbroirtfdjaft,
rote aud> ber 6rbbefd>reibung, Äunft. unb 9loturgefd>id)te. gortgefetft »on
5. 3- d- 78. leil. 8. «uflage. »erlin 1798, ©. 886.
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mit ©frücffic^tignnfl btr £oieiibretter überhaupt
«5
abfolut nid)t oon Gelang ift. „£eid)enbrett, £obteubrett, ift
Dasjenige Skett, worauf man einen lobten legt, um ifjn $u mafdjeu,
3u reinigen, barauf anjusietyen unb ifym bie gehörige gerabe &age $u
geben, weldje er im Sarge fyaben foH. }ln allen Orten bat man
feine befonbem Zeichenbretter; man bebient ftdr) ftatt beren langer
Xt|a>, ober man oerridjtet btefes ®efd)äft aud) auf gclbbettftettert,
mo man bie Fretter herausgenommen t)at." — ©ine oorjügltd) in
ber Sdnueij gang unb gäbe Benennung ift „Zaben" — in kapern
lebiglid) in ber allgemeinen Vebeutung eines befonbers ftarten Brettes,
einer !öof)le, gebraust 2B), — für bas $rett, worauf ber Xote gelegen,
bas in ber ^üridjer £anbfd)aft beim 3i>of)nhaus als Steg über ben
ndd)ften &>affergraben gelegt ju werben pflegt, wätjrenb bafür bie
8t. (Völlener — aud) in bem benachbarten 2lppen$eUer Zanbe giebt
es xotenbretter — eine böljerne ©ebenftafel an ben Verdorbenen im
&ausgarten aufridjten. ^on ben unfrigen untertreibet fid) biefes
Jörett jeboeb wefentlid) baburd), bajj es jeber poetifdjen 3tifct>rift
entbehrt '"). silud) in Cfterreid) fagt man „auf bem iiaben liegen",'28).
N-h>ie in anberen ©ejirfen, fo fmb aud) im ^auerwalbe bie
xotenbretter nidjt gleichmäßig oerbreitet. 3n 3ßalbfird)en j. 33.,
jener reijenb gelegenen Station ber 3miefel = ^affauer 3Balbba(m,
fenneu bie (*inwot)ner nicht einmal ihren Mamen! (Sinen merf=
würbigeu Wegenfafe bilben in biefer Jöcjjiebuna, ber obere unb untere
üiHalb, welche fid) beibe befanntlid) fynbrograptjifd), nach bem glufc
f nftem bes 'Hegen unb ber ^l,v fdjeiben unb burd) bas Macbelgebirge unb
ben fid) weftlid) anfd)liefjenben Windmacher &od)walb gegenfeitig ab=
grenzen. 3i>ie um 3i*albfird)en, fo fud)t man aud) um ben $rei=
feffel unb in N|>af)aus Umgebung umfonft nach jenen 25enfmälern.
3n ^affau felbft eriftiert nur eine 9)2uftergruppe unb $mar auf ber
ehemaligen Vefte, jefct ber tgl. militärifchen Strafanftalt Oberbaus;
l;ier bat ber ilitalboerein, bem bie Zourifteu fo unenblid) oiel oer*
bauten, als ^ugetyör feines fetjenswerten Xurmmufeums am (£nbe ber
binüberführenben Srürfe ein mädjtiges §ol^freu3 mit brei £etd)en=
brettern aufftellen laffen, um aud) biefe Äulturfeite bem tauberer oor
2lugen «m führen, ©inen ©rfafc freilief) für bie unenblicbe s))tannig:
faltigfeit, welche bem :Heifenben ber banerifa> äßalb felbft bietet, föunen
") ©djmeflep^roinmaiui loc. cit. I, 1436.
") $cof. (g. £. 9?odjboUf Seutjdjrr (glaube unb Öraud) im Spiegel ber
beibnil'c^eii ^orjeit. Berlin I8f>7. I. *b.: ^eutjeber UuftevblicbtfitSqlaube,
193. Äaiblfr, a. a. O. B 184.
") .frein, 1. c. ©. 99.
3ettf*rift |ttt *ttitu,flffdii4,te. II. 5
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f»6
Otto fliebor, loteiibicitfi im baprrifctjen fflalbf,
unb wollen bie paar Fretter nid)t gewähren. 35?cnbet man jidj von
¥a\\a\i beut $\t\)ai entlaug gegen Tittling \u unb über bie dürften-
fcblöffer nach 3? «tinfl, fo ftö&t man erft hinter lefeterer Crtfdjnft mieber
auf bie erften Fretter. *on l)icr an geben fie tu meft lieber unb nörblidjer
Widjtung nid)t mehr aus uub erfüllen baö ganje rHegengebiet, foban
mau fie beifpielötueife, pou ber SJambung bes Megeno berfommenb, in
^rennberg, Jyalfenftein, Cham, Äöfcting, fturtf), Üam u. f. to., alfo por=
^iiflöweife im oberen SHalbe, jiemlid) in gleicher sJWenge oorfiubet.
Tamit ftimmt, baf? aud) $ein auf bat)erifd)er Seite bie Totem
bretter nur pou @fd)clfam biß $ur Gaffer) che ibe jtoifcben
:Hegeu uub 31$ antraf unb ihre füblidje ©renje in ber iNabe uon
flltbütte beftimmte ;o).
^ao ift ber Wrunb biefer auffaUenöen Tbatfaebe? $>a bao
Territorium bes ehemaligen £od)ftifte ^affau mit ben angebeuteteu
Wrenjen fo jicmlid) •mfammenfätlt, f bunte mau im erften Mugenblirfe
geneigt fein, hierin einen biftorifdjeu Tvin^erjein >u erblitfen. Allein
mie liefie eo fid) erflären, Oaf? bie bei ber fatbolifdjeu ^eoölferuug
im Allgemeinen fo beliebten Totenbretter gerabe in bem uralten
„^iotum", mit einziger Ausnahme beo meftlicb ber bio Hilöbofeu
fid) binjiebenbeu Eonaugelänbeö, uid)t oorfommen'1? £cnn fidjer ift
bie fatbolifcbe Öeiftlidjfeit bem feit 3rtbrbunberten eingewurzelten
^olfögebraudu* nirgenbö entgegengetreten, fonbeni hat ihn $um
3Jiinbeften ruhig fid) betätigen laffen 30). Jyür baö fehlen ber
VeidKtibrctter fatiu fomit baö „itfötum" unmöglich peranttportlid)
gemad)t werben.
3i>oii eher bürfte bie i'öfuna beo Wätfelo in einer Anficht liegen,
bie mir ein auoae^cidmeter Henner beo banerifebeu halbes, meldjer
fid) feit fahren mit ber Weid)icbte unb Multur beöfelbeu befd)äf=
tigt, ber bochwürbige £>err 2tabtpfarrer uuh ^iftriftöfdmlinfpeftor
3- S«M. 3tiuglhamer in (Grafenau, brieflich geäunert hat. Xie
Totenbretter feien tum ben ehemaligen Mlöftern beiouberö begüufttgt
morbeu unb bennufolge in jenen Pfarreien bauptfäcblicb *u treffen,
«•) *. a. O., e Sä unb 91.
*•) flu« C'brrbapfrn ergäbt 3Har .<peflcr, «rjt in .ttratiffnb>tl (iolj),
eilt burdj nitU rcrrt&cllf "Ärbeiten auf bem Wfbiotr ber baöfrifdjfn folfSfunb'
bftväftrtft ^orjibfr, bafc, als bie Xetcnbrrttor ba unb bort am i<rrfcftn?itibfn
waren, „ntandirr t*farrt>err biefou tfraudj nodj laua,e rrbaltrn b,abf". {.,35a*
sterben in Cbcrbaperu" in: 91 m Ur C u eil, 2Nonat«id)rift fttr SJolfSruHbe,
tKrausa.ea.fbeu »on grifbri* @. Sratife, »b. II, 1891, 6. 101.)
mit 9fiü(!fi$tigiiii$ ber Xoteubrrttrr übirljaupt
«7
welche ihnen von Slnfang an zugehört hätten; oor ollen uinbijiert er
bem uralten Älofter 9iieberalteid) (Altaha inferior) einen berartigen
(Sinflufj. Schon in ber erften $&lfte bes achten Qahrbunberts ge^
grünbet, mar lefcteres über taufenb ^a^re bie heroorragenbfte $flan$=
fdjule für 2i$iffenfd)aft unb geiftige löilbung in sJUeberbanem , foroie
ber bebeutenbfte Sräger materieller Äultur mittels ausgebelmtefter
ihtolbrobung unb Urbarmachung bes Kobens. 2lud) nad) äugen hin
befafe bas Äilofter eine bominierenbe Stellung; ber 9lbt oon 9tteber-
alteidj nahm am &ofe ber baoerifchen £anbesfürften wie beim £anb=
tage ben erften 9iang unter feinen Stanbesgenoffen einsi). Stabt-
yfarrer 3tinglt)amer oerfudjt zugleich für bie Dtteberalteidj juge=
fd)riebenen Xotenbretter ben näheren Nachweis. Älingenbrunn oer=
banfe fie ber Älofterofarrei tfirdjborf im 2i*alb, ber Pfarrei 2lu&ern;
$ell tjingegen bie Orte 3wrt"8/ Wanfels, Dttersfirchen — lefcterer
rechts ber noch auf ehemals pajfauifchem ©ebtete. SWerfwürbiger
»löcife fänben fich bie Fretter an fünften, bie erft im 13. unb
14. 3Mtl)uubert ber tfultur erhoffen worben, roä^renb fie in mel
alteren nicht üblich feien. 3n noch fpäterer $eit aber fdjeine eine
berartige (Siuwirfung bes Älofterö nicht mehr ftattgefunbeu $u l)abeu ;
in (Grafenau felbft fud)t mau jene Fretter oergeblid), obwohl Wönty
oou Weberalteid) im 3ahre 1568 bas ßlöfterlein St Dswalb unb
bamit bie Seelforge über bie Örafenauer Pfarrei übernahmen. ~
$er ©ebraud) ber Xotenbrctter f5nnte ferner mit ben älteren 2lÖer=
feelenbruberfchaften jufammenhängen ober auf laienhafter Übertragung
einer uralten flerifalen Vorfchrift berufen. £&nn bie Smtobe ju
Wetsbad) in 91ieberbai)ern o. 799, bie in Salzburg fortgefefet
mürbe, in Paragraph 16 oerorbnete, bafe beim Xot> eines 33ifd)ofs,
2lbte$ ober ^riefters, eines Mönches ober einer dornte £otenbricfe
an bie benachbarten -ötfchöfe gefenbet werben, bamit man für bie
Verdorbenen allgemein bete, fo uerfolgte bie 3luffteüung ber 2oten=
bretter bei ber bäuerlichen ^eoölferung in befchränfter Ü&ife ben
nämlichen $mecf.
%OT)ä)tn mir nad) bem Urfprung bes Xotenbrettes, fo bürfen
mir n)ot)l bis in bie altgermanifdje ^eriobe jurütfgreifen. Sarum,
fann man junächft fragen, nahm man ein örett unb fein ttveuj, auf
welchem, roenn auch «id)t fo bequem, sJtame unb fiebenogang bes
Verftorbenen gleichfalls oermerft werben fonnte unb bao als urchrift-
»') ÖaöaviQ I, 1126 f.
5 *
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68
Otto lieber, Xotenbretter in« baperifdjen SBalbr,
lid)eö Sptbol fo nafje lag3-)? Sinb bod) .Urcuje alö ^eu^eic^en
au bie £)al)ingegangenen auf Jriebböfen unb auf freiem %clt>e uralte
Sitte, unb fud)te man aud) bei ben Totfcblagöfubneu beö ^Nittel;
alterö33) baö silnbenfen beö (Getöteten burd) ein @teinfreu$ $u uer-
etuigen. 3d)on bie Sltabl eineö Sretteö läfct baber uermuten, bafl
eo nid)t erft burd) bas (Ebrifteutum eingeführt loorbeu. Vielmehr
bürfte eo von biefem bloft aboptiert unb aus bem $eibentum herüber
genommen fein 34). $on jet)er erfdjeinen bie Fretter als baö leib^
baftigfte &enfmal an ben Xoten infofern, als biefer minbeftenö bis
jur Jöeerbigung regelmäßig barauf rubte. Wod) in ber (Gegenwart
ift eo altbanerifdje ®er»flogenbeit — unb älmlid) uerbält eo fid) in
ber Dbcrpfalj unb anberömo — , etum eine Stunbe nad) erfolgtem
£obe ben fieidmam auö bem Öette ju nebmen unb iljn gemafaVn
unb angefleibet auf ein $u biefem Staljufe bergeridjteteö, mit roeiftem
Iud)e bcbetfteö Srett 5U legend3), baö in ber $auotenne ober bei
Stauern in einer sJicbenfammer auf eine Stanf ober fonftige (Srliöbtnn^
gebracht wirb; baö Skett unb ber mit ben güften woran barauf
gelegte Xote muft ber &auötbür -mgemenbet fein, roelaV er, um ber
5h>ieberfebr oorjubeugen, in biefer Stellung $u oerlaffen bat 36). Über
•") 3" böbmifdjen 3)orfe Eepolboroifc, ein paar Stunbcn oou ber
baperifdjen (Srenje, fommt es auSnatymSwciie oor, bafj bie Ifcotenbrctter in
ÄreujrSform auägefdjnitten werben (£ein, a. a. O., <5. 92).
") ©irbc be* SJerfaffer« „SotfdjIagSfübnen im #od)fHft Sid)ftäit, nacb
s£eifptelen au5 bem In. unb ltf. ^abrbnnbert" (©ammclblatt beS r)ifrortfdj<"»i
herein« (Jicbflätt, VI.- VIII. 3ab>gang, 1891/94, 58, 37 u. 30 ©.).
**) 20. $>. SRiebl, 1 c, nennt biefe bäuerlichen „Monumenta" augleid)
„einen ber Uranfänge aßer monumentalen Äunjt, bic in ber öoflen Waiüetät
beö grauen Altertum« tjier in unfere jiDilifterte Bclt bc«inragt."
") 3n ftranten bagegeu fc^etttt man bic $erftorbenen fofoit auf ba5
3?rctt ju betten unb nur bi$ jum üblligcn ßrfalten barauf ju (äffen ($aa4,
a. a. O.). 9iad) erjgebirgi?d)cm ®cbraua)c mürben bie $oten cbcmalS bäuftg
auf ?aben gelegt, eigentlid) barauf feflgebunben. „ftn 3oacbim3tbat warb
bicS jdjon bor einem ÜJtanneSalter bebörblidj »erboten, ba fid} ber Jafl et*
eignete, bafj ein Sd)eintoter, auf ein ju langes ^rett gefcbuallt, beim Sr-
roatfcen ftd) erfeblug" (Mitteilungen ber SlutbropologifaVn ©efeüfcbaft in 23?irti.
U?b. XXII, 1892, @. 198]). — iie Sitte ber «rettleguug lebt aud) in weil-
entfernten ©egenben. ^. SarftenS erjäblt oon ben iitb,marfcben (1890), baß
bie geroajd)ene unb mit bem lotenbemb befleibete Peid)e auf ein ©rett fommt,
roo$u bort gemöbnlid) bas Unterbrett eines SBagcn« genommen mirb (!),
uad)bem man eine fage Strob barüber gebreitet (?lm llr^Ouell, I, 10).
»•) Siebe u. a. „3)aÖ (Mräberfelb Don 9iei(benball tu Oberbaperu. ®e-
öffnet, untrifuebt unb befd)viebcu t»ou lüJar ü. C^liugenfperg si*erg. 9)Jit
1 Harte unb 40 ^uubtafeln. ^eid)eubaÜ 1890", ©. HB."
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mit ©ertidfidftigung ber £otenbrettev Überhaupt
69
ben &tdmam breitet man ein grofces, meifileiuenes Xnd), bas Die
Ijerbeifommenbeu Arcuube unb $<muaubten jur ^efidjtigung nur
lüpfen, nadjbem fie ein ($ebet gefprod)en unb ben Sfotybrunn ge--
fpenbet baben ; in biefer ^erfaffung bleibt ber ^erftorbene geroötmlid)
Drei £age im &aufe, falle er ctft im i'aufe bes 9iadMtittagö bie
Silixen gefd)loffen, $mei, wenn er fa)on oormittags uerfdneben: eine
C£inrid)tung, bie im Sommer begreifUdjcrroeife ftarfe Sdjatteufeiten
aufroeift 3T). C^rft furj vor ber :öeftattung nimmt mau itm vom
Brette unb legt itm in bie „loubutruef)", ben Sarg. Stobei c\e
braucht bas alles mit feierlichen gormein umfleibenbe ßanboolf moljl
uberall gemifie lütorte, roie fie unö unter anberen aus bem Sal.v
burgifd)cn überliefert werben S8). „So werben mir t)alt jefet ben
einsamen 3)Jitbruber (bie eh rf ante aHttfdnoeftcr) com üBrett fjeben unb
werben iljn einlegen in bie Xrutjen unb werben itm in ©orte« Manien
auf ben greitlwf tragen. "Mx fa^liefeen ifm ein in bie fünf Söunben
etunfti; (Sott erbarme fieb feiner (ifjrer) armen Seele! — 3tutf auf!"
— ©o lange <•$ einen ©arg nod) nid)t gab, mürbe bie fieidje >u
ifjrcm legten ©ange auf bem Brette feft gebunben; im ©ottesarfer an
gelangt, ftellte mau fie fo in bie ©rubc, bap bie Jüfoe ben Stoben
berührten, banb fie hierauf tos unb $og baß geneigte $rett langfam
$urüd, moburd) ber £otc ber ttänge nad) ins ©rab glitt. Tal)tx
unifdjreibt man in manchen Wegenben bas Sterben nod) fyeutc mit
„Örettelrutfdjen", unb mer nad) einem alten, injwifdjen gestorbenen
$tofattnten fid) erfunbigt, fann bie Antwort Ijören; „£er ift fdjon
längft nunter grutfdjt" 30). s2lus bem (belaube nörblid) oom Ijoljen
^Jkifjenberg, um 2ßeilf)etm, mirb berichtet , bafe bie ^eidjen eljeoem
ol)ne alle Stleibung unb Sdjmutf fofort in ein altes &eintud) ae-
micfelt40) unb eingenäht — mie bas aud) in alemanmfdjen Räubern
•') $gl. u a. 3ofef fflaut, HuS bem ©öbmcrroalb. ©Uber unb \Sx*
A&bjuttgen au« bem JBolf Sieben, £etpjig 1851, 9b. I, @. 134. #ein, 1 c.
©. 86. Statt ftreibtrr o. Pcopredjting, 9lu« bem Pedjratn. 3ur beiitjdKii
«Sitten» unb ©ageutunbe, SDJündjen 1855, ©. 250 f.
»•) £eimgavten III, 716.
■•) 3r. I. fcartntann, Sitten mO (öebräuebe in ben Panbgeria)t«bqufni
25ad)au nnb örud (1. c. <B. 224 f.) — »gl. au<b. <Dfa?imi!tan ScbniiN*
örjäljlungen „Birgitta, ein i'ebenSbilb an« bem baperijdjen SBalbe", »» "» f.,
unb beffen „$nrgott8mantel, Äulturbilb au« brm baperii'a>böbjnifcpeH Walt»
gebirge", S. 208.
4#) S5er)e auf einem Gtemälbetäfelcbeu in ber Xoteuf apcUc (23eiuli.utsO
be« ©etberge« ju SBeitgeim o. 3- 1*23 jagen u. a., bajj man bem loh-n
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70
Otto lieber, fcotenbrettfr im baperifcben «Balbe,
üblid) geiuefen41) — unb fo auf ein »rett gelegt worbeu feien, oon
bem man fie in bie (Srubc l)abe gleiten laffen. Särge feien in ber
Stabt ä&ityeim erft um 1800 allgemein in aufnähme gefommen,
bätten aber anfangs bic gönn einer oben offenen Trübe aus fünf
nadten Örettern gehabt; ftatt eines Merfeld bebiente man fid) eines
aufgenagelten üörettdjens, womit man ben Stopf bes &i$nam« föufttc,
unb jrorier, ebenfo befestigter ©Uen („Stäbe") weißer &inn>anb. ©rft
im Saufe bes jefcigen Jaiptyunbertä fei ein fladjer, einen befieren
$erf$luf} tjerfteüenber ®cdel btnjugefommen, bei ftinbern, Jünglingen
unb Jungfrauen blau bei JUerebelidjten unb Verwitweten bis auf
ein weif; gelaffenes streu} föroarj angeftrid)en. aber nod) immer
babe mau, bem alten iöraudje folgenb, bie $wei „Stäbe" i'etnwanb
barauf genagelt, biefe jebodj oor ber (Sinfenfung ber Üeid>e bem
ärmften SRanne, fpäter bem Totengräber überlaffen. iSnbltd) fei,
juent nur in wol)lt)abenberen Streifen, ber gewölbte $edel unb bie
beutige Sargfonn aUerfeits 3Wobe geworben; bie Fretter aber, auf
benen ber Tote gelegen, oenoenbete man nad) mie oor als Totem
bretter*3). Jm 5öerd)tesgabener Aianbe biente oorbem bei ganj annen
öemeinben eine einzige Totentrub,e für alle; bie eingenähte tteiebe
warb am ©rabe ^erauageiiomineit unb auf bem »rette bmunter*
gclaffen **). 6s war bas früher felbft in bebeutenbereu Stäbten ber
gall, in ber oonnaligeu dteuipftabt iKaoensburg $. bis sunt
Jatjre 17424*')- Jn nod) älterer ^eit beließ man ben äeidmnm
überhaupt auf bem sörette unb bettete il)n fo in ben Sdjoft ber @rbe,
was oereinjelt fogar bis auf unfere Tage fid> erhalten bat; in bem
rooblbabenben ^ßfarrborf anger, jwifdjen Teifenborf unb MeidjenbaU,
foll bie üöeerbigung bis in bie adliger Jatjre nod) „in einem offenen
Sarge, bejielmngsweife auf einem Totenbrette ftattgetwbt" faben,
an beffen fcängsfeiten man, um bau herabfallen ber ßeidje ju oer=
„nid)t* bann ein leine* Xntä) in* ®rab" mitgebe (Sari Üugufl VöQaimb,
«bronit ber ©tabt 3Betlb.eim (1866), ©. 183 f.
*') 3. ©. in ber 3üri$er ©egenb («aibler, 1. c. ©. 184).
*') ©lau ftnb aitd) im böfjmifdjen Tepolbottü) ©arge, Labien unb
Zotenbretter ber Äinber, „ba blau al* bie ftarbe ber ftreube gilt" (f>rin,
a. a. O. ©. 88).
**) 3ob. ©aptift ?eutbenmapr, ftorft ober ©t. ?ronb.arb. Sin Snltur-
bilb au« bem oberbaperij^en ^faffenwinfel. Weuburg a. 2). 1881. S. 68 f.;
»öbaimb, a. a. O. @. 146 Hnm. 2.
«•) »at>aria I, 412.
«•) «oAboU, a. a. O. ©. 193 (na* ©teubel« ttbronif, ©. 171.
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mit iflerüdftcptigung ber Soteubretter überhaupt
71
Ijinbcnt, jmei 8dnnallejften anbrachte4"). &!ie Ausgrabungen be-
roeifen, fam bie Ükftattung auf bem Vrette bereits bei ben alten
(Germanen uor4"), mit ber (£infd)ränfung freilid), bafc bei allen
3tämmen bie ^eifefouug auf bloftcm iBoben weitaus als bie oar=
tjerrfdjenbe galt. £as beftätigt aud) bie jüngfte ^lojjlegung germa-
nifd)cr Xotenftätten bei Meiajentjall, mela)e 3)J a y o. (Sulingen;
fperg=$crg 1884 eutbeeft unb in ben näcfyfteu oicr 3atn*en — nidjt
weniger bemt 525 nod) erhaltene ©räber — oollftänbig geöffnet tjat.
2)ie Lagerung auf bem langen Meebrett traf man im älteren [üb-
öftlicfyen Xeile jenes ausgebelniten (tfräberfelbes leoiglid) bei ftinbem,
im norböftliajen, wo fic fucceffioe junalnn, unter 200 gäüen nur
bei 45 3felctten, roätjrenb alle übrigen auf bem geiuadjienen Alies-
boben rutjten. — Sie im Vorbeigehen fct)ou berührte Stebetfung bes
Sintli&es mit einem 5örettd)en muffen mir nod) meiter »erfolgen, ba
fic ebenfalls mit unferem Xotenbrett in Verbinbung gebracht morben
ift. granj iaoer $ artmann, auf beffen 5lbt)anblung o. 3- 18/5
mir mieber^olt Ijingeiincfen, berietet, bat* ju Oldnng, einem Äirdjborf
im oormaligen itanbgeridjt s#rucf, ja in beffeu ganzem )öe$irf, nod)
nor 20 bis 30 3at)ren ber 8arg feineu $edel befaft, unb bas ©e^
fid)t bes loten beim ßinfdjarren blofj mit einem X\id)c ober einem
^rettdjen bebeeft mürbe; gegen ben Med) Inn gebe es nod) jefet feinen
Sargberfel, fonbem es merbe ein in Hreuaform ausgefdmittenes #rett
oon beriiänge unb breite bes 8arges barüber genagelt 4 *). ftlntüd)
äutfert fid) &öfler in bem ermähnten 3luffa& (a. a. 0. II. H»2):
„Vor bem (Sinfegnen burd) ben Öeiftlidjen mirb nod) in mandjen
föegenben Oberbeuerns bas (S5efict)t ber Xleictje mit einem f leinen
iörette bebeeft (Mubiment ber früheren 8itte, bie Veiten ber binnen
unb 2)ienftleute mit einem Brette *u bebeefen ; bie Meidjen unb Vor=
*•) SKar d. <Ir/lingenfperg'99erg, 35afc ©räberfelb oon $Reia>nt)all in
Dberbapern. SReidjenr/aU 1890, 2>. 68.
*7) SJlertbud), (oor. unb früfjgejdjidjtlidje) Altertümer aufzugraben unb
aufeuberoarjren. «erlin 1888, ©.21; beffen ©earbeitung für ©apern, Berlin
1889, B. 31. — (Sin paar ©etege ciu« 9ipeiur/cffen unb "ööbmen fielje bei
äar! ©einrjolb, Die bcibnija}e £obtenbeftattung in Dcutidjlaub, Wb»
teitung II (SipuugSOcridjte ber Steuer ttfabrmir bei Söijfcnidjaften, «b. XXX,
1859, ©. 188 unb 193). Ausgebreiteter fanb man jene ©itte im beutfdjcn
Horben, j. *b. auf bem 3,infnftabtcr Äarfrjof in s.Rorberbitpiuarja)en, »uo bh-
?eid)name auf einer Unterlage oon $olj ruhten unb überbie« mit £ol$ be=
beett waren.
*•) 3>ifUcid)t päugt mit bemfelbett $ebrauipe bie jtrrujform brr ioten-
bretter in 2>epolt>omi& jnjammen iftepe 3. «8 «um. 32).
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72 Otlo »lieber, "Jotenbretter im baperifdjen ©albe,
nefymeren mürben in einem gkutmfarge $ur# (Srbe beftattet)." (9an$
basfelbe erjäljlt man fpeueü ans ber ^ucpenau49). ßbenfo erhielten
bei Zegernfec bie im offenen Sarge liegenben ttiubcr oor ber
ßinfenfuug baö $retta>n über bas Antlife. 3Wit biefer io oieU
fältig bezeugten Übung ftimmt merfroürbig eine in ben alten
bajunjarifd>en ^olfßgefefcen überlieferte Sitte, wonad), menn man
ber juoerläffigften ber biametral ftdj wiberfprecfyenben fcedarten
folgt, im 6. bis 8. ^Munbert ber in bie ©rubc ©efenfte mit
einem Brette belegt mürbe, bamit ttm bie oon ben uädjften 2lm
gehörigen unb greunben bjnabgeroorfenen ©rbfdjollcn unb Steine
nid)t treffen follten; benn jebe Sa^äbigung befi ^eidmamd mar ber-
art oerpönt, bafe felbft, iuer üm beim 2liegfrjbieften beutegieriger
öeier ober Waben aus iHerfeljeu »erlebte, jroölf Schillinge büfeen
mufjte 30). ^ene 33ebetfung aber follte niajt bloß ben £eib beö
Zoten fd)irmen, fonbem aud) bie mertüoüen, oft leidet jerbredilidjen
^Beigaben, wie perlen u. bergl. Spuren folcber ^retteben auo
Zannentwlj erftreeften fid) über bas ganje präluftorifd)C ©räbcrfelb
ju Weiäjenljall. 2lud> ^oljrefte in altgennanif d)en ©räbern bes
(Sluemgaueö, §u Öeffenljaufen unb ^reunersborf, fdjeinen ben gleiten
Urfprung $u oerraten. Überhaupt fommt bas ^Belegen bes Zoten
mit &ol$, ferner mit ^eber unb anbereu Stoffen, feb,r häufig in
üorgefdncf)tlid)en ©rabftätten oor. 2llö gefd)lofiene Särge fid^ ein-
bürgerten, foll bisweilen aud) biefes, nunmehr überflüfng geworbene
ikett jurürfbeljalten unb als fpredjenbftes Memtrito mori. wie als
unmittelbarftes (Srinnerungsseidien an ben iterftorbenen an einem
öffentlichen pa&e aufgehellt morben fein, um feine Seele bem &c-
bete jebes (S^riftgläubigen ju empfehlen 4l).
Xa inbeffen bie weiften Quellen nur oon aufgelegten Jörettcfym
reben, erfdjeint bereu ^erroenbung ju Zotenbrettern im allgemeinen
nidjt plnufibel. (Sine foldje ift allein jenen Brettern jujufdjreibcn,
welche als Unterlage bes Zoten gebient t\aben 3lm mabrfd^ein'
••) »abaria I, 412.
") Sine anbete Auslegung fieffe bei SHiejUr, $e|djid>te ©aiern* I, US f.
(Sraf #uubt, 2>er ftunb toon SJeitjengiäberu bei ©autiug in feiner
©ejtebung ju Tit. XIX cap. 8 ber Leges Bajuvariorum. 2Rit einem ftärtdjen.
3n ben £i$ung4berid)ten ber baper. fltabemie ber fBiffenfcpafien in SMUndjen
1866, *b. II, 404» — 4 1 6. ? inbenfepmit, $anbbud> ber beutfdjen «tlertiun««
tnnbe I, »8 f. unb 126. ». (SplingenU>erg'>Berg, 1. c. 9lb(cpuiU III, ©eerbigimg«
bräurpe (3. «56- b«: „Lignnm insnper depositmn unb ba« Xotenbretr").
9Menal«j(prifl beS biflorifdjen Herein« Don Obcrbapern III. 3aprq<ing (1894),
S. 35 f.
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mit «friictftcfcligung t>tx Xotfiibrftter überhaupt
73
lidjüen bürfte fie ba eingetreten fein, wo man bic &üd)e bcm
nadteu «oben, alfo olme ^vett, anuertraut bat. £ie primäre Stuf«
fteUung eines jwettttt, als Surrogat für bas mit in bie (jrbe ge=
fenfte, möd)te id) md)t annehmen, ba bie uriprünglidje Sitte faum
einen berartigen Grfafe fannte. $>as $urücfbel)altene Zeichenbrett
aber entjog man auf biefem &>ege am fid)erften einem anbermeitigen
öebraudje, ber als lunhu unpaffenb betrachtet morben märe. .'Inc.
bem gleichen üirunbe ift es allgemeine Sitte, oon ber es nur wenige
Ausnahmen giebt — fo $u jpurfentl>al an ber bolnnifdjeu Wrenje
unb ber mehrere Stunben öftlidj baoon liegenben Stabt ©erg=
:)ieid)enftein — , ftets ein neues ober minbeftens ju profanen fingen
nod? nidjt benüfctes Jörett $u mäblen "). $nt s3)tiftelgau, bem pro=
teftautifdjen , füblid) unb weftlid) Banreutl) umlagernben l'änbdjen
mit feinen originellen «ewotmern, erreid)t man lefctere 21bfid)t ba;
burd), bafc jebes jjjauo fein ftänbtgeo, für alle oortommenben Fälle
bienenbeö £otenbrctt befifct, bas jebod), jum weiteren Unterfdueb
von allen übrigen, nidtf öffentlich ausgeftellt wirb, fonbem fort-
wäbrenb im fcaufe bleibt "). sJluf gleite s-&eife werben bie Fretter
in ber Umgegenb ftremsmünfters in Cberöfterceid) aufbewahrt unb
oon gall su $all mieber oerwenbet **).
$)ie birefte Berührung mit bem Leichnam finbet heutzutage
burcbaus nicbt mehr bei allen Brettern ftatt (in Äö&ting 3. «.
feit 9Jienfd)e.igebenfen nid)t). Sicher oielleid)t nur meljr bei ben
jenigen, auf welchen ausbrittflicb geictorieben ftet>t : „£ier auf biefem
«rette \>at bis $ur «eeröiguug geruht 2c" Mai einft bic Negel
gewefen, ift im &aufe ber ;}eit uielfad) jur Slusnabme geworben,
woran bie immer funftuollere Formgebung bie Schuft trägt. üDfan
begegnet nur und) wenigen, bie, oft weit über ^ianneöböbe unb
Otylie jebe Bearbeitung, fid) oon anderen lebiglid) burcb eingefcbnittenc
Atreuje untertreiben, jroifchen welchen etwa nod) ein sJiame ober eine
furje, bisweilen bloö mit Bleiftift uermerfte Sterbenorij 511 lefcn.
derartige laffen feineu .Sroeifel, baft bie Zeiche wirtlich barauf ge=
legen fei. Gin pi befferer Verrichtung geeignetes Brett aber ift im
Sugenblicfc bes Zobes nicht immer $ur &anb, unb fo wirb bie große
^febrjahl ex post angefertigt. 3n bem fo fonferuatinen lirol ift
bas bereits regelmäßig ber §ali, währenb in Äämtben Die Zeid)e nod)
•») Sein, l. c ©. 87.
•") »flüario, ttb. III iCbfrfranffii - »oJfSfntt üon Cfbuarb JJfntfd)),
©. 365.
") ^fin, ©. »9.
74
Otto lieber, $oteubretter im bapcrifc^rit ffialbe,
burdjtueg auf bem Medjbrett liegen foll. — sHerfduebeue Duellen
brütfeu |id> baljin aus, bas bem Toten untergelegte 6rett fei bereite
„mit ben Siunbilbern bes lobes gefdnnürit nnb bunt bemalt",
worauf es erft mit ben betreff enben 3nfd)riften oerfeben unb auf;
gefteUt wirb55). Spaltet in ber Jyorm biefer sJ)iitteilung nid)t ein
^hfwerftänbnis ob, fo mufe man annehmen, bafj berartige Fretter
im Vorrat gearbeitet merben.
Stfir Ijatten bisher nur ermadjfene s^erfonen im Auge, bereu
Fretter, geroölmlid) nad) ber Länge bes Leidjnamö jugefcr)mtten,
feiten bie mittlere sJ)tannesgröfie überfajreiten *•). (Sö fragt fid), ob
aud) Htnber in berfelben &>eife aufgebahrt, unb il)re ÜRamen auf
Brettern oeretoigt merben. si)iau fann mit 3<* nnb mit N)iein antioorteu,
infofern es nia)t nur auf bas Lebensalter, fonbern aud) auf bie
totale Wetuolmfyeit anfommt. ^u &of)enmartt) 5. 33., bem meitbin
fidjtbaren 33ergbörflein im malerifdjen £l)ale bes meinen Segens,
lagert man bie abgefdnebenen kleinen unter einem ^abre bis $u itjrer
(*iufargung gemöbnlid) nur auf ein Riffen. <Sie erhalten bann audi
fein Totenbrettlein. Ausnabmsroeife trifft man jebod) tner unb
anbermärts, obfdwtt äufterft feiten, 3tfiniaturbretter, auf melden Äinber
unter jetter Altersgrenze gelegen l)aben. 80 gleia) in ber 9tät)e r>on
^oljentuartt) fetbft eines, gegen Unterjettltng $u, an einer 3i5egfapellf.
Auf bemfelben ift unter einer iNofengutrlanbe nnb bem Auge (Rottes
ein (£ngel $ur ^3eite eines sBidelfinbes gemalt mit ber ^nfdmft:
ftt **uf oiefem ^Brettlein bat gerutjt bas unfdmlbige .vtnäblein
3ofept) (feiger, sJJiüUersföl)ttlein oon £ufcenmüt)le, f Deu ,fi- ^pril
188. (bie lefote 3aW nic^t meljr lesbar), im $errn cntfdjlafen in
einem Alter oon 14 Xagen.
JD nie glüdlidj, uufdjulbig fterben,
Uub wie freubenreid), fo engelrein,
Unb roie trofioofl, auf eroig
3m fcimmelSlidjt ein 3eugc fein").
»•) 2Hori& Söiafomm, 25er ©öljmerroalb nnb feine Umgebungen.
(5in £anbbud> für SReifenbe. $rag 1878, S. 8«; ©enbcl, I. c B. 158 f.;
Riety, a. a. O. 205.
••) 3 ©auerS ftuffaQ „Sitten unb $cbräudje ber ©crootyner bed ©aper
unb ©ötjmerroalbeS" im U. ^o^rgang ber „öonntagSfreube" (Jreiburg i.
.fcerber« ©erlag«f>anbtnng 18b«) giebt al« 2Jiajj „etrca 6 @d>ub. ?änge imb
U 30U ©reite" an.
•*) »13 ^robe länblidjer Orttjograpbie geben rcir biefeu ©cr$ au«nabm*-
roetie in ber llrfdjrift wieber:
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mit »erndftdbtignng ber Xotenbretter überhaupt
75
genter eines für ein fünf Monate altes, im $ui\ 1883 Ijeim-
gegangenes Vüblein jwifchen Vöhmifd) Ünft unb 8t. Katharina, jmei
bereits in ^Böhmen gelegenen Crtfdjaften öftlid) oon beut aus 9)lan-
milian Sdmübts „&errgottsmantel" bcfauut geworbenen tfirdjborfc
dtittfteig. (£ine gute Stunbe weiter öftlid), in Ghubima, an ber
Strafte oon Beuern nad) ^teumarf, fte^t ein ganj originelles Vrett
für einen Knaben; am oberen, t>on einem .ttreujlein gefrönten ßnbe
ift berfelbe oöüig unbcf leibet abgemalt, mie er 5 um Gimmel empor^
fdjmebt unb in ber erhobenen fechten bas Sterbefreu$, in ber l'infen
eine ^alme58) tyail 3n bem oben genannten Weumarf bagegen
fd)liefet man bie Hinber prinzipiell oon bem Xotenbrett aus, unb
fetbft $u &urtentt)al, öftlich oon (Stfenftein, wirb bie früher geübte
gegenteilige Sitte bei ben kleinen nicht mehr fo ftrcng einge=
galten5-).
Von ber oorl)in ermähnten s&egfapeUe $mifchen Untersettling
unb &ohenwartf) fei im Vorbeigehen noch angemerft, bafe fcitlich oom
©ingang einige 2)enfmäler angebracht finb, bie ihrer gorm nach feine
Xotenbretter norfteüen unb bod) ju biefen gewählt werben muffen.
(Ss finb förmliche &oljfäftcn, bie, auf allen Seiten gefchloffen, min=
beftens fedjs Fretter erf orbern; bie Vorbereite fdjmücfen güüungeu
mit eingelegtem gothifd)en unb fonftigem 3)toBmerf, woburd) fie, mie
aud) ^infitt)tlia^ ihrer geringen Xiefe, bie mobemen Steinbenfmale ber
griebhöfe nachahmen. (S'inige 3lhnltd)feit in ber Ausführung haben
$wei Xotenbretter in bem böbmifchen Crte Starlife, su beiben Seiten
eines Slreujes am äBege nad) Viftrifc ftel)cub unb einem, binnen fünf
Vierteljahren (1880/81) oerftorbenen ßtjepaare bafelbft gemibmet.
3n bie gothifd) ausgearbeiteten Wichen unter bem ©iebel ift je ein
ftrujiftr. tjineinöefteöt ; im übrigen gewähren fie bttrd) angefügte
Vorbei unb Seitenftreben, burd) reiche "ißrofilierung ber (Giebel-
bäd)lein unb aufgefegte fajönge^adte Äreu^en ein wahrhaft momu
mentales Slnfehen60).
O mie ©lüdlüty un|d)ulbig ftrrbeu
Unb roie frreuben rei$, fo Sngel rein,
Unb rote £rofifol auf eroig
n $immelSlid)t ein jeuge fei. (!<
»•) ^0 fdyetnt e« mir. £ein erblidt barin einen Vobenöboum la. a. O.
@. 90).
Cbenba 8. 87.
•°) ©ielje bie forgfältigen 3e'd>»ul,9cn Dpn ifm f- l^oWfrv ofo-
bemifdjen 3Raler ju SBien, Stloi« SRaimnnb $eitt, in bor 'JlbrjaiiMiuin fcinr$
Stoiber« Söilbelm (a. a. O. ©. 91).
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76
Olto »ieber, Xotenbretter im batterifcben Salbe,
}<on ber fdjon angcbeuteten urfprünglid)ften gorm — ein robea
langes 3Wrett mit ein bio biet funftloö eingefdmittenen, nieift unter-
cinanber fteljenbcn Kreuzen — gicbt co faft un*äl)lige Übergänge bis
•tu ber reic^ft versierten. SBo heutigen Ingeo jene Urform nod) vor;
fommt, gebart fte fidjcr ber niebrigften unb tuenigft mol)lt)abenben
Klaffe ber ^öevölferung an. SMöiueilen ift fte nur in ben Umrifjen
nod) ertialten, bie Oberfläche aber fünftlid) bearbeitet. 3)ian bcmerft
v ty. eine nrie ergaben eingefdjnittene ^eidmung unb 8d)rift 6l)f oben
einen Jotcnfdjäbel auf jjivei gefreuten Knodjen, beiberfeitö einen
fceudjter "a), barunter ein fdjleifenförmigeö Crnament unb enblid) bie
Onfdjrift (fo am ©nbe bcs sJ)iarfteö Körting auf bem 3Bege natb
dteitenftein). (Sin foldjco $3rett ftetjt, tro&bem ed einfad) mit ber
8ägc abgeidmitten ift unb an ben Kanten nod) bie natürlidje un-
gleidnnäftige 3luöbud)tung beö Stammes jeigt, bod) ben übrigen
äufeerft nabe. Slteitaud bie 3)(ebrjal)l ift auf allen Seiten (nnftliA
geftaltct, entmcbcr in einfacher red)tecfiger #orm, mit gerabem, giebe-
ligem, abgerunbetem ober auoge^adtem (£nbe, ober nad) unten fonifd)
julaufcnb mit aufgefegtem Kopfe, ungefäbr ber öeftalt eines ÜBenfcben
gleia)enb63) — gegenwärtig bie weitaus feltenere64) — ober enblid)
unter ^elaffung eine« mebr ober iveniger tjoben Södels fijmmetrifd)
ansgefebmeift unb ftilifiert, mit »)ierleiften u. bergl. ausgeftattet ; nur
wenige geigen aud) au ibrem ^ufje eine beionbere, fünftlerifdje ^k-
fmnblung, inoem berfclbe abgerunbet, jugefpifct ober nod) mit (Sin
8ielleid)t auf nugentäuftbung bentbftib, ba beim SJerfdfroinben ber
weiften (Wrunbfarbf bir ftd) erbaltenben jebroarjen Linien auf brr »erroittern-
ben Oberfläche einen relief artigen (finbruef b«woirufen ($ein, 1. c. 3. 88).
(liu Peudjter mit abgebrod)«uer unb »erlöfdjter Äerje finbet nad)
8. Stöhlet al« Sgmbol ber i>ergangtid)fcit bie bänfigfie Snrotnbuug. Unter
$ein« jablreidjen Slbbilbungen jetgen baSfelbe l Xotenbrett jti SWiüif unb
6 ju (SJrilu, jroeini nabf bfieinanber liegenben böb.mifü>en Crtfd)afte» < lafel LI,
Wr. 10 unb !l2— In, foroie 2>. 88 unb 97), roo e« faft burdjwcg mit loten
idjäbrln unb Seinen t?ergefeüfd)aftet ift. ©r brmertt baju, bafj bie abgc
bvodjene Äerje auf bie Orte 9)eumart, Sbubiroa, SHiHif, Xrpolboroits, jammern
unb ®rüu (alfo auf ben (Skenjflreifen bi# fübltd) jum Cffa) brjd)ränft ju fein
fajeiiie. Xie Äerje fteeft überall in einem Veucbter unb ift oben gdnirfi, bie
erfterbenbe flamme raudjt aber nod). — (Sine abgebrochene Äer^t- mußten
nod) im 16. 3abrbuttbert bir Xot|d)lägrr als 3''^'" br* fon ifynrn geroaltfam
au4getöfcbten i'ebend bei ben lird)li(toni Sübnungen tragen ifiebc be3 *er-
faffer« Xotfd)lag*fÜbnen I, 56).
") t<gl. i'inbenfdjmit, 1. c, I, »7.
•4) i>ein bot feine einzige nbgebilbet.
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mit Prrürjpd)tigmig brr lotenbrrtter überhaupt
77
bucbtungen, Äu^acfuugen ?c. ueriehen erfdjeint. Xeil offenbart
ficb hierbei ein geiuuber, guter OJefchmacf, jum Teil ein höcbft barotfer.
i>ornehmlid) tragen bie älteren, jroei ober mehrere Xejennien wählen-
ben Detter raeift einen sofortigen (Sbarafter; mie bnrd) auffallenbe
(Sfröße, fo ftören fic aud) burd) unicböne, groteofe dornten bao eblere
(Sleidmtafe ber mobemcren. 3o finb aud) bie Totenbretter einem
genuffen StiU rcfp. 3Woberoed)fel unterworfen. £ie äu&erft mannig:
faltigen öeftaltungen *u befdjreiben, mürbe ftatt u» nüfeen nur er=
müben, ba felbft bie genauefte 3d)ilberung ohne Beigabc oon ütb-
bilbungen mangelhaft bliebe*'). ©6 genüge ju bemerfen, baft
bie oielerlei URobalitäteu ben (Sinbrurf einer reidjbegabten ^hantafie
5U machen nidjt oerfehlen. sJfur £>auptunterfd)iebe feien heroorgehoben.
2>ad obere (htbe fpitjt fid) meift giebelförmig ju; feiten läuft es noch
in ein böl.H'rneö «reuten aufl ober trägt ein folcbes aufgeftecft
Um gegen Wegen unb 3dmee einigermaßen gefdnifct \u fein, haben
manche ein GJiebelbädüeiu, bisweilen aud) ienfredjte 3eitenu>angen
(le&teres namentlich *u ©obenmatÄ, bann bei Hölting unb gegen ben
Äeitcröberg ju), roie oie(e äRartertafcln unb ^elbfreuuv 3» s<üoben=
maiö unb bem nahen rHabeuftein beliebt man ben Bretten! bisweilen
eine malerifdje ^inuenfrönuug unb eine bamit oerbunbeue eigentüm=
lidje 2lu*fd)iueifung ju geben •'). ikx berartiger iHusftattung ift alles
••) 2Rit Vergnügen orrrocifc id> b>r auf bir roerttJoHr Arbeit ©ilbrlm
$>rin« , meiner im lertc mit auf jroei Dertut«ge«d>iciten Xafelu jablreirbr,
qrÖBtentctf« oon ib:u felbft gejeidwetr Slbbilbiingen bietet. $on brn 48 auf
ben Zafeln frisierten qrbörrtt 32 jit kapern, berrn Originale, Don Silbm
na* Horben aufgellt, ft* aljo Urteilen: jf 1 fielet ju Cornberg i^ofl
Sptegelaiti unb «It&ütte mörbl oon »lingrnbntm), 3 ju giauifc (füböjM. Don
3n?tffrl), jt 1 ju ftlaub;eiiba.t> unb latent) ein, 10 ju söobenmai«, je 1 *u
«rbcrbüttf unb Sommerau, je 2 ju i'obbrrg unb (SggnSberg, 4 ju Silber«
bad), 2 5U tfcflrnfirin unb 3 ju Vom. Die übrigen (16) fatlrn nad) ^öptnrn,
läng« brr baperifrpen (Brrnjc oon Renatari bt« (Sijntftein. ifiJäprrub bir
beiben Xafeln blo« bir 2Jtaunigfaltigteit De» ftotm unb Einteilung orvaiifrb.au-
liefen feilen, fübrt brr Irrt 3 Xolenbrrtter au« bem Warrjprrngrl Weitmar!
unb 2 oon Starlix (ogl. S. 40) in genauer ©übergäbe be« Detail« (5. 8»
unb 91) unb frbliefelirb ritte (»nippe Dott 5 um ein Jyelbfreuj gefdjarten
Brettern bei ©rillt oor (3. s+7).
••) $on fcein« AH infelbtlberu nur bei 11.
•7) «. a. O laf. II. 3-igitr -_'3 unb III, 8. ©ievbri mötptr id> neep auf
ein paar gattj aparte bimoeiien: ritt raufen- uttb blattavtig bitrebbtorbeue«
^rrtt an brr Mirrbbofmauer |ll >Pobemnai« o. fj. I8H4 ebeuba III, 9) unb
ein in 3a(fetttürmrb,en au«latiffnbe«, mit jmei aufgemalten, gebrebtett »äiilen
gefdjmiirftf« ju ftlaniu (II, 21).
78
Otto »lieber, lotfnbrrttcr im bapmfcbtn fBalor,
übrige faft ausnahmslos ^robuft bee Einfeld; nur \)b<i)\t oercinüelt
ftnb plaftifa)e Öegenftftnbe — worüber fpäter — auf ber Oberfläche
befeftigt.
3e nad) ber blofi grapbifchen ober aud) malerifdjen Sefjanbluna,
ber ilorberfeite, meld/ Untere allein in 33etrad)t fommt, laffen fid?
oon oornherein jmei ftauptgruppcn unterfdjeiben. öftere ift *ur
Seit nod> bie an 3aJ»l lueit übertoiegenbe. Sie 2lrt ber xiluefübrung
hängt ebenfo oon lofalen töepflogenbciten, wie oon Sunfcb uub ste
mögen ber SBefteUer ab. iWele Fretter finb bloß mit einer einten
Clfarbe überftridjen, in ber Megcl weife, roooon fid) bie fdjmarje 3n-
fd»rift (äujjerft feiten mit Sorten in roter %axbt genüfd)t) am beut;
lidjften abgebt. 2lnbere jeigen bie 3»t'fl)rift auf meinem ©runbe be*
fonbere eingerahmt mit Umfaffungslinien oon ooaler, red)tecfiger,
giebeliger ober gefdjroeiftcr öeftalt, roäfpeub Die umgebenbe fläche
anbers gefärbt ift — gemötmltd) grün unb gelb, aud) blau. 33ei
etlidjen nimmt ber ^nfchriftgrunb bie ganje breite ein, fobafc nur
ober= unb unterhalb beefelben, burd) Reiften getrennt, eine anbere
*arbe auftritt, j. in ber 9iätje oon 5öarjerifc^ -(^ifenftein. Senfeite
ber nahen «renje, nach Steuern $u, im (Gebiete ber fünifd>en Frei-
bauern, haben bie Fretter im ganzen fetjr einfache Susftattung, meift
nur ein aufgemaltes föroaqefi Äreuj, unb manage nid)t einmal eine
3ufd;rift ,;"). Sie in ben füblid) baoon fid) auebreitenben <pfarrbe$irfen
Seeroiefen, £urfentl)al, Stubenbad), ?)tel)berg unb iHufeergeftlb cnt;
bebren überhaupt ber »emalung
S)er Sortlaut ber ^ufdrrift bebt getnölinlicb alfo an: „3luf
biefem »rett" ober „§icr auf biefem iBrett bat geruht"; „$ier rubte
bie jur SWcerbigung", „sJluf biefem Brette ift gelegen", „$ier lag
bie jur ilteerbiguug" ; ausnabmsiueife „Sluf biefem üörett bat oom
£infcheibeu bio $ur »eerbtguug geruht" ober „$ier rubte
n a cb fe i n e m & i n f d) e i b e n bis vir »eerbigung". Stabe ber anbert-
l)alb Srunben oon »remtberg gelegenen farftmühle ftetit ganj »er=
einjelt: „&ier ift feiig geruht auf biefen (!) »reit (bie achtbare
3lmta 3Maria Soleber tanabm »auerin oon ber gorftmüble, f ben
10. Eejember 1877 in einem Hilter oon ^al)ren. Öuter greuub,
id) bitte $id), @eb nicht oorbei unb bot' für mid)!)" Seltener er=
•*) ftriebrid) Bernau, £>er ©öbinetroalb. 9Hit 209 Origiual-3tIuftratii?iKn
oon ben brrüorra<icHftffn ÄÜnftlern. Urag, 3. Otto (1891), ©. tfO unb 88 f. ;
Victor fc'angban«, Dat .«ömgrridj ©öpm«t, Öieii 1681 (3>ie 8änbfr
Offifrret(b Unflorn«, ©b. VII), B. 62; griebt. üaufeler, I. c. @. 17.
") $fin, 1. c. ©. 87.
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mtt ^rrüdfidjiifliiug bei Xettnbcrtter überhaupt
79
fdjeint aud) bie gormel: „&ier lag alo fccidniam (ber ebrfame
3ol). Jpeibl, Sluoträgler oon Lufltng, f ben 8. 9iooember 1886, im
9-.. 3«l)re feines filterst. C1 &err, gib it)m unb allen bie ewige
iHutje" — fnnter bem griebbofe oon Munbing). Ungemein i)änfig
bagegen trifft man bie Üitenbung „Anbellten an . . . ", „Slnbenfen
beö ober ber", „3um iHnbenfen an'', „3um lUnbenfen bes ober ber",
nidjt minber „£cnfmal bes ober ber". Vereinzelter tjinnuebemm
„(Erinnerung an" ober „bes ober ber", „@rinnerung6-3)enfmal",
foioie bie Kombination ,/ilnbenfen. siluf biefem örette l)at gemt)t x.".
3)terftöürbigerioeife roofynt ben oerfdjiebenen Slusbrudsformen für
biefe ober jene ©egeub faft topifcfye Vebeutung inne. A}m Horben
bes Vanenoalbes bis einfdjliefeltd) bes ;&teiften=9fegentt)aleö faft bio
beffen 2lusmünbung — bei Wcufirdjen, Völnnifd) Luft, sJiittfteig,
^öUböbe, Äolmftein, Lambad), Löhberg, Lam, ftleft, &ol)emoartl),
&aibftein, "Humbiug — t)errfc^t bie gorrnel „siluf biefem üörett :c",
füblitt) biefer Linie aber, mi* Hölting beginnenb, — bei 2lrberl)ütte
unb ^obenmais, bei ttapfing, Galling, Dberaign, Vrablberg unb
3enting 2C. — bae „2)enfmal" oor. Viel fad) freilid) oer mengen unb
burdjbringen ftd) beibe Vejeidmungen, fobafj eine fdmrfe ®ren$fd)eibe
nid)t immer gebogen werben fann. 2Bte au ben oorfjin gegebenen,
eingeflammerten Veifpielen erfidUlid), folgt nad) bem Eingang 9tome,
Öeruf unb Sito&nort ber abgefdnebenen s^erfon, iljr Sterbetag unb
zuweilen baö ©eburtsbatum, famt bem erreichten Lebensalter. Sie
Fretter bieten l)ierburd) eine säxt gamiltendjronif, ioela> oft loäljrenb
eines tjalben ^al)rbunbertö Lebensgang unb Sdudfale ber @imoo(mer
erfefjen läßt. 9tobe Venuanbte werben gern jufammengefteüt. <3o
lieft man bei Jtöfcting, auf bem 2L*cge nad) Meitenftetu, fünf ^erfoueu
namens 3töberl nebeneinanber: brei sJ)Janns= unb jioei grauen*;
perfonen. (Stjeleute, ^oifdjen bereu Job nur eine furje 3^MP«»m?
liegt, befommen bisweilen ein gemeinfames Vrett („Senfmal ber
ehrbaren fträmersetyeleute in ^entina,: (Slniftopli AUeffinger, f ben
3. Januar 1889 im Hilter oon 14 ^aljren; granjtsfa Hl., -j- ben
5. 3uni 1889 im Hilter oon BV» ^aljren, oerfefyen mit ben ^eiligen
Sterbfatramenten"). (£d)lufe folgt.)
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Ufltecoffen.
Don Karl Biebcrmann.
L
3m grofttjerjoglid) fäd)fifd)en ©taatsardno -»u Weimar befinbet
fid) ein Konoolut 9lften mit ber öejeiefmung : „Öeleitöftrafie unb
3ollfad)en betreffend', Rg. Ca: (auä ben 3al)ren 1513—158«»).
Daöfelbe eutbält u. a. eine SHeiftc oon öeridjten, ^erorbnungen,
neuen Öericfjteu unb neuen ütoorbnungen mit tJejttß auf eine ^e^
fdjroerbe oon jur £eip$iger Weffe reifenben Nürnberger .ttaufleuten
über „einen groften Mft" auf ber ©rfurter Strafte *ioifd)en Stobra
unb Upberg. 3" bem Senate beo ©eleitsmanneö *u öraffcut&al
(aus bem 2lpril 1578) wirb gefugt: „Der ftift fei 3 — 4 (SUen tief,
fobaft man über bie Siefer fahren muffe", ßine Öcfferung ber
Strafte, tjeiftt eö weiter, muffe entioeber burd) ^luöfüUung mit (Sidpen--
tjolj ober burd) ein ©eroölbe erfolgen; bao werbe mit allem 3nbet)ör,
aber ohne bie Juljren, nic^t unter 30 ©ulben bersuftellen fein, äBegen
ber Rubren fei e$ fdjlimm, baft ringöum (Srfurtifd&e Dörfer lägen,
bie jur fcciftung fold)er febmer $u bewegen fein möchten. Die mei-
morifdje Regierung bittet nun in einem Sdjreibcn an ben Siat oon
(Srfurt im 3uni 1578 biefen um bie l'eiftung oon froren. Dreier
oerfpridjt aud) foldje, aber „nur ein Sdwtf". 3m 3uli menbet fid)
bie Regierung aud) an ben $orftef)er ber (Sommenbe S^ajen (ber
jugleia) Stattfjalter ber Sollen Xbüringen mar), ben ©rafen Storf-
l)arb ju löarbo, mit bem (srfudjeu, er möge bod) feine ^mtsunter-
tljanen oeranlaffeu, „bittweife" unb mit bem ^Bewerfen, baft eö feine
„Einführung" (fogen. „Werecbtigfeit" ) werben folle, öftren $u tbun.
(Sine tfuljre luii'b Dabei $u einem Tbalev oeraufcblagt. Der ©ruf
weigert fid) aber tro^ mieberlwlter 3)ial)uung. §ürö erfte unterließe
er nid)t bem &erjog oon Weimar, fonbern bem Äurfürften oon
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aWiflceUen
81
Saufen. gür$ jweite, ba ber &erjog uon Söeimar 3<>H unb (Geleit
neunte, müffe er aud) bie Strafte bauen. 2ln Um, ben (trafen, fei
ein foldjeö $eget)r suuor noa) nid)t geftellt morbeu. (Sine weitere
Verfügung ber Ijer^ogüdjen Mgiernng an ben Sajöffer uon $alma:
„er möge ben ©rafen nodmtalo angeben", fdjeint ebcnfo wenig er-
folg gehabt ju fjaben.
yiaä) einem weiteren :öerid)t vom Üluguft beöfelben ^afjreö mar
bis bal)in bie Sefferung ber Straße nod) nid)t oorgefdjrittcn; bie
gurren maren nidjt getljan, wesljalb baran gemalmt mirb; uon
3ena aus mirb ein 33aumeifter „jur 33cfid)tigung an Ort unb Stelle"
bafnn entfanbt.
3n$wifd)en fmtte, mie in einem meiteren ^Beridjte gefügt, ,,ba«
(iJewäffer bae £od) weiter geriffen", fobaft es „bem £od)e $u sMo&
häufen $u oergleicben". (Sin Äoftenanfd)lag, beiftt eö weiter, laffe
fid) für bie Sluöbefferung nid)t molil machen, benn „man wiffe nid)t,
umo in bem Vioa^e fteefe".
Unterm 30. Oftober 1579 ging eine neue 33efd)merbe ber Sffirn*
berger ttaufleute ein. darauf erlieg bie weimarifdje Regierung
Verfügungen an bie Sdjöffer jn Saalfelb, Rcilm, Hornburg, (Salz-
burg unb auf ber i'eudjtenburg, besg(eia)en Schreiben an ben diat
$u Saalfelb unb ben $u .Üal)la. 3)arin fjctftt eö: „fie möchten bod)
il)re i'anbfaffen, welche bie Strafte täglicb mit beuufeten, ba$u an-
halten, „bie grofte sJ>füfcc unter .ßroctycn" etwaö $u beffern. 2öaö
r*on £anbfrolmen, &olj u. bergl. baju nöticx fei, mödjtcn fie nur
melben, es folle bann erfolgen.
darauf fdjreibt ber Sdwffcr uon 3af)ita unterm 12. 9lot>ember:
„3Me $orffaffen mollteu nid)t aufterbalb ibrer glur gurren tlmn,
meil bieo eine Neuerung unb nie ,wr»or oon iljnen begehrt morbeu".
Vor #rübial)r, meint er, merbc fdjwerlid) oiel $u beffem fein. 3"
einer neuen Verfügung oom 2(). 9looembcr mirb gleid)mol)l berfelbe
angewiefen, „wegen ber tfaufleute" im 5i*inter wenigfiens notbürftig,
im grül)jal)re bann orbentlid) bie Strafte auöbeffem *>u laffen.
silm 26. 9fooember berietet ber Scböffer mieber: „3)ie Strafte
bei 8^öjen fei angefangen, fobaft fie bis sunt nädbften sJ)farft
(b. t). btö *ur Dftermeffe 1580) wobl werbe $u fahren fein; bei
Homburg, müffe aber aud) gebaut werben". £as äftenftücf fd)lieftt
mit bem 3al;re 1580, olme baft man jeboet) erfäljrt, was aus „bem
groften SKife" unb „ber ^füfce bei 3wä$en" geworben ift
ärittarift für «ultUTflefd)i(ftU. II. 6
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8x>
UftScfdeu
U.
3m groftl). fädjf. Staatsard)iü $u 3Öcimor finbet fid) auf ein "Hfieiu
fonoolut mit Meinungen , Duittungen it. bergl. aus bcm 16. $at\v-
fjunbert, barin u. a. folgenbe Soften:
1. <Spe$ififation einer ©enbung mehrerer 29ageu oom Kaufmann
^eter &!ang in Dürnberg. @ö finb ba jebeomal gradjt, &c
\mä)t, 2$ert, 21togenfübrer= unb grad)tlol)n genau angegeben,
die grad)l beftetjt aus fpauifdjen SDtanbeln, SJauntroottenroaren,
Tupfer u. f. ro.
2. $on bemfelben eine SJtoljnuug roegen einer Sdmlb non 400 fLf
„welche fd)on in ber lefeten ÜJieffe Ratten bejaht fein f ollen",
(aber e§ nod) nidjt waren). ©r melbet $ugleid), bafj er für bie
gnäbige Jrau 2 Itogelfjäufer für bie Sittidje beforgt Ijabe,
femer brabanter Seinnmnb, jufammen 500 (Bulben, „bie aud)
fdjon bejaht fein follten"; er bittet bemütigft, bajj es roenigfteno
bis $ur nädiften §erbftmeffc gefdjetye, beim er Ijabc aud)
3al)lungen ju leiften.
dergleichen SWafjnfdjreibeit finben ficr) nodj mehrere, alle aber in
bc; unb meljmütigftem £one abgefaßt.
3. Sieben folgen bireften 3ufenbungen von auswärts liefe fid) ber
&of aud) burd) befonbere „Agenten", meldte bie größeren
£anbcls= unb gabriforte bereiften, allcrfjanb beforgeu. §in
fold)cr 2lgeut fdjreibt: „das geioünföte golbeuc ©efdjmeibe
Ijabe er roeber su Jranffurt auf ber 9Weffe nod) $u Äölu er^
galten föuneu; er l)abe gehofft, es mürben ©olbfimiebe auo
s#enebig nadj Dürnberg fommen, aber aud) vergebens."
derfelbe Slgent f)at „Hefteln" (Agraffen) mit (Sbelftetnen unb
^ilbniffen, u. a. einem Jräulein mit einer &arfe, angefauft, ferner
guten roten damaft, 26 Nürnberger (SUen (= 32 Erfurter) a 2 fL,
mad)t 52 fl., 2 Jlrüge grünen Sngtuers, in 3u^er fantiert, 3 Eilige
für bie gnäbige §rau, einen mit einem 2lmetl)i)ft, einen mit einem
£ürfis, einen mit einem iHubin, einen mit einem diamanten, einen
mit einem ftrötenftein , jufammen 34 fl., bie ganje Medmung alfo
86 fl., „$ur Dftermeffe $u jaulen."
4. £ine 3Wenge Quittungen über burd) beu Sdjöffer $u Coburg
besnljlte Arbeiten aus ben ^fatjren 1514 unb 1515 uou Ziemern,
Sattlern, Scrjloffern, Seilern, Wagnern u. f. n».
5. CSiitc bergleidjen über drucferlolm auö bem 3a(;re 1566.
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I
iHiScelleit
83
a) gür bie Schrift Johann griebrichs bes Mittleren an bic
Meichsgefaubten, 15 Sogen, 346 (Sremplare = 51 90 Sogen,
macht 21 fL 12 ©r. 6 $fg.
b) gür bie Schrift jwifchen bem tfurfürften unb £erjog Sodann
bem Mittleren, 26 Sogen, 326 ©remplare = 9412 Sogen,
macht 39 fl. 7 ©r., in Summa 61 fL 19 ©r. 6 ?fg.
6. 3lus einer 9toti$ über ben Arbeitslohn fürs 2Beinab$iehen ift
erfichtlich, baß in einem 3at)re abgezogen würben 61 gaß ober
366 hinter.
7. (Sine ©laferredmung über bas ßinfefeen oon genfterfdjeiben,
bas Stücf ju 2 <ßfg., „ein neu genfter" ju 5 <Pfg.
III.
Sur Seoölferungsbewegung im 17. unb 18. Sahrbuubert.
3n oerfchiebeuen größeren Stäbten S>eutfd)lanbs jeigt fidt) in
Se$ug auf it>rc Seoölferungsbewegung im 17. unb 18. Qatjr^unbert
eine eigentümliche (Srfa^etnung. 2öahrenb mir jefct gewohnt finb, baß
bie 3a|)l ber ©eburten in einem Qatjre bie 3at)l Der £obesfälIe
überfteigt, finbet bamals mdr)t feiten bas ©egenteil ftatt. Unb jwar
nicht bloß in folgen 3«hren/ mo ftdt> bies au« beionberen ©reigniffen
erflart, 3. S. wäfjrenb beö 30 jährigen Krieges, in Reiten ber Sßeft
u. f. w., fonbem auch in folgen, mo oon berartigen außerorbentlichen
Urfadtjen größerer Sterblichfeit nichts befannt ift. So 5. 33. fltarben
in £eip$ig mehr s))tenfchen als geboren mürben in ben fahren 1684
bis 1686, 1689 bis 1691, 1693 bis 1698, fogar in ununterbrochener
golge 1711 bis 1733, 1736 bis 1783, in welche lefetere «ßeriobe
(aber bodj nur in wenige 3af>re) allerbings ber fiebenjährige Krieg
fallt. $a biefe Ziffern einem <£rtraft aus ben Xauf= unb Sterbe^
regiftern ber Stabt entnommen finb, fo ift bier nicht, mie fonft wohl
öfters bei ftatiftifchen 9luffteflungen in jenen früheren 3eiten (felbft
in Süßmilchs „©örtlicher Drbnung"), an eine bloße, mein* ober
weniger unfidjere, Kombination 511 beuten. $as Wcfyx ber Xobesfälle
erflart fich teils aus ben bamaligeu mangelhaften (Einrichtungen bei
ber ©cburt unb ber Verpflegung ber f leinen Kinber (befannt ift, wie
ber Umftanb, baß unfer großer 3>id)tcr ©oetbe beinahe tot jur Seit
gefommen wäre, feinem mütterlichen ©roßoater, bem Sdjultf-eiß oon
granffurt, Seranlaffung *ur Errichtung eines .§ebammeninftituts
gab), teils aus mancherlei gefunbheitswibrigen Gewohnheiten jener
H *
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84
l'iigcellfn
3eit, teil« enblidj auo tjäufigen Rodens unb ätmlidjen (Spibemieen, bie
immer grofje ^ertyeemugen anrichteten. 2)ie geringere ^apl ber
Geburten bangt mit bev größeren Seltenheit ber Istjen unb ber ge--
rinderen #abl von Jtinbern auö einer (Sl)e jufamntcn (in Ueip.jiß
jätjlte man nm bie Glitte bes oorigen 3atirf)unbertö burd)fd)uittli$
nur 2,9, fpätev fogar nur 2,6 Jlinber auf eine (5l)e>, melaV lefcteren
beiben Momente jeitgenöfftfaje s-Beobad)tcr auf ben übcrmäfoigeu £uruo
jurüdfüljren, ber bie (Srlmltung eineo &auoftanbeo unb jumal einer
größeren Familie crfd)n>erte. £a$u tarn, wie es fdjeint, nod) ein
beionberer Umftanb, ber ebenfalls in ben bamaligen Sitten iüur>elte.
(So gebaute nämlid) im oorigen ^afyrfyunbcrt ^u bem ftanbeomä^igen
^upo einer reichen (nidjt blof? einer abeligcn) gamilie bao galten
einer zahlreichen 3>ienevfd)aft. SDieo allein fd)on (neben anberen
Urfachen) zog eine SJicnge junger £eute beiberlei ©efd)led)tö in bie
grofeen Stäbte, ohne bafj jebod) biefer ^eoölfeiatngöteil burd) @rüiu
bung oon (*hcn zu einer regelmäßigen Vermehrung ber ©nmobner=
zahl beigetragen t»dtte. Eies erftärt auch ivenigften« zu einem grof>cit
2Teilc bie nod) auffallenbere , fdjeinbar fid) felbft nriberfprechenbe
(*rfd)einung, baft trofo ber ungünftigen Verhältniffe be« inneren
sBad)ötume ber SNeoblferung gleichwohl bie (Sinroohnerzahl biefer
Stäbte öfters fteigt, ftatt, wie man glauben füllte, abzunehmen.
^Umlief) wie in Leipzig ging es auch in anberen größeren ©täbten,
Bresben, Berlin, ffiien u. f. w. , wogegen in oielen fog. 3)Jittcl-
ftäbten, bie bamalo nod) eine geringe ^euölferung Ratten, mie $örlifc,
Zittau, Gbemuifc, fid) ein, wenn aud; mäßiges, aber ftetige« s.htad)s=
tum ber SJeoölferung oon innen heraus, ohne einen ftärtereu Sufluf?
oon außen, bemerfbar mad)t. ^ebenfalls ift bies Ü-efetere bas 3fic^en
einer jroar laugfamen, aber gefuuben tSutnüdlung, ioäl)ienb jene
größereu Stäbte bamalo nicht feiten (mau beute $. HS. an bie lange
nad)u>irtenben folgen ber polniid)en unb ber sÖriil)lfd)en 31>irtfd)aft
in ©reoben), an mancherlei fünftlichen ^uftänben franften.
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T>it £ebrerunb bte Jhtlt urg e f d>i$ te. Unter bem Titel: „£efnerfd)aft
unb i*olf«funbe''DerÖffentlid)te. 91ofetmad)(r, Pebrer 311 ÄÖln, einen auf bem
Btyeinifdjen Pebrertage gehaltenen «ortrag (Sammlung päbagogifcber Vor-
träge, »b. VI, #eft 6). ©r fudjt barin bie ?el>rer für bie «oltsruube ju
erwärmen uub fte für bie Sammeltbätigleit auf biefem ©ebiete 311 gewinnen.
3"bem er ben ^Begriff ber „3?olf«funbe" rid/tig baJjiu befiniert, baß e« ftd)
babet in erfter Pinie um ben SJoltäglauben — „wenn ber 3$olf«glaube praf--
ttfd; fid) betätigt, nennen mir iljn ®olf«braudj" — Ijanbelt, baß aber audj
bie fulturbifiorifd) nidjt minber widrigen „$oir«gewobnl>eiten" (SBobnung,
SBirtfdjaft, ©erfe^r u. f. w.) in $Betrad)t fommen, giebt er eine furje 3u.
fammenfieflung ber ©ebirte, auf meldje fiaj bie ^Beobachtungen ber febrer
erftrcden möchten. Huf biefe löblichen Anregungen, bie ja im roeiteren Sinne
gerabe aud) ber flulturgefdjidjte bienen, mbdjte ich audj au biefer Stelle bin-
weifen, allerbing« autb raten, bei biefer Xfyätigfeit nidjt nur (£ifer, fonbern
and) redjt große Sorfidjt malten ju laffen. Um fo et)er wirb bie Xljätigteit,
bie bodj nur ?aientljärigfeit ift, audj wiffcnfdjaftlicb. wertüoll gemalt werben
tonnen. #err »labemadjer roenbet fidj mefentlid) an bie nidjtafabemifcb, ge»
bilbeten ft^rer. $or allem wirb ja autb, ber ?eb,rer auf bem ?anbe, roie
übrigen« audj ber ©eifMidje, in biefer »ejieb.ung nüfclid) roirfen fönnen. 3d>
bin überzeugt, bafj tic Anregung ~ aud> anbere Ijaben foldje fdwn gegeben —
(Erfolg baben unb fo baoon jeugen wirb, baß in biefem Teil ber Pefyrerfdjaft
ein warme« ^ntereffe fllr bie $olt«tunbe, in legtet i'inie alfo aua) für bie
Äulturgefdjidjte, lebt. —
3ö) mödjte aber tjier eine weitere ftrage aufwerfen unb Ijabe babei
ntrfjt nur bie HolfSlunbe, fonbern bie äulturgefdjicbte überhaupt im «uge.
2öie ftebt e« benn mit bem fulturgefdjidjtiidjen ^ntcreffe ber böseren, ber
afabemifd) gebilbeten Vef>rer? 3a) glaube leiber ju ber ftuffaffung berechtigt
ju fein, baß bie« ^ntereffe nidjt fo allgemein unb nidjt fo rege ift, wie man
e« bei ber 8Öid)tigfeit be« ©egenftaube« erwarten fönutc. Selbftöerflänbücb
giebt e« eine jReibe öon IVljrern, bic biefe« 3,ltfreffe 'n hofjrm aße haben,
bie auch felbft auf biefem ©ebietc arbeiten uub tüdjtige« triften. Wamrntlidj
in 3Riitelbeutfd)lanb , im Königreich Sacbjen, Iljüringeu 11. f. ro. fdjeinen
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86 Mitteilungen unb Wotijen
btefe flR&nnrr nidjt feiten &u fein, Anbererfeit« gtebt e* aber audj gar
mandjen (8eidnd)t8letyrer, bor baS tulturgefdjtdjtlidje Clement im Untrrridtt
oöüig unberüdftdjtigt lägt uub ber ftd) befonber* miffeufcbaftlicp norrommt,
wenn rr feilte bäuSlicpc Arbeit, tu treuer Erinnerung an fein Uttioerfität*
fenünar, irgeubeinem mcljr ober wenige ju lobe geboten mitielalterltdKn
Du eilen jdjriftfteller mibmet. Aber ntc^t nur ber febrer, beffen .fcauptfad) bir
öJejdjidjte ift, fonbern aud> ber flaffifdje unb ber Wettpbilologe fönnten flärfer
jur $ebung be* Sinne« für Äulturgefdjidjte beitragen. — Sbarafteriftijd)
ftnb bie Weuanjdjaffungeu für febrer» unb SdjÜlerbtbliotbefen. (SS gi»bt
uod) t)tult Sdjulbibliotbeten, bie ein jo gute* unb babei fo ebel populär ge-
baltene« SBerf, rote (äujiao ftreptag« „5ötlber au« ber beutfdjen ©ergangen-
beit", nid)t befreit. Auf bem (Uebüt brr Äulturgefdjtdjte ftnb ferner in ben
legten J^abren eine SWetlje ed)t wiffenfdjaftlidjer, tüchtiger unb auregenber
SBcrfe erfdjienen, roenn t^re 3aljl aud) (eine allju große ift. SWau roirb fte
in beit Scpiilbibliotbefen metften« oergeblid} fudjen: bagegen Iteft man nidjt
feiten, baß jene mittelmäßigen fompilatorijdjen unb rein populären „äultur-
gefetzten" ober „©Über", bie id> \)\tx ntdjt näfcer bejeidjnen »in. angefd>afjt
ftnb. Xamit ift aber roettig ober nidjtS getban. 3$ will enblid) nodj an*
fübren — id) brause nidjt $u oerftdjern, baß id? tytr nid>t pro domo fpreeben
unb nid)t Abonnenten werben , fonbern nur eiu bejeidjnenbeS ftaftum er-
wäfynen roifl — baß unfere „3fiM$"ft fü* Ättlturgefdjidjte " in Untoerfiiät«-
lebrertretfen weit mebr l'efer bat, a(6 in benen ber Pefyrer an böberen Scbulru
unb baß e* ben ?eb,rerbibltotbefen mit oerjdjwinbenbeu Au«nabtnen gor nidjt
einfällt, auf fte *u abonnieren. Söenn meine b,ier au*gefprodjene Anfidrt auf
äÖiberfprud) ftoßen foUie, fo werbe id) mid) im ^ntereffe ber Sadje nur
freuen, wenn biejer SBiberfprud) beredjtigt ift. St.
Über ben Äöniggfdjafc Don 25abfdjur, jenen neuerbing* in ber
„(Saflerie ber ^rinjefftnnen" auf ber nörblidjcn Seite ber einen
ppramibe oon 35ab,fd)ur gemachten intereffanten ftunb, bat ber Sntbeder
be SWorgau eine I leine Sdjrift b"au«gegeben unter bem litel: Le treaor de
Dahchour. Liste sommaire des bijoux de la Xlle dynastie decouverte
dana la pyramide de briques de Dahchour les 7 et 8 mars 1894.
Wette 3eitfd)riftenauffäfce:
3eitfdjrift be« ©nein« für *>ott«tunbe IV, 2: 9K.Webfenev,
Arbeit unb ©rauep. in $>au«, gelb, Salb uub Alm II; SajaffcU,
©räcomaladnfdje Sitten unb ©ebräudje; Sartori, 2>er ©djub im $oir*
glauben (ftortfefeung) ; 3- ©olte, 35aS Äinberlieb Pom $errn Pott Scinioe:
SH. fßoffiblo, Der Job im ÜRunbe b. metfleubutgtfd?en ©oltefi; ©oia,t,
Beiträge jur betttfdjen Solfdfuube au* älteren Duellen; A. ^idjler, Jiro«
liftpe SJoltdbid^tung; ©. 3Danoff» ^)'c Sitten ber iürfen in ©ulgariett.
Äorrefpo nb enjblatt beö ©ef amto ereinS ber bentfajen ®e
fd)id>t$toerein c 1894 , 9tr. I: A. «lernen, 2>te Jatnilie ber SHeifler ocu
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Mitteilungen unb 9?ottjen
87
®raünb unb tyre 3ei$en; Wr. 4: iffiolf, Der röm. Söaü; 9*r. 7: ffi. ©Jof.
fiblo, Über bie Sammlung medlenburgifdfer ©olt«überlieferungen.
Deutfdje fflunbfajau, 20. 3ab\gaug, U. £cft: O. ©fleiberer,
D>er beutfdje ©o(f«d)arafter iut Spiegel ber 9ieligion.
©Jedermann« SDiouatSbefte, 38. $aljrgang, fcugufi: ©. S$ell'
M*» Die <£tru«fer. Sin tulturgef($idjtlid>e« SRätfcl.
©ranbeuburgia II, 12: (Slif. kernte, Die älteflen Spinn» unb
SBrbegeräte; d. ©olle, »rummtopf unb Sajimmelreiter.
Neue« ?aufit}ifd)e« SWagaain LXX, 1: Änotb, e, Die $au«.
marfen in ber Oberlauf^}; öitner, 3el>n 3al>re au« ©örlifeen« ©ergangen-
freit (1567 — 1577).
Mitteilungen bei ©erein« f. © e f dj. b. 3) e u t f $ e n t n © ö Ij m e n
XXXII, 4: aWcucir, Die Präger ©olbftbmicbejunft.
3eitfd)ri(t be« tyift. ©er ein« f. Schwaben unb Sßeuburg XX:
3R. SKablfofer, Die frumaniftiföen ©eflrebungen ber «ug«burger ärjte im
16. Sab. r&unberc; V. ©Jerner, «ug«burger Stammbücher au« bem 18. $al>r>
ljunbert.
21—25. 3 ab. re«beridjt b. fciftor. ©erein« ju ©ranbenburg:
O. $fa)ird>, Däglidje ftufaeidjuungen be« $farrl;errn 3oa$im öarcaeuö
in Sorau unb ©ranbenburg au« beu 3°fcrfn 1617—1632.
Vorlegungen jur braubenburg. u. preuß. ©ejdjidjte VII, I:
3f. $tTf$, Die (Erziehung ber älteren SÖfyne be« ©rofcen Äurfürften.
«nnalen be« ©erein« f. naffauif^e *ltevtum«funbe XXVI
d. Spiet mann, Die SWennoniten unb ibre ©ebeutung für bie Äultur in
ftaffau.
©erMnbluugen b. gelehrten eftt)nifc$en © ef ellf a)aft XVI, 3:
9L Sinter, Über $od7jeit«bräua)e ber Jetten naa) Üjren ©olf«liebern.
®lobu« LXV, 9ir. 15: SR. ftnbree, Der fterenglaube in Deutfdjlanb
am <£ube be« 19. 3anr§.; 9tr. 1«: Der Selbftmorb bei SRaturobliern.
tfeipjtger ß^^ung, roiffenfcbafilidje ©eilage Wr. 58: 2K. ©ed, föie
man einfl Äalenber |a)rieb; Mr. 87: Pubroig, ©om Äalenber im (Slfafe
cor 100 3atjren.
Die ©reuaboten, 63. 3af>rg., 9er. 14: <i. flRüllenbad), DemotfeÜe —
gfräulein — ©näbige« fträulein. 1794—1894.
3Konat«fd)rift f. ba« Xururoefen XIII, 8—6: Äo$, Die ©efd)i$te
be« gujjballe« im Altertum unb in ber Weujeit.
3 ei tf r if t ber tjiftor. (Bef ellfd> aft f. b. ©rob. ©ofeu VIII, 3 u.
4: £anb«berger, &u« ber 9Webijinaloerroaltung ©ofen« am önbe be«
üorigen Oabrb.; SBarfcbauer, ©efcbjt^te be« ©räfcer ©iere«; IX, 1:
». ©3arfa)auer, Die ©ofener ©olbfa)miebefamilie Äamon; Sdjulj,
Der erlöfle Jüngling (©olMfage); ft. S$ulj, Der fpufenbe Sajäfer.
9iorb unb Sab, 3uui: tt. Sa)ulj, ©om Sdjmtnfen. Äultur»
f)iftorifd}e Sfijje.
© tröffe ntlidpungen be« 31llgem. Deutfd>en©äber»erbanbe«,
Offt j- ©eric^t über bie 2. ©erbanb«berfammlung: ^oefler, ©alnrometfyobif
im SRittelalter.
Da« ©etier XI, 3: 5. ©edenflebt, 3ur Solfcntttnbe in <mx)\t)o.
logie, ©olf«anjd)auung unb Meteorologie.
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88
^Mitteilungen unb «Rothen
«Mitteilungen ber ©cograplj. ©eftUirfjaft in Sien XLVII, 5:
S. ©clcidj, 3ro" 9Ju«aüge and einer (Sammlung üon IHciffbefdKeibungen
au« bem 16. Sabrb. (1. ©on «encbig nadj tfonftantinopel; 2. ^rojeft eine*
Suej&anal« im 16. 3ab.rb,.).
3eitfdjrift für ben beutidjen Unterrtdjt VIII, 5/6: SL Jrepbe,
SUtroeflfä'lifdje« ©olf«tum in SBerner ftieoelind« : De lande Saxoniae nunc
Westphaliae dictae.
3eitfd>rift für <x> r t ft 1 i ct> e Ännft VII, 4: Ä. Xbcroalt, ^lanbrifdjfr
ödjranf be« 15. ^aprbunbert«.
Bnlletin of the American Geographical Society XXVI, 1:
Courtenay de Kalb, The social and political development of the South
American people.
«rdjiü für £)fterrei<$i ©efdjidjtc LXXXI, I: *b. ©eer, 5tu-
bien jui ©efdjicbte ber Öfterreidnfdjen ©olf«rcirt|d)aft unter SHaria fcperefia.
I. $ie öfterreidnfaV 3nbuftriepolitif; 3. tfofertp, Sex Äommuni«mu« ber
mä&riftpen SBicbeitäufer im 16, unb 17. 3abrbunbert. ©eiträge ju ib>r
©ejcbidjte, Pebje unb ©crfaffuug.
Eeutfdje 3eitid>rift für ©e|d>id>t«roif fcnf djaf t XI. 1: f . 3».
{lartmauu, 3l,r $eid>id>te ber antifrn ^tlaccrei.
Societ6 de l'histoire de Paria, Bnlletin 1894, Livr. 2: Moran-
vill6, Note sur les priaona ä la fin du XI Ve »iecle: Coyecqne, In-
ventaire sommaire d'nn minutier parisien pendant le conr« dn XVIe
aiecle (suite).
3ritfd)rifi b. ^arp er ein« XXVII, 1: fc. Sacob«, Sotjann l'crfnj
©cnjler; ©ublar«, ßerftörte fcilbeöhcimer $au«fprücpe; Q. Snell, Dir
*ßeft jn $ilbe«fjeim im Qatyt 1657; ©rindmanu, ©efdjidjtc ber £olj-
baufunfl in Oucblinburg; 3">ei ©riefe au« Ärieg«uöteu (1642); S. 3acob^f
2>te ©eifefcung be« 1626 Dcrflorbenen (trafen ©otpo Ulvtr^ ju ©tolberg in
$ilbe«beim; ©. i'iebe, Xer $alberftäbter Hpotbetereib au« bem 1«. 3a&r'
Rimbert.
©altifdje ©tubien 1894: ©. l'auge, ®reif«u?alber ^rofefforfn in
ber Sammlung ber Vitae Pomeranorum (icb fomme auf biefc Arbeit jurüd).
«Kitteilungen be« ©evciu« für bamburg. ©ejdjiajte VI, 1:
iH. (Sbienberg, ©efajriebene Hamburger 3f*tun3etl im ,6- 3oQr&unt>rrt;
ffi. ©tteba, Hamburger lÄoifen in SOTecflenburg.
3aprbucp be« ©erein« für SRedlenburg. ©efrfjitpte LVIII:
SS. ©tteba, SRofloder £onneu-31u«fuljr uub Sinfubj' ©erböte; Verleibe,
©erfucbe jur Grinfüljrung ber «eibeninbuftrie unb be« Setbenbaue« in
SWedlenburg.
«rdjit jur@efcb,i^teb.beutfd)eu ©ud>b, anbei* XVII: ©. ©tieba,
©tubien jur ©efdndjtc be« ©urfjbrud« unb ©luppanbcl« in SRrtfltnbnrg <i<b
tomme auf biefc Ürbeit gurtltf).
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<@eorg ©nipp, ^ulturgefririitrlf Hee pittelaüfrs. I. 93b.
sJWit 28 ^bbtlbunßen. Stuttgart, 3. 9?otf) 1894. (VI u. 356 8.)
(S8 ift ^eute auf ©ruub ber j$a$lreid> öorljanbenen Spejialforfdjungfn
nidjt allju fdjtoer, eine ÄiUtur» rote eine Pitteraturgefc$id)te ju fdjreiben. ©eit
bebeutfamer al« ber jebein Bearbeiter $u ©ebote fiebenbe 'Stoff wirb feine
©ebanblttng fein. ©euu ber Söerfaffer bie Berechtigung jufammenfaffenber
Arbeiten ofcne ©runblage eigener (Sinjetftubien in ber Jljatfacbe ftet>t v ba§
SUanfe trofc ber lederen nic^t ÜJieifter fei in ber Be&anbluug ber 3ufammeu*
Gänge, fo ift bei ber ^öl^rren Bebeutung biefer bie ©ertja>ä&ung oon «ante
unb ©rupp ftriert. 35er 3tanbpuntt be« ffierfe« ift ber oon ^anffen Ijer be«
tannte; e« gebort ju jenen gefdjicft gefdjriebenen , in madjienber Sa¥ a«f
ultramontaner Seite auftretenben Biid)ern, roeldje mit ber au«brücfltcben 21b»
ftdjt, auf einen »eiteren Vejerfrei« 311 roirfen cvfl in jroeiter i'inie ber ©iffen«
fdjaft bienen motten, in erfter ber fatboltfcben Stirpe, flioeb ift e« roobf an
ber berartige £enbeu$ feftjunagelu, auch, auf bie ©efatyr b.in, bem
gefdjmadootlen Borrouvf br« onfuiTeujueibe« ju oerfatten, mit bem ber Ber*
faffer bie ungünftige Beurteilung eine« früheren ©erte« pariert. ÜDte lenbenj
oeranlagt tbn, oon ber Bcgrünbuug be« Sljrtfteutum« unb feinem (Einflujj
auf bie antife ©clt au«$ugeben , „bereit irbifdje Beftrebuugeu in äftyetifc^er
unb politifcber Äultur ©ottc« Ringer al« nid)tig enoiefl." (£« b,at ba« jmar
nitbt« mit ber ©efdjicbte be« SKittelalter« ju tfyuu, aber e« giebt ©rupp 9Inlaft
jur Darlegung jeinet tbeologifa^eu 21ujcbauimg unb $u polternben Ausfällen
gegen bie „Baurfdje 8a)ulc" unb bie „Berliner Regelet". 2)a« fonfejftonelle
Clement tritt überall grell ju läge, unter arianifäer ftorm wollten bie mcb>
fräntif<ben ©ermannt nod) ein Stile! $eibentum bebalten (©. 144), al« ein
Beifpiel be« oon Bonifajiu« befämpften Ijalb Ijeibnifcben (Jb"ftentum« roirb
Bifdjof Giemen«, ein %tt, angeführt, ber ben Sölibat unb bie ßioigfeit ber
$öttenftrafen oerroarf (©.19^), unb ben moberneu ©Dinnaften toirb $u aflent
nodj bie Sinfüfyrung d)viftlicber Xidjter empfohlen (<S. 185). ©eit fcblimmer
ift, baft ber 9tomani«mu« ba« ©erf foroeit beeinflußt, aueb gegen bie natio-
nale (Smpfinbung f«ne Angriffe ju rieten. @« ift lehrreich,, baß e« 2>cutidje
giebt, bie ben Sriumpb Veo« 1 über «Ulla mit bem ©regor« VII über
^einrieb IV oergleicbeu (§. 131 j. ©enn e« ©rupp für augemeffen Qfilt, im
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90 ©efpreipungen
$tnbfid auf bie für ÜRom fetpteubcn (Germanen eine Dämifcpe ©emerfung
über bie „üielgerüljmte $rcue" gu matten (©. 121), fo bättc er ftd) erinnern
foünt, ba§ ba« größte ®po« ber Deutjcpen bie SWannentreue Uber bie $Mut««
treue ftcflt. Äein iöunber, baß ber einzig ber ienbenj gugeroanbte SJIicf auep
ptftorifd) oerfebrte ftnfcpauungen Veranlagt. Der gefd)t(pt«pbilofopbifd)cn 9e*
merfuug über bie ©agen Dom nieberen Uriprung ber nadpfarolingifcpeu jconigä'
gefriedeter beburfte e« nic^t (©. 272); für einen SJogelßeüer pat au<p bie erft
im 12. ^abrbunbert auftretenbe ©age fceinrtdj I nie gebatten, uno bie firdj<
liebe äröuunq bat er uidjt au* ©epeu, fonbern rooblbebadjt jurüefgemiefen.
Daß Otto III, bie Äarrifatur feine« großen Äpnberrn, boep gepriefen roirb
(e. 319), iü l«d)t erflärlicp. 8$on ben „Träumereien be« iWinnebienfte«, beffen
il>eale ^erflärung be« Sffieibe« langjäbrigen 3Habonucnbteufl Dorau«fe$t"
(©. loh), foflte man bod) cnblicp aufboren ju fpreepen; bie 3Mf iene« fon-
oentioneflen ©etänbel« roaren bö<pft realiftifcpc. Die ©ortiebe für bie Hofier*
liepe Äultur oeranlaßt ®rupp, ben im ft. Saprbuubert juerft erirfjeinenbcn
$farrfd)u(*n nur bic geringftc «ebeutung bei^umeffen (©. 184). «ber bitten
ftc ftd) bann bi« in ba« 13. ^aprbunbeit ju bitten »ermoept? Sud; bie
Daftif be« 3$eraHgemein<,rn« ungünftiger Dbatfa<pcn wirb geübt unb au« ber
©age oon Solfbietrid) ba« Slu«fe^en oon Jtinbern al« etroa« getoöbnlicpc«
gef(ploffcn! (©. 102). Dagegen ift @rupp ftet« geneigt, in einem Hu«fpred)en
objettiöer, aber ipm nid)t günftiger ibaifadjen eine fciublidje leubenj ju
roittern. 9Jlit SJorliebe gelten feine Angriffe bem „Deutfcbtümler" @. ftreptag,
aber roo bat benn biefev bic 9Wönd)e be« 10. Saprbunbert« al« ©ein- unb
Seibcrfrrunbc bargefteflt? Sa« er anfügt (@ef. Serfe, £eip$ig 1888,
$b. XVII ©. 36» f.), entflammt ben Duellen ber 3eit unb roenn ®rupp bie
Seltfenntni« ber 9?o«roitlja unb be« SRuobliebbidjter« mit ©taunen bemerft,
fo brauet bie Slnnabme, baß folepe Äenntni« nidjt immer tpcoretifdj geblieben
fei, nid)t oon „Öebagen im ©djmuj}" ju jeugen. ©on bem ^arteidjarafter
be« SBerfe« wirb man mit um fo größerem ©ebauern Äenntni« nehmen, al«
e« geroanbt gefebriebeu, bie &u«roaljl unb SSiebergabe ber ©Uber oortrefflia)
ift. So fi<p sur ^olemit feine ©elegenb'it bietet, ift e« bÖcpft anjiepenb, fo
in Äap. V: Anfänge ber töomantit in ber grieepifepen Pitreratur.
®corq Piebe.
* * *
galjannfs jDanlTrn, (Sffd|itijte lies beutfdjen JJolhcs fett irnn
Ausgang üfS Ptttrlttlters. VI. SBanb. 31. u. b. £. : Äultursuftftnbc
bcö beutfc^cii Golfes feit bem Sluögang beö sJJiittelaltero biö 5um
Öcßinn beö brei&igjäfjriflen Äriegeö. ©rfieö unb jrociteö 93ud).
13. unb 14. oerbefferte unb uertnefirte Slufla^e, beforgt oon £ubmig
^aftor. greiburg i. örv ©erber, 1893. (XXXVI. 546 S.)1).
3tfctn üeref>rter aKitarbeiter, ^err Dr. Piebe, ermähnt in ber ooran»
ftebfnbcn ©efprea>ung aud? ^atiffcn; er fdjließt ftd), roie e« fepeint, bem auf
') Der in^mifdjen erfepienene 7. >Banb ift un« uoeb nidjt jugegangen.
Die Äebaftion.
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Vefprecbungen
91
proteflantifdjer @eite allgemein öorberrfd)enben Urteil an, ba« in ^anffen in
in erfier £inie ben ftreng fatbolifeben Senbenjfdjriftfteller fir^t. <£« tfi ba« ja
üöllig üerfiänblid) : aber e« fragt fid), ob uidjt baburd) leicbt eine 9Rißad)tung
unb Vernad)läffignug be« (gewinne«, bm mir bodj unjwcifelbaft aud) Don
brm Jfauffenjiben Serie baben, ^erbet^efü^rt wirb, (tterabe bir f ultniiytfto-
rijcben ^artieen be«felben bebeuteu eutjebieben in oieler ©ejiebuug einen
(gewinn. i$ret(id) liegt ber (Gewinn oorjugdweije in bem neuen unb reichen
SWatevial, ba« $anffen b*ronjiebt, weniger fdjon in ber Äuffaffuug, obgleich
^anfielt tf'xev weit öfter ba« richtige trifft, al« man jnjugeben pflegt, am aller,
wenigften freilid) in Verarbeitung unb Darftellung. ftür biefe fulturbiftorifcben
$ariieen lann mau aud) ben Vorwurf ber tritillofen Verwertung be« SMate-
rial« mit geringerem SRedjt erbeben, al« für bie übrigen Seile be« SBerfe«.
So e« fid) um bif^rifdj ridjtige Xarf»eQung polittfdjer unb religiöfer (Srrig*
niffe unb $batfacben, wo e« ftcb um ^Beurteilung einzelner sJ$erfönlid)feiten,
wo e« ftcb namentiid) um 9Meinuug«iämpfe baubclt: ba fann aüerbingö bte
oon .^anffen befolgte SWetbobe, au« aßen möglicben bif^ortfeben unb litterari>
feben Duetten 9iotijen ju geben unb Hu«jttge anjufübren, nid)t ba« ungefärbte
Vilb ber Vergangenheit geben; benn bier in erfter Cinte fmb bod) alle biefe
Duellen auf ibre 3,lt>crlÄ1f*flfeit » ouf Icnfcenj u. f. m. auf ba« eingebenbfte
ju prüfen. So r« fid) aber um bie ©arfteüuug be« 3"f*änblicben , um bie
bitten, bie flehen«« unb 5tfilouug«öerbaltniffe t»er (#efamtl)eit fyanbelt, ba tü
febon bie bloße SRaterialfammlnng etwa« fft)r oerbienftlid)e«. 9Kan wirb
niebt alle«, ma« bie ^itteuprebiger ber Seit febreiben ober bie Dichter fagen,
al« abfolut riebtig anzunehmen braueben; man barf nicht jebe litterarifdje
Äußerung Über biefe ober jene Ver^ältniffe unb 3uftänbe fogleid) oeratl
gemeinern, man barf aud) \)i<v bie etwaige Senbenj nicht oergeffen, aber man
barf biefe« unb äbnlicbe« Material aud) niebt oernadjläfftgen. <E« ift ein
unbeftrittene« Verbieuft kauften«, baß er in umfaffenber Seife nicht nur bie
hergebrachten fufiorijeben „Duellen", fonbern bie gefamte bamalige litterarifdje
^robuftion für bie £ulturgejd)id)te nufobar $u madjen Derfudjt t)at.
Die Äapitel: Unterbaltuug«litteratur, Sunber* unb Sdjauerlitteratur,
©ebeim-, 3auber« unb £eujel«litteiutur - „ber fceufel felbft" ftnb in biefer
Ve^ieljung au« bem Dorliegeubeiu Vanb befonber« b«üorjubeben, fte bieten
für bie nat/ere Senntni« be« bamaligen Voltägeifte« unb VolMcbarafter«, auch,
für Peben unb Sitten üiel i'ef>rreid)e«. "Huf ben ^nbalt be« Vaube« witt icb
fonfi nid)t nätjer eingeben, ba er nur in neuer Auflage oorgelegt wirb.
?ubmig ^afior, ber befannte Verfaffer ber „®efd)id)te ber $äbfie", ber aud)
bie weitere Verausgabe be« ^anffenfd)en Serie« übernommen tjat, bat bie*
felbe beforgt unb namentlich fein Sugenmert barauf gerietet, bie injwtfdjen
erjebienene fitteratur ju Derwerten. 3m übrigen lagen nod) jablreicbe baub>
f<briftlidje SRotijen be« Jöerfaffcr« Dor: aud) münblicbe Sliißerungen be«felben
bat f afior benu^t.
<Wur auf eine« wiU icb «od) furj eingeben. Unleugbar tritt aud) in
biefem ©anb, ber «unft unb SJolf«litteratur bebanbelt, bie Xenbenj be«$er-
faffer« in greller (Sinfeitigteit Ijeroor. 3n feinem iöeftreben, bie Deformation
al« bie ©ur^el aQe« Übel« biujuüctten, fud)t er ju erweifen, baß feit ibr
unb bnrd) fte aud) in Äunft unb ^itteratur ein aügemeiner Verfall eingetreten
fei. Sie er ba« fünfzehnte ^ob^bunbert früher erbobeu bat, fo fud)t er Jefct
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92
#efpred)ungen
ba« fecbjeljnte ^ahrhunbert überall Jjerunterjiibrüden. 2>afj er babei oieles
ungebührlich lobt unb heftig tabelt, toaS ftbon im fünfzehnten ^abt'hunbrrt
ebenfo fichtbar ifi, baß er Diele? nicht anerfennt, ma« früher ©eleiftete*
übertrifft, ift it)m mieberholt nad)geroiefen worbeu. SIber feine ©egner geben
roteber gu weit, wenn fte ba* fed)&ehnte ^ahrhunbert aüju febr tjerauSjtreidjen
motten. Sßcnigflen« utufj man bie jroeite $älfte beäfelbeu bod) in ber Xfyat
als ein 3eitalter langjamen Ü3erfaü« anfehen. <J« ift ein fehler h&tyttidftt
Äulturbarftellungen, baß fte oerrennen, ba& ber 9tiebergang, ber im 17. 3at>r«
bunbert fo fraß b, er» ortritt, fchon im 16. ^ahrbunbert oorbereitet unb in
feinen ^auptjügen ftcfajbar ifi. Segen Ausgang beSfclben tritt ein oötliger
Äulturroaitbel ein. 3" beS OlorinuS (Ethograpbia, &ie ^anffen mieberholt
gittert, übrigen? falfd) jitiert (Sttjographia, nicht (Stbnographia), blatte er 3. ©.
aud) bie ®emertuug finben tonnen, „wie eö je^unbt in beutfehen i'anben an
moribus oub fttten, {Religion, Äleibung onb ganzem £eben eine groffe meref*
lid?e oercnberuug genommen", Bnfiatt für aUe «Schattenfetten, bie überbie«
nicht alle für ba$ 16. ^afjrbunbert bejonberS djararteriftifd? ftnb, bie töefor.
mation oerantroortlich ju madjen, hätte er beu tieferen Qhüuben jene« Äultur-
roaubel«, ber ftd) langfam oorbereitet unb langjam ooOjiebt, febärfer nad)*
jpüren unb Tie flau entroideln foUeu. Sinige wichtige Momente, ben fremben
QrtnfluB unb baS Überwiegen beS £ofe«, ftreift er ja: aber Ijiei* hätte eS
febärferen 9cad?mcife$ beburft. (£* ^atte bann aud) eine gaitj anbere (Sin*
teilung beS «Stoffes eintreten muffen, eS burften nicht, rote b,ier bie oerfdjiebenen
©ebiete, Äunft, SJoirölittcratur u. f. w., für baS ganje ;$abrhuubert einheitlich
behanbelt werben. ?utt|eiS Qt'xt unb feine uub )einer 3<»tg«noffen Urt ifi mit
ber Srt beS 15. Sabrbuubert« innig oerroanbt, nicht aber bie ßeit unb bie
SDJenfdjen am »uSgang beS 1«. 3abrhunbertS. S>amalS ifi aud) baS (Befühl
beS WiebcrgangeS jicuilid) allgemein empfunben. ÜHU Unrecht roirft man
3anffen oor, bafj bie klagen über bie SJerberbtbeit ber 3clt u- f- ro- überall
oortommeu. 2)aS ifi infofern nidjt richtig, al? fle ju jener $tit befonberS
häufig unb eben d)araftertfiijd) finb. (Öanj unabhängig oon ^anffen unb
auf gauj anbere Oueüen geftüfct, habe id> baSfelbe auch in meiner „(Sefdjidjte
beS beutfehen ©riefe«" uaehgeroiefen.
©eorg Steinhaufen.
Papprty, |Uridj aou Sutten, ©in fcebenöbilb. ^Harburg,
(Slroert 1893.
liefern ©ebriftchen liegt urfprüngltcb. ein Vortrag ju ©runbe, ben ber
93erfaffer 1893 in SBieöbaben titelt, dt to'xü für feinen gelben „in weiteren
.Hreifen ^ntereffe roadjrufen" uub roenbet ftd?, ohne ftd) auf bie (Erörterung
oon Streitfragen einjulaffen, an ba& ,,gebilbete s^ubli(uin im allgemeinen"
unb roill ti ,,bi« ju eittem gerotffeu Srabe einführen in ba$ geiftige ?eben
ber bamaligen 3ett". 2)en Jathgeuoffen auf bem (Gebiete ber humaniftifdjen
^•orfchung tann uub roiü ba« Jöüthleiu alfo teilte Belehrung bieten; aber e«
wirb aud) räum ba« große ^ublihun befriebigeu, uidjt in ber Sharatterifierung
be^> Vf^"1» "0* weniger in ber ber bamaligen 3eit. £ie 3eitt)nung ijt matt
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tfcfprectjuitgen
93
uub leblos, t)ä\l fid) nur au ber Cberflädje. SS feljlt jebe @rupptrmttct.
SWeift fmb eS nur gans flüchtige »emerfuugeu, bie an einzelne 35atrn uub
Jbatcn au« $utteu* ?eben augefnüpft roerbeu. 2)abei ifl bie <Sprad;e oft
übertrieben gegiert uub gefudjt. ©erabeju rounberlidj muten bie häufigen
^e^uguabmen an auf SJerljältniffe uub ©räudje ber je^tgen 3eit (bgl. ©. II,
13, 19, 22, 27), forote bie 3itate au« ©djiUcr uub Ooetlje (©. 22, 38, 46).
Die Srudlegung eines folgen Vortrages crjdjetnt mir jroetf- unb nufctoS.
SKünfier i. SB. Sctmer.
*
Itiibolf CBdtart, i rti r r ri j |i Tttj r öurfldjbrnhmalrr in fibrr-
firijtlirijrr flnrflrilnnn, mit grumten Qnellrnangabrn. (Sin biblio-
grapinfdpo dtepertorium }üt ßJermaniften, nteberbeutföe ö»rad)forfd)er
unb Jreunbe ber nieberbeutidjen Spraye. 3icffelbt, Ofterroircf a.
(68 3. Ser.=8.)
2)ieS toilbe ©ammelfurium fjat fd>on ©teinmrper (Slujeiger für beutjdjrS
Altertum 18, 288) mit roobl angebräunter ©rtjärfe befprocgen. Sin nieber*
beutfdjer ©iebenfdjläfer fdjeint oon 182«— l»i»3 gefcblummert ju baben, tun
alSbanu in aller Sile fidj aufS Obrrflädjlicbjte über bie uh'berbeutfdje ?itteratur
jtt unterrichten. SJaS er eben gelernt, fudjt ber £rrr oon furjem (9ebärin
gleid; n>ieber$ugeben uub forbert bafür einen $baler. Multurbiftoiijdv
intereffaut ift babei böcpftenS bie Jbatfadje, baß in bemfelben 3ab.re, iubem
„«embranbt als Srjiebci" baS i'ob beS Webcrbeutfa>" in aüen louarten
fingt, bie nieberbeiitfdjeu <3prad)benfmälcr für meitc Streife uod) genügeub
terra incognita ftnb, um biefeu »erfudj als loljnenb erfdjeineu $u laffen.
»erlin. SRidjarb 3R. 2Heper.
Ilirbrrbrutffljr $pridjniörirr nnb nolnatnntlidjr $lrHen$artrit.
(Stefammelt unb tyerausöeijeben üou fjlnbolf (Mart. $raun)d)tt»eut,
2lppelf)aus & *Pfennigfitorff 1893. £cp8.
?eb.rreid) nnb luftig *u tefen ift eine ©pridjroörterfammluug immer,
öoHenbS wenn fte aus bem ©tammlanbe beb,aglid)«germanifd)eu SOiutterroibeS
fommt. ®in ©afc roie „jDommelbidj l)öbb ben #ulS gebröd;, tfautfam lefb
nöd)" (©. 82) enthält eine ganje Apologie norbbeutfdjer »aueruroeiSbeit.
Ta% etwas Diel 3?erbeS nnb ÜberberbeS mitläuft, mag man roob,l ber »oU*
ftänbigfeit $u ?iebe überfeinen; a6er baß nur ein bürftigeS ©ortoort flatt einer
öölfcrpfpdjologifdjcn (Einleitung öorauSgefdncft ift, bleibt ju bebauern.
»erlin. »tidjarb SR. 2Reper.
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©rfprrriungrn
Robert Crampr, ^rjUnpalris. (Sin Ijcibnifc^eö Äonocntifel
be$ fiebcuten ^aljrljunbcrtö *u Äonftantiuopel. fyaüc, sJJto£ 3tiemcuer
18**4 (62 e.).
Drr unter brm Hainen bc« Vucian oon ©amofcta itbcrltrfrrtc Dialog
^bilopatri« ifit frbon oielfacb ©egeuftaub tbeologifrber unb pbilologifrier iSf
b'rterung geworben. Seit man rrfantttf, baß rr ntdjt au« ber fteber be«
berühmten ©atprifrr« flamme, bat man bie Derfd)iebenflen ;*abi'b»"berte oon
brm jrcriten bi« ju bem jelutteu uad) einer paffenben Situation burd)fuä)t.
Dabei iß überhaupt flrritig grioorben, roe(d)e« bie Zartem be«felbeu jri.
eine rein potitifebr ober jinglricb eine rrligiöfc, ob ber SJerfaffer für ober gegen
ba« Gbriftentum fänipfe, ob feine ®rgurr al« Reiben anheben ober aber
unter bent bo^en Sleru« ber #auptflabt be« bpjanttnif(ben ffieiebe« ju fudjen
feien. 3. t>. ©utfrbmib bot im fiti. ©rntralblatt 18«8f ©p. 641 f. bie Anfragt
angebeutet, bie ©rbrift fei unter $eracliu« unb jroar jur 3eit oon beffen
erflem ^erferjuge 62^/23 entflanben. (£. fflobbe bat ibm al«balb jugefHuimt
(über $?ucian« ©d)rift Aovxtoi >'} "Oj-oj 1869, ©. 7 «.)• Der öorfefcte $t.
arbeiter ber ©rbrift, flningrr (in bem $iflor. Sabrbud) ber ©örre«gefeflfd>aft
XII, 1891, 464-491. 703-720) rrflärte in einer eingebenben Erörterung
birfe« ©on (SJutfcbmtb nur angebrüteten flufafct« (©. 484): „$n bemfelben
ÜJfafje alfo, wie bie bamalige äufjere Page be« jRridjf * mit bem Dialog faft
oöDig überetitflimmt, fleben mit ibm in ©ibeiiprud) bie bamaligen inneren
^erbältutffe be«felben"; beSroegen glaubt.- ei an ber Datierung in« 10. 3abr
bunbert frflbaltrn ju müffen. Grampe jeigt min in ber oorliegenbeu «b-
banblitng, baß bei einer auberfiarttgeu fluffaffung be« Dialoge« audj bie
inneren 8lrid)«berbä'ltmffe err 3eit be« $eraclin« febr roobl paffen. Die
©ebroirrigfeit liegt bariu, baß ber Dialog jtuei id)einbar miteiuauber niä)t
redjt gufainmenbängrnbr Srilr bat. Der erftr, ein 3ioiegefprädj jroifdjen
einem Reiben ftritia« unb einem Stjtiftiu Diiepbon btent ber &erfpoiiuug
ber antifen (Dotter — ganj in luciauifdjer Lanier - unb läuft au« in bie
Örfebriing be« Reiben ju bem breteiuigeu &on, Mn Uiibefaunten oon fltben.
$n bem ^weiten erjäblt bann ber fceibe feinem ^feiner, tote er in eine gr«
beime HJerfammluug Unjufriebener geraten fei, bie gegen ba« SEBobl be«
Äan'er« ftäute gefoimiebet Ratten. (Jrampe bat roobl rectal, wenn er betont,
baß man eine innere Siubeit auncbmeu müffe, unb baber tu biefen Äou-
fpirirrenbeu nid)t ctiifllidje älrrifer, fonbern einen bribnifrben Oebiimbunb
ftebt, in beu Äritta« eben al« ^ribc fo leisten ffiinlafj faub, oon bem ibn
aber fein 1$atnoii«iuu« trennte, krampe bat für beu Wanjtvei«, bafj ber
erftr Zt\\ in ernftem Sinne gemeint ift unb feine t'erfpottuug be« Sbciftf"
turne« fein roitl, infofern leidjte« Spiel, a!^ «;iiuger frbou jiigegebru bdtte,
baß ber ©pott nitbt in beu ©orten, jonberu nur in Ion unb Vortrag ge-
f urbt roerben föune, eine febr unfidjere "ilu^fliutt. Xro^bcm t)&\te er beu
Öeroei« für birfe ®rnnbtbete \vo\j\ uorb idjlagntber iübien lönneu, roenn
er auf eine genaue ¥ergletduiug be« tJbtlopatii« mit einer äbnltd) ange
legten liiciauijdjeu ©rbtift, etwa ^bilopleube«, eingegangen märe. Der
fpäte iJoifaffer bat l'ucian nidjt nur im großen ©djema (3n>eiieiluttg , 4<er
fpottung ber (Götter iu gan,< gleidjer SBeiie), fonbern bi« in bie (leinfien
Siujelbeiten hinein nad)geabmt, aber gerabe in bem IJIu«, roa* rr bat,
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Beitreibungen
95
unb in ben anberen ©cnbungen, bic er aOem entlebnten (Sute giebt, geigt
ftd; brr total perfdjiebenc 8tanbpunft: ftatt fatprifd)er Negation pofuipe
(Sinfübrung gum Sbriftenglaubcu. An einem fünfte aber bat fiel? ber JBer«
faffer feine Aufgabe in unbegretflidjer Seife eifcbroert. S« ift unglaublich, gu
fagen, aber ein intcreffauter Beitrag gu ben <3pmpiomen moberner ©ibel»
unfenntni«, oon benen ..Tic cbriftüdje SBeli" 1894, 92r. 80 eine gange iKeibe
anführt, baß (einer ber neueren (Erflärer — footcl ich, fct>e — bei bem „©aliläer
mtt fablem Raupte unb groger 9tafe, ber, in ben britten $imme( oergüdt, ba«
Ifödjfic gefebaut bat" (Jrap. 12), ftdj buvd) ba« lefcte Attribut an ben Apoftel
rgautu« bat erinnern nnb bann barauf bat bringen (äffen, baß feit ben Attcn
be« $aulu« unb ber Ztycia (ftap 2) ber fable Äopf unb bie große Wafe gu
beffen ftebenben Äenngcid)en gebären, fcilgenfelb tjat lä'ugfl in feiner (Sin.
leitung in ba« 9*eue Sejiameut, feipgig ltt75, £.216 9t. a, biefe pfeubolucia»
nifdjc Stelle mit ber au« ben Acta Pauli et Theclae nnb einer roobt oaiau«
gesoffenen ©teile bei üfalala« Cbronogr.X gur Ötjaraftcriftil be« ^Jaulu« ju»
fammengefteüt. Die ©egeidjnung ©aliläer mag gleicbbebcutcnb mit Ebtift ffin,
roenu fte nid>t jener oon Jjpieronpmu« ermähnten £rabition entftammt, nad)
welker $aulu« in ©i«cala in ©aliläa geboren mar (f. fcilgenfelb a. a. O.
A. I). SBir fönnen c« babiu gcfteü*t fein laffen, ob ber SJcrfaffer be« $t>ilo-
patri« bic gange ©egebcnljeit in bie apofiolifd>c 3cit frbieben woüte, um fo
etroa feine Arbeit oon Anfang au fidjerer unter Pucian« Hainen ftelleu gu
tonnen; roie untlar man fpätrr über bie Ausbeutung be« apoftolifrben 3fl1*
alter« mar, geigen genug ©teilen, roorin 3rcnau« u. a. al« Apoftclfdjiller
begeidntet rourbe. $iergu mürbe aneb ber unbefannte ©Ott in Athen, ber
befanntlid) einer flfebe ce« paulu« feine ©ebeutung für ba« cbriftlicbe Deuten
oerbanft, gut ftimmeu Die mabreu 3eitoerbältuiffe blieben immer nod)
beutlidj genug, um ben oon (Jrampe roobl mit SHedH angenommenen 3roed
einer Denungiation möglid) erfdjeinen gu laffen. öielleicbt tjat ber Serfaffer
aud) nur bie tppifdjen 3üge be« $au(u« eutlebnt für ben d>riftlia>eu ?cbrer,
ben er brauste. ^ebenfatl« ift flar, baß fte feineu £>obu auf ba« (Sbrifteutum
bebeutrn tonnen. (Serabc im 3l|fammenb.ange mit unferer Auffaffung, baß
ber iBerfaffer oiellcidjt bem Dialog £a« ©eroaub einer längft Pcrgaugeuen
3eit babe geben tooUen, tönntc man fagen, baß audj ber gange erfte Deil
oielletdjt nur au« i'uetau cntlebnte Crinfleibung fei, bie an bie alten Apologeten
erinnern foOte. Dagegen aber fpridjt ber Ditel — aud) etroa«, roa« Grampe
gang außer Adjt gelaffcn bat — , ber in lucianifdjcr SBJcife eigentlich au« groei
Xiteln befteb, t <fi).dnari>t<; J AiAuaxiutn o^, „ber ^atvioi" ober „ber ^elebrtc".
©anj wie in ben oorbilblidjcn Dialogen „ber ?ügenfrcunb ober ber Wn-
gläubige" ift bamit ein boppeltcr 3°balt be« «Stüde« bejeiebnet, al« Patri-
oten geigen ftdj Driepf^ou unb jfritia« im groeiten Deile, belehrt aber
mirb Äritia« im erfien Dcit Pon Xriepbon, b. b- gum (£b"fleutum befebrt.
©o iutereffant ftbon fultur- unb litterargefcbid?tlicb bic Übernahme eine« gang
lucianidjen ©d)ema« oon ebriftlicber Seite gur SBetämpfung be« ^eibentum«
ift, fo ift boeb roiebtiger tjicr ba« «cfultat Srampc«, baß e« im 7. 3abrf?unbert
nod) eine große „altgläubige" ©emeinbe in ber .£>auptftabt fclbft gegeben bat.
(£r fd;ilbert biefc im 2. Map. genau , nad)bem er norb anbere 3cimniffe für
Auftreten be« $eibentum« in batnaligcr $c'\t gcfantinelt bat. Da« stonpen-
tifel roar geleitet Pon ^bilofopb,en, b,obe Staatsbeamte fogar nahmen baran
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96
Oefprrchungen
leil, bie Waffe aber gehörte ben unteren tinb mittleren $olf«fchichten an.
Da« grmeinfaine iBanb war bie treue Verehrung ber (Götter, Derbuubcu mit
einem in jener bedrängten 3fit ia Jfi#t begreiflichen Politiken 4J}efftmi«niii$.
Die Hoffnungen waren auf ben ^erferfönig IJho«roe« II gerietet, ber uiebt
nur materiellen Soblftaub bi« ju orienialifchem Überftufj bringen, folgern
bor allem aud) bem alten (Stauben Dutbung, ja Vorrechte gewähren wüte.
Bo ergeht ftch biefer {Äetjeiiiibunb in bem «ugenblicfe, reo ber itaifer gegen
bie Werfer gu ftflbe liegt, in SNuichen für ben Grbfeinb, unb biefe taube««
oerräterifdje ©eftnnung ift e«, welche ber Öerfaffer braubmarfen uub bic er
burdj ben am ©chlufj fet)r getieft angebrachten £>inmei« auf ben ©teg be« ttaifer«
ftrafen will. Die (frfdjeinnng foldjer Schwärmer, toeldje, mit ädern ©eftet)en-
ben ungufrieben, eine golbeue Qtit l>erbeifet>nen, ift ja (einer 3eit fremb, auch
baß fie bie SJcrmirilicbung it)rer Hoffnungen oon einer ftaat*ffinblid)en
ÜZRacht erwarten, unb wie ftd> im einzelnen ihre träume au*geftalteu, ift febr
lebenswahr für aüe Seiten bargri'teHt. 35a« eigenartige biefe« ©Übe« aber
ift bie SJerbinbung be« politifdjen, fokalen mit bem religiöfen Clement: ba§
wir ht'r j"glf'<h ritt lefcte« i'eben«geicheu be« rrfterbenben, nur burch bie
Siege ber $erfer zeitweilig wieber belebten Heibentum« in feiner gangen
$ertommrnhcit in magifcher ©uperftition bor un« hoben. <£« ift ein ent»
fchiebenefl ÜJerbienft oon Srampe, ba« beutlich an« ?id>t gefteüt gu haben.
$om uächftru Hefte an werben wir neben ber Überficht über ueue Stuf-
fä|jc in v^eitfebriften auch eine bibliograpfciftbr ^iiiautmcnftelluitg
oon ueuerichicneueti, in uufer (Sebiet gehörigen Ö lieh er n bringen.
Die Mebatiion.
o. Dobjcbü!?.
3nr $totij.
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i:otcnßrcttcr im ßat)erifd)en ^5al'öc,
mit ISorttcftficftfiflunß ber ^otcnßrcttcr
überhaupt.
Von (Dito Hieb er.
(®*lu&.)
hieben ben oerfchiebenften fiebendaltern bei Verheirateten nrie
^ebigen, lefetere alö „Jungfrauen" unb „Jünglinge"70) bezeichnet,
treten bie burä) ©efifcftanb unb fechte fo fcharf gefdnebenen
bäuerlichen SWangftufen beroor, oom üBauer unb ber öäuerin
biö 3um Selbner unb &äuöler, bie blofe eine Selbe, ein bürftiges
Baustein mit Kärtchen unb ^Öd^fteuo ein paar £agioerten gelb
ihr eigen nennen, unb oon biefen weiter bi« ju ben „Jmoohnern"
ober „iiogiflleuten", fo genannt, toeil fie lebiglicb in eined Stnberen
$aufe roohnen, nämlich bei dauern, benen fie bafür aufjer einem ge-
ring bemeffenen 3)?ietgelb (jährlich biö ca. 20 s])tarf) allerlei bäuerliche
Hantierung oerrichten müifen. Sie machen faft überall bie jahl*
reichfte SUaffe ber ©eoölferung aus. 2luch bas ©eioerbe ftellt auf
ben Brettern fein, wenn auch fchroacheä, Äontingent. £ierju fommen,
roie in ber öeamtemoelt, eine Weihe penfionierter, jur 9iul)e gefefcter
") XaS ©ort 3üngling qcrjt in ber ©ottifprad^e fiel« auf ben unber-
mahlten äRann, ifi alfo gleidj uuferrm 3unggrfeQen unb wirb bemenrfpre$enb
bi« jur l>ö$flen Älter« flufe angettenbet. (fbenfo in ben lllpen; bgt. SHüder«
oben girierter Kuffaty in ber Sflgem. 3«tun9» HI. ©djmellrpftrommann«
»anertf$e« ©örterbu<$ fennt jebo<b, bto* ba« SBort 3ungl)err in jenem Sinne
(I, 1908).
•}ritf<trift Hhr ilMitiiracidjiditc. IL 7
98 Otto Weber, Soteubretter im batterifäen SBalbe.
iieute; eö ftnb Diejenigen, welche in ber „3tu$nam" ober im „2lu&
trag" leben: 33auern unb Bäuerinnen, £äuäler unb Selbner (aud)
„2lu$naf)m$gaftgeber" u. bergü, nadjbem fie wegen Sllterö ober
anberer Slnläffe s*Beftfetum unb 3Jed)te an ßinber ober Ükrtoanbte
abgetreten unb fidfj für ben ^Heft it)rer Tage nur bie einfache 28olj-
nung mit gennffen Shifeme&ungen , Äoft, .Üleibung 2c, oorbefjalten
tjaben 6ämtlid)e ^erfonen werben sugleid) nicfyt oljne eigene
tümlidje ^ßräbifate eingeführt, wie fie aud) auf ©rabfreujen oorju^
fommen pflegen, <£rroad)iene unb Verheiratete feigen geroöfjnlid)
el)rengead)tet, efjrfam ober etjrbar. 3ungfrauen unb „3ünglmge"
tugenbfam unb tugenbreid), ja ebrentugenbreid), fet>r eJjr; unb tugenfc
fam72), ober aud) adjtbar, flehte tfinber meift unfdmlbig, feltener
tjoffnungdooll ; einmal roirb ein erft anbertt>albjäljrigeö ftnablein fa)on
„tugenbreid)" qualifiziert (in Simpering bei &ol)enn)artf)). — 91aa)
ben ^erfonal- unb fonftigen 9iotijen (Empfang ber Sterbefafra^
mente, Slngabe ber £obeöurfadje ic. 2c) folgt nid^t feiten ein
Verä, womit wir uns nod) befonber« befepftigen müffen. 2)en
Sdjlufj ber ^nfc^rift pflegt baß befannte, ben römifdjen ©rabfdjriften
entnommene R. I. P. (requiescat in pace: er rulje in grieben!)
71) $gl. ©tfcmefler.ftrommanu I, 655 unb 1742. $n weittjin gültiger
Seife $arafteriftert bie ©erljältniffe eine ftatifHfd>.topograpl»fc$e ©efäreibung
be« ?anbgerid)t« SBolfftein oon 1880, ©.27: „$eber 5Bauernb>f b,ot au$ ein
gefonberte» tRab.rungö- ober $u$trag«l)au« für bie 3*it, wo bi* alternben
(Eltern einem ©otyne ober einer £odjter ba« Slnmefen Übergeben." $i« babin
roirb jene« $au£ geroöl)nlic$ einem „3nmann" gu billiger SRiete überladen
(3ob^. SB. SRegner, 5Der ©albler in ©ittc unb ©prad)e, im Unterl?altung«blatt
$ur fcug«burger $oft*eitung 1891, ©. 619 f.). ©eorg ©infler jieb,t in feiner
„lopograpbjfäen, f>iftorifd>-ftatiftifd>en ©djilberung be* ^forr- Sprengel*
<Et)ing (jefet (Sewing g einrieben), eanbgeri^t« ?anb«tjut" (SJerljanblungen
be« tytftor. «erein« für Wieberbaoern, Sb. III, £eft 2, 1858, ©. 85) folgenbf
^araflele: „3m ©ebirge finbet fieb, bei jebem #ofe ein fogen. ßutyau*, beftimmt
jur Sufnafyme ber ?lu«trag$leute; t)ier ju ?anbe ift ba« „©tübl" für biefen
3roe<f; biefe« ©tübl, in ©$roaben ©tüble, gef)t burety ganj Oberbeutfdjlanb."
Unb Äetjnlidjc« teilt ^reib^err oon ?eopred)ttng au« bem ?e$rain (1855,
©. 226 f.) mit: „$inten am fcaufe ift ba« WrÜnbftübl angebaut, «ine fleine
©tubc mit einem Ääminerl, manchmal and) einer Ättdje, bient biefer «nbau
jur ©ob,nung ber (Eltern, meldte bem ©ob,ne ober ber £o$ter ba* ®ut über-
geben fcoben. ©ei Säuern finbet fia? roorjl aud) ein eigene« $fiu«l für »u*«
trägler; biefe« ift bann aud) jmeigäbig."
'») Cinen e^renjücb; tigen 3unggefeUen (t 1884) nennt ein SRarterl
31t $ur in lirol (0. #örmann, ©rabfa^riften unb äRarterlen II, 178). —
«Ratürüä) gehören bie bemerken ^räbitate für bäuerliche «reife einer Oer-
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mit ©erücfficbthiung fer Xotenbretter überhaupt
99
ju madKm. $aran retyt fuf) allenfalls bae Sexten beö ^eiligen
Äreujeö, bas bei fielen Brettern aud) an ber Spifce ftefyt. 3n lefc=
terem $atte figuriert am ttfufigften bao lateinifa> ober ^affionöfreuj,
beffen ©nben balb in einfache ßden, balb in Äleeblattformen aus*
laufen, 3)2ancbma( nimmt ein ftarfeö, langgejogeneö ben größten
Xeü beo oerfügbaren Waumeö ein, ja oerbrängt fogar jebe ^nffription.
39ei ©ifenftein erfd>eint ein boppelteä, ein fogen. ^atriara)en=, 5tarbinals=
ober erjbifdjöflidjeö Äreuj tnpifd), bao unter ben beiben Ouerbalfen
merfroürbigerroeife breimal mit feinen S-förmigen ^ogenlinien bura>
fdmitten roirb 73). ®an$ eigenartig ift bie £>arftellung eines BoäeU
freujeä jiuifdien $n>ei Räumen auf einem Brette ju Slam*, $u beiben
Seiten mit einem ^orbanac brapiert 14). Bei fleiner gehaltenen
Äreujen fteben oft mehrere Mammen, namentlid) am Sdjluffe, be-
fonbers gern brei in ftreiedoftellung. l*o finb aber bann meift
gleicharmige Äreujdjen, aud) fogenannte breitenbige, juroeilen mit
Äreiöbogen fonftruiert unb oon einer ^eripljerie eingefaßt. 35ie
#arbe ber tfreuje ift regelmäßig fdnoarj; bei ©ifenftein foDen jebod)
grün unb blau angeftridjene Fretter mit roeijjcm Äreujc oorfommen 75),
unb in fiambad) traf £ein ein Sörett mit brei rot aufgemalten,
tu einer oertifalen fcinie fteljenben Äreujen. Sinb lefetere eingefdmitten,
fo reiben fie fid) entmeber in einer töeraben unter ober neben
einanber, ober im ftreied, wobei aud) bie ^orm beß 2lnbreaa;
freujeö gewägt wirb '•). — Statt beö .Ureu^eö trifft man »ereinjelt
unb geroötmlid) oben bie erften brei iBudjftaben bes 9tomens $efu
mit griednfa) ge|"d)ricbenem 3Hittel5eia>n , meiere befanntltd) als
Jesus Hominum Salvator, In Hoc Signo unb anberö gebeutet
roorben finb. tiefes Sonogramm CSt>rifti aber finbet fid) auf ben
Xotcnbrcttem ftete mit einem bem H aufgefegten itreu$d)en, alfo
in einer JBerbiubung, mela> feit 1541 bas Siegel unb Drben^eidjen
bältniömäfjig jpäten 3ett an. i?ieß ja in $ranbenburg«$anreutb, erfl bat
XitutatupWeglement Ojeorg ©ttyelm* üon 1719 für bie SJilrger „wob^e&rbar",
für bie Bauern „ehrbar" ju. „«iel tugenbfam", „wo&lebr- unb tugenbretay
gebrauchte man nod) im 16., ja 17. ^abr^unbert augfcbliefjlicb, bon abeltgen
$erfonen. («gl. baju meine ®efd). b. 2). ©riefe« II, ©. 61. 2>er Herausgeber.)
T») ^ein, a. a. O. ©. 88 f.
") (Sbenba 6. 89 unb Xafel II, ftigur 20.
granj $öQrigl, «u* bem ©itymermalbe. <ünebeutfd).böb,mifd)e 3fab,rt.
©ien, «erlag ber „Deutfdjen 3eitung" 1884.
7i) $ein, 1. c. ©. 87, mit ben Äbbilbungeu jroeier »retter ju
Cg^erS» unb Daxenberg.
7*
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100
Otto Weber, £oteubretter im baoertfdjen ©albe,
ber 3efuiten barftellt 77). 3um erftcnmal erblicfte ich baäfelbe bei
Sbwrieb, am gufce beö $ot)enbogen, unb von ba bes öfteren bis
Jvurth ; anberötoo erinnere ich mich md)t, eä gefefjen $u haben 78). —
$)aö an ©ebänben nicht ungewöhnliche Flavia Sonogramm bot fia)
mir nur ein einziges 3Ral umoeit Äaofing auf einem oon acht unter
einem mächtigen &ol$birnbaum aufgehellten Brettern.
Dieben ben angegebenen 3nffriptioneu, ber rein graphiföen
Seite, fommen auch Malereien von bem oerfduebenften Umfange
üor. 3luf ber nieberften Stufe flehen Weiterungen unb Schnörfel
aller 2lrt, 33latt- unb Blumen jroeige ober lölumenguirlanben, meift
eine ober mehrere blaffe ftofen barftellenb. ©in Zeichenbrett $u fließ
bei iiam o. 3. 1860 läuft in einen iölumenforb mit Überquellenben
hochroten iHofen aus. (*iue berartige 2lu$fägung ift feiten unb nur
bem älteren Stil eigen. ®en £öbepunft folcb bäuerlicher 5lunft
Dalben jene ©emälbe, welche fjenifche $>arftellungen miebergeben.
$iele berfelben nehmen fich gar nicht übel auö, unb boct) fteeft weit
feltener ein gefchulter SWaler bahinter, alö ein fimpler $)orffchreiner
ober aüenfaEö ber Jafemaler 7r), ber neben bem öefchreiben ber
®rabfreu$e auch iene Malereien übernimmt. 2ln etlichen Orten,
3. 33. £am, eriftieren eigene 2)toler bafür, unb fyitx foU bie r»oH=
ftänbige 3urici)tung eines Sretteö einige SRarf foften 80). $ie
fchönften (£r$eugmffe biefer 2lrt fielen mir jtoifchen bem fleiteröberg
") Sluguft $>emmin unb 0«far 2RoU)e«, $anbbu(fc. ber bilbenben unb
gern erblichen Äilnfie, ©anb I: ©ncojlopä'bie brr @d>riften- unb ©ilberfunbe k.
©. 176. — Itjeologifcfce« Unioerfallertfon jum $anbgebraud>e für ©tifllt^e
unb gebttbete Wicbttheologen, (Elberfelb 1874, I, 704.
§ein bringt unter feinen Slbbilbungen eine* ju ÜRabenflein
unb bie übrigen ©eifpiele au« ©öljmen: 1 ju SRatfd>in unb 3 au« bem ^farr«
fprengel Heumar! (Xafel IT, 9?r. 8 unb 23, Xert ©. 88 f ), in roelcb lefcterem
ba« SWonogramm in ber unterflen Abteilung au« einem $alb!reife oon Sotten
b,erau«leucb.tet, unb ermahnt, baß bie ©uebfiaben IHS aueb. im ©alaburgifa)en
oft auf ben Xotenbrcttern eingefdjnitten feien (3. 99).
*•) ©0 genannt oon bem 3cilN>ort fafftn = böljerne ober gppfene jc
®cgenfiänbe, Heiligenfiguren jc. mit ftarbe überjieljen, bemalen, anflreicben
(5d)mcHer*5rommann I, 765).
••) Qm ^farrfprengel Weumarf, ber bie prunfoollften lotenbretter in
©btymen aufroeifl — am oberen @nbe regelmä&ig ein Ärujifq:, barunter bie
©orte: Bater! (f« ift ooübracbj — %atyt man baflir 3 bi« 4 öflerreic$ifa>e
(Bulben, in jammern unb ®rün bei oiel ärmlicherer *u«ftattung '/» &i*
l Oulben unb im benachbarten Sepolbotoifc gar nur etlidje Äreujer
<.f>ein, a. a. O. ©. 88 f. unb 97, unb bie fcbbilbungeu auf £afel II,
Nr. 12-15).
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mit »ertictfidjtigung ber fcotenbretter fiberbaupt
101
unb §of)enbogen tnö 2luge, um Untersettling, &ol)enioartf), Ottenau"
unb $aibül)l im Xlmle be$ weiften diesen, inöbefonbere bei bem
füblid) baoon gelegenen, roalb= unb mafferumraufa^ten Dttmanns$ell,
wo bie äufterft frifcf)en unb lebenbigen, foft fünftlerifdjen Arbeiten
»on einem Sdf)reiner in ^paibü^l f)errüf)ren. — ©er f)äuftgfte Vor-
wurf ift baß ©eleite ber oom £eibe abgetriebenen Seele burdj einen
ßngel. ©ie geftorbene ^3erfon, Wann, SBeib ober ßinb, mit Slußnafjme
ber ftetö weift gefleibeten 9Jtäbd)en unb Jungfrauen fdjwarj ange-
jogen, tniet ober ftetjt mit gefalteten £anben im Sßorbergrunbe, alfi
ob fie nod) lebte; auf bem Raupte ein fd)war$e$ ßreujlein als
^obeöjeüijen 81). $5af)inter ober jur Seite ein (£ngel, ber fie in ber
9?egcl auö bem mit SUorfyängen brapierten Sterbegemadje fyerauö
füt>rt. $)iefe finnige, ajriftlidje 2luffaffung fjat fdjon im §eibentum
eine Analogie oon überrafdjenber 2let)nlid)feit. 3afob ©rimm82)
f leibet fie in bie frönen 2öorte: „$)em Altertum mar ber Xob fein
tötenbefi SBefen, bloß ein in bie Unterwelt abfjolenbes, geleitenbed,
£)er %ot> trat alö93ote einer ©Ott f) ei t auf, Ü)r bie abgef Rieben.
Seele jujufu^ren. Sterben wirb burd) feine ©rfdjeinung angefünbigte
nidjt oerurfaddt. So fjat in jenem 3Jcärdjen ber Xobeöengel bem
Äinbe bie Slumenfnofpe gegeben; menn fie erblüht fei, wolle er
roteberfommen. — £ter$u ftimmt bie jübifa>, oom <5f)riftentum bei-
behaltene ^orfteUung: beö armen üJtonnefi Seele wirb oonßngeln
© o 1 1 e 8 a b g ef) o 1 1 unb in 2lbraf)amö Sdwft gerragen (£uc. 1 6,22). " 8S)
") 2)aöfelbe trogen bie «erunglüdten auf ben SWarteln im «Ipenlanbe
{St. ©ruber, Marterl unb Xaferl, in ber 3eitfc^rHt beö 2)eutfd>en unb
Oeflerretdnfdjen Sllpenoereind , 1888, S. 129). 3" *>e" ©ein&äufern ber
ftreiU)öfe im ?ed)rain werben fämtlidje £otenfd)äbel mit fdjroarjen Äreujen
auf ber ©tirne, oft aueb. mit bem tarnen beS oormaligen $eft&er3 be«
fd) rieben (o. ?copred)ting, 1. c, ©. 256).
") 2)eutfd>e SWotljoIogie, 2. »uSgabe, (Böttingen 1844, ©anb II,
@eite 799 (Stop. XXVÜ).
•») 2>ie pb.rung burdj einen (Engel finbet bisweilen poetifdjen Buflbrucf.
hierfür amei «eifpiele au* ber tiroler Blpenroelt (®rabfd>rift unb
SHarterlen II, 14 u. 175). $n $ur bie 3njd)rift : „$tcr ru&et ber unfdjufbige
ftnabe 91. 9i. , er mar geboren 1871, unb am 9. äpril 1875 mürbe er oon
feinem (Engel bem fjimmltfdjen SBaterlanbe jugefütyrt unb jum @d)ä'fer
beS göttlichen flamme« befleflt." 91uf einem SRartert im Unterinntfyat, „furj
üor bem ©olberbab", lautet bie lefete ©tropfe eine* längeren Oebidjt«
Drum benfe oft an Xob unb ®rab,
befleiß biaj, fromm gu leben,
SDann fcolen bid) einfl «ngel ab
3u einem befferu ^eben.
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102
Otto SRteber, $otenbrettet im batjerifäen ©albe,
3a nod) fyeute fafet baö gemeine Solf ben £ob als blofeen
Soten auf, ber bie 9Kcnfd)en nid)t tötet, foubern fic nur abholt jur
Unterwelt8*). Sterben unfcbulbige tfinblctn, fo betrautet man
fie felbft rote (leine ©ngel — „benn tyrer ift baö £immelreid)",
fagt Gljrifiu* fo fa;ön ((So. 3)?artf). 19,14). Sei il)rem $infd)eiben
tritt in Steiermarf baö fonft übUd^e Sterbgelaute nid)t ein, ba eö
im Gimmel beforgt roirb; tyre Seelen „fommen ja com 9Hunb auf
in ben Gimmel unb roerben fogleid) (£ngel" *5). Sletmlidj in £irol.
X>ort f)ört man über aufgebahrte, befonberd freunblid) herausgeputzte
ftinbesletdjen, refp. bie betreffenben (Sltern jagen: $)a unb bort
„f>aben fie einen <£ngel im &aus" ober „bie ^aben ein (Sngele
'friegt". 3Mc fieute galten es besfwlb für oortetlfmft, nad) einem
Äinbe itjrer Serroanbtfdjaft $u fterben, roeil ein fol<$es ftd)er ben
3ßeg jum Gimmel bereite 86). — Seltener als im Sorbergrunb eines
Limmers roirb bie oerftorbene ^jßerfon jroifdjen Säumen auf grünen
hatten abgebilbet, in biefem gaUe meift olme ßngelsgeleite. ©e=
werbliche Attribute fügt man nur ausnaf)msroeife bei : in ber 9tä(>e oon
§of)enroartf) , auf einem fdron ganj alt ausfehenben , aber erft oon
1876 batierenben Srette für einen „Scfmeibfag; (fäg) meiftersfofm",
fiet)t man jroei aihi^lräber; auf einem anberen für einen 2Bagner=
meifter ein 9iab mit jroei gefreujten Seilen. 3u Sobenmais beutet
eine Srejel aroifdjen einem 3luge (Rottes unb einer abgelaufenen
Sanbuf)r auf eine Satferin 87). lieber ber Szenerie blieft häufig
bas 2luge ©ottes in bem bekannten, bie $reieinigfeit fumboltfterenben
$>rciecf ^emieber (ugl. S. 74) 88). tiefes 2luge gefeilt fidj manchmal
$u einer Slumenguirlanbe , ja eö fommt in oergröfjerter Jorm aua)
allein über ber 3nfd)rift cor 8fl). — 2lufjer ber ^erfonenbarftellung
mit ober otjne Sdmfeengel trifft man, jebod) roeit fpärlidjer, bas
•*) ftr. @$bnmctt$, Hu* ber Obcrpfalj. ©itten unb ©eigen. 8. Seil
(«ugSbutg 1859), ©eite 8.
•*) 2)a§ SolISteben in ©teiermarf , in <£f)atattet« unb @tttenbi(betn
bargefleUt Don St. «ofegger, ®ra$ 1875: I. $anb, «Seite 178 f.
M) Subwtg o. $örmann, lob unb ©egräbni« in ben fUptn, loc. cit
Wt. 256.
") «bbilbung bei $ein, fcafet III, ftigur 8.
••) „(Jin überall üorfommenbe« , gern gebrauste* SKotio." Wfibere«
barüber bei $ein a. a. D., @. 90.
") «ueb biet fnüpft bie $oefte an. «uf einem »ilbflbdl im nörbli$en
©tetermarf, bei bem 33auernbofe Waninger 311 $interroilbalöen am fti!§e be*
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mit >BcriicfftciHia,ung ber Xotenbretter überhaupt
103
Öilb bes Sdmfepatronö felbft. $er ^eilige, auf beifen Namen ber
Xote getauft ift, wirb geroöbnlid) im 33ruftbilbe mit ben {jer=
fömmlid)en Attributen gemalt, morauo ber Äenner, aud) olme noä)
ben Vornamen aus ber ^nf^rift gelefen ju tyaben, biefen unfdjroer
erraten fann. 60 fat» id) ben ÜHäbruater ^ofef mit bem iStyriftrtnb,
bie ^eiligen J^ranj Xaver, Söolfgang, 8t. Öeorg mit bem Dradjen
(Unteren in ganjer Darftellung), Barbara, ftranjisfa, Äatf)arina unb
anbere. G^arafteriftifd) erfdjeint bieö befonberfi für Söobenmate, roo,
nrie in ftlanife unb um ben fcamer SBinfel, Söemalung unb ard>i=
teftonifd> 2tuflftattung iljren ftö&epunft erreichen. 5iur fel;r uereinjelt
fmb Heiligenfiguren in £ol$ gefdjmfct unb bemalt (eine tjeilige Barbara
unmittelbar »or £obenn>artb); ebenfo feiten90) bem Brette nid)t
aufgemalte, fonbem aufgenagelte Silber (bie ^eilige Anna mit 3Raria
an einem Stabel bei ftöfctiug), beögleidjen Ölecbgegenftänbe, 3. 23. ein
Crucifixus (olme ftreuj) unb ein fleiner Xotenfopf auf etlidjen
örettern uor S3anrifd)'©ifenftein unb ein aHeffingfrujifij auf einem
örett ju »rberl)ütte 9l).
Der abftofjenbften iHepräfentation bed Xobed, bem bobläugigen,
auf $roei mürben, gefreuten Änoä)en rubenben <Sd)äbel, begegnet
man aud) im ©emälbe, aber glütflid>erroeifc nid)t gar oft. 3)aö
SHolfdgemüt nimmt bie Sadje gern r»on ber fünften Seite, liebt
alfo weit met)r baö tjeqerljebenbe ßngelßgcleite unb äfmlidje trofc
^ocbföwab, flefjt unter ber Bbbilbung Don ©otte« Huge ber «er« (®rab<
Triften u. SRarterlen II, 112):
D SHenfä, betraft' ba» ®otte« «ug\
3)a* bieb mit beinet @ünb* anfttaut.
(Sine merfroOrbige Serfinnbilbliibung bat bie[e £bee in ber $au««
etnrt<fetnng im 3)rautb,ate erhalten. 3>ie fogenannte fflaucbfuibe ober Äftd)e,
ber SRitteljmntt be« ganjen $auff«, jeigt mitten über ben jnjei ber Xffürt
jugewanbten genfiern ein ganj Heine« britte«, ba« in ber Kegel fo j>ocb
an gebraut iß, bafj man nt(bt IjutauSfetjen fann. $n mannen Orten wirb
baSfelbe nodj tyvHt beim lobe eine« SRenfdjen geöffnet, um ber ©eefe al«
Ausgang ju bienen. £)er b»« aufgebaute Peitbnam fommt mit bem Äopfe
flet« unter jene« genfterdjen ju liegen (3eiM^«ft für beutfdje 2ßptbologie unb
©ittentunbe, begrünbet ton 3. ?B. SBolf, «anb IV 1859, «Seite 411 f.:
33 0 If «Überlieferungen au« Äärntben).
••) SRit einziger 9u«nabme, mie e« fa)etnt, oon $obenmat«, wo nameutlid)
bei ben oben gerabe abgefd)uittenen Srettern mit 2)ruderfcbmärje b^rgeflrdte
Silber in einen »ieredigen 8lab;men eingeMebt werben. $etn, loc. cit.
e. 90—93. Sgl. ftityter, a. a. O.
••) «bgebilbet bei ^eiu 1. c, lafel III, gigur 10.
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\
104 Otto «ieber, fcotenbretter im baöerifüVn ©albe,
ooUe ©eranfdjaulidjungen. <£inige 3Rale finbet fid^ beibeö 5ufammen :
oben ein <£ngcl als ©ilb ber Hoffnung bco ewigen , feiigen Gebens,
barunter jeneö Smnbol ber irbifa^en Sluflöfung in 3Wober und
Staub, ©onj einzigartig ift ber mit grünem Äranj umnmnbene
Xotenfopf, rooburdj bie oon ber iUuferftefmngdljoffnung umranfte
©enoefung finnooU jur ©rfdiemung fommt. 3$ traf bie eigene
tümlidie gorm nur an einem alten ÄapeUa^en oor Älefe, roo eines
ber anlelmenben £otenbretter oom 3a^re 1842 — nebenbei bemerft,
ba« ältefte, baö icty ju ©efia)t befommen 9i) — jugleia) in ber am
gebeuteten @eftalt auögefägt ift. Obwohl bereits über ein falbes
3af)r(mnbert ftetyenb, befinbet fia) biefes 53rctt nodj in fe^r be^
friebigenbem 3uftanbe. gu Dcn uereinaelten gehören nodj ^Malereien,
bie ben £ob in mittelalterlicher ^erfonififarion, ben fogenannteit
rippent)aften Xob, ober in antifer SBeife jur 3>arftettung bringen.
(Sin paar fyunbert Schritte roeftltdj oon ber „#ofmarf ©auerifa>
(Sifenftein", an ber Strafje nad) Sommerau, roo linfd ein Sträfccben
baoon abjroeigt, ftel>t in (#efellfcf>aft jroeier anberer ein Seidjenbrett,
auf roeldjem eine Jungfrau in blauem Äleibe oom Totengerippe an
ber Schulter gefaßt roirb, mit ber 3"Wnft: „2iuf biefem ©rette
ruljte bie tugenbfame 3ungfrau" :c. 3lntifeö ©mpftnben bagegeit
atmet ein ©emdlbe auf einem ©rette furj oor ^Reitenftem, bad mit
oielen anberen auf einem §ügel $ur Üinfen am 2öege ftdj ergebt:
im ©orbergrunbe ein Xobeögeniuä , baö tfyränenbe linte Sluge mit
bem Hantel fid) trocfnenb, mit ber -Helten bie brennenbe gadel auf
ben ©oben ftofjenb; im 2)tittelgrunbe ein r)o^ed, puramibenartiges
Steinbenfmal mit einem Äreuje; balnnter eine Xrauerroeibe.
2lud) Sanbufjren alö ©innbilb ber ©ergänglid&feit, foroie
geroölmlidje Umreit, bereu 3*8** bie Stunbe befi eingetretenen
Xobe« angeben, werben, aber nur meljr feiten, angetroffen 9S).
•') 3)a$ jweitältefle , oon 1843, bemertte $ein gu ^obeninai« (ab*
gebilbet o. o. O., Eafel III, ftigur 8).
••) Äöbjer unb t. «ein&arbfiöttner a. a. O.; $ein, ©. 88. Sgl.
$artmann, ©ttten unb <8ebräud>e, @. 229, «nb Über bie ©anbufcr in ben
Blpen flWütter, 1. c. I. darauf bejiety ftd> roob,l ber Don $artmann (©. 230)
mitgeteilte »et«:
<Sie&' an bie Uljr unb jag' mir an,
3u melier ©tunb' man ntü^t ßerben tann!
Derfelbe fle&t au$ auf einem Äreuje mit abgemalter Uljr au bem
SBege oon $abern naa> SWaria-Cicb (*Wo8, $n brn Soralprn, 317). 3m
^Öbmerroalbe nad) $ein, 96, nirgenb* Oertreten.
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mit ©erflcfftdjtigung ber totenbretter überhaupt
105
2öir wollen nunmehr bie bichterifdje Seite in« Auge faffen, bie
fich, wenn aud; auf ber SRinberjahl ber Fretter, immerhin auf oielen
funbgiebt. $a« poetifch angelegte £*olf, ba« eine grojje SWenge au«
feinem Schofee hervorgegangener fangbarer lieber befifct unb in ben
nerfifcben „Sdmobahüpfln" felbft bie 6tegreifbichtung nicht ungefdncft
pflegt94), liebt es, auch bei traurigen Anläffen feine ©efityle unb
©ebanfen in gebunbener 2iebe aussprechen. Manche Meinte finb
non Angehörigen, iterroanbten ober greunben be« Xoten, ja oon
biefem felber noch oor feinem £mfa)eiben angegeben, unb roenn mir
auch au« bem banerifchen SBalbe nicht birefte Belege h<*b<m, fo fpridjt
fc^on bie Analogie au« bem oenoanbten Alpengebiete bafür •*). $et
befferen Herfen freilich ftecft ftatt be« gewöhnlichen Cannes aus bem
itolfe ^äufig ber ©eiftlidje ober Lehrer bafjinter, beffen Aushilfe
erbeten wirb unb ber feine fjöfjere 33ilbung in ber 9iegel burd)
ibealeren ©chwung, ebleren AuSbruc!, gefeiltere Jormen oerrdt.
Sticht wenige, in ber 2t)at treffliche s^robufte laffen fid) faft nur
aus einem folgen Urfprung erfldren, n>ofem fie nicht aus bem
©ef angbuch unb fonftigen (SrbauungSbüchern ober au« einfchlägigen
Sammlungen entlehnt finb. Dft mu& ber fcorffchreiner jur Malerei
unb 3ttfd>rift auch noch Den ^erö beforgen 96). 3ft er etwas
poetifch angehaucht, fo macht er entmeber einen neuen, ober er
mobelt auch ben einen ober anbem au« feinem Vorrat in bie bem
•*) ©rueber unb äRtttter, 3>er baoeriföe ©alb (©ö&mermalb). 3»eite
fe$r oermeb>te «u«gobe, ©. 64—66. «gl. $riebri(b $ofmann« ,,«unb'
f$au über bie ©c&naberljttpfl' tfitteratur" in $rommann, ©ie beulen
SWunbarten, Oafcrgang IV (1867), ©. 73-84, 369-378 unb 513—628.
••) 8ubn>ig o. $örmanu« „©rabfcbriffen unb SRarterlen" enthalten u. a.
meutere Don ben loten felbfl bfrrübrenbe $oefien, fo I, 56 eine bom fogen.
Umtger ©<$ufter unb ©aucrnbidjter; II, 40 eine Don einem 2)e$anten. Qu
ben originellen gehört folgenbe ©tropfe, in beren ©cblufjreim ber 25id&ter
mit einem gereiften ©totje feine «utorföaft in jeber ©ejietyung bofumentiert
(a. a. O. II, 18):
$ier liegt ein jnnge* Oe<$feletn,
2)e« SWeifter O^fcn« ©ö^nelein;
2)er liebe (Äott b.at ni$t geroottt,
2) afj er ein C$fe werben fodt.
3) rum naljm er ityn au« biefer ffielt
3u fl<$ ins frolje $immet«-3tlt.
©er alte D$« &at mit ©eba#t
Äinb — ©arg — 8er« — alle« felbft gemalt.
••) 8gl. (»ruber« „Marterl unb Saferl" a. a. 0., ©eite 130, unb
$ein, 1. c ©. 93.
106
Otto fllieber, fcotenbretter im baoeriföen ffialbe,
fpe^ieQen JaU angemeffenfte 5°^n> kenn roie ein $)eforation$maler
fein 9)iobeU: unb Sdfabtonenbua), fo bat er n>ot)I mancherlei Meinte
für uerfdnebene gäUe bereit. 3nfolge ber beftanbigen Xrabtricm
fommen auf ben Brettern gar oiele gleiche ober äfmlidje $erfe oor,
fo beifpielöiueife bie 6. 74 mitgeteilten „D rote glücfltd), unfdmlbig
fterben" jc, roelä)e für ßinber faft ftereotnp geworben finb. ®abei
giebt es fleinere ober größere Varianten, fei ed, bafe bie ©rinnenim}
ben urfprüngltajen Xert md)t met)r gan$ feftr)telt, ober aus purer
Slbfic^t unb Suft jur Variation. Selbft ftemimfeenjen aus bia)te^
rifa)en SJteifterrcerfen werben bisroeilen auf bie feltfamfte 2trt juredit^
geftu^t
•*) 2)ie frappanteren ©eifpiele fü^rt D. $örmanu in feinen „<Brab<
fünften unb ÜRarterlen" au« lirol unb ©aljburg an. Xuf einem Marterl
bei Cbne, aufjerfjalb Oefc, ift ba« <El>orlteb ber barmberjigen ©rüber um ben
gefallenen Panboogt (Segler in ©filier« XeU alfo umgeroanbelt «II, 166):
©djnetl greift ber Xob ben SRenfcfcen au,
®S \fl iljm feine 3«t gegeben,
(Er ßür^t ib,n mitten in ber ©aljn,
Sr nimmt iljn fort oom ooflen Peben,
2>rum roaefce auf, bereite bieb )um lobe,
Senn bu rotüfi bort eroig feiig leben.
3m Jriebljof oon (Sköbig (fübroeßlid) üon ©aljburg) bfißt e« oon einer
1872 auf bem Sirdjgange oom ©d)lagflufj ereilten SRutter u. a. alfo (11,21):
fcinfäUt fie in be« ©albe« ®ra«
Peißen* unb totenblaß !
©trage auf! ©tra§e ab!
9iae8 rufet, rennet, betet,
$n »leiben um fie gefettet.
Unberfennbar erfdjeiut b.ier eine ©teile au« ©<$ißcr« ®lode uerroertet.
2>er Don $örmann au« Defe, oon $ein au« ©obenmai« in neuer
Variante mitgeteilte fdjöne ©er« (1. c, ©. 98) auf ben Eingang eine« jriubrft
lautet nad} bem ©efangbua) für bie ebangelifä) • (utberifd)e ÄtraV in ©aorrn
(Anfang be« breiflropfjigen Äirä)enliebe« 9lr. 282) alfo :
„SBenn fleine $immel«erben
$n ibrer Unfä)u(b fterben,
©o büßt man fie nta)t ein;
©ie werben nur bort oben
$>om ©ater aufgehoben,
2>amit flc unoerloren fein."
$r flammt bon 3o$ann «nbrea« ffiotbe (* 1688, 1 1758) unb ift and)
in ben ttrfaben be« nörblid)en ftriebljofS ju SWünä)en , auf ben jtoei gegen*
ttberliegenben Türbogen, ju lefen, in jroei $filften geteilt unb burd) tief
empfunbene ftresfen üeranfä)aulid)t.
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mit fjftücfftdjtigung bcr Zotenbretter überhaupt
107
Die Verfe twben in ber Megel oier — feiten bloß jtoei — , aud)
fec^fi ober ad)t feilen; über lefeteren Umfang geljen fie majt leidjt
fjinaus. ©troaö ganj iMutjergemöbnliajee bietet ein Vrett mit nic^t
weniger benn 21, meldjeö in bem ^Jfarrborfe ftoljenroartt) an bem
(Seitenwege ftefyt, ber oben oon ber §auptftrafje nad) bem ftotyem
bogen $u f«nabgel)t, unb fidj auf eine Bäuerin bejie^t •*). Die
ungerobe 3«^ felbft gehört $u ben 2lu*nafjmen, ba fie fid) mit bem
ooltemäfeigen iHeime nia>t gut oerträgt.
Die barin audgefprott)enen ©ebanfen erfdjeinen f)öd)ft mannig=
faltig. obfajon allen bte gleite Veranlagung ju ©runbe liegt,
iöegreifliajerweife wiegt ber rein religiöfe ®e^alt oor, boa) fmb aud)
pfnlofopfnfdje, allgemein menfd)lid)e Vctrad&tungen ntd^t gar feiten,
eigentümlich ift, bafe ber lote oft felbft aus ben Verfeit rebet,
fei es, bafc er ft<$ an feine Hinterbliebenen ••) ober an alle 3ffitmenfa>n
menbet: eine ©pradje, bie boppelt ernft unb einbrudöoott wirft. Cft
aber fommt nur ber Sdnneq, bie ^e&nfudtf, bie Hoffnung ber
3urücfgelaffenen jum 2luebrucf.
2luf meinen 5treuj= unb Duerfatjrten buraj ben Jöanerroalb
fmbe ia) mir bie anmutigften Verfe ftenograpt)ifdj notiert, bie ia) im
folgenben als groben im beften 3inne bem geneigten Üefer unter?
breite. 3tlö ia) nad) meiner Mütffefyr o. ^örmanna unb anbere
Sammlungen bura)blätterte, gewahrte ia) ju meiner ftreube, bafe nur
wenige bereits publiziert finb: ein Vemeiö für ben unerfa)öpflia)en
5ieid)tum, ben biefe 3lrt ©terbepoefte in fia) fa)liefet £ätte ia) mir
3eit nehmen fönnen, alles aufjufa)reiben , olme 3">etfel märe ein
ftattlia)es 33änba)en erwaa)feu, bas noa) oiel Unbefannteö geboten
^aben mürbe, &infia)tlia) meiner Sluowaljl mufe ia) noa) bemerfen,
bafi ta) bem aua) auf ben ^ni'dmfteii ber Sitalbbretter nia)t ganj
fe^Ienben läa)erlia)en ober tmmoriftifa)en (Clement feinerlei ftonjeffion
gemalt f>abe, ba baefelbe naa) meiner eigenen 93eobaa)tung gegen*
••) «ine 3nf$rift mit «leitet »ejiebung «on 23 Cer«jeilen fte$e bei
f>artmann, 1. c. ©. 281 f.
••) eebt fetten bttrfte bte gorra be« 2)iatog* fein, wie j. © ein 3»te-
gefprad) jtDtfdjen ber geworbenen QJatttn unb bem aberlebenben SRanne ju
Oefc in Xirol, n>eU$e* mit ben jd)önen ©orten ber erfteren fäjliefit (Grab.
fo>riften unb flRarterle» I, 20):
Sieb, e* baue« nur fnrge &eit,
3>u wirft au<b bein geben fliegen,
3)ann bin i<b jebe ©tunb' bereit,
3>i(b, auf« neue ju begrüßen.
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]08
Otto ffiieber, Xotenbretter im bäuerlichen ©albe,
über ber Unmaffe ber im ©inne beö ©ebtlbeten mefjr cmft unb
würbeooll geftimmten burdbaue oerfdnoinbet 10°). 3Me tyoajoriginellen,
bie burd) Stoturniüdjfigfeit ber 2lnfa)auung roie ber $orm oft einen
uuroillfürlidjen #ad)frampf auölöfen, gerabe weil fie oolltommen cmft
gemeint finb, ftetjen (ängft auf bem 2ludfterbeetat; infolge nad>
baltigerer Serüljrung mit feinerer Kultur t>at bae *tolf faft überall
jene urf prünglidje , berbe 9toi»etät abgeftreift l0t). — 9tun 3U ben
von mir gesammelten Herfen.
$)ie Vergänglicf>feit alleä 3)ienfd)lid)en prebigen in ergreifenbem
£inn>eifc jmei 3"föriften jmifdjen 9ieitenftetn unb Stettenberg, bie
eine am Sitalbauögang auf ber $öf)e, bie anbere unten im Xbale:
GHeid) rote ber ©trom jum SReere eilet.
Stuf feinem ffiege nie oerroeilet,
©o fliegt Don nnt bie golbne $t\t
3)abin in« 2Reer ber Sroigfeit l0,j.
O SJlenjd), bebenfe toaS btt bift,
©ebente roa* bein ?eben ifl;
Sin Xotengefang unb ?eid?eng(eit IAS)
©leibt bic in afle (Sroigfeit.
£ie bange ftrage bes> Sterbenben : Söotjin 'i unb beren befeligenbe
fiöfung burd) ben diriftfatbolifajen ©lauben lefen wir auä ben
Korten eineö Xotenbrette« auf bem £aibftetn:
<Si if! eine barte Weif,
©enn man (einen ©eg nid)t neig.
Srag' 3eju«, SRaria unb tfofef. biefe btei ^eiligen ?ent\
©ie jeigen bir ben ©eg jui ©eligfeit.
tiefer in mehreren Variationen norfommenbe ©prudj 104)
»••) ffin paar groben fold) unfreiwilliger Xragitomif au« bem bauerifdien
©albe teilt t>. SReinbarbflbttner a. a. O. mit.
'•«) ({ine bubjet"* Ölumenlefe in biefer ©ejiebung bieten bie „$eutf<ben
3u|cbriften an $auS unb ©erat", noeb, mebr aber bie o. ^Srmannfa^en
©ud)lein. Sgl. aud; fcartmann, I. c. 6. 280—832.
'**) $ein traf biefen 33er« „im ?amerrointe( r>äupg" unb nennt
iff\x „roobl ben fdjönften unb griflreidjften von allen" bort vertretenen (©. 95).
,01) Peidjengeleite , fleiebenbe gleitung ; tonnte aud), ba bie länblid)e
Ortbograpb«« >"$t maßgebend, al« Jeid)entleib aufgefaßt »erben.
"*) 3.
Da* ift eine barte Weif,
©enn man ben redeten ©eg nidjt weif};
grag' bie brei ^eiligen ?eut\
$ie jeigen ben ©eg in b' (Sroigfeit.
(Seutfdje 3nfd)riften, @. 215; ogl. «rabfdjr. u. Wart. I, 31.)
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mit >flfriicffi$tic|uiig ber Xoienbrrttrr überhaupt
109
erfdjeint gegenwärtig auf nieberbaijeriidjen Xotenbrettero jiemlid)
feiten m), umfo häufiger aber, meift mit bem lefcten SUorte
„GHütffeligfeit", auf tafeln, an Räumen ober ^fäf)len, regelmäßig
burd) ein öemälbe von Der ftludjt nacty Egypten iUuftriert.
£>em ©egenfafce jnrifd)en bem leibenoollen SDiedfeits unb bem
freubenreid&en 3enfeit$ teitjt ein *>er& gegenüber bem öatmfjof ju
£am tiefe ©mpfinbung:
3rbt bab' id) ttberrounben,
3rfet bin ia) forgenfrei,
Xie langen Xrauerflunben
©inb (Sott ffi Dan! »orbei.
3ebt fang' id) an ju leben,
Xa id) geflorben bin,
Unb werbe wie bie «eben
3m ftrübltna, roteber grün '••).
2>ie Hoffnung ber Sluferfitefntng unb beo föftlicben ^immlifajen
Komitee fpriebt auf einem 2kctt unterhalb bes Äapeltdiens bei
llHariaf>ilf ob £am, foroie su 8ommerau unb an anberen Crten
ber £ote felbft aus:
3$ liege gegen SRorgen
Unb fd)lafe obne ©orgeu
3n einer füblen «ruft,
©i« mid) mein 3efu« ruft ,07).
Won einem „^moobner" .u 3tmpering, ber 1876 im l'Uter
oon 66 Satyxtn bao &e\Ü\<be fegnete/ fagen feine Hinterbliebenen:
(fr ging bjnauf in* fanb ber Sonne,
©o tyn ein Strom ber JJreube tränt!,
3b« febmüdt bie td)önfte $immel*frone,
Xie «ott ben Xugenb^aften fdjentt.
,0>) trüber foO er feljr »erbreitet gemrfen fein (©aDaria 1 , 99fi).
Uli Jriebbofoer* begegnet ibm ber SBanberer aud) in ben 8lpen oft,
naraentlid) im Unterinntbal.
'*') Xa* fd)öne <SHeid)ni* mit ber Rebe finbet ftd) , nad) ben „(Brab-
fd>riften unb Warterlen", I, 43, aud) an jroei Stellen in ben «Ipen, im Xorfe
SRinn bei 3nn4bruct unb jn fflittbjbad) im $uf)ertbale, roo bie 3"fä)rift mit
ber jreeiten $älfte obiger Strophe beginnt, unb ber ©ergleid) folgrnbermafjen
weitergefponnen wirb:
Xer £err bat mid) gefebnitten,
VI« er mid) btimgefud)t;
3d) babe Dual gelitten,
3(}t bringt pe füge &rud)t.
,,T) ©gl. $ein, ©. 96. Xer »er* läßt jugleid) ben altüberlieferten
9rauä) erfeQen, bie ?eid)en mit bem «ntluje gegen Often ju beftatten.
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110
Otto JRieber, Xotenbretter im batjerijdjeu äöalbe,
2)er &teblofigfeit unb bcm ^^arifacrbünfel, mit meinem Über-
lebenbe oft über fcahingefdnebene ftch äufjern, tritt ein einfacher
3rcei$eiler bei ber oerfaflenen StfegfapeHe jnrifchen Renting unb
Srablberg entgegen:
O lieber $&rift, urteile nid)t über midj,
3)enn (»ott fpric^t ba« Urteil über bid) !
eine poetifdtje SJerfion ber golbenen SRahnung in Gtjrifti 23erg;
»rebigt («Diatth. 7, 1 u. 2): „«Richtet nicht, auf bafe ihr nicht ge^
rietet roerbet!"
(Sin rührenber Sluöbrutf liegt namentlich in ben auf ben Eingang
oon Äinbern beäügliäjen Herfen. Sei Hambach flagt ein „®iai-.
fchleifermeifter« Xöchterlein" , bas ber unerbittliche Xob mit elf
fahren feinen (Sltem geraubt:
3n meinen jungen 3abren
9Rug id) bon ber (Erbe fahren.
sSrf?, in meiner fdjönften 3rit
«uft rnid; (»ott in bie (S roigfeit •••).
$abei trifft man öfters ben lieblichen Vergleich beo Stinbeö
mit einer $ofe: fo bei einem „Snroohnerdföfmletn'' oon Üam, bao
nicht ganj jmei $ahre alt würbe:
@ott gefiel bie feböne Siofe
Unb er pftücfte fte für ftd),
®a& fie bort in feinem ©djofif
«(übe, blübe ewigltd) "•).
«iele ^nfchriften brüefen noch fortbetuernbe Ziehungen ju ben
Angehörigen auö, oft r»on ber ergreifenbften ^ttnigfeit. 8o gleich
ein Stoß oon einem „unfchulbigen 9)iägblein, ^moohnerotöchterlein
oon fcenhof bei <oohenn>arth" , baä mit brei fahren 5,üei Monaten
oon ber @rbe Slbfdjieb nahm:
3eQt bin id) nod) fo jung
Unb b,ab' fdjon ben Job erfahren.
3e(}t lieg' i(b in bem fronen {Rofengarten »•)
Unb mufj auf ineine (Eltern warten.
'••) (Sine Heine Variante gtebt $»cin au* ?am (©. 94).
1M) 8on Äöbler wirb eine äf>nlidje Snfdjrift mitgeteilt, bie wegen ber
$erbinbung mit bem perfoniftjierten lob weniger anmutig Hingt:
3Jioin Äinb ba* war ein iRofentnopf,
©ottf eine Wofe werben,
$a tarn ber $ob unb rod? baran,
Da warft nidjt mebr auf (Erben.
■ 3)en finnigen $erglei$ bed ©ottefiader* mit einem ffiofengarten —
nadj $artmann, 1. c. ®. 234, nur biejenige Abteilung, worin bie fletnen
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mit »erücfpdjtifluitg b« 2otenbretter überhaupt 111
©ebenfet mein,
fta) will auaj jefct noa) euer Xöajterl fein!
3n mannen Strophen ift ber Sdjmerj über ben erlittenen
SBerluft bie oorfjerrfdienbe ©mpftnbung. <&iner ©elbnerin („Seinerin")
üon töunbtng, roeld)e fäon mit 29 3afn*en baö £obe$loa traf, tönen
bie gepreßten 2Borte nad):
Sit rubft fo friebtio) nun im dxabt,
25 a« für eine 3eit bty un8 entrüeft,
Styitfi nia)t bie fummerooüen Sage,
2>ie un* bein ©Reiben $at getieft.
Ätnber ruben — weifen and) jablreicbe Äinberlreuje in ben $Upen auf.
3. 8. in Sirol ein« ju De&:
^m SRofengarten
ffiill i(b auf meine (Sltern warten,
$flr fte beten allezeit,
©ie ber Äinber @ä)ulbigfeit.
(Sin anbcreS ©terjing (Don einem noa) am Xage ber (Heburt
t>erfa)iebenen Äinbe):
$ier in biefem Slofengarten
2Ru§ ia) auf Sater unb SWutter warteu.
©in noeb fo jung unb flein
Unb mu§ boa> geftorben fein.
(®rabfa)r. u. 3Rart. I, 6 unb II, 16.)
3m «mpertyale lautet ein »er« ($artmann, @. 230):
$ier in biefem fRofengarten
Xlju' icfc auf meine (Eltern warten.
SWeine (Eltern liebt' ia> fo fefcr,
aber öott im Gimmel noa) oiel mebr!
2)od) niö)t nur auf Ätnber, aud) auf <Srma$fene wirb jener SBergteicb
angewenbet. 3m ftrtcb^of ju Wenjiug, jwtfa)en $elbtira> unb ©lubenj, lieft
man (®rabf<fcr. u. Wart. II, 22):
$ier rul)t
SlnbreaS SBoljlgemutb,
35er auf fein Seib unb Äinber tr)ut warten
$ier in biefem {Rof engarten.
Unb in Äempten auf einer ®rabf$rift (Eeutfdje 3nfa>riften, 6. 206):
$ter lieg' idj begraben;
2ßo idj bin, fann niemanb fagen.
2>er bintritt auf mein Qkab,
@a)lag mir fein SJaterunfer ab.
£ier lieg' i$ im Äofengarten
Unb tb,u' auf meine Ätnber warten.
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112
Otto {Rieber, Xotrubretter im baoerifcben SBatbe,
©iner ©dmtjmad&ermeifterin oon Äöfcting aber, bie um merjig
3af)re älter geworben:
©ie war fauft unb djrifllid) mUb,
3eber $ugenb frommes ©üb,
$ie befte SRutter treu unb gut
Unb Xag für lag Pott «rbettSmuttj.
3)afj mir verloren biefe« eble $erj,
3ft unfere« geben« größter ©djmerj.
3n anbeten Herfen wirb bie Xrauer um ben £oten burd> bie
fröljlidje Hoffnung bes SBieberfefjenss gemilbert. Gegenüber bem
ßamer v}3farrf)au)e jeigt ein aUeinfte^enbe« SBrett linfs am ©efjnwge
naety £ot)berg, unter einem t>on blaffen ftofen umgebenen Xopfe in
SBolfen unb einem über einer ©tabt fefnuebenben ©ngel mit ^Jalme
unb GJrabpofaune Ul), bie ^nförift: „Slnbenfen beö e&rengead)teten
&errn 2Uoiö $ran$ ©efdnrrfjcwermeifter uv) von £am, melier nad)
empfang aller l;eiligen Sterbfaframente ben 23. 3Rarj 1889 in
einem Sllter oon 67 ^aljren unb ein #ater »on fünf Äinbem feiig
im $errn oerfrfneben ift. R. I. P.
©o rube nun im (ritten ^rieben,
©er bu nod) ju früb oon und gefd)ieben,
D möchten mir und einfl roieberfeb/n
$n be* Gimmel« ©trabtenböb'n."
Viebe Äinber, meinet nid)t!
3d) bin bri ffiotte« «ngefidjt.
Cin im ?ed)rain gefangene« (#9RflOrrlieb" (o. ?eoprecbting, ©. 266 f.)
fdjliefjt mit ben üon ber ertrunfenen einigen $od)ter au«gebenben Serfrn:
(Jltern, ein« muß id) eud) nod) lagen,
©ed)« Jungfrauen müffen mid) tragen!
©ie müffen mid) tragen bem greitb^of ju,
©ie müffen mid) begleiten jur emigen Wub-
3>ort brausen in bem fflofengarten,
fBo ber Sräutigam auf mid) tt>at warten,
3>a tarnen mir fetbanber jugleid)
3ufammen in ba« $imme(reid).
lieber Cntfiebung unb ©ebeutung be« ©orte« o er gl cid) e bat Jtapitcl
„Der ffiofengarten" — in ber beutjebm ©djroeig tragen ältere roie neuefte
Äird)böff unb ebenfo altljeibnifd)e ©räberfelber (!) biefen Warnen — bei
9tod)botj, 3)eutfd)er ©taube unb ©raud) im ©piegef ber $eibnifd)en Corjeit
I, 200—208, fomie beffen «uffafe „SBarum ^eißm 5lird)böfe SRofengfirten ?'
in ber ©d)roeijerifd)en JDufirierten 3(itfd)rift bei (iterarifdjen 55 er ein § in
©ern V. ©ieb.e aud) Jobanne« ©epp, ©ötferbraud) bei $od)jeit, (Beburt
unb Xob, ©. 144.
,u) Hbbilbnng bei $etn, lafel III, Jigur 24.
35er «efdjirrb. auer Derfertigt ©efäjje jum ®ta*fdjmelien.
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mit ©erfldfid>tigung ber Xoteiibretter überhaupt
113
hinter bem 5riebf)ofe doii Munbing Ijat eine 1892 uerftorbene
3)iufiter& unb Sajneibermeiftersgattin bie ÜBibmung erhalten:
Dort roo bie Reiben gauj Derfdjroiiibeit,
SSo feine ©etjmutSthrä'ne flie&t,
Dort wirb ba« Aug' bt$ roieberfinben,
Da« £l)ränen b.ier um bidb. »ergießt.
®entefje bort oor ©otteS £t)ron
Den herrlich grofjen #immel*lohn.
(Sin $äuöler unb £red)Slermeifter ju £aibüf)l tröftet feine
Gelitten felbft mit jener djriftlidjen 2ludfü$t:
Gattin unb Äinber, weinet nicht!
34 hob' uun ausgelitten,
Sterben ifl ja üRcnfcbenpflichi,
Da nutjt gar fein ©itten.
Febet tpo^t! ©eim fluferfleb/u
Dort werben wir un« roieberfeb/n "•).
$3iöiueüen richtet ber £ote nodj Ermahnungen an bie ©einigen.
21 uf einem Brette am Enbe be$ 9Warfteö Äöfeting, gegen dicitenftein
3U, fagt ein gamtlienuater :
8iebe ®atttn, thu' bi$ bemühen,
Die Ätnber chriftlkh auferstehen,
Siebet roohl11*) unb oergefjt nicht mein,
34 roitt au4 bort no4 euer Sater fein.
Denft an mi4 an iebem Ort,
Da« tft an etttfc. mein lefete« Sort.
Xreue 21ngef)örige flehten inbeffen ben Strang ber Erinnerung
gati3 oon felbft, wie es 3. 33. uor bem ®orfe Bölling oon einer
Dahingegangenen 3)futter tjeifet:
3h* ifl wohl, fie ifl nun brftben
3n bem fefig>frof}en Ort,
Do4 im $er^en it)rcr hieben
Pebt no4 flet« bie (Mute fort.
sJiatürlid> gehören bie ßeidjenbretter, it)rer ^erbinbung mit bem
platten #anbe entfprea>nb, im ganzen unb grofjen lebiglia) ber
n») «gl. ®rabfa>riften u. SDlarterlen I, 17.
,u) Dtefcr ui$t feltene 2lbf4ieb$gru& erinnert an ba« feierliche ?eberoohl.
taS im ©echsämterbejirfe (Obcrfranfen) ber ©orfänger im Üetcfcenjug namen*
be« ©erflorbeuen beffen Angehörigen, ©erroanbten unb Jreunben barbringt,
begtnuenb mit „$er$liebfier Sater (Butter, ©ruber :c), lebet roohl!" — ,
roa« bie ?etbtragenben im Sb.or mit einer ©egenftrobtj* erroibern
(33at>aria III, 366).
3ettfd)rift für Jhtttitcgef^idite. II. tt
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114
Otto »lieber, Doteubretter im baoerifdjen ffialbe,
bäuerlitfjen Seoölferung an, einfdjlicfilid) ber länblid)en ©ewerbe^
treibenben. £>ie 2lucmabmcn hiervon finb mo^l nur fchetnbar.
bein ^>farrborfc &am ift eineo einem ^riefterfanbibaten , ein jroeiteö
einem Äooperator geroibmet. £>ier barf man annehmen, baj? beibe
bäuerlicher Slbfunft roaren u:,)f nnb ihnen oielieid)t nach eigenem
&>unfd)e folchc Zeichenbretter aufgeteilt mürben. ftas erfte, mit
Dielen anberen an einem Stabel gegenüber bem "ty'arrhofe, jeidmet
fid) oor feinen ©enoffen burd) reichere malerifdje 2lu$ftattung aus.
Unter brei JMofen unb bem iHuge ©otteö tnict ein rriefterlicb ge^
fleifceter junger Wann, über beifen Raupte jwei <Sngel einen Äraiti
halten. Leiter unten ein Totenfopf auf einem imdje mit bem
Sprud): &eute au mir, morgen an bir! tlv) £ann auf einem
blatte ber #erö:
Die SMume weift, e« flieb* bir JJeit,
O SDicnfdj, gebenf ber Cfroigfeit.
(Snblidj bie Sterbenotij: „§ter ruhte bis jur Seerbigung bie
irbifdje &üHe beo ebrmürbigen $errn ?fran5 Staiiibl, ftanbibaten*
ber Theologie unb Sllumnus Des bifd)öfltchen Stlerifalfcminar© in
Wcgenöburg, f 511 Zam am 6. %uni 1870, 23 ^ahre alt/' unb
barunter ber &auptoers:
Da« Peben blühte freunblid) mir entgegen,
Da« ^rieftertbum war meiner ©ünfdje 3iel,
3n ®otteß Dienfie bofft' i$ ^teiiben oiel,
Da wollt' id> wirfen, Rift«' unb ©egen.
Dod) ®ott rief midj in meiner Qugenb ©liitc
hinauf ju fid) in feine« $imme(« ?idit.
3br hieben, weinet nirtjt um mia); id> bitte,
3n eurem ©rbete oergefjt midj nid>t.
SeftUd) baoon, neben beut $riebhof unb mieber in jahlreicbev
(9efcttf$aft , fteht bas aubere Totenbrett, ein „ftenfmal für ben
hodjmürbigen £errn ijafob ^anfer, Atooperator in i'am, * am
23. Oftober 1839, f am 1. 2lpril 1875". $ao Öemälbe jeigt auf
einem 3Reftbu$e mit AMd) ben oon einem ^riefterbarett bebceften
Totenfdjäöel über gefreujten Seinen.
m) 9!ad> ©eorg Raufen, Die brei $et-ölfevung«ftufen , SRiiwbeu 1889,
169, flammen ungefäbr adjtjig %'ro^cnt ber ratbolifeben @etR(i$en ootn
?anbc.
Da« in ber ftorm „$cute mir, morgen bir" fo geflügelte Sßort ift
audj 2Jlotto oon XotenfapeHrn geworben. ,,.£>einbt au 2Hier, morgen an Dier"
lieft man an einer folgen ju Vengmoo« (norböRlidj von ^ojen) unter einem
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mit SJfrlldfidjtigung brr Xotcnbretter überhaupt
115
$ie frembe &>ibmung lautet: /
Xu $erj, ha» treu für l'am gefdjlageu,
3m 3>ienfle OJotteS nir gerubt,
Wun mbc nadj be« bebend flogen
©anft ans in beine« (Sottet $ut.
©tili roeinenb, banfettb beten mir,
£er triebe öotte« (et mit bir!
R. I. P.
$ei ben bisher mitgeteilten groben mag einem mit ben 8itten
ber SHlpenbeoölferung vertrauten Vcfer aufgefallen fein, bau fte nur
leiten eine SMtte um Webet für ben Soten einfdjlieften. l*s fehlt
inbeffen aud) im banerifeben ii'albc nicht an folebeu, — ein Scifpiel
baben mir fd)on 3eite 7« gebradjt unb mir werben nod) mehrere
oorf iihren — ; aber immerinn bilbet unfer Xerrain in biefer ^infid)t
einen gewiffen Öegeufafc p SUpenlanbe, wo nach glaubwürbigen
Mitteilungen 11 *) „sabllos bie ^erfe finb, in benen bie Si'efer auf:
geforbert werben ju fleißigem Steten jum .'peil ber (Sntfcblafenen, wo
namentlich bie Xotenraften ( Totenfapellen, bei benen jeber t'eidjenjug
ein ^aterunfer lang anhält, ober bie weiter hergebrachte Üeidje
folange oerbleibt, bis ber nücbjte Crtsgeift liebe fie abholt) unb
Slrmefeelenbilber mit foldjen fletjenben bitten bebedt finb;" ja, wo
fie „überall für ein ^atemofter 3on Xage, für ein 3loe 3Jtaria
100 Tage Slblaft oerfpredien, unb, um bie praftifche Ausführung
möglidm ju fidjern, unter ben Silbern l)Öufig Ijöljeme Mofenfrau^
forallen unb ^aternofterperlen an einem Drahte angebracht finb, bie,
3ur 3eite geflohen, im Wewiffen *u einer gleichen 3ahJ ^aterunfer
alten GJemä'lbe: ,,©ei bereit ^feberjeit, #eute mir, SWorgen bir" ju äRatrri bei
©terjing (Örabfdjriftm u. SRarterlrn I, 72; II, 75). $n einem alten «oll*-
Hebe, ba* bie ©teierma'rfer bei ber breinädjtigen 2oteuroad)e mit »orlicbe
fingen, t>ei§t eS:
„fceiit' ifl'S in mir,
borgen ift'* in bir;
<&i ifl fjalt fein Äräutlein
(»eroadjfen bafür!"
(»tofegger, 3>a* »olWeben in ©teiermarl I, 180.) — Vateinifcb. ftel>t
ber ©prud) u. a. in ber 6etbergfircb.e jn ©eilljeim auf einem jroei 5"ß
breiten unb ein <Jufj boljen 3'(gfiPft« mit Hbbilbung eines Äinbcd famt
lotenfopf: „Hodie mihi, cra« tibi: O 9Wenfd>, l'ern' fterben. 1582." (ffarl
Huguft $öljaimb, dbronif ber ©tabt «Beiltyeim, ©. 89.)
'«*) 3o^anne* SWüHer, I unb II.
b*
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116
Otto Weber, Sotenbrettcr im baöerifdjen SSalbe,
für ben ©eftorbeuen nerpfltd)ten ll8). 3n ber Xfjat ftöfjt man in ben
^eröfammlungen auf nid)t wenige Sprüche, meiere bireft um ein
®ebet anhatten, um l>erfd)affung oon Slblafc flehen unb, roaö befonbers
ju beachten, belmfs möglidjfter (Srbörung auf bie 9töfelid)feit fola)en
Tlntus für ba$ eigene Seelenheil be$ $eter$ fn'nroetfen ober jmglcid)
bie ftegenfeitigfeit t>erftd)ern; oontefmtttdj ift bieö bei XoteufapeUen,
Slrmefeelenbilbern unb sJJJartertafeln bergaü119). 2Bo man bagegen
im bawerifa)en Söalbe beut Slnnif um eine Jürtitte begegnet, roas
überhaupt nicf)t fo (läufig ift, wirb er in weniger aufbringlidjer Steife
•») ©aDaria I (1860), 995; Woii, 3n ben SJoralpen (18ö5), e. 375;
fcunbt 1. c. (1866), ®. 416; $artmann, ©itten unb ©ebräu*e in ben Panb-
geric&tSbeairfen $ad)au unb »ruef (1875/6), ©. 232; ©ruber, SRarterl unb
Soferl, 1. c. (1888), ©. 129.
"•) einige Eeifpiele au* ben „©rabfärifteu unb SWarterlen", jum Xeil
au* älterer Qt'it, mögen baö oeranfdjaulidjen. Huf einem ©rabftein in $afl
oon 1698 ftet)t ju lefen (I. 89):
©el>e nid)t oorttber, bet' für mid),
SEljue meiner bodj gebenfen,
SRit ©eibmaffer fpreng' and) mid) unb bidj,
2)en Sblafj tb,uc mir jajenfen.
Huf einer Sapefle ju Sllbcrfdjwenbe im ©regender SBalb (II, 87):
ffleb/ nid?t für unb bet* bei mir,
©enn iä) roieberfumm' au* ber $ein,
ba8 ©ebet roieber bein (1796).
3 ii ber Äapefle $u ©ro&borf, ebenba, bittet ein ärmefeelenbtlb jum
©$luffe (ü, 89):
SBete ein $aterun)er mir,
3$ erfetj' e* bir (1676 renooiert).
Sei ©tampfanger lautet ba« (Enbe einer SJcarterltnfd>rift an einem Saun,
unweit ber Äapette (II, 183):
Um einen öaterunfer bitt' id> eud),
Äomm* id> ju ©ott, fo bitt' icb au<b, für eud).
Hin einbringliü^ften läßt ftd> ein Brmeieelenbttb in Hu§erbartb>lmäberf|
(SRontaboner 5£ljal) »ernennten (II, 86):
Heb, mein lieber <£f?rift!
■©er bu immer bift,
63 iß beine ©djulbigfeit unb $flia>t,
Vergiß bo<b, bie armen ©eelen ni$t.
ift auch, oorteilljaft für big,
@ie bitten bor ©otte« Hugeftdjt,
Unb mann bu beine ffleij' b.aft ooUenbet l)ier in biefem 3ö^tentb,al,
©o tannft bu bälber (ju) ib.nen in ben fcimmelSfaal.
f
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mit $erüdfi<btigung ber lotenbretter überhaupt
117
oorgebrad)t, unb oon Slblafj ober ©egenleiftung ift, fouiel id) gc^
l'e^cn, nirgenbö bic JHebe. Statuetten wirb nidjt einmal auäbrucflid)
gebeten, fonbern bie an fid> fd)on pflid)tmäf}ige gürbitte geiuifferotafecn
oorauagefefct :
©er immer biet oorbetgebt, wirb unfer nod) gebenfen
Unb un8 ju $>ilf unb Irofl ein ©aterunfer fcbenfen.
(„Senfmal" für jroei diftitutt ju Ä»t>ting.)
SHandje ^nfajriften roenbcn fia) blofj an bie Angehörigen.
3 ol). Gegner teilt eine Derartige in feinem Sluffafc: „£er halbier
in Sitte unb 8praa>" mit, meiere bao Xotenbrett feines eigenen
Katers ^tert, in ber Wöbe ber bitymi|'a>n Gkenje, fübö|tlid) oon
Wttfteig no):
O ©attin unb Äinber, nun rubf i(6.
©eib reibt fleißig im ©ebete für mid)!
£enn ber 2ob ift nur roie ein Xraum m),
SBir tommrn im Srcigen rcieberjufamm';
2>eun ber $err t)ai mid) nur befreit
8on meinem großen ©d>mer)enleib ;
©eil er aüe« gut tjot gemalt,
$at er mid) gu ibm in bie «ub' gebraut "•).
9luf einem anberen nieberbanerifd>en »rett werben bie Äinber
alj'o ermahnt (33. Äötfler, a. a. C):
2)enfet meiner im ©ebet,
©predjt an meiner ©rabe«ftätt':
"•) Unterb>ltuug*blatt jur «ug«burger ^oftjeitung 1891, ©. 628.
I)er folgenbe 5Reim läßt ein „Iram" erwarten, roa« bie $o!f3-
fpradje n>irflid> bat- 53gl- $ie beutfdjen STOunborten, SHonotflfebrift für
3)irbtung, gorfdjung unb Äritif, b«rau8gegeben oon ©. Sari ftrommann
rv, 448. Sterbet mag Überhaupt bemertt fein, baß nidjt feiten ©Üben, bie
im $o<bbeut|<ben üerfdneben enbigen, im Xialeft einen guten ober minbeftenfl
erträglid>en «Reim geben.
*") SRocb na<bbrüdlid)fr f priest auf einem ©rabe in ©d>roaben ein
©ater jn feinen Äiitbcrn (3)eutfd>e 3"fd)riftrn an £auö unb ©erat, ©.207):
3$ war ein flKann mit 58 Qafyx
Unb lieg' jefct in 5er lotenbabr'.
Hud) ibr «inber tönnt e« lef'en,
2>afj id> bin euer Sater geroefeu;
Unb wenn ibr fommet an mein ©rab,
©o ftblagt mir biefe ©itt' nidjt ab:
©ebt nidjt an biefem ©rab oorbei,
SBetet ©aterunfer ciuS ober jroei
Unb fefcet aud) ba$ ©ort b'«ju:
O $err, gieb ibm bie eroige iHub'!
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118
Otto Weber, $otenbretter im baoerifdjen ©albe.
üKutter, rub/ in ^rieben b>r,
Unb ber fcimmel leuchte bir!
$ie lefcte ^eile ift nur eine poetifdje Variante für ben a)ri|t-
fatt)olifct>en Söunfdj): Unb baö ewige ^id)t leuchte tlnn! (Et lux perpetua
lufeat ei.)
(Srwätjnt fei nod) eine 3nfd)rift, u»orin blofj alle $efannten um
djriftlidje gürbitte erfudjt werben — auf einem „$enfmall" für eine
adjtjeljnjafyrige, 1H73 üerfd)iebene Jungfrau bei ©ifenftein m) :
3n meiner fc^önflen ^ugenbblüU)'
£>ätte id) e$ ntdjt gebadjt,
3)a§ ber Job, ber ©enfenmaun,
2ln meiner £&ür flopfet an.
©in id) belannt gewefen bir,
©o bitte ein SJaterunfer mir;
©o bitte ib,n mit geller Stimm',
SBeil id; fo jung geftorben bin.
SHeift jebod) ift bie Shifforberung aanj allgemein flcfajjt, unb
wirb babei ben ^orüberge^enben gemÖfmUd) ein Spiegel itjreö eigenen
Sofeö vorgehalten:
3<J) lieg' im (Ärab unb muß oerroefen;
SBaS bu jefct bifl, bin td) geroefen!
2BaS id) jefct bin, bad wirft aud) bu —
S)rum Heb* unb bet' für meine «üb!
(Äöljler, a. a. D.)
21n ber metjrerwätjntcn Capelle jwifdjen Unterjettlina, unD
.ftofoenwartl) trägt ein fäftd)enartigefi (f. S. 75) Zotenmonument bie
3nfd)rift: „9tuf)eftätte be$ ef)rena,ead)teten 3ofef ®eiaer, StfüUcr
meifters oon ber &ufcenmüble, welker nad) Empfang aller Ijeiligen
©terbfaframente in feinem 65. ttebendjaljr ben 11. November 1879
gottfelig oerfdjieben ift. SHufje in grieben!
§ier liege id) unb wart* auf bidj.
©eb.fl bu öorbei, fo bet' für midj;
©efonberd iu ber ^eiligen 2J?cß
9Jiein' arme ©eele nid^t üerge§.
35u fleljfl adbier unb tljufl efl (efeu,
28er bu bift, mar aud) id) geroefen,
Unb roer id? bin, roirfl bu werben:
@taub unb Stfdjen in ber erben."
,SJ) 3ofef ©enbel, 2)ie 2>eutfd)en in $öf)mcn, SRäljren unb 8d)(ffirn,
©cite 159 (nad) ftr. ^öürigl, Bu« bem ©öljmerroalbe). (Sbeufo bei §«ti
(loc. cit.. S. 94), o. $ürmatin unb Äaibler.
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mit ©erücffidjtiguitfi ber fcotcubrettcr Überhaupt
119
hierher gehört noch eine vereinzelt fteljenbe iHrt von £eid)en=
brettern. bereit ©ingang bereits eine bezügliche sJkiränefe in ftd)
begreift. „Oüebenfct ber Flavia Stabler, ^oftbotensgattin, unb
beffen (!) oier ftinber (folgen bie Flamen) oon Solling/' mtb
„Sitonberer! Öcbenfe im frommen ©ebete ber achtbaren grau 2c".
SBeibe vor bem ^farrborfe Solling.
Eigentlich fchlieften alle als „£enfmal" bezeichneten unb noch
mehr Diejenigen, weld>e „3um 2lnbenfen" jc. lauten, inbireft bie
gleite befcheibene Sitte ein. $a es liegt überhaupt im 2öefen ber
Xotenbretter, jebem bes »ges ßommenben bas Seelenheil ber
(iJeftorbenen ans &erz zu legen, tiefer 3wed wirb überbieö burdj
bie gan^e Umgebung, in ber fiel) bie Monumente meift befinben,
lebenbig oor 9(ugen geftellt. Sehr h&ufig lehnen fie retbenweife an
griebhofmauem ober in beten Stöbe, bann namentlich an Sßeg-
fapeUen — manche finb bavon nahezu umringt — , an welchen ber
©fünft nicht ohne ftille Ginfebr unb (Gebet oorüberwanbeln foH.
gerner gruppieren fie fia) gente um ein gelbfreuj, von bem bas
Silb bes fterbenben (Srlöfers, oft auch bie (Gottesmutter mit bem
Schwert im Gerzen, t)emicbcrfc^aut. 3)ie Kreuze beftehen oielfach
noch aus *§ol,v rot angeftrichen, unb nicht feiten oon riefiger (Größe;
bie baran befeftigten Silber aber finb gewöhnlich aus (Sifenbled)
gefchnitten unb entfpredjenb übermalt, toofern nicht bereits biefer
5toft jebe Spur baoon oerwiidtf r)at. 9iur ganz vereinzelt trifft
man naefte kreuze, aus rohen Saumprügeln jufammengefügt. &ie
9Hel)rzabl inbes bilben heutzutage gußeifernc ftruzifire, bie, oon ber
fortgefchrittenen 3nbuftrie ber Neuzeit in ben föanbel gebracht, mit
oerhältnismäßiger SiHigfeit ben Vorteil größerer £>auerhaftigfeit, wie
^icrlichfeit oerbinben unb infolgebeffen bie alten mehr unb mehr
oerbrangt Imben. Salb einfach febwarz lädiert, balb ganz ober
teilweife oergolbet, erheben fte fich regelmäßig auf redjtedig behauenen
Steinfodeln (ausnahmsweife auf einem unbehauenen Slode ober
einem bloßen £olzftamm). £iefc Äntjifiye rühren meift, bem
religiöfen Sinne bes Golfes gemäß, oon ^rioatftiftern l)cx, worauf
in oielen JäÜen fdjoit ber eingegrabene s)lamc bes SohlthäterS
(manchmal bloß mit ben flnfangsbudjftaben) nebft 3ahrzahl, ober
eine oollftänbigere 3nfd)rift binbeutet. (£un befonbers hübfebes, mit
ber Butter (Gottes in einer >Jiifd)e bes (Grunbfteins oor bem $orfe
Sölltng ift: „errichtet zur sJJJtffionszett 1H69 oon 3ofef unb 2lnna
Wlaxxa Piflas, Cefonom in Um ben (ihriften rea)t ventehmlid)
an feine s$flid)t 511 erinnern, trägt zuweilen ber ütreujesftamm (in ber
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120 Otto SHicber, lotenbrctter im banerifcben ©albe,
Siegel nur beim ^oljrrujifir), eine SlnncfeelcntofeC mit ber Unter
fdnift: „(Erbarmt eud) unfer." sJDion erblicft barauf in primitivfter
SHalroeife brei ober jtoei natfte GJeftaltcn, Sinne nnb ftüfje oft mit
Letten belaftet, oon (obernben flammen umjüngelt, bie ,£>änbe um
Befreiung auö itjrer ^ein fletyenb erhoben ,24). &ier unb ba ragt
3roifct»en ilmen baö Ärcuj bes (Srlöfers empor, roaö bie fdwuerlitbe
©jene mit milbembem Xrofte erfüllt.
So unmittelbar mit ftrujifiren uerbunben, gehören inbeö bie
2lrmefeelenbilber m) im ba«erifcf)en ÜBJalbe ju ben ausnahmen;
meit öfter ftet)en fie gefonbert in ber 9i(U)e ber $elbfreu$e. 2lm
l)äufigften freilid» finbet man fie nidjt bei ben £otenbrettern, fonbem
in ©efeUfdmft oon Stationen unb Silbftöcfeln ober ganj oereinjelt
an SBalbbäumen befeftigt. Slujjer bem ftereotnpen „©rbarmt eud)
unfer" enthalten manaje bie Sitte: „2öer oorbeige^t, möd&t' jum
Xroft ber armen Seelen ein ^aterunfer beten." 3luf bem 2&ge
jum SBrennes, gegenüber ber 9)loosljütte, fier)t man ein paar Xoten-
bretter einfam bei einer $ia)te; baoor eine oerblafete SKartertafel,
oben bie §immelsfönigin mit bem Sefuöfinb in ber (Glorie, unten
bie brennenben armen Seelen mit bem $erfe:
©tel>e Ria bu ©anber*mann
Unb föau' bte armen ©eelen an
Unb erbarmt eu$ unfer
3)tit einem ©aterunfer *••).
3ln ber oielbefprodjenen 2Hegfapeu"e jnrifdjen Unterjettling unb
&ol)ennmrtlj mirb fogar jum Opfern eingelaben: „&ier ift ber
Cpferfaften für bie armen Seelen im §egfeuer."
9iur l)ött)ft feiten ift ben £eia)enbrettem ein ^ilbftötfl beigefeilt;
fo einö tyntex bem 3Birtöt)auo ju &öllt)öt)e oor bem Slnftieg auf
ben §of)enbogen mit fi&enbcm, leibenbem (Sf)riftu$, barunter bie armen
Seelen in ber trabitioncllen £>arfteüung.
,M) Sgl. 9io6, 3n ben »oratpen, ©. 126. <S* ift ba« befanntli* au<b
ber Qegenftanb, welker bem ©terbenben, beöor ft$ fein tefcter ©eufjer lofi-
gerungen, in ben abfcbredentflen ftatben corgefleüt mirb (©ataria III, 364 f.).
$m 3lmpertbalc „bie fietigen ©egleiter oon lotenbrettern" ($art.
mann, 1. c, ©. 232).
'»•) «ebnti$ ber ©er« eine« «rmefeclenbilbe* am Starnberger ßee
(9lo6. ©. 87ft):
®ef>' n\d)t oorbei, o ffianberömann,
Unb fiel) bie armen «Seelen an,
^m Jegfeuer ftnb bie feinen groß,
?urd) brin ©rbet macb/ fette to«.
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mit ©erlictftrbtigung ber iotenbretter überhaupt
121
Natürlich fommen bie Fretter aud) ganj allein por, olme bie
gefdnlberten Begleiter. 3(ud> fo fpred)en fic ^u beut nocf) nicht ab--
geftumpften Sinne itjre eigene, berebte Sprache. Unb bod) wirft
bie tägliche Weinolmheit ihres 2lnblicfö, ba& fie pon ber iBepölferung
äiemlich gleichgiltig betrachtet werben, bajj &anbel unb SBanbel
achtlos an ihnen porüberraufcht127). Su jeber Xagesjeit, am frühen
borgen wie por einbrechenber 9lacht, bin ta) por folgen 3cu^cn
bes Xobes geftanben, unb nie t)abe ich bie Verrichtung einer 2lnbad)t
ober auch nur ein Steljenbleiben anberer babei bcmerft. Cber follte
bas purer äufall geioefen fein128)?
3h* Staub ort ift ein febr mannigfaltiger. $afe fie inner-- iuie
außerhalb ber Crtfcbaften an Kirchhöfen , an 3äNnen, Stöbein unb
(Rotten, an gelb- unb sÄgfapellen, bei 2)farterfäulen unb gelb=
freuten porfommen, haben mir bereits berührt. Selbft an Käufern hat
man fic aufgehängt gefehen n9). siluch an £ecfen, an gelb= unb 2öicfen=
ranfen finbeu fie fiel), ja felbft por unb auf ben ©runbftücfen einjelner
gamtlien, „ober auch an bem fcieblingsplafe bes Verdorbenen, mo er ftd)
«ine Beobachtung, bie £ein beftätigt (1. c @. 98); be«gleic$en ber
$eimgarten (loc. cit.): „©cbanfenlo« gebt ber tfanbmann an ben töubeläben
feiner SJorfabjen oorllber; ber 5rfö1Df a&fr ftnneub baöor fielen" :c.
dagegen fagt <S. Äloftermann in feinen „S)bbmermalb'@ft3$en" (Riffen 1890),
©. 25: „Xie ?eute wiffen jumeift, wer auf itjnen gelegen; fdjweigcnb be-
treuten fu ftfb. »«^ gehen vorüber."
>*•) SBo ben SWenfchen auf Schritt unb Xritt (Gefahren bebrob,en, rote
an Dielen fünften beS $ocbgebirgeS, wirb er weit cb.er jur Cintebr in ftd^
unb ju frommen Ucbnugen öfraula&t. Ü. ©ruber erjätjlt in feinen
„3Rarterln unb laferln": „flu ber Tilnacbtlamm bei ftaO* (jwifchen £ölj
unb SRittenwalb), bind} bereu liefen bie .fcolstrift gebt, finb auf bie tu r$e
@trede bei jwanjig lafrln au beu Qäuineu oerteilt, unb auf bem felftgen
Sorfprung fielet ein 5treu$. Schreiten bann am fflorgen bie #otjfnecbte
brran mit Srt unb Cifen, fo nehmen fie bie #ttte ab, ber 3Retfler betet ein
paar SJaterunfer, bureb baö iöeteu aber Hingt ber Süogelruf im 8Balbe unb
ba4 jornige ©raufen ber Älamm. $ernacb, fnüpfen fie bie ©eile unb Heitern
hinab, ben üerfdlten fcolaftoß ju löfen." ferner oon einem ©Üb am
AtönigSfee, „wo ein junge«, jcb,öne« $irnbl oom mitben ©tier getötet worben;
bie Sennerinnen beten baoor am Hbenb ben föofenfrana" ßeitfehrift be3
beutfeben unb öfterreiebifeben fclpenöerein« 1888, @. 131).
•»•; Äbhler a. a. O.; $eimgarten III, 716. 3n finniger Seife erzählt
y. Ä. Äofegger in feinem „iBolfäleben in Steiermark (I, 173 f.), wie ein
baS @ut übergebenber, feinen ©obn audbeiratenber Bauer biefem nacb bem
Umgang um \>'u ^rlbungen unb 3Äartfteine norb bie an ber Su&enfeite be5
i^ol)ub.aufe3 über ^üren unb ^enflern augenagelten Toteutafeln feiner
Sorfabren — bie ©afyrbrettcr aller berer, bie in bem $aufe geftorben ftnb
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-
122 Otto lieber, £otenbretter im baoerifdjen SSafbe,
in SBalb ober gelb ausgruben pfTet^tc" 1 so>. <Sd)arenroeife fteben fie
läng* ber Straften unb Steige, an 2ikgfd)eiben foroie bei gluft;
Übergängen. Starf betretene Söege werben, bem ftwe&t gemä&,
beoorjugt m), wr allem bie $ur 5tird)e fütyrenben. sDtand)e mögen
uralte iotemuege fein, weldje lebiglid) ba$u bienten, von einem
entlegenen ®ef)öfte bie Serftorbeneu bem ©otteöacfer be$ nädjften
s}Sfarrborfä $u$ufiujreniS1i); oon gennffen ®egenben Oberbanemö,
namentlid) am rechten 3nnufer, ift baö urfunblid) nad)geroiefen.
2luf folgen Söegen ftanben von jefyer beftimmte £otenraften bei
alten Säumen, in spt*cie ben mit einem §eiligenbilb ausgestatteten
„Silbbäumen", bei gelbfreu^en unb Capellen, wo ber 3^g ftetö ein
Saterunfer anhalten pflegte133). 5Iud) t)eibnifd)e SHeminidcenjen
mögen mitmirfen. 3« ^cr $or$eit legte man bie Segräbnidpläfce
gerne an offenen SÖegen an, neben gluftufern unb SBalbfäumcn, um
einzelne Säume auf freiem gelbe jc.134). SDie Unteren jinb no<&
l)eutc ein beliebter Stanbpunft für £otenbretter ; be$gleia)en ber
3aum von Salbungen, wo fie jumeift nid)t freiftetjen, fonbern an
Säumen lehnen.
$a$ germonifd^e $eibentum fjat nid)t nur ben SBalb, fonbern
aud) ben einzelnen Saum mit einem roeibeooHen 5Mtuö umgeben.
9lod) liegen in Oberbayern unb Xirol bie geliebteften Stätten ber
unb jeweils brei Xage borouf gerubt &aben — jeigt, jebeS erffärenb,
jnletyt aber ben (eeren 9?aum unter bem Dadjoorfprung als tünftige Stelle
für feine eigene unb feines ©otyueS „9WerftafeI" bejeidnut. $ein (©. IOO'i
bemerft jebodj baju, baß foldje Zeichenbretter nidjt in ©teiermarf, fonbern
bei ©aalfelbeu unb Zofer &u fueben feien — alfo im <§atjburgifdjeu, unb
jwar an ber ©aalad), unfern ber baperifayn Gkenje. $gl. Äemer, (Sin
Äapitel Dorn Weifen in ben Blpcu: Xcutfcber §auSfd)a(j 1893, ©. 759.
'») SB. $. Miebl, @- 20«.
in) (SS fann beSb,a!b bei {üb. freujenben ^faben bie Änwefenljeit folget
SobeSjeicben bisweilen als SRidjtungSmarfe bienen ((»ruber, 1. c, ©. 132;
ogl. Söiüfomm, @. 87).
>") ©efonbere Jotenwege trifft man aud) tu weit entfernten ©ebieten.
53ei ben 2)itb,maricb,eu unb SRorbfriefen ©. fyat jebeS $auS im 2>orf unb
mieberum jebeS Torf feinen eigenen Äirdjmeg, bem ber ?eid)en$ug folgen
mu&, aueb toeun er einen Umweg madjen foüte. 2>em Soten würbe fein
töedjt nid)t gefdjeljen, wenn man mit it)m eine anbere ©tra&e jöge ^m Ur*
Duett I, 31 unb 189). 8gl. Üubmig 0. §örmannS „£ob unb Begräbnis in
ben SUpen", edjlufj (loc. cit, Wr. 257).
IM) ©aDaria I, 412.
'•*) Äarl ©einljotb, £>ie fyeibnifdje lotenbefiattung in 2)eutfd)lanb,
Abteilung II (Joe. cit., ©. 215 f.); Zinbenfdjinit, ©. 96.
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mit SerÜdfutyigung ber Xotenbretter überhaupt
123
angemeinen 2lnbad)t, bie berityrnteften SltoHfafjrtöorte nid)t in ben
Sudlern unb an ben Straften, fonbem im ftillen Salbe ober auf
bufd&grunen Mügeln, oorjugoioeife ber Gottesmutter geweift, bie am
liebften bort erfreuen ift; oft empfing ber ©nabenort feinen Sei--
namen fogar oon einem 2ftübbaum, wie Maria oon ber i'inbe auf
bem ©eorgenberg bei 80)1005, 3Karia=*5ara) (oon einem aWarienbilbe
an einer &ärd)e), 2Jtoria:£ar (an einer Sanne) u. f. 10. n5). ©ine
fjalbe Stunbe fitblid) oon Zaubers, linfs ber $oftftrafje, ift bis jum
hinter 1 865, ioo ber Sefifcer ben aus bem Sturme ber 3af)rfwnberte
übrig gebliebenen Stumpf umbauen liefe, ber „beilige Saum" ge=
ftanben, bem bas Solf tiefe religiöfe Sd)eu unb grofje @t)rfurd)t
entgegenbrachte: etyemalö eine jioiefelige &ärd)e mit fd)öner, runber
$rone in einer 2i>iefe, bie Salb geioefen. üRidjt mit Unredjt erblitft
ber gorfdjer barin einen ber feltenen Ueberrefte beö untergegangenen
alt^eibnifdjen Saumhütuö unb oermutet in it)rer 9Mf)e eine ehemalige
Cpferftätte. 35enn lange noa) nad) (Siufüfyrang beö (Sfjriftentumö
üeretjrte man bie Slätten, 100 einft ben alten ©öttern geopfert
tuorben, unb t)ielt ben Saum tjeilig, ber einer ©ottljeit getoeifjt mar.
2>aö gälten „^eiliger Säume" in früheren Ijeibnifajen Dpferroälbern
rourbe noa) im elften 3afjrf)unbert als «ergeben betrautet unb
entfpredjenb beftraft ,38). 3a in ber fturatie Sala fmt bis 1658
eine alljäf)rlid)e Sßrojeffion ju einem geioiffen Saume ftattgefunben,
rocla> erft in genanntem 3a^re ein bifd)öflidje* «erbot befeitigte 137).
$>a& nod) jefet oiele gelb= unb Segfapellcn oon uralten Säumen
befdjattet finb, bürfte ftd)cr mit jenem ttuttuö jufammen^dngen. Unb
fo gefeüen fid) nod) Ijeute ^u einjelfteljenben Säumen ber oerfdnebenften
SM einzelne Sretter wie ganje ©nippen berfelben. — (&rtoad
ganj Originelles fielet man auf einem Spaziergange oon bem fdjön
gelegenen Sabe Qttgerö^of an ber böfymifdjen ©renje naä) 2ßar3en-
rieb: unmittelbar am Sege, bie auofia)töreid)e &ö\)t frönenb, eine
•»•) 3eitf$rift für beutfäe 2«pt^oIogie unt> ©ittenfunbe, »anb I (1863),
©.323—385; 3gnaj S3incenj 3»n9er'c# €><»9*n, 2Äard)en unb ©eöräud)e auS
lirol (3nn*brud 1859), @. 381: (Srjäljlung oon ber „äJlutter ®ottr« (SWarieit'
btlb) im finflern SBalbe"; 2R. §öfler, fBalb« unb «autnfult in ©ejieiung jur
$Jolf$mebt$in Dberljaqern« (9Jtün#en 1892), ©. 11 f.
»") 2». $öfler, 1. c, ©. 6.
U7) 3eiti(brift für beurf^e SRDJljolegie ic, ©anb IV (1859), ©. 83
btd 37; 3gnaj Vinceuj 3in9er'c» ©09^, 3Rär$ett unb (Bebräucfce, @. 109
bi« III; be«gl. ©itten, ©räu^e unb 2Weinungen be8 tiroler ©olfe*
(3nn«bruct 1857), @. 61.
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124
Otto Weber, Sotetibretter im baperifdjen ffialbe,
„uralte, ftarfftämmige l'inbe, bereit Stamm ringsum bis in bic
oberften Slcfte mit ^eid^enbretteru förmlid) gepanjert ift" ur). ßs
erinnert baö an bie fogenannte ftreujbirfe jioifchen 5iUborg unb
tfrebrifsham am finmfdpn SHeerbufen, bie jal)lreid)e mit ftreujen,
9tomen uub £obesjal)ren betriebene Frettchen trug13").
me miebert)olt bemerft, ftehen bie Fretter mit Vorliebe in
fleincrem ober gröfterem Vereine; fie werben bann oft gemeinsam
burd) einen rütfiuärts augebrachten halfen feftgehalten, roährenb man
cinjelne mittels bes jugefpifcten (Snbeö in ben Stoben fteeft unb
etwa noch burd) ^erumgelegte Steine oor beut Umfallen fiebert ober
aud) an einem eingerammten ^foften befeftigt. Magern fie um ein
Äreuj, fo erfdjeint in ihrer Verteilung bie ©nmmetrie nicht immer
gewahrt, ja es l)crrfd}t oft grofte Ungleidjmäftigfeit. 3ahlreicheren
(»1 nippen begegnet man befonbers um £am, #ohenmarth unb
itöljting. 3n erftgenanntem Orte leimen allein neben bem ftriebbofe,
oon anbeten Slnfammlungen abgefeben, 25 an einet (Gartenmauer;
bei Äöfcttug, auf bem Straften nach Neitenftein, an einer Scheuer
27 unb ein paar Schritte weiter noch 19 uo).
2>ie ununterbrochene 2lneinanberreif)ung in langer, geraber
fcinie ift es, welche bei ben meiften ©nippen allein bie 3lufmerffamfeit
auf fidj lenft. 9iur eine einzige fann id) namhaft machen, bie
jugleid) burd) it)r 2lnangement auffallt unb im ganzen 2Balbe
vielleicht ihres ©leidjen fud)t. Sie befinbet fid) in nädjfter 91ähe
oon Sambadj, rechts neben ber Strafte, bie oon Slam aus um ben
ba$mifd)en gefchobenen ^ergrüefen fid) Ijcnoinbet. ®ie Fretter nebmen
brei Seiten eines naa) ber Strafte offenen Mechtecfes ein. Kütten
in ber hmtofli 9teil)e erhebt fid) ein ungemein rjotyes, fchwarj ge-
beijteö ftreus, bejfen (Snbpuufte ein t>ubfc^ ausgefd)weifteö $acb
oerbinbet, unten bie ©ottesmutter mit bem Schwert im ^er^en.
§art baoor ein frei|*tel)cnbes £otenbrett oon gleicher ftarbe mie bas
Äreuj unb ruot)I gleichartig mit lefcterem aufgerichtet. 2>ie ^nfdjrift
lautet: „3ur frommen Erinnerung im ©ebete an £erm gerbinanb
2&nterljalber, s^rioatier, welcher am 3. üNooember 1889 im Sllter
oon 74 fahren feiig im &emi oerfchieb. R. I. P. ©ebet: SBir
bitten biet), o §m, erbarme bidt> nach beiner groften !öarmf)cr3igfeit
»") ffiiatomm, ©ehe 87 «nm.
©iebe ben «uffafc „Äarfirot (SRebrjabl öon Jrarflffo), bie entäfieten
Bäume in Jinnlanb": «lobu« 1891, ©eite 813 f.
»*•) Wa* St. ©ruber, a. a. O., ©. 182 f., follen fle „im baperifeben
Borroalbr jtoijdmi 'Straubing unb Sbam ju $unbertrn beifammen flehen". (?;
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mit «früdmtigung ber Xotenbretter überhaupt
125
ber Seele betnes SMenerö ^tobtnanb ""b oerlei^e it)r, nadjbem bu
fie üon beu 9)tübfalen biefeö bebend befreit fmft, bie Teilnahme an
beiner einigen &crrltd)feit burd) ijefum (Styriftum unfern fterrn.
2lmen." 3ltlc übrigen Fretter gruppieren fid) ju beibeu (Seiten beö
ftreujeö, fouue an ben redjtroinflig norfpringenben planten. 3iuöer
bem ifolierten betragen fie nid)t weniger benn 48. — ©troa ein
^Uertelftünbajen banon, wenn man auf ber Strafte nad) i?am jurüd;
gerjt, geroafyrt man ein einjelneo Skctt, baö burd) feine malerifct)e
Umgebung eine ungemein bübfdie üfiMrfung erjielt unb einen frönen
Vignetten * Sdnnurf abgeben mürbe1*1). Sieben einer bie tiefte meit
ausbreitenben Rappel eine ©nippe r»on ftelfen, auf beren ftattlidn'tem
ein 5ierlid)eö, nergolbetco 23ron*e --Strujifir. $anor ein „25enfmal"
für einen äünbboljfabrifanten von Dberfdjmeta.
aJierfroürbig ift, bafe bie i'eidienbretter aud) bie Äirc^^öfe be=
oötfern — nid)t blofe neben bem Xljore an ber ßnneitmauer lefynenb,
roie im bör)mifdr)eu ^farrborf öurfentljal ,42) — , forocit nid)t, roaö
heutzutage immer mein" ber ^all, fteineme ©rabmaler bafür ein;
treten. $)ie geräumigen ^friebböfe oon Vam unb $ol)emuartf) mögen
als öeifpiel bienen. %n ^onn unb Slusftattung gleid)en bie an ben
©räbern aufgehellten Fretter auf ben erften ÜBlid burdjauö ben
übrigen, ©in burdjgrcifenber llnterfd)ieb beftebt jebodj $unäd)ft
barin, bafj fie tjier fämtlid) in &ol}freuja)en auslaufen, was aufcen
faft ju ben ausnahmen gehört (ugl. S. 77), ferner im ©ingange
ber Önffription. 9iur feiten ^eifjt es tjier : „2luf biefem Brette
ruljte", ober „Slnbenfen bcö 2c", raelmebr geroötmlid), ber Situation
entf predjenber : „$ier rubet zc," „&ier in biefem ©rabe rubet"
(aud) „#ier ruben bie ©ebeine ic"), ober „©rabftätte" bcö ober ber —
Wl) $on Sbbilbungen. bie ic^ qrlrqentlit^ in ©Ü<$ern unb 3f'lfö"flfN
getroffen, ermähne \<t) außer ÄötilerS in ein Mtfytd gefaßter, fhmmHng «Dotier
Driginaljeiä>nung (f. ©. 62 Hnm 13.) — ©retter ju beiben ©etten eine« fjoljen
^oljtrujtUfed, babor eine fi&cnbc 89auer8frau mit gefalteten Rauben — nod)
eine anbere IreiGförmige — ein mäkliger 33a um im SJlittelgrunbe, woran
ein paar ©rettrr lehnen, roäbjenb bie übrigen, }um Xeil )d>on fc^ttf, ieitroart«
flehen; auf ber anbern ©eite ein ©ron je • Äru jifir auf Ijoljem "Stein (CEifc n-
fteiner (Begenb) — bei ©ernau, 3)er ©öljmerwalb, ©eite 9. (Erflcre b,at tu
ben 30ufhratiotien ju Äaibler« $uffafc (1. c, ©. i84), foroie in #öfler«
SBalb« unb ©anmtult, ©. 38, eine rclati» berfleincrte fflrprobuftion gefuuben.
5)ie ton $rin mitgeteilte ©nippe bei ®rün in ©öf>meii (jwif^en Beuern
unb (Sifenftraf?) fjabeu mir j^on ermähnt.
>*«) $ein, @. 97.
128
Otto «über, loteubrelUr im baperifdjcn Salbe,
le^teveö, aber bödm feiten, fogar auf aufeenftebenbeu Xotenbrettern ! —
unb „Mubeftätte".
Sie ber Inhalt ber Zeichenbretter, fo ift aud) tyr aüinatjlidjer
Verfall eine beftänbige ^rebigt ber ^ergänglid)feit alles ^rbiidjeu.
3)iarfant fpiegelt fid) auch bie ^erfcbiebenbeit ber menfölidpn
Zcbensbauer in ibiten wieber. s]){and)e$ »rctt, bas rwr jwei, ja
brci 2)ejcnnien gefefet worben, jeigt nod) eine oerbältuismätng frifdje,
wenig aebleicbtc Oberfläche, wäl)rent> oft gauj junge faum mehr
lesbar finb. Sie beim sJ)ienfd)eu bie Ärt unb ^ntenfität feines
fcebensfamyfes, fo ift Inev bie mehr ober weniger exponierte l'a^e
für bie längere ober filtere £altbarfeit aufjerorbentlid) mafegebenb.
95?o Sinb unb Setter ungehinberten Zutritt haben, wo feine Stauer,
fein Saumftamm 8d)u& gewährt, werben bie Fretter fd)on nad)
wenigen Söhren gan$ oerwafdjen, fobaf] von Schrift ober ©cmälbe
fd)ltefelid) nichts mehr feuutlid) bleibt, ober ber Sturm brüeft fte
fa)ief, ja fnieft ober srrfpl'ittert bie rnorfd) geworbenen. Unb fo
bietet manche Öruppe jum Teile felbft ben 3lnblicf eines Zeicben-
felbes. Mber wie im Veben ber 3Renfdjen ftetö neue fteime unb
fträfte fid) erheben, fo gefeilt fid) neben bie alten Fretter wieber unb
wieber ein neueö unb fcfyaut mit frifeben, leudjteubcn färben auf bie
jum Sturje fid) neigenben ober febon ju »oben gefunfenen »rüber.
üRod) fehlt es im banerifdjen Salbe, ber im Vergleich 5U anberen
(Gebieten wof)l bas ftärfftc Kontingent ftcüeit bürfte, nidjt an 9iaaV
wuchs1*3), unb Möhlers Prophezeiung am Scbluffe feines mefp
ermähnten, 1875 geschriebenen iHuffafeeä: „lieber fürs ober lang
wirb oermutlid) bie alte Sitte ber Zeichenbretter aud) im banerifeben
Salbe ucrfdjmunben fein" bat vorläufig nod) wenig 2luefid)t auf
Erfüllung.
Sir bitten es bisber burdjaus mit länglidjcn Brettern $u
tlmn, ber von Alters ber beftimmten, überall herrfd)enben $orm.
&ein fati jebodj in 3,viefel aud) an Räumen ober Scheunen an-
genagelte flehte ovale Xafeln mit ber in biefer öegenb für Toten;
bretter üblichen sJluffd)rift : Senfmal bes s)i s)l ic, gerabe als ob
fie aus folgen herausgefdmitten worben wären, fonnte aber abfolut
nichts Näheres barüber erfahren1*4).
'**) $n Obfrbapevn fcllett ftet) nacb SR. £öflcr in iölj (1891) bie
Xottubrettf r idjo» nabfju Cfrlorni boben.
H. a. O., eeitf 9ö.
mit 5brrüdfid)tigung ber Xotenbretter überbaupt
127
9ttd)t unerwähnt barf fdjliefclid) bleiben, bafr manche &oljbretter,
auf benen ein xoter gelegen, r»on pomtjerein nidjt aufgeteilt, fonbern,
wie wir es (o. 65) gclegentlid) uon ber Sdnoeij bemerften, auf
ben iüoben gelegt werben. Dann haben fic aber regelmäßig einen
praftifchen SRebenjwecf, nämlid) ben, gemiffe &4ege gangbarer $u
madjeu. 33alb oerwenbet mau fte als Brüden über f leine $)äd)c uub
©räben, balb aneinanbergcreit)t als ©angfteige über fernste äiUeieu
unb Sümpfe ober auf .Hircbeu= uub gelbwegen über naffe unb
fdunufeige Stellen. 3br eigentlicher 3roerf geljt babei nicht oerloren ;
im (Gegenteil, er wirb infofem nod) beförbert, als fie jeben
^affanten aufö Unmittelbare an ben loten unb feine abgeriebene
Seele gemalmen. Unb in ber Xbat fdjeiut biefer Pflicht früher
allgemein genügt worben ju fein, ja es gab iogar eigene Öebetreime,
bie man beim Ueberfdn*eiten ^erfagte unb mit einem SBaterunfer
befcf)lofe. $lütflid)erraeifc — benn leiber gehen fold)e Altertümer
immer meljr oerloreu — ift uns auö bem ööljmeriüalbe nod)
einer' *'•) erhalten, ben mir feiner 3)Jerfwürbigfeit wegen in ber
urfprünglidjen 3JJunbart bierberfefcen :
(Äruij? ruf (Sott, 04 Xoftboan,
fyat'i '*•) grojj ob« tloan,
fiaf« jung ober alt,
£)$ iobtg'ripp
©itt « aUjamm für tut
Unb i für fnt,
©a§ ent öott entere ©ünben j$ent!
3m größten 3JJafj|tabe tann man ben Skaud), bie Fretter \\i
legen, im £fterreid)ifd)cn wahrnehmen, $unäcbft im benachbarten
23öf)merwalbe, wo fie namentlid) als «rüden über bie Dielen Sumpfe
miefen bienen1*7).
Üllö iHleranber «petbolbt feine geognoftifdje Weife burd) $cutfd)lanb
unb Cfterreid; ausführte, fiel ihm öftlid) von ?Heia)eul)all, in ber
Umgebung beö Saljburger Sörfleinö ©rofegmain, biefclbe (Srfcbeinung
auf, bie er, „obwohl nicht geognoftifeber 2lrt, bod) alo einen guten
Beitrag jur Äennrni« ber tiefen (>5emütlid)feit beo Dortigen Golfes"
*••) £ein, loc. cit. S. 98, nacb, ber Einteilung eine« ©HtSbeftyer«
ju ©eewtffcn, ber if>n oon einem SBetbe gehört t)attt.
"•) Ös h&t« = ibr feio (»gl. Äloflermann, «Öbmerroalb • ©fijsen,
&. 143 f.); im baoerif<$en Sialrft: 6s heit» (©(bnifOcr^rommonn I, 1028).
«gl. $fin, ©. 97.
128
Otto «icber, Xotenbreltfr im baüerij^cn Wölbe,
in feinem #ud)e 14 *) Bereinigte. „$>ic Xotenbretter, mit bem Kamen
beß Verdorbenen betrieben , werben hinausgetragen unb Eingelegt,
100 fic gerabe notwenbig finb. $ier bient ein foldjes Örett $ur
Ucbcrbrücfung eines ©rabens, bort fdmfct es ben §afe bes S&mberero
oor bem Verfinfen im 3florafte, roieber anbersroo fdjafft eö irgenb
einen anbeni Kufcen u. f. hj., fürs überall trifft man fic $um
2)ienfte ber üebenben ausgelegt. So wirb bie Erinnerung an bie
®efd)iebenen lange mad) erhalten, unb wenn längft fdjon ber Käme
bes Verdorbenen burd) Slbnufcung oerfd)iounben ift, fo mag man
immer nod) an ber i'ängc bes Brettes erfennen, ob es bem 3lnbenfen
eines Äinbes ober (Srwad)fenen gilt, bis bann enblid) mit bem oöüigen
3erftören bes £ol$es aud) biefes &cnn*eid)en »ergebt."
Uebereinftimmenb bamit fagt Weorg ©infler in feiner „£opo;
grapfnfdjen, öiftorifd>= ftatiftifeften Sdnlberung bes *pfarr-©prengelö
©l)ing (Eching), fcanbgeria)t i'anbsbut ,4Ö)"/ bafe ber Sraud), bie
Kamen Verdorbener auf Fretter ju fdjrciben unb bie 3Öege bamit
$u belegen, fi$ an ber Sal^ad) finbe, gegen Bayern berein balb
aufbore unb erft am Ved) wieber auftrete, was ^rofeffor Sepp
beftätigt 15°). 3n bebeutenbftem Umfang wotjl jeigt bie £a$e bas
fogenannte (Sljrwalbermooo $wifd)en Vermoos unb Ebrwalb in Xirol ;
bie burd) ben SJJoosgrunb fübrenben Sßfabe finb mit £eid)enbrettern
förmlid) überfäet, um auf ber grünen, trügerifetyen ^iljbetfe ben
35abingebenben oor bem ©infinfen su bewahren 151). 3>ie Erfdjeinung,
ift aud) bem baqerijdjcn äftalbe nidrt fremb ,S2), unb unterf Reiben
fid) bie fo oerwenbeten Fretter oon anberen meift nur burd) brei
eingcfdjnittene Äreuje, allenfalls mit ^abreö^atjl unb Kamen bes
©eftorbenen. 2lefmlid)cs wirb ferner aus ber Dberpfalj t5S), ja
nod) aus Dberfranfen l5*) berietet, unb ia) f)abe fclbft in ber
Vamberger ©egenb mieberbolt foldje liegen feben.
'«•) ©citrä'gr jur ©fogtiofie ton I«jroI. ©fijjen auf finer SRfife burdb
Sadjffn, ©anern, ©aljtnmmcrgut , ©atjburg, Xirol, Orftrrreid). Peipjig
1848, @. 60 f. Sgl. ©auaria I? 413 unb ©djmeflfr.ftrominann, $aijfrij$f8
©örterbuo} I, 682.
»erffanblungm be« f>iftorij<t|cn herein« für Webfrbapcrn. 8anb
III, $fft 2 (1853), SS. 85 f.
,M) S3ölfcrbraiirt> bei fccdjjeit, Öeburt unb Job (1891), ©. 139.
,»') St. «ruber, SRartat u. Safer!, a. a. O., @. 133.
>") SHfbcr, S>. 105; iPaoaria I, 995; Äöfjlfr, a. a. O. — Sonntag«
freubf, loc. cit., S>. 85».
'»») «abaria II, 823.
»") $aa8 l. c; t'inbenfdjmit, 6. 98.
mit >öeriidfid)tigung ber loteubretter überhaupt
£>ie eigentümliche Sitte mag mit einem ©ebrauche sufammen=
fangen, beffen Spuren noch t)eute oiele tfirchen aufzeigen, ben
3ujjboben berfelben fiitb nämlich fteinenie Xotenmale liegenb ein=
gemauert — gerobe an Steden, 100 ber Strom ber Slnbädjtigen
barüber weggehen muß; inobefonbere am portal , baö man nur
burd) Berührung berfelben $u überfchreiten oermag.
©tioas ganj 2lpartes fommt in ber Dberpfalj neben bem
häufigeren Segen ber Fretter auf ©angfteigen vor. Sßä^renb ber
Tote hinausgetragen nrirb, nimmt man, bamit bie Seele itjre iftvfyt
finbe, baß feinem Raupte untergelegt geiuefene Stroh unb jünbet es
im £aufe an einem in einem alten &afen (!) bereit gehaltenen
Jeuer an. Wt bem Traube eilt bie Seelnonne auf bas nächfte
Jelb, too fie bas Strol) aan$ oerbreunen lä&t, unb auf biefe Stelle
wirb bisweilen bas Seidjenbrett Eingelegt. Sin mand)en Drten aber
oerbrennt man es famt bem Strobbunbe l5R).
£er alles burchfefeenbe Aberglaube hat fid) aud) in anberer
mannigfad)er 2i>eife an bie Xotenbretter geheftet. SpejieU au«
Cberbanern er$äf)lt uns ^öfler156), bajj bie Seute befonbers beS
Nachts i^re 9täf)e fet)r gemieben hätten, aus gurdjt, bafe „ber 23einl=
framer", ber Xob, bafelbft umgehe. 2lnbererfeits f ollen bie gelegten
Xotenbretter noch Pütjen für bie l'anbiuirtfdjaft bringen; in ftraufc
beete geftecft l57), oertreiben fie bie Raupen, toie bie Sargnägel bie
$>iebe. ,5S). — ferner glaubt man, ba§ bie Seelen ber Verdorbenen
mit (Rottes Erlaubnis $u beftimmten ftaten auf bie ©rbe jurücf;
fehren, um burd) bie fromme Xhat gläubiger 2)ienfd)en ©rlöfung $u
erlangen; ftunbenlang begleiten fie bann, gewöhnlich in ber ©cftalt
eines fcichtleins, ben nächtlichen ^anberer, um plöfelkh tyntex einem
Äreuje ober einem Xotenbrette ju oerfd)n)inben 159). ftiefe bienen
&r. ©djönroertb, 1. c, I. Seil (1857), ©. 251-253. »ebnticb.
roirb ba* lotenbrett gu SBinterberg (SJbljmen) in ben feltenen ftäflcn, roo
e* nod) in SJerwenbung fommt, burd) fteuer oernidjtet ($etu, a. a. D., @. 87).
,M) Hm llr-Ouell, «anb II, @. 101.
$gl. ®. «I, «um. 7 ©d)lufj.
'••) 3n ber gleiten flbfiibt verbrennt man im nörblidjen ©öljmen
(*Nünd>engrätj) auf bret «den bc« $elbe« ein ©tüd öon einem |d)on o.e.
brausten ©arge, foroie alte »ettfebern, fo baß ber sJtaud) über ba$ ganje
^elb ^ir^t ic. (Aberglauben unb ©ebräudje au« ©öljmen unb 9Wäb.ren.
tUefammelt unb herausgegeben oou 3°iep&. öirgil ©rob,mann, $3anb I:
Beiträge jur ®cfd)idjte »öf>mcnS, Abteilung II, ©anb 2, $rag unb tfeipjig
1864, e. 8«, «Rr. 620.)
'••) 3ob,. 93. «eguer, 2>er SBalbler in ©Ute unb ©prad)e, a. a. D., @. 587.
3cit1djrift für ftulrnrgefdjiittc. 11. 9
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130
Otto lieber, lotenbrctter im baijerifaen Jöalbe,
nämlich ben armen Seelen bei ihrem qualoollen Umherirren ju Stfan--
planen unb 3ufluchtsftätten; bie eigentlichen ©efpenfter unb böfen
©elfter aber galten fie als unüberfdjreitbare Sftarffteine ab ' 60).
3m 3aljburgifa)en geht bie Sage, bafe „£eid)läben oon Toten,
welche in ber anbern Söelt noch feine SHube gefunben fyaben, felbft
in nünbftillcn dächten an ber SBanb (bes Kaufes, wo fie aufgehängt
fitib) flappern unb fnarren unb bie SfJblafenben beunruhigen, datier
fieht man bie Zeichenbretter weniger häufig an 2ßotmhäufern, ald
an Stallen unb Scheunen" I01). £as mt „in ber £öH" (Dbet=
pfalj) meint, inbem es bie «Dtartertafeln für bie eines gewaltfamen
TobeS ^erfchiebenen an Räumen anbringt, bie armen Seelen
häuften bei Tage in bieten, feien aber bes 9?aa)ts entbunben unb
bürften in einem getroffen Umfreife frei fchalten: eine Slnfchauung,
bie r»on Cberbeutfchlanb bis nach Sslanb ihre parallelen h«t18^
3n ben 3ucfenben flammen, welche oft ho$ über ben SBipfeln
ber Säume aufflacfern, fehen ^olshauer unb Birten bes Böhmer;
walbes bie Seelen armer SCerjweifelter, bie fn>r cm bäuerliches
Gnbe gefunben; bei ihrem 3lnblicf fchlagen fie fofort ein flreuj unb
fprea)en ein Requiescat1*3).
Seltfamermeife uermeibet man es an einigen Drten ber Ober?
pfalj, ein Totenbrett ju betreten, aus $ura*)t, baburch mifeweb ju
befommen (fo in ^alfenftci«, Fronau, dbcroiecr)ta(^). Um bie weit
oerbreitete 3(ngft $u benehmen, ber Tote möchte nrieberfommen, fe&t
man fich im oberfränfifchen s)Rarfte ©efrees mit bem bloften ^intern
auf bas SJrett, oon bem eben ber Tote genommen worben ,ü4). 3«
manchen altbanerifchen ©egenben liefe man über bem Meebrctt fogar
ben 3iubelteig jum Üeichenmahl aufgehen l6V). §m öftlichen Böhmen
(itanbsfron) t)crrfd)t ber ©laube, bie Totenbretter fallen am heiligen
31benb um, unb in welcher Wartung bies geflieht, ba fterbe
jentanb l8ft). — Ueberall geniejjen biefelben eine befonbere Verehrung
wo) Ä. ©raber, loc. cit., ©. 18«.
'•') fceimgarten III, 716.
••«) ©$önn?ertb, a. a. O. I, 991. fcöfler, «Balb- unb «aumfult,
Seite 82—34.
(S. Äloflermann, ©bbmerHmlb.@rijjen, ©. 82.
»•*) ©djbnwertb. I, 262. »aoarta II, 323. 3n 6öbmen ab« jacit
mau: „Huf welker Sanf bie ?eid>e gelegen ifl, bie brüdt ben ©ifcenben"
(©robmann, loc. cit., ©. 188, 9ir. 1327).
Oogamie« ©r pp, 3$ölfcrbrau($ bei #od)jeit, ©eburt unb lob. ©. 1B3.
•••) ©rob,mann, a. a. C, ©. 187 <Rr. 1310.
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mit «erüdfutyigung ber iotenbvtttcv überhaupt
unb fommcn geweiften ©egenftänben gleid), beten rud)lofe Verlegung
nic^t ungeftraft bleibt, ©in 3äger, ber einmal fein ©eroetjr gegen
ein foldjes Vrett entloben, foU mit ©ntfefcen ben #opf bes Ver=
ftorbenen bro^enb baf)inter fjeroorniefen gefe^en tyaben167). Unb ein
£ol$f)auer, ber am SlUerfeelentag im Söirtsoaus ju !Wel)berg (Vöf)men)
gewettet, er merbe eines ber £eia>nbretter brausen im SBalbmoor
heimtragen unb barauf fajlafen, unb nrirflid) in finfterer 9looember;
nacf)t eines ergriffen unb fta) bamit belaben Ijatte, füllte es auf
einmal fdnoer mie ©entnerlaft unb als wäre es auf feinem dürfen
feftgewaajfen; babei ertjob ftd) hinter tym ein mad&rtges 9iaufa>n,
fobafj er, uon 2Ingft unb ©rauen erfaßt, baf)inrannte unb erft bei
einer SHarienfapeHe, reo er bie ©eilige fle&entlid) um ©rlöfung bat,
bauon befreit rourbe. 3lm anbern Xage aber fott bas SBrett roieber
bort gelegen Ijaben, roo er es genommen fjatte. 9tod) eine ©efdnd)te,
iuela)e jeigt, bafe bie Xotenbretter ntdjt mit jt$ fpafsen laffen. ©in
junger 2Jtann, fo erjagt man in Vobenmais, l)abe fidr> immer
boruber luftig gemalt ; als er aber einmal in ©efeßfdjaft an einigen
Brettern oorbetfufjr unb, neue ©pottreben loslajfenb, anhalten liefe/
um aussteigen, fiel er alsbalb tot nieber „unb warb nun felber
auf bas 33rett gelegt" ,68). — ®ie Angehörigen ber Verdorbenen
laffen fia) um feinen ^ßreis juc ^ergäbe oon £otenbrettern beftimmen,
n>as £ein, ber für bie etf)nograpf)ifdf>e Sammlung bes SBiener &°f:
mufeums ein paar ©remplare $u erhalten münfd^te, felbft erfahren
Imt, fooafe er fdf)liefjlid) mit pfjotograpfnfdjen Äopien fid) begnügen
mußte U9).
3m Vorbeigehen ift bemerft luorben (©. 125), bafe bie ©tein=
benfmale auf ben griebf)öfen in ber ©egenmart fa)on ftarfe Verbreitung
gewonnen haben. 9iur auönabmsroeife finbet ein berartiger ©rfafc
aua) für bie Xotenbretter im greien ftatt. 2)ie Monumente gleiten
bann ganj ben Steinforfeln mit ©ifenfrujiftren. ©ine Viertelftunbe
füblid) oon Galling fiet)t man ein foldjes an ber £>tftriftsftrafee
gegenüber fieben geroöhnlidien Zeichenbrettern, meldte auf ber anbeten
©eite ber Strafe an einem anftojjenben Salbfaum fteben. ©ö
trägt bie 3nfd)rift: „©ebenft im frommen ©ebete ber tugenbfamen
Jranjisfa zc" ©in fetyr fchönes ergebt ftd) im heiler Patting
neben bem burdjfütjrenben &auptroeg. 9ln bem gu&e bes ftattlidjen ,
»•') ©aoaria I, 995.
,M) $ein (nad) münbli^en Mitteilungen), a. a. D. @. 98 f.; S. Älofter.
mann, ©öbmerroalb . ©ft^en, Wen (1890), ©. 25 f.
»••) $ein, @. 86 unb 98.
9»
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Otto Wifber, Sottttbrrtter im baJjerijdjfn Salbe,
Ärujiftyeö eine %*ieta mit Johannes, aüe« oon ©ußeifeu; auf bem
5treujeöftamm eine franjumrounbenc 3nförift: „öefreujigter &err
$efu ßljrifti (!) erbarme bich meiner unb ben (!) armen Seelen im
^egfeuer." 2lm Steinfocfel bie Süorte: „dcnfmal beö tugenbreichen
Jünglings Xaver Sitanbinger, 33auersfobn oon Patting, ©r ftarb
im 36. Lebensjahre am 2. 2)Jai 1879. 3n ber ölüte feiner %at)xe
ereilte ihn ber Job, ba er unter bic üHäber feines Wagens geriet
unb bat>on erbrüeft mürbe. 9iur ein Schritt ift jroifchen mir unb
bem £obe. I. Ri««. 20. !öete für bie Seele be« Sßerftorbenen.
R. I. P." §ierju fei bemerft, baß baö Unglücf an einer entfernten
Stelle gefdjehen mar, unb ber alfo dahingeraffte in Galling begraben
liegt. 3>ie 2luffteUung *u Patting erfolgte, weil er ein Drt$=
angehöriger geroefen. Seit Hilters plazierte man 2Marterl= ober
$>enf faulen nicht immer an bie llnglücfsftcttte, fonbem gar oft an
offene Sßerfehrölinien , um ben &me& ber öffentlichen ^ürbitte fid>er
ju erreichen, SBidroeilen finb fold)e Monumente burch ©injäunung
oor näherer Berührung gefdjufot. Außerhalb bes Stäbtdjens
fturtf) i. 90., auf bem ÜBege nach bem rjübfdhert %#ergfchloffe
s^oithenburg, fommt man an einem quabratifa) eingefaßten "ipiafce
worüber, worin eine hohe Steinfäule mit uergolbetem Ärujifir folgenbe
Snfduift jeigt: „Ginem frommen Slnbenfen im ©ebete empfiehlt
feinen am 16. Oftober 1813 geborenen, am 22. 9)tai 1874 im
$errn entfchlafenen Üater &errn ftranj SiUlb, fturth i. 2B., el)e=
maligen ©afthofbefifoer, bellen banfbarer Sohn ftranj 2öilb." 3luch
©rmorbete erhalten in neuerer $eit flreuje auf Steinfocfeln. ©in
paar tmnbert Schritte oon Schloß 9lu, an ber Straße nad) ftegen,
fteht ein „$>enfmal $ur (Erinnerung an ben oerungliidften
fioibl, öauersfolm in Fahrnbach, roeldjer uuroeit biefer Stelle am
20. Stejember 1864 in einem Sllter oon 44 fahren oon einer
ruchlofen £anb meuchelmörberifd) eridjlagen mürbe. 3)er £err gebe
ihm bie eroige ?Hube". So t)at bie alte Sitte, bei unoorhergefehenen
XobeSfätten fogenannte „3Jlarterfauln" ober Wärterin ju 3lnbenfen
unb Fürbitte auf Juristen — eine Sitte, welcher felbft «beiige
folgten170) — ein mobemeö ©eroanb angelegt. Selten befmben
IT0) 9Han bente ütt bic in ben ©erfyattbluttgen beG biflorifdjen ©erein*
für Wteberbaqe rn , »aitb 16 (1871), ®. 32» f. befdjrtebene ©teinfäule am
Soge oon ?anb«b.nt nad) Obergolbing, errietet für bfn, roabrjcbeinlid) bei
etiirr £>ftbfljagb oom Uferbe gcflilritni nirbrrbaDfrijdjtn Obrrji«
felbbauptmann ©enfime Don $>orofltban>M}. Bergl. ancb. SUigufl $artmann,
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mit SBerüctftc^tigung ber fcotenbretter überhaupt
133
fid) 2)iarterl - 3luf fünften auf Xotenbretteru, wooon &em ein
eigenartigem -öeifpiel au« bem Böhmifchen anführt171).
$ie große £auerl)üftigfeit ber Steinmonumente ift unzweifelhaft
it>r öauptuorjug. sii>äl)renb Bretter, wenn aud) auö ©ichenholj l72)
gefertigt, im aüergünftigften galle faum fjunbert 3ahre erreichen —
ich felbft habe nur ein paar fünfzigjährige, nod) ziemlich erhalten,
angetroffen — , fann ber Stein gleich länger unb beffer fid) fonfert)ieren.
Unter 33et3iet)ung folcher $enfmale war u. &örmann in ber £age,
biß $um 3a()re 5urucJ ©raboerfe au« dauern, Xirol, (Salzburg
unb Steiermarf mitteilen 511 fönnen173). $)iefelben befinben fid)
noch baju in Kirnen unb griebhöfen, alfo an befonber« gefdmfcten
Orten, wogegen bie im freien fampterenben Sftonumente ben <£in;
flüffen ber Witterung ungleich ftärfer au«gefefct finb. Selbft bie
gufjeifernen Äreuje bleiben gegen bie 3erftörung nicht gefeit, unb
manche« berfelben fah ich ju meinem (Srftaunen bereit« gefnieft unb
Zerbrochen.
* *
*
$11« eben ber $rucf biefer (Snbe 3anuar 1894 pollenbeten 2lb=
hanblung im ©ange war, fam mir eine eben bamal« ceröffentlichte
wichtige Slrbeit 5U ©efidjt, bie ich hmax uic^t mehr verwerten fonnte,
auf welche jeboch r)in3urDeifen mir noch geftattet fein btirfte. Sie
ftammt oon bem auf unferem öebiete bereit« bewährten, in Bor-
ftehenbem oiel genannten gorfcher Wilhelm £ein unb erfduen in
ber „geftfehrift zur Begrüßung ber Teilnehmer an ber gemeinfamen
^erfammlung ber beutfdjen unb Liener anthropologifchen ©cfcUfchaft
in 3nn«brud, 24. biö 28. Sluguft 1894, herausgegeben oon ber
anthropologifchen ©efellfchaft in 3Bien, rebigiert uon granj $eger".
£ie ^icriit Seite 56—71 abgebruefte „©eographif d)e Ber^
breitung ber Totenbretter. 3)iit zwei Tafeln in £id)tbrucf" ift
hauptfäa)lich baburch wcrtooll, baß fie jahlreid)e, au« mannigfachen
Mitteilungen dritter gefeböpfte Beobachtungen, fowte bie neuerbing«
$an« fcefellober« £irbfi\ Crlauqcit 1890, ©. 61, unb beffen »olfdfdjaufpiele
in ©aoern unb Cfierrfidj.llngavn, ^eip^ig 1880, 6. 179.
m) ©on finem erininfeneu oieriäfjrigen Änaben — loc. cit., 8. 96.
m) $öfler, ©aum' unb Stfalbfult, 6. 102. — 3m »bbrnerroalbe ba-
gegen joden fir burdjtoeg au8 meinem #olje beftefyen (§ein, 1. c, ©. 87),
gtctdj roie int baperifdjen SBalbe.
m) Dir ältcflfii aus bem 15. unb 16. ©üfulum fir^c „©rabfibviften unb
SWarlerlcn" I, 27, 36. 49-52; II, 20 (Oon 1490), 64 unb 66 f.
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1 34 O. Hieber, Üxtenbrettfr im boper. ffiolbf, mit »crüdf. b. 1 otcnbr. flbfrb.
erfd)ieneue ifttteratur (auf ber legten Seite ber überfidjtlidje „Duelten=
9toa)roei$") jufammenftellt imb inäbefonbere com ^erjogtum Salzburg
eine genaue Xopograpfjie ber £oteubretter entwirft (unter Eingabe
von nid)t weniger benn 105 ^unbftellert). derartige Äonfurrenj-
arbeiten ftnb um fo banfenöroerter, al$ eö bem einzelnen fajon aus
finanziellen ©rünbcn faum möglich ift, eine in jeber §infid>t er=
fa^öpfenbe Statiftif oon einem auögebe^nteren ©ebiete $u liefern.
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Pic
^nfänflc i>er öcutfd^cn jJMftsftunöc.
Von Kid?ar& ITt. mever-
lüorirng. gtlioltrn im CrrJn.rr Amin für Oolklkunk», 27. OTktobrr 1893.)
„2öenn bcr SBanberer am Slbenb 9taft macht, fchicft er bic
©ebanfen bcn 3Beg jurücf, um ju fjolcn, mas er bei fteilem 2lufftieg
unb unter betn ®ebüfch oerlor."
9Wit biefen ©orten beginnt .Hart s2&inf)olb bie Mücfblicfe, bie
fein größtes ber Bolfsfunbe geroibmetes ©erf, „£ie beutfehen grauen
im Mittelalter", abfdjliefjen. fluch mir roenben biefes ÖleidmiS auf
uns an. Ueberfetjen mir nur bie Xitel ber bebeutenbften Arbeiten,
bie bie beutfehe Bolfsfunbe Marl Stfeinbolb oerbanft, fo merben mir
gemaln-, mie lange eö bauem muftte, etje für alle biefe ©egenftänbe
ein roiffenfdwftlicheS ^ntereffe ermatte. Mann bat man angefangen, für
bie Art unb Stellung ber beutfeben grauen, für basl'eben in altnorbifcher
3eit, für ßeichenbeftattung unb geograpl)if(^e BorfteUungen einerseits,
für bie iDJunbarten ber beutfehen Stämme anbererfeits, eine über
gelegentliches Sammeln oon Huriofitäten ^erauoge^enbe Teilnahme,
ja auc^ nur eine an biefen Äuriofitäten tjaftenbe ju empfinbenV
2Henn mir biefe Jrage in einem furzen Ueberblicf ber 3Jor=
gef Richte unferer Sonbermiffenfchaft ju beantroorten fud)en, fo ^nbeii
mir ju ben Arbeiten über ältere beutfehe Bolfsfunbe felbft in ein
eigentümliches Verhältnis p treten. aitoe bort jufammengeftellt ift,
haben mir auseinanber^unehmen $>er Srmthefe, bie ein möglichft
oollftänbige« Öilb oon ben beobadjtenben Volfsftämmeu entmerfen
nriU, müffen mir eine flnalofe gegenüberfefcen, bie bie Beobachter
c^arafterifieren foll. Welches ^ntereffe unb meld)e Beobad)tuna>
gäbe frembe unb einbeimifd)e Beurteiler beutfd)en 2Befai€ an ben
ist;
föidjcirb 3». SWetjer
£ag legen, bao fyaben nrir quo bcn Sammlungen $ur beutfcben
3lltertums= unb bolfsfunbe, aus bcn Serfen oon 3afob &xmm,
3Rülleiu)off. 3eufj, SBeinljolb, SUnrin Sdnilfc, Safob o. ^alfe
fierausjubolen.
&Ur müffen uns aber babei crft nod) bie Vorfrage oorlegen:
roelcbe Nüttel befafeen jene älteren beobad)ter, um tfjre bolfsfunbe
auf unfere £eit $u bringen? $aö ioid)tigfte aKittel finb natürlich
eigentliche befdjreibungen oon bolf unb beuten. Eaju tommen
in oerhältuismäfeig geringem SRafee $)enfmäler berbilbenben
Äunft. belangreicher tritt $u biefen beibeu SBegen birefter
(Sljarafteriftif bie inbirefte, wie ftc burd) bie Sprache in bölter-
namen unb ^rembioorten, burd) bie ^oefie in c^arafteriftif^en
Xnpen unb in analoger 2ßetfc fonft geliefert roirb. ©ine Sdnff^
labung oon bunten perlen, (leinen Spiegeln, alten fixad* wtb
G«linberl)üten giebt und oon bem 9Jegeroolf, für baö fie beftimmt
finb, oiefleidjt ein beutlicheres bilb, als bie in 2lllgemeinbeiten fidi
beiocgenbe ©r$äf>tung eine* 9)iifftonäre.
prüfen mir bie oortwnbenen belege, fo ergiebt fid) jebenfaUs,
bafj bei bcn alten ©rieben unb Moment oon oom^erein für bie
bolföfunbe fowofjl ^ntcreffe als Talent in reifem SHafce oorljanben
mar. £s genügt, bcn einen Namen fterobots ju nennen, um beibe«
ju beioeifen. 3ito inbes ber bater ber bolfsfunbe aus rein roiffen-
fdwftlichen ©rünben feine Reifen unternahm, ba mar befonbers für
bie 9iömcr ben (Germanen gegenüber ju früt) eine praltifdje Stellung
nähme Slusfchlag gebeub, als bafe mir gleichmäßige berüeffichtigung
aller ©efichtspunfte ermarten bürften. —
3rocicrlet fyabeu wir burdnoeg auseinanberjuhalten : erftens ioa$
galt als bejeidmenb für bas gan^e germauif che bolf ? jroeitene
maö ajarafterifterte bic einjelnen Stämme?
2Us „©ermatten" galten bei ben anberen bölfern eine 2lnjaf>l
ein gefd)loffenes ©ebiet bemotmenber Stämme oon roefcntlidj gleicher
Spradje, oon übereinftimmenbem Äörperbau unb etma gleichartigem
bolfödmrafter. (£s gab Stämme, beren Slnge^örigfeit jtoeifelhaft
mar, fo für Xacttus (©emi. 46) bie NJ>euctner, beneter, Renner,
bon ben nörblia)er motmenbeu bölfern werben bic (Germanen uid^t
immer fa)arf gefdneben; fie fallen juiueilen unter bie ©efamt:
oorftellung ber „Scuthen", ber Momabenoölfer bes Horbens. $od)
gehört bie ausbrütflidje ©leichüellung ber fcntyiföen ©eten mit ben
germanifdjen ©oten crft ber ©elehrfamfeit fpätcrer $eit, oon ßaffiobor
unb ^orbauoo bio auf 3ofob ©Timms ©efdjidrtc ber beutfaVn
Digitized b
$ie Anfänge Ufr beutfcQen Ü$oir«(unbr
137
Sprache. — 2)aß $olf, an bem bie (Germanen oor ädern gemeffen,
mit bem fie beftänbig oerglidjen werben, ift baß iljrer fübmeftlid)en
9Jadt)barn, ber Helten, ©erabe bie älteften söeobadjter betonen bie
$<erfdnebent)eit , inbem fie an ben weniger befannten (Germanen
SJlerfmale beroorljeben, bie ben beffer befannten Helten fehlen. 2)ie
altefte berartiae Unterfdjeibungßf ormel , bie unß erhalten ift, ftatnmt
aus ber SWitte beß erften 3at)r^unbert« oor (Slnüftuß, wo ber
©rammatifer Sifenna fagt : „2)ie ©allier werfen eine sJlrt ©efdwffe,
roelay sDtatcriß Reißen, bie Sueoen itanjen" (bie Sueoen oertreten
l;ter bie Wermanen, beren ßefamtname bamalß nod) nidjt eriftiert).
Sluöbrücflid) fudjt Gäfar beibe außeinanberjufjalten. 3n ber 9tebe
beß $>iottiacuß ©. 1, 31 — td> citiere immer bie „®efdnd)tß=
fdjreiber ber beutfdjen ^orjeit") fjei&t eß: „meber fönne mit bem
aalltfc&en sMerlanb baß gcrmanifdje, nodfj mit ber bteßfettigen ikbenß-
weife bie jenfeitige ben ^ergleid) außljalten." 2lußfüf)rltd) tjanbelt
(Säfar felbft über „WaÜienß unb ©ermanienß "Sitten , unb worin
biefe Hölferfdjaften fict) oon einanber unterfdjeiben" ®. VI, 11 f.);
bod) befd&reibt er tfmtfädjlid) beiber ^uftänbe einjeln, unb bloß im
Äapttel 24 oergleidjt er fie wirflid) in $ejug auf friegerifdjje
Xüd)tigfett, &ebenßart unb 2rad)t. ftnapp faßt Strabo bie -JHerfmale
pfammen: „bie (Germanen, wenig oon bem feltifdfjen Stamme
unterf dfieben : burdf) größere sh>ilbl)eit , größeren 2ßud)ß unb größere
$lonbf)eit; fonft an (iteftalt, an Sitte, an i'ebenßart itmen äfmlid)".
3fjm alfo finb bie (Germanen fopfagen ber Gomparatio ber Helten,
meßljalb er benn aud) bie befaunte Gtfjumologie feftf)ält, nad) ber
„(Germanen" fooiel bebeute wie „edjte Wallier". Werabe burd) eine
foldjje Sluffaffung waren benn aber natürlich aud) &ermifd)ungen
oon Helten unb (Germanen nahegelegt (3)iüllenl)off, 2). 2llt. 11, 154 f.),
bie in unfern Xagen ja burd) fiolfemann wieber aufgenommen würben.
2lud) feljlt eß nidjt an mitfliegen Berührungen: bie feltifdjen Söolcae
Ratten nad) Gäfar (8. ®. IV, 24) germanifa^e 2lrt angenommen,
bie germanifäen Ubier (£ac. ©ift. IV, 27) Ratten fid) p ben
Römern geftellt wie fonft bie Sielten. —
äitoß fa^ien nun ben älteften Beobadjjtern an biefem germanifdjen
©efamtoolf d)arafteriftifd)?
2Uß erfteß Littel, bie tHnfdjauungen ber 9tad)barn über bieß
&olf fennen ju lernen, bietet fein sJtame (idf) an. iUber wenn fogar
oon ben $at)llofen ^rflärungeu beß (tfermanennamenß eine fieser
richtig wäre, würbe unß baß bod) nidjt eben oiel Reifen. $enn
fooiel gel)t bod) minbeftenß auß Der oielumftrittcnen Stelle beß
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8ti$arb 9J1. SWeijer
jroeiten Äapitels bet ©ermania heroor, bafe es nur ein oeraUgemeinerter
Stammesname ift: fo Ipefsen erft nur bie hungern, bann alle —
gerabe rote fpäter bas ganje &olf bei granjofen unb Italienern
„Memannen", bei ben SDtagnaren „Schwaben", im Drient „^raufen"
fuefj, ober roie in ganj analoger SSeife bet 9tome jener SJolcae
fpäter auf aüe „SBelfchen" angeroanbt rourbe. 2tus bem Tanten
„©ermanen" alfo , bebeute er nun „©freier" ober „Speermänner"
ober roas fonft, ift für bie Gl)arafter iftif bes ©efamtoolfs nichts
ju entnehmen, benn nichts berechtigt und ju ber 2lnnahme, bas für
bie Büngern im Unterfchieb oon anberen germanifchen Stämmen
bejeidmenbe SWerfmal fei aua) für bie ©ermanen im Unterfchieb oon
anberen SJölfern be^eidmenb geroefen.
SBenn man aber einen beliebigen 9tamen auf jene ©efamthett
oon Stämmen übertrug, fo beroeift bies jebenfalls eins: bafc nämlich
biefe ©efamtheit als eine einheitliche nub fid) felbft gleiche 3)iaffe
(roie £acitus es ausbrücflich ^eroor^ebt) angefehen rourbe. Silas
roar nun bas 23anb, bas bie ©ermanen für it>r eigene« Urteil unb
bas ber gremben 5U einem Körper jufammenbanb ? 2lucb für ü)r
eigenes; benn trofc ber frühen Öruberfehben fehlt es nid)t an
3eugniffen uralten germanifd)en ©emeingefühls : roir erinnern In«
nur an bie Sfoftammungsfagen, an bie Meinung oon ber ßerfunft
aller ©ermanen aus Sfanbinaoien.
$ie Spraye ift es jebenfatts geroefen, bie am mutigften bie
©ermanen ben §remben gegenüber als ©inljeit ct)araftcrifierte. $)enn
in ber fbrperlidjen <5rfd)einung ftanben bie Kelten nahe, unb burd)--
greifenbe etlmologifche Kriterien fehlten aud) fonft. <£s gab nie
eine gemeingermanifdje SJirjtrjologie, bie an ben ©renjen jäh abfdmitt,
fonbern nur Kulrusfreife, in benen bas ©ermanifdje mit Slltoererbtem
unb totalem fid) oermifdjte. betreffs ber Staatsformen unb ber
ßebensroeife gebt aus bem Bericht bes Sacitus felbft tyrvox, ba§
fie auf germanifd)em 33oben burdjauS nicht gleichartig roaren. Slber
bie Spraye beherrscht baS ganje ©ebiet unb fdmeibet an ben
©rensen verhältnismäßig beutlich ab. Sie ift für £acttus überhaupt
£auptfriterium in ethnologifa)en fragen (TOllenfcjoff, 9llt. 2, 33).
Qtyxe (Sharafteriftif *n römifchem ober griednfchem Üfunbe geht
freilich über eine Kennzeichnung bes barbarifchen Klanges nid)t
heraus, freilich h°* fd)°n 3- ©rimm bemerft, bafj faft jebem $olf
bie Sprache anberer Nationen rauh ober lächerlich flingt ; Kluge hot
aber (©runbrifj ber germanischen Philologie I. 31 5 § 5) gezeigt,
baft jene Kennzeichnung iiid>t lebiglich bem Vorurteil entfpringt.
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2)te Änfänge ber be litten SBolfStunbe
139
iHu&er ben ftonfonantenfjäufungen, befonbers bes Anlauts, bie er
anführt (tliwacba, thlauhts, fancha) möchte td) nodj auf bie
Sdjroierigfeit ber germanifd)en 2lccentüerrjdlrniffe t>em>eifen. 3lber
nirgenbö finben mir eine genauere Eingabe über bie 9)lül)fal, bie biefe
barbarifdje Sprache oerurfadjt, unb oon einer genaueren Slmrafteriftif
berfelben ift natürltd) überhaupt nidjt bie JHebe: ift bod) bergleid>eu
erft in unterem 3a^t)unbert burd) 2B. o. £umbolbt unb ©teintfjal
t>erfud)t roorben.
$>ie ©praa)e alfo ift e* allein, was bie (Germanen aU ©anje$
in ben »ugen it>rer frityeften ©dnlberer fennjeia)net. 3n allem
übrigen erfdpinen fie, mir mieber^olen e$, nur als gefteigerte ßelten.
Unb jroar gefteigert nad) ber Seite bei* 93arbarifd)en t)in.
9iid)td frappierte bie Börner metjr als bie Körpergröße ber
(Germanen. Sludnatymöloa Ijeben bie älteften 93eriä)terftatter baö
Stiefenmajj bes fieibeö.ljeroor, <)Mutar$, ftlorud, ßafftufi 2)io, Slppian,
Xacituö, ^omponiuö SJJela, befonbers oft (Säfar. ©r läßt aud) bie
©ermanen über bie minjige ©tatur ber römifdjen ©olbaten (33. ©. II, 30)
fpotten. — $>amit gebt bie Betonung ifyrer ©tärfe §anb in
£anb; aber foroofjl Xacituö (3lnn. 2, 14) als 3ofepfju$ (3lltert. 19,
R. 1, § 15; &orfel in ben „©efd)id)tf$r. b. b. SHorj." ©. 505)
fjeben fyeroor, bog tf)rem ftürmifdjen erften Slnbrang ein rafa^e«
©rmatten ju folgen pflegt.
©röfce, ©tärfe — baß jmb mefyr allgemeine Urteile, ald oolfö=
funblidj roerroolle eingaben. (Sine genauere .tförperbefdjreibung tritt
aber erft langfam auf; gerabe mie etma im SWhmefang lange oon
ber ©djönljett ber grau gef proben wirb, efje mir über Haarfarbe
unb Slugen 9täf)ered erfahren. 3war fiel ben Römern baß 2tuge
beö ©ermanen auf: f)eü nennt fie ^lutard), blau §oraj; £aätu«
bringt nad> feiner Strt ein pfüd)ologifa>ß Clement fjerauß, roenn er
üon ben „trofcigen blauen Slugen" ber ©ermanen rebet, mo Gäfar
nur non tyrem fdjarfen sMd gefprodjen t)atte.
2Us jroeiteß SRerfmal wirb baß &aar genannt, langes
rötliches £aar ermahnt fd>on £acituß. ®aß langljerabfallenbe $aar
ber germamfdjen grauen bient aud) auf römifa>en ©fulpturen jum
befonberen 5fcenn$eid)en (galfe, ftoftümgefdnd)te ber Äulturoölfer
©. 130 f.). 2lber aud) bie ©allier fjaben rote« $aar (§olfemann,
Jlltertumdfunbe ©. 121). 2)eßf)alb erhalten bie ©ermanen aud)
t)ier ben Äomparatio: „fo fagt ©alenus außbrütf lid) , nid)t blonb,
feuerrot müffe man bas &aar ber ©ermanen nennen ; beßfjalb müffen
©allier, bie im Xriumpt) (Saligulaß gefangene ©ermanen oorftellen
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14()
Wktyarb SR. 9Wei>er
follen, ifjre Haare erft rot färben" (£>alm, Urgefcrjid&te bcr germ.
uub rom. Hölter 1, 32). $>a$ Haarfärbemittel mar freilia)
oon ben ®allieru erfunben (^lin. 28, 191), aber bei ben (Germanen
beliebt: im 3at)r 366 fdnoeifteu allemannifdje <Sdmreu in (Pallien
unb mürben oon einem römifcfyen 23efef)löf)aber überfallen, mäbrenb
fie babeten, tranfen, rquo8dam comas rutilantes ex nn>reu (Holfc
mann a. a. C, 122).
$iefe brei fünfte bleiben bie tnpifcfyen SWerfmale beö Germanen
bei ben römijcfyen Tutoren. 2lpollonat$ Siboniuö ((Sarm. 12, 10)
läjrt 2\)ai\a bie fierameter oeradjten, feit fie fiebenfü&ige gelben
gefeiten :
spernit »enipedem stylum Thalia,
ex quo septipedes videt patronos.
Slnfoninä Gilbert feine SMffula:
sie Latiis mutata bonis, Gerraana maueret,
ut faeies, oculo caerula, flava comas.
Seltener werben anbere @in$ell)eiten heroorgetmben. ^rocop
(de reb. Vand. III) rübmt bie mei&e fiaut ber ^anbalen unb
(Boten; oon ben ©alliern wirb aud) ba$ nod) öfter gerühmt
(Holtmann a. a. D.).
@s finb alfo bie aud) beute nod) metftoermanbten ßörper=
merfmale auögefud)t: ©röfje, 2lugen, fiaare, allenfalls nod) bie
Hautfarbe. 9tid)tö finben mir aber über 6d>äbelbtlbung , roätyrenb
Herobot fd)on bie 8d)äbel ber Werfer unb $lgt)pter oerglid) (Herobc-t
8. 12; ogl. Holtmann 6. 95), nichts über bie ftarfen 3^ne *>cr
(Germanen (ftlemm, £anbbud) ber germanifdjen silltertumöfunbe £. 31),
ntd)tö über bie Proportionen, auf bie bod) fdmn §omex ein 2luae
harte, als er 3Renelauö unb Dbnffeuö oerglid).
$)ie germamfdjen grauen merben burefy i^re Sxadjt cbarafteriftert:
leinene lange ©emänber, ein überfallenber 3Wantel, ßber= unb Unterarm
ber oberen iBruft finb natft (Seintjolb, $)eutfd)e grauen 2, 2VA
2lud) bie Haartracht mirb mit 2lufmerf famfeit befmnbelt : ein reif enartigeö
33anb um baö langberabmatlenbe fiaar, ba« Haar felbft unbebedt
(ebb. 315). Äleibung unb Haartracht iarafterirteren Männer unb
grauen auf ben römifdjen $enfmälern (galfe, Äoftümgefa)icbte ber
tfulturoölfer 6. 129 f.); eine eigenartige ftarftellung ihres 2öua)i>ö
ober Sluöbrutfes mirb tjier nicht oerfucht, fo oft fie auch bei ben
3d)riftftellcm ju finben ift.
SMber neben ben förperlichen (antbropologifcben) Kennten
begegnen mir ben folfloriftifdjen. Schon bei Sifenna fanben mir bic
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2>ie Anfänge ber boutjdjcn «oIMfuiibt
141
SUaffe aU <Sh<rcafteriftifum, unb bie lange ttanje galt bis $u
ben Sanböfnechten be8 Mittelalters Inn alö beutfche Eigenheit.
„Sei ihrem ungeheueren Körperbau unb ber Sänge ihrer £an$en
Durchbohrten fie aus ber gerne untere Solbaten" (£ac. £ift. V, 18).
»Sie ift für ben Hermanen bejeic^nenb wie ber Sogen für ben
dorther: „Sßenn er in Martinen geboren wäre, würbe er gleich als
Äinb ben Sogen fpannen; wenn in Hermanien, würbe er fofort als
Knabe ben bünnen Speer fchmingen" (Seneca Briefe 36 bei &orfel
©. 694; ogL nod) $ift. II. 21 unb 88).
£ie San3en allein finb für bie germanische Bewaffnung tnpifd).
3n allem anberen weichen bie Angaben beträchtlich ab. s$lutard)
fdnlbert (Mariuö c. 25) bie (Simbern mit Reimen wie Xierföpfe
geformt, mit ehernen ^anjern, weißen Sd)ilben, langen Schwertern,
wäl>renb Hermanicus (21nn. II. 14) fagt, ber (Germane tiabe feinen
^panjer, feinen &elm; felbft tt)re Schübe wären nur auö 5h$eiben=
gefleht ober fd) wachen Brettern, mit #arbe aufgepufet; unb nur bie
erfte fteihe führe orbentlicbe Sanken, bie übrigen nur bort gebrannte
Stangen ober furjc Speere. Welche 2lngabe richtig, ober wie weit
fie eö alle beibe finb, bns berührt unö l)ier nid)t; l)ier fommt es
nur barauf an, feftjufteUen, ba& oon ber Bewaffnung ber germanifchen
Krieger ftd) in jener ^eit ein beutlia)eo Silb nod) md)t gefeftigt
Ratten. 3luöfül)rlid) Rubelt herüber Xacituö (Herrn. 6). Dod)
fiegte fchliefslid) bie Borftellung oon ber barbarifehen 9tocM)eit: bie
Xrajanofäule (ogl. ßolfcmann S. 133 f.) jeigt bie Hermanen etwa
ber Sd)ilberung be$ Hermanicuö entfprechenb.
Üiknn nun aber ben friegöerfatyrenen ^Hörnern bie Hermanen
ben (£inbrucf oon „nacften .ttnaben" machen fonnten, fo ^inberte bas
nicht, bafe fie ihrerfetts ben Slaoen fchon mit ihrer 2itaffenfunft
imponierten. £te waren in ber „^ilb^eit" it»r ftomparatio , wie
bie Hermanen ber ber Sielten, ftesljalb entlehnten fie oon ben
Hermanen bie &>orte für Sdjwert, §elm, Brünne (Mlugc bei
<$toul 1, 321 § 7, 1).
3bre §anbt)abung ber Waffen fdjien ben Römern funftlos,
unb bie eigentümliche Xaftif (bie öberfopf^Schlachtreihe) ift woljl
auch erft entlehnt. CSäfar erwähnt (V 43) hrifte 3öurfgefd)offe, aus
Xfjon geformt, unb glühenbe Speere, bie fie auf bie Strohbächer
fdjleubern; Branblegung war ja nod) fpät in ben iölänbifcben Sagas
eine gorm ber Jcfjto- ^or soften tfriegsmafdnnen ((Säf. III. 30
bis 31) tyabtn fie bagegen gurcht.
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142
iHirijatb 2H. SDif^cr
&on ben Waffen, bic f e t» t en, fmb ^feil unb Sogen dwrafte=
riftifd). Uacituö (©erm. 46) erwähnt fie nur bei ben Rinnen,
anbererfeitö aber aud) bei ben ©alliern (,§olfemann <S. 145); eo
wirb bas aber ntd)t als befonberes s])Icrfmal tiertmrgefwben. £)od)
fpricljt aud) bic iKermenbung beö Pfeils in ber sDintf)ologie (öalbers
Xob, womit otelleicbt ber v$feil als Wunenname juiammcnljängt)
bafür, bafe «Pfeil unb Sogen nidtf alltägliche Waffen ber ©ermanen
waren. 2lnbererfeits fdjeint bie fpater (befonbcrs bei ben ftranfen)
fo djarafteriftifd>e etreitayt bamals nodb nid)t für bie ©ermanen
ÜHerfmal gewefen ju fein (ogl. ftolfcm. 145).
9Wit biefem Langel au llebung bangt anberes jufammen. $a$
römifdje fteer Inefe „exercitus". worüber bu Sois Dfeumonb t)übfcb
getprodjen t)at (lieber bie llebung 3. 5): bas beutfdje tjätte nidjt
fo Reiften fönnen. £cn Römern fiel auf, wie wenig bie ftarfen
©ermanen ausweiten : feine 2Bunben (5tnn. II, 4), feine £i$e
(s}Jlutara), Drofius), feinen $urft (wofjl aber Äälte unb junger,
©erm. 3), feine längere Seefahrt (&ift. I. 31). (So finb eben 9iatur-
menfdjen oon ftarfem impetus. leidjt gebrochen, wo ber ntctyt fiegt;
iljr ©ort ift äitoban, ber &err ber Aufregung, bes Sturms.
Damit fommen wir $ur vJJfi)d)ol ogie. 3m Ö^en ift
natürlich, ber beriefet ber ftremben Ijier oberfläc&Udjer, mefcr burd)
bie fd)ablonent)afte Sluffaffung ber „Sarbaren" als burdb wirflidje
Seobactytung gegeben. $a$u ift bei ben gern rtjetorifierenben Tutoren
ein gewiffer ^arallelismus bes Körpers unb ber «Seele nicht ju
oerfennen.
?yaft alle pfydwlogifdjen 9iotijen seifen oon oerfdjiebenen Seiten
nur eine (Sigenfdjaft: bie Unb änbig feit. $iefe wirb oft bireft
tyeroorgefyoben. „$)ie ©ermanen tennen feinen SefebJ, feine Leitung,
fonbern tfmn alles nach, ©iüfttr," fagt ber ©aflier'Xutor bei Socitus
(&ift. 4, 76), unb nadjbriirflid) bebt tacitus felbft biefen llntericbwb
oon römifd)er 9lrt l)eroor, wenn er (©erm. 30) oon ben garten
fagt: „fie räumen ben Vorrang Bannern it)rer 2itaf)l ein, hören
auf ib,re Sorgefefcten unb legen — was febjr feiten unb fonft nur
burdt) römifebe 9)fanneS$ud)t erreicht wirb — mefjr Scbeutfamfeit
bem 2tnfüb,rer bei als bem £eere." Tiefe fclbe llnbanbigfeit erfdjeint
am tjäufigften als ätfilbfyeit im Kampfe (bei faft aQen Sericb>
erftattern: "Putard), ^laccus, lacitus, £oraj, Sueton, ^ofeplni«,
"pomp. 9Mela), als Ni)Iafel ofigfei t im ©euufe (2ac 2lnn. XI. 16)
unb befonbers im Xrinfen OJJlutarcb, Marius 19, 2lppian 2, 64
©erm. 22), aber aud) im (Sffen (^lutara) a. a. D.), als
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2Me Anfänge ber beulten SJolfSfunbc
143
Unpünftltdjfeit in ber Slterfammlung (©erm. X), alö $lump*.
Ijeit im 33enef>men ($ift. 2, 88). ©elegentlidf) roirb bieö biajterifd)
biß $um itorrourf ber ©raufamfeit übertrieben (2)io (Saffiuö
54, 22); audj) £ora$ fpridf>t oon ben morbluftigen Sugambern.
2)aöfelbe 33ilb ber ungebänbigten Seibenfd&aftltdtfeit, beö furor
teutonicus, roirb bura) anefbotifd&e 3"3e illuftriert: bie Ubier
fampfen gegen baö geuer mit Soffen (Sinn. 13, 57), bie (Simbern
(Strabo VII, &orfel 3. 377) gegen baö äßaffer. Xacituö contraftiert
audf) §ier roieber auöbrücfltdi: „bei ben (Germanen 2öut otme Ueber=
legung," Reifet eö ($ift. 4, 29): „ber römifaje Soldat, funbig Der
©efaf>ren, warf feine Staffen nicbt auf baö Ungefähr."
SDiefe (Sigenfdjaft ber Diöjiplinlofigfeit roirb fetjr oft in einem
3ug fjeroorgeljoben, ber $u ben älteften etfmologif(f)en Kriterien ge=
tyört Sdjon §omer lagt bie £roer in £ärm, bie ©rieben in
jHufje in ben ftrieg marfdfneren (roorüber Seffing im Saofoon);
bem entfpred)en bie ftafjllofen $erid)te über ben Sarm ber (Germanen
in ber Sd)lacf)t unb im Sager Oßlutard), Strabo, Xacituö). 3)er
$3erid)t beö £acituö über ben öarbttuö $etgt, baf; aud) l)ier Ueber=
treibung mitfpielt; unb Sieber roerben ja aud) gemelbet (Tac. 2lnn.
2, 88 ©erm. 2 — 3), beren oon fpateren $Jeobad)tern getabelter
Älang roofjl audf) auf bem mangelnben coucentus, ber Unpünftltdjfeit
beim (Sinfefoen (roie noa? fyeute beim Stubentengefang), beruht. — 2ludf)
tyr Beifall in ben ^erfammlungen ift lärmenb, oon 2Baffenflang
unb gujjftampfen begleitet (aud) hierin roa^ren bie Stubenten alt=
gerotanifd&e Sitte: &ift. 5, 17, ©erm. 11).
©in Langel an Selbftjudjt liegt aucty $u grunbe, roenn £acituö
über it»rc feltfame 3eiteinteilung ftaunt: „rounberbarer 3'oiefpalt ber
sJtotur (bie (Germanen finb problematifdje (Sljaraftere ab initio:
sparcioal), bafj biefelben sJMenfd)en fo bie Trägheit lieben unb bie
3Rut)e Raffen" (©erm. 14—15) ober roenn Jrontin berietet, roie bie
©ermanen, burd) i^r Sdjlafbebürfniö überwältigt, fid) non ben
Römern überfallen laffen. — Unb bod) fyaben bie ginnen baö Sort
„3eit" r»on ben ©ermanen entlehnt!
©inen flaffifdjen Sluöbrucf finbet ber ©egeniafe ber ftreug=
gezogenen Börner su ben inbioibualiftifcfyen ©ermanen in ber gormel :
„3tjr !Ned)t beftetjt in ber ©eroalt." So fagt ^omp. 2Ma (III 3),
ebenfo Zacituö: „ir)re Sudjt, alleö mit ben Waffen $u entfajeiben"
(Silin. 13, 157) unb fo läftt ätelfejuö (2, 118) bie ©ermanen bem
$aruö oorreben: „baß er aüeö in r&imfdjer ©erecfytigfeit entfd)iebe,
ba{j üjre Söilbl;eit jefct burd& bie neue, unbefannte 3u$t unb Ordnung
144
iHidjarb 2H. SDicper
fd)on nadjjulaffeu anfinge, unb bao, mao fonft mit bcn ©äffen
ausgemalt 51t roerben pflegte, nunmehr nad) iHed)t unb öiUitjteit
auöeinanbergefefet mürbe." &ier bürfte ein djarafteriftifdjer ^un(t
getroffen fein: Crbalien, Quelle — ftauftredjt als 2ltaoismuS.
Neben biefer in fo utelen Schattierungen auftretenben 3ud)t:
tofigfeit mirb eigeutlicf) nur eine (Sigcnfdjaft nod) beroorge^oben :
bie ©erab beit unb Sreuber jigf eit (3uetonius (SlaubiuS 25, Xac
2lnn. 13, 54). $od> aud) Iner t>at ein feinerer ^fnajolog einen
inneren ©egenfafc beroorjutjeben: 3frUeju* fagt oon ben Germanen,
fie feien bei ber ^ödjften Silbbeit burd) unb burd) uerfdjlagene
ftöpfe unb ein (&efä)le<f)t, mie gcfdjaffen \am £ügen (2, 118).
©emifferotafjen fafjt Zacitus biefc beiben ©igenfdmften jufammen,
menn er (©erm. 24) bie Xreue als eine grenjeulofe 2kbarrlid>feit
in fd)led)ter 3ad)e anfielt, alfo bie Werabbeit unter bem 6et)ioinfel
ber flJlafelofigteit. 3Q^re^e anbere 3üge gcbören biefem grünblidjften
unb ausführlichen Beobachter allein an, bilben alfo feinen Teil
in bem folflorifcben ©efamtbilb, bas jene .Seit fid^ oon ben (Germanen
machte: bie Spielrout, bie «aftlicbfeit, bie eheliche Xreue unb bie
WefolgStreue, bie ßbrfurdjt oor ber ftrau. $en antiten ©tbnologen unb
&iftorifern insgemein galten fie nur alö jügellos, aber ehrlich,
feiner Selbftljerrfdmft fäbig, es fei benn ausnaf)mSroeifc au« i*er;
ftellung. 8ie erfcbeinen bei ben Römern, aufeer XacituS, erroa mie fte noch
in unferer $eit ilingslep. (in ber „.ftnpatia"), aud) ©rabbe (in ber
,,.£>errmannSfd)ladjt") gemalt l)at ; bie ibealcn^üge ber Äleift unb garber
$>alm finbet man lebiglid) bei lacitus. liefen machte ja gcrabe ber be^
ftänbige sölitf auf 9iom aufmerffam auf vieles, maS fonft überfein mürbe:
in ber sJ)iünbigfeitöerflärung (Wenn. 13), im $orfbau (15), in ber
Zrafy (17), in ber ©he (17—19), ber £r$iehung (20), ber Xrinf--
freube (22 >, ber 3flauenbel)anblung (25), bem fehlen bes 3in^
leiljenS (26), ber »eftattung (27; bebt er fortwätjrenb expretwis
verbis ober burd) blofee Negation Ijeroor, mie biefe Germanen in
allem fidj t>on ben Römern fajeiben. (£r alfo, ber möglichft x>o\l-
ftänbige Belege hierfür fammclte, fcbeibct aus ber Netye ber anberen
Beobachter (mit feiner Wemtania) roeniajtene aus : er mill alles geben,
unb bie Sdnlberung ift alfo für bie Wcfd)id)tc ber Bolfsfunbe um
t'o weniger letjrreid), je mebr fie eo für bie Bolfsfunbe felbft
ift. immerhin oerbient Ijeroorgeboben *u merben, roas etwa
Xacitus nid)t ermahnt. Ü*on Seeleneigenfcbaften ber Hermanen treten
bei ifjm jurüd: bie allgemeine Jyreubc am 8d)oljfammeln, bie Jyreube
an fluger Webe (Matfelfpiele, Sprüd>e; Cbiu), mie benn auch bie
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Xit auffinge ber beutföen »olfßfunbe
145
Äfcfämpfe mir oor ber ©djladjt (oon ^ßtut.) erwähnt roerben.
2Beim Zatim (©errn. 22) fagt: „3roiftigfeiten ©erlaufen fetten in
©dnmpfreben," fo miberfpridjt bas allen allen 3eugniffen (@bba;
(Strafen für ©gelten; ber 9tome ber „©falben"). Unrichtig ift roofjl aua)
itad) alten Berichten ber oielcitierte ©afe (®erm. 27): „$en 2Bef)f lagen
mad&en fle balb, bem ©d^merj unb ber Trauer fpät ein (Snbe";
rtidjt blofe oon bem ©falben ©gil ©fallagrimffon wirb gemelbet, roie
er über ben £ob feines ©ofjnes in bumpfes dritten oerfanf, aua)
bie angelfftä)fifdf>e Älage um einen toten £errn, ber längft oerftorben,
unb anbereö märe ju ermähnen. (5ö fef>lt ferner bie altgermanifdfje
5Denf= unb ©rübelfud&t, bie fo merfmürbig früt) fyeroortritt (Dbin;
alte ©otteöleugner ; „ber 9Wann foH mäfjig meife fein") unb e$
feljlt befonberd aua) bie eigentümlid&e Färbung beä altgermanifä;en
^er^dltniffeö ju ©öttern unb teeren SBefen, bie in ifyrer oertrauli(^=
^umoriftifd^en @fjrfurdf)t (mie fie in ©djerjlegenben , ja noa) in
hieben £utf)er$ fortlebt) oon ber römifdjen ganj perfd&ieben ift.
Sßon aU biefen ©igenfdfjaften fönnen mir naä) bem ©inflang fpäterer
9todfjrid()ten äuoerftajtltdf) behaupten, bafe fie urgermanifdf) roaren.
2Jber fie roaren ju intim, um oon £acitu§ gefe^en $u werben: er
bemerfte bod) nur bie Slufeenfeite, ba« rau^e SierfeH, nid&t« oon
bem meinen $elj. $ie$ fottte und $ur Söarnung bei unferer
Beurteilung frember Hölter bienen (3Jtocbonalb über SHeligiofttät
ber 9feger).
Merfmürbig ift nun auef) fn'er roieber, mie anberö bie ©ermanen
mit römifdjen 3Iugen gefefjen, fidr) ausnehmen, mie anberd mit ftaoifdfjen
ober finnifdjen. $>em Börner fiel bie Jreifyeit unb Ungebunbenfyeit auf;
©laoen unb Rinnen nahmen gerabe oon ben ©ermanen Söorte für
„Äönig" unb „Surft" auf. (§hr faf) in ifjrer §eerfdf)ar nur einen
ungeorbneten ©aufen; fie entlehnten bie 93ejeid)nungen für „5triegä=
fdwr". $>te alten Muffen fd&icften 93otfd)aft $um germamfdjen Jüfjrer.
bad dltefte germanifdje 2Bort, bas mir f ernten, bas SBort „2lmt", ift
fogar burdj bie Helten entlehnt. £)em entf priest es, roenn bie
ettmologifdje (Sr)arafterifrif altgermanifd&er $>idf)ter ben bortigen
„Sarbaren" bie $tye als (Sfjarafteriftifa giebt, bie if)nen felbft
bie Börner liefen: 3örmunref ift roilb unb graufam, 2lttila (im
SBalty.) trunffüaitig unb unüberlegt, babei gutmütig. —
Unb ganj basfelbe roteberljolt fidj), menn mir brittens über=
flauen, roaS bie erften Seobad&ter über ©ebräuaje unb ©itten, über
golflore im engften ©inn (nadf) 2tntf)ropologie, (Senologie unb
SBölferpfud&ologie) anmerfen.
3eitf«rift für ftultiugetftiitte. Ii. 10
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Siic&arb SR. SKeptr
33or allem roirb ^ter ibre Slbbättung betont, bie al« Urf adje
unb roieber al* golge förperlidjen ©tärfe aufgefaßt roirb. 9Sad
bcm <&eift an 3ud)t fe^lt, roirb bem Körper an Schulung jugeredmet.
©te leben in fürten (Strabo) ober rühmen ftd) gar, feit 14 3at)ren
unter {ein 2>adj gekommen ju fein (CSäf. l, 36) unb bie* fa)eint
fo fef)r öebingung i^res 2Boblfetns, bafe bie (Simbern (n. Gcfi.
£)io,#orfel©. 101) oerberben, roeilfte,fonft unter freiem Gimmel ju leben
geroofmt, fid) in Käufern aufhalten. Uebertreibt tytt bie römifa)e
Styetorif (benn ju Käufern ober Kütten jroang fie bafi Älima;
©täbte freiltdj Ratten fie niajt; ©erm. 16), fo ift geroife bie oiel*
fadje Betonung tyrer falten »äber (bei $lut., Gäfar, Sßergil, ogl.
ßorfel S. 721) ridjtig. 2tud) bafe fie robeö $leifd) afjen, (am geronj
oor; aber roaö Sßomp. 3Ma alö äusnabme anfuhrt, roirb bei 2>io
ßaffiuö Siegel (ebb. ©. 725?). ©barafteriftifd) foO ferner für bie
2lnfprud)8loftgfeit i^red ©efdjmatfeö baö Sie r fein, roeld)es ju trinfen
oon i^nen erft bie Romanen lernten (£olfcmann ©. 219) unb fpäter nod)
anbere gelernt ^aben; auaj bem Sßein giebt 3)io ©affius an jener
©teile bie ©cfmlb an ber ©rfdfjlaffung ber (Simbern in Italien
(^annibal in (Sapua ; ©age oon ben Sambiern). 3bre ftarfe Neigung
jum 3öein betonen alle 3«*gen (©*[•/ 2lppian, ©rrabo ; bie Xrunf fudjt
bei Xacitu«) unb fie ift bann im Mittelalter (Montaigne) $auptsJteitn*
jeia)en ber ©eutfdjen geworben: luer aber fpred&en alte gabeln (Dbinfc
beifpieO bafür, bafe bie ©ermanen nur im ©etränf, nid>t in ber
Steigung jum SRaufd) sJieueö lernten. Söieber auf Slbbärtung geben
bagegen bie ^ad)ria)ten ber fparfamen 33efleibung (Xac, ^ßornp.
2Ma), oon ber geringen, auf SEBagen mitjufüljrenben $abe (Xacitu*,
©trabo) jurud.
üftidjt blofe aus iljrer Slb^drtung, fonbern jugleid) au« üjrem
an (Strömen reiben Älima leitet man if)re ©djroimmfunft (3of.,
Sßomp. Mela) ab. Uno mit biefen wenigen fingen, faft nur Ab-
leitungen aus ber SBorfteQung ber ungebdnbigten, aber ftarfen 9totur=
menfdjen, ift faft erfdjöpft, was aufjerbalb Gäfar unb Xacituö in
ibren ©Uten gemelbet roirb. 9tur jroeierlei fiel nodj ben ^Hörnern
allgemein auf: baö ftarfe Vertrauen ber ©ermanen auf SÖeU-
fagungen (ßäfar, ©trabo, ©ueton, Xacituö) unb ber fombolifä>
©ebraud) ber ©c^ilbe, mit benen fie (im barditus) ebenfalls Drafel
erhielten, bie fie, in bie ©<blaa)t jiebenb, jufammenfdjlugen ($ift 2, 22),
auf bie fie bie ©rroäblten boben (#ift. 4, 15). $ie germanifdjen Schübe
baben überhaupt ben ^Hörnern befonberö gefallen (2). 2llt. 2, 1 58) unb
f ogar oielleid)t auf bie ©prad)eeingeroirft (attg. ogl. £olfcmann ©. 134 f.).
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(
3>ie «n fängt bcr beutfäen $olf«fiinbe
147
9?od) tybt Strabo als eine SRerfroürbtgfeit ihre ^eiligen Äe^el
heruor (VII, t>: Hörtel S. 376), roomit ersteht haben wirb (Sageoon
<£ntftet)ung beo $ia)termett)s ; Degidbrecfa; fletil in alten Hainen).
2>a$u noch bie Erwähnung uon ber Teilnahme ber grauen an
Staatsangelegenheiten unb Kampf (Xacitus), unb mir finb fertig.
2111 bieö hängt mit ber SBeisfagung jufammen: bie Schübe, bie
Steffel, bie heiligen grauen; es mar bie Neigung ber ©ermanen jur
3JipftiC, jur Sumbolbeutung, §ur poetifchen Sltmung ftatt trodener
Berechnung, bie in all bem ben Römern anfiel (ugl. 3- ©nmm,
SiechtSaltertümer). S3ei (£äfar unb Xacitus finbct man natürlich mehr:
Nachrichten über Anthologie unb Kultus, über bie ©lieberung ber
Stänbe, bes SlderbaueS unb ©anbels, über iWedtitöroefeit unb Strafe,
über ©tjegebräua^e unb Öeftattung. Gäfar, ber auf bie "jpftjchologte
ber ©ermanen gar nicht einging, nähert fid) fyier faft bem grünblichen
Stubium bes Xacituö. Unb bod) rote uiel fehlt auch l)ier an
charafteriftifchen Sitten! 3)as feierliche (Zeremoniell, bas bie alten
©ermanen mit anberen 9laturuölfern (Snbianer) teilten, fehlt; es
pa&te 5U wenig ju ber allgemeinen ittorftellung. $>te eigentümliche
9lrt bes Sannes, ber griebenserflärung (rooburd) ber einjelne au«
bem Kosmos ber gottgeglaubteu Drbnung entwurzelt roirb) wirb
überfehen, bei ber faft fentimentalen Sdnlberung ber Ehe, bie fo
früh beliebten heiraten aus Staatsraifon (Kubrun) u. f. ro. —
3mmerhin ift bie uolforunblidje Sa)ilberung erheblich ooKftänbiger
als bie pfndwlogifche.
©ie Slawen unb ginnen uere&ren auch r)icr bie ©ermanen als
Söhtfter. 33ei ben Römern erfcheint ber germanifche Sieferbau roh,
etroa wie Senau über ungarifeben 2Itferbau fpridjt. dagegen entlegnen
bie Stauen bie 2Borte für $ieh, sJtmb, Sßflug, ©erbe, Statt, bie
ginnen bie für £amm unb Joggen, für opferbares iöief). 2öo
Xacitus ben ©anbei als finblid) f Gilbert, entlegnen bie Stauen
3öorte für sJKünje, faufen, bie ginnen für ©olb, arm unb leiten;
roo er ihnen feinerlei Kunft nachfagt, nicht einmal bie ber Sdjmiebe
ober Töpfer, ba entlegnen bie Slaoen bie 2Borte für 2lr$t, tanjen,
bie ginnen bie für Mng, Sattel, Spiegel, Sduffsfiel, Umjaunung,
©emanb, gufibobeu, Sdjranf, ©efäft. 3r)r sJied)t febeint ben Römern
2Sittrur: bie ginnen entlegnen bas ©ort „Erbe", ©emifc finb biefe
Entlehmingen etwas (nicht eben oiel) fpäter als bie älteften römtfehen
Berichte; fie jeigen aber fchlagenb, roie ftart man bei folgen
Nachrichten ben Stanbpunft bes ©ewährsmannes beachten mujj.
£>em ©rieben unb Börner ift ber ©ermane ber flaffifche Barbar,
10*
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I
148 ttidjarb 9». tRtijer
bem Slaoen unb ginnen ber tppifd^e Äulturmenfcf) ; baraus laffen
fid(j bic 9tod)rid>ten über Äörper, Äleibung, §aus, über Drbnung,
flriegSjud&t, Lebensart faft a priori herleiten.
2>em entfpridf)t es, roeim £acitus (©errn. 46) bie SReneter nodf> 5U
ben ©ermanen rennet, roeil fte (im ©egenfafe ju ben ginnen) Käufer
bauen, Sc&ilbe tragen unb SBert legen auf Hebungen unb ©eioanbtljeit
im Äampf ju gufe.
(Sbenfo ftefyt es nun au# mit ben 91a#rid()ten Ober bas Älima.
$>ie Börner urteilen oon ben gefegneten £änbern am SWittelmeer
au« (fcorfel S. 692). 9ltd bejeid&nenb erfd&eint i^nen besfjalb oor allem
ber SBalb ($lutar$, 6afar, Sioius), bann aud) bie ftarfen
Ströme (Doib, ^erfuS; bie 9tf)etn--gigur), in beren $)urdjtoaten
bie ©ermanen ($ift. 6, 15) fo geübt ftnb. Oft wirb audj ber
Sumpf genannt ($ora$, £adtuS), unb aus all bem entfielt bann
bas S3itb eines bumpfen, fjäfjlid&en £anbes (©enn. 2), fein* raub
(glorus), bunfel (Xa{, wie 9?ad)t, ^ßlutard)), mit merfroürbigen
Xieren bes SBalbes (Gäfur, £orfel S. 714) unb ber Ströme (3lufonius;
SHuoblieb). ©in „f)äf$HdE)eS fianb" ofme guten Slderboben (Gäfar,
©erm. 26, ^omp. 9)tela), etroa wie bie St^roeij ben für ßollanb
fd&roarmenben 3etten oor ^ouffeau unb £aHer erfäien. SBalb unb
Strom finb ja t>eute nodf> (Sfjarafteriftifa bes beutfc&en fianbes, aber
beutfäjer £anbesf(f)önt)eit ; liefen freilief) waren nid&t gepflegt unb
fleine glühen niajt w.e bei ben Römern praftifd) ausgenufct. £ier
mar bie So^ilberung wefentlid) jutreffenb. gaft gauj wirb aber ber
hügelige (S^arafter weiter Stredfen $>eutfd)lanbs überfe^cn, wogegen
bie Slaoen bas Utfort für $ügel entlegnen ; unb Stauen wie ginnen
baS für Brunnen, bas auf bie wafferarmen ©egenben beutet —
$Die Sßrobufte biefes Kobens nennen bie ausführlicheren römifetjen
Berichte in furjer Ueberftd^t: mieoiel fie überfafjen, jeigen ja^lreio^e
©injelnotijen bei pinius. —
Ueberatt alfo, um es jufammen}uf äff en , wo bie 2llten oon ben
©ermanen im ganzen berieten, oon Äörper, ©eift, Sitten, Älima,
überall wirb faft nur „appereiptert" , was ju ber ^errfebenben Bor;
ftellung ber (oor £acttus wilben, bann tugenblmften) Sarbaren,
Staturmenfdjen pafet; ging es bodf) äf>nli<b noaj mit ben Senaten
über Dtatjeiti; wogegen bie Äulturärmeren faft nur ben Äultur:
fiberfdmfe ju bemerfen fd)einen. Beachtenswert jur Äritif unb ju
beherzigen bei eigener Beurteilung frember Bölfer!
3Wan fann baraus bie allgemeine ßehre fliehen, bafe juoertäffige
oolfshmbliche Berichte faft nur bei ©ewäfjrsmännern gleicher Äultur=
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3>te Anfänge ber beutfaen SolfSfunbe
ftufe ju finbcn finb. 9toch um bie SBenbe beö oorigen 3ahrhunbertö
f anb ßaramfm aüeö in beutfchen Stäbten unb beutfcher Sitte großartig,
fanb SWabame be Stael baö äußere Seben armlich, beibe ubertrei6enb.
2Ilö ©egenftüdf ju ben Säuberungen beö Sacituö führe ich beöhalb
(auö oief fpdterer 3^0 Berichte eineö arabifchen Steifenben
beö 10. — 11. 3flf)rJ)unberts an: etroa gleiche Jtulturftufe, bafjer
fd^orfe Beobachtung, (Sinjelbeobachtung, freiließ au(^ nicht
ofme ^antaömen: „Utrecht ift eine große ©tobt im fianbe
ber granfen mit weitem Territorium; ihr Sanb ift Saljmoor, auf
bem feine Saaten unb Sßflanjungen gebeten. ®en Sebenöunterhalt
ber SBeroofmer liefert baö SBieh, feine SRilch unb feine SMe. 3ft
ihrem £anbe giebt eö fein &ol$ jum £ei$en, fonbem nur einen
£ehm, roeldjer bie Stelle beö §ol$eö oertritt. Unb jroar gehen jte
int Sommer, roenn bie SBaffer fiä) oerlaufen fyaben, auf ihre
SEiefen unb fchneiben bort ben £ehm mit Seilen in 3iegelform. ©in
jeber fchneibet ftch oon ihm fo oiel er brauet unb breitet ifm an
ber 8onne jum Xrocfnen auö. 3nfolge baoon toirb er fct>r leicht,
bringt man ü)n anö geuer, fo entjünbet er fi$ unb baö geuer
erfaßt itm, roie eö baö S0I5 erfaßt, unb er macht ein großeö geuer
mit mächtiger ©lut, rote baö geuer eineö ©laferofenö. 3ft ein
Stücf oerbrannt, fo hinterläßt er feine &of)te, fonbern SXfd^c.
Schleöioig ift eine fefjr große Stabt am äußerften @nbe beö
SBeltmeerö. 3n ihrem Qnnem giebt eö Duellen füßen Safferö.
3^te Beroohner beten ben <Siriuö an, außer einer tieinen 2ln$ahl,
meldte ß^riften finb unb bort eine ftira)e befifcen. Tartüft erzählt :
Sie feiern ein geft, an bem fie alle jufammenfommen, um ben ©ort
ju ehren unb um ju effen unb ju trinfen. 2Ber ein Dpfertier
fdjlachtet, befeftigt an ber 2i)üx feineö &aufeö ein $0(5 unb ttjut
baö Dpfertier baran, fei eö ein iHinb ober ein SBibber, QitQtnbod
ober Sdnoein, bamit bie ßeute miffen, baß er eö opfert jur <£f)re
feineö ©otteö. $)ie Stabt ift arm an ©ütern uub Segen. 3Me
Hauptnahrung ihrer Betoolmer befteht ouö gifchen, oon benen fie
eine SJtenge fyaben. Söerben einem oon ihnen Äinber geboren, fo
roirft er fie inö SHeer, um ftch bie Ausgaben ju fparen. 2lud) er^lt
er, baß baö *Hecf)t ber ©Reibung bei ben grauen ift: baö SBeib
Reibet ftch felbft, roenn eö null. 2luch giebt eö bort eine fünftlia)
hergeftettte äugenfehminfe, bei bereu ©ebraud? bie Schönheit niemalö
abnimmt, fonbem noch junimmt bei 9Jiannern unb grauen. Sluch
fagte er: 9fte hörte ich t)ä6lic^eren ©efang alö ben ber Schleöioiger,
unb er ift ein ©ebrumm, baö hcrauöfoinmt auö ihren Äehlen gleich
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ISO
ftidjarb SM. *Rfp#r
bem ©ebeU ber ßunbc, nur noch oief)tfcher a(6 bicö." (^acob, ©in
arabifdjer SBcrid^tcrftattcr über beutfehe Stäbte S. 12—13.) —
SBcnn e§ fo um bic Unterfchctbung ber ©ermatten uott anberen
^ölfertt ftcht, roie ift es mit ber Scheibung unter ilmen felbft?
$ie meiften fremben Serichterftatter fefeen bie Scheibung
ber Stämme al$ gegeben oorauö unb uuterfcheiben übrigens eigentlich
gar nid>t jroifcben ben oerfebiebenen $ölfcrfdwftcn ; fie finb ihnen
eine gleichartige Waffe roie etroa unferer Söorftcllung bie Sieger ober
bie ^nbianer. Ülusfübrlid) banbelt aber Xacitus über bie.
#erfd)iebeiibeit ber Stämme (©erm. 28 f.). 811s §auptfriterium
ber Scheibung finben mir bei ihm Spraye unb fojiale 2>cr;
hältniffe (befonbers Stönigötum). 2üö einen burdjgebenben
Unterfcbieb bebt er (©erm. 17) bie Äleibung l)eroor: „2fua)
^ierfeUe tragen fie: bie, roeldje fyaxt am dltyin roobnen, ofjnc
2lcbtfamfeit, bie roeiter Entfernten mit mehr Sßabl. Sie roäblen fuh
bie 2iere auö (Xotem) unb befefcen bie abgejogenen ^efle mit
anberen buntgeflecften oon Sieren, bie ber äufeere Cceau unb bad
unbefannte sDiecr hervorbringt" (3obel , Hermelin, Sealöfitt; $ur
Siffereujierung r»gL febottifche s#laibö, ^>aarfcf)mucf bei 9ieger-
ftämmen).
2)af$ bie Sprache bei Xacttus #auptfriterium ber SKölfer;
föeibung fei, bat, roie ermähnt, Wüllenboff, Altertum 2, 33,
auögefprocben, aber gleichseitig eingefebranft. Xnätus hält bie
2leftier für Germanen, obrootjl ibre Sprache ber ber Griten näber
ftebt; bie roichtigftc Stelle aber ift (©erm. 43): „Sie Warfigner unb
Surer finb naa) Sprache unb Sitte ein iHbbilb ber Sueoen; bei
ben ©otbinem liegt in ber gaüifdjen, bei ben Ofen in ber
pannonifdjen Sprache ber öeroeie, baft fie feine ©ermanen finb;
oielleicbt aud) barin, bafj fie fidt) Steuern gefallen laffen." ^nbem
Xacituö roie oon ben Sitten, fo oon ber Spradje ber Sueuen
fprid)t, unterfebeibet er alfo nid>t nur Stotionalfpracbcn, fonbem auch
Stammbialefte. 2lDe Kriterien jäl)lt er Kapitel 4(5 auf: „bie ^Jcuciner,
roeldje einige Saftantcr nennen, leben, roaö Spradjc unb Gebens*
roeife, auch ™a* Sobnfifce unb öebaufungen betrifft, roie
©ermanen." 2Her)rmal6 bringt er fpejiellere folfloriftifaV 3Rerfmale:
bie $aartrad)t ber (Ratten (©erm. 31) unb ber Sueoen (©erm. 38),
bie runben Sdnlber unb furzen Sdjroetter ber ©otbonen (ebenba 43)
unb bie febroarjen Schübe ber parier (ebenba), bie eigentümliche
ftonn ber Schiffe bei ben Sueoeu (Mapitel 44). SefouberS ift noch
bie Sitte bes ehernen 9tinge<$ bei ben (Slmtten (©erm. 21) ju beachten.
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$>if «nfänge ber beiitföen $olf*funbe
Slufierbem oerfud&t Xarituö, roaö fc^r nridfjtig ift, r etigiöf e
3hnpf)iftoonien Reiben: bic Sueoen oerefjren bie 9(lertlmö(©erm.40),
bie 9taf)arnaoalen bie 2Uceö (cbenba 43), ebenfo füfjrt er oon ben
md&t germanifefjen Steftiem an, baf? fie bic Water $)eum oerefn*en
unb <£ber=2lmulete führen, dagegen erwähnt er in ber ©ermania
nidjt bie (nad) 2lnn. 1, 51) oon ben Warfen (©errn. nur Äap. 2,
ogl. §olfcmann S. 104, 3eufi S. 87) oeref)rt> Xanfana. Softematifd&
f>at er alfo biefen ©eftd&töpunft nid&t burd&cjefityrt
9faf)e$u foftematif^ bagegen oenoenbet er $ur ©Reibung ber
(Stämme ifjre fojiale Drbmmg unb namentlich bie Stellung beö
einzelnen jum Dberfjaupt: ben ©rab Der greifet, bie ©rufen
oon rotlbrepublifanifdjer Ungebunbenfjeit jur älutofratte nad) Analogie
beö faiferlidjen SHom. 3$ citterte fdfwn bie Stelle (Ray. 30), bafj
bei ben Statten ber 2lnfüt)rer mefjr gelte alö baö &cer. Sei ben
Warfern unb ©epiben giebt eö (42) Äönige, bie if)ren 9tocl)baim
fogar Steuern jaulen (42), unb nodj) ftraffer werben bie ©otfjonen
regiert: für fie, bie Neugier unb fiemooier, ift ber ©e^orfam gegen
bie Könige be$eidmenb. ®en ©ipfel erreicht beffen Steigerung bei
ben Suionen: t)at bei biefen auä) baö Vermögen bie 6t>re, unb
beöf>alb ift einer £err otme weitere Sefdrdnfung unb berechtigt
unbebingten ©e^orfam ju forbern" (44). $)te Sitonen aber finb
ber 2Bürbe mdf)t allein beö freien WanneS, fonbern felbft befi Sflaoen
untreu geworben: fie regiert eine Jrau (45).
3u biefer gerabe bei ben römifdjen Dptimaten fetjr erfldrlicfjen
Einteilung ber ©ermanen nadjj S3erfnffungöformen fommt ergänjenb
eine rein pfodf>ologifd)e ©t)araf tcrifti f. S)ie (Ratten fmb bie
3Jhifter-' ©ermanen: größere Wartung, gebrungener ©lieberbau,
lebhafter Wut, ober audj> ©ewanbtyeit, $)ie$iplin, Wut unb Ueber*
legung (30). Srifc^er Wut foll aud) bie Watttacer (26) au«$etclmen;
bie (Raufen ftnb baö ebelfte $olf ber ©ermanen, geregt, ofjne
£errfct)begier, of)ne ©ilbtjeit; bic (S^eruöfer, brao unb redjtlid),
gelten alö träg, bie parier finb roilb unb teuflifd) (43). — Sluc^
biefe Angaben, bie fid) ber im oorigen 3af)rf)unbert beliebten 3lbjeftio=
c^arafteriftif ber Völler (ber ftolje Spanier, ber fd&laue Armenier)
bebentlidf) nähern, ftetyen ju ber Staatöeinrid)tung in 8e)iefnmg:
bie ©ereeftfigfeit, in ber ein freies $olf fid) felbft regiert, bie gefudjte
SBilbfjeit eineö angeblid) unterbrtieften 93olfeö.
SBeitere Sa)eibungcn t)olt Xacituö aus ber ©röfje : größere unb
flcinere Jriefen; bie 9tomen nimmt er nur auf; ogl. ©rofc unb
SUetnru&lanb. ®ie Scmmonen finb ja^lreid), bie Xiongobarben gering
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JHt^arb 2». ARft^r
an 3ah*- ©benfo entlegnen bie Börner von ben Germanen bie
eigentümliche geogrop^ifd^e Scheibung : Oft= unb 2Beftgoten, Oft- unb
SBeftfalen u. f. m. (ogl. 3- ©rimm, ©efd)tchte ber Sprache 2, 310).
Ober er nimmt ftennjeichen aus bem üBölferoerfebr, frieblid) : ßanbel
ber &ermunburen ; triegerifd) : 9tettfunft ber Meuterer, Muhm ber
(fernster unb 3Rarcomannen.
3m ganjen alfo ftetten fiel) bie germanifchen Stämme bem
römifchen Beobachter bar als eine wefentlid) gleichartige sJJiaffe, bie
gewijfe ©runbjüge in oerfchiebenen ©raben ber Slusprägung jeigt :
ftreibeit, 2Bilbf)eit. (5r weife , bafj bie Stämme burch ihre ©rö&e,
ihre Stellung ju flom, auch bura) Stammgottbeiten unb ©ebräudje
fid) unter) Reiben, unb fdrjeint aud) fpradjliche SBerfc^ieben^eiten uorauS:
jufefcen. ^olitifche unb pfnc^ologifc^e Äennjeic^en finb es, beren er
faft auöfdjUefetid) fid) bebient. SBon im eigentlichen Sinne folfloriftifchen
9J?erf malen bemerft er bie Haartracht unb bie %orm ber Schübe,
ausnahmsweise auch Sitten (ber eherne 9iing ber ©hatten) unD
anbereS (Schiffe ber Suionen). 31 i dj t oerfucht wirb j. B. eine Scheibung
in 3)ejug auf ben Hausbau, auf bie ftorm ber Waffen, auf bie
9iechtögeroohnbeiten außerhalb ber fojialen ©lieberung, unb nur ganj
lofe hingebeutet wirb auf Berfchiebenbeiten ber £rad)t. Natürlich:
man fteßt fid) ror)efte fürten, funftlofc Staffen, umgeworfene folle
nor unb fann fich ba feine Unterfducbe mehr benfen.
2£ie ftcUcn fid) nun in biefem s#unft bie alten Germanen felbft ?
S5a$ &auptmittel anb für bie ältefte $e\t bas einzige ber
gegenfeitigen Beurteilung, bie Stämme fenuen ju lernen, finb ihre
tarnen, &ier tjat nun neuerbings 9Wud) in geiftreicher SBeife oer=
fucht, eine fnftematifa>e 3>urcf)taufung nachjumeifen. üRad) ihm
waren bie Stammesnamen faft ausnahmslos pfnebologifebe
©harafteriftifa, unb jmar meift in antithetifchen paaren.
3n>ei grofce Stamme, bie Sueben uub bie ©epiben, follen bie
Schläfrigen fein (3tfchr. f. b. 31. 32, 409) ; oon ben Sueben nennen fich
bann, gleichfam jum Xrofc, 5it»ci Untertan bie Scmmonen, b. h- bie
Berftänbigcn, unb bie £lnmngi, b. h- bie Mimen (ebenba 36, 43) :
bie einen fchlafen nicht, fonbem benfen, bie anbern wagen. 2He
SJianimi wären bie freuen ($. B. 17, 27), wie jie fich wieber
nennen, weil fic ju ben als lumbalen, b. h- Sßanbelbare, benannten
Stämmen säblen; bie &arii mären (ebenba 28) bie ^reunbe, bie
SDibunen bie Stürmifchen (ebenba 29), bie SBictooali bie &f=
tüchtigen (30), bie SBanbalen aud) noch £ugier, b. t). Unjuoerläfftge (32),
bie Ubier bie Böfen, bie ©oten (180) bie 3eu0ungsfräftigften. 9hir
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$ic «itftfnge Ux beulen #olf«funbe 153
wenige tarnen fielen aus biefem Softem (eraud ; bie $e(t>econen als
bie „©elblichen" (25), bie Saftarner als Saftorbe (37), bic 9togier
aber — ald Äörndjen (184).
Sebenflich ift hierbei aufeer mannen ©tömologien im einzelnen
zweierlei: erftens bafe bie Benennungen fo fnftematifd) burchgefüfjrt
unb seitens bafj fie bennod) fo nichtsfagenb ftnb. Seibes märe
erflärlich, wenn es ftch um ftehenbe ©pitheta hanbelte (bie tumben
Saiern, bie blinben &effen), welche bie eigentlichen Stammesnamen
oerbrängt Ratten, roie in ber 3Jh)thologie unb in gamiltennamen
ber Beiname (Langbein, ßurjrocf) oft eigentlich ftennname wirb.
9lber roieber: foHte bas ausnahmslos gefchehen feinV
Stammesnamen pflegen fonft bezeichneter ju fein; man benfe
an bie ber Snbianerftämme. Sie fmb meift entweber patronnmifch
(fcjotl. Glans) ober oolfsrunblicb (auf Sötern, %tad)t, Bitte be-
füglich). Unb an folgen folfloriftifchen Stammesnamen fehlt es
nicht bei ben fdjarf beobachtenben ©ermanen. ©ern benennen fie bie
Stämme nach beren Sieblingsroaffe : bie ftranfen, bie Sachfen, bie
(SheruSfer. $ebt boch fogar bie notitia dignitatum erroa um 400 bie
djaraferiftifchen äBaffen ber Stämme tyxvox (greotag, Silber 1, 3):
SBurffeule ber ©oten, nieberbeutfches Keffer, iftoäonifd)e ftoppelart.
(&olfemamt S. 134). — Ober nad) bem Leerzeichen , roie $artmut
(ftubr. XXVII) bei ber &eerfchau ber Scharen erflärt, roie fie im
^ßarc. gähnen führen, .frier gelten roieber jumeift bie Schübe.
$>ie parier fmben fdnoarje, bie (Stmbem roeifje, bie Salbungen
gelbe, bie Sachfen rote, bie ^riefen braune; &elr. Snnh- 9, 3 rote
unb roei&e (£olfcmann S. 1 37). darauf tonnte fich jenes „©elbliche"
für bie §eloeconen beziehen. 3nbes ift jebenfaUs bas ^tjatfacrje,
bafj unter ben Stämmen fehr früh bie pfnchologifche 6harafte =
riftif nachjuroeifen ift ©. greotag hat (Silber 1, 130) bereits
aus ber älteren 3eit fold^e Urteile gefammelt: bie ©epiben gelten
für langfam, träge, unbehilflich/ bie £aifalen für roh, bie
Rentier für treulos unb unjuoerläffig. Späterhin fyaben folche
meift necfenbe Urteile getouchert: bie Schwaben raerben nicht oor
bem 40. 3ahre (lug; aber auch bie Skiern gelten fchon in
SBolframS 3^t frr bumm; Die §effen fotten §ungerleiber fein;
Hol8atia non cantat (ogl. jenes Arabers Urteil, unb Sßacfemagel
3tfchr. f. b. ». 6, 264). 2Werfei Sprüche, meift in «priamelform, fainmeln
charafterifUfche ©rjeugniffe ober fefcen in ber 2lrt ber 3^uris eine
ibeale S^df™11 au$ Wroäbifchen, banerifchen u. f. n>. Seftanbteilen
jufammen. 9Rancherlet Slnefboten unb Bolfsfcherje (9K. Sufch, ©eutfcher
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Solfötynmor) Rängen baran. Sic knüpfen gern an Solfägewobnfyeiten,
eigentümliche £rad)ten, aud) an lofal verbreitete Äranfyeiten (Stopf) an.
3lm liebften aber benufeen fie (Eigenheiten ber 8 pr ad) e. 2Bie fdwn in
ber 93ibel baö „Sdfnboletf)" benufct wirb, um bie ^ptjilifter tyxavfc
juerfennen, wie ein burd) bie i'autform töarafteriftifa)e$ Stidjroort
bie Jranjofen in ber fijüianifdjen Vesper oerraten fottte, fo bemujt
ber Solföwtfc bie 3biotiftmeit (Langue d oc et langue d'oil. $ie
„oier Sinne" ber Schwaben, weil fie bas Mieten au$ „Schmeden"
nennen, u. a.).
$)od) biefe nationale Solfdfunbe mürbe ein Äapitel für
fid) bilben. 2lUeö fpielt barin eine 9iolle: Xradfjt unb tarnen,
©ebätf unb gefte, lu7torifa)e Sorfommniffe, ooraugemeife aber eben
bie (meift tabelnbe) pfi^ologifd^c (Sbarafteriftif („Serliner äinb,
Charlottenburger Söinb, ^otfibamer Sßferb — alle feinen geller
wert"). Solfenamen werben gerabe $u Sd)eltmorten (cagotcanis
(t oticus; unfere „Stoff auer").
Slirfen wir auf all biefe 3*ucmvffe $urüä, fo feigen wir, bafj
efl um bie beutfa)e Solfofunbe in *Hom nid)t gar fo arg beftellt
war. 2öot)l war bie Sorftellung ber Sllten oon ben ©ermanen ganj
oon bem Segriff „Barbaren" bet)errfd)t ; ba aber bie Stulrurftufe ber
©ermanen in jener (5pod)e wvrfltdj bie war, weld>e mit jenem
©ort auögebrücft wirb, fo führte biefe 2lnfdwuung ef)er ju lieber^
treibungen als $u wirflid) falfa^en Silbern. Unb wenn etwa ein
an bie ©renjc oerfefcter Offizier ftd) über beutfdje #riegdgewol)nheiten,
ein auf &ebung feines @£portd bebauter Kaufmann ftdj über ben
©efefnnaef unb bie Liebhabereien biefer Sarbaren unterrichten wollte,
fo fehlte eö nicht an ©elegenheit, barüber ganj juoerläfftge Sluöfunft
nachjulefen.
2tber all biefe 9ioti$en über germanifcheö SBefen, germanifche
£raa)t unb germanifdjen ©außbau waren burdfj baß 3ntereffe heroor^
gerufen, weldjes ein Solf oon auffallenber ©igenart bei feinen
9iad)barn erweefte. 3e mehr bie ©ermanen fid) bem neuen ©efamt*
tnpuö ber abenblänbifchen (Shnftenheit anglichen, beftomehr nahm
ganj natürlich bie Teilnahme auch für bie ihnen oerbleibenben
©igenhetten ab. ©ne Solföhmbe fefet immer ein beutlich umgrenzte«
Soltebilb oorauß; burd> bie immer intimeren Berührungen mit ber
römifdjen Äulturwelt würbe bie ©onberftellung ber ©ermanen aber
immer mehr oerlöfcht. SBir finben batyer feit (Eintritt ber ©ermanen
in ben djriftlichen ittölferoerbanb eine rafa> Abnahme ber beutfcbni
Soltehmbe.
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4>ie Anfänge ber Deuten fcolfefunb*
lfifi
$>ie römifchen dichter auf beutfdjem ©oben führen
bie alten ^rabifate „grofj", „ftarf", „roilb" als ftefjenbe ©pitheta
für bic (Germanen fort unb behalten cbenfo (roie fchon ermahnt)
bas r)clle ©aar unb bic blauen 2lugen als tupifdje 3üge bei. 2öas
fie neue« bringen, bas finb ßleinigfeiten oon antiquarifch^anefbortfebem
3niereffe, unb jroar faft ftets foldje, bie auf tiefte bes Barbarentums
in ©ermanien Anbeuten. £em römifchen dichter fmb bie ßieber,
bie ^nftrumente, bie Schreibart ber $eutfchen befremblich, roie einft
bem Xaciius il>re Söaffen unb ihre Sebensroeife. £)a$u fommt ihre
Liebhaberei für frembartigen Slufpufc. So fingt erroa Veoautius
Fortunatas (IX 1, 27 f. ad Cbilpericum regem):
Romanusqm» lyra. plaudat tibi barbarus barpa,
Graecus Adiilliaoa. ebrotta Britaona canat . . .
Nos tibi versiculos, dent barbara carmina leudos
ober:
Barbara fraxineis pingatur runa tabellis
(VII 18, 19 f.; anbere «Stellen bei sJftüUenboff de antiquiss.
Germ, poesi chorica S. 24). 2lber über foldfje bunte QtixitfU
ftücfdjen, bie fie roie sJieife- Erinnerungen an ber 2Hanb ihrer glatten
©ebichte aufhängen, fommen fie nicht heraus. $iel eher jeigen bie
9iad>fahren ber ©rieben, bie 33 t) § antin er, in ihren ^Berichten ein
nrirflid? folfloriftifcbes 3ntereffe: ^riscuS, ^rofop geben uns fo
ausführliche Sdulberungcn über 2rad)t, Sitte, tägliches £eben, roie
roir oorher faum unb naa)ber Sahrtjunberte lang fie nicht roieber
gehabt tyaben. 2luch fie oerleugnen babei nicht ihre eigene 2lrt: alles
gormenroefen intereffiert fie befonbers, ber &erfehr jroifchen gürft
unb $olf, bie Drbnung bes 9)tohls, $erhanblungen, fiochjeit unb
»eftatrung. 3eber fchiloert eben, roerat er anbere fdnlbert, zugleich
fidh felbft.
93alb barauf aber taucht jum erftenmal unb nur für furje 3eit
baö Phänomen einheimifcher Pflege ber SKolfsfunbe auf. SBie
bie fiuft unb bas Söaffer uns allen fo einfach unb felbftoerftänblich
erfdjeinen, bafj man erft fpät barauf fam, fie ju analnfieren, fo
beburfte es auch befonberer 33erhältniffe, um bie $>eutfchen auf ihr
SSolfStum aufmerffam 511 machen. $)er grofte ©egenfafe römifchen
unb beutfehen SBefens roirfte fort in biefen Bemühungen: Dtfrieb
hat es ja ausbrüeflich bezeugt, roie an biefer '^ergleichung ber beutfehe
^totionalftolj feinen eigenem $3efife p fd)äfcen lernte:
Ziu 8culun Franken, so in quäd, zi thiu einen wesan ungimab,
thie Hutes wiht ni dualtun. tbie wir hiar oba zaltuu?
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tötyarb SR. 9Rei>er
Sie sint so sama cbuani, selb so thie Romaoi:
ni tharf man tbaz ouh redinon, thaz Kriachi in thes giuidaron.
3nbeö märe bie felbftbeumfjte $ergleichung mit ben ÜHömem
unb ©rieben, bie fpäter bei ben &umaniften fo mächtig bafi
Stubium unferer eigenen Altertümer förderte, allein roohl nicht
imftanbe geroefen, in jener 3«* «n* f° 5" \aQ*n nuffenfchaftltche
itolferunbe ju erroerfen. 3u ben patriorifchen aRottoen mußten
politifche hinjufommen. ftür flarl ben ©ro&en mar feine 2lfabemie
fo gut wie bie fraujöfifche äfabemie für Richelieu $ugleid> ein
politifchefl 2öer!$eug, ein Wittel ber (Sentralifierung. Seine Sorge
für beutfdje ©rammatif, feine Aufzeichnung beutfeher Ortsnamen
hatte ein praftifc^eö 3ntereffe: fie foflte ber einheitlichen Urfunbem
fpradje bienen; auch tjter barf an ben rDictionuaire de l'Academie"
erinnert roerben. Selbft roenn er alte &elben(ieber fammelte unb
aufzeichnen liefe, roaren politifche 9ifitffichten bem oielleicht nicht ganj
fem : bie uralte Sagengemeinfchaft ber germanischen Stämme tonnte
mot)l als Sinbemittel jroifchen entfrembeten 33rübern bienen. ©leid);
zeitig aber beroeift aUerbingö aß bieö ein ftarfeö Sntereffe am
beutfdjen 3Befen als folgern. Unb bieö felbe Sntereffe beroexfen
anbere Vertreter ber ,,^rotorenai)fance", um biefen nicht fehr
gefa^madtoollen tarnen anjuroenben. $rabanuö zeichnet bad 9hmen=
aiphabet auf, SBalahfrieb Strabo tymbeit nicht nur fehr gefreut
über bie beutfehe Sprache, fonbern intereffiert fid) auch für bie
Sagengeftalt Dietrichs non $ern. ®lan beginnt „SSolfölieber" aufju-
jeichnen: baö unfaßbare f leine „SJhifpilli" füllen mir £ubnüg bem
$eutfchen felbft »erbauten, ba$ $ilbcbranbölieb fyat roohl ein SRönd)
niebergefchrieben. Sgftematifche Sammlungen freilich lagen fern;
bie Slngelfachfen fyabm um 1000 bad ©reterbuch, bie dtorblänber
um 1250 ihre <£bba fertig geftellt, roäljrenb bei uns ber foftbare
SWoment unroieberbringlich »erfäumt rourbe, inbem bie noch in $lufe
befinblichen ©injellieber jur 9Ubelungenfage Ratten gerettet roerben
fönnen.
^raftifche JHücffichten jeitigen auch außerhalb ber bireften
3eugnijTe »on oolfefunblichem ^ntereffe allerlei für ftolflore nrid)ttQe
®enfmale. $aä bebeutenbfte ift ber Indiculus superstitionum, ein
Vorläufer ber ©rimmfehen Anthologie burch Sammlung aber-
gl&ubifcher ©ebrauct)e. 9lnrf> in Äapitularen unb ©efefcen fehlt e«
nicht an folgen §inroeifen.
£>ie beutfehe ©efebichtsfehreibung tyat fuh bagegen lange
fehr fpröbe gegen biefe fragen gezeigt. 3lPttr 3orbanes hartc <uif
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3)ic Anfänge ber btutjdjen SJolfSfunbe
157
bie Xradjt ber alten ©oten ein förmliches Stubium geroanbt; aber
er ftanb nod) unter bem ©influj} ber rÖmifd>en &tftorifer, bei benen
fold>e Kothen jur £rabition gehörten. 3>ann aber ift überhaupt
bie ftletbung berjemge £eil ber Söolfsfunbe, für ben bie Teilnahme
am längften lebenbig bleibt. Sie roir aus (Siegeln, Miniaturen
unb anberen Äunftroerten über bas ßoftüm reiche Selebrung fchöpfen
fbmten, fo fehlt cd auch bei bem Mönch oon St. ©allen, bei
Surfarb oon SBorms unb anberen nicht an babingehenben 9tochrid)ten.
Slber ein breitere« 3nterejfe für Sitten, für £äuferbau, für pbnfifche
Eigenheiten finben wir nur ganj oereinjelt. 9lbam oon Bremen
oerbanft es roohl bem Korben, aber ein ©egenftüd ju Saros
Sefchreibung ber norbifajen Eigenart hat er nicht geliefert —
Mit ben Äreu^ügen ermaßt ein ftartes ethnologifches 3ntereffe,
bas in ben abenteuerlichen erklungen oon &erjog Ernft unb
anberen Reibungen oon Sunbern bes Orients fiä> funb giebt; für
bie emtjeimifdje 2lrt aber fajlief bie Xeiluabme. Unb als fie roieber
ermatte, gefdwb es in a>rafteriftifd>er Slenberung. Sh'e Hölter
Ratten gerabe bamals unter bem 3)rud gemeinfamer politifcher unb
fojialer 3eitfragen, unter bem Einfluß ber Äreujjüge unb bes
SRittergeiftes ftd) mehr als je genähert; nie f>at Europa fo über=
roiegenb ©inen 2lnblitf gezeigt, wie auf ber ©öt>e bes Mittelalters.
Slber bie © t ä n b e begannen immer fdjärfer ausetnanberjugehen. 2öie
oerfdnebene Hölter fingen 2lbel unb Sauern an, einanber gegenüber;
jufteben, für ben Slugeublid noch faum burd) ben Sürgerftanb oer=
mittelt. Unb bem entfprecbenb trägt nun bie Sßolfshmbe ber mittel
alterlidjen 3«t faft burcbroeg einen fokalen ©l)arafter. s3hir ber
©oethe bes Mittelalters, Sßolfram, teilt mit bem dichter bes gauft
auch bie Unioerfalität beö ^ntercffes. Er ermähnt mit Rehagen
bie Xrühenbmger ftrapfen unb bie Marftfrauen oon £olnftein, achtet
auf abroeichenbe Wecbtsgeroohnbeiten ber granjofen, bejieht fia) auf
bas Stolfsepos. 2lber oon biefer großen 2lusnafnne abgefeben,
treffen roir nur Säuberungen entroeber abeliger ober bäuerlicher
Sitte. Keibbart ftubiert unb f Gilbert Xradjt, gcfte, Sitten, 2lrt
unb 9tomen ber Sauern unb ftnbet 9iaa)abmung im Meier §elm--
breä)t, in bem fogenannten Seifrieb föelbling, in Mefcen ^o^ett unb
managen anberen ©ebtcbten; bie t)öfifcr)eri dichter bagegen fdjilbent
mit Anteil unb Rehagen bie tfleibung, bas V'eben, bas Eeremoniell
ber oome^men Greife, lieber biefer großen Sdjeibung oergißt bie
fosmopolitifdje ^Joejie ber Minnefingerjeit faft ganj bie nationalen.
3a) ^abe mir aus SBeinfrolbs $eutfa>n grauen unb 2Üroin Sdmlfc'
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ffltc&arb HR. üKepft
I
§öfifd)em ßeben eine ganje Slnjalu* oon %a\kn notiert, wo bie
heutige jjorfdmng nationale 23erfd)iebenf)eiten bcfonberö int abeligen
ßeben entbedtt bat, otnte baft jemals ein S^itgenoffe bicfc als einem
Holf etgentümlid>e beroorgetjoben tjatte. sJiur beutfd) fdjeint bie
Sitte bcö e^laftmnfd (Silroin Sdwlfc 1, 341); beutfaj ift oon
alter^er bie Vorliebe für Slrmringe (2öeinbolb, 2, 302); ju ben
beutfajen ©igenf>eiten ber iKedjtsbilbung gehören namentlid) fünfte
beö erbred&ts (ebb. l, 208) unb eijeredjts (ebb. 2, 102). $>ie
^ranjofen tafeln in bunter Meibe, bie £)eutfcben nad) ©efdjlecbtern
getrennt (ebenba 2, 189). 2fran$öftfd>e Eigenheiten jeigen fid) bei
ber SHitterroeibc (Sllwin ©d>ul& 1, 142), bei ber Xafelorbnung
(ebenba 325 f., 329, 333, 338, 2Beinl)olb 2, 189), im ^osbroefen
(«Sdmlfc 1 , 358), in ber für bie Trauung am liebften gemähten &\\
(ebenba 490), in ber ftrengen 2>urd)füf)rung ber rieralbifc^eu (?Me&e
(ebenba 2, 79). $er Seifel fa>eint ein ben ^ranjofen eigen-
tümlicbeö SJJöbel (edmlfe 1, 68), bie Slermelfdjenfung ift franjöfifdje
Sitte (ebenba 47« »). 311$ fpanifd)e Üiebbaberei bebt Stein Sa)ul* (2, 3)
baß 6d)eibenfd)ie&en für eine Seit beroor, roo eö in £eutfd)lanb
nod) faum geübt warb, »efonbero cbarafteriftifcb ift enblid) 2Beim
bolbfl ^emerfung, bafc bie ©nglönberinnen beö 12. Safjrlmnbertö
Jöläfee für fd)ön gelten unb beobalb bungerten, fid) jur 9lber liefen,
im Notfall fogar loeijje unb graue #arbe im ©efid)t frridjen, bie
Jranjöfinnen bes 12. unb 13. .^abrbunbertö im ©egenteil frifd>e
INötc für fa)ön gelten unb fie burd) ein gutes Jrüfyftüd äu erhalten
fugten ^2, 334). ^efet ift eo eljer umgefebrt. Solare bejeidmenbe
3üge fuebt man aber in ber gl einseitigen 2>td)tung ©ergebend. So
gut nric auöfd)liefelia) nur bei ber Äleibung wirb oon if)nen nationale
©igenart beroorge^oben : bas lange &aar ber ^ranjöfinnen (3Hroin
Sdmlfc 1, 179, 4), ber Äopfpufc (1, 182, 9> unb oft ber franjöftf^e
Hleiberfajnitt (ebenba 194, 1 ; 195, 5, S&inbolb 2, 227, 230, 278).
daneben roerben fransöfifdje Speifen (Sdmlfc 1, 288) unb 2öehu
f orten {1, 296) mit Angabe bes Urfprungs ^roorge^oben unb bem
Xurnier (Sdmlfc 2, 91) franjöfifcber Urfprung juerfannt. %U
englifd) mtrb eine beftimmte 3lrt, bas £emb ju oerjieren (1, 189,
2ükinbolb 2, 261, 4), genannt, unb unter ben Sfiuftfinftrumenten
finbet fid) eine englifd)e uub eine beutfd)e £>arfe (Sdmlfc 1, 430).
Söei ben Italienern fiel ber $al)nenioagen, bas Garoccio, auf (ebenba
2, 196), bei ben ÜKieberlänbern unb 3>änen eigentümlidje Söaffen
(ebenba 2, 180, 3 unb 182, 10), bei jenen aud) noaj eine merf=
roürbig ur$eülia)e ©aftfitte (2Beint)olb 2, 200). 9hir ganj feiten
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Die Anfänge ber beutföen So(f8funbe
159
begegnet eine auöbrücfliche Bergleidmng, n»ie bie ber langen beutfchen
mit ben fürjeren fransöjifchen Schwertern (Sdmltj 2, 12). 2öod
und aber als charafteriftifch beutfch genannt wirb, ift faft burdjweg
$uf allig, fein 3e*d)en aufmerffamer Beobachtung. 9htr beutfche
Söaffen werben wteber bei franjofifctjen Richtern mit befonberem
Slccent genannt (Sdml& 2, 7 — 8). fiofale Eigenheiten aber werben
oon beutfchen dichtem faum je bemerft: bie Stellen Wolframs über
bie £rüf)enbinger Krapfen, bie £hurmger £änje, &ablaubö befannte
Älage über bie grofjen &üte ber öfterreidnfdjen grauen (Schulfc I,
211, 4) finb faft alles, was mir oon folfloriftifchen Beobachtungen
bei beutfchen Richtern haben.
31ur in einem $unft hat bie Boltetunbe ber mittelhochbeutfchen
3eitgortfchritte5ut)eraeichnen: auf bem ber $ialeftf orfchung. $a«
praftifche Problem ber gemeinoerftänblicben Schriftfprache oeranlafjte
bie dichter, auf bialeftifcbe Eigenarten $u achten, unb fo finben wir
in ben befannten Stellen bei Wibrecht oon §alberftabt (1210),
Ebernanb oon Erfurt unb befonberö £ugo oon Xrimberg (1300)
gan§ gute tyaxattexiititen beutfcher SJtonbarten.
Bei ben Nachbarn haben bie beutfchen felbft in biefer ©lanj=
jeit ein günftigeö Urteil nicht errungen. $)ie toelfche Hochmut fdnlt
aud $eire Bibald thörichtem 3Jhmb auf bie 2)eutfchen(2öeinholb 1,161),
unb ihre Sprache fommt bei ihm nicht beffer fort als in ber
SWeinung Äaifer Qulianö (ebenba 1, 150). 2lnbererfeit$ finb fie für
bie Slaoen immer noch bas 3Jhtfter guter Sitte unb leihen ihnen
B. bad SBort für „tanken" (ebb. 1, 158, 2). sticht minber trägt
freilich bie beutfche Spradfc)e jener £age in $af)lreichen grembworten
baö Oepräge frember Einführungen in Sitte unb (Gebrauch : befonberö
wieber ift bie ©arberobe international, unb neben bem franjbfifchen
surcot unb bem italienischen garnatsch (Schuld 1, 197, 3) hängt
bie polnifche suckenie (ebenba 196, 4, Söeinholb 2, 288) unb bie
flaoonifche sclavinia (Sdmlfc 1, 228, 3).
SluffaUenb ift e$, wie fo ganj es ben Seutfchen felbft in jener
3eit an Erfenntmö ihrer Eigenart ju fehlen fdjeint. Ein SBort,
bas germanisches 9öefen bünbig fen^eidmete, ift mir in biefer
ßitteratur nicht begegnet; gewiffe ftehenbe Epitheta fann man nicht
bahin rechnen. Um 1188 charafterifiert 2limcm De Barenne feine
&mbsleute mit ben trefienben Berfen:
Chanson ne estoire ne plait
as Francis se il ne l'ont fait
(©. $aris, Litt. francjaise au Moyen Age S. 83) — äßorte, bie noch
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160
Kid)arb 2R. üfleijcr
Sfjafefpeare gegenüber itjre 9ttd)tigfeit behalten ^aben. ®ante f>at
jroar faum bie Italiener, root)( aber 3. 33. bie Florentiner, bie
Bolognefen mit fdjarfer (Sljarafteriftif bebaut, 3n $>eutfd)lanb aber
fd)lummert bie 23olföpfod)ologie nod), unb aud) in ben £npen ber
3Md)tung roürbe man »ergebend nad) Hnfäjjen ettmologifd)er Gt)ararte=
riftif fud)en. Sie roirb oon ber Mobe fogar ba oerarifd)t, roo fie
einft oerfuajt mar: rote oiel „editer" ift ber Attila beö 2Saltljariuö
als ber ©feel beö Slibelungenliebeö! —
$e mein" mit bem Verfall beö 9teid)ö feine ©lieber ftd) jur
Selbftänbigfeit auöroad)fen, beftomebr roerbcn fie naturgemäß ©egen=
ftanb gegenfeitiger Beobachtung. Seit bem Satyre 1300 ift ba^er
roieber ein 3luffteigen ber bcutfajen Bolföhmbe $u bemerfen. 2Btr
nannten fdron bie Hainen jpablaubö unb ,§ugö oon Xrimberg. 5JHt
roeld)em Belagen fdnlbert Dttofar in feiner ÜHeimd)ronif bie ungarifd)e
% rad)t ! $ene ^jrreube an ber Shiömalung fleiner %\i#e am realiftifdjen
^Detail, bie bie Sitteratur beö auögetyenben Mittelalters d)arafterifiert,
fomint aud) ber Bolföfunbe ju gute. $>ie ttimburger (Stjronif berichtet
über litterarifd)e unb anbere Mobeu; in älmlicber Sßeiie befd)retbt
eine tbüringifd)e Gfjronif (3tfd)r. f. b. ». 8, 468 f.) Äletbertradjten
feit 1430. 2lud) auöroärtige Beobachter finben fid) ein; eö fei nur
an bie sJieifebefd)reibungen beö ^ßoggio unb beö »rnea« Soloinö
erinnert. $Die &auptquelle ber ^olföfunbe roirb aber feit biefer
3eit bie Malerei. 2£ot)l bat 9tiet)l (®efd)id)te beö beutfd)en
Stttenbtlbeö) bie Anfänge ber genrebilblidjen ®arfteUung in ^Deutfd);
lanb bis in bie 3eü Äaifer Dttoö III jurücf «erfolgt unb befonbers
aud) in ber mittell)Od)beutfcf)en 3ei* eine $ülle berartiger Silber
nad)geroiefen. 9lber roaö bamalö ben Stempel beö 3nfälligen trug,
baö beruht jefct auf faft fpftematifd)er Beobachtung beö Bolfölebenö
unb Bolfscbarafterö. SDie ftoftümftubien 3)ürerö unb <£ranad)s arbeiten
einer felbftänbigen Äoftümmalerei vor, roie fie burd) 2Ubegreoer,
Sdjeuffelein unb oor allem burd) ^oft 9lmman (1539—91) oer=
treten roirb. Um 1500 läfet fogar ber oftfriefifd)e Häuptling
Unico Manninga bie Bolfa= unb Siittertradjten feiner &cimat
fnftematifd) aufjeidmen (»gl. biefe 3etrf$rift, Bb. I, S. 144).
Öut^er adjtet auf bie Sprad)e beö Bolfö; 2lgrtcola er$ät)lt
in feiner Spridjroortfammlung oon auffaflenben $aartrad)ten (SBein;
bolb 2, 321); ftifd)art fann fid) nid)t genug ttjun in bem SCntyöufen
oolfötümlid)er ©injelf)eiten, in ber Benennung unb Beitreibung oon
^eften, Äleibungöftüden, Xrinfgeräten, in ber Berroenbung oon
Sprid)roörtern unb roaö fonft in biefe 9trt gehört Unb roä^renb
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Die Anfänge ber beutfd>en 5Bott«funbc
161
mit Musculu« Joofenteufel (1556) bie Bolf«funbe unb Trachten^
befchreibung oon neuem bie Mangel befteigt, beginnt auch bie ernfthafte
tuiffenfchaftlicbe Befchreibung von £anb unb l'euten, mit Sebaftian
granf« ^öeltbucft (1534) ihren £auf. Jymlid) wirb fie gefährbet
burch jene romantifd)'unl)iftonf(^e Auffajfung ber Borjeit, alö bereu
berüchtigte« @r$eugniö "Nürnerö Turuierbuch (1530) fooiel Märchen
über bie Bolfsfunbc be« Mittelalter« in bie 2&elt gefegt t)at. Aber
doh biefer erlifcht bocb nie mehr ba« 3ntereffe an biefen
fingen oöttig, unb ba« ©nbe be« fechjelmten ^a^unbertö fiet»t
bereit« in Montaigne ben Propheten ber oergleid>enben Bolföfunbe. im
3afjre 1606 oergleicht bereit« ein fpanifcher Beobachter bie beimifchen
Tänje mit benen ber Stauer, uro« Södel (2)eutfd>e Bolfölieber
au« Oberölfen 3. CIX) bie erfte Innung einer oergleichenben
Ethnographie nennt. Unb felbft ba« entfefcliche Unheil be« bretfeig=
jährigen Ärieg« famt ber ihn beerbenben Au«länberei oermag nun
bie Teilnahme für beimifche« ^efen nicht mehr aucjuroben; ja ber
Wegeufafc gegen bie Jyremben ftärft bie« 3ntereffe. Mofcherofcb, unb
OJrimmel«haufen jeigen für oolfstümlid)e (Sitten unb Gfmroftere
faum geringere« 3ntereffe al« Sifdmrt ; Mathäu« Merian unb Sßenjel
Dollar fefeen bie $ar[tettungen oon grand unb fünfter, Amman
unb Albegreoer fort. 3" ber föeimat ber alten (Sinthern, ber einft
ber Berf affer bcr beutfehen Altertumsfunbe eutftammen follte, erjähll
s3ieocoru« (1598 — 1616) oon ben alten Tänzen ber Stfthmarfchen,
unb Gabooiu« = Müller zeichnet (1691) bie ftrunbriffe alter friefifdjer
Bauernhäufer auf. Unb wenn für Tradjten unb %t)te ba« 3nter=
effe nie ganj ausgegangen war, fo ift e« noch bejeidmenber , bafi
man fogar ben Bolf«iiberlieferungen wieber Aufmerffamfeit fchenft.
Auf bie 2Herfe beo alten ^rätoriuo folgt 1706 bie Motfenplulofopbie —
ein IihIruIus superstitioiium oom aufflärerifchen Stanbpunft au«,
aber wie jener unfdmfcbar burch Bergung fonft ocrlorenen Straub-
gute«. 3d) nenne bann nod) ba« 1715 erfchienene Jrauenjimmer;
fcerifon oon Amarantine«, weil e« für Almin Sdnilfc' „Alltagsleben
einer beutfehen grau ju Anfang beo 18. 3ahrliunbert6" bie §aupt;
quelle abgeben tonnte. Mancherlei anbere Arbeiten, bie bireft ober
inbireft ber beutfehen Bolföfunbe Dienten, wären noch aufzählen.
9ioch einmal aber ging bie Alut ^urilcf ; frembe (Sinflüffe, ,m=
nebmenbe ©ntfrembung ber höheren unb gelehrten Ärcife oom Bolfe
unb mancherlei anbere Umftänbe fchabeten ben guten Aufäßen. £a
(amen beim jene brei (Srwetfer unb Befreier, bie bie Alugfdmft oon
beutfa>er Art unb ttunft fnmbolifd) oereint: ^uftuo Möfcr, Berber
^eilfdirift für Äqltiirflcf*««*»'. 11. 11
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unb ®oetl)e. öoetfye $war bat Direft nur wenig für ftolflore
gemirft, wenn er aua) &olfSlieber fammeltc unb noch im Hilter bas
^eben bcr Spinner in ber Schwei* mit Anteil betrieb. 3lber iubem
er allem geiftigen l'eben Deutfd)lanbs einen neuen ©ehalt gab, hob
er bie gan>e pflege bcutfcheu ^olfotums auf eine höhere Stufe.
Der ®ö§ unb bie £ans Sad)S @ebid)te haben bod) aud> ber
3iomantif vorgearbeitet, bie nun ^Diöfers £>inweife auf bas Holte
leben unb Berbers Aufrufe für bas ^olfslicb aufnahm. S&ährenb
3- ©rimm unb Ublanb tüiffenfdjaftlid) fortführten , was 91 mim,
Brentano, ©örres bilcttantifd) angeregt hatten, fetyte ber begetfterte
Dilettantismus in $afm, bem Sdjöpfer bes Portes „^olfstum", fid)
felbft bie ftrone aufs &aupt. iHber ^olflove bebarf breiter XexU
nchmerfreife ; Sammler unb Liebhaber fiub hier mehr als in anbereu
Söcreidfcu pfjilologifdjen i&irfens mtllfommen. Deshalb haben uür
auch benen ju banfen, bie ber ^olfsfunbe $cr$en getuannen; wahrlich
es mar Not!
Das neuermad)tc üolfsfunblidje ^ntereffe $eigt fid) in oft auf;
fälliger ih>eife in ber beuten i'itteratur. .fcicr hatte ©alter Scott
gejünbet. %\)\\ unb ©afbingtou 3nnng gebad)te Annette von Drofte in
einem SRoman nachzuahmen, ber bie 3uft<inbe „bei uns im #anbe unb
auf bem i'anbe" fdnlberu follte, mas bann ^mmermann mit bem Cber=
t»of erfüllte, 2i>ie oiel ftärfer ift baS folfloriftifdje Detail bei ©ilibalb
2lleps als bei tfouque! ©rofcen Ginflufe übte bann weiterhin bie
Dorfgcfdnd)te. 2luerbad) mar ja felbft von ^mmermann beeinflußt;
aber wie oiel näher ftaub ber Sohn bes Sdnuar^wälberborfes bem
^olfsleben als ber 3)iagbeburger SBeamtenfohn ! Ski Alsums ßlaubius
unb sKoft, felbft im ^erthcr bat ber $auer nod) immer nur fokale
sJ)icrfmalc, feine lofaleu; bie (teilen fid) jefet erft ein: Drahten,
®«ool)Ht>eitcn wie bie £anbärte ber alemannifdien dauern, Sdjnaba--
hüpferl unb anbcrce. 2lud) bie Walerei nahm in ber Düffelborfer
Schule benfelben Zon an, unb es folgten nun in grofjer ftülle
(Stählungen unb Silber, bei benen oft bie ^olfsfunbe mehr gewann
als bie ftunft. Doch mußten ^luerbod), "Kofegger, 2ln$cngruber auch
ben $olfsdjaraftcr auf\ufd)liefjen unb ins ^nuerfte ber mähren
^olfsfunbe einzubringen.
Die ÜiUifenfdjaf t ftanb lange fremb jitr Seite. -Neben ben
Philologen, bie mit reidjer (Saite für bie $olfstuube arbeiteten,
oerbient ber .Uultnrhiftorifer Mehl Erwähnung; bas banerifcbe
%ttionalmufeum, bas jefct feiner pflege nnterfteht, aber freilieft nicht
ihm feine (Sutftelnmg uerbanft, war bas erfte große Weiipiel eines
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Sie "anfange bcr beutfrfjen SJiMfMunbe
163
ÜJtofeums für beutfd)e ^oltefunbe. 3)ie „Baoaria", bie er geleitet
l)at, unb bie mürttembergifd)e Beitreibung ber Oberämter näherten
enblid) bem wiffenfcbaftlid)en Betrieb aud) eine alte, lange nemaa>
läffigte ftorm bilettantifd)er Bolföfunbe: bie SMeife beirret bungen.
£atte boch felbft Nicolai, fonft all foldjen Bemühungen abfjolb,
btefer Liebhaberei gelnilbigt — in einer $i*eife freiließ, beren gefdmiacf-
lofe Bermifdmng oon Nichtigem ober Unwichtigem ihm bafi Aenion
eintrug :
A propos £übiugeii! Sovt ftut> aWäbdjeu, bie tragen bie QöpU
fang geflodjten, aud) bort giebt mau bie $oren fjerau«.
„9ton fam eine Bett," fagt 6. 3. ätfeber im Borwort $u feinem
„5£eutfd)lanb", „wo baa Reifen $ur wahren iHeifewut würbe, fteife;
befebreibungen einanber jagten unb iHeifenleferei fo epibemifa) warb,
aU Vornan: ober 3chaufpiellefereien." $od) blieben fie faft alle,
iuo eo fid) um Aolflore banbelte, an .Uuriofitäten fangen, mährenb
iwieber ber ttlaffifer ber sJteifebefd)reibung, J-orfter, über ©injelheiten
leicht $u oornebm hinweggeht.
silber aud) auf Seite ber Sdjriftftetter ftanben biefen Bemühungen
bie Vertreter alter .Klaffijität fo feinblich gegenüber wie manche
Welebrte. ^laten fpottete im „©djafc bes Mhampfinit":
<3ieb, wie bie Pente ftd) um un« »erfammetn
Unb ftd) einanber auf bie $üfje treten!
Sa* aeidni' id) in bie iafef ein, e£ fdjeint
(Sin altägijptifdjer Cljarafterjug
(mo.^u Hafpar bemerft: „(£in uralter !"),
Und) burd) ba$ ftenfler fleden fte bad #aupt,
Su roeifjt, ba8 thun bie 92ubter aud); t& ift
Surd) Srabition oieOrid)t auf uns getommen.
ÜJriUparjer bat eö UtUanb nie oerjieljen, baj? er io oiel .$eit
unb .Kraft an baö Bolfölieb iefete, unb fogar (tfufcfow mill fid) nod)
totlachen, toenn er Schottfi) mit (Sifer öfterretchifche Bolfsliebdjen
fammeln ficht —
3nbeö — bie Blüte ber Bolfofunbe bangt fo wenig wie bie
anberer &iiffenfd)aften oon ber ©unft ber Umftcljenben aliein ab unb
am wenigften oon ber Ungunft einzelner Uebelmollenber. Ueberblicfen
wir ihre ©efchidjte, fo finben wir, bafi aud) fie ju ben Opponenten
eines ftarten sJiationalgefül)lo gehört. 2lls werft bie ©ermanen alo
(Sine grofoe 9)iacht fid) erhoben unb an bie 2 bore Woms pochten,
ba fchrieben (Säfar unb Tacituo. iHlo bie neue (Einigung unter
Karl bem ©rofjen baö Wationalbewufetfeiu mit ftoljer .Uraft füllte,
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164 Hidjarb 3W. äKepcr
ba entftanb $uerft auf beutfdjem SBoben ber Anfang eiuer beutfd)en
itoltefunbe. 211* mit fcutfjer uub bem Äampf beutfdjen öeiftes
gegen frembeu SRifebraud) aberntalö baö Selbftbemufjtfein unferes
Golfes aufftanb, ba erwachte aud) von neuem in weiten Streifen
bied Qntercffe. Unb aU enblicb bie burdj griebrid) ben ©rofcen
unb Sofef II, ©oettje unb ©Ritter mit neuem 3nlmlt erfüllte 3bee
einer beutfd)en Nation im Kampf mit granfreid) i^re Feuerprobe
$u befte^en tyattt, ba rourbe ber ©runbftein ju einer miffenfa)aftltd)en
Volfefunbe gelegt. So bebeutet jeber biefer £öbepunfte pgleich
einen gortfdjritt: erft fammeln nur bie gremben 9?ad)rid)ten, bann
aud) bie @intjeimifd)en; bann bringt aus bem engen Bereich ber
geiftigen unb weltlichen Ariftofratte bieß Qntereffe in bas ganje
Volf — unb enblid) wirb ein &eer gefdwffen, in bem fachhmbige,
waffengeübte güfjrer große klaffen williger Anfämpfer leiten. —
Unb einen gortfchritt bebeutet jebe neue $bafe nicht nur
l)infid)tlich bea Umfange« ber £eilnehmerfreife, fonbem aud) h™;
ftdjtlich be$ Umfangeä ber bejubelten gragen. 2lMr warfen im
©ingang bie grage auf, mann man angefangen fyabt, für Art unb
Stellung ber beutfa>n grauen, für bas £eben in alter 3^t, für
ßeichenbeftattung unb geographifd>e Vorfteflungen, für Sttunbarten fid)
5U intereffieren. SBir fönnen jefct antworten. Am älteften unb
atlgemeinften ift baö 3ntereffe für bie £radjt; benn bie antifen
Beobachtungen über Körpergröße, Starte, Augen unb §aare wirb
bie Anthropologie unb Gttmologie leicht ber 53olf8funbe abfpredjen
fönnen, wenn aud) wir ftc hier ber 33oHftanbigfeit wegen mitnehmen.
Aber bie Mitteilungen über Kleibung, §aartracht unb Verwanbteä,
oft jufällig, feineäwegd feiten mit bewußter Abficht gegeben, ftnb bie
einzigen, bie in ununterbrochener 5Rci^e burd) bie 3af)rf)unberte gehen.
^Beobachtungen über ben$olföd)arafter fefeen fd^ott im römifchen
Altertum an, uerfdjwinben aber bann auf lange unb werben burd)
Verfuge einer (Sf>arafteriftif einselner Stämme nur unnoQfommen
erf efct ; erft mit gorfter unb feinen Schülern, ben beiben £umbolbte,
ift man l)ier über baö AUgemeinfte hinausgefornmen. Aufzeichnungen
über ©ebrctudje, Aberglauben, tarnen beginnen in ber
farolingifdjen (Spoche unb erleiben ebenfalte eine Unterbrechung, bie
aber niel für3er ift unb fdwn mit ben Vorbereitungen ber Deformation
ihr ©übe finbet. £)ie mittelf)od)beutfd)e 3eit bringt bie Aufmerffamfeit
auf fokale Verfchtcbenheiten unb bialeftifd)e Eigenart;
beibes ift bann wieber in lücfenlofer golge t>on ber Fachwelt fort=
geführt worben, ober erft feljr fpät wiffenfdjaftlid) nertieft worben.
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2)ie anfänge ber beutf<$en $o(f$tunbe
165
£)ie ganje güfle ber Realien, bie „^rioataltertümer", ©egen=
ftanbe bes taglicben Sebenö, aud) Spridj Wörter unb 3Ultagö=
geroo^n^eitcn 50g erft bie lebenafreubige Seit Dcr $>ürer unb
Srifdjart in bcn ^Jereid^ tf>re$ Sammeleifers. $on ()ter batiercn
beim audj bie 2lnfäfce einer nriffenfd)aftlid)en s#ufäeia)nung. Sangfam
unb oereinjelt bauern fie fort, bis 1771 $um ©ammeln geblafen
roirb. 9iun tfyut ftd) ber (Sifer überall hinb. '„2Bir motten allen
alle« nriebergeben, was im oieljat)rigen fortrollen feine ®emant=
feftigfeit bewährt, ma)t abgeftumpft, nur faft fpielenb geglättet, alle
gugen unb 2luofd)mtte f)at ju bem attgemeinen $)enfmal bes größten
neueren Portes, ber £eutfd)en." So rief 1805 3lmim; mit biefen
nnmberfä)önen , mit Mea)t immer mieber angeführten ©orten, bie
auc^ (*uf ^ie ga^ne unfereö Vereins gefticft ftnb, gratuliert ber
herein für *>olfsronbe nodjmalo bem Pfanne, ber mef)r als ein
anberer fiebenber bafür gearbeitet Ijat, bie ^oltefunbe in bem
gefamten Umfang ifjres begriffe $u wahrhafter unb gefiederter
Jtenntniö $u machen.
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3>ie ^ofonittl'pontiR bc$ bmttQcn
^ittcroröcns.1)
Von .friefcridj gietirmann.
Bon ber Capelle beö Futterraufe« ber Barmherzigen Schroeftern
ju greiburg — oon 1263 bis $ur granjofenjeit 1677 eben i>ie
Stätte ber biefißen alten £>eutfchorbcnß = Gomturei — leitet feit
fünf Sahren bie fteutfchorbemStrafje gcrabenmegö, einftmeilen burd>
ben griebhof unterbrochen, an ben gufe beö Schlofebergo. 3n ihrem
3uge auf unb nieber jeiejmet fie - wenn beim einem flüchtigen
Spiel ber ©ebaufen geringer SHaum oergönnt wirb — ben ©ang
ber Drbenögefchichte: oom &ofpitalbienft burd) £ob unb ©räber jum
jefot geborftenen Sifce ritterlicher £errlichfeit unb oon faum Haftbaren
Trümmern irbifeber ©röfje jurücf burd) (Gräber unb neruntternbe £>enf
fteine $um !Ü>erfe djriftlicher £iebc6thätigfett. 2lngefid)ts beö immer
noch geübten Samariterbienftes ber $eutfd)f)erreu barf ben (Epigonen
ber trüber bes £}eutfd)en Kaufes oon St. Marien $u 3«tufalem
in ihrer tätigen Drganifation bie 2ld)tung nicht oerfagt roerben, bie
bem umringen Verhalten ber Grben einer großen Vergangenheit
gebührt.
freilich — in bie großartige ShHrffamfeit ber machtooUen .ttörr»er=
fchaft mochte bie Betrachtung bes bebend unb Treibens im einzelnen
Orbendhaufe ber ^rouin$ ebensowenig ßinbltcf gewähren, als uns
heute ein foldjer auo ben urfunblidjen ^eugniffen beö ©etriebeö nur
einer ober ber anbeten ßomturei fieb ermöglicht, ^m ©egenteil, bie
Stäbte, in bereu 2iieid)bilb ein £eutfd)orbenö-#au6 fid) befanb, pflegten
in ber ftegel biefer eigenartigen Fitbürger wenig froh 5" fein. £ie
glaubensinnige ^eit ber Stiftung uno Begabung ber 2>eutfd)orbenö:
') Vortrag in *cv ^Ifabcmif^rn ©ffcllfc^aft ju ftreiburg i. $r. am
4. Xu. 1893.
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ftr. Sieuentann, 2)tc Äolontalpolitif beS beutfd)en flütterorbtn« 167
Raufet mar balb entfdmnmben ; unb mo nicr)t, wie namentlid) in
^iüntberiv Sacfjfeuljauien unb Harburg, bie Mranfenpflege immer
aufo neue ein $Janb jnufc^eii ben Gittern unb ber 2luf?enmelt fntipfte,
würben bie mannigfachen Vorrechte ber ftoljcn ©enoffenfdmft für bie
(§rnf)eitlid)feit ber ©emeinbe= mie ber Sprengelooermaltung nur
ftörenb empfunben. 2lud) reiften mof)l Jjie unb ba bie s}>rioUegien
ihre jeitmei liefen Iräger 31t Übergriff unb ©emalttbat. 2)er lang^
verhaltene ©roll ber Stäbter madjte fid) bann in einem Sturm auf
baö Crbenötjauo Vuft. 8ola> Selbftrnlfe fdjofe gewöhnlich weit über
ba* 3iel tynam — ein ^eifpiel bietet bie ;$erftörung be$ greiburger
2)eutfc^^errent)anteö im „Jahre 1202 — ; ihr folgte jcbesmal ber
Sürmeoertrag, bei bem ber Crben nicht $u htr$ fommen pflegte.
SJon folgen „Soften unb Einigungen, im übrigen aber 00m 5©irt-
fdjaftsleben ber (Somtureien sengen bic aus ihnen erhaltenen Ur=
funben. Sie fpredjen oon ber Umfielt unb Sorgfalt, mit ber bie
Öefijjungen bes Crbenö oermaltet unb oermertet mürben, mie fie
teilö in eigener SefteUung blieben, teils in Seit- ober Erbpacht
oergeben mürben, tote Übungen befiebclt, mie Taufcbgefdjäfte gcfdjloffen,
^erpfänbungen eingegangen mürben unb ber Erlös gebammelt unb
nufcbringenb angemanbt marb.
Unter ber oortrefflichen ^ermaltungopraris, in ber bie $)eutfa>
orbenobrüber bei ben Johannitern in bie Sdmlc gegangen unb bie
fie 00m ^eiligen fcanbc in ihre ^ßrooinseu verpflanzt, ftanben in
25eutfchlanb etma 110 (Somtureien, in 12 (Gruppen (öaKetcn) unter
je einen fianbeomtur «erteilt, lieber brei oon Urnen, Cfterreid),
Xirol unb (Sobleiu, hatte ber ,§ocbmeifter felbft bie 2luffid)t,
mäljrenb bie anberen bem fceutfömeifter uuterftanben. Erft 3U 9lus*
gang bes 14. Sahrrmnberts marb bie $aüei Elfajj, $u ber auch
greiburg unb bie (Somtureien ber Sdjmeij geborten, bem §ofy
meifter oerpfänbet unb nid)t mieber eingelöft. 2>ie 3af)l ber bitter
auf bes Crbenö Käufern in £eutfd)lanb fann nur annähernb burd)
eine Eingabe aus bem iatyxe 1379 oorftellbar merben, als Elfafj
nod) 00m £eutjd)meiftcr oermaltet mürbe. damals befanben fid) in
feinem (Gebiete 7<»i Mttcrbrübcr, 511 benen 123 Crbeuspriefter unb
ftalbbrüber ju reebnen finb. $uo mürbe im $urchfcf)mtt nod) nid)t
10 trüber auf jebes .frauo geben; aber ber Turdjfdmitt bürfte aud)
feine richtige 9lnfid)t gewähren, benn es gab grojje unb fleine Käufer,
je nad) ber Sage unb bem ''BefitMtaube bes einzelnen $>aufeö.
Ratten in ber guten ;]eit Oer $lütc bes Crbeno bie Palleten
unb (Somtureien fid) bod) nicht als Selbftjioecf oor xUugen, foubern
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$r. ©iencmomt
betrachteten fid) nur als ^flegftätten möncftif^ritterlttöer Xugenb,
in ber bie sJtomjen fidj zu bewahren hatten, ehe fie zur Teilnahme
ün ber Höfling ber großen Aufgabe beö Crbenö zugelaffen mürben,
unb femer alö ^robuftionöftätten ber finanziellen Littel, bie ben
Drben befähigten, ben auf il)it geftellten (Erwartungen zu entfprechen.
Sttenn im ,^ohanniterorben auf siluörüftung unb Unterhalt eine«
Zitters 200 $)n$üntiner jährlich gerechnet würbe, D. i. nach hörigem
(Mbwerte 15 200 grauten M, unb wir feinen Wntnb fyaben, ben
fteutfehorbenöritter billiger zu fchäfceu, fo mag man fi<h oorftellen,
welche Summen ber ^ahreöanfchlag ber trüber beö beutfehen Kaufes
erforberte, alö eine h°he ®unft beö öefdntfö ihnen in ^ermann
von Salza ben genialen Staatsmann oon weltumfpannenber ©ebeutung
sunt Raupte oerlieh.
£>ajj ^ermann oon Salza in 29 jähriger SBirffamfeit 2lnfehen
unb (Sinflujj feine« Orbenö weit über bie um brei ©efchlechter älteren
$enoffenfd)aften St. 3ohannes beö Käufers unb beö Xempelö erhob,
ift oon gefchwunbenem Gelange; ba& er aber frühzeitig bie £of)lheit
beö 33obenö ber granfenherrfchaft in Serien erfannte unb im Moment
ber ©rfenntniö trofc aller (Grünbe, bie einer Teilung ber Gräfte
feineö Crbenö zu wiberfprechen fdiienen, ihn, treu feiner Pflicht, ein-
ftehen liefe für bie boch Ijoffnungotofe Verteibigung beö ^eiligen
Üanbeö, zugleich aber entfdiloffen auf bie 58alm ber Äolonialpolitif
führte unb oftwärtö beutfehem Sefeu bie 3)iarfen ftetfte, beren bie
abenblänbifa)e , bie gennanifche Kultur nid)t entraten fann, foll fie
uugeftört [ich entfalten — baö macht ihn zum ^fabfinber ber 9fation,
zum geiftigen ^Bannerträger ihrer kämpfe ber ^ufunft.
s)M)t 18 sJJJonate im 2lmt, that er ben elften Schritt auf biefem
$itege, ergriff er bie (Gelegenheit, wie fie fich ihm bot, operierte er mit
oielem (Erfolg : gletdnuohl war eö ein Verfud) nicht ohne fehlgreifen unb
blieb ein halbeö (Ergebnis. Qmmerbin finb bie Sieblungen ber warferen
i'anböleute in Siebenbürgen auf bie 14 jährige Arbeit ber trüber
beö beutfehen £aufeö im Jüurzenlanbe zurütfzuführen. — 3" reif=
licher (Srmäguug, nad) forgfamfter Vorbereitung folgte er bem
Zweiten sJiufe, ber an ihn ergangen, ber Slufforberung eineö polnifchen
Xeilfürften, beö £erzogö Monrab oon sJ)tofooien unb (Sujaoien, itm
ZU fchüfcen gegen bie t;eibnifd)en ^reufieu. ^n oierjähriger Verhäng
lung hatte er ben fdner Verzweifeinben Dahingebracht , bafe, um bes
Sdmfceö willen, biefer fein (Sulmerlanb unb baö zu erobernbe
') 92 ad; Uru(j. tfulttirgffd)id)te ber ärcuüjüge (1883), ©. 253.
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3Me Solonifllpolitif be« btutfd)tn ffittterorbcnS
169
sJ*reu&en bem Crbeu als oolles, freies Eigentum überliefe. Den
Slnftrengungen bes Drbens winfte ber fiofm, bas ju (£robernbe als
£anbesfürft ju befifcen, beftätigt als foldjer vom Cberf)errn ber
ßf)riftent)eit, r»om ©of)enftaufen Jriebricb II.
9facb ber Crbnnng ber redjtlidjen fragen begann ber Singriff,
perft oon ad)t Gittern, mit ibren Seifigen untentommen. C5s
finb Xljaten verzeichnet, ben fünften äitageftücfen ber Stonquiftaboren
vergleichbar. Doch böber als 2Wut unb Sapferfeit ift bie ftrategifdje
(Sinficht bes Führers, ©ermann Salfes, ju fa)ö^en; feine 93er)errfdmng
bes @elänbes, feine Venufeung ber medjfelnben Umftänbe unb ber
(£bbe ober glut, ber ihm $ur Verfügung fterjenben Kämpfer, feine
Sicherung bes jeweilig gewonnenen (Gebietes burd) Einlage von
Burgen unb Stäbten. Jyaft fieben 3a^re hatte er in Greußen gefriegt
unb vermaltet, ber üauf ber &>eidjfel unb 9iogat mar fein; Xfwrn,
Gnlm, SWarienroerber, ftbeben, eben nod) ©Ibing waren gegrünbet,
ftets $uerft bie Vurg, bann bie Stabt in ihrem Sdmfoe — ba warb
er oon feinem sJDieifter entfanbt, bie (Srbfchaft ber livlänbifchen
Sdnvertbrüber mit all i breit fechten unb "pflichten ju übernehmen.
Seths 3a^re (rotte ©ermann v. ©alja bie Saa)e erroogen, aüe
Verhältniffe erfunbet, fie bem Äapitel vorgelegt. Der SDrben wollte
fid) nic^t an bie neue Aufgabe machen. Doch ber 3Jteifter entfdneb
bafür in lefeter ^Beratung. ^h>ot)l tonnte ber feheme $)efife Upi locfen :
über 700 [~2)ieilen fyatttn bie Schwertbrüber ju eigen, freilich
erfreuten fie fich nicht burchweg ber unabhängigen Stellung ber
Deutfchen ©erren in ^reufeen; für ben größten Xtil fdjulbeten fie
ben iianbesbifeböfen geilt lieben (äetjorjam, unb jubem waren fie im
(Streit mit bem Dänen &>albemar II wegen <£ftlanbß, ber ^ßrooinj
gerabe, bie fie thatfäcbltdi in »oller Jrretbeit befa&en. Doch ben
Steiftet bewog jum (£ntfd)lujj bas mächtige Vorbringen tfittauens
gegen £tvlanb. Üitenn bie Eroberung ^reu&ens voßenbet würbe,
war fitttauen auch fein ^Nachbar, unb follte bie Schöpfung eines
CrbenSftaates in sJ>reufeen gelingen, fo mufete fdjon bie Keimbtlbung
einer littauifeben ©rojjmacht jerftört werben. Darum brang er in
Den s^apft, bie Vereinigung beiber Drbett $u geftatten, unb ©regor IX,
voll Xeilna^me für bie baltifcbe 9Jfiffton, weigerte fid) auch nicht
ber Einwilligung, als bie Simxoc tarn, bie Scbwertbrüber feien
vernichtet in ber furchtbaren Schladn" an ber Säule am 22. September
1236. 3m nädjften sMa\ warb $u Viterbo bie Verfchmeljung voll;
jogen, aber <£ftlanb mufete Dänemarf überantwortet werben. sJiaa)
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170
5t. ©icnfmonn
110 Sauren bat ber Drbcn cö bcnnod) gewonnen als ein i'anb,
nidjt weniger beutfd) als eö oor ber 9luölieferung gewefen.
s)lod) bat §ermann oon Sal$a fetbft anf einem Äapitel $u
Harburg baß in £iolanb ein$ufd)lagenbe Verhalten beraten, bie
•Jtfege geprüft unb genriefen, bie ber Drbeu bort $u gefjen fyabe, in
^ermann 33alfe unb Sietrid) oon ©röningen bie erftcn gübrer ber
bort $u übenben ^olttif beftimmt, bann ift er nad) Italien in ben
unfeligen Mampf $wifd>en tfatfer unb ^Japft gebogen, bie er, Der
greunb beiber, junt erften 9)iale nid)t $u oerfötmen oermoa)te. 3"
Salerno ftarb er 123*» am <ßalmfonntage, bem Tage, ba ©regor
gegen griebria) ben SBannflud) gefd)leubert.
«Der grojje TOeifter Unterliefe feinen trübem ben oieloerljeifjenben
Anfang einer glütflidjen Staatßbilbung. Sie finb in ben oon i^m
gelegten ©eleifen "weiter gefdnutten. ©in 3<* Wunbert unb etwas
mcljr — unb tfn* Staat umf afite runb aooo □ teilen; noa) faft
100 3al)re beöfelben Strebens — unb bem Crbcn mar feine ©atjl
geblieben aU bie ber ^flid)t, $u oerteibigen, maß oon it>m unb
unter feinem Sdmfce gefdmffen morben.
^erfudjen mir einige ©eftd)töpunfte ju gewinnen aus ben $roei
3af)rf)unberten äufjerer unb innerer ftolonialpolitif bes $eutfd)-
orbens am baltifdjen ©eftabe! Sudjen wir if)re ^rinjipien $u
erfaffen! $>enn it>r äöirfen ift fo grunblegenb gewefen, baf? eö
gunbamente politifdjer unb nationaler ($riftens bis in unfere Tage
abgegeben t>at ; nia)t nur für lauge Venoben ftaatlidjer Verwaltung
ift eö $um Vorbilb gemorben : nod) jefct, in ber folonialcn Bewegung,
in ber wir t^eute fcbwanfenb ftetyen, unb im SMitf auf bie iWeibungc^
linien, bie wir mit anberen Völfern in unferen ©renken baben, lofytt
fid) baß ©inbringen in bie Staatoweißlieit ber $>eutfd)en Herren,
nify nur wo ber ©rfolg fie frönte, nein, aud) wo fie f ergriff.
Unb fie (jat öfter fehlgegriffen, als gemeinhin geglaubt wirb, unb
fie Ijat ßrfolge errungen, an bie man nid)t immer benft. 2lber ob
biefe Staatßweißtjeit irrte ober rid)tig ging — il)re Irrtümer floffen
auß ber Überspannung ibrer riaitigen ©runbfäfce, unb ibre "©ege,
fo oerfd)icbene Halmen fie unter oerfdnebenen Verfjältniffen einfeblug,
maren bie einer gefunben Mealpolitif ; fie galt ber Höfling ber jebeßmal
unb an jebem Orte iljr geftellten Aufgabe.
9J2it bem Eintritt £iolanbo in ben 3i>altungßbereid) beß $eutfd)=
orbenß trat bie sJiotmcnbigfeit an ibn b,eran, in anberer SBeife, alö
er biober in ^reufeen getban, feineß folonifatorifaVn Berufes $u
warten. sWir gewinnen bao Sd)aufpiel, wie eine unb biefelbe
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3)te ÄoloniatpoUtit bffi beutfcfjftt tftitterorben*
171
3nfHtution, häufig btcfelbe ^erfönlidjfeit, Ijüben unb brüben bcr
Kernel ein abmeidjenbes Verfahren einfdjlägt, ein anberes $iel 5U
förbern fd^eint unb bodj nur je nad) ben Umftänben oerfdnebene
Httttel $ur @rreid)ung bes einen (Snbjmecfs, ber 33egrünbung unb
geftigung if)res «Staates juni Sdjufce ber beutfdjen (Sfuiftenbeit,
üermenbet. 35er ©runb bes abmeiebenben Verhaltens lag aber
einzig barin: in ^reuften fonnte ber Crben fein unb mar
er (Schöpfer t>on ädern, mas bort erwuchs; oom Vorfwnbenen
blieb olme feine Billigung nichts befielen; ja felbft bas £anb
fchuf er fitt) nach feinem tfrmeffen. * $enn nur im Horben fe|te
itmt bie füfee unb faljige See fefte ©renjen, aber nach Cft
unb Süb maren fie flüffig, unb ber 3öeia)felftrom lodte mehr
jum Ueberfdjreiten als er ben gufe bannte. 3n £iolanb trat
ber Drben in $erf)ältniffe ein, bie in htapp über einem
2Jienfd)enalter in jenem ftürmifeben äöad)Stum, bas fo manchmal an
Slolonialgebilben malgenommen ift, fid) entroicfelt unb bereits
geftigfeit gemonnen tyatten. SBeitaus mächtiger als jeber ber oier
5ötfd)öfe unb als afle niiammcu, fonft in aller SBelt unb jumal in
spreu&en unabhängig oon jeber geiftlicben Autorität, außer ber bes
Sßapftes, marb er tyev eben burd) bes ^ßapftes Söiüen bem ©efefe
bes SanbcS unterworfen, bas ibn unter bie 93ifd)öfe fteÜte. @r
fanb &l öfter ber (Siftercienfer, bie er nicht liebte. Seine Jreunbfcbaft
galt ben ^rebigermöndjen. (£r fanb Stäbte unb üBürgerfdjaften
ohne fein 3UI^UU gegrünbet unb entfaltet, ohne bie Spur eines
:Hed)tstitelö auf ^errf^aft über fie, aber mit bem Bürgerrecht für
fid) in 9üga unb bamit einen &ebel $ur ©etoinmmg oon ©influfj.
@r fanb eine 3at)lreidt>e Vafallenfcbaft in ben Stiftern unb auf
einigen ber ©ebiete, bie er oon ben Sdmiertbrübem erbte, unter
einem fielmredjt, bas nid)t 31t ben ©runbfäfcen ftimmte, bie er in
^reujjen banbbabte. (Sr fanb eine Vanbbeoölferung anberen Golfes,
ja anberer Stoffe oor, bereits bem (St)riftentum gemonnen, $um £eil
in ü)m ^erangemac^fen , unter feften Mecbtsformen in 33efi^ unb
greibeit lebenb. (Snblicb, Siolanb Ijatte feine feften natürlichen
©renken: im Horben unb heften bas SJfeer, im Dften ben sJtoroa=
ftrom unb ben riefigen ^Seipus unb bann bie 2i>afferfcheibe bes
3)ünagebiets unb ber jum ^tetpus ftrömenben SBelifaja, beren
roelliger .Hamm bas Settenoolf oon ben Muffen trennte. $>iefe
©renjen maren im roefentlidjen fd)on erreicht, menn auch nod) nicht
gefiebert. üMur im Süben mar bie Sanbesmarf gegen bie Sittauer
erft fefoufefcen. §ier unb gegen bas ruffifd)c sJ>ffom im Dften ftanb
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172
frr. ©iftmnann
bem friegerifcfyen £fyatenburfte ber bitter bie iöefriebigung offen.
3JJan fietjt, bie Selbftf)errfd)aft bes 3>eutfd)orbens erlitt burd) bie
"Zter^ältniffe ir>ie burd) Safcung ftarfe ÜBefd)iänfung. 9iidf)t #errfdf)aft,
Sdmfc erwartete unb oerlangte man oon tym; Sdmfc oor bem
Untergang bur$ ben wilben geinb, wie Schüfe ber eigenen, auf
felbftgewäljltem Söege oer&eifjungSooll begonnenen ßntwirfelung.
©cböpferifä) tonnte ber Crben in Siolanb nid)t auftreten — feine
Aufgabe mar bie bes SWunbwaltS, beö Pflegers aller bem £anbe
bienlidjen ^ntereffen. ßanbelte er iljnen entgegen, mar er allen
geinb; mit it>nen im öunbe, gewann er bie 3lu$fid)t, aud) in
iiiolanb bas t)öd)fte 3ki, bie $errfa^aft, $u erreichen.
3ÜH ben gegebenen Ü*erf)ältniffen ju rechnen, in bie oorfjanbene
&age fid) ju fetjitfen, tjatte ber Crben fd)on in Snrien gelernt. $n
bas SSMrtfäjaftSlcben ber fränfifdjen ©runbtjerren war er erft ein=
getreten, als ber £}obenbefife bereits fefter Regelung unterworfen
worben, bie öfonomifdfje Drbnung mit eifemet 9l*ud)t einen jeben
betrieb in bie allgemeine iöalm $wängte; niajtsbeftoweniger hatten
bie SBrüber bes fceutfdjen Kaufes ü;r ©ebenen babei gefunben unb
fid) jur bebeutenben Äapitalmadjt aufgefä)mungen. als jüngfter ber
politifd)en ftaftoren in ber morgenlänbifdjen 2Belt war ber 3)eutfd)=
orben unter bie d)riftlid)en sJ)tod)tf)aber aufgenommen, unb balb trat
fein (Sinflufe hinter bem feines anberen juriitf. Seine majjoolle,
cf)rlidt)e Sßolitif, fein galten an ben Verträgen Ratten ifmt bas
Slnfe^en gebraut. 3Die treffliebe <Sdf)ule bewährte fiel) in fitolanb.
£ier erprobte fid) ber Crben in ber ferneren tfunft, fein (Sdnff
burd) flippen unb Untiefen ridjtig $u fteuern. $n ^Jreufjen erfd)etnt
er als ber geniale Staatsbaumeifter, ber auf ber tabula rasa, bie
er fiel) bereitet, feine ©ntwürfe nad) bem ©egenbilb bes im fteuba-
lismus jerfallenben paläftiuenfifdjen Äönigtums unb in 2lnlelmung
an bie fijilifd)e Meidjsorbnung griebric^S 11 jur 2Birfli$feit geftaltet.
öliden wir auf bes Crbens Schalten in beiben itönbern unb
prüfen wir bie äßirfung.
3unäcf)ft in ber äujjercn ^olitif. ^reufeen war bem Drben
juerfannt als oolleS (Eigentum unter ber Cberboljeit bes fjetligen
römifdjen Metct)S, bann aueb bes Stuhles ^Jetri. $er $erjog oon
ÜDiafooien, ber ben Drben gerufen, tjatte fid) jeber Slnfprüclje an bas
erft ju erobembe &anb begeben. 2lber wo borte ^keufcen auf? 3m
Süben, fdjeint es, wo ^Solcn anfing. 3lber gewohnt, bie ©renken
beo fd)wacb gcfebüfcteu 3Jiid)barlaubes plüubentngsweife $u über
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Die Äolonialpolttif bcS beutfdffit SRitterorbeii*
1 73
fchreiten, machten bie ^Sreufjen an ihnen nicht &alt, wenn Mofi
unb Schwert ber bitter ihre SÖilbnie burd)brangen unb fie it>r &eil
in bcr gluckt fugten. 2)er Sieger folgte unb oftmals befeftigte
er einen Sßlafc, ben Sßolen als fein (Eigentum jurüdforberte. 3n
gutem Verhältnis jum Machbar roarb bie Streitfrage gütlich gelöft,
bei gekannter &age bie Jorberung abgelehnt, $a$u famen ^er=
leit)ungen polnifcfjen SanbeS, bie eine fpätere $ett nicht anerfannte;
Sterpfänbungen , bie eingelöft werben füllten, unb immer roieber ent=
fdjieb barüber einzig bie £age bes Slugenblids. 3m Söeften führte
bie #einbfd)aft bes Surften r>on ^ommereUen unb bie greunbfdroft
feiner SHerroanbten gegen ben Crben früh baju, beim Musfterben bes
$errfcherhaufes ben (Srroerb bes linfen 2&ichfellanbes umfomehr ins
Sluge $u faffen, als ber #eft$ ben 3ujug ber Kreuzfahrer, bie %tx-
binbung mit Eeutfchlanb au&erorbentlid) erleichterte. $as 3iel roarb
erreicht, aber um ben v£reis ber unDerförmlichen geinbfchaft dolens,
bas fia) als Cberherrn unb ©rben jener fcanbftrecfen betrautet fjatte.
3m Cften enblid) ging bas $olf ber ^reufeen unmerfltch in bas ber
ftammoerroanbten fiittauer über unb ben SRemelftrom, roo er oon
©robno bis Äorono oon Süb nach 9iorb fliegt, fmt ber Crben roohl
als @ren$e angenommen, aber erft bas Königreich ^reufeen bei ber
britten polnifdjen Teilung erlangt unb nur bis jum Xilfiter ^rieben
befeffen. 2lls bie untere SJtemel erreicht roorben, ift unaufhörlich um
ir;ren 23efi& geftritten. gür ben Crben mar es eine SRotroenbigteit,
ben littauifdjen Äeil, ber fid) jroifchen s$reuften unb flurlanb \)m\\u
fdjob, hinausjutreiben , Sbamaitens, bes Verbinbungslanbes feiner
'.Befifeungen, £err $u roerben. $>od) an biefer Aufgabe ift er ge=
fd)eitert. @r hat bas Sanb nicht bezwingen fönnen; bie mehrmals
erfolgte Abtretung ift immer nur Spiel geroefen. 3lls unter 3agieUo
^ittauen unb ^ßolen fid) oereinigten unb sßreufjen im Cften unb
Süben umfafjten unb ihre 3Wad)t in ber Xamtenberger Schlacht jur
(Geltung gelangte, ftellte fid) nach unb nad) bie Unmöglichfeit heraus,
ben fo begrünbeten ©ebanfen je ju oermirflichen. $od) erft mit
bem feierlichen Verzicht auf ihn im grieben ju Srescj 1435 liegt
bas Verlaffen ber oont>ärtsftrebenben .Üolonialpolitif bes £5eutfo>
orbenS zutage.
9iun ift bamals unb roirb heute noch jum Überbrufe betont,
bafe ber Crben feit ber Saufe ber iiittauer jeben OJrunb unb Vor-
lüanb ,w ihrer Vefampfung, mit bem Äampf aber auch jebe Verea>
tigung feiner ferneren Triften* unb &errfd)aft oerloren höbe. 2lls
ob pom ftaatlichen, r»om nationalen unb oom $efid)tspunfte all-
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174
ftr. Qtenemann
gemeiner töefittung nidjt bie entfd)eibenbe Slntroort auf ber £ant>
läge? $od) ba bie greife fteto geberrfa^t t>at unb aud) auf bem .Hott
nifcer Äonsil fo gerebet mürbe, mar es für ben Crben in Violant»
immerhin beifer, baft ibn bie Sf)amaitenfd)e fivaw oiel weniger an
ging. So Diele ftriegsfabrten gegen bie l'ittauer aud) oon ihm
unternommen mürben, unbebingt notmenbig *ur Erfüllung feiner
StiftungSaufgabe maren fie irjm nidjt. ®em itjm gelegten 3merf
tonnte er immer nadjfommen im gleidjgeioerteten Äampf gegen nie
fdnsmatifd)en ^Hüffen. 3lud) politifd) mar tym bie Austreibung bes
littauifdjen Teiles, obfdt)on er fnnberlieb genug für ben 93erfe^r mit
s^reuf?en ftd^ ermiefen, bamals md)t mebr eine Lebensfrage. £rölanb
ftanb — id) mufj ^icr oorgreifen — ju ber $eit eben in fidi weit
gefefligter ba als ^reufceu unb beburfte feines ^eiftanbes unb erhielt
ifm weniger, als es folgen ^Jreufeen bargebradjt batte. ©eine Vtt-
binbung mit $>eutfd)lanb batte fid) bod) immer mefentlid) über See
beroegt; bas rmtte es motjl met)r ifoliert, aber aud) auf fia) felbft
fid) ju ftüfcen gelehrt.
3Han barf root)l fageu, ^reuftenö geograpbifay Sage unb feine
buutgemifdjte «eoölferung bebingten bie Neigung jur Slusmeitumt,
riefen jebod) aud) alle ©cfafjren, bie aus ber «erlefcung ber ttadjbar;
intereffen fid? ergaben, mit innerer ^roangsgeroalt auf ben vJ?lan.
LiolanbS ©renken maren beftimmt burd) bas ©ieblungsgebiet ber
©ften unb Letten, fomeit biefe nia)t, roie es mit einigen Saufenben
beiber Hölter fid) oerrjielt, oor ältere bereits im Horben unb Süben
beS ^Jeipus unter bie Muffen gegangen. 2)afe hier VanbeS^ unb
Hölfergrenjen fid) bedten, tyat ber Crben burd) feine ^3cfdjrönfung
auf bie &erteibigung bes ifmt anvertrauten ÜanbcS anerfannt
3n ber inneren ^olitif fommt oor allem fein Herfahren gegen=
über ben llntenoorfenen in »etrac&t. es ift ber ©afe oufgefteflt,
in ^reu&en \)abt ber Orben bas Äolonifierungsfoftem Englanbs, in
fciolanb bas ber Spanier ante^ipiert; in ^reufjen mären Eingeborene
unb ©inmanberer $u Einem beutfd)en Wolfe ocrfdjmoljen, in ttiolanb fei
bie autod)tr)one öeoölferuug ju ©flauen berabgebrütft , in ibrem
fd)mäd)lid)en HolfStum jurütfgebalten unter ber laftenben ^errft^aft
ber beutfdjen .Waffen. 9tid)t bie eine, nid)t bie anberc Sefjauytunfl
fann ben Xtmtfadjcn ©taub halten. 5lur bie "ijkeufjen, fo oiele itjrer
aus ben Stampfen bes 1 .3. 3ftbri)unberts naajgeblieben, mürben, banf
ber ftarfen beutfdjen ©inmanberung, allmäf)lid) $u $>eutfd)en unb bloo
bas ©amlanb roeift bie eigenartige Erfdjeinung auf, baß es otjnc
beutfdje Anfiebler, nur miffen mir nid)t um rocla> 3eit, beut ja) ö«:
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Sie Äolomalpolitir be« beulen MtteroifceitS
175
loorben ift. Doch bie s#reu&en waren nicht bas einzige Wolf, bas
bcn Crbensftaat bewohnte. 9tod) ber Eroberung bes (Sulmerlanbes
waren bie $uoor bort fe&haft gewefenen, aber oor ben Greußen ge=
flüchteten polnifdjen bitter unb Sauern auf itjre $eimftätten $urütf=
gefefjrt unb empfingen fie aus ber &anb Oed Crbens nach polnifdjem
^Hedjte, mürben in biefem nach 1273 beftätigt, unb bie engen We^
Rehungen bes (Sulmerlanbes $u Spolen burch bie ganje Orbenöjeit
l)in weifen auf einen in ihm oerbliebenen ®runbftotf polnifcher
Weoölferung t)in. Auf bas liufe äßeidjfelufer ift bie flaoifdje Weoöl=
ferung, namentlich im £ügellanbe ber Maffuben, nicht erft währenb
ber 32o jährigen ^errföaft holend gelangt; burch biefe &errfchaft
hat bie eingeborene flaoifche Weoölferung nur an &altbarfeit ge^
wonnen. 3" sDtafureu, ber ^obannisburger s-h>ilbnis, ift bas tyoien-
tum, trofebem es feit ber Deformation eoangclifd) ift, noch hcute
ebenfo wenig überwunben wie bas fcittauertum am rechten Wentel-
ufer. Überbtes finb bie gortfchritte bes Deutfchtums hier im äufjerften
Cften erft unter bem hohenjoUernfchen .Königtum erreicht worben.
So groß bie Sorgfalt bes Crbens für bie Wobenbefefcung unb
ben Anbau sf reuftenö war, fo hat er eben auch nicht über bie 2Hög;
lichfeit hinaufgehen Eönuen. Die ÜDiöglichfeit lag, oon ber noch
rätfelhaften (Srfcheinung Samlanbs abgefehen, aber nur fo weit t)or,
als ber 3itg ber ßinwanberung reichte.
Sßenn ber Ausweitungsbrang bes beutfchen SaubmannS auf eine
gewiffe Qtit gefüllt war, fo liefen bie ber Äolonifierung noch
harrenben ©ebiete fich fd)led)terbings nicht mehr befefcen, wie grofte
Worteile man auch bem ($in$ögling bieten mochte. 9)ian mußte eben
warten, bio ber Äolonifierung günftigere 3^iten wieberfehrten. Dafe
^reufjen um bie sJDiitte beö 13. ^ahrhunbertö unb im 14. fich ntit
einer fo großen 3rthl aderbürgerlicher Stäbte unb Dörfer füllen
fonnte, hing auner ber 3)iühwaltung feiner trefflichen Regenten hier-
für eng mit ben wirtfdmftlichen unb fokalen Webürfniffen beö beutfchen
Wolfs in jener Seit jufammen. Umgefehrt war ber Weginn ber
liolänbifchen Staatsgrünbung ju Anfang bes 13. Sabrbunberts in
eine für länblidje Äolonifation ungünftige 3eit gefallen. Die Weber;
laffung an ber Düna war ein Ausfluß nieberfächfifcher ©anbeiße
politif unb firchlichen sJNifftonseifers, entfpradj aber feinem Webürfnis
bes beutfdjen l'aubmanns. Wifdjof Ulbert, ber mit beifpicllofer
Aufopferung bem Wau feines Jvitrftentum* fict» gcwibmet, fannte als
Wremer Domherr bie blübenben £ollänberfolonien, bie oor
Dezennien fchon bie Wruchflädjen bes unteren 5h>eferftromo in
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!
176 $r. Stenemaim
fruchtbares Sltferlanb oerwanbelt unb bem tSrjbistum wie bei* 3tabi
burch 3\n$ unb 3ufuf>r ewc ergiebige Einnahmequelle geworben.
Dafe er folgen Verfuch nicht gemacht ober nicht burdjgefübrt tat,
erflärt fic^ baraus, bafj jener Wotftanb bes beutfehen Säuern, ber
feit ben breifeiger fahren Um bemog, feine Scholle ju oerlaffen, nod)
nid)t eingetreten war : bie Vernichtung ber testen ÜHefte Heiner freier
fieute burefj bie uuaufbaltfame Slusbetmung ber £errfd)aft beS Vebn=
rechte, jubem bie ^efchränfung ftabtifa)er Freiheiten unb bas *if=
treten ber Snqutfition. 2lls aber ber Muf, na* ^reufcen $u jicljen,
mit bem SöunffJ&e, bie $eimat $u roedrfehi, jufammentraf, war»
fdjwer möglich, einen Seil ber SluSwanberer für bie weite ^abrt
übers 9)teer nach tfiolanb ju gewinnen. 2ßer 5U fianbe $og, blieb
in vJJreufeen fifeen, unb wir fetjen, bafj bie erforberlidje 3ahl nimmer
htngefommen ift. %ixx Siolanb war fein 9)tann übrig. 2ßie fottte
aua) ber Orben, beffen ftolonifationsarbeit bie gemichtigfte Seite
feiner Verwalrungöttjätigfeit in Greußen ausmacht, fte in Xüoianb
obne bie triftigften ®rünbe unterlaffen haben? 3um°X wie erwätmt,
fo fet;r häufig biefelbe ^erfon hier unb bort in zeitlicher $olge bao
§eft in ber $anb hatte.
ftonnte fiiolanb bemnach nicht wie ^reufjen ein fianb von
überwiegenb beutfd)fprechenber Seoölferung werben, fo blieb bem
liolänbifchen Crbensjweige, wie mit ihm feinen 3)fitftänben unb ihren
gerichtlichen ©rben, nur übrig, bao Volfstum ber oon ihnen in
^ftegfch-'ft genommenen eingeborenen boppelten grunboerfchiebenen
Stamme« &u erhalten, mit ihnen in ihren jungen ju oerfehreu unb
fie üwar langfam, bod) erfolgreich germaniföer ®efittung, fokaler
Selbftänbigfeit, mirtfdmftlichem äitohlftanbe, bem ©eminne eines
eigenen , auö bem Deutfchen genährten (äeifteölebeno jujuführen. —
Das Äennjeichen ber vollzogenen Slffimilotion ift fchliefeltd) niebt
allein bie gemeinsame Sprache. Die ©efchidjte beiber Crbenslanbet
erweift bas in auseinanbergehenben Dichtungen. —
Dafe ber römifche Stuhl ^Jreufeen ber Oberherrschaft bes ^eilifle«
sJktruö oorbehalten hatte, jeigte fid) recht bebeutungsooH in einer
ber erften Süllen ^jnnocenV IV. burd) welche gelegentlich öer
firchlichen ©inteilung sJ>reuf}ens in vier Bistümer oerfügt wart»
ein Drittel jeber Diöjefe ber weltlichen §errfdwft bes 8ifd)of* 5U
juweifen. Da jeber Sifchof wieber ein Drittel feines Anteils feinem
Ramtel mit völlig gleichen lanbeoberrlicrjeu fechten einräumen i«upt<»
fah ber Crbeu ad>t für ihre Anteile qleid)bcred)tigte £anbesherrfdhflften
fid) $ur Seite, 2ßirflid>feit geftaltete bie Sache fid) freiü*
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£>te Äolonialpolitif be« beuten SRitterorbenS
177
anberö, ba SMfdwfe unb Äapttel, bereu ©ebiete ganj oom Drbens=
lanbe umfa)loffen waren, fid) in üföefen unb gorm ber inneren
<£inrid)rung unb i<ern>altung bent Üorbilbe ber Drbenölanbe an=
bequemten unb bem oom Drben gegebenen öeifpiele folgen mujjten,
wollten fie eine gebett)lid)e ßutwitfelung iljrer Üanbe nid>t uottftänbig
Innbern. 3n einem sJtanft aber waren ^ifc^öfe unb Kapitel bem
Crben nid)t gleid>geftellt , in bev äußeren ^olitif unb bem Wectyt
über flrieg unb ^rieben. 2)er Drben beftimmte über bie Ärieg=
fübrung, befahl bie &eerfolgc, unb bie bifc^öf lidyeu Untertanen
waren eben fo gut wie feine eigenen uerpflidjtet, auf feinen :Nuf
3ur Jl'anbeSüertetbigung mie sunt Singriff aufjuftefjcn. iöuube^
»ertröge unb griebensfdjlüffe beo Drben« galten für ba« ganje
fcanb, entfdjäbtgten ober uerpfüdtfeten in gleia>r ätfeife alle Xeile.
9tod) burd) ein jweite« sbanb wuftte ber Crben bie ^anbes^erren
ber gei|tlid>en (Gebiete eng an ba« @an$e ju feffeln. (£r wujjte eß
batnn $u bringen, bajj brei oon ben oier Stomfapiteln ftiftungsgemäfj
aus ber Witte ber Drbenspriefter entnommen unb fomit brei 33ifdwf«=
ftüljle ftets mit Drben«brübern befefct mürben. $iefe 3nforporierung
ber $)omftifte in ben 2>eutfd)orben oolljog fid) in einer 3eit, roo ber
Drben nod) burdjau« als be« Raubes Sdjilb unb Sdnrm anerfannt
mar; unb ba« ermlänbifdje Kapitel, ba« einzige, welche« nie in ben
s#erbanb be« Drben« getreten ift, mar nur beßtjalb aufjertyalb ge=
blieben, weil $ur $ett feiner Segrünbung noa) niemanb an bie
9Jiafjregel badjte unb ber Stifter felbft ein £>eutfdwrben« trüber
war. Später freiließ l)üt ba« Äapitel feine unabhängige Stellung
mit allem Erfolg ftd) $u wahren oerftanben 3).
3n ben tfanben jenfeits ber SHemel nafjm ber Drben nur in
Hurlanb bie gleite Stellung ein. $enn Änrlanb mar naa) ber
9tieberlage ber Sd&wertbrübcr 1236 aufgeftanben unb bura) ben
25eutfd)orben wieber bezwungen ; biefer fyatte Äurlanb alfo nidjt
ererbt, fonbern erobert, unb bem würbe ^Heajnung getragen bei ber
Teilung be« fcanbes unb ber geftftellung ber dteäte jwifdjen ÜMfdwf
unb Drben. 35en anberen 23ifd)öfen aber, benen oon Wiga, £)orpat
unb Defel, mar er redjtlid) untergeben; eine giction, bie an ©efjalt
unb ©ruft gewann, als feit 1 253 ?Wiga ber SKetropolitanfifc für gan$
^reufjen unb ^iolanb mürbe unb bie (Srjbifdwfe mef)r als einmal
iljren Sdjetn jur (Geltung ju bringen fugten. £iefe (Müfte äußerten
») 2>te|er Slbfafe iu Ueberfinftirnmung mit Ä. fo^mfpft« (öcfd)t(^te
»on Ofl unb Söfftpreu&eu (2. Bufl. 188!) I, 143.
^Jcitldjrift für JhiltUTtie|d)icttf • II. 12
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178
ftr. ©iencmanit
fid) einer 3eit, ba jene Snforporierung ber preufnfd)cn Stifter
fid) ooü>g, in beiben tfänbern aber ber Crbett burd) 3<> jäbrioen
,§elbenfampf sunt SRMebergeminu ber burd) ben Slufftanb oon 1260
an ben iWanb beo Unterganges gebradjten Äolonie ben bödtften 2l":
fprud) auf ibre £anFbarfeit fid) ermorbeu batte, mäljrenb bie ^rälatcn
bie unrubige $c\t hnm aufeertjalb ibrer Sprengel »erbrachten.
Silo bann unter bem Streben beö Crbenß, bie Cberbobeit über bas
mädjtige 3ttga mit bem Gr^bifdjof 311 teilen, 3u Ausgang bec
13. ^abrbunbertö bie lamyoerlmltene Spannung im blutigen Bürger-
frieg fid) löfte, babeu Mird)e unb £anbel, bie ben Staat ins Sieben
gerufen, fid) nidjt gefdjeut, bie beibnifeben l'ittauer ju feinem
Berberben (jerbeiju;,iel)en. 3bnen mar ber Drben allein niebt
gemadjfen. „Rettung burd) Sluöföbnung unb Bereinigung ber
Parteien fonnte nur eine innere 3J?ad)t bringen, ftarf genug, um ftd)
ben <£influj? auf beibe 311 mabren, nid)t 31t ftarf, um ben Berbadjt
beiber auf fid) ju lenfen." £>as mar bie ©efamtl)eit ber beutft&en
Bafallen in Sin- unb Gftlanb.
Bon ben teueren ging bie Anregung aus. Sic forberten ben
Crben unb bie Bifdiöfe oon $orpat unb Cefel famt beren Kapitel
unb fiebnsmamten 311m Bünbnis auf, baö 1304 $u $orpat befiehlt
marb: mer bem Bunbe fid) entzieht ober entgegentritt ober einen
fremben ,frerrn gegen ibn aufruft, wirb oon allen befriegt, bio et
fid) bem Bünbnio angefdjloffen. tybcx Streit 3mifcr)en ben ©liebem
foll oon Sdneboridjteru aus ben Berbnnbeten gcfd)lid)tet werben,
ftaö mar bie ©rünbung ber liulättbifdjeu tfottföbcration. — 3?adi
elf ^[al)ren traten trofc Verbot unb Bannbrormng bie meiften ^afflÜ^
aud) beö Ih^ftifts bem Bünbniffe bei. 9iad) weiteren 13 3al)ren
bielt felbft ber (^bifdmf nid)t meljr Staub. 9?ur Miga gegenüber
beburfte eö laitgmäljrenber Belagerung, um bie ausgctmngerte Stobt
bem 3ürnenben 9Heifter unter ferneren Bebtugungett 3U untcm>erff«-
Xct ©influfe ber tfonföberation l)at beim balb ben Umfdjnmng 3ur
SHilbe bemirft. „^efct bob fid) mieber ber gebemütigte Sin» ber
Stabt, oon nun an marb fie ein reges (Wieb ber neuen ©emeittlAaft
$>ie in innerem §aber oerfd)leuberte Alraft mürbe jefet für bae Vanb
felbft aufgeroaubt." ftreimillig geftanben bie ftiftifeben r)titterfa)aften
bem Crben bie Befugnis 311, fie felbft unb ibre Unterfaffen, wann
er es für nötig fänbe, 3ur Äriegsfabrt mie >um £anbeöfdm& aufju^
bieten. Balb fdmmttb aud) bie Sdmttenl)errfd)aft $änemarfö über
bie eftlänbifdje ^aubfdmft. Xm ßfteuaufftanb nou IM'.l Ijatte
ber Crbeu niebergcmorfe)i, Sdjlöffer unb Stäbte befefct; Äönig
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Sic Äolonialpolittf t>e« brutf^nt tftitterorben* 179
3ita(bemar IV uerfaufte, frühere Unterbanblungen barüber nneber
aufnebmenb, bem Drben bae Webiet, bas innerlich längft ju ben Volfö;
genoffen gehörte.
$)er Crbeu hütete fid) rooljl, bie mächtige felbftbemufjte ©e=
noffenfdwft ber Wafalleu oon Barrien unb SiMrlanb ebenfo roie baö
im $unbe ber $anfa nufftrebenbe diewl unter biefelbe Strenge $u
beugen, bie er fonft in feinem (Gebiete malten $u laffen gerootmt mar.
(£r hat beibe oielmebr in ihrer autonomen Selbftoermaltung belüften
unb beren (Sntmicflung auf lanbrechtlicher (SJrunblage gef örbert ; Sanb
unb Stabt tjaben ilmt biefeö Verhalten mit unoerbrüchlicher £reue
gelohnt, Selbft ber eine sJ)Jachtfaftor ber Jlonf öberation , in enger
OJemeinfdmft mit bem anberen unb in ri'tcffichtöüoller Sichtung oor
ihm, ber ©efamtbeit ber Natalien unb ber größeren Stäbte, fab er
fid> ben geiftlicbeu Herren mit ihren fleinltcben, aber nörgelnben
Waffen gegenüber *u einer Wecbtsfteuung oerurteilt, ber er ent*
warfen mar. Sein Äampf gegen biefe ^effel erfdjeiitt — icf) barf
mohl f)ier ein früheres Söort oon mir roieberholen — al« ba$ fingen
beö politifchen ©eniud gegen bie fpemmenbe, $ähe 3mpoten$ Hein:
ftaatlictjer ©ebilbe.
Von all folgen Reibungen, iHücffichten unb Hemmungen nicht
aufgehalten, ging bie innere £hätigfeit bes $>eutfchorbens in ^Preufjen
ihren nach felbftgefefcten Regeln georbneten ®ang, ftarf an mobeme
Verroaltnngsprariö erinnernb*). £ier hatten Stäbte unb £anb=
befifeer nur bie Med)te, bie ber Crbeu felbft ihnen reichlich unb $metf=
mäfcig »erliehen, bie bei allem gegönnten Spielraum ben $etreffenben
aud) jeberjeit unb in allen Stücfen bas lanbe$herrlid>e Stecht bes
Orbens ins s#emufetfein riefen. Seil l)\ex nichts an« alter ©e=
mormheit fid) allmählich geftaltet hatte, fonbern alles üertragsmäfng
unb $u sJ)ienfcf)en ®ebenfen feftgefefct unb meift fd)riftlich Bezeichnet
mar, fonnten Bmeifel unb Streit über beiberfeitige Med)te unb
$flid)ten nicht leicht entfteljen, roaren aber, mo fie hen>orbrad)en,
an ber £anb ber Urfunben nicht ferner $u löfen unb ju fehlsten.
$aju fam bie gute Sdjulung ber noch «" ftrenge Befolgung ihrer
eigenen ©efebe, Siegeln unb Wemormheiten gebunbeneu Orbenobrüber,
bie fiebere unb fefte föanbhabung einer iool)lgeorbneten (%rid)tsbarfeit
unter JHuffidjt ber (Somture als Statthalter ber einzelnen 33e,0rfe
ber fcanbesoerroaltung. 2i*ao aber bie Verwaltung befonbers aus=
zeichnete, mar bie uuterftüfeenbe görberung ber Unterthanen burch
*) »gl. ?o$tnei>er a. a. O. ©. 167 ff.
12*
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180
3r. $ttenrmann
bie regierenbe (Gewalt, baß bemuflte unb planmäßige Streben, bie
Wufcbarfeit bes lobend, ben &anbel ber Stäbte, bie Freiheit bes
berfelirs ber liegenben ©rünbe, mit einem SBort bie &eiftung$-
fätjigfeit ber Unterthanen mit ihrem eigenen Suttmn $u erhalten unb
31t erhöben. $abei {)at ber Drben f eines wegs bie ftänbifdje 9ftü
mirfuug bei ber 2lusarbeitung ber (Befefcentwürfe, bei ber geftfe^ung
unb Umlage von Steuern ocrfchmäbt; er bat bie beteiligten frü|)
$u diäte gebogen, mit irrnen bie auf fie bezüglichen beftimmungen
vereinbart; aud) ben Stäbten ein weites, jeboch fcharf begrenztes
s))ta& freier Selbftbeftuumung in örtlichen Angelegenheiten wie auf
ben Regelt ^anfifdjer ^olitif eingeräumt.
sJttcbtöbeftoweniger t)at bie preufjifdje beoölferung fufc nid)t
frei, fonbem mie unter einem banne ftebeub gefühlt. sMe febr bie
fluge unb wohltätige, aber ftrenge unb gefefclia> &errfchaft bes
Crbens auf bas ©eiftesleben ber ii>r Unterworfenen gebrücft ^at,
bürfte für benjemgen, ber im (Sbarafter ber baufcböpfungen einer
fcanbfcbaft mehr als ein jufällig bebingtes halten nebenfäd)lid)er
Umftänbe fiebt, burch bie ausfchlie&licbe (Bettung ber fogenannten
baufuuft bes £eutfd)orbens in <preitfcen einigermaßen belegt werben.
So $mecfmä&ig ben berbältniffen angepaßt, fo großartig in iljrem
§allenbau, fo jierlid) in ihren Sterngewölben, fo pbantaftifd) im
(^iebelfd^mucf , fo anmutig im Crnamentenmerf aus gebranntem
Xl)on bie bacfftein - ^Ircbiteftur bes Seutfchorbens fi$ giebt — es
mufj bod) auffallen, bafj nie unb nirgenbs in ben Stäbten ober auf
bem flauen £anbe einmal bajmifd)en bie fjeimatüdje bauweife Der
maumgfacbeu ßinwanberer jur 6rf Meinung gelangt ift. £i>ie anoers
unb für ben armen Starben oerhältnismäfjig reich belebt fteUt fta)
bie Summe ber fünft lerifdjen (£inflüffe jrotfdjen ber £üna unb bem
jinlanbiföen @olf bar! Unb bod) ift oon ben größeren Ätrajen
bes Öanbeö nur ber $)om $u iHiga oor bem Eintreffen bes 2)eutfa>
orbens erbaut.
2lus ber (Sinförmigfeit ber preufjifdjcn bauten Hefte fid) aüerbings
aua^ eine anbere golgerung Rieben. $>ie ftiatlicben Schöpfungen
bes $eutfd)orbens hätten bie 9tad)fommen ber aus oerfdjiebenen
(Bauen $eutfd)lanbs entfproffenen Einwohner $u einem eigenen
bolf umgebilbet, bas bereite Präger eines bewußten jpeimatgefübts
für bas nunmehr als baterlanb bctradjtetete s}>reutkn geworbeu fei ;
biefem (>)efül)l habe er burch bie ausfchliefilicbe Ülnweubung bes
preufiifcben bauftils Ausbrutf gegeben, ^as mag jugeftanben werben.
sJlber bann ift auch ruH3",wfügen , baft es ber lanbcsoäterlicben
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Die ÄolonialpoUtif bfö bentfc^en ÄittrrorbenS
181
>yürforge unb ber ftraffen Staatsgewalt beä $)eutfd)orben$ md)t
gelungen ift, Greußen jugleid) mit ftaatlidjer ©efinnung 3U erfüllen,
nic^t einmal, ungeachtet beS ©egenfafees $u ben fremben Sßölfern an
feinen ©renjen, es bei beutfd) nationaler ©efinnung ju erhalten.
siBaS ber Crben auch gefehlt tjat burd) SluSbeutung feiner §errfcher:
mad)t $u eigenem ©eminn, burd) Ungeredjtigfeit unb £afterhaftigfeit
einzelner feiner ©lieber, burd) fchraäd)ltd)e 9tod)ftcht gegen foldje —
es waren fchlie&lid) Segler, bie Dielen &errfchern mehr ober weniger
anhafteten; fie reiben nid^t aus, bie oöllige Sbmenbung beS £anbe$
Don feiner £errfdmft $u erflären, fobalb bas große Unglüd ber
Tannenberger 8d)lad)t hereingebrochen mar : bie Meberlage mit bem
£ob faft aller ©ebürtiger am 15. 3uli 14K). prdnenb, jubelnb
unb, nicht pm minbeften, hctfdjenb, warf bas beutfdje ßanb fid)
bem Sanbesfeinb, ^olen^irtauen, in bie 3lrme unb $u Süßen. —
©raufer Sdjretf, aber nicht Scham, nicht fteue fehrte ein, als ber
totgeglaubte fiöroe noch ^^ben erwies. Unb nach 44 fahren bas
gleiche fchmähliche Sdjaufpiel, nur noch überboten burd) bie plan-
mäßige Verbreitung bes unerhörten ^anbesoerrats.
3öoburch hfltte ber Drben folgen Jreoel gegen ftd) unb bas
gemeinfame Volfstum herauf beförooren? ätfirf famer als jebe fonftige
Verfdjulbung mtrb ben &aß gegen ihn erregt fyaben bie Über:
fpannung feiner Staatshoheit, bas ftarre ©eltenbmachen feiner
ftoljen, fürstlichen £errfd)erftellung, bie ihn fem tyielt einer
befriebeten Stätte, wie fie bem Ausgleich miberftreitenber 3nter=
effen ber allgemeine Sanbtag ber liolänbifdjen ftonföberation
gemährte. 2lls ihr ©lieb hat er/ «wr ein Stanb unter anberen,
mit ihnen ^ufammen unb mit ihnen allein bem Sdndfal getrost,
fo lange es möglich mar, unb als er unterging, nicht in Unehren,
hatte er feine Aufgabe erfüllt, l'iolanb, münbig geworben unter
bem eifernen SDrutfe ber sJ?ot, mar imftanbe, bes Orbens Pflicht auf
fia) felbft $u nehmen unb fyat fie geleiftct genau fo oiele 3ahre,
als ber Drben feiner ^iunbmaltfdmft geioartet hatte: jeber Xeil brei
3ahrhunberte unb ein Viertel. ®as ift fein fd)led)ter ©rfolg ber
Äolonialpolitif jenfeits ber Kernel.
2lls bie preufeifchen Stänbc felbft anfingen, fid) mit ben all*
gemeinen £anbesangelegenbeiten 511 befd>äftigen, hatte ,§aß unb 3)cxß=
trauen gegen bie ^anbeQherrfdwft fie baju bewogen , unb inbem fie
nach *hrer SÖeife fich ihres Vaterlanbes annahmen, hörte biefes
Vaterlanb auf, nach äußerem ?)ied)t unb inncrem Siefen ein beutfehes
i'anb 511 fein. — 9RU gewaltiger .Hraft unb blenbenbem ©lanje hatte
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1 62 frr. SBif neinonn, $ ir «otomalpoltrif bf S bf utf^en «ittc rorben*
ber $eutfd)orben tjier — es ift bitter genug! — bod) ins i'eere
gearbeitet. (£r tyat ma()rlid) nicht bie Stiege ber preufeifaVn
Wlonardjie gebaut: bie sÜMcge bleibt bie branbenburgifdje 2)tarf,
unb nur traft ber Xapferfeit unb Diplomatie be$ ©rofjen
Äurfürften gewann Greußen bie (Sfjrc, als pate ber *DJonard)ic
ben Manien $u geben. Sie preufeifdjeu Könige Ijaben bann erft,
<friebrid) AtflQelm 1 burd) feine ^eriualtung, Jriebrid) II burd) fein
Seifpiel, baö einftige Crbenölanb unb fpätere ^erjogtum ju ber
pflichttreue unb ber <5taatÄgefinnung erlogen, bie in Immanuel
Äant unb in ßljriftian .Kraue tyvc nuffenfdjaftliaje 2lu«prägung
fanben unb im oftpreufeifdjeu Sßroüinjiallanbtag Dorn Februar 1813
unfterbltdjen ftufjm unb roeltgefcbta)tlid)e folgen gewonnen l;aben.
i
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3ur tf>ord)tcf)te i>er ^ofKofloßräucftc
IUI b
nxüjrenö bcs 17, Safjrljunöcrte.
Don $. IV. <E. Hotlj.
3ebe ^ufammenftellung bcr Öepflogcnbeiten eines Golfes in
3itte, ®ebraud) unb Aberglauben für einen begrenzen ^anbftrid)
unb ^ritnm»1 liefert intereffante Details für Beurteilung beo 2>olfG=
djaraftere eines folgen ^aubftridjo, bie 2i>anbemng ber 8itten quo
angrenjenben ober entfernteren VaiiDftridjen unb bie s^erbinbung
untereinanber. 6in foldjer abgefd)l offener Xiaubftrid) mar ber früher
furfürftlid) sJJiaiu^tfd)e Mbeingau. Begrenzt mm ben ©emäfferu
9tyeül, 2öüüuf unb äßisper, im Horben von beut Pfälzer unb '
beffifdjen Webiet bur$ ben Xnuuus gefdneben, bewahrte biefer
gelegnere ^anbftria) mandje ^olfogebräud)e fangt ^eit unb jeigt fid)
bierin uod) im 17. ^abrtjunbert ab ein fpejififd) fatboliicbeo Vanb. —
Pfarrer Jlonrab Wo II ju ftübeotjcim a. i)it>. machte alo 2)efan beö
:Ht)eingauer il'aubfaptiels auf (Bereit bei iDJainjer ^ifariato im 3<u)t
1601 einen 50 c r i d) t über ben religiösen ^uftanb beo M bein =
gaues. Crs mar bie 3<?it ber Wegenreformation. v])ian mollte in ■Df'ainj
miffen, inwieweit bac Öolf oon gegnerifd)en (Gepflogen Ijeiten burcbfefot
fei. $er Beridjt ift in (ateiniföet 3prad;e auofd)iueifenb breit in
ber Raffung, enthält aber uerfdnebeue Angaben über Üi olfo gebraute
unb 33olf«ftttetl im :Nbeingau, bie fulturbiftorifcb mie ettmograpl)iia>
uergleidjenb hoben Jhkrt befi&en. Söie bie meifien (üegenben SeutfaV
laiibs, r>atte fid) ber Mjeiugau 1601 uod) einen SHeft ber ^oltsfefte
unb ^uftbarfeiten pi mabren gemußt, um baran ben Weift ju
erfrifebeu nnb Abmedjfelung in bie (iiuf ormigfett ber Arbeit ju
J84
fr. ®. @. Hiotl), 3ur Oicidjicfcte brr «olfflflfbräuAt unb bf#
bringen. 2iMe ber 9tyeingau ein burdbaus fattjolifdjes l'anb war, fo
fjaben bie meiften ©ebräudje aud) eine berartige religiöfe Wrunblage.
$)as bürgerlidje 3ul)r fiel mit bem beginn beö fird)lid)en ^flbreo
auf 2Beif)tiad)ten ober Geburt (Sbrifti in feinem Anfang jufammen.
.Kur$ vor S&eitjnacbteu fangen bie l'ebrer mit ben 3dmlern oor
ben Tl)üren im ^Htjeingau bas alte ^ieb : Quem pastores laudavere Hr.
3um Singen bienten bie fogenannten Quempaftore$büd>er, ro:ld)e
bie ©löcfner fdjrieben unb an bie 3tt)üler uerfauften. si>ielfaa)
befafeen biefe Öüajer ein jierlid) in SlrabeSfen unb Blumen gemaltes
Titelblatt unb ftets SHufifooten. £ür bas 3ingen gaben bie tfeute
ein ©elbgefä)cnf ben 3d)ulmeifteru unb 3d)üleru, je nad) ifjren
Mitteln. "Hon biefem ©elb mürben bie Gbriftfacfeln gefauft. Gs
waren biefes i&adjsferjen , roeld>e bie <3tt)üler am 2&ibnad)tsabenb
brennenb in latenten auf 3töcfen trugen unb bafür als Entgelt bas
Duempaftoreslieb fangen. Um neun Uljr abenbs warb im ganjen
:)<^eingau auf SHeilmadjtsoorabenb jutn ©ottesbienft geläutet. 5)er
©ottesbienft beftanb in einer Setftunbe unb bauerte bie jroölf llt)r
nadjts. sBei bem ©ottesbienft erhielten bie Jungfrauen oon iljren
Verehrern ebenfalls Gbriftfatfeln oor ifjre Stühle gefteUt. $m
ßodwmt ju ilöeibnad)ten fang ber odjulmeiftcr mit ben 3cbütem
baö alte £ieb: Puer natus in Bethlehem nadj einer überaus
fröbliäjen ffleife. Triefe Seife biente aud) auf Seifjnadjten als
Xanjtoeife jum ftcigentanj bes jungen Golfes in 3tt)euern. Duo
Seibnacbtsfeft felbft bauerte brei Jage. 3lm Tage Cannes
ßoangelift erhielt jeber tfird)enbefud)er morgens nad) ber SJfeffe einen
3d)lucf Sein an ber Äommunionbanf, ben fogenannten Johannes-
fegen, ober bes ^eiligen Jobannes Winne genannt. 2luf 9?eujabr
ober Jöefdmeibung iStjrifti gingen bie .Minber $u ihren ^3aten unb
©ott)cn unb tonnfebten bas neue Jahr an. #ür ben ©rufe : „©lud;
felig's neues Jahr" erhielten fie ein (Seffent an ©elb ober ©rejeln.
sHm Tag ber heiligen brei Könige jogen bie größeren ftnaben
mit einem brebbnreu 3tern auf einer 3tange, wobei ein £id)t
brannte, oon £aus ju &aus unb breiten ben ans $led) unb ©las
gemalten 3tern. 3)abei mürbe gefungen:
,,2>t« tjrpligen brep Äönig mit ibtem fttrii,
©if fffen unb trintten, bfjabjrn nit flern."
3lud) Iner gab es ©efcfienfe an ©elb unb anberm, häufig aud)
Sein. Sie brei flönige tntgen Mroneu auf ben Köpfen, meldie oon
^led) unb ftlittergolb gefertigt mareu, unb waren naö) ftrtt>lid)er
yirt ganj in lange ©eiuänber gefleibet. 3tern, Äronnt unb Äleiber
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^cIf*obfrg(oubcnö im ttbringaii roäbrenb br$ 17. 3<>M"nbert«
185
nnirben oon bem gefammelten ©elb angefdmfft unb oom ©löcfner
bas 3<*hr über aufberoabrt. — 3tuf ©rfinbonnerstag begaben ftch
bie Schulfinber $u ihren $aten unb Öoten unb erhielten gefärbte
(£ier unb SJrejeln. s2luf Cftern befamen bie Äinber t>on ben Sehrern
in ber Schule gefärbte unb gemalte @ier. ittelfach würben bie @ier
gemalt unb bann bie garbe burdj Schetbemaffer roeggeäfct, worauf
vielerlei giguren auf bem <£i entftanben. Vielfacher Suruö herrfchte
hierin.
siluf ftreujerhöhung ftrömten bie 9lnbäd)ttgen in ber Stirpe ju
©eifenheim unb an ber ÄreujfapeQe bei fcorch „im Sßfaffenthal"
jufammen. %r\ bexben 05ottest)äufem n>aren anfefmliche Äreu$=
partifein bemahrt. @s mar bann s}>rebigt unb ©otteöbienft. $ie
Schüler trugen Slran^e oon frifdjem ttaub auf ben Äöpfen unb
i mir eil auf biefe 3ierbe fefjr ftolj. — Allgemein bei ben äßetnbergs--
leuten mar bie Verehrung bes heiligen Urban als ^atron berfelben.
3)as geft besfelben luefe bic „Urbanstracht". $as »ilb bes ^eiligen
warb oon ben fogenannten Urbamtsmännern auf beffen £ag umher=
getragen, bei f^önem SBetter in einem gut gebauten 2Beinberg
niebergefefet unb mit ^Hebtaub betränkt. £)amt erfolgte ein Um$ug
im Drte unb jum Schluffe ein „3mbö" l) als feierliches Öjfen mit
SBein in einem Stfirtshaufe. 2öet>e aber bem ^eiligen, wenn es auf
biefen Xag regnete unb infolge baoon nach 2lnfidj>t ber Sßinjer
Unechter SBein in Slusftcbt mar. 3)ann mürbe beffen £Klb in ben
SKl^n, cwen ^ach ooer Vrunneutrog als Veftrafung gefefot nnb
nic^t befranst. Slud) bas „3mbs" unterblieb in biefem gafle. 3ln
manchen Orten hatten bie &>einfchröter bas 9iecf>t, ben Umjug fomie
„3mbs" abhalten ju bürfen. 3" Hattenheim mürbe in ber 9tod)t
oom Urbanustag (25. sJJton baß Vilb bes ^eiligen in einen mohk
gebauten Weinberg gefefct, befranst unb babei Verfe abgefungen.
borgend 4 Uhr brachte man bas 33ilb mieber meg. $er SBefifcer
bes alfo ausgezeichneten Weinbergs mar gehalten, ben Schrötern
<£fjen unb SBein in einem Sirtshaufe $u geben. 3Ktt biefer 2lus*
Zeichnung marb unter ben öeftfcem abgemechfelt. 3u (SltoiUe
fammelten bie Schröter bei ben &errfchaften SBetn in einem
beftimmten großen Ärug unb oerjechten benfelben jufammen. —
2luf Vartholomättag begannen bie Schulferien, ba bie SBetnlefe im
^Hh^«Öau im allgemeinen früher als jefct ftattfanb. Vei biefer
Gelegenheit erfolgte auch bie (Jntlaffung ber Vuben unb SKäbchen
') 2>aS jefeige „3tnbi&".
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186 3f. SB. d. total), 3ur GWd>id>tc bfr Öolttcjf bräune unb bf*
aue ber ©djule nad> SBeenbigung ifyrer ©d)ulpflia)t$eit. (Sin Schüler
Inclt bann im sJtomen ber (£ntlaffenen eine eingelernte beutfdje
3lnfpradje an bie anbem unb natjm fo ^Ibfdjieb, wobei er fid) gegen
Sdmlmeifter unb 9)Jitfd)üler bebanfte. (Siner ber jungen, rueld^e
nod) in ber 8$ule oerblieben, antwortete unb münfdjte Den 2Sea,-
ge^enben ®lütf auf beren Lebensweg.
$attc im $erbft bann bie Sdmle mieber begonnen, Slnfaitfl
Dftober, fo gingen ©dnller unb 9)Jäbd)en mit ityren ifeijrem
bie Nuten". Der ifetjrer mies bie jungen, oon benen jeber
Keffer „einen Sajnittes" ^atte, an, Nuten oon ben Baumen, mti
ben Birten, im 2i*alb ju fdwetben. ^eber Schüler mufcte abenw
ein Zimbel Muten aufweifen. Uuterbcffen fpielte ber ^elnrer 3ut
Unterhaltung ber sJHäbd)en mit tiefen in ber ^ätje Herftetfend *>*er
rlicibentanj. sJ)iitgebradjtes (Sffen marb oerje^rt. Slbenbs rief ^er
Mtfycex bie Sdmljugenb jufammen unb $og mit berfelben fycvn>
Die Nuten mürben, um foldje frifd) ju erhalten, in ben ©d)ulfeIler
gelegt.
Sluf C^alluötag (16. Dftober) mar naa) bem alten Sprll(';
„©allus l)at alles ben Gallus" als SBeenbigung Der Grnte ^eö
Salles aflgemeineö (Srntefeft. Die 3d)üler befamen bie fogenaitr,tol
„©aüusmerfe" unb SdnteUer, b. t). auö SHarmor gebre^te Stu0ein'
unfere feurigen ©lütfer ober Älüder, als ©efä)enf $um epie**"*
hierauf folgten adjt £agc Serien, roorauf Die ©djule für *>cn
Söinter begann. (Semötmlia; manberten um biefe £eit bie Mfytev
oon einer ©teile auf bie anbere.
2ßaren wotjllwbenbe fceute franf unb nagten fid? bem %o&'
bann tourbe ein Korb 00U SHetfe in bie 6dmle gebracht
jungen fnieten mit bem i'eljrcr auf ben öoben unb beteten für Dert
ftranten ben f elften ?ßfalm unb brei ^aterunfer mit englif#cin
©rufe laut ab. älter bas ©ebet oorüber, bann mürben bie 2£cC*c
oerteilt.
Sei 4?od)jeiteu fam ber fogenannte öraut^a^n auf ben 51*1*'
meldjer am ©nbe beö ftodueitseffens oenebrt warb. 3tnwefeltt>e
3unggef eilen erhielten aud) einen 5örautt)atm »orgefefct. Derl^1
mar mit (Sid)elu unb 3Mumen gegiert. Dabei marb großer i^1*11
angcroenbet. Das follte bie fpröben Sunggefellen ans £eir<*tfW
erinnern. Diefe *Brautf)äf)ne beiorgten bie GHötfner unb hatten ^
ben Bädern hierbei reidjliajen ^erbienft.
Diefe ®ebräua> enthält Pfarrer Nolls öeriaV oon 1601 ; ^
weiften Dtefer ftepflogenln'iteu bürfte bie vom Äurfürftni 3°^a"U
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4> olf*abfrglaubfn* im «bringan wä^rtnb be* 17. 3a^rl)»nl>frW
187
Schweif arb 1615 berauögegebeue erneuerte rHeformation ein <£nbe
bereitet ^aben.
$u bem Xt)ema beö^olfoaberglaubenö übergef)enb, berichtet
eine ber erften §älfte bee 17. .^rfninbertö angetjörige ftanbfajrift
meiner üBibliotfyef hierüber in auöfütyrlidjer Steife. ©ö n>ar bie
^ett uor ober ber erften §älfte bes bretfjigjäfyrigen Äriegeö. Muö
Den ^Jiittetluugen blieft baö Steftreben burd), fid) gegen Ärantyeit,
Unglücf unb angebliche bbfe (äeifter auf religtöö--mottyologifd)e Seife
Reifen. 3$ bruefe ben ^alt ber ^anbfdjrift ,pi gröfeten 2eil
unter grapt)ifäer "DHoberation ab:
„2ßann man uad) beut fleuja^vötag nun erften !ötal batft, foll
man fo oiele fleine $rote machen, alo Xieute im §auö finbt, unb
jebem #rot einen Namen cinbrüefen. Ser im ^al)r fterben foU,
beffen ^od) barft fid) im sörot *u. äftmn man auf 9ieujal)rötag
ben Sitafdjlappen and (Selenber hängt, unb bann bie @äul mit
pufct, werben fie fett. 2öer ben &erö: Caspar fert inyrrhum,
Milchior thu», Balthasar aurum, haw tria qui semim portabit
noinina regura. solvitur a morbo christi pietate cadut-o auf
einen 3*"^ fdjreibt, unb anlumtft, befommt bieö %a\)v nit bie
fallenbt Sud>t
28er an ber fjeiligen bren fönig 2lbenbt feine ©ünfdje gegen
ben 3Ronb rufft, bem werben fie erfüllt. — 2öer an St $altinötag
eine £enne fefct, beren ^nngen werben blinb ober laljm.
3luf ^apna^t befdmeibe bie flaumc, bann ttjun i^nen felbigeö
3a^r bie Maupen nit 9tott). Ser junge Ockfen auf ^afenadjt auö;
treibt, bie lernen baö ^ietjen balbt.
2Öer im ftrityjafjr ben öuefuef $um erften 3)Jal freien t><H
fou* Säulen, roie oft er ruft unb fagen:
Ohidud «ederrnr^t
Sag mir in ©abjrbftjl redjt,
SBir oiel 3abjr e* wtxt,
SBi§ mir ein SRann befeuert.
So viel 3atjr mirbö jur &odjjeit fein, alö ber ©utfuef rufet.
2Öer am grünen Donnerstag faftet, befommt baö ganje %a\)x
fein lieber nit (Sbcnfo wer neunerlei Äraut ifet.
$l*er am ßbarfreitag cor Sonnenaufgang &efe ifet, fann felbigeö
3at)r faufen, fo niel er will.
Söenn ein fd)marjeö $incfel auf ©Karfreitag legt, baö ftauö
trifft baö ^aljr auö fenn Unglücf. — ülm Dfterfonntag fäöpf nor
(Sonnenaufgang Gaffer im rWbeiu ober in ber flad), bann wirft bu
188 ft. ©. «. ftotb, 3ur &t\df\d)tt btv $off«gebräu<$f unb M
fa)Ön im 3^ unb befommft baö ^ef>er ,nt- 2luf Cftern ifc Ijart
gefotene (£per, bann bift bu bas ganfee Satyr gefunbt.
3m sJlpril im Weumonb behaue bie Reiben, ioad bamit gebunden
wirbt, hält feft. — $aut bir ein Stord) aufö &auö, bann baft bu
(tflütf im bauen bir bie Sdnoalben barin, bann giebt es bir
oiet Ungejiefer; ben iHübfamen fäe felbft, nid)t bie Söeibdeut, fonft
befommen bie rWüben Mffe.
vii*er auf Sitolpurg einen Äranj oon öunbermann aufhat, fann
alle §eren erfennen.
3lm £immelfahrtötag foüft bu nidjtö nähen, fonft fölägt birt
©eroitter im #au6.
Stedt man ^ieifl oon 9)tooen, worüber ber Segen breimal
gefproa>n, auf "ißfingften in« ßappeölanb, bann fommen feine §rb;
flöh baran.
ii^er auf Dreifaltigfettsfonntag etwas näht ober ©efiitftee am
Veit» hat, ben fajlägt felbigcö ^afn" ein Donnerwetter. 3tfer ji$ an
biefem £ag oor ben $lad)8 ftelit unb bie brei bödiften Tanten
anrufft, bem geräth ber $lad)S felbiges Qatyx wohl.
2Öer am ^ronleidmamötag eine blaue Kornblume mit ber
üÜUirjel auöraufft, unb in ber jpanb warm werben läftt, befommt
felbigeö 3ahr fein 9Jafenbluten. — 2Ber im 3)iai flalbögernrn ißt,
wirb bie tobenbe 8ud)t felbigeö $abr befommen.
äßer fia? im SRaientyau wäfd)t, verliert ben örinb. — ber
9toa)t oor ftobanni fammle Teufelöabbift unb ^obanniotraut unb
werfe e$ ins Jeuer, bann fermben Dir bie f ~J- f ©eifter nidjt.
3luf «Peter unb $auli Tag mache ben ftinfeln neue Hefter,
bann legen fie roofjl.
$ei ber £rnbt leg bie jroeo erften (Farben freujweid \ti b«
Steuer, bann tjolt Dirö fein Drad). äöenn Du bie lefcte ®arbe
größer maajft, bann oortheilt bao Drefd>en.
3n ben &unbötagen foUft Du ©ifenfraut oor 8onnenai/#<wW
fud»en, bann fyaft Du felbigeö $al)r fein Mopfweb unb bie i'a'ufi
fterben ab. — Um Äiliani fae ^Hüben im legten Viertel, bie foa>en
fid) weidjer.
2Ber auf ^or^anniß Enthauptung in einen $aum t>aut, ber
ftirbt ab.
sBer Horn fäf)t, foll oon brei Widern ©rnbt holen unb unter
ben Samen inifdjen, bann gerätq eo wot)l.
Den 3. 6. unb 22. Cctober finb verworfene Dög, wer an
ihnen geboren, lebt uid)t lang ober gerätli in Slrmutb.
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33o(f£aber<)(auben* im SRljeingau roä&reub be* 17. Sal^unbert* 189
Sßer am SHertinötag beffen Manien an bie 2f)ür fdjrcibt, l)at
felbigeö $a\)v feine 2)Jäufe.
2Ber am ^eiligen 28ett)nad)tstag ein $)üppd)en jerbndjt, ber
ftirbt balb Darauf.
2lm Soloeftertag bie SRaulnmrtyaufen oerred)t, bauen bie
3Waulroürff ntt mebr auf."
2)er jroeite Xeil ber £anbfd)rift enthält mebismifdje Mejepte in
lareimfdjer unb beutfdjer Spraye unb folgenbc, t)ier ebenfallo
ruörtlid) mitgeteilte allgemeine flegeln beo 2lberglaubenö :
„©egen bie böfe ©eifterf pntd) :
Trotfopp! id) oerbiete bir mein £au$ unb mein $of, id)
uerbiete bir mein £of, ich verbiete bir mein 2?ief), bafj bu nid)t
über mtd) fommft, fteig über alle SJerg unb SÖaffer fern fjiuaus,
fomm mir nidjt mein* in mein &au$. 3m tarnen beo Gatters unb
oes Sofjnes unb ©otteo beo tjeiligen ©eifteo. 5lmen.
Ciegen böte ©eift nimm s3i>ermutt), ftümmel, AÜnffingerfraut,
Xeufcloabbip unb £aubof)nenftrot) unb bange eä über bie Stalltbür ic.
bann tljun bem iüeb bie f f f GJeifter fein ©dmben.
Äun bu morgend in ben Stall gel)ft, fprid) auf ber Sdjiuellc:
3to, alo SJiaffa Danbi Öanbo Slmen, unb mad)e bretttreuj unb fage:
Unfer #err $c\ü& trat in ben ©aal,
Da fodjten in an bie $ubben überall.
dt aber tljät gegen fte ffreiten,
Die 3uben mu&ten grofe 9lotb, erleiben
3tlfo b,elfe mir armen SRann,
Daß id) fein 91otb, erteiben tann,
$men.
£<or baö gieber.
5tel)r' morgens beiu ."pemb am lutfen (£rmel um unb fprid):
Äel)r' um &emb unb Sieber tuenbe bid). 3m Atomen bes Katers ic.
s#or ben falten $ranb.
©prid): Unfer &err ^efuo ßt>rift ging über l'anb, ba fal) er
brennen eunen iBranb, 3t. Vorenj lag auf bem floft, unfer &err
bracht it)m Troft. ©r l)ub auf eine &anb unb gelegnere ben
Skanb, alfo fei ber SBranb gebannt an meinem gujä unb £anb, bafr
er lafe baö brennen fein unb bewahr mein gleifd) unb ^ein. 3m
Warnen bes Katers k.
*<or bie Türmer.
Sprid) bicfe 5itort breomal: ^etrus unb ^efuo führen aus
ben 2lrfer, t)in unb jurütf bret) furchen, fie gruben Ijeroor bren
1**0 g. 3B. <£. fRott), 3«r ®t\d)\d)tc ber 5öolf*fltbräucbt unb M
SiMirm, ber enne mar roeifj, ber anbere fdjroarj, bcr brüte war
votf). 3Ufo feien alle SBünner tobt, $m Stamen bee Katers 2c
©egen bas böfe 2lug ber &eren fprid):
3efus beine 2i!unbmal rotl) fteben mir bei in aller Sfotb, unb
Reifen mir cor ftererei unb böfen ©efid&tee $reu.
©egen Sdmittnnmben.
Stimm breierlei Äraut unb lege es auf bie S-H>unbe unb fprid) :
ftrenerlei) &räutd)e fttIX mir mein &äutd)e, ftiU mir mein $lut, bafe
nidjt meljr bluten ttnit.
S*or ben Ruften.
Stimm ©ad)befbeeren*), Bucferbrot unb $&rmuty, foa) cö
burd)einanber unb leg eo warm uff ben Ziagen; baö Ijilft.
1\ox baö 3at)nn»ef).
St. s#eter ftunb ju eigner Stunb unb bette 2i>ef) im SRunb an
ben 3«^n fein mit großer ^cnn. $a fpraa) fjerre Sefus (Sljrift:
St. gjeter bu traurig bift. ißon beiner Säfyne Ungemad) roirb bir
gar gad). ©el) Ijin in ©runb, nninm Gaffer in ben SJtunb, Unb
fpen es auö bem SJtunb n>ieber in ben ©runb. sÜlfo tbue aua).
©egen ^einbrud) ber Sdjroeine.
iöeinbrud) id) fegne bid) auf biefen £ag, bafe bir ber $err
geljelfen mag am ftebten, aalten, neunten Xag. &eiliam ift biefe
©unb, Ijeilfam ift biefe Stunb. £eilfam ift ber Xag, ba ©Ott bie
&öU jerbrad). SUfo nidjt bie ättunb gefchwell, fonbern tyeile fdjnell.
Stimm baju ein ^flafter oon einem Sdmft sJJuloer flein gemacht,
eine gute Seinljefe , ein falbes trn unb fdjlage eo über bas "Ikin
in ben breij bödn'ten Stamen.
©egen bas 4>auptiuel).
2lnm bir im abnetjmenben SJtoub bie 3<Mw, C&ren ober Der
Äopf roet), bann ftelle bid) gegen ben SJtonb unb fag: ©leid) wie
ber SJfonb abnimmt, alfo nebmen aud) meine Sd)mer$en ab. 3m
$unet)menben S)tonb feljre bem SJtonb ben dürfen ju. $aö bölfft —
©egen Uufrud)tbarfeit bes *iet)S.
Stimm SWaftir ein gut Üoti) unb $3arbararourjel unb ftoße bas
jufammen unb gieb es bem $ieb ins ^reffen, bann wirb es febön
falben.
©egen 33li&feuer.
Schreibe ^olgenbes auf einen Xeller unb wirf ibn in bao
'Jeuer, bann roirb es öcrlöfdjcn.
*) SBaiWolberbeeren.
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SJoHSabeiglaubcu« im fltycingau roäljrenb bcS 17. 3abrl>unt>ert3 UM
S A T 0 R
A R E P 0
TENET
OPERA
R 0 T A S
Ober wirf eine £anb ooü* Blumen, bie auf 3)Jariä ÜHirjiueib 3)
breimal gefegnet, in$ geuer."
ir« folgen in ber ftanbfdjrift ©cbete in lateimföer unb beutfcber
8prad)e unb am (Snbe noa) folgenbe Regeln für bie 2l*od)eutage :
„3Ber Sonntage frül) niefet, erjürnt fict> benfelben Xag. —
Montags fofl man nid)t matten, eö fommen fonft H'äuo in
bie &<af4 "
2Ba3 Dienstag begonnen wirb, gerätf) nid)t.
3Jhttiood)Q ift ein oerroorfener Xag, aber alleö im &anbel
gebeizt roofjl.
3i>er ^Donnerstag nüdjtern fein (Mb $äl)lt, tyat bas gan$e
3atjr ©elb.
greitags fofl man bie ftinber nid)t baben, fie befommen bas
©rimmen. 2öer freitags bie .ftaare unb 9tägel fdjneibet, t>at ©lucf
unb fein ßopfiueti mebr su bef uralten. $i>er ficfj um brei Ufir, als
ber £>err ftarb, bie ,§aarc flidjt unb fammt, befommt Ungeziefer.
£amötag foll man feine fieinmanb bleiben, fie wirb fonft grau."
$)iefe einzelnen ©ebräud)e bes Aberglaubens fommen meiftenteilo
auety in anberen töegenben oor unb finben fid) mit Abweisungen
im einzelnen in bem iöucfye: $ic gcftriegelte Moden ^tjilofop^te.
(Srftes biß fedjfteö &unbert. (Sljemnifc J 7 22— 1729 Cctaoo mieber.
Leiber fef)lt bort nur ju l)äufig bie Angabe, in melier ®egenb bie
einzelnen Öepflogeu^eiten üblia) waren.
■) 15. auguft, SRariä $tnimelfa&rt.
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^rofcfToren öcr ^uttitröcfd)id)tc ?
Don (Score, Steinhaufen.
Vor einigen 3at)ren Ijabe id) in ber „©egeuwart" in einem
siluffafe über „Die ÄulturgefcfHcrjte unb bie beutfdjen Unioerfitäten"
ben Langel befonberer ^ebrftüf)le für Äulturgcfdnd)te beflagt. 3n
bem einieitenben Sluffafe ,?u biefer 3eitWrift Imbe id) oor einem
3ai)x bieielbe fllage erhoben unb bobei überhaupt auf bie dufteren
ungünfttgen Vert)ältnif?e bingewiefen , bie baran Sdmlb tinb, bap
fo wenige sJ)fänner oon gad) auf biefent (Gebiete arbeiten unb fo
oiele Dilettanten.
Die flebaftion ber „£iftorifd)eu 3eitfd)rift" ift jefct auf biefeö
Steina surücfgefommen. 3»bem fie oerfidjert, bat? fie bem oon mir
in bietet 3citf4rift ausgefproebenen Fünfer; nad) einem freunblicben
Verhältnis jwifdjeu ber politifd)cn unb ber $ulturgefcf)id)te burdjaus
teile unb meiner 3ettfdS)nft „uid)te weniger als abgünftig" gegenüber-
ftefje, fat)rt fie fo fort: „£rofcbem aber glauben wir, eine fatjdbe
£enben$ in ben $i>ünfdjcn unb Veftrcbungen bes Herausgebers
mafjrsunelpnen. ©r beflagt, bafe auf beutfdjen $o$id)ulen nod)
immer feine befonbere ^rofeffur für ßulturgefcrndjte errftiere. Ä
würben es für ben benfbar größten 9HiBgriff fjalten, wenn eine
fold)e ^rofeffur je gefdwffen würbe. $cbcx fcerjrer ber allgemeinen
(*kfdnd)te, ber feine Aufgabe tiefer auffaßt, wibmet id) on ganj von
felbft ben fulrurrnftorifcfjeu Problemen eie gebitbrenbe 9lufmerffamfeit
SSelch ein Unbing wäre bagegen bie Verpflichtung, nur fpe^ieÜ
Äulturgefdjidite mit 2luöfd)lufi ber politifdjeu ®efd)id)te oorjutraaen.
Denn gehört uid)t aud) bie politiidje (#efd)ia)te in 2ftif)rl)eit wieber
als ein f)öä)ft wichtiger Teil jur 5hUturgejcrnd)te, ja fann mau bie
Äulturentwicfelung ber eigentlidjen .Uulturoölfer otme biefen gattor
überhaupt wirflid) oerfteljcn '< ü&cnn man von fulturtnftoriferjer 3eilf
(SJcorg ©trinftaufru, ^rofffforcu ber ftitlturgefd)td>te
193
beu Politiken £tftorifem mit Vorliebe, unb au* jurocilen nidjt
otjne ©runb, (Sinfeitigfeit oorwirft, fo fdjetnt uno bod) in jener
gorberung eine nod) niet bebenflicbere (Sinfcitigfeit benwr$utreten,
bie eö unö uüfclid) fd)ien, bei Reiten alo foldje ,511 fennjeichnen."
3d) glaube eo ift uon allgemeinem ^ntereffe, wenn id) bie
<yrage ein wenig eingebenber beljanble.
(Sin politischer .ftiftorifer, ^rofeffor ^enttjeint in $reiftiwalb,
jdjreibt in feinem „Lehrbuch ber Inftorifdjen 3)tetbobc" in s#e>ug auf
bie ftulturgefdncbte u. a. folgenbeö: „£ie ttulturgefd)id)te ift uon
ber politifdjen grunbfäfclicb nicht irgenb oerfd)icben , aber bod) an
Thema unb oormiegenbe n $ef icbtspunf ten fo ab-
ineicbenb, bat? fie befonbere 34ebaub( ungsart unb &or =
fenntniffe 511 ihrem Stubium erforbert." genter: „$ei fadj =
ijemäfeer '-Begrenzung ber beiberfeitigen Arbeitsgebiete
wirb fid) bao natürliche ^erfjältniö gegenseitiger 2lnerfennung unb
<Srgän$ung zmifcben flulturgefd)id)te unb politischer ©efd)id)te not;
roenbig tjerfteüen muffen, unb bae wirb beibeu Xeilen $ur größten
Jörberung gereichen." Unb fpejiell in SBe^ug auf mich meint er
(3. 599): „£er Herausgeber betont in einem Vorwort bie
fetbftänbige vöebeutung ber J^ulturgefctydrte neben ber politifdjen
©ef d)id)te ; borin frimme id), wie ber Vefer meines üBucf)eö weife,
ganj mit iljm übereilt."
3d) weift nun nicht, ob bie ftebaftion ber „,!piftorifd)en 3eit=
fdjrift" biefe Sä&e iHernbeimo unterfcqreibt. Ttjut fie eö nicht, fo
ift eine weitere Erörterung eigentlich überflüffig. ®enn wenn bie
Äulturgefd)id)te feine felbftänbige ^ebeutung bat, fo braucht fie natürlich
aud) feinen Vehrftuhl* Ilmt fie eo aber, fo weiß id) fcbled)terbiug§
uic^t, warum es „ein Unbing" fein foll, „nur fpejiell Stulturgefd)id)te
mit iHudfdjlufe ber politifdjen (>)efd)id)te vorzutragen" ! Unter „21uq=
fdjlufe ber politifdjen ©efdjid)te" fann man felbftocrftänblid) nur
oerftetjeu, bafj oou politifdjen (rreigniffen unb sJ>erfonen nur bie Siebe
fein foll, fomeit es jum ^erftänbniö ber Multurentwicfelung notwenbig
ift, unb politifdje Vorgänge aud) fulturl)iftorifd) oerwertbar finb.
2t*enn weiter „nur .ttulturgefdjichte uortragen" ein Unbing ift,
bann ift „nur ftulturgefdjidjte fdneiben" nidjt minber ein Unbing.
2)ann ift eben bie Hulturgefd)id)te überhaupt ein Unbing. $odj —•
ich will emfthaft fprecben. $ie „Hiftorifcbe ^^tf^rift" beftreitet
nicht einen gewiffen ^ert unb eine gewiffe ^ebeutung ber Kultur-
gefd)id)te an fiel): fie glaubt aber, baf> bie sJJiehi^al)l ber politifdjen
jpiftorifer biefeo Gebiet genügeub beljaiibelt. „jeber «ehrer bei-
tritt *rift für ftulturgetoicftte. J l I A
U)4
OJeorg Steinhaufen
allgemeinen (3efdjid)te, ber feine Aufgabe tiefer auffafct, roibmet fa>n
gan$ öou felbft ben fulturhiftorifaVn Problemen bie gebübrenbe
2iufmerffamfcit." s])?it anberen Korten: fie unterfchreibt bie #um-
heimfdjen Säfee eben nid)t: fie erfennt feine fclbftänbige iöebeumna,
ber &ulturgefdnd)te an. ©arum ocrftet)t fie aud) nia)t, nne man
„nur" Äulturljiftorifer fein fann unb „nur" ftulturgefdnd)te oor^
tragen tonnte.
$ie felbftäubige 33ebeutung ber ttulturgcfd)id)te wäre alfo
ber Atem ber ftrage. $iefe eingebenb ^u erroeifeu, halte idj um jo
weniger für nötig, als eben eine Anzahl politifd)er $iftorifer fie
^ugefteben. 3a) will aud) nid)t bas nueberholen, toas id) borüber
ebenfallo in einem Artifel ber „©egenroart" : „2>er Streit um bie
ftulturgefdjidjte" in Ziehung auf bie s4$olemif jmifdjen Sdjäfer unb
Worein fd)on gefagt tjabe. 3d) toill biefen ganzen Streit nidrt
Tüieber aufwärmen.
9iur bas roiH id) fragen: 3Ü bas ©ebiet ber !ftulturgefd)id)te
fo f lein , ba§ man fie nur als Siebenfache betreiben, bafe man ihr
nidjt feine ganje Äraft ausfcbliefjlich tuibmen fann? Unb toeiter:
ift bie Stebeutung ber $ulturgefa)id)te fo gering, bafe fie bem heran;
nmdjfenben ®efd)led)t nid)t alö ein befonberes©ebiet geteert werben fann *
$Jei beiben gragen roirb es fidj junächft mieber um ben begriff
ber ,,$ulturgcfd)id)te" hobeln. Unb ba null id) mid), nrie id> es
mieberbolt getban tjabe, oor allen fingen bagegen oerroabren, baf>
man ben begriff $u aügemein faßt, £>anad) hatte ber .Kultur;
biftorifer bie (Srgebniffc ber 3orfd)uugen über bas, was bie Hölter
auf bem Webtet ber ^bilofopbie, ber Äunft, ber Virteratur, Deo
Med)ts, aud) auf bem bes Staatslebens geleiftet, unb über bao,
was fie in religiöfer Ükjietjung geglaubt baben, jufammen^ufaffeu,
ein allgemeines ©efdjwefele barüber $u ergeben unb ftolj au tagen :
„Se^en Sie, meine «Qerrfdjaf ten , ba tyaben Sie bie menfdjliaV
Äulturentwitfelung!" £>ie 9lnfid)t, bie Äulturgefdnd)te fei oielfad)
fo eine allgemeine ^fnufenmaajerei / ift namentlid) bei ben beuten
oerbreitet, bie nie ein gutes fulturlnftorifcbes $Jud) — unb einige
haben nur ja ©Ott fei $auf nod) — gelefen haben.
9lein, es hanbelt fid) gar nid)t um Allgemeinheiten ober Sdjöii-
rebuerei ober öbe Spefulation: es hobelt fid) um febr beftimmte
fpc<)ieQe Aufgaben, Stienn bie i'itteraturgcfdjidjte unb bie Äuit|"t:
gefd)id)te in bem 'Kähmen ber großen ©efd)id)tswiffenfd)aft ibc
eigenes Webiet haben unb als Aad)wiffenfd)aften anerfannt werten,
fo hat aud) bie .stiUturgefcbidite ihr eigenes unb ,>war nod) redjt
rßrofffforfn ber £iiltiiigfld>id>tc
J HB
wenig gepflegtes unb babei red)t groftes (Gebiet unb barf mit nod)
größerem üHed)t jene 2lnerfennung uerlangen.
3cb begnüge mid), wie id) eo auäj bereite roteberbolt getban t)abe,
eine Meifyt ber Aufgaben, bie niemanb einer anbeten
SBiffenf a)af t, als eben ber .vlulturgefcfyidjte $ufcbreiben wirb,
fürs auf jujablen. (Ss gehören in it)r (bebtet : bie (Srf orfdmng ber äufeeren
£eben«t>erf)ältniffe, alfo bes (Sinfluffes ber natürlichen Umgebung, ber
2Bol)nnng, ber 9tot)rung, ber Srad)t, ber &Mrtfd)aft — befanntlta) ^at
gerabe bie ^irtfcbaftßgefd)td)te befonbere Pflege unb Auerfennung
in neuefter 3«t gefunben — , bes Verfelns, ber Sedmif u. f. ro.,
weiter bie ©rforfcbung ber gefellfdwftlidjen fcebensnerhältniffe , alfo
Der gamilie, ber ©efeUfdbaftöfreife (j. 58. bes Abels, ber ^>öfe, ber
©elebrten") u. f. m. unb ber gefeüfcbaftlidieu Lebensformen unb Sitten
(gefelliger Verfebr, Benehmen, Spiele, gefte u. f. ro.), weiter bie
(Srforfdmng ber Sitten überhaupt; biefe lefctere führt fcbon jum
Xeil, iniofern Sitten unb Bräune auf beftimmte Anfdjauungen
$urikfgebeu, }u ber fdjönften Aufgabe bes #ulturl)iftorifers, ber
©rforfdmng bes inneren l'ebens ber Vergangenheit. £ier liegen fo
reijoolle Aufgaben, wie bie ©efdncbte bes ©emüts, bie ®efd)id)te
beö Bolfsdjarafters , bie ©efdndjte ber geiftigen Bilbung, bie
©efdjidjte ber (Shrjieljung, bie ($efdpcf)te bes Aberglaubens, bie
©efd)id)te ber Sittliajfeit unb fo fort.
Siub Das nun alles Ouisquilien '< 3ft bas gleia)giltiger
Tröbel? Cber finb bas $intgefpinfte?
9iein, es finb greifbare unb grofie Aufgaben, unb fie finb
niemanbem anbers geftellt, als eben bem AUilturlnftorifer!
&ie ©inbeit aber biefcs Stoffgebietes liegt in bem legten (Snb-
$roecf ber Äulturgefdjiajte. $>ic befannte grage : „wie ift es eigentlich
geroefen?" ift für fie bie grage: „roie finb bie 9JIenfd)en eigentlid)
geroefen unb wie haben fie gelebt?"
SDicfe grage richtig ju löfeu, fann fie fid) nid)t mit ber blofjen
©ruierung unb Anhäufung bes Stoffes begnügen. (Ss fommt bnrauf
an, in ber 9ttaffe ber @in$elt>eiten bas $upifd)e $u erfennen unb
feftjuftellen. £ier wirb bas wahrhaft bebeutenbc, bas fünftlerifcbe
Moment in ber tfulturgefäicbte flar. 3>ie Beobachtungsgabe, bie für
oen 9Iaturforfd)er rote ben Siebter notroenbtg ift, muft aud) ber Äultur^
biftorifer in Aftern sJHafee befifcen, roiU er bie gülle ber ©in^eU
beiten oerroerten, roiU er bas Xnpifdje berausfdjälen. $ie 3){affen=
erfc^einungen $u beberrfd)en unb ju gcftalten, inbem man ibreu
3ufammenl)ang erfaßt unb bie roefentlid)en (Sntroicfeluugsmomente
1%
©corg Steinhaufen
begreift, unb bie (§injelerfd)einung roieber aus bem ©anjen iu erflären,
ba$ ift iuatjrc ii>iffenfd)aft unb maf)re ftunft pgleicb. ^ier «rfagl
3. bie Mraft ^anffeno unb tyier glänjt ©uftao Jrcntag. ©rft l'o
wirb man ben (dang ber Äulturentwicfelung eineö beftimmten
Golfes, baö (Sfjarafteriüitd&e einer beftimmten N}kriobe, einer be=
ftimmten Generation richtig barftellen, erft fo bie 2iMd)tigfeit t>on
Slultureinflüffen eines Golfes auf baö anbere, einer 3«t auf bie anbere
richtig würbigen fbituen.
So ertialt aud) erft jene allgemeine flulturgefd)id)te, t>ie id)
oben nur nid)t fa(fd) oerftanben miffen wollte, Ujren magren 2&rt.
Wt ben (Srgebniffen ber engeren ftulturgcfdnd)te oerbinbet fie bie
(hgebniffe ber i'ittcratur= , ber «un|V, ber Meligione:, ber Wedjtö;
gefd)id)te u. f. 10. 3a, bie „&iftorifd)e 3citfc^rift" bat oöllig Ä
wenn fie meint, baft „aud) bie politifdje ©efdndjte in sBflbr^eit
mieber alo ein l)öd)ft widriger Teil jur Stulturgefctyidjte gehört".
#reilid) betrachtet bann unb oerwertet bie tfulturgefd)idjte biefe
(Sinjelmiffenfdjaften in anberer 2i>eife alo ber betreffeube ^aajmann.
Sie barf uidjt compilatorifd) fein. 2ludj t)ier fragt fie, was folgt
aus bem unb bem für ben bamaligen 3uftanb ber SHenfdjen? Sie
gellt alfo über bas ber (Sinjelwiffenfdjaften lunau$. „$ie
aflgemeine ftultur einer (Sporfje", fagt ©otbetn, „ift nod) etnwö an-
bercö, als bie ©efamtfumme aller mirtfd)aftlid)en Üetftungen, ^ieebts
btlbungen, religiöfen Meinungen, wiffenfdjaftlidjen ©ntbetfungen unb
fünftlerifdjen ©eftaltungcn, fie beftel)t in nidjt metjr unb nid)t roenifjer
als in ben gemeinfamen, unter ftd) mieber jmiefpältigen unb ringen
Den Widmungen bes @eifteölebens. tfuiturgcfd)id)te in itjrer reimten
<*orm ift 3beengcfd)id)te."
So gewinnt man in le&ter fcinie eine allgemeine ttulturaeicbjtyf
alö eine allgemeine sJ)ienf$l)eitögefa)id)te , bie für bie erften '$\ta
beo 3Hcnfcheugefd)led)tö notmenbigermeife aud) mit antfnopologifeben,
ett)nologifd)en unb namentlich linguiftifctyen ftorfdwngen operieren muf».
2lber id) mieberljole : biefe allgemeine ttulturgefd)id)te mirb faum
als #ad)wiffenfd)aft gelten fönnen. Sie fann freilid) gefchrieben,
gelefen unb geleljrt merben, fo gut mie bie allgemeine ®eidjid)t<,
unb foll eö aud). SDic wiffenfdwftlidje Aufgabe babei ift, bic
(Sinljeit unb ben 3ufammenl)ang ber (Sutmtrfelung feftpftellen. Äber
als fpe^ielleö 5lrbeitogebict fann fie nid)t gelten : baju ift ber ^egrifi
*u ausgebest.
Wo ein felbitäubigeo in ilnen Sielen, in if)rer SHetqobe uni>
in ibrem Stoff beftimmteo Arbeitsgebiet muH eben bie Äulhirgefd&iditt'
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197
im enteren Sinne gelten, unb bao roirb fid^ im Vaufe ber weiteren
(£ntroirfelung immer flarer bcraueTtellen.
Unb immer flarer roirb fid) aud) t)erauöftellen , bafe biefeä
Slrbeitogebiet beffer organifiert werben mufe als bisher, bafi biefe
iöiffenfdjaft öffentlid) geleljrt merben mufj. Xcv berufsmäßige
Unterridjt in bei Äulturgeid)id)te ift nid)t nur bestmlb von großer
2LUd)tigfeit , roeil biefc s2i!ifienfd)aft Der l'elne mert ift, roeil num
richtigen ^erftänbni« ber s^ergangenl)eit bie Äenntnis biefes CMuetes
notmenbig ift, foubern aud) beobalb, weil mit beut eintritt ber
&ulturgefd)id)te in bie fcelm'ädjer für fie felbft bie größte innere
^örberung gegeben ift. Tann wirb bie planmäßige Arbeit auf
biefem (Gebiet, bie Crganifation bes Arbeitsgebietes oon felbft
erfolgen; fie mirb anbererieits bann überhaupt erft möglich fein.
2>ie „£iftorifd)e äeitfärift" fdjctnt *u iürdjten, baft cd eigentlid)
fo fommen fönnte. £enn es fdjeint if>r „nüfelid)", „bei 3eiten"
ju roamen.
3$ rroffe unb roünfaje oon fterjen, baß jene ftille ^Befürchtung
redjt halb jur 2i<al)rt)eit merben möge.
3unäd)ft ift fogar fdjon einiges erreicht, ältere itorfämpfer
ber Äulturgefdndjte, rote Mclil unb SMebermann, finb lange ^rofefforen
unb lefen &ulturgefd)id)te, freilid) nidjt als „^rofefforen ber Äultur;
aefd)id)te". 2lua) aus neuerer $c\t finb manche 9Jamen ju nennen,
f o ber ®ott)eins, ber freilid) 4>rofefior ber 9totionalöfonomie, fo ber
ältuin 3dnil&', ber ^rofeffor ber itiinftgefdrid)te ift. *.'ampred)t
aber, ber bas fulturgefd)id)tlid)e, nameutlid) bao roirtfd)afts=
^efd^id)tlia)e (Slement fteto betont, ift orbentlidjer ^rofeffor ber
Wefd)idjte in Veipjig. Areilid) unb bao ift dmrafteriftifd) — er
üertritt jugleid) and) bie polttifd)e Öefd)id)te.
3lber id) meine, man fann nidjt babei fteljen bleiben. tSntroebcr
muH mau ÜUf biefem 3i>ege meiter geben, unb 9)tännern, bie f i et)
auf fulturl)iftorifd)cm Gebiet ausgezeichnet haben,
basfelbe Zutrauen fd)enfeu roie benen, bie fich auf politifcb-hiftorifd)em
©ebiet iljre 3poreu oerbient Imben, unb fie in bie beftebeuben
"JJr o feffuren für (*>efd)itt)te berufen. Cber man muß,
namentlich an beu großen llnioerfttäteu , als Wegengeroicht gegen
porjugsroeife ober ausfd)ließlid) polittfaje $efd)id)te oortragenbe
X*etjrer, eigene s£rofeffureu ber Atulturgefd)id)te grünben.
$)er erfte ätfeg märe ber in letjter l'tuie roirffatufte. (Sr
mürbe überhaupt bem s^anbel entfuredjcn, ber fict) heute in ber
^>efd)id)tömiffenfd)aft ooU.ücbt. „tfo ift unbenfbar," bat i'ampredjt
198 ®rorq <§tfinf»auffn, $rofefforcn brr ÄulturgrfdwfMf
ueuerbingö gefagt, „baft bie ©cfd)id)töfd)rcibung unferer Seit einen
anberen als fulturgefd)id)tlid)en , nürtfcbaftögefcbid)tlicben , reebt^
gefd)id)tlid)cn, 9eifte^otefdbtd)tlid>eti Stempel trage."
Der jiueite 2i*eg wäre ber fdjneller iuirfenbe unb bar um
oorzuziebenbe. Denn ^unäctyft finb bie politifajen &iftorifer bod)
Die beati possidentes, unD roerben it»of)l gefonuen fein, eö quo) ju
bleiben. 2Iber fie finb fid) bod) zum Teil beroufjt, baß il>re Xtjatig:
feit fo eine notroenbige Ergänzung fiubct. Öotbein iagt uöllig riditig:
„eö bebarf bie politifdje ©efd)id)tf$reibung jur fcöfung tyrer
Aufgaben neben firf» einer felbftänbigen ttulturgefäidjte."
Mnbererfcito ift eö aber meiner Überzeugung nad) roirflid) notroenbig,
bafe eö befonbere ^el)rftüt)le für ulturgefdjidjte giebt, roie gefügt, int
^ntereffe ber 3luöbilbung unb ber Jörbcrung biefeö nod) jungen
Stubiumö. 3o gut fid) bie ^itteraturgefa)id)te unb nod) fpater bie
.Uuuftgefd)id)te it)re ^rofeffuren erobert traben, fo gut roirb fid* au*
bie Hulturgefdjicbte beftreben muffen, in ben Mreiö ber an ben
Unioerfitaten gelehrten 2i>iffenfd)aften einzutreten, ©erabe beute, wo
eine foldjc Spezialifierung ber roiffenfa)aftlid)en Arbeit eingetreten
ift, foüte man fid) an biefem bod) geroifc no<b genug umfaffenben
„Spezialgebiet" uidjt ftofeen. 9)Jan roirb eö nächtens natürlich
finben, bap, roie fid) ein &err neulich nur für bie ©efd)ia)te ber
Deformation habilitiert fort, einer fia^ roomöglid) nur für ben
fiebenjityrigen Mrieg ober ähnliche öebietc habilitiere. Unb bann
roill man bie flulturgefdnd)te aUein niebt gelten laffcu ? ©ö giebt
orbentlidje s^rofeffuren nur für ®efd)id>te ber 3)iebijin, ba ift bie
s^rofeffur „nur" für Äulturgefd)id)te in ber It)at fein „Unbing",
fonbern eine berea)tigte ^orberung. 3)ian oerfdjone unö alfo mit
bem Üorrourf ber ^infeitigfeit. Jruber flagteu bie ®egner über bie
ju grofre i?ielieitigfeit ber ttnlturbiftorifer, bie feine cmfte 2Biffenfa>ift
auffommen laffe, unb nun — finb mir „einfeitig". Xer Äultur^
Ijiftorifcr wirb am roenigften in bie X'age fommeu, zu einfeitig zu roerben.
sJluf bem leipziger £>iftorifcrtage fagte ein fetyr angefefjener
politifdjer Jpiftorifcr zu mir in Öezug auf bie Äulturgefd)id)te:
„3t)nen gehört bie ^ufunft!"
ibknn bem fo ift, bann Iwben ber ctaat foroo^l als bie
Unioerfitäten bie ^fltdjt unb baö grofce ^ntereffe, bie Äulturgefdjidjte
511 förbern.
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Gießer Ötc JJiflorircöon ^offtsfteöer
Von 2\id?arb Hlüllcr.
$on ben l)iHorifd)on Bolfßliebern beö breifügjührigen ttriegeo
liegt und eine erhebliche Xn$a$(, in mehreren umfaffenben Herfen
gefammelt, r>or, unb obgleid) bamit ber £d)afe beö ungebrueften
Materials noch nidjt erfdjöoft ift, fo mag bod) im Aolgenben uerfucht
werben, über biefen bemerfensioerten 3weig bentfeber Bolföbichtung
einen Überbluf ju gewinnen, ein üieriueb, ber um fo gerechtfertigter
erfdjeinen mufj, als bic £>erauögeber burd) Mueuiabl beö befonbero
libarafteriftifchen, teilweife fogar burd) zahlreiche r>ortrefflid)e Xtt*
merfungen, eine wcrtoolle Vorarbeit gcleiftet f)aben.
2lu biefe Bolfolieber laffen fid) brei ncrfd)iebene s])2aftftäbe legen :
ber l)iftorifd)e, ber fulturbiftorifcbe unb ber litterarifd>e. $hr
hiftorifeber silU»rt ift im ^ergleid) JU ben gleichzeitigen ^rofa;
quellen gering, bod) barf man it)n aud) nicht aümfet)r unterfdjäfeen.
©inline Ifreigniffe finb mit einer breite unb ©enauigfeit gefebilbert,
iuelct)e ben nnrflich biftorifdjeu Earftetlnngen nur wenig nadmebt.
80 wirb unö $. bie 8d)lad)t am meifum Berge redit jutreffenb
erzählt (Opel1) 11. (Sotm Wr. 17), begleichen erfahren mir niele
Crin^elheiten ber Belagerung &eibelbergs (Ditfurtl)*) 9fot 36) , unb
ähnliche ^ctUe gehören bmduuio nid)t ju ben 8eltenbeiten. Sparen
bod) bie Berf affer jener Siebet oielfach silugenuuigen ber großen
Begebniffe unb gut genauen Beobachtung ber Vorgänge einer
M Julius Optl unb ?lbolf ßofjn, £)rr breif?igiäb,rtge Ärieg. (Sine
Sammlung 0011 fciftorifäni (#cbid)tcu unb ^tofabarftcüungfn. pallf, 18H2.
») ftranj ©tlbflm ftrrif)err Don Xitfurifc, 2>tf fjiftortfa) .polittidjen
tfolfSlifbcr bc« bicifiigiäbrigfn Stvicgr«. .^crau«flecicbeii Don Start ^arijd;.
fceibflberg, 188-J.
200
flt^arb SWüllrr
8d)lad)t ober eines ftelbjuges burd) ibre militärifd)e (Srfabnmg
maudjmal red)t wobl geeignet. £ie Belagerung von 523reifad> $.
befingt ein .Hanonier (£itfurtb üir. 112); als Serfaffer bes Siebes,
„in iueld)em vmbftenbiglid) uenuelbet wirb, wie es am Sage
"üMargretben beu Eroberung ber Stabt £>alberftabt 1643 zugegangen",
nennen ftd> am 6d)luffc jwei 8olbaten, welaV „gerne guten Srei-
batjn" trinfen. Damit foll natürlich nid)t geleugnet werben, ba§ bie
Auslagen biej'er ^erfoneu burd) ihre ^arteiftellung ftets getrübt
luurben ; allein wo blieb aud) bei ben Damaligen künftigen ^iftorifern
bie Cbjeftivität? $n ber ÜHotivierung ber (freigniffe möge ben
letzteren allerbings größere ^Habrbeitslicbe juerfaunt werben, in ber
betaillierten 8d)ilberung eineo beftimmten (Sreigniifes aber, namentlich
einer mtlitärifcrjeit Operation, finb bie ^olfslieber oft juuerläfftger
als man juerft meinen follte.
^n weit ftärferem ©rabc ift ber litte rarifebe &*ert bieier
lieber unteridjäfct worben. iHUerbings beftebt ftnuföen ibnen unb
ben (Srjeugniffen bes älteren biftorifeben ^olfsgefangs, mit benen
man fie ftets vergleicht, ein bemerfbnrer iUbftanb, allein fo auf
fallenb, wie man es mel)rfad) bargeftellt bat, ift berfelbe feinedmegs.
2lucb im 16., ja fogar im 14. unb Iii. ^abrbuubert geboren bie
wirflid) guten lieber zweifellos \\i ben flusuabmen, unb es ift
einfeitig, bie gebier nur bei ben liebem bes 17. 3«brfmnberts
\a betonen. Allein, felbft jugeftanben, baft im grofien unb gamen
gegen frühere Seiten ein 3infen ber poetifdjen .flraft unoerfennoar
ift, fo fügt mau biefen Mriegsliebern burd) einen berartigen ^ergleid)
entf Rieben Unredjt *u. Sie Dürfen nid)t ohne weiteres mit jenen
älteren lurifd) epifd)en Diebtungen in parallele geftellt werben, weil
fie — wie aus bent folgenben erficbtlid) werben möge -- ganj
anberen ^werfen Dienten unb bemgemäf? aud) gan* auberer 9iatur
finb als jene.
3wei ßigeutümlid)feiten treten uns bei ibnen befonbers auffällig
entgegen unb geben ibnen ihre Signatur: einerseits bie Neigung jur
^arobie, anbererfeits >um Dramatiicben. Das ift aud) febr bc^
greiflid), beim - worauf es ja liier anfam — gerabe biefe beiben
formen ber Didjtung finb vornebmlid) geeignet, auf bie iWajfe
agitierenb zu wirfen. Die populäre "Wirfung bes DramarifaVn
leuchtet von felbft ein. Die sJkuobie wirb baburd) oolfstümlicb, baf?
fie uns auf eine gebeime Begebung, einen verteilten Sinn irgenb
eines Portes ober l'iebeo aufmerffam mad)t, ber uns bisber entgangen
war, ober, allgemeiner ausgebrürft, Haft fie uns etwas Aertigeo
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tlebrr bic faftortfäen 8o(f«liebev bcS 30jä$riflen Ätirge* 201
tünftlid) in einer 90115 unerwarteten Beleuchtung jeigt. Jür berartige
(Enthüllungen unb Goups ift namentlich bas große ^ublifum ftets
fehr banfbar. &*enn alfo etwa in unferen Biebern bie .jefutten ai§
bic 3efuiir«iber bezeichnet würben, fo mar ber — natürlich meift
uubemußt — oerlaufenbe pfndjologifcbe ©ffeft, baß ber gemeine
SRann aus bem $olfe überrafctjt mar zu eutbecfen, wie fidt> ja hier
bereits burch ben tarnen ber antidniftliche ©eift btcfer ©enoffenfdjaft
r>errate. 2lud) tjeute nod) wirb ja bas oolfstümliche 2)enfen bura)
berartige unberechtigte 2lfjociationen beeinflußt; man barf fid) nur
bes Beifalls erinnern, ben ber zufällige ©lekhflang bes Ramend
s3topoleon mit bem in ber lUpofalppfe prophezeiten 2lnticf)riften
Slpollnon gefunben t)at. Selbft ber ©ebilbete mit feiner Vorliebe
ober Abneigung gegen manche tarnen unterliegt biefer allgemein
menfd)lid)en Schmädje: bewußt ober unbewußt h<" fic^ mit einem
Derartigen Sorte eine ausgeprägte ©mpfinbung affoeiiert unb tritt
beim Klange beofelben heruor, um ilm fympatf)ifch ober antipat^ifd^
ju becinfluffen. tiefer Vorgang muß in jenen naioeren Reiten
ungleich ftärfer gemefen fein, benn man bebient ftd) feiner in auS;
gebehnteftem Sttaße, um bie öffentliche Stimmung ju becinfluffen.
Spinola mürbe als bie Spinne bezeichnet, ber „Sueb" mit Um*
fehrung ber Suchftabeu als SDeus, ^Ibolf etmas fehr erfunftelt als
2U>elf)ülf, $rag als bie s^lag, SaUenftein als 3ltten ein Stein, ein
33ifchof als ein Bis 21 ff, bie üiga leitete man oon lügen ab, bie
böhmifchen $ireftoren hießen bie 3>eftruftoren, ben tarnen b<»6
oerhaßten Kanzlers (ilefel fdjrieb man (>. efel (= 150 ©fei),
flagenb rief man aus, baß burch ben fortioährenben i)iuf
2llarm = a l arnu-s fd)ließlid) „alle arm" geworben feien, unb ganz
treffenb mürbe bie Konföberation ber Böhmen als Äonfufion bezeichnet.
ÖS märe nicht benfbar, baß man fid) in berartigen SBenbungen, bie
uns h^tte nur als leeres Spiel erfcheinen, immer unb immer roieber
gefallen h&tte, menn biefelben auch bamals ganz erfolgtos gemefen
mären. 2lud) lehren bic mannigfachen Befdjroerben ber getroffenen
<perfonen, baß man fid) ber bisfrebiticrenben Söirfung biefer ftachlichen
Sortoerbrehungen recht gut bemußt mar. 9iodj tiefer oerlefcten
natürlich bie ausgeführten sJ*arobieen, bie in geiftliche unb roeltliche
geteilt merben fönneu. gür bic erfteren maren bie Bibel, ber
Katechismus unb bas Kirchenlieb bie beliebteren Vorlagen. So
lautet z- ein „päpftlicbes Baterunfer" (Dpel S. 32): „Unfer
Bater, ber ^apft, oemnbeiliget merbe bein Siame, umfomme bein
fteieb, bein &<iU oergcljc mie im Gimmel alfo aud) auf (Srben,
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202
Warb SHütter
unter täglich $rob [Helft uns armen beuten unb oergibft uns uniere
Scbulb, unb bift bod) felbft bes Teufeid Sd>ulbiger, unb fü^re uns
nidjt in Verfluchung, fonbern ergib btd) bem Vöfen, Denn bein in
fein Meid) unb bie Kraft feiner (Sreulidtfeit, ber Teufel tjolet (hole)
ben Spapft in (£wigfeit. 2lmen." Wlan bat bäufig über bic in
folgen sJJarobieen licaenbe Sßrofauation geflagt. T)od) wirb babci
gewöhnlich überfein, bafe bie Verfaffer ben geheiligten Te^t feinem
wegs bireft in ben Staub jieben, fonbern il)n ftets burch anbere
Parteien ober ^erfonen — fykx burd) ben ^apft — entwürbigen
laffen. T)ie Verfaffer felbft finb im ©egenteil gerabe oon ber
Schänbltcbfeit einer berartigen (Entheiligung burdjbrungen, machen
ben Sefer barauf aufmerffam unb forbem ihn gleidjfam jur 2Wit=
entrüftung auf. greilid) märe jenen Tutoren oor$uwerfen, bafj fte
felbft ja erft bie sJ$rofanatton fchufen, inbem — um oon unterem
gallc $u reben — es ihnen ja recht gut befannt war, bajj ber
sJkpft nicht in biefer 3lrt bas Vateranfer bete. Mein mit bemfelben
fechte tonnte man bann fchliefjlid) auch einen Tramatifer für
eoentuelle gottesläfterliche Neben feiner giguren oerantroortlicb
machen. Ter 3wetf eines litterarifchen Crrjeugniffes barf eben nie
aufier acht gelaffen werben : liier tollte burd; eine fingierte ^rofonation
gegen bie angeblichen ^öfterer bes ^eiligen Stimmung gemalt
werben. (5s oerfteht fich oon felbft, bafe hiermit bie fachte, ja
iviberioärtige 3lrt einzelner ^ßarobiften nicht entfdmlbigt werben
foU, oon Denen 5. V. einer ben fchönen fed)ften ty)aUn folgenbennajjen
oer^errt: „3ch bin fo mübe oon Streichen, ich fcbwi&e oor Slngft
in meine §ofen burch unb burch, unb uet$e(t) meine Unflat mein
Üager. 9)teine ©eftalt ift ocrfallen oon Hüffen unb ift braun unb
blau geworben, benn ich allenthalben gefeilt werbe" (Opel S. 3
Vers 6). -iDteift wirft jebod) ber plumpe (Stuft bes Vortrags mehr
harmlos als abftofeenb. „2i*arum toben bie Spanier unb bie
^apiften reben fo oergeblich? Ter Äönig oon Spanien lehnet fia)
auf, er unb ber Spinola rathfchlagen mit einanber wiber bic Staaten
unb ihre ©efalbten" ruft (Opel S. 30) einer jener Sänger ans
unb fügt warnenb lunju: „ÜÖol bem, ber nicht wanöelt im Math
ber Spanier, noch tritt auf ben &>eg bes Spinola, noch H&ct n'°
bie ^apiften fifeen. Sonbern tjat Üuft $u ber Union unb rebet oon
ihren 2lrtifcln Tag unb Macht." Manchmal wirb im 2lnfdjlufe an
bie biblifche ©r^ählung eine gefälligere Sirfung erhielt, wie etwa in
ber folgenben ^arobie bes ©oangeliums Wattbäi (4—11): „$n ber
3eit warb ber ^faljgraf geführt in bie caloinifche äßftfte oon bem
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Urber bie ^tßoriftytn «olfölieber beS 30 irrigen Äriege« 203
Ijoffärtigen ©eift, auf bafe er oon feinem SBeib oerfudjt würbe. Unb
ba er aUeö bas Sein uer^eljrt unb uertt)an t)ärte, barnad) hungerte
itm. Unb bie SHerfudjerin trat $u itjm unb fprad): „33iftu eins
(Sburfürften <Sofm, fo fpridj, bafe bie bötnnifdje Stain $u $rot
werben, bafe unfere Äinber ju leben ^aben unb ju effen fwben."
Unb er antmort unb fprad): „9tit allein im $rot fönnen fie leben,
fonbern fie müffen bie Jillofterfuppen, Stift unb ©ottesfyäufer barjju
haben." 2)a natjm ifm ber ScultetuS, fein £ofpräbicant, mit ilmt
in bie grofee Stabt sßrag unb führte it)ii in ben Tempel hinauf in
bie 3d)lofefird)en unb fprad) ju ümt: „$3iftu ein bötjmifdjer Äönig,
fo ftärj biefe Silber unb &eiltt)um tnnab; benn es ift gefdjrieben,
ber oon ;Ttmrn ^b fanen Wienern befohlen, fie werben bie filbeme
unb gulbene Silber auf ben &änben bart)on tragen, auf bafe fie
nit etwan an bie Stein uerlefct werben." 2)a fprad) ber ^faljgraf
roiberum: „(Sä ftefje bei (Saloino gefdjrieben : 3öir fotttens perfuc^en."
Unb er liefe fie binabftürjen. Slbermal nafym Um ber ®raf oon
2burn mit if)tn auf ben weifeen v#erg unb jeiget i^m alle 9töd)
ber SBelt famt ifjrer &errlid)feit unb fpradj: „$as Mee will id>
bir geben, wo bu niberfieleft unb (Saloinum anbeteft." $a fiel er
niber unb liefe fein &ofenbanb bahnten. ®a oerliefen fief) bie
Teufel, unb fiefje: bie (Snglänber wollten tym nit metjr bienen.
Darum trat er ju ben ftouanbern unb wofmet bei ben wilben
Xfneren, fonft tmtt er rndjt ju effen" (Cpel <5. 99).
33icl $af)(reid)er inbeffen als bie geiftlid)en ^arobieen finb bie
^Jarobieen auf weltliche Seyte. &ier fpefulierte man weniger auf
bie fittlidje ©ntrüftung, als auf bie Tlaä)t ber 2)hifif unb oolfd-
tümlicben ^oefie, benn burd) ben Mnfd)lufe an beliebte Stfolfslteber
war ber ^arobie oon oornberein eine gewiffe Popularität ftdfjer.
3m allgemeinen parobierte mau weltliche lieber freier als geiftlidje
Xerte, bei benen man fid> möglid)ft genau an bie Vorlage galten
mufete, weil nur fo ber Unwillen bes &eferö erregt werben fonnte.
9öeltlid)en Biebern folgte man bagegen häufig nur in einigen
Strophen, um bann felbftänbig fortzufahren. Gin gutes Seifpiel
bafür liefert bie auf ben Äarbinal Wiefel $ugefpifote parobie, beren
i^orbilb wir jur si>ergleid;ung barunter fefeen:
(Sin fööneS »lifjerlieb oon Äarbinal Slefel ($itfurtb, Wr. 5).
dti ift fein S$net gefallen, SJiel ©ut f>ab ia) erworben,
Oft nod) in @ommcr*jett, 2)aS ffiauben war mein ftreub,
2>oa) wirft man mi(b, mit ©allen 3ft nun mit ein« öerborben
«1* ob ber SBeg t>erfd)neit. *U $ra$t unb $errlta>tett!
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204
Micbarb SWUlIer
SWein $au« — gefallt mir Ubtl — ©o ip all mein öejpunnpe.
SBerfdjueiter SScg. •)
©« ip ein fdjnr gefallen
unb ift e« bod) nit jeit,
man wirft mi$ mit brn patlrn,
ber 2Beg ift nur ürrfcftueit.
SRein bau* bat feinen gibel,
e« ip mir worben alt,
jerbrodjen ftnb bic rigfl,
mein flüblein ip mir falt.
8d) lieb, baß bidj« crparuicn
bajj idj jo eleub pin,
unb fdjleufj mid) in bein arme!
jo eert ber winter bin.
3Hie man fiefjt, ftnb Str. 2 unb 4- 7 ber ^arobie freier
3ufafe. einigen fällen finb bie Öejiefmngen ^mifc^en Original
unb ^arobie nod) lodercr. ^n ber s}>arobie beß fogenannten ^^»^en-
fcrmiibts" (fcitfuttf) 9ir. 28) fet)lt jeber birefte ^nfajlufe an ben
meitüerbreiteten ©efang, bagegen föroebte bem "^arobiften otjne
3tueifel bie ©runbibee beo Criginalliebes oor. Xovt Imnbelt es
ftd) nämlid) um bie auf #efet)I eines SWarfgrafen uon Skben erfolgte
©efangennafjme beö berüchtigten Siäubere £inbenfd)inibt, in unferem
$aUe wirb ber oergeblidje ikx)\id) beö 3)farfgrafen ©eorg Jriebric^
uon Saben gefd)ilbert, in ber Sc^ladu" oon Wimpfen
befiegen. ©erabe roeil biefer ^crgleid; wegen beö gan* perfcfyiebetu
artigen Ausganges fo unsutreffenb ift, mag ber s^arobift auf
ben wörtlichen 2lnfd)Iufe üerjidjtet Imben, bagegen oerfagt er eö
ftd) niajt, Xilln mit bem genannten s3)torbgefeUen in parallele
$u ftcüen.
') Sbgebrudt bei o. Ptliencron: £cutfc$cS leben im *olf«lieb um 1530
(Deuiidjc giationallitteratur oon Äßrfa>«er, *b. 13).
$at einen anbern $ervti,
Xnig einen Poljen ©iebel,
darauf ein glilben ©tern.
Sie ©piuneweb perpört:
W tlraftif, m$ unb KunPe,
©inb wiber mid) gefeljrt.
#att' mir aud) außerrcäljl't
SJiel Dorna« mertb unb jung;
Damit ip nun gefeblet,
ftort fiub* mit einem ©prung.
«Kein £cfcen, ^reffen, SRorben,
©o mir groß ftreub gemacht,
3P nun jnr gölten worben,
Darin ber Xeufel lad>t.
Unb jolajfö bö# «efdride,
Den fDiiiterfdjnec unb ©türm,
^radjt mir im ttugenbfide
Ter fefcerifd) (Urafe Iburn.
»4 $abp, laß bidj erbarmen,
©eil gar fo elenb bin,
Wimm mid) in beiue Slrme,
©anft fabr tu ©Ünb bar)in! —
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Ueber bie f)ifiorif<$cn SJoltSlieber be8 SOiäbrigeu ÄriegeS 205
Sßarobieen, roeldje in aar feiner teytlicf)en Sejiefmna. $um SBolfe liebe
ftetjen, fonbern nur bie 3)telobie beöfelben benufcen, ftnb feiten,
aud) Dcrbienen berartiae Stütfe nidjt mef)r als ^Jorobieen betrautet
$u werben.
Sdjon in ber 2ßaf)l bes „£on$" tag in ben meiften gälten
eine finnige Slnbeutung ober mandnnal and) eine fcfyarfc Spifce.
itarbinal (SIefel unb ber vMnterfönig mußten $. 93. im £one beö
„armen 3ubaö" it)re tonefünoer lieber uortragen:
Dttfurtb 9lr. 4. Dttfurtb 9tr. 14.
O icb armer ßlefel, O bu armer SEBinterfönig.
ffia« fyab i$ getljan, SaS bafnt getrau,
Dajj tyt auf ein (£fel Dag bu gar fo rotberfpännig
Stetten muß barüon? Dem Äaifer ntmmfi bie flron?
SBar be« JBapfJS GJefetie, Drum mußt bu billig metben
Unb be8 ÄapferS ItRatb, Die Sfcur unb ®b&mer-$?anb,
©a{? birf an ber Ouetle Unb mu&t 9Jot^ barju leiben,
«rger 2RiR"eü)at. großen @pott unb ©#anb.
Kyrie eleison.
Originallieb (l'iliencron a. a. O. @. 227).
O Du armer 3"ba$,
road bajiu getfjan,
Da& bu beinen #erren
alfo »erraten r>afl !
Darum mufht leiben
in ber helle petu
PuciferS ©efeHe
mufiu eroig fein.
Kyrie eleison.
Seine fveubtaen ßmpftnbunaen über bie £d)lad)t am meifeeu
23era,e läfct ein Statljolif uad) bem Mannten ^iebe folgenbermafcen
ausgingen:
In dnlci jabilo 9htn finget unb frib frob!
Unfcr« ßerjen Sonne
Piegt im Collegio,
Unb leuchtet als bie Sonne
$n Pragae gremio.
Alpha es et o! 0 Alpha ex et o.
0 virgo regia, O Jungfrau SWaria!
?afj und nit von bir meinen!
Tibi lans iuclyta!
JBir föimen« nit Dergleichen,
Jara in Bohemia
@einb rotr unb bleiben ba, Seinb roir uub bleiben ba.
a. 3». <&. <W.
Ntdjarb Mittler
2luf proteftantifcber Seite bagegen flaute mau über bie „(daueren
Seiten" im Xone: „En SBafferftüffen Babylon" (Ditf. ^)ir. 52):
?lu« f>od)betrübtetn Btutb. unb £erj
«in fläaUd) ?ieb ju fingen,
SJon 3ammer, ©lenb, Ängft unb ©djmerj.
2>if Piebe midj tbnt jroingen,
Qfür in ein betriebte« $aterlanb :
fceutfdjlanb, an'« <£nb brr ©fit brt«nnt
SBarftu in alten Sagen,
ffian idj 6ebenf wie 2)eine ftreub
@id? b.at oerfetjrt in Xraurigfeit,
$d> mödjt für Peib berjagen.
Übrigens ift biefeö *>ieb, nrie manche auberc oon ähnlicher tätige
niemals roirfltd) gelungen morben, benn welker Sänger bätte roohl
bie Segeifterung gehabt, 28 jeweilige Strophen im langfamen
Xempo oorjutragen. Sei bieten ©ebichten, meldie eine 3Wittelfteflung
jroifchen ben gefungenen unb ben chronifartigen Siebern einnehmen,
biente ber £ütroeis auf ben „£on" alfo nur jur Öejeidjnung ber
Stimmung, in ber fie aufjufaffen mären.
9iid)t minber ftarf nrie bie Neigung $ur Sßarobie mar ber £ang
jum Eramatifchen. Auffällig unterfcheiben fid) fnerburd) bie lieber
beo auögetjenben 16. 3rthrhunbert« unb ber erften j&älfte bes 17.
oon ben übrigen hiftorifd)en Biebern unterer Nation, ohne baj? man
bisher immer genügenb auf ben 3ufammcnhang biefer (£rfd)einung mit
ber allgemein bramattfdjen Dichtung jener ^eit tjingemiefen hätte. $er
bramatifdje £rieb mar Damals fo ftarf, bafi er fid) aud) auf Imi
fdjem unb epifchem Gebiete geltenb machte, mo er natürlich meifteno
Schaben anrichtete. 5öo ftdj nur irgenbeine Gelegenheit finbet,
^erfonen einanber rebenb gegenüberstellen, ba mirb fie auch bc
nufet; fleinere 'ilnfäfee jum Dialog finben fid) allenthalben, unb ge-
roifj an 2() ^rojent ber erhaltenen lieber baben ftellenroeife gerabew
bramatifdje gorm, — bie ja aud) einer fo mit ©anblung erfüllten
^eit bie angemeffenfte mar.
2Bie gern man felbft in ein rein Deffriptioes Gebid)t Heine
bramatifdje 3ntermejji einjuflechten geneigt mar, bemeift j. 9lr. 29
bei S)itfurth, betitelt : „Sßahrbafte «efebreibung ber grofeen Sd)lad)t,
fo gefdie^en smifeben bem Grafen oon s))iausfelb unb &er$ogen oon
jöraunfdjmeig eines ^heilo unb £)on (Sorbooa auf ber anberen
Seiten ben 2<J. xUuguft biefeö 1622 Jahres snnfdjen Gcmbeloers
unb giert) oorgangen." Tie erften brei Strophen behalten ben
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Ueber bie f>if*ortfc$cn 3*olf*lieber beS 30jäbrtgen ffrtege« 207
ersahlenben £on bei, aber in ber werten Strophe entmicfelt fid) ein
flciner Dialog:
4. (Sin Xrommeter (am geritten gar allein
Unb fpradj: „Sorbooa, ebler $erte mein!
£er SKanSfelber lägt fragen,
Cb man itjn laffen paffteren will,
Ober ob er muß flogen."
ß. Corbooa b&tt otel «aurn in feinem $eer,
<£pra$: „3* will fireiten nacb ritterlicher Cbr
«Kit brn Hian«felbifd>en Änecbten."
Der 9Ran$felber roieber jur Äutroort gab:
„ÜRit SBauren ifi nid)t gut festen".
$od) möchte berglcid)en nod) wenig befagen, ba wir and) in
SBattaben an bramatifd) belebte ($infd)iebfel gewöhnt finb; niele am
bere unferer lieber fteben aber gerabeju auf bramattfdiem SBoben.
£)ie sJ)iebr:,abI berfelben finb Dialoge, in welchen bie rebenben ^er-
fouen ober Parteien ganj wie im £>rama mit Warnen eingeführt
werben, fobafe bie Bezeichnung berartiger ©erfe als „lieber" — wie
biee bennoa) gemötmlid) in ber Überfdnnft gefcbieljt, red)t unjutreffenb
ift. 3" fold)en Dialogen begegnen uns u. a. öuftau Slbolf unb
Ziüi) ($itf. Wr. C>5), ber $apft unb tili« t$itf. Wr. 91), ^etrus
unb Äarl ber ©rojje (2>Uf. 9ir. 90), ©aUenftein unb 2ob (£itf-
s3?r. 108). Xnpifd) finb bie ^miegefprädje jroifdjen einer belagerten
Stabt unb bem barwr behnblidjen ^einbe, wobei Xiefeterer bie Molle
be$ greiers, bie Stabt bie Molle ber umworbenen 3ungfrau über-
nehmen. $n biefer 2üeiie bemühen fid) SBaUenftein um Dürnberg,
2lrnbeim unb SBallenftein um Stralfunb, £ifln um 2Wmben unb
namentlich nm 2Jtagbeburg. ©clang e$ ber „Braut" ben 9(nfturm
beo Ureters jurütf jumeifen , fo rief fie ihm wohl eine fpöttifdje Be;
merfung $u; wie B. Dürnberg t>em ab^iehenben SMenftetn ben
höfmifchen Matt) giebt (£itf. sJfr. 100):
(örlt, 2i*atlenfiein, bu bafl bie ©raut?
©eb, put} Sein ©ofdjen braufj! —
3m anbem gälte aber flagte bie „3ungfrau" um ihre „nerloreue
(S*l)re", wie namentlich 5)Jagbeburg, bereu (Eroberung burd) Silin
uielfacb als eine „Sdjänbung" gebranbmarft würbe. Überaus bra=
matifcb wirb uno bie Xtlltifdje Brautwerbung bei ftitfurtf) 9tr. 60
üor 3tugen geführt ; hier haben wir eine regelrecht ausgeführte Scene
oor unö. sJiur äußerlich ift burd) Beibehaltung ber achtteiligen
Strophe bie fciebform angebeutet, — ber Dialog burchbricht biefe
Jornt an oielen Stellen, unb ed)t bramatifd) praffcln ^eile um 3eile,
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208 Mdjarb äRüüer
$ebe unb ©egcnrebe fdjlagfertig, auf einanber. 2lud) bie ^nbioibuali-
fteruna, ©errät entfd)iebeneö bramatifdjeo Talent, fie wirb aupcrbem
fef)r burd? beu fprad^lic^eit tfontraft beiber Figuren unterftüfct, inbem
„3)toa,bebura." ein t)öd)ft originelles „Sädjftfd)", Silin ein etwas ae=
jierteö &odjbeutfd) rebet. 92ad)bem Üefcterer ber „graf SHabatn"
tnele Äontplimente aemucbt unb fi$ auf itir befragen als „großer
&ricgöf>elb" uorgeftellt bat, bringt er in „^üdjten unb in Gfjre" feine
3ßerbung an. 6ie aber weift ifm mit ber braftifaVn ^otioieruna.
ab, bajj er ja ein SBerfcbnittener fei:
SiUö.
@tr. 14: fagt »on einem 3Ranne?
3$ bin ein 3unggefeU.
SUtagbeburg.
3d ene jung 9Rabane (iWabame).
X 1 1 ( t).
2)rum bin i$ Ijiev jur ©tcU.
SW a g b e b u r g.
Ob, nein! 3UW «rf ni*1 neunte.
Ii 11
2Ba* xft't benn, ba& 3bj launt.
SRagbebnrg.
Odj, bie Webe td mi fdjäme:
SWan fagt, ®i fixb fapunt.
#efct f>at fie feine Öunft oerfdjerjt ; nmtenb fdnmpft er auf bie von
tym foeben nod) als „ehrbar unb tugenbfame Jungfrau" flejeidmete los:
ItUp.
©tr. 15: <&i, fdjä'me 3>i<b, Xn tfHetjr,
©djäm 3)itb, bei meinem Gib!
Xa i<b bie« Ijöret jefce,
ffiar mir'* üon $erjen leib,
$afj eine Jungfrau Hüffe
$ierbon &u bi8curirn.
Sollt, baß 3br trätet »ufje,
Sollt eud) felbfl abfolbirn.
^iidjto weniger als ^erfnirfdjt fragt fie itm erftauut:
©tr. 16: ©tnb (8i benn uidjt cafhiret?
unb giebt ibm, obwohl er bies heftig in silbrcbe ftellt, bennod) einen
Äorb, ba itjr ein SHÖnd) nid>t beijage:
©tr. 18: SWönrtfleiftf} fömmt mt nid) eben,
$e mot fin ^ober gebor'n.
2U* lillt) fie nun »oller (Siferfudrt bes Umgang* mit Dem Sdnueben
befdmlbigt, erwibert fie fdmipptfd) :
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UebM bir l)ifioiifd>ftt $olf*lifber bf* JOjätjrigrn Kriege« 209
Str. 2»i: «eter ft ja ein Äönigf —
$olt i<f, wo irf nicpt tod —
fll« ein t>erf*oren SWöitnigf,
SJfennt einer ja Rn foD.
Tiefe SEBorte finb burd) fetten Xntcf hervorgehoben, offenbar füllte
üt itinen ein politifcheö Wlaubenobefenntnio jum IHuobrutf gelangen,
lilli) brobt mit (gemalt nnb jablt ftolj bie lange Weibe feiner
&elbentbaten auf , SKogbeburfl ober jieljt alle feine Prahlereien ino
Väterliche unb forbert ihn idjliefjlid) auf, nur näher beratHufommen
Denn er fid) getraue:
Str. 4«: Unb wollt löfflen mit mt;
£öft, fcier finb 3t 3um'S CSlifen,
Äümmt mi nun neger bi!
derartig geteilt, forbert Xillu in heftiger $l>ut unb mit großem
äitortfcbroatt feine „Deuter unb Kued)te, (Saritain unb (SoloneU" pim
Sturme auf:
^tr. 4t: ^flanjet balb bie Äartaunen,
(Urabt, werft bic Sdjanjen auf!
SBir molTn ju 3^ einraunen,
Sepb frrtifl )um Anlauf!
faßt ba« ©efpiel cridMlIru.
?ajjt ifjr fein fflaft nod) ÜRu&,
ftlanfiert, baß e« tfjut ftta&cn,
Stürmt auf bie $ure ju!
SWagbeburg, naebbem fie ©Ott um Söeiftnnb gebeten, erläfu einen
ebeufo wortreichen Armeebefehl, ber mit ber blutbürftigen Xuffft*
berung fcbliept:
@tr. 47: Sdjetet, Ijawet unb ftedet,
Ktt, nu ift'* f>ot>e Xieb!
$e ©d>waben e&m torbrefet
Zor rerpt'n unb linfen Stet.
l*s gelingt ber refoluten „SWabome" au* nrirflid), ben erfteu Sturm
objnfdjlagen, unb mit ihrer Bitte um ferneren iöeiftanb beö gimmelA
fdjlieüt ber erfte „Ibeil". £ao .«oeite Stücf bagegen, in ftorm unb
Öeift bem erften älnilid) „begreifft ben aubem Stomt nnb (Sröberung".
Öeibe ©ebiebte finb htltnrgefdncbtlid) febr roertooll, unb mir werben
meiter unten nod) mebrfad) barauf jurütfutfommen haben. $ier ift
bas grope bramatifa)e töefd)icf beruor^ubebeu , melcbeo fid) in iiineu
offenbart. s])tit wie fieberer &anb ift ber (Begenfafc jroifcben ber
robuften, berben, einer 8attembinte ähnlichen „.^ungfram" unb beut
feinen intriguanten „ISauallnr", bem „SRonfteur TiUrj", burdjgefübrt,
meld)er fortmäbreub }ttrif<$en Siebe unb $on\ bin unb Ijergemorfeu nritb.
.Scitfdmit für ilulturfic{d)i(btc. IL 14
210
Xod) be^nü^te man ficfj feineömegs immer bamit, nur jiuei
^erfonen auftreten ju laffen. 3ft tem bei $)itfurtl) 9ir. 47 abge=
brueften „J^tebt" werben mir in baö Säger ber ßaiferlidfjen oor
Otralfunb perfekt, unb eö entrollen fid) oor unö Sceneu, bie »roar
nidjt iljrem 2Öerte, woljl aber itjrem 2öcfen nadb, mit Sdullerö
„3itallenfteinö iiagcr" oerglid)en werben fönnen. (£ö banbelt fic^
I)ier nid)t mebr um blofje ßtefprädje, fonbern um ruirflidjes ®e-
fdjefyen, ja ber Siebter giebt fogar, ganj wie im 2>rama, Bülmeu
anmeifumVn. (Sine grofee $a\)l s#erfouen werben unö oorgefübrt:
faiierlid>e Solbaten, weldje bejeidmenbe Tanten fuhren, wie Sprich/
groß, Mötflofe, Suputb (eaufauö), ^lubberug, ftumbfatf, Sirumbei,
(Stufcwalb, öanjweife, $albtoll — , ein TOna), ein Trompeter unb
enblid) ÜJiarfdmll 2lrul)eim. ©inige „iWeurtcc" unterhalten fia) über
bie beoorftefjeube Belagerung, ein anberer fingt ba^tuifc^en ein Sieb,
unterbeffen fommt ein iiHittmeifter t)in$u unb läßt $uin 3iufbrudj
blafen. $ann werben mir in ben Äriegörat eingeführt; bie be-
treffenbe 2lnmeifung lautet: „Seil'n fie ben %t\nt) in ber SDrbmntfl
gleid)fam ferjen, fobert ber sDiarfdjall Slrntjeim bie oornerjmften STfft-
cieren $u fid) unb fprid)t." 9iacf) ber Sinfpradfje beö SDlarfdjiUa
oerönbert fid) bie Scenerie roieber; mir ftet)cn bei ben Borpoften,
bie fid) auf bie in ber Stabt ju erfwffenbe Beute freuen, bis ein
2luöfaU ber (Stralfunber biefe ®efpräd)e unterbricht. 3Werjrere fitere
©cenen fd)ieben fidj in bie &aupttmnblung ein ; u, a. tritt ein 9Rönd>
auf unb prebigt, ärjnlid) roie ber Sa)iflerfd)e Äapuciner ben cut-
mutigten Äaiferlidjen ein fonberbares Ave Maria oor, baö in ber
Bitte gipfelt :
<Str. 34: «orevfl, o ÖJotte« SKutter,
SDiaria, q'itb un8 Jutter,
©olt, (Melb unb aäjumal.
Sa)lief$licb werben bie Äaiferlidjen oon ben Stralfunbero bauernb
juriitfgefajlagen, unb ber $idjter felbft fpridjt eine 9lrt ©pilog,
worin er für bie 6tabt um ^rieben bittet. 2)aö ©anje ftebt
in funftlerifctyer £iuftd)t weit hinter bem oben befprocfjcnen $>ialoflc
surüd, allein eö nähert fid) formell nod) mebr als biefeö bem nmt
lidjen $>rama. ®er Berfaffer, ein „^eregrinant auf) fernen Vanbeit",
nennt fein 2ßerf ein „Colloquium"; wir muffen eö alo einen Über-
gang oon Bailabe $um Urania bezeichnen.
3n oerwanbter Stornier finbeu wir bei $itfurtb 9tr. 6fi bie
£d>lad)t bei tteipjia, bebanbelt; ber Umftanb, bafe bier in ber Über
fdirift auf ben „Ton" nermiefen wirb, in weld)em baö GkbicbJ
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lieber bie ^iftorifdjc» *$olf$liefcer beS 30 jährigen .Kriege« 211
oorjutragen fei, tann uns über [einen gan$ bramatifchen (Sl)araftev
nicht täuben.
sJHan bat besbalb bieten Dichtungen oielfacb Unrecht gethau,
wenn man biefelben mit ben tjiftorifdjen Biebern früherer Epochen
perglid) unb bann natürlid) einem für bie erftereu ungünftigeu
^efultate tarn. 4i>ir haben Mier oielfad) feine lurijchen ober eyifdjen
s^robufte oor uns, fonbern Mutagen mißlungene bramatifebe grag;
mente. "illö folche muffen fic beurteilt werben; man barf fie nicht
ohne weiteres mit bem aus älteren Venoben entlehnten 3)tofjftabe
mefieu, fonbern muft ihnen ihren oft feltfam uerfd)leierten. aber wohl
}u erfennenben bramatifchen Äcro alo l£ntfchulbigungsgrunb anredmen.
freilich, weil es meift total oerunglüdte ©rperimente ftnb, meil fie
im beften JaUe .S'mttergefa^öpfe jwifeben (£pos unb $)rama
repräfentieren, neben fie an Äunftmert ben älteren triftorifeben liebem,
welche ben epifdjen Stil oiel reiner innehalten, nicht gleid). 2lber bie
©rfenntnis ihrer bramatifchen sJtotur ermöglicht eo mentgftens, auch
t^ren *>or*ügcu gerechter $u werben, als bics bisher meift ^u gefcheheu
pflegte. Gs fterfen in ihnen eine gan$e 9)ienge wertooller bramatifdjer
Steinte, welche in ber frembartigen Umhüllung allerbings nicht $ur
(Snrwitfelung gelangten, bie aber, auf ben rechten $oben — bie
33ühnc — oerpflanjt, erhebliche sBirfung gemacht hatten. Belege
bafür, bafc es trofe ber im ganzen oerfehlten ©ntwitfelung nidjt an
einigen fetjr glürflichen (Entwürfen mangelt, werben mir im £aufe
unferer Sarftellung noch mehrfach geben. 3<or allem entnehmen mir
biefelben ber 2)itfurthfd)en Sammlung, auf beren hohen poetifchen
JBert fchon :öartfch in ber ^orrebe 311 berfelben hingewiefen t»at.
Allein auch bie litterarifche s#ebeutung biefer lieber wirb bureb
beren fulturgefdji cht liehen s2i>ert oöllig in Schatten geftellt
©erabe für eine ASeit, in welcher bie ganje titelt fid) fa)arf in $wei
Jeile fonberte, 100 fid) biete beiben Staffen mit oollem Jöewufjtfeiu
ihrer oerfchiebenartigen SHeltanfdiauung gegenüberftanben, ift eine
rein politische ©efdnchtsfcbreibung nicht imftanbe, ein erfd)bpfenbes
$Mlb ber h^rrfchenben ^uftänbe W entwerfen. $>enn in folgen
§poctyen, mehr als bei bem normalen Verlauf ber £>inge, ift bas
^nbtoibuum nur ein N&>erf$eug jener grofeen, eiuanber feinbfeligen
tfräfte — es glaubt $u fchieben unb es wirb gefchoben. H'ehrt bod)
gerabe bas SBeifpiel -iltallcnfteins, bafr aud) ber geniale SNenfcb nicht
imftanbe war, bamals einen felbftäubigen, oermittelnben 2i>eg ein$u;
fchlagen, fonbern baß er pon ben beiben Parteien wie oou jwei
212
Md)arb ÜÄüUev
SRtt^lfteinen jerrieben nmrbe. 2Benn es in ruhigeren ©pochen möglich
ift, bafe eine heroorragenbe Sßerfönlichfeit eine oon ben (Sympathien
ber 2)tenge faft unabhängige Bebeutung ju erringen oennag, fo roirb
bies fefjr fchmierig, ja oft unmöglich, fobalb fid) bie int Bolfe latente
Äraft erft einmal offenbart unb fid) ju genriffen 2lnfd)auungen ober
einem feften Programm oerbidjtet bat. $>ann oeriebminbet ber abfolute
Scrt eines ^nbioibuumö gegenüber bem 28ertc, welcher ilmt oon
ber 9Waffe beigelegt mürbe. aöenn es uns bemnacb gelingt, ben
lefctereu fefoufteUen, fo haben mir bamit zugleich auch bie Bebeutung
dargelegt, welche ber betreffenben ^erfon ober Dichtung für bie
betreffenbe 3eü jufam. $n böserem 3J?afee als fonft mufc alfo in
foldjen ©pochen bie fu(turgefd)id)ttid)e Unterfucfmng bie rein fnfiorifebe
Betrachtung ergänzen.
$ür bie (SrfenntntS ber 2)enfungsart ber bamaligen grofeen
sJ)Jaffe finb nun biefe Sieber eine unerfefcliche Duelle. 35er ©inblicf,
ben fie uns in bad ©mpftnben bes beutfehen Golfes geftatten, ift
bemjenigen oergleidibar, ben uns ein aufrichtig geführtes Xagebucb
in bie 3uftänbe einer einjelnen Sßerfon gemährt. Mes, roas in
äfthetifcher, ja in rein t>iftorifdr)er &inficbt ihren 2£ert Derminbert,
fteigert il;re fulturgefchichtliche Bebeutung, benn gerabe bie %orv\:
lofigfeit unb ber 3Jtangel an fritifcher Betrachtung ber $inge ift ja
ein Reichen ber SStabrhaftigfeit biefer £agebud)blätter bes beutfehen
Boltes. Unter bem drängen ber ungeheueren ©reigniffe fanb man
nicht bie 3cit, ein prunfoollcS ©eroanb jurechtjufchneibern , fonbern
fd>rieb nieber, was gerabe aus ber §eber flofc. 2lud> nicht einmal
fo oiel 3*it blieb übrig, bas fchneU ©ntftanbene su „jerfingen", mie
bas in früheren Xagen gefcheheu war. Äaum r^atte fidh für ein
Ereignis eine gewiffe topifche 3luffaffung h^rausgebilbet, fo trieben
auch fdwn neue Begebenheiten ju neuer ^ßrobuftion, unb bas Site
blieb in feinem unfertigen 3uftanbc liegen. 9Wan fönnte h^0110
oielleicht einen (SKnwanb gegen bie Bezeichnung biefer ©ebichte als
„Bolf$";£ieber herleiten, ein ©inwanb, ber noch burd) ben Umftanb
oerftärft mürbe, bafi fid) Dielfach Solbaten, 8tubenten, ^Jaftoren u. f. ro.
ausbrücfltd) als Berfaffer nennen. 6inb bas noch Bolfslicber, bei
bereu (Sntftefmng bas einzelne ^nbioibuum eben alles leiftete, mährenb
bas „Bolf" auch "i<ht einmal nachformenb mitroirfte? 3ro^fclIos
finb bie i'ieber bes Dreißigjährigen .Kriege« nid)t Bolfslieber wie bie
aus bem 15. ^ahrbunbert, an benen iebermann feine umbilbenbe
Kraft oerfudn hatte, abei es ftnb Bolfslieber in bem Sinne, bap
hinter ihnen bie gan$e Waffe bes Bolfes ober menigftens ber Partei
i
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lieber bie fyflortfäen HoItStieber be« 30jä&>igen Ärieged
213
ftanb, bcren ©mpfinbung fic $um Spradjroljr bienten. $>ie 9Waffen=
Ijafrigfeit bcr ^probuftion, foroie bie grofee Verbreitung unb 2ln=
ertennung, beren fid) einzelne biefer Steber erfreuten, beroeift biefe
Xljatfadje $ur ©enüge. 3mmer roieber treten und bie gleiten
©runbanfdjauungen in neuen ©infleibungen entgegen, fo bafc t)ier
ber ßinjelne lebiglid) als Vertreter ber SJtoffe, melier er angehört,
ju und fprid)t 3uglei$ vm&t uns bie grofje SJnjg&l ber Sieber
im Vergleid) ju anberen (Sporen bie heftige Erregung jener £age.
Äoum bie gretyeitöfnege laffen fid) funfid)tlid> tyrer ^ßrobuftioitat
mit ben Xagen beo begmnenben breijngiätjrigen Krieges in ^araßele
(teilen. Sßolfan4) tjcbt fjeroor, bafe 1619 allein über ben „2Sinter=
fönig" an 200 Sieber ocrfa&t würben, unb man roirb roof)l annehmen
Dürfen, bafe fid) ber Volfögefang um bie übrigen entfdjeibenben
«Perfonen unb (Sreignifie in annäfjernb äfmlidjer gülle geranft t)at.
$)ie ©efamtmaffe ber bamals entftanbenen Sieber $u beftimmen,
feljlt eö an genügenben Sfnfjaltöpunften, bod) ift eö fidjer, bafe fid)
ifjre 3cfyl auf Xaufenbe belief. ®a$ bleibt erftaunlid), felbft wenn
man erroägt, baß oiele biefer Sieber bie SRoHe ber beutigen 3eitungen
übernahmen.
2ln ber <Probuftion finb alle brei Parteien, &att)olifen, Sut^e=
raner unb (Saloiniften, beteiligt; in ben biöfjer oeröffentlidjten
Sammelroerfen überwiegen entfdjieben bie eoangelifdjen Sieber, unb
unter Ujnen roieber, ber ©röfee ber Partei entfpredjenb , bie oon
lutljerifdjer Seite oerfa&ten. £a man oorauöfefceu barf, bajs bie
Herausgeber nidjt einfeitig bie proteftantifd)en Sieber beoorjugt fjaben,
unb anbererfeits nid)t etnjufet)en ift, roie etroa über ben £r$eugniffen
ber fatfyolifdjen Partei ein befonberer Unftern geroaltet baben fönne,
fo entfpredjen biefe $>er()ältmffe ber tl)atfäd)lid)en s$robuftioität.
Ob man biefe (Srfdjeinung mit ÜBacfemagel 5) lebiglid) baburd) ju
erflären bat, baft bie Fatl)olifa)e 3Belt im 16. unb 17. ^al^rljunbert
fo gut roie (eine ^oefte befeffen tjabe, erfdjeint aber bod) nidjt oölltg
ausreidjenb. Sid)erlid) ift baneben aud) ber bei beiben £auptparteien
oerfdjieben ftarfe eintrieb ,,ur ^Jrobuftion in Jöetradjt $u sieben.
9)Jod)ten bie Äatt>olifen aud; noch fo erbittert fein unb ftellenweife
bie empfmbliajften Meberlagen crleiben, fo ijatten fic bod) im
•) 91. Söolfan, bcr SiMnterfönig im Viebe feinrr 3rtt. 3)eutjdje 3ett-
c^rift für ®ef#i#t$tüiffcnfcbaft. herausgegeben Don Ouibbe 2 (1889),
390—409.
•) 3n ber SJorrebe ju <£mil SeHner: Xic Fieber be« 30 jährigen
Äriege«. 9tad> ben Originalen. $ajel 1855. 2. Hiiflagc 1858
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>Hid>arb 9»(iflfr
allgemeinen bei weitem uid)t fo viel aufo Spiel $u fefcen als bie
^roteftanten, bereu Religion im ^alle bee Unterliegens unmieber;
bringlid) oerloren mar. Unsmeifelrjaft mußten fie fid) batjer weit
inteufiuer unb audi meit häufiger $um 9tu$fpred)en itjrer ^eforgniffe
bewogen füllen als bie Gegenpartei. $>ementfpred)enb umfafien aud)
bie proteftautifdien lieber einen ^rb^eren Mreio oon Stimmungen:
tflagc, &*nt, Spott, Hoffnung, Mefignatiou , 3ubel finb bie
tyäufigften, — wätjrenb auf fatbolifdier Seite oornetnnlict) bie
fpöttifdien unb triump^ieretibeu Vieber eine grofte Molle fpielen unb
ber (Jansen sDtaffe \i)x ©epräge oerleiben.
Vortreffliche Seifpiele oon Tronic gaben bie tfatbolifen in tyren
Biebern auf ben uuglücflidjen tfriebridj von ber v#falj, beffen
Stellung im Volfsliebe Sitoltan a. a. C. eingefjenb gcfd)ilbert tjat.
2lud) fonft mangelt ee nid)t an Sclegeu bafür, roäf>renb bie
proteftantifdjen lieber meift w erbittert finb, um ben feinen fatirifd;en
Xon rid)tig $u treffen. Das gab ben fatyolifctyen ©ebidjten manchmal
eine gemiffc Überlegenheit, bie oon ber ©egenfeite mobl empfunben
unb mit mafelofem ^ngrimme enoibert mürbe. $n einem febr
intcreffantett ©ebidit werben bie auo .Uärntben, Ärain unb Steiermarf
»ertriebenen ^roteftanten ironiid) als „liebe ©efellen" im beutfcben
Meidje miUfommeu gcbeifien. l*o beginnt ($itfurtb 9fr. 30):
©tr. 1: @ott voiQtomm, bu berlorner .fcauf,
2lu« Äärntben, Jhain unb Steter berauf!
2öie fdjlägt ber fJul«, rote fed)t U)r auf;
SBer man unb müb ift, ber eerf^uaitf —
?iebe ©e|eOfn!
Str. 2: SBaS bringt^ mit endj für i'umpengeftnb!
3b.r lauft bab,er mit $Seib unb ftinb;
2Bie bie 3ügeuner jieb/t brrum.
ÜWit eurem armen ?utbertum —
fiebe öefetleu!
Str. 3: Sin fraftig ffiSort euer feböne l'eb,r,
3ft eutt» fürroa^r ein fd>ted?te <5t>r;
©an ibr mit ad eurem Jöericbt,
#iu unb roieber in b' SJtufcl friert —
?iebe ©ejeüeu.
Str. 18: »Ja« fepb'* für loje fumpeuleut,
llntäuglid) ju eim foldjen Streit;
(Suer Viectjt bat gar ein bunfeln ©djein,
Xabei fetner miß SWartorer fein.
Hebe öefellen.
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lieber bie l>iftorifd>en ^olfdlicbrr be« 30jfi&rigen Äriege« 216
Str. 19: Bor Sauren träten '« (Sfyriflen nit,
«u« ftonfct weisen ftc nit fin Tritt;
Ter ®laub nabm mit Verfolgung auf;
3e&i &ei§'«: SBer laufen tan, ber lauf! -
Siebe ©efellen.
3um Sdjlujfe bemerft ber anonyme ^erfaffer:
Str. 23 : 28er iff«, ber eua) bie« fiebfein fang?
3u ?of?u wünfa)t ib,r tf^m g'roijj ben ©trang;
©ein Sornain ifl: $rag mid> nur nidjt,
©ein 3lIt1am ift' 3$ f ag '« eudj ni<fct —
Siebe (SejeQen.
2luf biefe &erau$forberung fc^rcibt ein $roteftant in tobenbem 3orne
eine $kantmortung (£itfurtt) <5tr. 31):
©tr. 1 : SBte grüßt bu un« au« falbem 2Hunb
^?ac& 91rt unb Söci« ber böfen $unb;
Tarfft und barju aud) ®ejeüen nennen,
©o roir boa> teine«meg« befennen;
Dan banim müfjen wir entlaufen,
Tajj wir nit jeon au« euerm Raufen —
«erräter!
©tr. 2: ©er un* Der jagt, ba« weifet bu wol,
©onfien id) bir ibn nennen fofl:
(5« ift ber Teufel unb fein $auf,
Tie leinen ftdj gegen Gfjrifto auf,
©ereben oie liebe Obrigfcit,
Tafe fie ®ott'« «Bort im Sanb nit leib —
fcnljefcer!
3n ben folaenben Sdjlufjrufen ber einzelnen Strophen lä&t er bann
ein aan$cs 93ataitton r>on 3d)impfmorten aufmorfa^ieren : 2lufrül)rer,
Slntidjriften, ©ei$f)älfe, TOrber, Sßerfüfyrer, &erfälfd)er, fönrenfölme,
^enrerögefellen, ^ufdjürer, SWammonöfnedjt, ^Betrüger, $>erplauberer,
Reiniger, Spifebuben, (rfauitev, ^luttmube u. f. tu. u. f. id. 3lnf bie
oben citiertc 3a)lujjftropl)e ijicbt er bie 2lntiuort:
©tr. 21: Tein Warn begebe id? öon Tir ntc^t,
3* ten ii ifju wol an Teim (Sebidjt,
©cbabeufrob Reißet Tein 3una,"f
Tein $anbroert ift Pügen oljne ©c&am;
©o finb aueb Deine ©rüber unb Äiub
Me be« Teufel« £ofgefinb —
3lff»wiber!
derartige ©egenlieber, mie man fie mot)l nennen fönnte, finb mehrere
üorbanben. $eutlid) fielet man aus ifmen, roer bamalö Jammer
unb roer 2lmbos mar: jebe Partei fdjlug eben Diejenigen Xöne an,
bie i^ren 6d)itffalen im grojjen unb ganzen entsprachen. $ie
216 m. 9Rüü>r, Ueb« bie fttRorif^rti ©olfSiieber be* 80 jährigen «tttgt«
jablreid)cn proteftantifcfien Älagclieber beginnen gemöfjnlid) mit tarn
jammern über bas erlittene Unheil, geraten bann in ctrofcc
Erbitterung unb fdjliefjen mit ber Ergebung in bao 6dndfal ober
ber Hoffnung auf beffere Reiten. sJ)tondie jebod) fnüpfen niajt an
ein beftimmteö Ereignis, an eine oerlorene Sd)lacbt ober öerajeiaKit
an, fonbern ergeben fid) fogteia) ju einer allgemeinen 33etrad»rung
ber traurigen Sdncffale ber $eit. Ein „ganj ueiueö Älaglieb b«
^eiligen Teutleben Weidjeo über feine nerftöbrte &errlid)feit burd) Die
erjböfetuiajttge ^efuioiber" fdnebt alle 6d)ulö auf Die „3a>ar>
^efuiter 3cf)ar", bic „blutgierigen Meier", unb fdjliefjt mit ber alö
3eia^eu bes uod) immer nid)t erlofdjenen 9iationalgefüt)l6 bewerfend
werten Älage:
O armed teutjd>c$ ?anbe,
Sonft gabfl bre SBflt ©ebot,
fBtc \ttf)ft Du ifet in ®d)anbr,
3ftriffen unb in SJranbe,
Silft 3)u in Deinen lob! -
(®d>lu§ folü«.)
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5if Pünrdiflrutfn miD Jdjflljgräber in Öfiljmm.
Von (Etjeobo r ftutter.
3m 16., 17. unb 18. 3ai)rfmnberte glaubte man allgemein an
bie getjeime Alraft ber &Minfd>elrute, mitunter aud) SBeiöfagungörute
ober £crolbftab genannt, ©elefjrte unb Ungeleljrte roaren feft baoon
überzeugt, baft man mit einer £afelftaube oergrabene Sdjäfce, ©olb=
unb Silbererze, S3runnen= unb Söafferquellen, felbft $iebe unb
9Wörber, foroie geftofjlene (Saasen auffinben fönne. 3n ben ©ebirg«=
gegenben, fo $. 2i im £rwebtrge, bebienten fid) bie Sergoerftänbigen
mit Vorliebe ber &ünfd)elruten, um Stergmerfe ju entbecfen. ©ef>r
t)äufig nnben mir fie aud) in ben §änben oou Sdmfegräbern, roeldje
nad) ©ergrabenen Sd)äfeen in ber (£rbe fugten. 9J?an mar nämlid)
ber Meinung, baft bie fünfte oon Metallen, ©rjen, Söaffern, toten
Äörpem unb bergleidjeu auf bie 2lUinfd)elrute einmirfen unb biefelbe
jum Silagen brächten. Silo befonbero günftige 2Jconate für bie
Söünfdjelrute galten ber ^uli, iUuguft unb September.
(So gab mehrere Birten oon SÖünfcfjelruten ; eö mürbe aud) foft
alles &0I3 — mit 9luenaf)mc beo gar ju locferen — baju oermenbet.
<5o mar bie &afelftaube < r)auptfäcr>üd) beftimmt auf Silberabcrn,
ßfd)enf)ol$ auf ftupfererje, Aidjtenbol} auf 33leigänge ju fdjlagen.
Um ®olb ju entbecfen, marb bie Spifce ber 3i>ünfcbelrute geroölmlid)
mit einem ©tfenoraljt umflochten.
33eim Sdmeiben ber &<ünfd)elrute muftten gemiffe Regeln beamtet
werben, ©emötmlid) fdmitt man fie im Mmonb, an einem £age
unb jur ©tunbe, iuo ber ^erfuriuö regierte, babei mürben
oerfa^ieöene, oft red)t alberne Segenöfprücbe gemurmelt, fomie in
bie iHinbe ^udjftaben, 3eia>n ober Suiten eingerifct.
XfKOfcor .fcutter
$>ie gebräucblid)fte :Kute mar ber gejmiefclte 1 V« <Sd)uh lange
#afel$meig, melier bic (üeftalt einer (9abel hatte. 2>ie beiben
$lftd)en mürben in bie &änbc genommen, mäbrenb bie Spifce gegen
bie ©rbe gefenft murbc. 3o näherte man fid> bem Crte, mo bie
verborgenen Schate vermutet mürben. Rubere hielten bie ShmfdKl:
rute aud) mit umgefebrten Rauben, miebev anbere, j. ber ^ejuit
% Aticbcruo, benähten glatte, auögeljöblte ^afel^roeige, bie fie in
einanber ftedten, unb jmifeben ben ^iflefingem trugen, unb eine
oierte Kategorie oon Sdjafegräbern hielt bie SiMinfdjelrute fo, bafc
bie Spifcen berfelben jmifeben ben 3»;iÖt,tingern unb Baumen >u
liegen tarnen. £ie SMfcben (^ratuofen unb Italiener) Ratten fünf,
uad) auberen fogar fedjö Gattungen oon 3ßünfd)elruten.
^eberman mar feft überzeugt, baß bie TSnnfcbelrute, richtig
angemanbt, niemals trüge; beim nach bem ^olfoglauben feblug fie
eben auf alles, roae Xünfte oon fid) gab. Erfahrene ©cfwfcgräber
nahmen aud), menn fie öolb fud)teu, jtoci ©olbftücte, unb, menn
fie 8ilber fudjten, jmei Stlberftutfe in bie £>äube, iubem fie be=
haupteten, baöurd) bie magnetifdje Kraft ber iHute $u fteigern.
beraume ^eit ftritten fid) bie öeleljrteu ernftl)aft über bie
Urfachen unb ÜMrfungen ber Ü^ünfdjelrute ; bic einen fc^rieben
fie einer magnetif d)eu ilraft ju, anbere holten fie aus ber
Sumpattne unb Antipathie hei* unb bie Ariftotelifer erblichen
barin eine neuen Bemeis uon beT Mchtigfeit ihrer i'ebre uon ben
Atomen.
s&ie leid)t erflärlid), juurbe bie ^ünfdjelrute oon geriebenen
Sdjminblern $u Betrügereien benufet. (Sc. trieben fid) allenthalben
»nbermänner herum, meldje uorgaben, mit ber 3i>ünfd>elrute bao
$erengift vertreiben unb ttranfbeiteu erfennen $u fönneu. Um
teueres $elb oerfauften biefe 8d)minbler ben Mranfen ihre Kräuter
unb i&unberfalben. And) bie ^al)rfager bebienten fid) ^äufig ber
Sünfdjcirute. Sitte ftarf biefer Aberglaube im Ütolfe oerbreitet mar,
geht fd)on barnus ^eruor, baß Ärjte, Jrjeologen, sJtoturforidjer u. a.
it)m bae äi>ort rebeten. $er berühmte öeorgtus Agricola fprid>t
in feinem Suche „De re metalliiu-* uon ber ih>ünfchelrute als
etmaö fcljr Wcbräud)lid)cm. Aud) 2t)eoph^Üu6 ^aracelfuö, ^ram
jiocus Baconuo, ^»elmontiuö, (9ocleriu6 unb anbere hochgelehrte
^Jiänner rechtfertigen unb oerteibigen biefen Aberglauben. 9Jaa)
illnfidn biefer sJ)iänner rühre bie ^ünfdielrute feinefiroegs uoin
Xettfel her, fonbern laffc fid) mit ben religiöfen Anfchauungen oon
ßott unb ber -Natur ber Singe gan> gut Hereinbaten.
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Tic SGÖtinfäclrutfii unb Sdjafcgräbfv in ©öbniftt
219
$>er beutfdje ^euebiftinermönd) ^afilius Valentin machte im
^a\)tc 149(> in feinem Teftamente 2lnffehen crregenbe Angaben äbev
ben ©ebraud) Der sMmfchelnite. Sollen nur einem franjöfifcbeu
Büchlein, rLa restitutio!! <U* l'luton <le son Erainenw, ©lauben
fdjenfen, fo mar ber berühmte Staatsmann #ranfreid)S tfarbiuul
Richelieu ein gan$ befonberer Verehrer ber $i>ünfcbelrute , beim er
foH, btefem $üd)lein nad), einen beutfdieu Sdmfegräber eigens nach
Jranfreid) berufen haben, iuo ber lefctere angeblich 150 ^ergmerfe
mit ber &>ünfcbelrute entberfte. ©ines großen Nufes erfreute fidj
im ^aljre 1692 bie sMinfd)elrutc beo Stauern ^afob 2lmuaun,
n>eld)er im $elpt)inat mittelo berfclben brei 2)förber, bie 45 teilen
uom Xlmtorte geflohen waren, oerfolgt uub ausfinbig machte. 3»
$ö fpnen fam bie &>ünfd)elrute befonbers im 3() jährigen Äriege in
©ebraud). ^m ^xc 1630 trugen bie fdjrcebifdjen Solbaten
&>ünfcbelruten mit fich, um bie oergrabenen 8d)ä&e in Burgen unb
Schlaffem ju entberfen. Much nach bem 30 jährigen Kriege, ja felbft
im ? jährigen Kriege mar bie 3abl ber Scbafcgräber, bie fid) ber
^ünfchelrute bebienten, eine grofte. 2luf oerfaüenen, ausgebrannten
Burgen unb :öergfd)lö|fem tonnte man folche Abenteurer in £erbfc
unb Sommernächten antreffen, mo fic, bie böfen ©eifter befebmörenb,
®ott unb bie guten ©eifter lobenb, mit ber SMnfcbelrute herum?
roanberten. $ie Ruinen auf bem $öfig, 2>eroin, Noll, galfenbcrg
bei ©abel, Sollenftein, Cnbtn, Nomtungen, &ammerfteiu bei Neichen-
berg, &afenburg, Weiersburg, Scbredenftein u. a. waren bamals otel^
befugte Orte. &ie unb ba finbet man noch 2ßünfchelruten=
bücblein, roelche Slnmeifungen über ben ©ebraueb ber nmnberbaren
Nuten enthalten. (Sin fola)es in ber ©emeinbe Dutttau aufgefunbenes
23uch roetfj oon ©olbabern im 9)teifengruube, unmeit oon St. ©eorgem
ttwl, $u berichten. (Sme ^olfsfage in ber ©abter ©egenb erzählt
fogar, bafe $roei Sdmfcgräber eine preutfifche Kriegsfälle, melche bie
^ßreufcen im 7 jährigen Kriege nach bem unglüdlidjen treffen bei
©abel im £od)malbe nahe au ber fächfifchen ©renje oergraben
hatten, mittels ber &>ünfcbelrute aufgefunben haben.
3luch ju Anfang biefes ^ahrljunberts oerfudjten noch Wx un&
ba abergläubifche &eute ihr ©lud mit ber :}i*ünfchelrute , mas uns
nicht tounbern fann, menn mir erfahren, bafi nod) 1788 gelehrte
Männer bie Äugeln aus .^oüuuber^arf als „hefte unb untrüglich!«
^unfcbelrute" bem ^olfe anpriefen.
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l&TitteU'ungcn unö ^tottjen.
Mod) einmal ^olitijdbe unD Äul turge|d>i(btc. Suf unfern tntr
flfäufeerten ffiunfö), ba§ jroifd)en ber politifdjen unb ber Äulturgefd)ia)te ein
freunblidje« SJerbäftni« befielen möge unb beibe einanber gegenfettig ergänzen
mögen, antwortet bie „$iftorifd)e 3t'tfd>f'fr'' erfreu lieber rceife in entgegen«
fommeuber SBeife (9b. 73, @. 537 f.) unb oermebrt fomit bie Snjabl »on
grroidjttgen (Stimmen politifeber $iftorifrr, bie in bem bloßen Setrieb ber
politiidjrn <»efd?id?te eine ffiinfeitigreit eibtiden. ftreilia) ergnift bie Stebaftion
bie (Gelegenheit, babei ben Sunfd) be« Herausgeber« birfer 3"tf$ rtft, ba§ ?e br«
ftüble für Äulturgefdjicbte gefdjaffen rorrben, ju befä'mpfen unb fiebt barin
eine fönfeitigteit unferfeit«. ©ir baben oben biefe i$xa$t bebanbelt. —
3n löanb III ber „3ab r eSberidjte für neuere beutfdje Gitte-
ret nrgefcbidMe" ift Bor einiger 3«1 °fr $erid}t über bie im 3ab,re 1892
erfebienenen ?itteratur ber neueren beutfeben Äulturgefdjidjte au« brr
Jeber be« $erau«geber« unferer 3eitfd)rift erföienen. ©egen feiner bienft-
lidjen Ueberbürbung wirb berfelbe biefen ©eridjt nidjt weiter übernehmen.
«Reue ©üdjer:
©orbemertung: $ie nacbjolgenbe ©ibliograpbje fefct mit bem 1. tug.
1894 ein unb berücffid)tigt nur bie Jeutturgefcbtd>t» in engerem Sinne. Sri
bem Sefieben genügenber bibliograpbifdper $ilf«mitte( ftnb bie leite ber all-
gemeinen tiu(turgrfcbid}te, bie bereits 5a*ro,fftnf$0ftfn finp' alfoÄunftgefdndjte,
fitteraturgefdjicbte, (iJefdjidjte ber iJljilofopbif u. j. ro., auaj bie <JMcbiö>te ber
eraften ©iffenfebaften, im allgemeinen ou«gef<bloffen.
C. H. Scharling, Menneskehed og Christendom i deres historiske
Udvikling. S Udgave, 6. Hefte. Köbenhavn (72 ©.)•— fbier, Übrrfubt
unb ©ieberbolung ber allgemeinen unb öfterreiebifdjen Ö}efd)ia>tr m. befon«
berer 8ertt(fftd)tigung ber Sutturgefdjidjte. Welchenberg (VII u. 88 ©.). -
§. Witter, ffieflenfdjläge ber menfcblicben Äulturentroicflunq unb unfer
Äuliuribeal. £uliurgefcbid>tl. unb etbü<he ^Betrachtungen. Samberg (X u.
37 3.) — A. Nicaise, L'archäologie, son domaine et son inflnence snr
lea progres materianx et moraux du XIX« niecle. Wancp (10 §.). -
©. 9t öb rieb, Da« Sucb oou Staat unb «efeüftbaft. (Jine allgemeine 2>ar-
SWitteifungen unb ftotigeu
221
fleüung be* gefamten fojialen Peben« bcr (Begenroart. 26. 27. (Stblu&O *?fg.
Peipjig. — 91. ©robtcjindfo, SWoberner Äaftengeifl in unfern Jtulturriii*
rta)tungen. 5hi(tunicf$.<pf?Üof. @fi^eu. ©erlin (72 S.).
A. Er man, Life in ancient Egypt deacribed. Translated by H. M.
Tirard. Bonbon (574 S.). — 0. Moe, Den antike Stat, Synagogen og
Kirken. (Sljrifliauia (IV u. 154 S.)- — W. Warde Fowler, The city-
stete of the Greeks and Romans. Wero ?)orf (332 S.). — P. Guiraud
Lectnres historiqnes. La Vie privee et la Vie publique des Grecs. IJori«
(XII u. 571 ©.). — A. J. Church, Pictures from Greek Ufe and story.
Bonbon (816 S.). — (E. fange, fctben im Spiegel ariftopbanifcrier fiombbie
(Samml. gemeinüerft. S3octr. 206). Hamburg (60 S.). — P. Allard, Le
paganisme an milien dn IV« siecle: Situation materielle et 16gale $art*
(61 ©.)•
Äleinpaul, 2)o* SKittelalter, ©b. I. Peipjig (IX u. 412 ©.)• — O.
#enne am fll&nn, Äulturgefd>icb> ber Äreujjüge (;$fluftr. ©tbliotbef ber
Äunfl. u. Äulturgeföitbte, ©b. V). Peipiig (302 u. 20 ©.)•
St. eampreajt, Eeutfcbe ©efcbicbte, ©b. IV, ©erlin (XV u. 488 S.);
©b. I, 2. SufL, ©altn (XXIII u. 364 ©.). — $ Erener, 2>eutf$e Äultur»
Qffrbkbte non ben älteften j&t'xten bis jur ®egenroart. %i& GJrunblage f. b.
Unterricht in ber beutf$en ®ef$. bearb. ; I. teil, 2. ftttfl. fangenfalja
(X n. 1H6 S ). — E. B. Bax, German Society at the Close of the Middle
Ages. Ponbon (263 ©.). — d. Sd)roeinid)en, SDJerfbud). 3um fl*ftfn
SRal berauSgeg. oon Äonr. ©utfe. ©erlin (XXXVIII u. 273 ©.). - Gbr.
©ruber, $ir lanbe«funbl. (Srforfcbung «Itbapern* im 16., 17. u. 18. 3abrb.
(3forltt)ungen f. b fanbe«. u. ©olfsfunbe VIII, 4). Stuttgart (77 ©.). —
(El. £. SN e Oer, ©abifdje ©olfsfunbe (au« „«lemannia'M. ©onn (23 ©.). —
31. (Slop, 25er (Sang brr ©ermanijatton in Ofi-^olfietn mit einer UeberftcbtS«
forte Uber bie ehemaligen ©laoenbörfcr. Äiel (44 ©.). — O. Xfcbird),
Xäglidje fiufjeicbnungen beS ^farrberrn 3oa$tm ©areaeuS in ©orau unb
©ranbenburg aus t>. $abren 1617 — 1682. ©ranbenburg (98®.). — $alle
unb bie $aHoren. 9Rit $alIorenbilbern fowie Sbbilb. b. St. £alle unb ber
©urg ©iebicbenflei« aus bem $abre 1601. PetpAig (24 ©.). - ®. ^ertj-
berg, 2)ie ©tabt unb Uninerfttät .fcatle a. b. S. im $abre 1794. §aü*e
(65 e.). — I. Pommer, 0»efcbid)te ber oberpfäl^eu ©renjftabt Salb'
münden. II. Xeil: innere ©efajidjte, 2. $älfte A. fcmberg (83 S.). —
©eiträge fliir Äutbropol., (Ethnologie u. Urgefdjtcbte oonlirol. fteftfdjrift.
3nnSbru& 2)ariu: Ä. 2S. n. 25a0a Xorre, 2)ie öolfStümlicbrn Xiernamen
in Xirol unb ©orarlberg; %. 3ingerle, Über ©erfi^rung tirolifc^er Sagen mit
anti!en; i'. ö. ^örmaitn, 2)a« Sautretben. 5in erflärung«öer{utb biefe«
Äinberfpiel*.
G. Ducondray, Histoire et Civilisation de la France moderne et
contemporaine. Cours moyen. Depuis la fin de la guerre de Cent Ans.
^ari* (144 S.), (fobrbud)). — G. Ducondray, Histoire et Civilisation de
la France. Cours 616mentaire. Nouvelle 6dition. ^arid (96 S.). —
J. Soyer, Etüde sur la communaate des habitents de Blois jusqn'au
commencement du XVI« siecle. ^arid (145 S ). — L. Favatier, La vie
municipale ä Narbonne au XVII« siecle. (Une election en 1667 ; uue fete
publique en 1645; les pestes et le burean de la sante.) Narbonne (LXXX
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Kittcilnugen unb 9iotigen
u. 15)8 S.). — V. Uzel. Knlturui stav francie ve stredoveku a jeho vliv
na ostatni Evropu. Äöniggräu, ^Jrogr. (18 ®.:>.
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H. D. Traill, Social England: a record of the propres» of the people
in religion, law«, learning, arte, industry, commerce, science, litteratnre
and manners from the earlieat times to the present day. Vol. II. %-te
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T. de Laconperie, Western Origiu of the Earl Chinese Civilisation
from 2300 B. C. to. 200 A. D. l'onbon.
T. de Laconperie, Beginninga of writing in Central and Eastern
Asia. Ponbon.
C. Bernard, De l'enseignement elemetitaire en France aax XI»,
XII« sieelea. $ari« (XII u. 463 &.). — « Sdjaibte, 2>ie böbert
^rauenbilbung in ©rofibritannien oon ben ä'lteften ^t'ittn bi« jur Hegen •
wart. SDMt finer Inftor. ©ftjije ber britifdjrn Sr$iebnng im allgemeinen, non
bei- Deformation bi« ju unterer 3eit. Äarl«ntbe (XIII u 205 5.). — fä«
gogifdje« SRaaajin, $eft 35: ?l. «Ridjtrr, ©eimid>t«unterrtcf>t im 17. ^afarb.
(27 8.); $eft 42: Crijiebung unb Unterricht im 18. Oabrb. na* ©aljmann«
Cornau „Äarl u. Äor!*berg" (42 ©.).
©tettiner, «u« ber ®ffd>id>te ber Sllbertina (,1544-1894). Äöiiig«-
beig (6J ©.). - $ fconfel, ©tubenten. ^oefte im SRittelalter. »ielefelb
(67 ©.). — 3obn Keif r, $all. Stubriimtfpracbr. $aüt (IV u. 97 ©.'>. -
@tnbentenfprad>e it. ©tubentenlieb in .fcaüe cor 100 fahren. 9leubrud
bc« „Qbiotifon bot »urfaynfpradje" von I7M5 unb ber „©tubentenliebrr"
Oon 1781. CiaUe (XLIII. 118 it VIII, 127 2 ).
9. ©preifcenb ofer O. ©. £ie (Jiitmtrtlung be« alten SRöncbtum«
in Italien »on feinen erften Anfängen bi« sunt Auftreten be« bl. »enebitt
SBien (139 ©.). — JBeniger, 2>ie $omiiiifaner in Stfenadj. (Sin
an« bem fflofierlebeit be« SWittelalter« (Samml. gemeinberfh »ortr. 9ir. 1W).
Hamburg (44 ©.). — g. ©d?rid)l, ©laubenSflüdjtltnge au« Spanien n. t.
9iieberlanben, Italien n. Jrantreicb feit b. Sabie 1500. «ine fulturgefd)i*tl.
«bb.anblung. l'inj (59
«rnolb »erger, 3>. Äitlturaufgobnt b. «rfortnation. ©erlin (VIII n.
300 ©.). — (£ ©utter, «u« Peben 11. ©(briftrn b. SHag. Boncompagno.
din »ettrag uir Italien. Äntturgejdj. b. 13. ^ol>rl). ftreibnrg (V u. 128 «.)■
»00«, ©efd)id?te ber ftretmauvciei. Sin »fitrag aur Äulturgefd)ia)tf.
Äarau (VIII u. 308 ©.). — Siefen? etter, (^if(t)tct)te be« Occn(ti«mu« II.
Xie ®eb.eimroiffenfd>aften. i'eipjig (XXVII 11 74«
L. Anzoletti. La fede nel soprannatnrale e la sna efficacia «nl
progresso della societa nmana. Milano (4J7 £.) — P. Sebillot, Lw
travanx public« et leg mines dans len traditions et le« superatitioni« de
tons les pays. ^ari« XVI n. 623 £>.). — Le Braa, Note snr quelques
snperstitions bretonnes. ^ari« (8 S.). ^ «. ©anber, 9itcbcrlauft$er
»olt«fagen. «erlin (XVII n. 197 ©.).
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SHitteilungen unb Zotigen
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vingienne. $ari« -8 © .). Extr. du Bulletin archeologjqne. — SB. # ein,
£ie geogr. Verbreitung b. lotenbrettcr. ffiicn (17 ©., 2 £.). — Jropp
it. $in$fe, $a« Skroegungfljpiel. ©eine gejdjidjil. entroidl. u. i. ro.
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A. Arnoux, Lea Maisona-typea dana les cantons de Patay, de Menng-
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lestie, Quelques inventaires du XIV« siecle pour servir a l'hiatoire de
la vie privöe de noa perea. »Pari«. — M. Raimbault , Inventari dou caateu
d'Jero en 1431. ^Montpellier. (Estra de la Revue dea languea Romaue*, i
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burgb (222 © ). — ?. ©cbiUing, ©efdjicbte beS «nnjlaner ©tafctfoifieS
1694-1894. »itujlau (41 ©.).
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(32©.). — V. Loret, Etudea de droguerie egyptienne (*)lv. 1 — 11). 'JJariS
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A populär hiatory of the Healing Art. fonbon. — 0. Marquez, ün
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3frannöf. beS *Prof. © Äitrtb bearb. ftulba (25 ©.). — A. del Vecchio
e E. Casanova, Le rappresaglie nei comuni medievali e specialmente
in Firenze. SPolcgna (,461 ©.). — äämmereireä)uimgru ber ©tabt Hamburg.
#erauSgeg. 0. Verein f. $amb. (SJejd). 7. ©b. 1555—1562 oon Ä. Äopp«
mann. Hamburg (CCLXXVII, 393 ©.). — ß. äWoUroo, Tie ältefteu
Vttbeder 3oarotten. ?übec? (III, 97 ©.)
O. ?)ofbiba. öntrctcfelung oeS ©eibenbanbelS uni> brv ©eibeninbuftrie
oom Altertum bis *um Ausgang beS äJiittelalterS. $eibe(berg (VIII, 108 ©.,
2 Xab). — £8. ©tieba, $>anftfcb- söeitetianiidK ^aubflSbeflicbungen im
15. 3abrbimbert. ^.fMdjrift. Stoflorf (IX, 191 ©.). - ÄÜnfcel, Urber
bic Jßerroaltiing trö flMafj» u. (#cnjid)tetoefcn3 in J'eiiticblanb rodtrenb bc«
3)(iitelaltet« (©taat§ uub io,»jaliDtfien{cljaftlicbe 5orid)itngeu 13, 2). ifeipjig
(VIII, 102©.).- (£. 2)f arabiui, ©aperiftbe ^apiergeidjtcbte. I. -»(Ilmberg
(147 ©., 6 Xof.). - ^eterfon, 3«c (SJejcbicbte ber ®la«farben. Beugung
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Mitteilungen unb Wotijen
in 3ood)tm«t!jQl (aHouograpbien b. SRufrum« f. ®efd). b. öfterr. «rbrit. V)
fBieu (21 ©.)• — R. S. Burn, The Steam Engine: ite Ristory and Mechani«».
8 ed. Bonbon (180 3/>. — L. Maxe-Werly, Etüde rar leg camlagw
an moyen age ; 1 H 3.}. Noyeut-le-Rotron. — H Barbier de Montault.
Une matrice de plaque de cbeminee an XVII» siecle <Extr. dn Bnlleiin
arcbeol. de Tarn-et-Garonne. i22 8). — A. Dobaon, Eigbteeutb
Century Vignette». 2 Serie», fciibon (3<X) 0.).
• *
3«tfdjriftenaufiäfef :
Wbeinifdje« STOufeum für Ubilologie 4«, 4: Ä. Djia&le,
«utor- unb ©erlag«red>t im Altertum.
Mitteilungen au* bem getmanifd)en 9? atiouolmujeitin 1894
Sogen 8 ff.: £. ©öidj. 3ro» SBeintafelii be» 17. 3<>br&.; £>• 93 ö f cx> r ^nbalt
eine« ©alfambüdjlein«, iööfd), Sin rbeinifdie» fBanbffbränfcben M
16. Obb.; $. ©bfct, «in märfifdjer &amilieujd)mud; «öfcb, Junbftüdf
au« bem 8.— 8. 3abvb. oom !H«ibfngräberfelbe bei Wablbeim; 91. £ cb initt,
De conjuratione Jndaeorum.
3eitfdjrift für ©ojiah unb äöirtjdjaf t«grfd)i(6te III, 1:
o. 3 n am a- Stern egg, $ie ÜJolbroä'brung im beutfdien JHeicbe roäbreni
be« Mittelalter«; 3. i?ojfrtb, $er «ommuni*mu« ber $uterij<brn «rüt«
in Mä&rcn im 1«. u. 17. 3abrb.; St. p. Nobrf di ribt, Sie Aufnahmt trr
<&ercerbrfrrii)ett in Greußen I.
3ntfdjrift be« ©erein« für $)olt«tunbe IV, 6: 5- i'ufa--
2>afl GH al« !o«mogoni(cbe ^orftfüung: fteilberg, Die 3ablen im
bänifd)en ©raud> unb GHanben; Ä. Maurer, 3>ie Jpöfle auf 3«lanc;
©. 3» an off, Die Sitten ber lüden in Bulgarien ;©cblu§); <J.
#au«» unb $ofmarfru; Sartort, 3>er Srtjub im ©olf «glauben '.Jotti.l;
H. $errmann, Der Dolf*tümlid)e ftalrubrrglaube in Ungarn.
gieuefi «refcio für fäd>hfd)r OMdiidMr IV, 3.4: M. 0. ffbrrn-
tbal, firine fädfftfdje Wattnerroerfßatt in Sictcnbrrg.
Mitteilungen be« herein« für <#cjdj idjte öon Annaberg IV:
0- ©ilbenbabn, Da« Deflament be« Marius iKöling in Künaberg wm
21. «pril 1581.
3eitf<brift be« Verein« für tljfirin giftbe Ü) ef cfcidjtf IX,
C. ©inber, Da« cbemalige «mt Pidjtouberg üor ber «bön, 1) Orfdjidjtc
(Sa)lu§), 2) ©erroattung unb 5Recöt«vflegf .
Si&ung«berid)te ber böbitttf^rn ©efellfdjaft b. fBtff. 18*** :
S. GHintber. Abam oou ©reinen, ber rrftc brutidje ®eograpb.
8olf«n>obl XVIII, 84: SBa« wir au* einer ©ridjidjte ber »aber
lernen tönneu.
Monatflbrfte ber (5 omentu« ■ (Sef el M d) af t III. 8: Aaroevau,
Die Anfänge ber Unioerfttat ^aüe.
«ertdjte be« freien beutfdjen i-)pd?ftift« X 3/4: ftrinbarbi.
(Sine b'ftoriftbe «Sfi^e über 9)?a6fpftfme.
Seitfdjiift für bie (Scfd)i(btc be« C berrbtin» IX, 4: «. edfulif-
lieber ben länblid)eii ^au«bau in ©abeu.
£>ruifd)cfiunbfd)au XXI, 1 : O. •« c e d, 35a« römtfdje ^eer.
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Mitteilungen unb 9ioti$en
225
3 ei tf <^rt ft f. b. gef. ©ta at«ro ifienfd;. 50, 4: St. ©üdjer, Die bio-
Hetianifdje Darorbnung o. 3. 801.
3 eitf c^rif t f. Ätrdjengef djidjte XV, 2: «. Nölbedjen, Dertullian
unb ba« Dljeater.
©iirfdjenfdjaftl. ©lätter IX, 1: ft. Statt, Söallenftetn a(« ©tubent.
SRbeinifcbe ® efdjid)t«b lätter I, 1/6: 5- ®Örre«, Die (Einführung
be« S^rißentum« in ben JR&etnlanben; 9t. ?id, Hagener Sitten unb ®e-
bräune in älterer 3"*; Rummel, Die (Erhebung be« $>au«gelbe« üon
ben Äölnei «aufteilten in ber ftranffurter SWeffe; ©djmifc, fcetflerbadjer
grünbtt-$infenn jue ©onne unnb inne ber burgerfdjaftt 1625—1639 ; 0- 5 r a n d ,
URunbart unb ©olf*ttberlieferung.
Da* gioonjigfie 3afcrfiunbert IV, 8: Vittmann, einige« «ber
$ef*id)tSnnterrtd>t (betr. aucfj #u(turge|djid>te).
O ejterr.. ungar. ffleüue 16, 3: $iger, ©eburt unb Saufe, Dob
unb ©egräbni« in Oberöfterreidj.
SRittetlungen be« herein« für ©efcfcidjte ber ©tobt 9Rei§en,
III, 9: ©otf, Da« 2Wei§ner «ewerbegeridjt; ?eid)t, Meißner 3nfdjriften
unb «6jeiü)en; ?oofe, Die älteren SReifcner 3unftorbuungen : 1. bie ©äder.
III, 8: foofe, (Sin SWei§ner $au«ftanb oor bem breißigjä^rigen Äriege;
?etd)t, (Sine Ueftredmung au« bem 16. 3b, bt.
3aljr6ücber b. ©crein« f. medlenburg. <8efdjidjte u. Älter«
tum«funbe, 3afcrg. 59: ©. ©tieba, Die ©djiffergefeflfdjaft in töoßocf;
5- ö. SWeDenn, Sin SHcdjnung«budj be« Slofler« Dobberttn.
8m. 3a$re«beridjt be« ©orarlberger 9Ruf eum • ©erein«: ©.
3ennt>, ©aulicbe Ueberrefte Don ©rigantium; 3. ©är, Da« ©orarlberger
$au«: III. ba« Danjbau«; ©. 3ennp, Die 9Jtarttn«-ÄapelIe bei Snbefdj:
3- ?ängle, $anbroerf«bräu($e ber ©djön« unb ©djroarafärber.
Brdjiö be« rfifiorifd>eu ©erein« be« jeanton« ©ern XIV, 2:
#an« Don ber ®ruben« Weife- unb $ilgerbua> 1435—1467, herausgegeben
tton SWar o. Die«bad>.
3eitfdjrift be« fterbmanbeum« $eft 38: (5. fttfdjnaler, Die
**ott«fd?aufpiele ju ©terjing im 15. unb 16. 3b.bt.; 3R. 2Raor, ©$mäb>Uber
be« 16. 3^bt«. auf $abß unb »arbinäle; ff. von Dalla Dorre, ©n &er
barium au« b. 3. 168); ftranj 0 ©iefer, (Sin 3auberfpruc^.
QHobu« 67, 9hr. 9; <S. $an>elfa, $au« unb $of im braunauer ?änb>
djen; 9?r. 11: (f. (Guntram ©cbultfyetß, Äorb« Diarium itineris in Moa-
coviam 1698; 9tr. 12: Die (Entbecfung ber mQfeuifdpen Kultur auf (Sreta;
9lr. 14: $B. o. 2Re&fd>.@dHllbacb, 3ur ©olt«funbe ber ?ioen.
Weup$ilologif$e« (lentvalblatt Wr. 9: ffiabem a$ er, Da«
beutfdje ©olf«(ieb.
«egenwart 46, Wr. 37: «. Drero«, Die fojiale Jrage im ?ia)te ber
ffulturentroidlunq.
8eipjiger 3eitung, ffiiff. ©eilage Wr. 110: (Slfäffifdjc 3nfcbrtften;
sJir. 112: Ä. Dille, Der 3rofitompf im au«geb,enben Mittelalter.
3af>rbtt$er be« ©erein« oon Hltertum«f reunben im Stljeiu»
lanbe 95: ^. 9liffen, Der ©erfebr jmifdjen Sbina unb bem römifdjen
Äeidje; ^. Drejfel, Hu« bem ©onncr <ßrot)insialmufeum (©efdjlag einer
römifd/en ©d^wertfajeibe, eine Stmp&ora au« Spanien mit lateinifd^en 3n-
^ritfiftrift f«t ffultncflef4i(f|te. II. 15
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SWitteilungen unb «Rotijen
fdjriften, ein Äoffen|d>lüff*1 a. b. SRömerlager bei SReufj, ©emanbnabrln mit
Sfabritmarfe).
Snnalen b. btftor. «erein« f. b. 9Heberrb«in 58: 9. t>. Otbt«
mann, ©djufe ben ©rabßeinen.
9leue Mitteilungen au« bem ©ebiet ^iflorifd^-aiitiquartid^er
ftorfdjunge n XVIII, 8, 2; ©. fcerfeberg, ©tabt unb Uitiocrfttät $aUe
im 3abre 1794; o. ©auerlanb, ©ine «tfton be« 18. 3^M«. im Wagbe-
burger Domflofter; ©. tfiebe, ©iue 9cei|eredjnung au* brm ^a^re 1518.
©rf<btd)t«blätter für ©tabt unb Panb Magbeburg, 29. 3abr>
gang, I. $eft: Xollin, $ugenotttfd)er ^auSbcfnj (Sdjlufi); ©. $ertel,
Da« ©rüberfdfafrtbud) ju ©ta&furt.
«rd>it> f. bffftf*e ©efdj., 9i. 5- I: &r. ©rein, Di; ©ntroutlung ber
3ufifinbf in Äirdje unb ©djule au $rtebberg i. b. SB. ro&brenb ber Wefor«
ntationSjeit; ©. (£ tj r i ft , Da« 3Bei«tum bei Cent Affolterbach unb bie bor-
tigen ©ericbt«flätten ; SEBinbbau«, Äirdje unb ©d)ule jii griebberg roafcrenb
ber WeformationJjeit; Otto, 9u« bem ©olt«leben ber ©tobt ©utjbadj im
Wittelalter; Otto, 3ur ©efdjicbte be« Öemerbe« in ©ufcbad) wäbrenb be«
Mittelalter« u. b. ffieformationSjrit; $eibenbeimer, Die Verlobung unb
Bermäljlung ber ^rinjeffln tf ouife bon Reffen • Darmftabt mit bem fcerjoge
(Sari fcuguft ©on ©adjjen.ffietmar.
1. 3abre«berid)t be« Serein« f. ©reiger ©efdjidjte: 3nnung«<
brirfe: I. $rioitegium ber Ducbfdjeerer unb Xudjfcbeerenfcbteifer vom 80. Oft.
1687 ; 8. ©efellen-Orbnung ber 8ein. unb ©oOenroeber Dom II. 9ior>. 1654;
8. 3nnung«artite! 0fr ßtugmirfer unb SBotlfämmer Dom 81. $uni 1673.
Bibliotheca mathematica, 91. 3. VIII, 1: ©. ©üntber,
Da« glfiferlofe ©efcrobr im Altertum unb Mittelalter.
Die ftamilie, III, 1. 8: 3ur ©efdjidjte ber Mäbdjenerjie^ung im 18.
3abjbunbert.
SJeftbeutfdje 3eitf<brift XIU, 8: ©. D. Stöfjter, Da« «ömerbab
»on Sining an ber Donau. (Ein 9teionfirurtion«Derfud); $aupt. 3ur
®efd)id}te ber $uben im ©rjfiift Xrier.
©lätter f. b. ©nmnajialfdjulwefen 80, 6/7: 3. ©tödlein, Be-
obachtungen über ben 3ufammenl)ang jroifdjcn ©praö)e unb $ol(4c&arafter.
«Itpreu&ifcbe MonaUf djrift 81, 3/4: «alroeit, «in fürfllidje«
Peidjenbegängni« im 17. Sabjrbunbert ju Äönig«berg in $r.; Ä. Xrrid)tl,
$3oif«tümlia>e« au« ber $flanjenn>elt, befonber« für Sßeftpreußen 9.
3ettf(prtft f. b. ©efdjicbte be« Oberrbein« IX, 8: «in ©ttdbrirf
au« bem 15. $bbt.
Mitteilungen be« herein« für anbaltifdje ©efebiebte VH, 1:
ffififdjfe, 3ur ffiirtfcbaft«gefcbitbtf ber anb.altif<ben 8anbe II.
Man«felber ©lätter VIII: ®.$oppc, Die toDe ©räfin. (fin ftultur-
bilb au« bem 18. 3b*>*-; ©• ©trümpfel, Denlroürbigfeiten be« Pfarrer«
{»einriß ©cbmalmaffer (16. 3bbt.); M. Xrippenbad), $an«felber ©loden-
infebriften; Äuldmaun, BolWtümlicbe« au« <5i«leben.
»eiträge jur ®ef<b. b. «Rieberrbein« VIII: «. Äoernide, Orb*
nung be« Stoiber Oberb,of*; ^. $ er ber, Die brei $öfe be« abl. ©tift« ju
»ili<b in ©ittlaer, ^immelgeift unb ©erlo; ^. Die ©reoenbübner
im «mte «ngermunb; O. Weblia), Die ®(b«|}e ber bwjofll. ©ilberfammer
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Sflitteilungen unb Zotigen
ju 2)Üffelborf int 17. 3$bt.; fr £b\ be fflaabt, Wellung Don ©rüffeler
Äunftwirtfreien f. b. 35flffelb. ©d>loß (1701); ft. 2Baa)ter, Srridjtung einer
regelmäßigen bireften 35ainpffdjifffal)rt jioifdjen ÄÖIn, 25Uffelborf nnb tfonbon
1838; &orß, 3« ®efd?id)te be« $anbel« mit 3nbernad>er Steinen nadj
^oOonb im 17. 3b.bt.; W&ctÜtn (inebjfadj fulturbjftorifd)).
Unfer ©ogtlanb I, 6: (S. 0. ® elber n.«ri«penb orf, ©olf«lieber
ou« ber $errf$aft ©urgt. — I, 7: «. «Iberti, Sa« bebettten bie fogen.
©djwebenfleine?
2) er ©ammler XVI, 9er. 1: ©renbide, finnige Stammbücher
an« bem 18. 3bbt.; Ofr. i. Ära u«, 3nf$riften au« bem Ober-(Slfa& (beutfdje,
oorjug«»eife $au«inf$riften).
$anfifa)e (öejdji d)t«blättcr 1893: Ä. Äoppmann, 3ut Öefd)id)te
ber llnioerfität Sftoflocf ; $affe, 2>ie ältere Pttbedtr 3oDrottt; &• Äopp«
mann, ©djeoeniffen unb Xroiuiffeu; $ren«borff, 2>ie $anfe ju Bn«.
gang be« Mittelalter«.
3) er ©ammler («eil. j. «ug«b. «benbjeitung) 62, 10: «Beb er,
&u« bem $au«l)altung«budje eine« 3lug«burger ©ürger« Don 1798—1806.
Mitteilungen ber f. f. 3 entra (Com miff ion 3. (Erforfdj. b. Äunft»
u. $iftor. ©rntmalc 1894, $eft 2: B. SM eil, Sin fictrifdyrr ©auern&of im
Seginn be« 17. $bbt«. — $eft 3/4: *. ?uf$in von «bengreutb; , $a«
Sbmonter $üttenbua> uub bie SRegen«burger ©teinmefeorbnung 0. 3. 1459.
«njeiger für fdjro eig erifdje SUtertu m«f unb e 1894,2: S. «.
©tütfei ber g, SHittelalterlidje lertiltiberrefie.
allgemeine Äuuftdjronif 1894, 4/5: ®. «ber«, Äulturgefa)i$tlidje
Silber. Sin ©lid in bie Prüfte Don ©eni $aftan.
3titfdjrift f. D ergleid). Jitterat u rgefdjidjte VII, 6/6: Ob. ©teilt«
Raufen, Die Anfänge be« franj. SMtteratur» u. Äultureinfluffe« in neuerer 3eit-
3*itfd)rift f. b. beutfdpen Unterridjt IX, 1: ®. ©tein^aufen,
©alant, curiö« unb politifdj. 2)rei ©djlag. unb SWobeworte be« ^errüefen«
3eitalter«; ®. ©te&le, ©ornamenftubien.
«ItDater XTJ, 2: &. SHifufd), ©on ber freien ©etttelfd)n eiber junft in
©djilbberg.
2>eutf$e 3eitf djrif t f. Äird>enred)t IV, 2: ®. D. ©eloro, 3ur (Se-
id} id)te ber geifMidjen ®erid)t«barfeit am 3lu«gange be« Mittelalter«.
3)1 on attffc^r if t f. b. Xurnroefen XIII, 7: Äodj, Die ®efd)i$te be«
Fußballe« im Altertum unb in ber 9?eu&eit (@d>luß).
allgemeine 3eitung, ©eilage 9lr. 192/193: g. ®. ©$ultbei&,
3ur «efdj. b. 2)eutfd)tum« in ber Union 1. 2. — 3Jr. 202/4: *. ffiünfdje,
2)er ©agenfrei« Dom geprellten Xeufel al« ©aumeifter.
©eröffentlittyungen be« aitertum«*©er ein« £orgau VII:
1. Xrinlßuben « Orbnung Dom 30. %an. 1579; 2. ©eridjt über e. „©öftere^
auf ber Xrinfftuben" Dom 29. Di« 31. Mai 1599; 3. Orabftein b. ©aumeifter«
Äonrab Äreb« (t 1540).
Revue de Paris I, 14: R. Allier, Les anarchistes an Moyen age.
L'Art <Mr. 721/2: E. de Bricquevil le, Les instrumenU de musique
champetres an XVII. et XVIII. siecle.
Bibliotheqne de Tecole des chartes 1894, janvier — avril:
Bruel, La cbambre des comptes de Paria, uotice et etat sommaire de
16*
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ms
Mitteilungen unb «Röttgen
8, 863 registres de comptabilite des XVII« et XVIII« siecles versea am
Archive« nationales en 1889; Portal, Essai d'etnde demograpbique rar
Cordes, Tarn.
Melusine VII, 1—6: U. Oaidoz, Le grand diable d'argent: H.
Gaidoz, La chanson de Petit-Jean: Th. Volkov, La fraternisation :
F. Cadic, P. Laurent, E. Ernanlt, Chansons popnlaires de la Basie
Bretagne; E. de Schoultz-Adai'evsky, Airs de danse do Morbihao:
J. Tuchraann, La Fascination; H. Gaidoz, L'opeiation d'Escutape:
S. Berger, Les noms des Rois Mages; G. Doncieax, La penitence de
St. Madeleine: H. Gaidoz, Les pieds on les genonx ä rebours: H. Gai-
doz, L'Anthropopbagie : J. Conraye du Parc, La procedure do jeftne:
H. Gaidoz, Oblations ä la mer et presages; H Gaidoz, L'enfant qui
parle avant d'etre ne; H. Gaidoz, L'etymologie populaire et le Folk-
Lore; H. Gaidoz, Saint Eloi; G. Doncieax, La blanche biche; H Gai-
doz, Le niariage eu mai; P. le Blanc, Un chant de qnete du BrivadaU;
L'Arcen-ciel; H. Gaidoz, La voie lactee; P. Boyer, Sorciers et sor-
cieres Tchouktches.
Annales de Föcole libre des sciences politiques 1894, 15
juillet: D. Zolla, Les variations du revenn et du prix des terrea en
France au XVII« et au XVIII« siecle (suite et fin).
Revue maritime et coloniale 1894, juin: Hahan, Infloence de
la pui8sance maritime sur l'histoire 1660—1783.
Revue des deux mondes, 15 juin 1894: Vicomte d'Avenel, Le
prix et le loyer des maisons en France; suite: les temps modernes. —
1 oct. 1894: E. H. de Vogtie, La civilisation et les grandes fleoTea
historiques.
Annales de Bretagne 1894. juillet: H. Sie, Les comptes de re-
cettes et de dßpenses pour la Bretagne en 1495 et 1496.
AnnalesdelaSociöte d'emulation de l'Ain 1894: Trucheln»-
Etude sur les usages ruraux de la Bresse et de la Dombes.
Travaux de l'academie de Rheims 1891/2 II (1894h P. Tliiri<»n,
Les frais du sacre sous les derniers Capetiens.
LUnion historique et litteraire du Haine II. 1—7: A
Ledru, Les armoiries de la ville du Mans; Froger, Les comptes de
fabriqoe de la paroisse de Courgains au XV« siecle: Angot, Qnerelle
des negociants et des fabricants de toiles a Lavale. 1732; Abeille. Uoe
execution ä Sable en 1396; Coutard. üne autopsie au XVI« siecle;
meurtre d'Olivier de Feumusson.
Revue de Gascogne 1894, juillet — aoüt: Ph. Lanzun, Cbätean*
gascons de la fin du XIII« siecle: le cbäteau de Busca; Caraore yt, Ob-
jets gallo-romain8 avec inscriptions trouves ä Lectoure; Supplement.
Revue internationale de sociologie II, 7/8: H. Decugi*. ^e
l'influence du progres des Communications sur l'evolution des societes.
Bulletin de l'institut natioual Genevois, Tome 32: l D»*
four-Vernes, Un proces de presse en 1603 a propos d'une chanaon
savoyarde sur l'Escalade; Ch. Du Bois-Melly, Les ordonnance« royal«8
et les nueurs sous le regne des derniers Valois; Ch. l)u Bois-MellJ'
Moeurs soldatesques et coutumes de Mars de Louis XII ä Henri II.
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Mitteilung«! unb Wottjen
Nouvelle Revue, 1 juillet: F. Enger and, Le« Amüsement« des
ville« d'eau an XVIII« »iecle.
Journal de la Soc. de statistique de Pari», 36. annee, No. 7:
A. Nicaise, L'aicheologie, sou domaine et «on influence sur le« progres
mat Ariels et moranx du XIX* »iecle
Annale« du cercle arch ^ologique de I a Tille et del'ancien
pay8 de Terraonde V, 1: P. de Croo«, Des biens et de la propriete
ä Termonde d'apre« le droit coutumier et feodal; A. Pinchart, Inven-
taire des pieces d'artillerie exintant ä Termonde en lf>86.
AnnaleB du cercle butois desBciences et des lettre« IX, 3:
J. Freson, Le» manuscrits du couvent de Sainte-Aldegonde de Huy
(ftlofierorbmmgen bf* 17. 3bbtS.).
Annale« de la societe d'archßologie de Bruxelle» 18Ö4, l:
A. de la Orange, L'albnm de musique du XV« si6cle du musee de Tour-
nai; De Raadt, Notes sur de» crime» et d61iu cominis au XIV« et au
XV« «iecle dans le paya de Haiines.
Handelingen van het Provinciaal Oenootscbap in Noord-
Brabant 1891/3: J. van der Hammen en Aug. Saasen, Telling der
huizen en haardsteden in den Stad en de Meierij van'« Hertogenbosch 1526.
The Nineteenth Century No. 210: Krapotkin, Mutual aid in
the mediaeval city.
Economic Review IV, 3: A. Law, Town life in the XV* Century.
Quarterly Journal of Economic« 1894, Juny: W. J. Ashley,
The anglo-saxon township.
Bulletin of American Oeographical Society, Vol. XXVI,
No. 2: Kinza Ringe M. Hirai, The Japanese life and custom« a« con-
traeted with thuse of the Western World; Fr. Parry, The sacred Sym-
bol» and numbers of aboriginal America in ancient and modern Urne«.
I
l&cfprecf)uttci<m.
©ruft 0. SfMüu^es, GMdjtctjif dps ljiftt>rirdjnt puffums
uiili Ofr gfttttUmger gommlung Ufr JiuM JäHfindjrn. $lünd)en,
3. ßinbauer, 1894. (127 ©.)
9tadjbem ba« fonigl. b 0 9 c r i f 4 e National mufrum jh -TOHnA*
unb ba*@ermanijd)e 2R u f e u m ju »Ilmberg oor ni$t langem rrft
tb.re gefd)id)ttid)e Datfieüung gefunbrn baben, liegt nunmetyr eine fotd?e aud)
Uber bat ^iflortfdjr SRufeum btr ©tobt üRündjen unb bir bamit oerbunbeitt
SWaiHinger Sammlung 00t. <S* ift eine red)t aujiebenbe unb (ba fte eine
Hrt ftijjenr/aften Satalog* ber im SRufcum beftubüdjen ©egenftänbe enthält)
für brn «Be|ud>er SRündjen« praftifäj oerroertbare Sdjrift. 3br Cerfaffer
roeifl nad), baß btr Uranfänge be« erfl Oor fedj* ^ab.rrn eröffneten 3Rfina)ener
Stabtmufeum*, foroob.1 roa* ba* (Sebäube al* aud> feine iBeßänbe unb bit
-Berroerfung ber festeren ju SRufeuniÄjroeden betrifft, oiele ^abrbunbrrtr
juriidreidjen unb mit ber <Srrid}tung eine* S>tabtarugt)aufe« (Beginn bei
15. 3af}rbuubert£) jufammenfaflen. Dbroofjl ba«fr(be, roie fein alter 92an>c
„iöüdjfen- unb $ornf)au«" nod) oerrät, urfpiiinglidj junt ©äffen« nnb
treibebepot beflimmt getoefen, mar e* bort) frtttjjritig ju einer Hrt ©äffen«
unb Antiquitäten > u f e 11 m geworben unb rourbe al« foldje* fogar vom
geinbe mefjr rejpeltiert a(« öon ben SJiündjcncr «Bürgern felbfl, bie e* nod)
in ben iDfärjtagrn oon 1848 einmal oorflbergeb. enb plfinberten , bamit afl'r*
bing* glridjjetlig ben ünffofj gebenb, bafj ben biflorifdjen «Beflfinbrn bei
3eugr/aufe* ein größere* Sntereffe jugeroanbt rourbe. ©ie biefe* ^nterefft
burd> bie 700jäbrige Jeier be* SRündjener ©tabtjubiläum« goboben, »ie
namentlid) auf ba* rege «Betreiben be* brannten Ä a * p a r «Braun au*
bem ©tabtjeugr)aufe ein ,,biflorifd)e« ©affeiimuieum" gebilbet »arb, nie ftö
biefe* bereit* 1874 roieber in ba* tönigl. Wationalraufeum oerlor , rote bann
ber öebante jur ©rttnbung eine« neuen biflorifcben ©tabtmufeu»»
erf) 1888 glttdfid) realiftert rourbe unb mit bem (Srtoerb ber tofibaren
SRaiKinger Sammlung (einer großartigen €>tabtgefd)id?te SWflndjen*
in Silbern) jnjammentraf : ade* bie* füfjrt £e*toud)e* in trefflidjer unb faß)'
lunbiger ©eife auf ®runb genauen «tteumateria.« in feinem «udje bem
8efer oor «ugen. — (S* roäre übrigen« ju rounfd)en, baß bie SRaillim'r
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©efpredjungen
©ammlung, bie gegenwärtig auf 'JJlaljntangel nur nach unb nad) in Gerten
jur «u*fteaung gelangt, für bie ftremben n?ie bte SWflncbener felbfk nod) mehr
al« bi*ber gegeben tonnte, nufcbar gemacht würbe. IS. Möhler.
©ttocor fJJfbfr, £)ir CBnt^rljung Her |Jorjellan- unb Jtein-
gut-2lnbußrif in fernen. $rag, «erlag be« Vereins für ©efd)id)te
ber £>eutfd)en in ööljmen, 1894. (128 ©.)
fciefe , al* DI. $eft ber „Beiträge jur (8 e f rb i <b t e ber beut-
f#en Önbuftrie in Böhmen" erfebienene «rbeit ift eine treffliebe unb
au« gemiffenbaften arcbioalifcben $orfd)ungen ^eroorgegangene tjiftorifcbe
35arftellung eine* Snbuftriejweige*, ber ju ©eginn ber Wer 3at;rc be« Dorigen
3al)rhunbert« in ©öbmen feine erften Anfänge nabm unb ft<b befanntlicb
nod> b«ute bort in groger ©lüte befinbet. Äulturbiftorijcb. lehrreich ift ba*
•Btubium ber Stttwicflung Dicje« 3nbuftriegweige* in vielfacher ^inftc^t; in*>
befonbere lägt e* einen guten Ginbltct thun in bie teilweife gerabeju Der«
fd>robenen üotf*wirtfcr>aftlidjen Anflehten ber einzigen faiferltcben Regierung*-'
be&Örbrn Deßerreicb«, gegen bie, wie wir wiffen, felbß ber ©eift eine* 3o»
fepb, II bäufig umfonß antämpfte. 2>afi bfutjutage bte wirtfcbaftlidjen Grunb'
fäfce unb 9nfd)auungen vielfach in fchnurgerabrm ©egenfafe gu benen be*
vorigen Sabrfmnbert* Reben, ift betannt unb erllärlicb, aua) bürfen gewiffe,
b)eute niebt mehr jutreffenbe mirtfebaftliche SRaßnahmen ber früheren $tit für
biefe leitete gar wot»l al* berechtigt anerfannt werben, baß aber j. 8. noch
im 3abre 1798 bie Siener ©ebörbrn Don ©taat*wegen gerabeju Der*
boten, beffere* $or)eflan in Ößerreicbijcben Canben ju erjeugen, al« man
e* in ber taiferlicben SWanufaftur ber $auptßabt bcr}ttfieüen Dermocble,
müßte wirtlich, unglaublich erfebeinen, wenn e*fBeber in feiner @ä)rift
nidjt aftenmäjjig belegt hätte. Qtntt ©erbot würbe t&at(äd)lt<b Don ben
$orj}eüanfabrifanten ©öbmtn* ehrlich beachtet; fie fanbten ihre Saren au*
geroiffenbafter {Rürfficbt, ber ÜBiener @taat«fabrif nur ja feine Äonfurrenj )u
machen, unter bent befcheibeuen tarnen „(Erbengut" in bie Seit. Qnm 2>anl
für biefe* gutmütige ©erhalten fam bie üeituug ber feierlichen gabrif in
2öten mit bem <&v]üd)tn an bie ©taat*bebörbe, bie böhmijcbeu ^orjeüan*
fabrifen gang ju inhibieren, „ba fte boeb minberwertige (Srjeugniffe lieferten",
eine ©egrünbung, auf welche bie ©ebörben fein Sort ber (Sntrüßung ent-
gegneten. ©ol<be unb ähnliche Stiftungen ber 8iegieruug*wei*bett früherer
Xage wirb berjenige mit 'Jcu^eu lefen, ber ftd) ein ©ilb Don ber öirtfebaft*.
gefcbidjtr unb SBirtfcbaft«politif »ergangener 3«»ten macheu wiü. 2)ie ©djrift
2Bebcr* liefert baju bemer(en*werte ©eiträge. Ä. Xöhler.
JL. n. ©fijfo, jelblionptntann $rnfrirt Jöjmtnpfrraann.
.öerlin, Mittler & So&n, 1894. (16 &.)
3n biefer Heilten Sonographie , einem Separat • Ä bbrud au* ber iDeut«
fdjen fcrmee«3eitung, trägt ber ©erfaffer jufammen, wa* er über bie oolf«.
Öefprecbungen
tümlid)e ^igur be* „frommen" {£elbbauptmann* $at ftnbeu tonnen. Siel
ift bie* nicht, (fine SReitje öon Umflänbeu wirb e« immer erfdjmeren, übtx
bie Sugenbgefcbichte unb ben JBerbegang ©cbweppermann* genauen Suf«
fdjlug ju geben, ift ia felbft fein ©eburtsjabr nicht mit Sicherheit ju bf.
ftimmen. Grrß oon 1280 au ift ber Warne be* Witter* urtunblid) belegt.
Obgleich, fleh, feine Berühmtheit ooinebmlicb auf bie Xeilnafyme au ber ©cblodit
bei SWüblborf grilnbet, febeint boeb, fid}er, bag er burd) fein $r(bberrntalent
febon weit früher Pubwig bem Öapfiu al« eine fdjäfcbare jtraft gcgolteu unb
tn*befonbere feit bem Ireffen bei ®amel«borf (1813) immer unter 8ubwig«
Jahnen geftanben t)abe. darüber, ob ber in neuerer $tit otelfacb ange-
zweifelte, befannte 2lu*fprucb ?ubwig* bei ber Serteilung ber (fier wirflieb
gefallen fei, t)at ©epfo nicht« <Sutfcb»ibenbe* beigebracht.
<&. Eöhter.
^iinig, fianbflerid^törat, Jius }mti |ta^rtjunltprtrii. ©ffdjtttjtc
fcer gtuHentenfnjttfi un& Drs ftnofntifnjf« f orsoralton$i»rrit$
auf Ufr itniuerfitöt jjalle. 9iadj urfunblidjen Duetten bearbeitet
#afle a. ©. 1894.
(5« mar ein glüeflieber ©ebanfe ju ber jwcibunbertjäbrigen Jubelfeier
ber Unioerfttät $aOe eine ©efebiebte i^rer ©tubenten $u ftbreiben, unb b(t
Serfaffer tonnte oon oorufyerein eine* lebbaften Jntereffe*, ba* aud) bie
Jrftftimmung überbauerte, fteber fein: haben mir bort) fo wenig biflorifö«
2)arfteflungen be* ftubentifd)cn ?eben* unb treiben« an ben einjelnen Uni-
oerfttäten, bag jeber neue Beitrag bier miütommen ifl.
3)er Serfaffer, wenn auch tein ftiftoriter oom ftad), ^at fi* mu 9ro&,r
Piebe unb anerfennen*mertem Jleiß in bie Materie einzuarbeiten oerfudjt,
unb mir fönnen in Dielen fünften feine ©tubie al* gelungen bejeidjnen.
3n ber ©cbilberung ber neueren Serbältniffe finbet ber frühere 5orp«ftubent
wohl ntebt immer bie nötige Cbjeftioität. 6d)abe nur, bag ba* Serbinbung**
roefen unb feine <5rfd)einung*formen faft au*fd)lieglicb ben Inhalt beS cor«
(iegenten Suche* bilben uub anbere, wichtige Jragen nicht berührt ober nur
flüchtig geftreift werben, ©o hören wir faum etwa« oon bem ftttlüben
©tanbpuntte ber ©tubierenben, oon ber gefährlichen Neigung gum Spiel,
oon bem Serbältm* 3um weiblichen ©efebjeebt, oon ben Sejiebungen ju ben
Sürgern unb beren ftamilien, wie ju ben Angehörigen ber h^ren defed«
febaft, nur wenig über ben Ion Unterhalb ber ©tttbentenfehaft. Vaucbfiabt,
ba« both eine wichtige ffloüe im fcaüifcbeu 6tubentenleben fpielt, wirb faum
einmal genannt, oom „Somment" nur bic auf fechten unb €b*«nbänbcl bf>
jüglid)en fünfte erwähnt: über Äommerfe, 2Ra*fenjüge, Uber ©tubenknlt^
unb ©tubentenfprache fchweigt ber Serfaffer.
Sielleicht lag bie* in feinem platte, aber bann hätte ba* fehlen ri4*
tiger wohl auf bem Xitel martiert werben follen. 3U e'ncr ® cf et? it^tr ber
©tubeutenfehaft gehörte eine Seb/anbluug ber angeführten unb anberer Oege«*
ftänbe gewig. 2) od) fiören wir un* nicht ben ©enug be* (Gebotenen bureb
§inweife auf ba* ftetyenbt unb nehmen wir banfbar bie ®efd)td)te beS
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'.Prfpredjungen
233
poration«mefen« bin- $ier wirb un« febr Diel forgfältige ftorfdjung öorge=
tragen unb wir erhalten m aneben tutereffanten auffdjlug. ffiir tonnen biefe
Partien mit großer «nertennung nennen, unb in i&neu liegt ber ©djwerpunft
be« Söudje*.
©ine Härtere $erDorljebung be« «ebeutenben bor bem Unbebeutenben,
bie ©egfaffung Don einigen Cui«quilien, etwa« weniger aufgeben in (Sinjel*
Reiten, fo fd)äfeen«wert fie an unb für ßd) ff in mögen, mürbe ftdyrrltd^ bie
Ueberßdjtlid)teit ber oerfdjiebenen ftbfcbnitte erljöfjt Ijaben. %u<S) bie au«brttd-
lidjc ©djilberung einiger allgemeiner (Sntwidlung«gänge b,ätte bem ©udje
jum «orteil gereift: fo j. roenn betont märe, baß bie Orben au« beu
?aub«maunfd)aften beroorgegangen ftnb unb urfprüuglid; einen engeren Ärei«
innerhalb berfelben gcbilbet baben, eine (Ertenntni«, bie mir ©. ftabriciu«
Derbanten.
^m (Einzelnen tyinbert manchmal feine nidjt weit über bie $aüifdjen
ßubentifdjen SSerljältniffe t/inaudgeb.enbe ©elefenb.eit ben ©erfaffer, ba« IHidj=
tige ju erfennen, moju an ein paar ^ßuntten audj (leine ^lü^tigteiten bei'
tragen. @o I^eigt (©. 10) ber fRenommiß nic^t © * n l d , fonbern © d; 1 u d
unb iß trofc ?aufbarb, beffeu (Sulertapper übrigen« $u $ a 1 1 e 1804 erfdjienen
iß, feine l}iftorifd)e ^erfönlidjfeit. faufbarb« Bemrrtung iß reine drftubung.
«erfaßer ber 35iffertation be« SRartiali« ©djlud foll ein (Erlanger, nameu«
<&(eiß, geroefeu fein. ©djon Äinbleben ermahnt in feinem ©tubenten»?erifon
(1781) biefe ©d)rift, beren erßer 35rud au« bem 3a^'c 1778 ßammen fofl.
iß mir inbefj nidjt gelungen, feiner b>bt>aft ju werben, unb bie älteße
mir erreichbare «u«gabe iß bie oon 1780 (SRünd)en, $of- unb Staats-
bibliot&et).
(Eine eigentümlich e Äettc Don 3ufäHigteiten fnüpft ß$ an bie $ublifation
ber Sb^onit Dom 3u«juge ber Stubenten nad; ber ©rop^anfdjente, bie Äönig
©. 39 ff. abbrudt. «on tt)r mögen im '{friDatbefttye roobl nodj manche $anb«
jdjriftlitbe Xerte erißieren, fo beftyt j. ö. bie ©ibliotljef berSRarientirdje b,ier einen
etwa« abroeidjenben. aber bie (Jfyronif iß aud) fdjon feit beinahe 50 3af?ren
gebrudt unb $war oon ?. Äöppcl, in ben „©urfdjenfatyrten, Beiträgen jur ®e>
fc^ic^te be« beutfdjen ©tubentenwefen«" (3cna 1846, ©. 81 ff.), «nblid;,
— unb ba« iß ba« ©ef entließe: ba« Qtanje iß teine«weg« $aü*ifd;e«
Original, fonbern Don fyna Ubertragen unb topiert. Urfprünglid; iß e« ge»
madjt auf ben ^enaifdjeu au«$ug nad; 9tora Dom 3ab^re 1792, unb iß im
$abre 1832 oon ättarianu« in feinen „Äomtfdjen ©cenen au« ber afabemU
fdjen ©elf ©. 44 ff. oeröffentlidjt.
$mftd}tlid> be« fdjleftfdjen Äränjdjen« fdjeinen mir ßdj bie Bemerfungeu
auf ©. 141 unb 143 }u miberfpredjen. <E« iß wob.1 wie bie anberen Sränj'
d;en retonßituiert worben. Slud) ©. 121 bin id) über bie Äidjtigfeit ber an-
gaben in Betreff be« SWagbeburger unb ^alberßäbter Äränjajei.« im 3meife(,
befonber« wenn icb, «ugußin« „Bewertungen eine« «tabemiter« über ^aüe"
(1795) @. 246 Der gleite.
3um ©d;lu0 nod; jwei (Ergänzungen: lieber bie £efepeitfd)enaffaire ber
Teutonia, bie in ifyrer lenbenj feb^r ßart burfdjenfdjaftlid; gefärbt war
(©. 167) , berietet aud) ber Dr. pbil. ^einrieb 91 e 1 1 0 (b/anbfd;riftl. in ber
Unio..«ibl. 3ena, Mspta. Nettoniana ftr. 26, ©. 469 f.), weldjer Don ©eiten
ber ^enenfer jur Berid)terßattung über ben %a\l uad) ^aüe gefd;idt war.
234
»cfprecbungen
liegen ^oad^im Sange (©, 28 f.) eifert ein ©tubentenfteb, bat ^anb*
fä)rift(td) in einem ber Ijieftgen Uniterfttätftbibliotbef gebörigen *fieberbna>
au« bem rrflen «iertel be« 18. Sabr&unbert« enthalten ift '):
galfcbe« $afle, gute Wacbt!
fc^enefft bu beuten Mosen ©öbne (lies ©ebne)
eine $linte nur jum ?obne?
bat ber teuffei bttfj gemalt V
tJalfd)es $alle, gute 9lad)t!
$aflr, btlbe bir nid)t£ ein,
3>a§ ber ©urfd) üon feinen (Bulben (1. (Bulben)
febimpff unb fribanbe fofl crbulben
darauf fpric^t ber ©urfdje: Wein!
$a0e, btlbe bir uiä)t« ein!
©fö ben Professor ibus
foQ ber 8urfd)r fcfilffe fwben
unb bie fangen an ju fluten:
«öe« getb un* jum oerbru§
beb *>«n Profes8oribu8.
Äommpt man »or'* Consiliam
fprid)t ber Joachimua Lange:
flbatn *) mit feiner ©tätige
Unfere ©urfebe b.o(en mum (sie!)
Äompt nur öor« Concüinm.
Sp, bu alter ©djul Major,
2)endfl bu, rote öor roentg $a$ren
$anb unb Urfa) ftd) Jtonten $arrn,
Unb aud) ifct fo roie }u öor!
$fuo, bu alter Schul Major.
3)rum, ibr ©urfd)e, patfet ein
unb jeigt, bog ti eutb in $afle
auf bie SBeife nid)t gefalle
Unb ba* ibr obne (1. obn) fie fönt feon:
©riim (l. 2)rum), ibr ©urfd)e, padet ein!
2>enn mag ein Professor biet
©tatt ber ©urfd)e ©anden (ebren
famt ber $*au &a* ®<l& oerjebren
D^ne lobad, ©robt unb ©ter
miserabel leben ffitx.
') $err Ofeb. «atb Dr. Hartwig maebte mid) freunblid)ft fetner 3ett auf
ba* fteberbud) aufmertfam.
*) Sbam war ber Warne bei Raupte* ber $äfd)er in $afle ju jener
3ett( ben aud) «einroalb in feinem «fabemien- u. ©tubenten»©piegel (17»)
©. 126 nennt.
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©efpre^ungen
336
#o0e, wie »in'« bir erge$n
wen bie 8urfd>e Don bir Reiben
wirftu ntdjt mit bcn öebäuben
3ln ben triften 3ügen fle^n,
$afle, wie mild bir erge^n?
2>enn mag btefer plagen ©$aar
2>td) unb beine ©eiber nebten:
3a, fle wirb bidj beten lehren,
wen bie nobj fo)on offenbabr;
$alt« nur mit ber flogen ftfjaar.
SWogbgen* (1. SWägbgen«), wa« fagt i&r barju
wen hinfort in tafft unb feiben
(Süd) bie Surfte niä)t meb,r Äleiben
Unb bie — — fjaben Äub,
SWagbgen« (1. ÜWägbgen«), wo« fagt ib,r barfeu?
Unangenehm wirft oftmal* eine ©tilunart, bie 3nt>erfion na<ty „unb",
auch, wenn ein neues, felbftänbige« SRoment in bie £r3ät?(ung eingeführt wirb,
unb ba$ ftortlaffeu be« formalen ©ubjeft« (fo 3. 8. ©. 15, 29, 124, 153,
218). 2)a« „Peben in uubetannter Slbmefentyrit" (©. 180) $ätte filglid) bem
nid)t na(^ab,men«wcrten ÄanjleifHl öberlaffen bleiben joden.
$aüe a. @. im «uguft 1894. 3ob,n STOeier.
CB. feg*, jjftoflbergcr §tubftitmUben }u Anfang unftxts
3atjrljuiU>frt5. 9tad) Briefen unb 2lften. 2. Ausgabe, ^eibelberg,
Garl SBürter. (94 ©.)•
,,2öa« in biefen ©lottern erjäbjt würbe", fagt ber ©erfaffer, „liegt trofe
ber ©panne weniger ^abrjebnte unenblid» weit hinter ber Gegenwart",
liefen Cinbrutf wirb in ber Xb,at ein jeber fjaben, ber fttb in bte bjer bar»
gepellten flubentifdjen 3ußänbe oertieft. 3)ie ^eriobe flubenrifcben ?eben«, bie
^eptf un* $bo}fl anfdjaiiltd) unb intereffant fcfylbert, umfaßt bte ßeit Don ber Er-
neuerung ber Untoerfttät #eibelberg (1805), mit ber wieber ?eben in bie ftifl
geworbene ©tobt tarn, bis jum 3al)re 1819, bafl für $eibelberg einen fdjarfen
Äbfdjnitt bilbet. „9itemal4", meint $epd, „ftnb fte wieber in bie Oeffent*
lidjfeit mit b er (Eigenart getreten, bie beibe für unfere $eriobe djarafterifiert,
weber ba« lanbämaunfd}aftlid)'penna(iflifa)e, jeboeb, ooflträftige ÄorpSwejen,
nod) bie träumenbe ©urf<benfa}aft, bie lein ©onberbunb fein woflte". S)a«
Hingt faft wie ein 8u«brud be« ©ebauern«! %d) muß gefielen, id> teile bte
bei ben gebilbeten unb ungebilbeten ©eutfdjen hergebrachte ©egeiflerung für
alle« fogen. ftubentijdje in feiner Keife: icb, fann al* $iftorifer in ben meifien
ber b,ier gefdjilberteu (Spifoben unb 3uft&nbe — abgefetyen oon bem nationalen
9uffd)wung — nur febr uuerquidltcbe unb unerfreuliche ©ittenbilber erblicfen,
bie icb, ober al« c^arafterifttfe^e Grrfcbeinungen ber beutfdjen Jtulturgefcbicbte ge-
wiß für barfteflen*wert erad)te. 3n biefem ©inne begrüße icb, ba« b,übf(b, ge*
jdjriebene ©tto)letn unb wüufcbe ib,m öiele ?efer. (SJeorg ©teinbaufen.
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236
$fjprfd)itTtcjftt
(Binert, ©in Düringer &a\fopfaxvtv im BOjä^rigm
gfcrif gc . ^ttttetlungen aus einer ßircf)en-<£l)romf. Slmftabt, ©. grotfäer.
(IV u. 95 ©.)
Wach ben (Jinjeicbnungen be« Pfarrer* ju Dornbeim, SRagtfter« ©cbmibt,
in bie Äircbeucbromf febitbert (fiuert unter $eranjiehnng ber Wien be« 9Un-
ftdbter «rdjip« bie ©Breden unb Reiben, bie ber 30jährige Ärieg über ba*
Pänbcben bort perbängte. (Ein gelehrte* ©ucb. wollte ber ©erfaffer ntc^t pop
legen: er giebt eine erjähtenbe, oft nooeUiftifä angefauchte Darfteflung, bie
burdj bie ^rifebe ber Originalmitteilungen au« be« Pfarrer* Sbronif befon»
beren SReij erhält. ^Ur weitere Äreife jinb foldje ©cbjlberungen, bie auf ju»
peiläfftger ©achfenntni« berufen, Diel mehr unb wärmer ju empfehlen, als
jene oberflächlich aufammengefioppelten „Äulturgejchtcbten", bie meifSenteil*
©pefulattonen r>on Tutoren ober Serlegern ftnb.
Der Warrtjerr felbfl ifl tppifcb für bie ©cmabruug ber bumoröollen naiPen
„alten Art" (f. meine ©efctiicbte bc« beutjeben ©riefe« II) in ber erften fcälfte
be« 17. Saprfuubert«, bie fpäter Pon bem neuen franjöftfcpen «itbung«ibeol
untergefriegt wirb.
Unnötig erfctyeint mir ber an maueben ©teilen übertrieben arebaifterenbe
ton in ber Darfteflung be« ©erfaffer* felbft. ©arum fagt er j. ©. „gwo"
unb nicht jwei? ($eorg ©teinbaufen.
Piitj. §tieüa, ganrir^-wnettmiifit|c Jtanfcfldbeprfciingrn im
15. galjrljmtDert. geftfärift ber Sanbea * Umoerfität Stoftorf jur
$roeiten ©afularfeier ber Unioerfität $aUe a. b. S. floftotf, 2lblerö
erben, 1894. (IX u. 191 ©.)
Die Porliegenbe ausgezeichnete Arbeit fudjt jwei liefen, bie fto> in ben
bisherigen ftorfebungen Uber ben beutfcb-Penetianifchen ©ertet)r im SRittelalter
jeigen, auszufüllen. Der erfic Deil be&anbelt ben ©erfuet» bc« ÄaijerS ©igU-
munb, jenen $anbel geitwetlig bureb ©perren ju unterbrüefen , ber jtoeitr
unterfuetjt im 3ufQmmenhang bie ©ejiebungen jroifcben ©enebig unb ber
$anfe. $\l jener $eil, obgleich er Pielerlei jur QDefcbicbte be« beutfch*Penetiani'
feben ^> anbei« bringt, boch wefentlicb für bie politifcfe (iJefcbicbte intereffont
— beun ber ©ebanfe ber $anbel«fperren entfprang bei ©igi«munb nur poli'
tifchen SKoriPcn, bem SBunfcbe, ba« perbo&te Senebig ju fchäbigeu — , fo #
ber jroeite Pon (ehr großem tulturhiftorifcben, in«befonbere hanbel«. unb wirt«
fchaft«gefchtcbt(ichen $ntereffe. ©ie ©tieba in bem »orwort mitteilt, ift {eine
Darfteflung gewiffermaßen ein .Seil einer größeren Arbeit, bie ftch mit best
(Äroßtaufmann §ilbebranb ©eefinebujen befebäftigt unb auf ben reichlichen
brieflichen unb aubern r)anbfc^riftltd)tii ©cbäfcen be« 9tePaler 9lat«arcbiPS
ruft, ©a« ©tieba au« biefem ©toff 1)'\tx bietet, ifl überau« (ehrreich unb
auch üon großem aflgemeinen ^ntereffe.
Gr fucht nach jenem SWaterial ein ©ilb pon ben Oefchäften gu entwerfen,
bie bamal« wirtlich abgemufelt würben, unb behanbelt im einzelnen bi*
.f>anbcl«gefellfchaften, ifre ©cficrfale unb ihre «Witglieber, bie ^anbelibriefe,
©efprechungen
bie $anbel«marlen, bett (Selb- unb Söecbifloertehr, ben ©arenoerfehr, bie
9Haße unb ©emicbte. Die im erfien «bfchnitt urfunblich gef Gilberte ®ef$i$te
einer beftimmten $anbel«gefeHfchaft , bir etwa um 1409 ihre ®efcbafte be-
gann, geigt und, wie grogartig bereit« im Anfang be« 16. tfahrhunbert« bie
Organifation be« $anbel« gewefen fein mu§. Der birefte ©erfehr gwifchen
Pübect unb ©enebig muß banad) auch ein oiel regerer gewefen fein, als man
bi8b,er annahm, unb muß aller ©atjrfcbeinltchfeit nach febon im 16. 3ahr»
hunbert beftanben haben. Der Bbfcbnitt Uber bie $anbel«briefe ifl oon grö-
ßerer ©ebeutung für bie (Entwicfelung be« faufmänmfcben $rioatoertehr«,
nicht minber aber audj für bie ®efa)id>te bei beulen ©riefe«. 3n biejer
lederen ©ejiebung begrüße ich cuf ba« wärmfte auch ben urfitnblic^en An-
hang, in bem u. a. eine große Weihe oon $attbel«briefen au« bem Anfang
be« 14. $af) rhunbert«, alfo au« einer &tit, in ber meber prioate $anbel«>
briefe noch überhaupt reine ^Jrioatbriefe ja bl reich erhalten ftnb, nach ben
Originalen im IReoaler Urcbio abgebrueft werben.
©on Jöfrt ift weiter, wa« Stieba oon feinem SRaterial für bie #anbel§^
marfen, ben ©elb-, namentlich ©ecbfeloertehr beibringt, mistig ber «bfchnitt
über ben ©arenoerfehr, in«befonbere bie ausführliche ©efpreebung ber ein-
zelnen ©aren, bie in jwei großen Oiruppen (Wobfioffe unb grabrifate) ge-
geben wirb. (Beorg Steinhaufen.
* *
*
gn*m\$ (Beiger, ferüii 1688—1840. ®tf$\tyt *t$ gri-
ffigen £fbrns Der prmfjifdjen fjaupt|hiM. 1. 33anb, 2. £älfte.
SBerlin, ©ebr. «faetel, 1893 (XVIII, 6. 295—709).
Die jmeite umfangreiche Partie be« ©eigerfdjen ©erte«, über ba« icb mich
au«füb,r(ich fchon im erften ©anbe biefer 3fitKh*ift (S. 859 ff.) geäußert habe,
behanbelt ba« 3^taItfr ftriebrich« be« (Broßen, ba« „3f',a^er oer ^uf*
flärung". „8Rit Jriebrid)« fre« ®rc6cn Warnen", betont (äeiger, „ifl bie Huf-
flärung eng oerfnüpft. Unter ihm unb burch ihn würbe ©erlin bie Stabt
ber «ufflärung. ffiie fo oft, würbe auch in biefem ftafle «nfiebt unb ©er-
halten be« Äönig« tüpifd) für feine 9teftben$". ©a« ich übet bie (Einteilung
be« oon (Seiger behanbelten Stoffe« nach ben 8Hegiernng«abfchnitten ber
Äönige benfe, habe ich fchon bei ©efprechung ber erfteu $älfte gefagt; immer-
hin meine icb, bie ©egrenjung ift in bieiem f^aOe im großen unb gangen
jutreffenb. Die ftribericianifche 3f'1 begreift in ber Dbat eine jiemlicb ein-
heitliche, übrigen« fehr wichtige (Epoche be« geizigen l'eben« ber JHeftbenj in
ftch. Die einjelnen «bfchnitte be« ©uebe« ftnb bie folgenben: Die Stabt unb
ber Ärieg«herr; Der Damenhof. Die «uftlärung. 3Renbel«fobn unb bie
3ubeu. 3eitungen unb 3eitfchriften. ?efftng unb bie beutfehen Schriftftefler.
Die granjofen. (Entwicfelung ber ©iffenfehaft. Schule unb (Erziehung. Sitt-
liche unb ölonomifche 3»ftänbe. ©ilbenbe Äunft. lob grriebric^* b. (Broßen.
©ieber bietet ba« ©uch einen reichen, r>öd^fl fleißig gufammen ge-
tragenen Stoff unb fchilbevt un« eine große 9Renge oon einzelnen ^erföip
lichfeiten. #ier liegt meine« brachten« ein gewiffer SWangel ber Darftettung.
Die Säuberung breiter Strömungen be« geiftigen £eben«, bie bie oerfdjie-
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*rfpred?uugen
benen «Stnaef^eiten gleidjfam foncentrirrt miebergiebt, tritt bei ®eiger bor
bcr au«ftthrlidjen ©djilbernng ber eingelncn ^erfönlidjrciten unb ihrer Sirf'
famteit Dielfacb. febr gurüd ffiincr biefer ^erfönlichfeiten, bie in bcr iljat
einen grofeen Sinflug au«übte, wirb (Sieiger, um ba« tf'itx nebenbei &u er*
toähnen, burdjau« geregt: e« ifi ber otelgcfebmäbte Nicolai.
2)em Pcfer ber erften $älfte bc« iButhe« ift befannt, bafc (Seiger fein
Xi)tma in beftimmter SBeife befdjränft b^at. aber auch nenn nur ba« gciflige
geben im Borbergrunb flehen fofl, fo halte ich bod) aud) eine fiärfcre
oorbebung ber ©timmungen unb Strömungen, ber Urfcbeinungcn in bem
geiftigen geben ber breiten Waffe gerounfdjt. «uf ba« $rioatleben ber
Berliner wirft ba« Äapttel : ©ittlidje unb öfonomifdje 3ufiänbe, ©treifliebter,
aber eben nur ©treiflidjter. 2)od) lag eine eingeljenbere ©chitberung nicht
in ber ?lbfiä)t be« Berfaffer«. 25er 1777 gezeigte (Elefant ifl roorjt faum ber
erfte, ber in ©erlin gegeigt mürbe. (Siefanten mürben fdjon im 17. 3ab,r»
hunbert otelfad) gegeigt. ®corg (Steinhaufen.
fletnere jleferate.
%u9 ben „^iflorifdjen Unterfudjungcn (Erufl ftörftemann jum
60jfibrigen 2>oftorjubiläum geroibmet oon ber bifiorifdjen (SefeÜfcbaft
gu $re«ben" (geipjig, ieubner) Ijeben mir al« für unfer (Bebtet intereffant
folgenbe «uffäfce heroor: Oeffcntlicbe Bibliothef cu in ©rtedjenlanb unb Sieht-
flften oon ftrang $olanb; 2>er Ärieg«bafen in Äarthago oon Otto SWelfcer;
£a« 11. Problem be« mathentatifcheu $appru« oon Sfqmin, ein Beitrag
gur Berroaltung«gefcbi(hte ber ^roöinj Slegopten Don gfriebrid; $ultfd);
3ur (&ntmide(ung§gcjd)td)te ber weltlichen ©runbherrfchaften in ben beutfd)m
©übofimarfen wäprenb be« 10. unb 11. 3ab,rl)unbcrt6 oon Otto Äaemmel;
lieber ba« (JJefdjüfcwefen ber SBettiner im 14. $ahrbunbert oon ©olbemar
Rippert; 3oh. (Erharb Äapp al« fyrofeffor an ber Unioerfität getpgig oon
GJeorg Mütter. —
3u bem 1892 erfdjienenen „Ou ellenbüdjlein gur Äulturgef djidjtt
be8 beutfeben SWittelalter«" oon i^eobor ©Bouffier ftnb nunmebr
— etwa« fpät — „(Erläuterungen" (geipgtg, leubner) erfepienen. 2)o#
Ouedenbücplein fod bem linterriebt bienen unb bie (Erläuterungen nur bo8
Berftänbni« ber Xerte erleichtern, nicht etroa einen Slbriß ber beutfd)en mittel'
a(ter(ta>en Äulturgefchidjte geben, ©ie ftnb be«halb furg gepalten, m. <E. |u
fura. —
31u« einer «eipe oon ©eparatabbrüden au* 3eitfa)riften ermähne id)
©tieba« b.öd;ft umfangretdje unb grünblicbc Arbeit: „©tubien gur 9t-
tcbid)te be* ©udjbructi unb ©ud)banbel* in 9Redlenburg" (an«
bem ,,«rd)io für <»efd). b. b. ©ud?b.anbel*"). 3ür bie ®eid)id>te be* Sucb>
mefen* roie be« getfligen geben* überhaupt bietet biefelbe mit u)rem reiben
Anhang urfunblidjer Beilagen oiel neue* unb intereffanteS Material. 2)a§
äb,nlid)e ©pegialarbeiten auf biefem ©ebiet häufiger al* bi*her in Üa^nti
genommen roerben, ifl fetjr gu münfd^en. —
(Eine fleine «rbeit ,^ur (Sntmid elung be« »erlag«red>t«" W
«. Boigtlänber au« bem „Börsenblatt für ben beutfdjen Bn<hhanber 1892
söefpredjungeu
239
gefonbert abbrudeu (äffen. £r will bfm ^riöilegienwefen unb ber 9la4-
bruderei, überhaupt ber OJef^i^tc be* ©erlag*re<ht« früherer 3eiten, anbere
©fiten abgewinnen, al* bic hergebrachte SReinang — gu Ungunften bc*
Söu 41) anbei« — ihnen beizulegen pflegt. —
3luf einen Äuffafo oon (E. fange: „(Breif* walb er ^rofefforen in
ber Sammlung ber Vitae Pomeranoramu (and ben „©altifdjen
©tubien") möchte ich um be*wiflen befonber* aufmerffam machen, weil \)itt
— worauf ber Ittel nicht fc^ließeit lä§t — eine feb,r intereffante Beleuchtung
ber fulturhiftorifch wichtigen ©elegenheit«bichtuug be* 16. bi« 18. ^ahrhun-
bert«, unb bamit ein wertüoHer ©eitrag jur ®ef<hichte be* ©efchmadf«, roie
be* <Befühl*au*brutf£ gegeben wirb. —
3ur (Befcbicbte ber Wamengebung trägt eine urfpriinglicb in einer 3"*'
fchrift erfchienene Arbeit Don ^ona* ©ab ab, „(Etwa* Aber iiibifehe
unb chriflliche Cor» unb 3unomen" mancherlei bei (ffiien 1894).
Chrißlichf tarnen, bie man junächfi für jübifch holt, wie Achmühl. 3*rael,
3faaf, 3ub, (Jafob, weiter germanifche unb romanifche Flamen bei polnifchen
Suben, beutfche Warnen jübifcher grauen be* SRittelalter«, überhaupt bie «n»
nähme frember Warnen feiten* ber 3nben, enblich bie ©ilbung heutiger iübi«
fcher Familiennamen werben intereffant unb mit groger ©elefcnbeit, aber in
einem wenig lobenswerten Stil befprodjen, babei auch mancherlei anbere
Dinge, &ntifemiti*mu* u. f. w. berührt. —
Qer belannte Äultur» unb ffunftbtftorifer , ^Srof. H Iwin ©ajulft, ar-
beitet au einer umfaffenbeu allgemeinen Äunftgefctncbte. 25ie (örotefche ©er»
lag*ho«blnng giebt eben bie erfte Lieferung au«, bie eine oortreffliche Vrobe
oon bem Inhalt be* Serie*, namentlich auch feinem ifluftratioen Xeil , ge>
währt. ®eorq Steinhaufen.
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<|tn t>enetianifcf)er IJietfeßericftf
über SiibbeutWanb, bie (Ddf^iPds mxb
ötöcritaßen aus öcm gafyre 1492.
Don fjenry Simonsf elt>.
©o roar ein merfnmrbigeä 3ufammentrefien/ bafj idj gerabe in
jenen tagen befl 3ot)reö 1892, roo man bie Erinnerung an bie
epod)emad)enbe ©ntbeefung Slmerifaß oor rner 3fl()rf)unberten in Italien
unb anberroärte feftlid) beging, burdj einen 3ufflö auf Den 93erid)t
über eine — im gleidjen Safyxe 1492 unternommene — Steife jroeier
oenetianifdjer ©efanbten nacr) Sübbeutfdjlanb :c. aufmerffam mürbe,
melier menigftcnö abfdjriftlia) in einer &anbfd)rift ber SHarfuö-
bibliotbef *u ^enebig (Älaffe VII ital., 9lv. 1795, S. 26—104,
saec. WIN) überliefert ift. Cbroofjl üou bem gelehrten früheren
Jüorftanbc Weier ^ibliotbef, Sßalentinetti, in feinen „SHegeften jur
beutfa^en G>kfdnd)te auö ben £anbfd)riften ber SKarrudbibliot^ef" l)
aufgeführt, ift ber sBeriajt bei und bod) unbeachtet geblieben unb in
JUergeffentjett geraten.
3u ber nämlichen 3eit, roo ber tiirjne ©enuefe (Solumbufi in
3ura)t unb Hoffnung auf bem Stteere trieb, um cnblicf) baß (jeifr
erfelmte 3«t $u erreid)en, fmben $roei oenetiamfdje Ebelleute im 3tuf=
trage ber Mepublif fitf) 3U Äaifer Sriebrid) III unb feinem Solme,
König 3)torimiliau, begeben, um tynen offijiett bie ©lütfn)ünfct}e ber
sJteimblif $u ber Äberljerfteflung be$ Jriebend (nad) Unterbrücfung
ber ftriegäbänbel in SBarjern2) ju überbringen. Einer ber Begleiter
') $n ben „abljanblungen brr föutgl. baxftx. Ätabcmie ber fBiffen«
fdjaften", 5U. III, ©b. IX, @. 552.
*) &. barüber töte^er, &e\d). «apern«, 8b. III, @. 552; Utmann,
Äaijcr SRajimilian I, »b. I, 8. 154 jc.
3«tW»rift für flulhiTflefd)ifttr. II. Itf
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242 $enn> ©imon«feib, (Sin oenetiait. Nfifebfridjt über «übbeiitfdjlant,
t)at über biefe oon Anfang $uni bis (£nbe September 1492 bauenttw
SHeifc in £agebud)form iUuf$eidmungen gemalt, auö benen id) l)ier
in Überlegung teilö wörtlict), teile im 2lus$ug bas 3iMd)tigfte mit'
teile, wätjreub ber Xert fpäter anberwärtö oeröffentlidjt werben fofl.
(So märe freilid) fetyr fyübfcr) unb mir fefjr erwünfct)t gciuefen,
wenn biefer Säfularberid)t aud) im Säfularjabre felbft nod) l)ätK
erfdjeinen fönnen. i?erfdnebenc wibrige Umftänbe tjaben bies leiber
oertjinbert; unb aud) injwifajen ift mir, mit anberen Arbeiten über-
häuft, eine frühere ^ublifation unmöglid) gemefen. üielleidjt bat
jebod) audj bte$ fein ©Utes. Unter ber großen Wenge oon ©ele^eit
tjeitsfdjriften $u jener benfwürbigen Jubelfeier märe bie oorlieaeitbe
uielleidjt unbeadjtet geblieben, unb midj bünft, bafj biefer Söcridjt niAt
bloo ein oorübergerjenbes ^ntereffe beanfprudjeu barf, fonbem aud)
einen bauemben ©ert befi&t.
@ö giebt ja aus jener „Seit nur wenige Beitreibungen unb
Sdjilberungen unfereö beutfdjen Haterlanbeo, inobefonbere nid^t mele
mit fo betaillierten Angaben, rote mir fie l)ier finben. 2i>enn mir y %
was ja am nädrften liegt, bie ^ilgcrreifen ber bamaligen 3C^ *n
bem befannten SBerfe von ^öf)rid)t=s}Heitfner burdjgeljen, fo begeanen
uns auffaUenb wenige Details. Der ©raf 3lor)ann $u Solms, ber
1483 feine ©allfatyrt unternahm, bewerft fogar ausbrütflid), bafo ff
beölmlb nid)ts über bie iHeife oon ju £aufe bis nad) ^enebig fd)reuV,
weil biefelbe befannt fei. Die Setjcnsmürbigfeiten unb 2i>unbev
^eiligen fcanbes unb bes Orients erfdrienen biefeu Stännern — "wn
mufc fagen, nidjt unbegreiflicher Söeife — eben als mitteilenöiuertff-
Sie bürftig ift aud) beo 2leneao Soloiue „©ermaiüa"'
Sinzig bie ©eltdjronif beo &artmann Sdjebel wäre tjier wot)l iu
nennen, in welcher öfters bei ben einzelnen Stäbten fleinerc ofe*
größere Xbftnitte beigefügt finb, bie Ullertings mebr rein IjiftoriidK
9iotijen enthalten.
SHoUenbs frembe 53erid)te über unfere beutfa>* £>eimat finfc »,r
faft gar feine befannt, mäfjrenb umgefebrt ja j. 33. bie Mcifebt'riaW
beutfajer ^aläftinafat^rer über 3iaton ferjr jablreid) finb.
5Pon wem ift nun aber unfer 3ieifeberid)t »erfaßt '< Die ±wP
ber ©efanbtfctjaft waren bie beiben ßbelleittc ©iorgio Goutarin1'
©raf oon 3affo, "»b ^3 ol o sJ>if an i; fie begleitete alo Serrfffr
©iorgio be $ebericis, unb beffen (Soabjutor Slnbrca be Jyranceä*'
ift es, welkem wir bie intereffanten 9lut>idmuugen oerbanfett. ^
war bamalö ein nod> junger Wann oon etwa 20 hagren, \>ex W
mehreren ^atjren in ber Hanjlei bes Dogen oerwenbet war »»nP
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bie Cftfd>u?fijj unb Obrriralirn aui bnu ^abrc 1492
243
fpäter ( 1 529 ) es bis jum ©roftfanjler, einem ber ()öd)ften Stattet Der
Jtepublif, bringen follte.
Vollftanbig in ber gorm eines Xagebudjes oerjeidjnet nun
tfrancesdji, an welchen Drten bie ©efanbtfdwft £ag für lag fidj
aufgebalten, was fie getrieben, was fie gefetjen unb erlebt ^at. £r
giebt genau bie Entfernungen ber einzelnen Orte oon einanber an,
er regiftriert gewiffenbaft bie auf ber jeweiligen ^oute liegenben
"4>Iä0e [am! ben ©aftljäufern, wo -Haft gemacht ober Aufenthalt ge-
nommen mürbe, ffi.^ieit wieberbolt bie i'anbfdmft unb befdjreibt am-
fübrlidjer bie größeren unb Heineren 8täbte, inbem er bereu CStjaraftcr
im allgemeinen fdrilbert unb baneben fpejiefle Eigentümlicbfeiten beroor-
bebt, Vefonberc Vead)tuug finben Sitten unb Öebräucbe ; über MatyU
jeiten, £rad)ten, mufifalifdje Aufführungen uürb mit fid)tlid)er Vor-
liebe berietet. Daß bies alles „fulturgeiaVcbtlid)" oon größtem
3£erte ift, braud)t nidtf erft betont ju werben; bie Angaben genünnen
aber uod) an Vebeutung, lueil fie aus ber #eber eines Venetianers
berrüljren. Denn für iljrc Verläffigfeit bürgt ber SBeJtmf ber oene=
tianifd)en Diplomaten, beren burdj Veranlagung unb Übung ge-
fdjärfter Vlitf pr odnlberung oon Üanb unb l'euten oorjüglid)
geeignet mar, Daß ber Verid)t aud) fonft manage fetjr beadjtenss
merte Angaben enthält, bafür mag auf bie Stellen über bie „freien"
unb bie „Weidjsftäbte", über ftaifer ^riebrid) IM unb .ttönig SHari-
milian u. f. to. l)ingeioiefen loerben.
* *
*
Die ^eife mürbe am 7. ^uni angetreten unb ging über ^abua
(Abfteigequartier: „Öaftbof jur 8onne"), Vicenja, Verona („Drei
Xürme"), Ala, :)tooerebo, Xrient ben Vrenner hinauf. Jlüenn bie
:Heifenben aud) erft in 8. 9Ri($ele bas eigentlidje Deutfdjlanb nad)
bantaligem Vegriffe betraten — „bier enbigt bie ^ombarbei unb be=
ginnt Deutid)lanb" beißt es im Vcridit — Xrient jeigte il)iten bod)
febon ein entfdneben beutfdjes ©epräge.
„Am 17. 3uni", fo lautet bie Gablung, „famen bie Wefanbten
nad) Xrient, eine bi|'d)öflid)e Statt, 12 teilen oon Mooerebo enU
fernt . . . Steint (eintritt in bie Stäb! fam ilmen ber itapitän unb
s4>obeftä oon Xrient entgegen unb es wären nod) mehrere gefommen,
aber fie badeten, bie ©efanbten mürben wegen bes Segens nid)t oor=
mittags eintreffen, wesbalb fie fid) nun wegen ihres Ausbleibens ent-
fdnilbigen liefen. Der s^obeftä begleitete bie ©efattbten bis 311m
10*
244 fttnxn @imon*felb, «in ocnetion. töeiffbfricbt übtv ©übbeutfdjlanb,
©afthaufi „3ur Mofe". aöährenb be« ©ffen« erfdnen ein ^offenreiBer,
ber auf fonberbaren 3nftrumenten fpielte, unb mit ihm eine grau,
roelche gleichfalls *u einer „3Ubeba" s) oiele beutle ßieber fang. Stenn
fpielten auch beibe jufammen mit berounbernöroerter Übereinftimmung
auf oerfchtebenen, fe^r fantaftifchen pfeifen. 3>er ^offenreifeer ^atte
#rmel roie in ber Äomöbie unb nad) bem brauch feined Stanbes
auf bem Mopf Obren oon Xud), oon benen er balb baä eine, balb
baö anbere, balb beibe Mammen bewerte, roaö oiel ju lachen gab.
$>ann mürben fie reich befchenft."
3ln bemfelben Xage waren bie ©efanbten beim Jöifcbof $um 2(benb-
effen etngelaben. Sie mürben abgeholt uom Sßobefta oon Orient uno
einem SWatlänber Mobile, 3uanP^ro M Visconti, unb otelen anberen
beutfdjen ©bedeuten unb $um ÄafteH, ber 9tefiben$ beö Sifdjofö, geleitet
2>erfelbe *) empfing fie an bem Xl)ore unb führte fie bann nach oben ju
einer £aüe. $>er Sefretär überreichte tjter bie Öeglaubigungöfchreiben
unb sJMfam ^ielt eine für je, treffliche , elegante latetnifche 3lnfpraa>
an ben $ifd)of, worin er bie ©rüfje ber Regierung ausrichtete, für
bie ßinlabung banfte u. bergL m., „mas man bei folgen (Gelegen-
heiten 3u fagen pflegt''. $>ann mürbe ben ©efanbten, bem ätiföof
u. f. m. SBaffer jum Söafchen ber $änbe gereicht, roorauf man fia)
ju Xifdje fefcte-
„(Sö maren in ber &aHe brei oiereefige £ifche (nach beutfeber
2lrt) unb ein mit Silber unb ©olb gefchmücfteS öüffet aufgefteUt;
bie ©efanbten erhielten ihre «piäfce am Äopf ber £afel. $er ©ruf
(oon 3affo, (Sontarini) fafe, meil er rCavaliereu (Witter) mar, auf
einem golbburchmirften Seffel unb fpeifte auch mit golbenem ©efted.
3uerft mürben allerlei oerfchiebene ©eridjte auf ben Xifch gefefct,
teil« belifate traten, teils geföntes gleifch unb nach beutfeher Sitte
auch Sifche aller 2lrt, oon ben angenehmften, bie man nur tyabtn
fann. 2lud) Salat gab es ju Einfang; bann ©eichfei unb ftirfchen.
hierauf tarn ein ßapaun in einer gelben Sauce mit 33rot barinnen;
berfelbe rourbe in Xeile geteilt ober otelmebr jerriffen unb Stüde
baoon auf örotfehnitten gelegt." (£s folgte (mte es fcheint) eine 3lrt
gefüllte Omelette: „rounberooÜ" ; bamit mar bas 3Renu aber noeb
feinesmegs erfchöpft; oielmehr folgte nun meiter ein ©ang oon $afen
») 9la(ft «. ©d)ul^, 25a« böflfc^e feben in ber 3eit b<v i)itunffäna/r.
©. 482, («ub6bc) eine %xt fttebel mit jroei (ober br<i?) ©aitrn; obn eine
ajiunbbarmonifa?
«) 9t war «Ibrtdjt oon «atjern (1478-1506).
bif Opidjwetj unb Obfritalien au« beut Sabjc M»2
245
unb gebadenem ^ilbfd^tuein in fdnoarjer Sauce; bann eine Sfrt
Örefcel in Cl getobt unb 2Beid>felfompott (?); hierauf nrieber gifd&e,
geföntes gleifd) unb trocfener traten (of)ne «Sauce); fnemadf) eine
3)lef)lfpeife aus Wüd) unb ©ier , enblid) ftonfeft. Daju trän! man
aus grofcen SBecbern unb afe gelbe« 33rot aus ©etreibe. 93ei bem
©cbeiu großer 3ßad)Sfer$en würbe hierauf bas KafteU beficfytigt unb
enblid) bie ©cfanbtfcbaft, welker ber 3Ji)a>f toieber bas ©eleite bis
jum %tyoxt gab, von beffen Wienern unb ben anbeten ©aften nad>
£aufe begleitet."
2lm borgen bes 18. nad> 93efud) ber SWeffe unb bes ßeidmams
bes ^eiligen ©imonetus ©erliefe bie ©efanbtföaft Orient unb erreichte
3Kittag ©. SRidjele an ber ©renje jroifc^en ber fiombarbei unb
Deutfd&lanb. 3m ©aftyof „3 um 2lbler" nmrbe bas 9Wal)l etn=
genommen, roobei ber öericbterftatter als einen Deutfcblanb eigen*
tümliajen öraua) bas ©peifen in gefdjloffenen Räumen fyexvoxtybt
Stoduquartier : (Sgna (fteumarft).
2lm 19. mittags in ÜB r an 5 oll, abenbs in 8o$en: „ein präcfc
tiger Crt, 00U oon 9)Jenfd)en, bur$ einen ©telloertreter regiert. @S
ift ba aucb ein (Äapitän) Hauptmann, ber aber nur bie ©infünfte
erbebt. 6s twt ©trafeen, ar)nlict) nrie eine ©tabt, gerabe unb alle
mit ßied gepflaftert, aud) grofje unb prächtige 5tircf)en: furj, es gleicht
ganj einer roirflidjen ©tabt. Durd) bie $auptftrafjen lauft fort:
loäfyrenb fef)r flares Gaffer, mie in Orient, fo bafe baran Überfluß
ift. 3n ber 9iar)e fliefet bie ©tfcb. Dreimal im 3afjre, SRitfaften,
am ©t. 2lnbreas- unb ©t. 2Jartt)olomäuStag finbet 3)torft ftatt. —
^benbS fam ein Deutfcfyer, ber mit ben £änben auf bem Soben
fpajieren ging u. bergl. m. unb oon ben Öefanbten ein ©elbftüd
erhielt."
3lm 20. grübftürf juSBojen, abenbs in Ä laufen. „Söä&renb
bes 2lbenbeffens famen jioei SJluftfmetfter mit fünf 3ungens, bie
oerfdjiebene ©ejänge oortrugen unb barunter namentlich einen, ber
roie ©cljladjtgefang mit Trompeten Hang, ©efonbers einer ber
3ungenS, fleiner als bie übrigen, jeidmete fict) babei burdj bie auger:
orbentlidje geinbeit unb ben bemunbernsroerten ©letdjflang feiner
©timme aus. iBefonbereS tfrftaunen erregte es femer bei ben ganj
entjürften 3u^5rern, bafe bie Hungens mit i^ren üttufümeiftern ju*
fammen fangen, ohne irgenb in ein $ud) ju fetjen. Die ©efanbten
fdjenften jebem oon ilmen einen ,©ed)ferk, ben 3Keiftern nod> oiel
mefjr, fie ermunternb, mit biefer pflege bes ©efanges fortjufa&ren." —
(Sin befonberes fcob wirb bann oon bem &eridj)terftatter bem SBirt
246 £rnri> <Simon«fc(b, «in öcnetian. Mfifrbm^t Aber ©«bbcutfd>lan*(
bes bortigen ®aftyofe3 „3 um l'amm", namens ©oeper, gefpenb«,
unb beffen i'eutfeligfeit, iMedbtfdmffen&eit unb Silbung gerühmt mit
bcm 3ufa& DaB er bas Slusfeben eines Sarons batte.
$)er barauffolgenbe £ag (21. ^uni) mar ber 5ron^td)namo
f efttag, ber feftlid) begangen mürbe. 9iacb ber NJJ?effe ergingen ftdb
bie (Öefanbten in bem Orte. „Uberall maren bie Strafeen mit
Räumen gefd)müdt unb ®ras auf ben Soben geftreut. 2luf ben
Salfonen roaren Xeppidie mie 3)ecfen ausgebreitet, unb $rauenfleiber,
unb brannten ^algferjcn." $>ann ritten bie ©efanbten fort unb
machten SJfittag in ber „fdjönen" Sifcbofsftabt Suren, ebenfalls
im ©aftt)of „3 um Sa mm", roo aber ber 2iMrt fetjr bodjmutig unb
rot) mar, aud) fein Stalienifä) fannte, fonbern fid) eines $olmetfd>frt
bebienen mufete. „£ier oerbrad)ten fie ben Meft bes Feiertages unb
nahmen roat)r, baft bie (Sinroobner fid) in itjren Käufern febr oer=
gnügten, inbem fie, bas £aupt mit ©idjen; ober ßpbeu ©uirlanben
gefajmücft, mit ben grauen pm Allonge ber Querpfeife tanjten.
S5arnad> führte jeber feine $ame ju einem ©ifc, roobei er fie mit
fefjr großer 21usgelaffent)eit umarmte unb berjte. 2lucb einige junge
Seuetianer (Sbelleute aus ber Segleitung ber ©efanbten mürben i}t
nötigt, mit ben l)übfd)eften tarnen jum 3e^en tyres Sitoblgefallfne
an bem Salle &u tanken, $n Sriren berrfdtf überhaupt ein aufr
gelaffener Jon, benn aud) auf ben Strafen ift es — unb jiuar
nidjt bloft ben ©inljeimifdjen, fonbern nod) oielmeljr ben ^remben —
erlaubt, junge $amen anjufaffen unb ju bernbren unb i^nen Sieben«1
roürbigfeiten ju fagen.
iie Stabt iwirb oon einem 3tclloertreter unb einem &aupt
mann, ^u beutfd) „Sürgermcifter", regiert, bie beibe oom $üd>of
oon Sriren ernannt werben unb gmu ben Meftoren oon Stojen
analog finb. $ie £tabt bat feine dauern unb feine großen unb
ftarfen Xf)ore, Dagegen giebt es Duellwaffer, wie in Sojen. Auf
ber einen Seite flieftt ein ftlufl."
2lm 22. würbe bie fteifc nad) Sifd) fortgefefct, bie Gtefanbten
ritten bis Sterling, mo ^taditquartier gehalten mürbe. „Sterjüut
ift ein aufeerorbentlid) lieblicber Ort in einem X\)ak oon oier sJJi(üen
Umfang mit einer geraben Strafte, mie ein sJ)iarftflecfcn, unb oielen
Srunnen; es ift aud) reid) an tßal&ften unb si}ienfd)eu; es mobnen
ba oielc beutfdjc ©bclleute. Veiter besfelbcn ift ein beutfcber *3tatt-
kalter." Slbgeftiegen mürbe l)ier im ®nftbaus „3ur Krone",
bem größten unb geräumigften , bas bie ®eianbtfd)aft bisher an*
getroffen hatte.
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bif Cf»f$Wfia uiib Oberitalien au« bfm Raffte 1492
ÜBäbrenb beo 2lbenbeffena famen mieber a*t Sänger, fünf junge
unb brei Weifter, wel*e re*t gut langen, aber „ni*t mit jener
£iebli*feit, wie bie früheren". —
Der nä*fte Dag war ein anftrengenber. Denn nun ging es
über ben 8 renn er. Aber eigentümlich genug, baß mir oon bemfelben
ni*t ein Sterbenswörtlein erfahren, bafe ni*t einmal fein Warne
genannt wirb. Wi*t$ au* oon ber Erhabenheit ber Watur, ber
©roßartigfeit ber itanbf*aft! Öanj einfach heißt es nur: „Am 23.
brachen bie Öeianbten in früher Stunbe auf, famen nad) bem fünf-
$et)n Weilen entfernten Steina* unb fpeiöten b,ier na* ber aReffe
im ©afthof „3 um Dörnen". Dann ritten fic weiter unb gelangten
no* nad) Snnsbrutf, „eine Stabt ohne »if*of in einem X^ai
gelegen, bei welker ein jiemli* großer Jvlufe oorbeifliefjt , ber 3nn.
^n berfelben giebt es fehr f*öne grauen üon fehr grofjer Anmut,
au* eine große Sftenge &unbe, föafen unb ^agbljunbe. Die Stabt
wirb bur* 24 Wate regiert, oon benen bie eine Jpälfte oom &erjog
oon £fterret*, bie anbere oon bes röntif*en Äaifere 3Hajeftat ein*
gefe|t ift. Der fterjog wohnt hier mit feiner (Gemahlin unb fyäit
einen prächtigen, glän^enben §of unb namentli* oortreffli*e 'ißferbe.
2lber in bem Augenblid befanb er ft* ni*t bort, fonbem in £afl."
„Saft jeben Zag gebt bic &erjogin auf bie ^iagb ober anberen
Vergnügungen na*, unb cd ift ein mirfli*er ©enufe fie mit ihren
grauen auf ihren hoffen baoonfprengen ju fehen. &ier in Snnö;
brud wirb bas s^tei unb Silber aud ben ibergwerfen gef*mol$en."
Abfteigequartier war bad ßaftbauö „3 um fcöwen" für jwei
Dage. „£ier fanben bie ©efanbten einen fcanbomann, einen Arjt
aus Waoenna, namens (Smiliano, ber in Snnsbrud wohnte unb ihnen
bann in man*erlei Ziehung bctnlfli* war — namentli* als fie
am 25. 3uni bei jenen Waten ber Stabt ihre Aufwartung ma*ten,
na*bem bieö Dags juoor wegen beö ^ohannisfefteö ni*t mögli*
gewefen, ba bie Wate ba unb bort fi* oergnügten. Die ©efanbten
würben in ein 3>mm^r geführt, bae mit feinerlei Tapeten ober
Xapifferien gef*müdt war unb wo fid) nur jwei Wate unb jener
Arjt befanben." Der Sefretär überrei*tc bie $kglaubigungöf*reiben,
bann begrüßte ty\\an\ ben Wat im Wanten ber oenetianif*en Regierung
mit lateinif*en Korten. Die (beiben) Mate jogen fi* — wohl in
einiger Verlegenheit — mit bem Arjt in ein ©emad) jurüd unb
berieten fi* über bie Antwort. Der Arjt fpra* bann — ebenfalls
lateinif* — im Warnen beö Wateö ben Danf aud unb oeripra* ben
©efanbten für alles ihnen Nötige ju forgen.
248 .£vnrt) 6imon«frlb, (Ein ornettan. ffieifebrriity Uber €>übbftitfd>lanb,
©egen 2lbenb ritten fie bann na$ £all, „einem Ort olme
ÖiWof, aber ben Tanten einer Stabt oerbienenb, auf einem öerg-
abfjang gelegen, unter roeldjem ber nämlid)e 3nn batyinfließt. $ier
ift ber §afen für bie Sduffe, meldte nad) £in$, Söien unb anberen
Orten fahren; tner bereitet man aud) bas fdjneeioeiße Satj aus
einem Saffer, ba$ oon einem ©erg herabläuft unb urfprünglia^ gan^
fug ift, bann aber roährenb befi gaufe* ganj faljig wirb, daraus
wirb bann mit oier ungeheuer großen Ueffeln unb beftänbig arbeitenben
beuten baö Salj in £all gemacht, mit bem man gan$ £>eutfd)lanb
verfielt, $eim (Eingang in bas T^or, toeld)ed neben bem Jluß fta)
beftnbet, liegt eine ungeheuere 3)ienge bicfen &ol$eö, bas für bie Sal}=
bereitung nötig ift. 2luch ^ier hat man bie Sinne hmlidtfeit fußen
OueUroaffer«."
3lm 26. tarnen su ben ©efanblen jroei ber Bäte be$ £er$ogs
oon Cfterreid) mit feinem Äanjler, einem gelehrten ÜRann, ber „unfere
Stolgärfprache" unb ^atehüfch rannte, ©r entfdmlbigte ben $erjog,
baß er iid) nicht fprechen laffen fönne, ba er, eben erft oon ber
3fagb ^eimgefe^rt, ber Buhe pflegte; berfelbe laffe aber feine guten
SMenfte anbieten. 2luf au* bies erroiberte Gontarini in eleganter
Sßeife, auch in ber ^ulgärfprache, wie ber ftanjler, unb überreidjtc
baö Schreiben für ben $er$og. Stiles bies ging oor ftch in einem
©aftyau« (ohne weitere 33e$eidmung) bei bem £auptpla$, beffen 33e=
ftfcer ^piofues ^iefe. $ann reiften bie Bäte roieber ab . . .
3lm 27. „beftiegen fie ju £afl eine $arfe mit einem Liener bes
ßapitäns oon Battenberg, ben fie au 8telle eine« ©eleitbriefes mit-
nahmen, unb ließen aud) it>re ^ferbe unb .Hleiber Inneinbringen, um
auf bem $nn nad) £in* jur Aaiferlichen sJJcajeftät ju gelangen. Sie
fpeiöten auf ber 33arfe unb paffierten oier prächtige hölzerne Örütfen
über ben 3nn, et)e fie nad) Sd)ioa$ gelangten, einer fctjr frönen unb
fet)r reiben Stabt am x^un , reifer als §att unb 3nnsbrucf ju-
fammen — banf ber großen Sln^ahl oon Silberbergioerfen in ber
9fät)e, in benen fortroährenb oon gegen 4000 SRenfchen gegraben
wirb, $ebe 2Bod)e einmal wirb sJHarft gehalten."
Xaxm tarnen fie nad) Battenberg, nadjbcm fie brei anberc
große ^ol^brüden paffiert Ratten, einem prächtigen ßafteli am ^mi
„&ier beginnt basl'anb befi^erjogß oon kapern. Slbenbs
gelangten fie nad) ftufftein, wo fie im ©afthauß eines ^>erm ©eorg
übernachteten. Äufftein ift ein ÄafteÜ mit einer 93urg auf ber &öbe
eines felfigen $ügels über bem 3"" unb hat eine ^oljbrücfe, roelcbe
auf bie anbere «Seite führt. $er Hauptmann ift ein braoer sJHann
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bir Ofifcbrnfi* unb Oberitalien au9 btm $abre U92
249
unb gab jum (Geleit einen feiner Runter mit, ber fie mit feinen
^atyrjeugen bis $ur ®ren*e beö (^ebieteo unb eventuell roeiter be-
gleiten fottte,
21 m US. paffierten fie iWofen heim mit einer fehr grofjeu örüde
über ben 3nn, roährenb fie auf ihrer iöarfe fpeioten, unb gelangten
um 18 Uhr (alfo abenbö) nad) 28 af ferburg, einem Ort, groß wie
eine Stabt, troll von SWenfdjen unb fefyr anfehnlidjen ^alftften mit
örunnen, vom 3"« umfloffen unb über bem Gaffer gebaut, mit
einer grofeen £ol$brüde. ©ö liegt in ber ßbene unb ringsum finb
feine $erge. giebt ba fefjr fdtfne ftrauen unb bagegen 9Hänner,
welche ®efid>ter Ijaben wie Sorten unb tflafdjen4). öeim eintritt
in bie Stabt famen junge vJJoffenreifcer entgegen, meiere fajrieen
unb SUmofeu verlangten. ®ie Straften finb breit unb mit Äieö ge;
gepflaftert. 2lud) biea ÄafteÜ liegt in s3anern; e« wirb regiert von
einem ^obeftä unb einem Kapitän, ber in beutfd&er Spraye „^ßrofc
maifter" genannt roirb. $n ben Äirdjen finb, roie in aüen Orten
2>eutfd)lanb6, bie Stühle für sDlanner unb grauen getrennt.
Sie famen auch an einem f leinen Ort oorbei, ber am ftluffe
felbft liegt unb roo jebe 4t*ocbe Warft gehalten roirb. %n ber Stfahe
ift ein Äaftell, welches Ä ran bürg fjeiftt unb auf einem reijenben
&ügel liegt, ^ort ift eine &oljbriicfe über ben ^nn. Sie fpeiöten in
ber 23arfe unb ftiegen bann bei Cetting aus, einem grofeen ftafteÜ,
etwas oom ©affer entfernt. tfufjerhalb bes Äaftells, etroa eine 3Weile
bauon, fteht eine fleiue tfirdje ber heiligen Maria, bie wunberthätig
ift unb fdjon aufeerorbentlid) oiele ©unber oerfajiebenfter Slrt bewirft
hat. ©s ftnbet ba and) ein febr ftarfer ftufammenlauf uon ^erfonen
ftart." ;\n Oetting nmrbe übernachtet unb jwar im ©aftbof „Sur
Tanne".
2lm folgenben Xage (29. ^uni) t)örten fie in früher Borgern
fmnbe bie SReffe in jener Mirale S. 9)faria, roo oiel iieutc fid} ein-
gefunben. %\\ bev sJiäl)c ift eine anberc größere, ben Slpofteln ^bilipp
unb 3afob geweiht, ^n biefer 5tird)e fanben fie auf einer 3){"auer
bei einem 2lltar auch eine (3rabfd)rift auf ben im Sttärj 880 ner-
ftorbenen unb hier beftatteten Stifter ber .tfirax Äarlmann, ben
Sohn Äaifer Subwigs.
9tad) ber si)ieffe würbe bie Jährt fortgefefet, lueldje an ben
KafteUen oon Braunau, Cbernberg, Welchenberg mit einem
•) 3fbcnfaH8 fin jft>r eigentümlicher öergleid», ber toot)( fo ©iel be«
beutet a(« „flatb. unb aufgebunfen".
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250
$fnrp ®tmon0felb, <5tn Brncttan. fltftffbfridjt über Sübbrutfdjlanb,
lehr frönen sMnoritenflofter, unb 3d)ärbing oorbeifübrte , bem
legten Ort im #eraogtum kapern, in beffen Wabe ein Heines Maftett
bes ftaijero, namens Wcuberg. 2lbenbs erreichten fie ^ äff au, roo
im ©aftbof „ftuv Wofe" abgeftiegen mürbe: „eine fehr oornebme
Stabt mit einem ^öifc^of unb wert $u ben beroorragenben gewählt
(w werben. Sie verfällt in brei Teile, Denn in berfelben fliegen
$ioei Ströme unb außerhalb noch einer. Ter erfte Teil hat oor fta)
ben 3nn; cor bem mittleren Seile, ber größer ift als bie anberen,
fliegt auch ber $nn, batunter bann bie Tonau. Ter britte Teil
— ein MafteU über einer fleinen $rücfe — mirb oorn oon ber
-Donau befpült, hinten fliefet ein Jluft namens 3lj, ber oon Böhmen
fommt unb fleiner ift als bie übrigen. Tie Tonau fommt oon
Ulm, ber $nn entfpringt in ben bergen bes ©ottharb in ber Schioei.v
Tiefe brei Jlüffe oereinigen [ich in ^affau $u einem einigen unb
betfcen bann Tonau, bie bis $um fd)ioar*en s)Ncer fliept unb ein fe^r
großer berühmter glufe ift, mit beträchtlicher Tiefe oon hier ab, benn
weiter oben ift fie nicht fo grofc. Tie Stabt ift reich an aller 3trt
£anbioerf unb ooU oon "Ecenfcben. Ter SMfcbof ift Leiter berfelben
unb mafcgebeub in allen Tingen, obwohl fie jum Weich gehört."
Wach einem Witt bureb bie Stabt am 30. rourbe roieber bas
Schiff beftiegen, bas bonauabmärts bie ©efanbtfchaft an Engels $ell,
Zaubern l (Wanaribl, Kaftetl bes ^ifchofs oon ^affau) unb anberen
fleinen Äaftellen oorbei brachte, morunter bas febr ftarfe Weubaus
bie ©efanbtfchaft mit Jlintenfcbüffen unb Trompetenftöfeen begrüßte.
Nachtquartier in Raffen (iHfchach), 100 sinn erftenmale bie ^äfte
((Meitfcbretben) oerlangt mürben, ba bie ©arberobe ber ©efanbten
^Berbad)t ermeefte.
2lm 1. 3nli mürbe 2lbls an unb bann bie 31 b t e i ©. l ari o
erreicht, ber ein breiftünbiger Aufenthalt gemibmet mürbe. $ier
— in ber Wäf)e oon Hin] — famen ihnen oiele beutfehe ©belleute
auf ber Tonau entgegen, (£iner ber Wate begrüßte fie mit lateinifchen
Korten, morauf fie entfpred)cnb enoiberten. Tie (£belleute begleiteten
bie (üefanben bis $u ihrem Quartier, bas fich oberhalb bes ^aupt-
plafees befanb. — „Jüins ift eine fleine Stabt unb menig mit ^aläfteu
gefdmuteft unb ohne $ifd)of; fie nimmt fooiel Waum ein, als Der
&auptplafc umfaßt fi). (Sä giebt fehr menig ober faft gar fein ®e-
merbe. Tie Wefibenj bes Äaifers befinbet fid) in einem .Haftett auf
einer ^ergmanb, melche auf bie Tonau fiet)t. ^nnen ift fie ganj oon
*) ^ire ift niebt ganj oeiitänbltd).
Me Dfifäroeij imb 06eritalien au« bem fta&re 1492
&0I3 unb and) bic ©iebel find mit Däfcldjen bebedt , rote bies aud)
innerhalb ber Stabt ber #all ift. 33runnen gtebt es nid)t, aud) fonft
fein 28affer als bie Donau."
31 m britten Sag famcn bie Trompeter bes Üaifers (rtriebrid) 111),
um \u $u laben, meldje reid) befdjenft mürben.
"ihn 5. fanb bie erfte 2lubien> ber ©efanbten beim Haifer
ftatt. ,,©s tarnen brei tebelleute, barunter ein sJteffe bes Maifers, $u
s^ferb mit anberen knappen Jufe unb meldeten ben ©efanbten,
bafc es nun ^cit fei jur 2lubien$, worauf biefelben mit bem ßanjler
3U $ferb niesen. Der ©raf trug einen golbenen, mit Hermelin
gefütterten Hantel — ein präajtiges Stücf — unb barunter ein
©eiuanb oon rotem Damaft; er ritt *ur :Hed)ten oom Steffen des
tfaifers. &err s^olo trug ein ©emand and rotem Sammet mit
weiten Ärmeln, wie bas Dogenfleib, gefüttert mit Raffet; er rourbe
oon bem einen ber beiben (Sbelleute geleitet.
3m HaftetI mürben fie in ein bemalte* unb in feiner 2lrt fdjönes
©emad) geleitet, mo Sc. Sflajeftöt ber ttaifer auf einem mit ©olb
überzogenen tfederpolfter faft. Über ben güfeen fmtte er ein Stütf
golbenen Dudjes, daf? feine 33eine bebecfen follte, an benen er feit
oielen $al)ren leibenb mar.
3luf ber einen Seite des ©emadjes mar auf bem gufjboben
neben bem Äaifer ein grofees goldenes Sud) ausgebreitet nad) 2lrt
eines Xeppid)S. 3U ifi,ier 'Hediten auf ber anberen Seite ftanb ein
©efanbter bes römtfdjen .slönigs (ieines Sofmes) unb bann &err
Sigismunb ^ßrufcbenf, ber das gröfite 3lufeben in ber Umgebung
bes ftaifers geniest Unter ben Übrigen befanb fid) ein 3Kann
oon fleiner Statur, ber einen Stab oon Silber mit einem 2lbler auf
ber Spifee in der £and hielt unb oon niemanb aufeer bem ßaifer be=
merft mürbe CO. Das ©eioanb des Äaifcrs mar aus gemifdjtem Xud),
nad) gried)ifd)er 3lrt gemad)t mit ©oldfnöpfen oorne; auf bem ftopf
hatte er eine fdjmane, goldburcbmirfte s3Jtitfce. Sein 9lntltfc oerrät
einen fer)r frommen s3)?ann unb er oerbient bie flaifermürbe burdiaus.
(*r ift febr alt und fpridjt nidjt alljuoiel, denn bas 2llter fdjeint
it)m bas Spredjen }u erfahrneren. 9tod)bem bic ©efanbten tym bie
£anb gereid)t unb ber Sefretär bas $eglaubigungsfd)rciben über=
geben, begann s£ifani feine fflebe, indem er den ftaifer jum frieden
mit den dauern und dem ßönig oon 33öbmen oonfeiten bes pene--
7) S>c|l. 83. SvauS, 2Raytmi(ian$ oenetianifcber 33rieftoed)fel mit ©tgiSmunb
$rfif$euf, ftretyerr oon Stettenberg, 1875.
252 $rnrp Simon«felb. ffin oenetian. tteifebertdjt Aber Silbbeutfdjtanb.
tianifdjen Senates beglüdmünfdjte unb fidj in £obfprüdben auf
©e. 9)la jeftät erging ~ in fo eleganter SÖeife, bafe er bann ad?
gemeines üob erntete. 3>er .tfaifer beriet na) fyemad) ein menig mit
leinen Abelen; bann ernnberte einer oon ifmen, namenö ;$uan
/miömago8) — berfelbe, ber bie ®efanbtcn am erften Xag begrüßt
batte - , auf bie einzelnen fünfte furj unb wie er felbft bemerfte
,.ex tempore" (aus bem Stegreif), hierauf oerabfebiebeten fid)
bie ©efanbten unb würben oon benfelben Ij&erfonen nad) §aufe ge*
leitet, meldje fie jur 2(ubien^ beim Äaifer abgeholt Ratten."
$er 6. unb 7. 3uli mürbe mit ©pajiergängen in ber ©tabt
unb Umgebung oerbradjt; am 8. beim ©peifen famen bie Pfeifer
bee Hatfere unb fpielten, unb einige grauen mit $>ubelfätfen unb
fangen, bie alle Mammen belohnt mürben. 9todj %\\$ mürben bie
öefanbten in berfelben 2öeife mie früher ju einer Äubiena beim
Äaifer abgeholt, bie aber ganj intim mar, inbem alle Begleiter auf
beiben Seiten binauogefdudt mürben mit 3lußnabme be« ©efretär*
ber ©efanbten unb ber brei faiferlidjen ßbelleute. .
3lm 11. fonnten bie ©efanbten einem furnier jmeter £ofleuti
anmotmen, „bao nad) beutfcfyer ©itte of)ne ©djranfen ftattfanb. Die
^ßferbe bitten am &ale einen grofjen ©ad oon grobem 3eug ((Sanaoaö),
ber mit Saumrooßc u. bergl. gefüllt mar, bamit fie nidjt fdmlterlatjm
mürben, oie maren ganj mit l'einroanb oerbunben, bamit Tie fid)
nidjt fürdjteten gegen einanber loöjurennen. 3)ie Leiter fajjen auf
febv Meinen ©ätteln, fo bafe, roenn fie fid) trafen, jeber oon Urnen
oom $ferbc fiel. 2>enn mofern fie mit ooller SBudjt aufeinanber*
prallten unb flammen mit ben ^ferben ju ©oben fielen, mürben
fie fid) toten. 3lber fie gingen nur in ( turpem) Salopp unb nahmen
aud) nur furzen 3lnlauf •). ©tum jmölfmal fprengten Tie gegem
') $ie* ift, nie id> ber gütigen fcuSfunft bet £errn Dr. V 3oadnmfob>
oerbaute, ber t. t. ffiat nnb $umanift Dr. 3ol)anne6 gud/«magen au« f>afl
in Xirol, Uber welken man oerglei$e ben BuffaQ oon Seb. SRuf in ber „3t't*
fdjrift be« fterbinanbeuin«", Qabrg. 1877, S. 95 ff.
•) Sie Überlegung ber obigen Stelle oerbonte tcb, jum teil ber hieben*-
roüvbigteit be« itufto« ber SBaffenfammfung be« 'ÄU'er&ödjften ftaiferb,aufed,^errn
SBcubetin ©oebeim in SBien, ber jur näheren (Srfäuterung mir nort> folgenbe*
mitzuteilen bie öüte b,atte. „$er Sdjreiber jab, ju Pinj ein fogen. beutle*
(»efted) auf silla rasa, fpanifdj: flauer Sattel. 3>icfe milbigen Sättel ftnben
fid) nod) in ber ffiicner Stfaffeujammlung, Saat XXXVI (lö Stüd). Ter
,Sad' ift ein fogen. Siedjpolfter oon einer Art i'einroanbftoff unb mit 8aum>
wolle, aud; mit Strob gefüllt. Siet>e $efner, ($an« ©urgtmaier«) furnier«
bud) SHa? V oon «atjern; £eitner* «u*gabe oon 9»arimilian« I ftrepbal
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bie Ojijdjwetj unb Oberitalifn au« bem 3abre 1492
253
einanber loö, ba an jenem 2age buref) ^tttj eine Dame in einer
Äutfdje tarn, begleitet oon anberen grauen, im ganjen ja. fed)$
Sßagen unb mit einer aWeuge oon erben."
3tm 12. langte ein (9efanbter bedJöcrjogd ^ß^itipp oon ©urgunb
an, beo Sotmes beö römifd)en Mönigö, mit ja. 16 — 20 hoffen,
melden £err ^obonn 3ru*maa,o unb anbere oom #ofe entgegen ge-
fdjirft mürben, $erfelbe fam <u>ie eö luefc) um ber Hoiferlid>en
!ä)tojeftät eine golbene flette ju überbringen, bie baö „®olbene ©liefe",
„baö 3eiajen beö 3ltt)enerd ^afon", angetan batte; bamit fottte ber
Haifer in benfelben Drben wie ber &er*og oon ©urgunb auf=
genommen roerben 10).
Slm 14. „gegen 22 Utjr traf ein Kurier oon ©enebig ein, ber
fotoobl ©riefe braute, bie faft aüen in gleicher 3&ife großen Sdjmerj
bereiteten, als aud) münblicbe Wadjridjten ebenfo unerf reulieben ^n-
Imlteß. $>eun er teilte mit, bafe Der Kurier, toeldier oor tym ab=
gefanbt roorben war, in einen tflujj, ber bureb, Salzburg ftrömt,
geftürjt unb ertrunfen fei. «ein öeroanb unb fein mürben
an Ort unb Stelle gefunben, aber nidjt fein Seidmam unb aud)
niebt bie ©riefe, bie er auo beliebig für bie ®efanbten fyatte. $)er^
felbe fügte aud) bin$u, Dafe er oon einer ÜiHrtin gebört fmbe, jener
anbere Äurier babe jiemlid) oiel ®elb bei fid) gehabt, fo bafe man
argwöhnte, er fei ermorbet morben.
unb 8oeb>im, fllbum fyeroorragenbrr (Begenfifinbe au« ber SBaffeniammlung
be« *Üerl)öd)flen Äaifer^aufe* (fBien 1893), Tafel I, wo ba« in ber ©tener
ffiaffenfammlung, @aal XXXVI, 9tr 910 aufbewahrte .Unifuni* eine« folgen
@ted)po(fter« abgebilbet ifl. S5amtt bie Werbe beim flneinanberrrnnen nidjt
freuten unb nidjt nad? ber Seite au«brad)en, erhielten jie Sojjftirnen ooit
(ftfen, in benett feine Bugenlödjer gefdjnittrn waren. Xielelben waren bober
geblenbet. Über ba« ®anje, Äopf unb Äruppe würbe eine Üeinwanbbede
gebreitet, auf weldjer Teoifen, ©iunbilber tc. gemalt waren. 3U bem Slu*«
brutf »o^tir <Sd)ranfrn' bewerft nodj JBoebfim: bie plante ja- 4' fjodj, roeldjc
,alla maniera italiana' bie Zurnierenben trennte; aud) Pallia genannt."
5« folgt im Original (nad> senza abarre) nod) ber »u«brud „tra 8 marine",
weldjen aud> $err T©oeb,eim nidjt ju ertlären üermag; bielleidft liegt ein
3rrtum be* Slbfcbreiberö tor.
,rl Über bie ©abj be« Äaifer« griebrid) juin Orben«ritter be« (1H29
geflifteten) «olbenen SMiefjf« »gl. Weiffenberg, Hist. de l'ordre de la toison
d or (Trüffel 1830). Ö. 211 ff. Sie au« ttbmel, Regesta Friderici III,
p. 793, No. 8819, dd. 16. 3u(i 1492 ju erfeben, bat ftd) griebrid) III
gerabe in jenen Zagen (uad) längerem 3**9f r") entjdjloffen , ben ib,m be*
reit« früher angebotenen Orben anjunebmen unb bie Srtttel betffelben ju
approbieren.
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254 -frenrp €itnon*fr1b, Sin oenettaii. jR«jeberid>t über ©ilbbeutfälanb,
SDurd) bie Briefe aus ^enebig erfuhr man, bafi ber ^rofurator
©iooannt Gontarini geftorben unb an feine Stelle tteonarbo ^oreban
Qemäljlt fei ; ferner baß Der ehemalige ^Jobeftä oon Öreöcia, ^tnci
guerra Xaubolo aus ^enebig, war oerbannt morben. 3n (Sapobiftria
würben einige Slänner unb grauen gefangen genommen unb nod»
^enebig gefdntft, welche eine grau alo Sdnoefter ber Jungfrau
Slaria anbeten liefen; unD „anbereo, maö hier nicrjt erwähnt ju
werben brauet". —
Die folgenben £age oerliefen febr rubig unb metjr als einmal
oer^eicrmet ber :öerid)terftatter, ba« „mdrtö" oorgefommen ober ge-
fd)et)en fei.
2lm 17. $ul\ „reifte ber ®efaubte bes JQerjogö oon Öurgunb
wieber ab mit nur einem einigen sBagen, Der lebtglicb bas GJepäd
unb fonft nichts rjatte.
silm 18. fam jur 2Jiat)l5cit ein fleiner natürlicher Sobn beö
Hatferä, bem grofee @f)re erwiefen unb ber fogar oberhalb ber @e-
fanbten placiert würbe.
3lm 20. würbe ein gemiffer &err Melius ')Um $id)ter gefrönt, Der
v*<erfe auf ben tfaifer remitiert tjatte.
3lm 22. fpeiftc mit ben ©efanbten ein Siann, ber ©eorg,
„Honig oon Portugal!" genannt warb unb eine Ülrt ^offenreiBer
war; er machte aud) ba oiele läcberlidje Späfce unb oerliet) bie
ftittermürbe".
3lm 24., 26., 29., 31. fanben furniere ftatt; ebenfo am 2. siluguft
mit „ungleichen Waffen unb *ian$en nad) beutfdjer 3lrt".
9lm 7. 3luguft reifte bie @efanbtfdjaft oon %i\v9 wieber ab, mit
einem ©eleitsbrief oerfct)en unb begleitet oon 32 (Sbclleuten Des
faiferlicfjen $ofee jum iJeicfjen ber faiferlidjen ©brerbictung. 2lüe
biefe (Sbelleute bcftritten bie 2luögaben auo eigner £afd)e. $lbenD:
effen unb Nachtquartier würben in ii>els genommen.
XUm 8. »Kitt bis ü&als (15 Steilen oon J&els entfernt),11)
abenbo unb 9?acfjtauartier in (^öcfla-)iÖrnrf.
3lm v». Wittag in Jyranf enmavf t, abenbe unb NadjUiuartier in
StraSwaldjen, bao bereite bem Ü*v>btfd)of oon Salzburg gebort,
wofelbft bie ©efanbten aud) biß jum folgenben Wittag blieben. 3iad)
Xifd) festen fie ben Witt fort, famen an bem „fa)önen, oon bergen
umgebenen See oon etwa 4 Steilen im Umfang oorbei, namens
n) Söobt entroeber ftalSpaib. ober H8olf«egg, ba ein „fBalö" bort fenjt
uicty oorfomntt.
bie Oftfätoeij unb Dberitalien au* bem ^abre 1492
255
&olbf (2BalIer=See?), unb erreichten abenbs Salzburg, »i* hierher
begleitete fie bie faif erliefe (Söforte, bie bann hier oerblieb, ba bie
Stabt nicht bem Äaifer, fonberu bem (£r$biid)of unterthan ift". —
„Salzburg ift eine fefjr oornehme $anbe(dftabt, in einem Ztjale ge-
legen unb juni Teil an einen Üerg angelehnt, mit jioei Hafteflen,
beren jebes auf bem einen Ufer beö ftluffeö liegt, ber mitten burch
bie Stabt fließt unb fie in $mei Hälften teilt. 3n ber Glitte ber
©tabt roofutt ber §r$bifcbof, ber fe^r prächtig £of t)ält.
3lbenb6 famen feine Trompeter unb anbere »Sänger in ba«
©aftbauö „3ur ftrone", l'2) bem 3lbfteigequartier ber ©efanbtfchaft,
unb fpielten; am folgenben Tag (11. Jluguft) mürben bie ®efanbten
oom £r$bifchof jur Tafel gelaben, was mit großem $anf an=
genommen warb.
äm nädjften Tag (12. 2tugnft) Nörten fie juerft bie SHeffe im
T)om, eine große unb fdjöne Mirale, unb bier ftellte fid) ibnen ein
Suffragan beo (Srjbifchofeo, nämlich ber &ifd)of oon Gfnemfee oor,
eine ungemein liebenötoürbige v^erfönlid)feit, fet)r unterbalteub unb
geroanbt, ber in eigner ^erfon ben öefanbten bie^ala11) am Hoch-
altar geigte, bie ganj oon Silber ift; bann geigte er ihnen auch oiele
herrliche Reliquien oon Heiligen, gefchmücft mit f oftbaren Steinen
jeber flrt, auch Karneole (roter 2ldiat) unb feljr roertoolle ftameen,
barunter fet)r große Tabernafel, ganj oon Silber, unb ein tfreu$,
gan$ oon maffioem ©olb, unb anbere ©egenftänbe, belaben mit (Sbel=
fteinen, $alia$rubinen , Saphiren, Rubinen unb perlen in großer
9)ienge. 2)ann geleitete ber genannte SMfdmf mit anberen Vornehmen
unb Gittern bie C^cianbten in ben Sfalaft beö (Srjbifchofö, roo in
einem großen, mit oielen Teppichen unb Tapeten geichmücften Saal
baö ©aftmahl bereitet mar.
9tocb ftberreidmng be$ Seglaubigungofchrcibens burch ben Manier
begrüßte Herr ^ifani ben ©rjbifchof im Tanten ber si>enetianifchcn
Regierung unb befprad) fich bann mit jenem ^ifebof oon Ghiemfee,
ber ©eorg Slltborfer hieß unb gemanbt enoiberte; benn ber @r,^
bifchof felbft ift ungebilbet.
hierauf liefe ber 3)iarfd)all beo Gr^bifdjofs Gaffer für bie &änbe
ber sJteihe nach herumreichen unb bann fefete man fich 3" Tifd). $m
Saale waren *roei Große, prächtige Stnricbtetifcbe aufgeteilt ; auf bem
>*) @iebf unten „ßur Wofe".
••) 3)amit fann (nadj ©oerio, Dizionario del dialetto Venezianoi bie
aitartafel ober ba* Slntipcnntum oor bem aitar gemeint fein.
256 btnxt) ©tmon«fdb, «in üenettan.töei|ebf riebt übte ©flbbcntf^lonb,
einen berfelben waren bie ©erätfdwfteii alle von uergolbetem Silber,
auf Dem anberen befanben ftdj fold>e nur oon meinem Silber.
3uerft würben oorgefefct junge Rauben unb Jleifa) in örüfje
(Suppe) unb jmar in einer ftlbernen Sd)üffel, au« welker —
nad) beutfdjer Sitte — alle fpeiften. Xmn famen in einer
anberen filbemen Sdjüfiel Ärebfe; ju jeber Sdjfiffel würben immer
neue Schnitten Örot gereift, dritten« eine tajwarje gewürzte Sauce
mit &irfd)fleifd). Vierter ©ang: gefottenc ^ifc^c „ausgeseidmet".
fünften« eine gelbe Sauce o^ne ftleifd). Seitens Äraut mit
Sdjweinefleifd}. Siebenten« ftiföe in gelber, uorjügliajer ©elarine.
2l$tenQ eine 2lrt SWefjlfpeifc auä 3)ianbeln unb SRüdj, „belifat, wie
eß nid)t« Seffereö geben fann". Neuntens 9iel)braten. 3c^ntcnfl
eine fdjwarje Sauce. ©Iftcns — unb bieo war ber lefcte ©ang —
©atfwerf in Jorm oon Xörtdjen. &ann würbe wieber Söaffer für
bie $änbe herumgereist unb man erljob fid) uon ber £afel.
$)er Suffraganbifdwf führte bie ©cfanbten burd) ben erjbifdföf;
lidjen Sßalaft unb $eigte ifmen alles in juoortommeuber, freunblidjer
3Mfe. hierauf oerabfdnebeten fie fid) oom ßrjbifdpof; beoor fie
aber gingen, würbe nodnnalo jebem in reijenben, uergolbeten ©efäBen
ju trinfen gebrad)t. Sei bem SRabl war aud) ein auägejeicbueter
fcautenfpieler, ber baju fang, ©nblid) entfernten ftd) bie ©efanbten
mit bem Suffraganbifdjof, ber bei feiner Siebenömürbigfeit unb
$reunblid>feit e* nidjt unterliefe, aud) feine Söofjnung ben ©cfanbten
ju geigen. Eiefclbe ift ntdjt weniger gefdjmfidt alö jene be$ §rj-
bifebofö. (Sigenljänbig jeigte berfelbc tjicr eine Wenge feiner Saa)en,
©emälbe, äufjerft feine beutfetje &olsid)ni&creien unb einige ©olb=
mebaillen, barunter jwei f leine: einen Domitian unb $>iocletian,
ber auf bem 3loerö einen Jupiter mit bem 33lifc in ber £anb
aufwieo.
£ann würben Steine in oergolbeten, filbemen ©efafeen gebracht
unb jeber tranf baoon. Scplieftlicb lief; er eö fid) nid)t nehmen, bic
©efanbten nadj £aufe biö jum ©aftf)of „3ur jflofe" u) $u bringen.
3a, er fam fogar auefy beo 3lbenbs wieber, um mit itmen fpajieren
ju geben unb fie wieber nad) £aufe ju begleiten."
3lm 13. 3luguft erfolgte bie Üiteiterreife oon Salzburg, wobei
ber Suffraganbifdwf bie ©efanbten nod) jroci Weilen barüber Ijinaue
begleitete, um fid) bann $u oerabfdneben. £er ©rjbtfdjof batte innen
iec^Q bewaffnete Wann mitgegeben, welche fie über fein ©ebiet tjinaus
»•) Oben „3ur Ärone!"
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bie Cftf$n>rig unb Cbrritolirn au« brm 3ab.re 1499
257
bio fünf SReilen über Staging geleiteten, — „ein fefjr öber ^lafe" —
wo gefpeift unb übernachtet würbe.
31m folgenben Tag (14. 31uguft) mittags iHitt bis ^Itenmarft
im ©ebiet bes $erjogs oon Samern, abenbs unb 92adytquartier in
SSafferburg, oon bem ber Seriditerftatter wieber (fie^e oben) febr
eingenommen ift. (Sr lobt bas OJaft^auß, in bem abgeftiegen würbe,
als ein febr gutes unb ben SBirt, namens Tuntel, als einen bieberen,
febr leutseligen 9Hann. Gr rühmt bas ganj oom See umfloffene
ÄafteH, bas breimal fo groß wie fcinä unb oiel reifer an SBaren
unb Äunftgewerbe fei.
2Mb jum folgenben Wittag blieben fie Iner; abenbs famen fie
$um Nachtquartier nach Abersberg, wo fict) „ein fer)r fd)önes, grofjes
JÖenebiftinerflofter unb eine grofee Äircbe befinbet, in welker bas $aupt
bes ^eiligen Sebaftian, ein Stücf oom Scbmeifetuch unb oon ber S5ornen=
frone Grjrifti unb anbere febr wertoolle unb ^odjoere^rte Reliquien, wie
auch filbeme £abernafel unb Diele toftbare Saasen aufbewahrt werben''.
91 m folgenben Wittag waren fie in^omebing (?) unb trafen
t)ier einige ^ager bes fterjogs Wibrecht oon Tonern mit einer großen
aMenge oon &unben aller 2lrt, bie eine große 2Raffe &irfct)e gefangen
hatten. Slbenbs gelangten fie nach «München unb ftiegen im ®aft=
haus „Sunt ßirfchen" ab. „München ift eine febr oornehme
Stabt ohne $ifa>f, bei welker ein ftlufj, genannt bie 3far, fia)
befinbet. 6s ift hier ber &of bes ßerjogs 3llbred)t oon öanern, unb
er halt einen fetjr oornebmen unb glänjenben &of. 3n biefer Stabt
giebt es oiele (bewerbe unb &anbwerfer aller 2lrt. Sie fjat prächtige
Strafen, alle mit ftiefelfteinen gepflaftert unb breit mit SBrunnen in
ber 3)iitte. $a finb ^aläfte, nad) beutfa^er 2lrt reich oerjiert, große
Kirchen, befonbers bie ber (leiligen 5Jiaria, bie ^ifarrfira^e, bie 170
(^enetianer) Schritt lang unb 54 breit unb fchön unb h?ll unb fet)r bod)
ift unb jwei grotje Xürme bot. 2lufeerbalb ber flauer ift ein ^ifchteich
aus ©ufr, in welchem es eine grofje SReuge ^ifebe aller 2lrt giebt.
innerhalb ber Stabt liegt ein febr feftes Scblofj, in welchem bie
ßerjogin wohnt $)er &erjog aber wohnt gefonbert für fich mitten
in ber Stabt unb hält, wie gefagt, febr glänjenb &of. hieben bem
Xhor bes (alten) §ofes finb in jmei $erliefeen Drei fibwen — ein
fchönes Schauftücf. ferner befinbeu fiaj im &ofe jwei Dörnen, bie oiel
gröfeer finb als bie emgefdjl offenen, ßiefelbeu fpajieren unter ben
beuten umher, laffen fich oon jebermann anrühren unb finb ganj
jnbm; aUerbings ift ber eine oon ihnen, ber größere, faftriert unb
hat leine Äraüen mebr, ber anbere aber ift unoerfebrt.
3ti«W>rttt für AuItuTflef<t>i<D(c. Tl. 17
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258 $rnrp @imon«fflb, Sin Dtiutian. SRciffbrridjt übrr ©ttbbeutfcblanb.
2luf bem aße^e jmtfdjen Salzburg unb s}Jiünd)en bebnt fid) eine
fetir große ISbene aus, beren ©übe man gar niebt erblitfen fann ; fie
ift gan* find) unb bat febr feböne Drtfdmften; fie erftreeft fieb aueb
nod) einige teilen über sJWündjen binauo. 3n berfelben flieht es
©ebüfd)e, in benen immer eine grofje Stenge oou ftirfdben unb
anberem $Mlb fid) befiubet; e$ finb beren fo oiele, baß man fie
immer $it 50—60 beifammen fiefit. N^on einigen 3)citgliebern ber
©efanbtfdmft mürbe grofee $agb auf biefe &ir|"d)e gemad)t.
21 m 17. 2luguft nad) bem (Sffen gegen 2lbenb mad)ten bie @e-
fanbten einen Spaziergang bura) bie Stabt unb faben Saiten ^u
bauten mad)en, bie man auf einer 3Rüble fpinnt nrie £rabt.
3lm 1 8. oerließen fie 9)?ünd)en, obne metter 2lbid)ieb oom &erjog
genommen $u baben; benn berfelbe mar anberroeitig befdjäftigt unb
fonnte iljuen feine s2lubienj gemäbren, mie fie ibm aueb if>re s3e=
glaubigungöfd)reiben nid)t überTeidjeu fonnten. Sie erhielten oon
ibm an »Stelle eined ©eleitbriefes einen 5?übrer, ber fie bis über bie
©renken beö fcanbes ibres ©ebieterö binauö begleitete. 3um 2lbenb-
effen unb 9iad)tquartier gelangten fie nad) 53ru<f mit einem febr
flaren glufe, bie 2lmper, 15 teilen uon 3JJüncben entfernt." 2lucb
bier bebnt fid) eine fef)r aufct)iilic^e ©bene biä oor Jörurf aus, auf
melier bie ©efanbtfdmft bann einen beinabe oerbängnisoolien 3n)ifd)en=
fall erlebte. „©$ befanben fid) bort an einem Äarren jmei Stuten,
bei beren 3lnblicf }tt)ei unferer Moffe auf biefelben losgingen unb
babei fo fürd)terlid) mit einanber in Streit gerieten, baß bie beiben
barauffifcenben Weiter beinabe um* üeben gefommen mären." £er
Sdmben, ben bie Stoffe an jenem Marren anriebteten, mußte uon beu
©efanbten erfefct merben.
£)ann ritten fie meiter nad) einem jiemlid) grofeen Ort, namene
^anböberg, mo fie im ©aftljauö „$nx ©locfe" abftiegen. „tiefer
Ort ift faft fo groft mie Salzburg, unb bat ein tfafteU inmitten,
bas auf einer 2lnf)öbe Hegt unb unter einem Haftellan bes .<p erlöge
2llbred)t oon dauern ftel)t. (£o liegt fo tief, bafe man uon aufeeu
nid)td jtebt als bie dauern. 3nnen finb fetjr anjebnlicbc "örunnen
unb barunter einer auf bem <Qauptplafc, loelcber bas Gaffer aud
ad)t ober jebn Wöbren gerabe in bie &öbe fd)leubert. 3luf bem
&od)altar ift eine gefdmifctc £afel mit giguren, melcbe febr natür
lidb f deinen. 2luf ben (glügelO^bum1 ift bie ^affion 3*tu
(Sf)rifti gemalt; einer, ber (Sfyriftue an einem Strirf siebt bat
'•) b. ff. roobl iKrabaie^t.
bif Oftfdftüeiä unb Dbfritalien au« bem fta&re 1492
eine frappante &f)nlid)feit mit bem ^ßarri$ier ©iacomo Öernbo in
sX>enebig."
2M$ t)ier(jer begleitete fie ber %\fyxex beö &erjogs 5Ubred)t oon
Tonern, ber bann oerabfdnebet würbe, ©in glufe, ber £ed> genannt,
fliegt bei ßanböberg.
9lm 20. blieben fie bis jutn @ffen ^ier in Sanbsberg unb tarnen
bann nad) sDt i n b e l b e i m , wo fie übernachteten. „günf teilen hinter
l'anbsbcrg, wo bie ©renje beö £erjogtum$ 93anern ift, würbe ge=
melbet, bafe ber «ßapft u) geftorben unb an feiner Stelle ber ßarbinal
oon ßiffabon ,7) gewählt fei. 9Jiinbelf)eim, ein ^lafc mit oielen
KafteUen , geljört einem reteben (Jeimann, namenö Ulrid) grunbö-
berg, bem $ater bed Söifdjofö oon Xrient18). bitten in ber Stabt
fliegt ein glufi, bie SJtinbel." 3um ©eleit erhielten bie ©efanbten
l)ier oier Männer, meldje fte biö SJiemmingen geleiteten, wofnn
fie am 21. Sluguft gelangten.
„^temmingen gel)ört $u ben freien sJieia)öftät»ten. 3)a$ finb
gemiffe Stäbte, bie feine Herren über ftdj haben, fonbern für fid)
unabhängig leben als freie ©emeinmefen. Sie balten alle jufammen
unb wenn fte gegen itjre geinbe 5trieg führen wollen, oerbinben fie
fid) unt» bringen ein fet>r grofeeö £eer auf. 3m ganzen finb eß
über 100.
$)te$ ift nun eine baoon: eine fetjr fd)öne unb grofje Stabt
obne $Mfdwf mit einer 3)Ienge $unft= unb anberen ©ewerbetreibenben.
©in fleiner glufj, genannt bie 3^er, burd)fliefet fie ju ihrem größten
Vorteil. Stbfteigeouartier war baö ©aftbauä „3 um 93 od".
„$atnn famen abenbä Mate ber ©tabt mit bem 33ürgermeifter
unb überreichten ein feljr anfet)nlia)es ^räfent, nämlich oier ©imer
audgejeidmeter gifcbe unb jwanjig grofee Strüge fet>r guten roten unb
weiften SBeinß, Die nad) bortigem brauch oon Sinn waren. (Siner
Der Mtt — unb $war ber ©eiftliche — hielt baju eine lateinifa)c
Webe im Warnen ber 3tabt, inbem er biefelbe unb bie (Sinmolmer
mitfamt ihrer $abe ben ©efanbten empfahl, ©r bat auch, nicht
auf bie Kleinheit beö ©cfcbenfeä $u achten, fonbern bog eö aus
frcubigem freigebigem .§er*en fomme. §err $ifani unterhielt ficb
ein wenig mit feinem Kollegen, bem ©rafen, unb antwortete bann,
bafc fie bas ©efdjeuf gente annähmen unb eö ibnen fet»r willfommen
") Onnoccnj VIII.
") Hlejanber VI am 12. fluguft.
Ubalrid? III oon ^rrunbSberg 1486 — 1493.
17 •
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260 $enrp ©tmon«felb, (Sin t>eimian.8teiffbm<$t übet Sttbt>eutf$lanb,
fei, ba es oon ^ßerfonen fomme, meld&e bem Staate Benebig günftig
gefinnt feien. @r bemerfte aud), bajj fte oon biefer ^reigebigfeit im
Senat oon Benebig berieten würben, banfte oerbinblidjft unb bot
für ifjre Angelegenheiten inöbefonbere aua) in Benebig feine guten
2)ienfte an. Abettbö (amen märjrenb ber SJJafyljeit Trompeter, Pfeifer
unb Sänger, bie alle (wie früher) reid)lid> bebaut würben, wie aud>
jene, meldte ba« ©efdjenf unb bie ©eintrüge brauten, bei ben ©e-
fanbten freunblid)e Aufnahme unb reidje Belohnung fanben."
9tod) Xifdj am folgenben Tage (22. Auguft) ritten fte in Be-
gleitung eines 3ftanne« nad) Dia) (3lleratd)f)eim) unb über=
nadjtcten Ijier.
Am 23. 9luguft erreidjten fte Ulm unb fpeiften bort. „Ulm
ift eine oorneljme unb fetjr bebeutenbe freie fteia)«ftabt, in ber w
oiele ßaufleute au« Benebig unb anberen fiänbern giebt; fte ift fein-
reid), tjat breite Straften, alle mit tfieö gepflaftert, ©emerbe aller
Art, fd)öne Brunnen. $>ie Käufer finb red)t oornefjm unb nadj
beutfd>er Art gebaut b. f). mit halfen unb $öl$em, bie jwiföen bem
SJtauerwerf liegen unb mit ^olj-, nid>t ©ifennägeln befefiigt finb.
Bei Ulm fliefet ber obgenannte §lufj, bie 3)onau, bie Ijter febr
flein ift unb eine ^oljbrüdte fjat, auf meiner man in bie Stabt fommt.
3n biefer ©egenb (in biefem oberen Xeil be« ^lufelaufe«) giebt
e« Brüden, bie über bie 3)onau führen, aber oon ?ßaftau an hinunter
nid)t, benn ba ift Tie fo tief, bafj man feine Brüden barüber er-
rid)ten fann.
@« giebt ba aud) nod) ein anbere« fleine« ^lüfedjen, ba« mitten
burd) fliegt, in bie 2)onau fi# ergiejjt unb Wltykn treibt, namen«
Bloo b. i. blau, worin alle bie Baumwolle gewafdjen wirb, au«
weiter man £üd>er ma#t; unb bie« ffiaffer ift fo geeignet für bie«
fcanbmerf, nämlid) £üd)er ju bleiben, bafe man in gan3 $>eutfaV
lanb feine befferen ,^ignolati' 1Ä) finbet als wie f)ier unb jroar
wegen ber 9Betd)f)eit biefeö ftluffe« Bloo. $n biefer Stabt giebt
e«, obwohl fie feinen Bifd)of fürt/ eine grofte prädtfige Äirdje ber
^eiligen 3Jtaria, weld)e bie ^farrfiraje ift, in ungewörmlidjer ©röjje,
nämlid) 227 Stritt lang unb 80 breit unb oon einer immenfen
&örje. Sterin finb fetjr oiele Altäre unb ein Xurm, ber ganj au«
burd)brod)ener Sdnüfearbeit beftefjt unb foloffal tjoeb, aber nod) nid)t
fertig ift; wenn er oollenbet fein wirb, bürfte er bis an ben Gimmel
reichen.
'•) Ötnc «tt ?ttncnjcuQ.
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bie Cftfd?rofia uub Obrntoliru au« bem %af)xt 1492
261
3n triefer &ir*e ift ein ©fror, au* au« S*ni&roerf mit oielen
gef*nifcten Stühlen, bie boppelter 2lrt finb, teil« groß, teil« Nein,
gemer jroei fc^r gute Orgeln, eine grofje unb eine Heine : furj biefer
,Xempel' ift eine 3)ier(roürbig(eit unb oerbient in ber ganjen 2Belt
genannt ju werben.
15 beutf*e ober 70 italiemf*e teilen oon Ulm entfernt finb
einige Serge, oon benen ber eine St. ©ottlmrb tyeifjt uub in ber
S*roei$ liegt Stuf biefem 33erge entfpringen nier berühmte glüffe:
ber s$o, bie $>onau'J,v), ber iHljein unb bie Styone, unb ba, roo bie
25onau entfpringt, ift ein, roie e« Reifet, ganj (leine« #o*. ftiefer
glufc fliegt alfo an Ulm oorüber unb ift otel fleiner a(8 von Sßaffau
abroärt«.
Uta* Xif* tarn ber Sürgermeifter mit einer 2ln$af>l oon <Sbel=
leuten unb bot ben ©efanbten ein fel)r anfefmli*es ©ef*enf an,
nämli* einen Sagen oon Lebensmitteln unb ein guber belifaten
Seine«. $>er Sürgermeifter fagte in beutf*er Spra*e, fie müfeten
bas ©ef*enf im 9tamen ber Stabt annehmen, worauf ein $olmetf*er
biefe SBorte überfefcte, beffen fi* au* ber ©raf ßontarini bei ber
2tntroort bebiente. Diefelbe lautete äfmlt* roie in aWemmingen, bafc
fie bie ©abe annähmen, bafür eroig banfbar feien, überall bie grei--
gebigfeit unb 9Wumficen$ ber Stabt oerfünben mürben, unb bagegen
ibre guten $>tenfte überall unb in üBenebig anboten.
2lbenb« (amen Pfeifer ber Stabt unb fpielten o ortreff Ii*, au*
glöte. $er Sirt, namenö ©eorg (ber franjöfif* fpri*t), fmt eine
fet)r f*öne £o*ter, bie bann au* anfing, mit ben Pfeifern glöte $u
blafen, unb fyerna* mit anberen «Sängern, bie fyinjufamen, fang.
$>tefetbe ift tugenbfam unb t)übf*, fpielt glöte unb Saute, tanjt
au* unb ift fefjr auögelaffen.
SBic SJtemmingen, ift Ulm eine SHei*öftabt, bas fjeifjt fooiel,
bafj biefe Stäbte, obroof)l frei, bo* oerpfli*tet finb, bem Äaifer eine
geroiffe Steuer $u jaulen unb au* Seroaffnete ju gellen, roenn er
Ärieg gegen bie geinbe führen roiU. Ulm fjat bem jefcigen römif*en
Äöntg SJtoruntlian 40 SWann mit itjren s$ferben geftellt, bie auf
Jtoften ber Stabt inö gelb sieben. 2lu* SWemmingen f)at &ilfe mit
10 ^ferbeu geleiftet, unb beslmlb fjei&en biefe freien Stäbte ftei*s=
ftäbte. daneben giebt ed no* anbere freie Stäbte, bie au* sJiei*ö-
ftäbte tyeifeen, bie aber ni*t oerpflt*tet finb, irgenb eine Steuer ju
jaulen, aber rooljl gehalten 2Kannf*aft $u ftellen, roenn ber Äaifer
ric! ogl. unten e. 271.
262 $enrü ©tmon«felb, (Ein Pf netian. 9teifeberid)t über ©ilbbe iitfdylanb ,
Ärieg führen will, unb je nach ihren ©infünften mehr ober weniger
bewaffnete 3Jfad)t befifcen. 21)
Ulm liegt an einem fehr anmutigen unb lieblichen s}Ma$e in
einer anfetmlichen (Ebene mit fehr freunblichen Mügeln, iHings herum
finb 5ar)lreid)6 Crtfdmften unb ftaftelle; es fehlt nichts weiter, als
bafe es ^ier, wie in faft ganj Deutfdjlanb, feine Weinberge giebt"
Der Führer oon Sttemmingen entfernte fich hier, nachbem er
gebührenb belohnt morben mar.
3tm 24. 2tuguft fpeiften bie ©efanbten juerft in Ulm, wobei
wieber oerfdnebene aHufifanten ftch einfanben. „Dann würbe bie Steife
fortgefefct nach Reislingen, einem Äaftefl unter ber Oberhoheit
oon Ulm. $n biefem Äaftell finbet fich (betreibe, bas ia ber Um-
gebung wächft unb hunbert ^ahre alt fein foll — unglaublich, aber
alle behaupten es fo. Das StafteH mit einer 33urg auf einer &öhe
ift ftarf unb fchön; fie fpeiften hier ju 2lbenb unb übernachteten im
©afttjaus „3ur ©onne". Das Äaftell liegt in einer (Ebene mit
Mügeln ringsum.
3lm 25. tarnen fie bann nach (Göppingen, wo fie im ©aft=
haus „3 um 2lbler" abftiegen unb -üiittag machten. Untenoegs trafen
fie fehr anfehnliche Drtfdmften unb feböne Dörfer, barunter eines
namens &obenftetn in einer (Ebene mit fehr anmutigen £öhen
ringsum ; ein f leines reijeubes glüfjchen burchflieftt bie ©egenb. öeoor
fie Göppingen erreichten, famen ihnen oier bewaffnete Krieger ju
<Pferb entgegen, welche erflärten, im tarnen ihres ©rafen $u fommen.
welcher ber £err oon (Göppingen ift. 9iachbem fie fich angeboten
hatten, oerlangten fie fchlieftlid) für* oor ber iHnfunft im Äaftell eine
(*rfenntlid)feit, bie jebem oon ihnen erstattet würbe. Der £>err aber,
bem (Göppingen gehört, heißt ISberbarb (>5raf oon Württemberg 22)
unb wohnt nicht f)icr in (Göppingen.
©öppingeu ift ein fehr r>übfd)e$ 5lafteU, bat Brunnen, einen
fleinen $lufe in ber Nabe unb ift ftarf, ba es mit 3Itoucrn recht
,l) 2>iefe llntrrfdjeibung jroijctyen ben beibrn Sitten oon „ffleid>«ftäbten"
unb „freien ©tobten" (ober „freien 9teid)äfiäbten") erfAeint red)t beodjten*
wert. Denn fie trifft» fooiet id) au« 33?. Slrnelb, 5Berfaffung*gcfd>icbte ber
bentfdjen Sreiftäbte jc. (1854), II, 415 u. ff. unb Stemel, Deutle «HedjtS-
gejdjidjte, 2. Stuft. (1889), @. 2HI entnehme, beu ^Jtaqet auf ben Äopf. £if
„9}eid)dftäbte" waren ja nad? SIrnoIb „trotj ibrer Unabtyängigteit bem Äaijer
ju mandjerlei Dienflen unb Stbgaben unb befouberS ju einer jäbrlidjen
©teuer Derpflidjtet, roaö bei ben ftreiftäbten nidjt ber ftall mar".
") „3m *art" (1457-1496).
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bif Ofifdjnmj unb Obetitotien au« bem §af)tt 1492
263
ii)0t)l umföloffen ift. Snnerbalb beö ßaftellä ift eine Duelle, au«
welcher fortroät)renb ein fet)r flares SÖaffer ftrömt, bao aber etroaß
Ijerb unb fäuerlia) ift. ©s fjei&t, bajj oiele oon bem Söaffer wegen
ber ©efunbljeit jur Reinigung trinfen.
2luf bem Weg $nnfd)en (Göppingen unb ©Clingen giebt eö überall
Weinberge, unb bic Serge finb ooU baoon, fo bajj bieö nnrflidj ein
fet)r fdjönes &anb ift. Unb fo gebt es fort biß Strafeburg.''
$)ann fam bie ©efanbtfdjaft alfo nad) ber „freien !)feid)«ftabt
©jjlingen, oon mäßiger ©röfee, bie jum Seil auf einer deinen
3(nf)öf)e, $um Xeil in ber ©bene liegt unb siemlid) ftarf ift. 2lud)
Iner finb fet>r anfelmlidje Duellen (wie oben), bie für bie ganje 93e=
oölferung oon fet)r groftem Vorteil finb. §ier fliegt ein glufj namend
Metfor. £>aö 9lbenbejfen rourbe im ©aftfjaus „3ur Sonne" ein-
genommen, baö Nachtquartier erhielten bie ©efanbten im granjid:
fanerflofter neben bem @aftl)aud.
2lm folgenben Sag (26. JMuguft) ritten fie nad) einem einfamen
Stafteü, namens ©annftabt, unb ftiegen im ©afuuutö „3ur ßrone"
ab bei einer ^oljbrücfe, bie in baß Äafteli füf)rt; bas ©aftfjaus liegt
aufjerfjalb besfelben. ©in glufe fliejjt bei bem .HafteH, ber oben
genannte Necfar. 2lud) biefes tfaftell gehört bem ©rafen oon
Württemberg".
9tod) furjer 3eit famen bic ©efanbten an einem anberen fetjr
anfehnlichen ßaftell oorbei, baö Stuttgart Reifet, betraten basfelbe
jebod) nicht, roeö^alb ber $erid)terftatter erflärt, nichts barüber mit-
teilen $u roollen; es l)eifee aber, baß es feljr fa)ön fei.
9iad) £ifd) erreichten fie sJfleffo lUlla (3)Zagftabt ober Weil
bie Stabt?), roo fie im ©afthaus „3 um Dcbfen" übernachteten. „Sie
famen babei burch febr oiele Crtfdjaften unb Dörfer oon großer
fciebltchfeit unb fafjen auch &ügel, bie mit Weinbergen reich befefct
waren."
3lm 27. gelangten fie nad) einer Stabt ohne S3ifd)of, namens
^Pforjfyeim, bie einem 3)iarfgrafen oon Söaben gehört, melier
©hriftoph Reifet -r) unb oiele Orte unb tfafteUe befifct. ,,©s ift bies
eine recht üornetjme Stabt, gleichfalls mit Brunnen. $mei fleine
glühen fliegen unter ihren dauern, roooon bas eine £uiro, baö
anbere ^napel h^fa-*4) Gte giebt tjier oerfdjiebene ©emerbe, be=
fonberö Uhrmacher, unb fefjr fd)öne s$aläfte." Slbfteigequartier : ©afi*
M) f 1627.
") SBoljl bie „SBiirm" unb „Wagolb".
264
&tnxD ©tmon«felb, Gin »enetian. 9ififfbfrid>t über <2tibbeutfd»lanb,
fjauö „3 ur Sonne" auf bem &auptplafc. „£ie Stabt liegt in einem
£t)al unb an einer Sergroanb ; auf ber lefcteren ift ein fleines itafeell,
in roeldjem ber Hauptmann ber Stabt roofmt. $)er Sftarfgraf felbft
rootmt nid)t f)ier, fonbern in S3aben, einer anberen älmltdjen Stabt,
unb l)ält bort §of. inmitten ber Stabt Riefet ein anberer fleiner
glufe, bie @nj genannt, ber fic$ in jene beiben anberen glüfec^en
aufeertyalb ber SJJauem ergiefet, fo bafe alle brei bann fü$ ju einem
oereinigen. Sie Reiften bann ®nj unb biefe Riefet in ben 9ieä*ar.
ber fdjjliefeltd) in ben ÜHfyein münbet.
9?ad^ Xifdj ritten fie nad) einer anberen Stabt olme 33tfd)of,
namens Ettlingen, einer febr frönen Stabt mit einem mittenburd)
fliefeenben glufe, ber oiele SRüljlen treibt, bie M beifet unb in ben
:Wt>ein münbet. 9Rit feinem Söaffer fann man bie ganjen SWauern
umgeben, bie boppelt finb. &err ber Stabt ift ber oben erroäfmte
SWarfgraf von Saben. <£$ giebt oiele ©eroerbe, föftlidje Brunnen,
fetjr anfefmlidje Strafeen unb ^aläfte nad) beutfdjer 2lrt. Sie über;
nadjteten im ©aft^auö „3um 3iegenbo<f", bejfen Sirt als ein
fcr>r freunblic^er unb unterrichteter SWann gerül)mt mirb.
3lm folgenben £ag (28. Sluguft) gelangten fie nad) einer anberen
grofeen Stabt bes ermähnten SJfarfgrafen, namens sJiaftatt, roo fie
$u Slbenb fpeiften unb oon oielen oerfdjiebene 2lnfid)ten über ben
SRömifäen ßönig oernaljmen.
9lm folgenben Xag (29. Sluguft) brauen fie fdjon 5m« Stunben
oor SageSanbrud) auf unb ritten nad) einer anberen grofeen Stabt,
namens Puffern25), bie Strafeburg untergeben ift; fie fliegen im
föaftljaus „3nr ©ajelle" ab, roo fie jroei ©efanbte bes .Königs oon
(Suglanb trafen, bie ebenfalls oon Seiner Wajeftät bem Wömifdjen
König famen unb nad) £>aufe jurücffefnlen, mit benen fict) bie oene-
tianifdjen sperren lateinifd) unterhielten. 35ie CSuglänber fjatten feinen
£rofe unb fein anberes öepäcf, fonbern nur 4 — 6 gelleifen unb jroei
Haften auf einem ^fevbe; im ganzen luaren es gegen 15 ^ferbe.
9iad) bem @ffen reiften fie in grofeer Orbnung ab." — $n ber 91ät)e
ber Stabt Riefet ein fleiucr glufe, bie €>ld)vs).
Wittags ritten fie nad) Strafeburg: „am Ufer bes Wbeins
gelegen, eine fetjr anfel)nlid)e, grofee, freie, bifa^öflidje unb ftetd)Sftabt
") 2). t. ©ifäofSbeim, ba« aud) fonft ,/öifdjen" ^ei§t (ftebe SSHb- $off-
tnann, (Jnjt/tiopäbie ber drb«, Hölter* unb ^taatenfunbe I, 817). 9tad) ber
„ttarte oom ®rofjb«Jogtum Eaben" (bearbeitet auf bem Äarteubüreau be*
(großen ®eneralOuartiernieif*er.@tabe* 1848) burd)flie6t e« ber $oldjenbad>,
worunter roobl bie fpäter genannte Ol<t> ju öerflebeu ifi.
bie Oftf<$ro«a unb Obrtitatifit au« bcm Raffte 1492
265
#ier befanb ftd) jefct ©eine Sftajeftät ber 9tömif^e ßbnig. 33eim
Eintritt in bie ©tobt tarn ben ©efanbten ein ftämmerer bed SWömifdjen
Slöntgö entgegen unb ein £err Submig oon SWontferrat, ©efretär
unb tfanjler (?) jenes ©efanbten beö $er$ogd Sß^iltpp oon 99urgunb,
ber, wie oben erwähnt, in ßinj gewefen mar. Sie waren begleitet
oon etwa 25 sterben, unb ber genannte $err £ubmig, ein fefjr ges
lehrtet unb im £ateinifd>en äufcerft gewanbter 9Rann, empfing bie
©efanbten im tarnen bed Äönigfi unb geleitete fie (famt ben übrigen)
naa) ifjrer Serberge, bem ©aftrjauö „3 um 3*1$". fliegen bie
©efanbten oom $ferb, unterhielten fid) nod) freunblidj mit $errn
Subroig, ber fidj ba oerabfdnebete, unb gingen bann $u £tfd)e.
3lm 30. nmrbe ifmen im tarnen ber ©tabt «Strasburg ein
©eföenf oon 8 großen zinnernen ©efäjjen gebrad&t, bie ooll oon
2Bein waren. ©6 fam ba aber meber ber 93ürgermeifter nod) einer
ber SHfttc, fonbem eine ^rioatperfon alfi $olmetfd) otme SHlbung.
3n ber üblichen 2Beife banne ber ©raf. 9la<$ Xtfdfr famen oer;
fc&iebene 2RufÜanten unb ^offenretfeer unb einige, weld)e in wunber-
barer SHeife bie ©eberben oon «ßerfonen naa)maa)ten. darunter mar
einer, ber auf einer Coletta (f leine gibel?) fpielte unb in einer
2Betfe baju fang, bafj man, aud) ofme e« ju- motten, la^en mu&te.
Sewunberndwert in feiner Äunft mar aud) einer, ber, afmlia) roie
jener in Orient, D^ren Ijatte, oon benen er balb ba« eine, balb bafl
anbere bewegte; eine äufeerft fomifdje ©aa)c GS roaren aud) glöten*,
Mbeben* unb Xamburinfpieler babei. 2Hle würben efpenooH auf--
genommen unb belohnt.
vJZaa) Xifd) (am jener ©erreich: $err £ubmig mit jwei anberen
ber oornetnnften ©belleule bes Äönigs 3U ^Jferb nad) ber Verberge
ber ©efanbten unb lub biefelben im tarnen bes ftönigs jur 2lubien$
ein. ©araufrnn ftiegen biefe mit ttyrem ©erretär ju sJJferbe. 2)er
©raf trug wieber feinen golbenen 3)tontel (ftelje oben) unb barunter
ein rotes ©ewanb, &err ?ßifani ein ©ewanb oon rotem SDamaft.
Serbe erhielten tyren ^piafc jur dienten ber Gbelleute bed Äönigd.
31 lö fie an ben Drt tarnen, wo ber ftönig fafj, berührten beibe feine
$anb unb fügten aua) Seine 3Wajeftät, bie auf einem ©effel fajj,
ber bebeeft war mit einem bunten golbenen £ua) mit grünen Papageien.
£>er Äönig erfwb fid) unb begrüfete fie auf bas efjrenooUfte. Gr fafc
— in einem trodenen (V ) ©emaa) — unter einem oiererfigen Sanner,
bad ganj mit jenen Papageien oerjiert war; über bem ©rfce war
eine golbne $ecfe. Gr trug ein ©ewanb aus rotem ©ammet, oben
unb unten mit fefjr foftbarem 3<>belpel$ gefüttert, unb ein 2öam«
266 fcfnn) ©imonafflb, «in Of tiftian. iRrifcbfria>t über ©übbrutfalanb.
von 2Was, SömenfeU unb lueifce Stiefel mit 2fbfäfcen. 9luf bem
klopfe hatte er ein Sarett oon fd)mar$em £ud) nach franjöfifcber
5lrt mit gefreuten krampen; am &alo trug er bic prächtige golbne
ette mit bem ©olbenen ^Itefe. @s umgaben ihn eine Stenge Herren
unb Marone unb bitter, alle gefchmüdt mit feibeuen ©eroänbern,
barunter ber ^Jarfgraf oon ^öaben unb anbere (^bedeute unb große
Herren, barunter auch jener, ber mit Antonio Flavia im Scferoeiser-
frieg ^anbgemein mürbe unb it>n glänjenb befiegte, unb aufeerbem
mehrere anbere, beren 9tamen ich nid)t mehr roeife. ferner ber
ftau$ler unb fetjr gelehrte Sefretäre unb barunter einer, genannt
Dr. .tfonrab, ©rofefanjler (<), ein gelehrter unb fc^r begabter 3)iann. 2T)
3unäd)ft legte bann unfer Stander bie iöeglaubigungöfchreiben
in bie $änbe be$ ttönigö nieder, tiefer übergab fie hierauf feinem
$roft-Sefretär (!) Slonrab, ber fie öffnete unb fie, nachbem er eine
grofje 3tnjal)l ber iWdte um fid) nerfammelte, insgeheim gan$ norla«.
ftann antwortete er lateimfd) im Manien Seiner üJiajeftät be© ÄöuigS,
ber alleo oortrefflid) oerftanb, betonte, baf$ bie ©efanbten millfommen
feien unb erteilte ihnen baö 2öort. daraufhin begann £>err ^ifani
feine 9iebe, bie ben gleichen 3nhalt hatte, mie jene frühere oor bem
ßaifer, aber gan$ oerfchieben mar binftcbtlid> ber (Einleitung unb ber
3tuöbrütfe, ooll oon ^erebtfamfeit unb berounbernömert burch ihre
©ebanten, fo baß alle fie hernach fdjriftlich höben moUten, meil fie
ihnen fo mol)l gefallen. — sJtod) bem Sd)lufe ber Webe beriet ficb
Seine 9Hajeftät ein »ildien unb lieft bann burch ben nämlichen
.fterrn .Honrab eruubern: bafe Seine SJfajeftät bem *ienetianifcben
Senat unb ber ganzen Mepublif nielmalö bafür banfe, baft ue jroet
folche 3Wänner als föefanbte $ur ^eglüdmünfchung *u biefem ^rieben
habe fchiden wollen, „ßö mar nicht nötig", fuhr er fort, „bafe (hire
©errlichfeiten in ^Serfon Ijieher tarnen; ©ure Regierung hörte, menn
fie fich fchon bas Vergnügen erlauben roollte, bies auch mit einem
gan$ fleinen Öriefchen thun fönnen, baö ebenfallo genügt hätte."
2lufterbem aber banfte er ben ©efanbten, bafc fie bie 2)(ut)e unb bie
Ausgabe übernommen hätten, unb fefete fnn5U, fie möchten jedenfalls
ihrer Regierung berichten, bafe ber König jeberjeit ber ^iepublif $ur
Verfügung ftetje. 3luch i)xex fprad) ber Dr. Conrad lateinifch unb
elegant unb gan$ nad) bem Sinn beö ftönigö. 91ach biefem öcroeis
") SS ift mir nic^t betannt, auf wen unb auf welken bfr ©c^tori^rr-
friege (roob,! mit Äarl bem fiü^nen) b>r angffpidt roirb.
") ©idlri^t ber $offanjler Äonrab ©türfcd.
bie Oftfflnmj unb Obfritaticn au* bem ^abrf 1492
2R7
oon ßiebenömürbigfeit unb ©üte von Seite eine« fo grofjen Sürften,
antwortete £err ^ßifani mit nicht geringerer ©elebrfamfeit, inbem er
aufführte, bafe bie Signoria fie gefanbt tyabe, um ©eine 2Wajeftät
ju ehren, obwohl fie unmürbig feien, einer folgen SJtajeftät fid> $u
nahen, unb baj? fie für biefelbe noa) roeit größere Wltytn auf ftch
nehmen mürben, bie ftets fo gerne bereit fei, ilmen entgegenkommen.
'Jtacb längerer gemeinfamer Unterhaltung befa)lo§ Seine Äöniglia)e
3ftajeftät aus eigenem SBillen, ohne baft jemanb es oerlangt fjätte,
ben &errn spolo ^ifani megen feiner trefflichen ©igenfdjaften unb
meil bie hirj juoor gehaltene 9tebe ihm fehr gefallen (jatte, jum
bitter p fa)lagen. ©r liefe benfelben auf bem 33oben nieberfnieen,
gab ihm mit entblöfetem Saniert brei Schläge auf bie Schultern,
unb fo mürbe er $um bitter gemacht, ^ifani banfte herauf bem
önig unb fagte, er nehme biefe ®bre an, obwohl er ihrer unmürbig
fei. ©r bat zugleich ben Allmächtigen ©Ott, bafe er in feiner ©nabe
ben Honig lange 3«t gefunb unb mohl erhalten möge. — $er Äönig
erhob ftch aUbann, nahm bie ©efanbten bei ber §anb unb fprach
mit ihnen in einer (Scfc bea 3i«tmerö lateinifch etwa eine halbe Stunbe
allein unb im ©ebetmen, fo bafe fein anberer etwa« baoon borte.
Unter anberem fagte er, er toünfche, ba& fie am folgenben Sag
fämen, um ihn in o ollem ©affenfchmucf $u fehen, unb bann werbe
er ihnen bie Erlaubnis jur Abreife geben. Sie berührten bie $anb
Oes flönig«, fliegen ju ^ferb unb fehrtcn, begleitet oon ben brei
(£belleuten, bie fie abgeholt, in ihr Quartier jurücf.
^Dorthin famen bann sJMuftfanten beo Äöntgö, juerft vierzehn
Trompeter mit grofjen Raufen; aufterbem Xambours, Üautenfpteler,
befonbers §löten; unb ©eigenfpieler u. f. w.
gerner brei trüber, \mi jüngere unb einer oon etwa fechjefm
fahren, mit ihrem alten ^ater, welche eine Orgel mit pfeifen gan$
oon &0I5 brachten 'iS), bie aber einige Stahlfaiten hartc/ melche
gleicher SBkife burch bie haften jum Xönen gebracht würben. 55er
alte 33ater 50g ben SUaöbalg unb fpiclte bie Crgcl, unb bie Saiten
erflangen burch Anfcblag ein unb berfelben £afte (wie für bie pfeifen).
£ann 3ogen fie feitab bei ber Crgel ein beftimmteo ffiegifter unb bann
ertönten nur bie pfeifen, (So war burchauö eingelegte Arbeit mit fehr
feinen ÜHofetten. £)er jüngfte trüber fpielte bie Orgel, ber mittlere
eine &mte mit in blauer unb anberen garben eingelegter, fehr foft=
") 33fi bct Ueberfe&una, bicfer ©teilt war mein Sottege $err Dr. ©onb-
berger fo gütig, mir an bic $anb ju geljen.
268 $enrö Simon«felb, «in oenetian. «eifeberi$t flbrr eübbeurfälanb,
barer Sctyallbecfe. $er ältefte fpiclte eine Heine j^ibel unb fo fpielten
alle brei $ufammen mit foldjer £ieblid)feit unb 2lnmut, bafe es in
ber 9Jatur feine größere Harmonie geben fann. $ie £aute, bie
$ibel, bie Orgel finb oon ber §anb beö Katers, unb ber 33ater
fyatte bie Söbne unterrichtet, was aud) eine febr fcböne Sacbe ift.
Äbrenb ber 23ater fpielte, jogen bie jungen bie 33laSbälge unb
er liefe Die pfeifen $ugleid> mit ben Saiten erflingen. SKSweilen
fpielte er blos bie pfeifen, inbem er eine £afte b*™"8jog. «Dann
fefcte er aus unb es erflangen allein bie Saiten, fo bafe er mit biefem
füfecn Sfifedtfel Silier Sinne gefangen natym unb 2We oor Vergnügen
ftarr unb aufeer ftcb waren.
SHefe unb eine 9)tenge anbere 9Jhififanten unb ^Soffenreifeer,
fowobl ber ßöniglicben SNajeftät als ber Stabt Strafeburg, bie ba^in
fomen, mürben mit 2Bein bewirtet unb erhielten ©elb unb ®olb
($ufaten) genug. SBiele anbere, bie gefommen waren, bas $eft mit
an$ufef>en, gingen insgefamt jufrieben uon bannen, nnebbem fie gut
getrunfen. $ene brei öriiber unb itjr $ater gehören jum ^offtaat
beß Äönigs unb finb bei tym wegen it>rcr treff lieben ^ör)igfeüen mobl
gelitten. So ging biefer £ag brauf in geft unb Spiel unb grofeem
Vergnügen.
3lm 31. Sluguft naaj Xifcb ritten bie ©efanbten an ben $of bes
Äönigö unb warteten ein wenig am X^ore. 35a waren alle bie SRanner,
tfanjler, Trompeter, ^aufer, welche $u Sßferb Sr. 9Kajcftät barrten.
©nblid) trat biefclbe aus bem $of beraus, oon Kopf biö ju $ufe ge=
barniföt — ein überaus glänjenber »nblicf"). Sie ritt auf einem
Scbimmel mit ,capo de leanza'30), welker gan$ mit liebtem Stabl
bebeeft war. Stuf ber Äruppe r)atte ber ^ferbebamifa) eine fid) er=
bebenbe Scblange mit geringeltem Scbweife31), welche bis an ben
Sattel reiajte. Stuf ber $ruft 3?) batte er jwei ©reifen, bie fieb um-
armten; auf ber Stirne war ein £om oon Stabl/ fo bafe es ausfab
wie oon einem ©inborn. 3luf ben Scbenfeln '*) ()atte er jwei Soppen
mit bem faiferlicben 2lbler : au* bieS war in erböbter Arbeit (Relief)
auf ber Stablbecte ausgeführt. $er Äönig aber war ganj gebamifebt,
Hudj bri biefer Stelle burfte ia) mid) ber fmntniGrridjcu Uiticr*
ftttfeung be» Äufto« ©oebeitn erfreuen.
••) 9?a^ $errn ©oebeim ein unüberfeftbarer ftadjauÄbnuf für eine
fttacenform in 0*0*»*"-
*') „jur Slufnabnte be* burdjgejogenen $ferbe|(broan|e«".
■») „bem fogen. Surbug".
»') «igentlicb. auf ben „©einteilen".
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bie Oftfdjroeij unb Oberitalten au« bem 3abre 1499
269
ausgenommen bas ftaupt, auf bem er eine rote $el$^aube mit gauj
weiften Gebern trug; aud) bie Äapuje um ben ^atö mar von rotem
£ud); Steigbügel unb Sporen waren von ©olb **). 93or ifmt famen
fed)S ^Sferbe mit knappen barauf; brei baoon waren ganj geflirrt,
eines tjatte ben 93ntftt)arnifd) ganj oon fd^roarjem Sammet unb mit
golbenen ©loden, — ein munberbarer änblicf; bie anberen jwei
Ratten §arnifd)e oon nid>t minberer Schönheit; bie anberen brei
Ratten feine öruftbarntfd&e, waren aber retdj gefrj&mucft mit 3ufle^n
unb berrlidjen ©ätteln. ©s waren Stoffe oon abfoluter 3Jottfommen-
fjeit, bie jum perfönlic&en ©ebraud) bes ÄönigS beftimmt waren.
Sieben fta) ^atte ber Äönig jwei vornehme Herren, bie ebenfalls
ganj gewappnet waren, aber niebt fo prunfvoll. $or benfelben ritten
bie oenetianifajen ©efanbten, unb vorausgegangen waren viele Sagen
unb oielleidjt 600 SRaim ju ^Jferb ober me^r, bie mit benen ju Jufc
an bie taufenb betragen modjten. $ajwifö)en befanben fi# Slrmbruft-
fdmfcen unb fceute mit fcanjen auf ber Sdmlter unb alle gingen in
größter Crbnung. hinter bem Äönig famen oiele anbere, feine
Äanjler unb (Sbelleute. hinter biefen alle vom ©efolge ber ®e*
fanbten, aufjerbem viele bewaffnete mit fcanjen unb iSrmbruft, bie
in bewunbernsroerter Drbnung ein&erfdjritten, fo bafe feiner je über
ben anberen hinausging, fonbem fte immer gleidjmäfcig in SReif) unb
©lieb blieben. ©6 waren iforer etwa 600. $n biefer SBeife unb
Drbnung jog ©e. 9Rajeftät ber 5tönig unb bie anberen alle fjinaus
aus ©trafeburg mit oierjelm Xrompeten, Raufen unb trommeln, bie
fortwfiljrenb ertönten.
bis etwa eine Weile aufeer^alb ber ©tabt famen bie ©efanbten
mit; Iner wollte ber Äönig burdjauS nidjt bulben, baft fic nod) weiter
") $err *oebetm brmrrft baju: .,$er tfaffu« tf» fe^r intereffant" unb
berroeift mid) auf folgenbe Hbbilbungen be« oben gefdjitberten #arnifä)e« rejp.
be« in benfelben getleibeten Äönig« 2Rariiiülian: a) (BemÜlbe 849 unb 350
in ben SSiener tunftlnftorifd)en Sammlungen; b) ?eber, SBien« faiferlicVä
3eugbau«, ©b. II (iHeprobuftion bon a) ; c) 3abrbud> ber tunfHjiftorifdje n Samin«
lungen, »b. VII (Urfunben««egeft 9ir. 4582), roo aud) eine $anbjeid)nung
be« gleid)eu ®ea,enftonbe« au« ber (SJräflid) Ibunfdjen ftibetfommißbibliotbef
in @d)lo§ Setfcben in ©öf)men jn finbtn. SBenn tytt überall ba« 3abr
1480 angegeben ift, in roeldjem 3Ra;imilian alfo erfdjien, fo ift entroeber an«
juiifbmen, ba& berfrlbe bie pruntbofle «üftung aud) fpäter nod> bei gemiffen
QMegenbeiten, roie eben fyer 1492, anlegte — ober, nrie #err ©oefjeim meint,
bog fyier (an unfever Stelle) jmar berfelbe ffioBbarnifd), a(« 9Ranne«barnifd)
abet ein anbeter (al« ber bon 1480 abgebilbete) befdjrieben ifl, ber, wenn
noa) »orbanben, in ^ari« ober @d)log dvbad) ju flnben fein biirfte.
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270 $fnn> ©imotrtfelb, «in »enettan. ffleifebertdjt über @flbbfurf<6lanb,
Sögen. Daraufhin fliegen biefetben oom Sßferb, reiften iljm bie §anb
unb tuurben freunblidrft oon Sr. 9)tajcftät oerabfd)iebet. Der ftönig
fcfete feinen 2Beg fort, bie ©efanbten fetjrtcn in tyr Quartier na*
Strasburg wrüd.
Die Stobt liegt, roie gefagt, in ber 9täbe beö dtyeine, etwa eine
9Reile baoon entfernt. Tiefer ^lufc teilt fid) fjter in Strafeburg in
oiele unb tyat fec^o Sküden barüber, jeber ^loeig feine eigene.
(Sine berfelben ift grofj unb t)at in ber iÄitte it)ien Sajlagbaum
mit beuten, bie fortroät)renb 2öad)e galten. 2We fedjs Srüden
finb oon &ol$ ofjne jeben Sdjmud. 3n Strasburg felbft finb brei
fleine ftlüfjdjen ober me&r, bie fid) in ben Mtiein ergießen ; über jebem
oon itjnen finb fööne ßoljbrüden in genügenber 3af)l; oon tyrem
Söaffer madjt bie ganje Stabt ©ebraud).
Die Stabt liegt in einer ebene, bat fetjr ftarfe sJ)fauero, ift
fet)r grofj unb innen oon r>öd>fter Sdjönlicit. Sie tyat eine §aupt=
firdje oon jiemliajer, jebod) nicr)t fo beträd)tlid>er ©röfje, rote bie
in Ulm, bie bagegen mefjr 9lrbeit unb mebr ©elb gefoüet bat. Ter
©lodenturm ift ganj burd)brod)ene 3lrbeit, fo baß man oon ber einen
Seite nad) ber anberen burebfeben fann; bie Äird>e felbft ift innen
ebenfalls ganj Sdmifcroerf 3 ')• ©benfo ift ber (Eingang ganj Sdjnü);
roerf mit unjäf)ligen Figuren unb .Hapitälen in burdjbrodjener Arbeit,
olle oon Xuffftcin unb ebenfo bie gauje ftiraje: ein ^radjtftüd in
ganj Deutfdjlanb! ferner giebt es in ber Stabt ftaufläben jeber
3lrt für Südjer unb l'einemanb unb eine sJ)ienge anberer Dinge. Die
Stabt ift fein- reid) unb eine freie «eic&öftabt ; bie Straften finb alle
mit Hieß gepflaftert unb febr breit unb fd)öu mit pompöfen ^aläften:
turj es ift eine ber fdjönften Stdbte Deutfd)lanbö."
3lucb am J. September blieben bie ©efanbten in Strasburg.
„3lm 2. ritten fie morgeno nad) einem ftaftell mit Flamen Cffen^
bürg, oon Strasburg jioei Vegas entfernt ober jetm italieniidje
Miellen; benn eine i'ega ift gleid) fünf lombarbifajen teilen. $i«
Maftell gehört bem rÖmiia)en Äönig unb ift ftarf, mit 9J?auern auf
brei Seiten unb ©räben unb 3ugbrüdcit. ©in rtlufi, genannt
Kinjig, läuft in ber 9fäbe, ber in ben :Kl)ein flieftt. Jpier fpeiften
fie unb gelangten abenbö jum Soeifcn uno Schlafen nad) einem
ftafteü, namens $a$lad), oon Cffenburg jioei grofic Vegas gleid)
") 3>er üaUemfdje Hudbrud „intaglio" wirb für jebf* $erau*art«t(n
au*j, einer ^läd^e gebraust, joroob.1 für ba« ©ebnetben a(« &u$tn urrt
SWet&eln.
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bie Ojtfd}U>rig unb Oberttalien au* bem 3af;re 1492
271
fünfeebn teilen entfernt. <£s fltefet fyter ber nftmlidje glutf Kinzig.
$>ies Kaftell &aslad) gehört oem 0Deu ermähnten ©rafen oon
2Burttemberg, ber (Sberf)arb Reifet."
2lm 3. September gelangten fie nad) £ifd) „nad) einem Kaftell
mit 9tomen Cornberg, bas in ber (Sbene in einem Xtyai liegt unb
ein fel)r feftes Sdjlofj an Stelle einer geftung auf einem fetn* boben
33erg bcfi&t; es gehört ebenfalls bem genannten ©rafen; aucf> fner
fliegt bie Kinzig.
2lbenbs ritten fie nad) einem feften ^lafc Millingen, oon
Homberg 3 Sega« gleid) 15 SWeilen entfernt. (Ss gehört bem
MömifaVn König unb liegt an einem fetyr frönen Drt, mit oielen
lieblichen Mügeln. 3luf jmei Seiten ift es r»on Stauern umgeben,
es Ijat Brunnen in ben Straften, bie aüe nad) beutfdjer Sitte mit
Kies gepflaftert unb jiemlid) grofe ftnb, unb aud) ein fleineS glü&djen,
namens SJriegad), bas in ber dlälje fliegt unb in bie SDonau fia)
ergießt. Sie fliegen im ©aftfmus „3 u m 38 a i b m a n n" ab. Sluf bem
i&ege bietjer fanben fie oiele &öbeu unb Kälber unb fetjr fdjlccbte
s»ge. i&äfjrenb bes Slbenbeffens famen m'\ Männer im Stomen
bes iBürgermeifterd unb fünften ben ©efanbtett 4 ©efäfee mit sBein,
bie genie angenommen mürben. @s tarnen aud) Pfeifer, bie, wie
jene, mit ©elb befdjenft mürben.
silm 4. morgens reiften fie roieber ab, paffierten grofje (Ebenen
unb famen $u Wittag nad) ©eifingen, einem fet)r öben $|Ma&,
otme 9)tauera, ber einem ©rafen oon gürftenberg gehört, namens
&einrid). :,f*) 2)ie Stabt, n>o ber ©raf rootynt, liegt in ber sJJäbe,
etma 5 italieuifdje teilen entfernt, auf einer £öbe unb Reifet
gürftenberg. ^xi ber 9?äl)e fließt bie $onau, bie t)i^ fof)r fleht
ift unb fefyr menig sii>affer bat. $ie 2>onau entfpringt, mie man
fagt, eine &ega oon bier entfernt bei einem Ort, namens ©f fingen,
unb &roar, mie es rjeifet , in ber ©bene unb itjre Ouelle foll ganj
flein fein. 3$cnn Dem fo ift, fo entfpringt fie nid)t, mie oben3")
ermähnt, auf bem St. ©ottbarb, benn biefer ift oon (Sfdjingen meit ent-
fernt; man fagt, bafc auf bem ©ottbarb folgenbe oier glüffe entspringen :
bie 2lar, ber s^o, bie iHbone unb ber Mtjein unb niebt bte £onau.
9iad) 2tfd) überfebritten fie bie Möttau auf einer gurt unb ritten
nad) einem Kafteli, namens engen, oon ©eifingen eine grofte tfega
• •
"j ^einrieb, VII, ogl. Wiejlrr, <$t\d). be« fürfittctjei» $aufe8 unb jeincr
«fjnen bi* 1509, 389 ff.
") ©fll. ©. 261.
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272 fctnrp ©iinon*fdb, «in oenetian. «<ifcberi$t Uber ©fibbentWanb,
entfernt, an einem fe&r frönen ^lafc auf einer $ötye; ring« fyerum
auf ben §öt)en finb fefyr fd)öne ftajtette oon oerfd)iebenen Herren.
$>er #err biefeö Äaftellö Reifet ©raf Sigmunb oon ßupfen. Sie
fpeifien f)ier unb übernad}teten im ©aft&auö (de la Coppa) „3 um
Sedier".
Slm 5. September ritten fie bid 3Wittag naa) einem ÄafteU
am See oon flonftanj, genannt G&el (iHubolfö^eU V), baö bem
9iömifd>en König gehört unb feljr fdjön ift, fomoljl wegen feiner
Sage, aU au<$ wegen ber grofeen 3Renge $ifd(>e, bie aua) oon gröfeter
©üte imb. eine »rüde oon $olj fityrt über ben N&ein unb teilt
bie Stobt") in jwei Hälften.
Äm folgenben £ag würben ben ©efanbten im tarnen ber ©e;
meinbe jwölf Ärüge 2Bein unb jwei Kufen gifdje überreizt. 6*
erfdnen ber Sürgermeifter perfönlic$ unb anbere SJorneljme, beuen,
wie früher, gebanft würbe.
21m 7. September blieben fie in Konftanj.
9tm 8. nad) £if($ Riegen fie in eine 93arfe unb tarnen abenbe
über ben großen See fatjrenb nadj einer frönen Stabt bes romifeben
Königs, namenö Sregenj, oon Konftan$ fünf Üegaö entfernt, bie
am Ufer beö Konftanjer Sees liegt. $)ie ^Jferbe aber unb einige vom
©efolge reiften $u £anb unb erreichten abenbö eine feljr fd^öne freie
<Reid)Sftabt olme öifajof, bie auf einer 3nfel im See liegt unb
Sinbau Reifet. 35a bie $ferbc ipät eintrafen, waren bie tyoxt
gefajloffen, würben aber fogleidj geöffnet, fobalb man oon bem ®*
folge ber oenertanifc&en ©efanbten l)örte.
fiinbau ift oon Konftanj ju£anb fünfüegas entfernt; atbfteige;
quartier war fjier baö ©aftljaus „3ur Krone".
3lm 9. oormittag« ritt baö ©efolge weiter unb (am naa)
öregenj, baö oon fiinbau $u £anb eine fcega entfernt ift. 35ie ©e^
fanbten waren luer ebenfalls» im ©aftQaud „3 ur Krone"' abgeftiegen,
wo^in tlmen aud) wieber jwei Krüge 3ikin als ©efdjen! im tarnen
beö 'öfirgermeifterö gebraut würben. Tic Stabt liegt im Xbolf
unb bat 2)erge in ber 9id^e unb ein ÄafteU auf bein ©ipfel eines
Öergeö, baö eine red|t gute $ejtung ift.
9iaä) £if<b ritten fie auf einem fe^r beiäwerlidjen unb fe^r
fteinigen äöeg unb über #ö^en unb burd) Diele fleine ^Jläfce, festen
aua? über ben ftljein auf einer £urt unb famen abenbö $u einem Äaftefl
bed römifdjen Königs, nameno #elbfird), oon öregenj brei große
»•) Äonfianj?
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bie Cftjdjrocij unb Obmtalien au* bftn 3abre 1492
273
fcegas entfernt, iüo fie im ©aftt)of „3 um Sa^roert" abfliegen. @s
ift ein fc^r fd)önes ftafteü, in einer (£bene gelegen, auf jeber (Seite
oon rei$enben $öf)en umgeben, bie mit ©ein bebeeft finb. inmitten
biefes ftaftells flieften fünf glüffe, bie fid) bann ju einem Bereinigen,
ber bie 311 Reifet unb in ben sJif)ein fliegt. $)iefe 3Haffer treiben
fef)r viele 9ttüf)len unb oerteilen fid) in ber Stobt unb aud) außer?
t>alb ber 3JZauem in »ergebene ^xoei%e. S)ie Straften finb reinlid)
unb gepflaftert, unb es giebt bafelbft $temlid) oiele &äben unb ©e=
toerbe; es ift ein fauberes, anfebnltaVs unb ftarfes ttaftell.
£)ie 33urg liegt auf einem $ügel außerhalb in ber 9fäf)e bes
ÄaftcU« unb ift fefjr ftarf. 2lud) mit flirdjen ift bie Stabt rootjl
gefdmtürft: furj, es ift eine fdjöne Stabt.
2lm 1 0. fpetften fte bier in gelbfira> unb ritten bann nad) einem
$iemlid) öben, in ber Stäije beö ftfjeins gelegenen ftaftell, brei &gas
von gelbfird) entfernt, namens SRanenfelb, bas geroiffen Herren
oon Sranbis gehört. <£f)e fie borten famen, rourbe tfmen $um
©elett ein Sttann entgegengefdjirft. &ier blieben fie über 9iad)t
2lm ll. brauen fie in früfjer 2Horgenftunbe auf unb gelangten
nad> einer frönen Stabt von mäßiger ©röfte mit einem Öifdjof,
meldje ßfcur fyeiftt, toobet ifjnen aud) l)ier baö ©eleite entgegen^
gefanbt roarb. £>ie Stabt ift oon 2Wanenfelb jioei fiegas entfernt
unb liegt teils auf ber §öbe, teils in ber (Sbene; bie Straften finb
afle gepflaftert; ©eroerbe unb &anbtoerfer giebt es nid)t gerabe oiele.
inmitten flieftt ein Keines glüftd)en, namens ^ßleftur, bas aud) an
ben dauern oorbeiläuft unb oiele 9Ifüf)len treibt. $>er SW^ein ift
eine italienifaV SHeile roeit entfernt. Ringsum finb fct>r l)of)e unb
fdjöne Serge.
Slbenbs gegen 2 Ul)r (8 Ubr) famen jum ©aftfjaus bie diixtt
bes 93ifdjofS unb teilten mit , baft ber $ifd)of 39) oon ber 3agb
jurürfgefefyrt fei, ba bie Wefanbten ifyren Sefvetär abgefd)irft Ratten,
um ju f)ören, ob ber Sifa^of ju fpred)en fei. darauf machten fie
fid) in ber gehörigen Drbnung mit garfein auf ben 3Öeg unb famen
jur sRefibena bes $ifd)ofs, ber ifjnen bie treppe fjinab entgegen fam,
aud) oon garfein umgeben. 2)ie ©efanbten mürben nad) oben in
ein ©emad) geleitet unb unterroegs febenfte ber SBifdjof ifmen eine
©emfe, bie er am nämlidjen Sage auf ber £agb erbeutet fjatte.
£ernacf> begrüftte £err ^ifani Seine &od»oürben lateinifd) im
Wanten bes gürften unb ber Mepublif SBenebig, bot i^m im tarnen
»•) $rhirid> 1491 -1509.
3tit((trift für ÄnltUTfleldjidite. II. 18
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274 $eim> 6imon«felb, (Kn t>t nerton. 9irifeberid)t über ©ttbbeutf$lonb,
bes Senats bie guten SHenfte ber sJiepublif an unb banfte ihm
uerbinblidrft.
&er Bifdrof beriet ftd) ein wenig mit ben ©einigen, unb einer
tum feinen iHäten in oorgerüdterem 9llter antwortete lateinifd», ban-
fenb unb ju allen ©egenbienften fid) bereit erfldrenb.
3?ann fprad)en ber 33ifct)of unb bie ©efanbten miteinanber eine
halbe Stunbe lang, fo baf? niemanb etroas fyören fonnte. $er
Bifdrof reifte fdjliefjlid) jebem bie ßanb, roorauf bie ©efanbten ftcb
empfahlen unb, oon ben nämlia>n ?Waten mit Radeln begleitet, in
ihr Quartier prücf festen, ©iner, ber bie ©emfe bafnn braute,
würbe reid&lid) mit ©elb belohnt.
3lm 12. fpeiften fie hier unb erhielten bann aufeer einem ©e=
leitsbrief aud) nod> jroei %vfyxet jur Begleitung. Sie paffterten
bann ein grofees fteiniges ©ebirge unb (amen abenbä nad) einem
Ort auf ber $öt)e eine« Berges, namens ^arpan, oon Gbur eine
#ega entfernt. SMefer ^Jlafc ift ganj oerlaffen unb es giebt ba feine
Unterfunft; er gehört bem Bifdwf oon ßbur. Sie fpeiften hier ju
2lbenb unb jroar frifä^e Bohnen. 2lud> Beilagen fanb man ba, für
biefe 3cü ^ne SHerfroürbigfeit.
21m 13. brachen fie frühmorgens auf unb gelangten über raube
Bergeshöhen nach einem Ort bes genannten Btfchofs, namens
2anfa) (üenj), bann nach einem anberen, mit 9tomen (Sbafte
(Xiefenfaften), ebenfalls bem Bifchof oon (Slmr gehörig, bei meinem
ein ftlufe, bie Sllbula genannt, fliefet. 2tn biefen «piäfcen fpreeben
alle italienifch unb beutfd). $>ann famen fie nad) einem Drt, namens
£inijun (Sinjen), roo fie beim Äuraten fpeiften. @r liegt ebenfalls
auf ber $öhe unb ift umgeben oon oielen frönen fleinen Drtföaften
unb Bergen oon febr grofeer ^rudjtbarfeit. 3tuf benfelben liegt Sa)nee
ju jeber Sa^resjeit; r>icr roddrft roeber ©etreibe noch SBein irgend
welcher Slrt
9tod) 55Tifdt> ritten fie nad) einem anbem einfamen Drte bes
Bifdwfs oon (Shur, namens Bioio (Stalla), oon $inijun $roei
Segas entfernt, bei einem Crt, genannt So rf an (Sur?). 3taf ben
Bergen liegt fortwährenb Sdmee, unb es ift fef)r falt. %n biefer
Stabt fpred)en alle gleichfalls italienifch (lombarbifch), obwohl ibre
Spraye eigentlich bie beutfd)e ift. &ier roächft roeber Brot noch
©ein noch anbere Lebensmittel, noch giebt es irgenbein gute« ©aft=
haus; alle leben wie bie SBilben ohne eine Bequemlicbfeit jroifcben
fteinigen unb rauhen Bergen. $ie ©efanbten fliegen im ©afthauo
„3 um Stern" ab, ber sJieft bes ©efolgeS in anberen einfamen Käufern.
bie 0(H*Wfi< unb Obnritalicn au« bem 3af>rf 1493
275
2lm 14. uad) £ifd) reiften fie weiter unb paffierten ein botjes
raufjeS ©ebirge, mit Manien S e p t i m e r. Seim $erabfteigen fonntc
man nid)t $u Sßfcrb bleiben, fonbent jeber ftieg ab. T>ies ©ebirge
fteigt eine üega an unb ebeufo viel beträgt ber 2lbftieg, es ift gan$
fteintg unb fc^r raub. $>a giebt es feineu Öaum broben, es ift
ganj fat)l ; ber 2lbftieg ift fo fteinig unb befdjwerlid), bafe man abfolut
nid>t reiten fanu. 9tor &err ^pifant ritt aud) bergabwärts auf einein
Faultier, worüber alle fid) nid)t wenig erftaunten.
äm ftufc biefes Herges liegt ein fd)öner Crt, namens (Safatfd),
in einem 21)01, meld)es «al #regaglia (Sergeller Ilml) tjeifet. 3wei
glüffe entfpringen auf bem Serg, bie an beut Ort oorbeifliefeen unb
pereinigt bann s)Mra Reißen. Slbenbs fanten fie nddj einem Drt
bes genannten Sifajofs r>on (St)ur, meiner 1 3 italieuifdje Weiten oon
Sioio entfernt ift, Sespran (Sicofoprano) beifct unb in bem nanu
liefen SergeUer Xt}a( liegt. £ier fliegt jene Waira. 2luf ben
bergen liegt immer unb j>u jeber 3fa^reö^eit Schnee. 31n biefem
Crte fprea)en ebenfalls alle italienifcb, obgleich bie Sprad>e bie
beutfdje ift. &ier mürbe $u SÄbenb gefpeift.
3lm 15. morgens nad) ber Weffe ritten fie weiter unb famen
burd) bas ganje i'anb bes Sifdjofs oon ßtjur unb über einen deinen
ftlufc, namens Drfo, ber bas (Gebiet bes SMfdjofs oon jenem be«
$er$ogs oon SMlanb fdjeibet. Sie Ratten babei einen fet>r be^
fdjwerlidjen , fe^r fteinigen unb rauben 2i>eg, fobafj es nötig war,
wegen ber &ärte ber Steine oom $ferb ju fteigen. 311s fie jenen
£lufe überfdjritten Ijatten, befanbeu fie fid) mit einemmale — ©Ott
fei $anf! — in ber fcombarbei. Sie famen bann burd) einen
grofeen, frönen Crt, namens ^iuro, ber bem $er*og oon Wailanb
gehört unb in $mei Hälften geteilt ift. Der obengenannte $lufe
SRaira fliefet mitten burd); barüber füljrt eine fef)r fdjöne Stein=
brüde. &ier an biefem Drt mad)t man bie Steintöpfe, unb es be-
finben fid) ba oielleidjt 30 $rel)bänfe, bie f ortwäbjenb arbeiten ; fefjr
fa*)ön ift ber Stnblid ber Serge, weldje bie Steine ba$u liefern. 2)ie
©efanbten befiditigten alles unb gelangten bann jum Speiien nad)
einem feften Pafc bes &erjogs oon Wailanb, ber oon Sefpran
jmölf teilen entfernt ift unb in einein Xrml liegt. $ie Surg bc=
ftnbet fid) innerhalb ber dauern auf einer 2lnböbe unb ift feljr ftarf.
tiefer ^lafc Reifet ©biaoenna. &ier finb auf ben &öljen eine
unenblidje Wenge Äaftanicnbäume unb Weinberge unb Jrüa^te aUer
2lrt. 3lud) bei Süd) batten bie ©efanbteu faüdjte unb befonbers
feigen, bie es bis jefct in $eutfd)lanb noa) iitdjt giebt.
18»
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276 $envt) ©tmonGfrlb, (Sin oenettan. SReifeberidjt über ©übbeutfcbjanb,
2lm anberen SHorgen (16. September) famen fie mittag« nacb
einem ganj Keinen feften pa& am Horner See, bem fierjog oon
SftaUanb gehörig, mit tarnen (Eaftel bi Stteyola, in einem Xfwl
gelegen, roeld)e« $al (£f)iaoenna tieigt 9iadj Xifd^ tieften fie bie
Stiften in ein Sdjiff bringen unb bie $ferbe in jroei anbere; bie
©efanbten mit einigen beftiegen ein anbere« unb fuhren auf bem
©omer See weiter. (Sine 9Reüe r>on SWejjola entfernt fliegt ein ans
berer Stuft in ben See, bie Slbba, bie bann bei Secco roieber
f)eraufitritt unb nad) einem feften ^tafe, namen« $re$$o, fliegt.
2lbenb« famen fie nadj einem groften unb fdjönen Sßlafc am Ufer
bes See«, genannt Sorico, oon 3)2ejjota aefn" Weilen entfernt, ber
gegenüber oom 93altettin liegt, meldte« gleidjrfaH« bem Serjog oon
Wailanb gehört unb eine« ber fdjönften Egaler 3talien« ift, oon
über 60 Weilen Umfang.
2lm 17. reiften fie roetter unb paffierten juerft einen fcr)r frönen
Sßtafe am ©eftabe beö See«, namen« 2) omaf o; bann einen anberen fet>r
reichen, ©raoebona; bei lefcterem ift ein 93erg, ber fteit in« SBaffer
abfallt, namen« Wonbon40), ber $u ben fünften an biefem See
gehört. 2luf ber Seite oon Secco, roeld>e« ein fefter «ßlafc am See
ift, befinbet fid) ein anberer grofter Drt oon f)öa)fter S<$ön|>eit,
namen« SJellano, unb roieber ein anberer, SSarenna, beibe am
©eftabe; an biefen beiben *ßläfcen famen fie oorbei.
Stuf ber anberen Seite, nämlidf) ber oon <5omo, famen fie oor^
über an Stobiallo unb Wenaggio, ba« in ber 9täfje be« erfieren
liegt auf einem fef>r anfeljnlid&en £ügel. $ann fommt ein anberer
Drt, namen« öellagio, roo ftdt> ber See in jroei Xeile fd&eibet:
ber eine gefyt nad) bem feften Sßlafc fieeco, ber anbere nadj ber Stabt
©omo. Sellagio ift gerabe an biefem fünfte erbaut, £ier roo^nt
ein Äapitäu, ben ber Jperjog oon Wailanb über ben See gefefrt t>at
3u Wittag famen fie nad) einem ^piafc namen« £reme$jo auf
ber Horner Seite be« See«, oon Sorico oierunbjroanjig Weilen ent-
femt. ißon (Eaftel 3We5jola bi« Gomo finb oierunbfünfjig Weilen ;
an ber breiteften Stelle l)at ber See oier Weilen. SHefer See ift
oon grofter Sdjönfyeit unb £ieblid)feit unb bie Ufer finb umrahmt
oon £öf>en, bie alle ooU finb oon föftlidjften Söeingärten unb fnutt-
tragenben Säumen unb befonber« einer groften Wenge oon Äaftamnu
bäumen. 2lud) finb ba unjät)lige Drte unb ^läfce, bie alle aufzu-
führen, attju ermübenb roäre.
*•) «inen öerg biefe« tarnen« fann t$ in biffer ttegenb nid)t finb«.
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bie Ofij^roeij uitb Oberitalien au« bem $af)vt 1492
277
■Rad)bem fie fo an Dielen fetyr frönen unb anfefynltdjen ^piäfcen
am Ufer: 3\ola, ©alca, 2lrgegno, ÜRejfo (auf einer Stolpe),
Shrienno, (Sarate, £urno (fefjr groger spiafc), ©ernobbio (ein Drt
uon augerorbentlidjer ©ä)önt)eit) oorbeigefommen roaren, langten
fte abenbd in ber ©tabt domo an, jtoanjig teilen oon Sremejjo
entfernt, bie bem $erjog oon SRailanb gehört „$)ie ©tabt liegt
am Gnbe beß ©eeö in einem S^ale; e$ ift ba eine red)t fä)öne
Äirdje — ber 3)om — mit einer SWarmorfacabe unb ©tatuen.
3Ran fertigt fner Xuc&er jeber 21rt unb fetjr feine oon groger ©üte.
$>ie ^aläfte finb nidjt oon aUjugroger ©ajönljeit, bie ©tragen fe^r
Ijäglid), bie ©tabt überhaupt nidjt grogartig, ©ie ift eng einge;
fdjloffen in dauern mit ©raben." Slbfteigequartier mar bafi ©aft*
IwuS „3um @ngel".
„Äaum roaren bie ©efanbten bort angelangt, alfi ber ^obeftä
oon (Somo fam unb tynen im SRamen bed öerjogs roegen be«
^rieben« unb beä öunbe« sroifdjen tym unb ber SRepubli! feine
guten $ienfte anbot, roorauf ber ©raf (Sontartni feinen $anf
audfpradf).
31m 18. frü&morgen« famen bie Trompeter unb Pfeifer bes
Sßobeftä jum Quartier, um ju fpielen unb mürben reia)lia) belohnt
^ad) ber SWeffe beftiegen bie ©efanbten bie ^Pferbe unb ritten baoon,
bid augerfwlb ber ©tabt oon bem Sßobeftä unb feinen fieuten, roie au$
ben Trompetern begleitet. 3U ^nten fte an einen Drt, namens
Söarlaffino, oon (Somo jroölf Steilen entfernt, in einer (Sbene, unb
ringsum ift fein 8$erg. ©ie ftiegen in einem guten ©aftfjauö ab „3 um
©a)roert"; ber äittrt fyieg ©iacomo ^Jorro, ein braoer 2Jtonn. <£ö
ift ein red>t fd)öner, groger Drt. 9tod) Xifdj langten jie in 2Rai*
lanb an, einer $ifd)ofäftabt, oon 93arlaffino breijefm teilen entfernt.
3$or bem Xtyov fam itjnen §err 3uan grancedco "ißasqualigo, ©oftor
unb koalier, ber ©efanbte ber oenetiantf d>en ^Hepublif, ju Sßferb
mit feinem ©efolge entgegen unb empfing fte. ©rinnen am Anfang
ber 33orftabt befanb ftä) ber ©rogfan$ler be« Serjogd unb anbere
ßbelleute unb 9täte, roela)e ben ©efanbten alle bie ©anb reiften
unb fte bann ju ^ferbe unter fortroä&renbem trompeten* unb
$Pfeifenfpiel in bie ©tabt bi« jum Duartier geleiteten. 93eim Gins
tritt in bie ©tabt fam Urnen ber Äapitän unb ^obeftä oon 9Jlailanb
entgegen, gerner warteten it)rcr ba eine 3Renge anberer oome^mer
unb abeliger §erren, alle gefajmücft mit oerfajiebenen feibenen
Xüajern, Ijerrlia) anjufefjen, auf Faultieren oon fcödjfter ©ajönfjeit
unb $ollfommenf)ett, bie bid jur <5rbe mit ©djarlaa) bebedt waren;
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27H £enrp ©tmonefflb, ®in örnetian. SReifcfrm^t über Sübbrutfölanb,
anbere ritten $u s^ferb, fo baft eö im ganjen etwa 10i> <ßferbe waren
ober barüber.
2luf biefc SBfcife jogen fie in 9)tailanb ein unb würben bann
bis in ihr Duartier geleitet, baö ©aftrmuo „3u ben br ei Rönigen",
meines ba§ anfetjulic^fte in ber @tabt ift, grofe unb fefjr geräumig.
:öeim Eintritt in baofelbe empfingen fie am Xfjore eine 9(n}atjl
Liener mit weiften 2öad)öfer5en — benn e$ mar ein wenig fpät
geworben — unb ermiefen irmen grofce (£bre. $a waren bie @e
mäd;er für bie beiben ®efanbten mit Teppichen unb ^radjtbetten
unb anberen ©egenftänben gefdjmücft. 9Jid)t blos bie ©efanbten,
fonbern aud) itjr ©efolge fpeiften auf ba§ fplenbibefte auf Äonen
beö fterjogs.
2tm U>. morgen« famen bie Trompeter beo £er$oga, fea)$efm
an ber 3al)l, unb Miefen im ©aftrmus; ebenfo bie Pfeifer bes
$er$oa> unb bie £ambourö ber 9Jtorfgtäfin oon SJJantua, bie bamalo
in 2)faüanb war; alle fpielten uortrefflid) unb würben belohnt.
3?ad) £ifd) fam ins Cuartier ber oenetiauifäe ©efanbte unb
einige anbere (Sbelleute oom £ofe be* £er$ogs; nad) längerer Se
fprcdmng ftiegen alle $u ^ferb unb famen jum ÄafteH be« ßerjogs,
um Slubienj 311 erhalten. SDiefeö Slaftell ift non f)öd)fter Sdjönbeit
unb (JJröjse unb febr ftarf, mit Rinnen aud SRarmor fo fpifc wie
Diamant oerferjen. 2luf jmei weiten tjat es fetyr biete 9Wauera mit
SBaffer außen unb 3"9lirutfen: fürs ein trefflid)e$, ausgejeiebneteo
£)ing. &ier t)ält ber £er$og £>of unb rjier wot)itt er; fein &of ge^
tjört ju ben fdjönften in Stalten. $eim Eintritt in benfelben fommt
man 511 einem großen sJ>tafe, ber immer 00U ift oon Söflingen unb
(Sbelleuten.
21Ue ritten bann binauf biö *u einem <2>aal; bann ftiegen fie
oon itjren ^ferben unb traten in einen anberen fleineu Saal, wo
fid) 8e. ©rjellenj ber ^er^og befanb, ein junger £>err oon M)r
fanftem "Jlujjern 4 *), unb §cxx Sobooico*2), ein ferjr fd)öner 'Slam,
mit anbereu feiner Mate. $er &cr$og liefe juerft bie ©efanbten,
bann aud) ben £errn ^aoqualigo in ein geheimeres Limmer eintreten
unb trat bann ielbft tn'netn. £ier rnelt bann &err ^ifani feine 3ln-
fprad)e an itm in tjeimifeber Spraye; auf alleö antwortete in oor-
trefflidjer iKkife &err itobooico, ber Drjeim bes &er$ogs*?). 31aa)
längerem (#efpräa? über nerfebiebene $inge oerabfdriebeten ne fi*
*») ©ian ©alcaijo ©forja.
M) tfobooico U 2Roro.
btc Dfttönjfij unb Obmtalten au« beut $abjf U92
279
unb würben nun oon einer 2tnja^l ©belleute bei Befidjtigung bes
Äafiells begleitet. ®a würben ilmen gegen fed^ig fef>r grofje ©efajje
oon Silber gezeigt, oon gröfcter Sd)önf)ett, alle mit (Smail unb fej)r
fein gearbeitet. Sie fafjen aud) eine 3)ienge Heiligenfiguren ganj
oon Silber, unb bann würbe ilmen ein Keines ©emadj gezeigt, ooll
r»on ©belfteinen unb ©olb in größter SJtenge. 3unäd)ft waren ba
jwölf SJlebaiUen gan$ oon maffioem ©olb mit ben Silbern ber
früheren &errfd)er, oon benen einige lOOOO, einige 12 000 unb
einige 15 000 £ufaten wert ftnb: etwas Staunenswerte*. $tings=
tyerum befanben fid) im ©emad) Släften, alle angefüllt mit irgenb
einem frönen ©egenftanb. 3)a war aud) ein großes tfreus oon
maffioem ©olb mit fetyr oielen perlen, femer ©efäfce aus Jaspis
unb ^or^eHan unb Karneol unb taufenb anbere $)tnge. 3u^e^
würbe ilmen nod) eine Xrutye geöffnet unb ilmen @belfteine aller 2lrt
gezeigt, worunter fid) perlen oon ungemöt)nlid)er ©röjje befanben
unb ein SHing ganj oon Ballasrubin aus einem Stüd; ferner einige
diamanten im Söerte oon mehreren taufenb $>ufaten; aufeerbem
nod> eine uuenbliaje SÄenge anberer $inge, bie alle nid)t su oergleidjen
mit ben Sdjäfcen bes ©rabifdwfs oon Salzburg ober anberen, fonbern
einen oiel leeren 3Bert beftfeen.
$>arnad) oerliefjen fie bas ßaftell unb würben nad) bem ^ßalaft
bes &errn £obooico 3ur Befestigung besfelben geleitet, welker eben=
falls grofe unb'prunffwft ift. $ann würben fie oon benfelben ^erfonen
nad) $aufe begleitet, welche fie oon bort abgeholt Ratten.
2lm 20. morgens fam ber £err Sobooico nad) bem ©aftfcaus
unb ber oenetianiföe ©efanbte; mit ilmen waren bie Brüber $err
©aleajjo oon S. Seoerino unb £err Antonio unb oiele anbere
Herren, alle ju $ferb. Sie traten in bas ©emaa) unb fpraa)en eine
lauge Sßeile mit ben ©efanbten; bann ftiegen fie wieber ju ^ferb
unb ritten baoon.
Einige $e\t tjernaa) beftiegen aud) bie ©efanbten tyre ^ferbe
unb gingen 5ur 3Jteffe in Begleitung zweier mailänbifd)er (Sbelleute.
9iad) ber ÜJleffe befestigten fie bie .Uird)e bes ^eiligen 3Cmbrofius,
Den $)om, ber oon einer au&erorbentlidjen ©röfje unb Breite ift. @s
ift eine fef>r anfelmlia)e ftira)e, aber fie ift nid>t oollenbet unb immer
arbeiten 200 3Renfd)en fortroetyrenb an SWarmor unb anberen SDincien
für bie &ird)e. ©egenwärtig ift fie 230 Schritt lang, aber wenn
fie ben ^ßlan einhalten, wirb fie weit über 200, ja oielleidjt 300,
unb 77 Schritt breit unb 127 Iwd) werben, mit Säulen unb anberen
SJtarmorftütfen retd) oerjiert.
280 $enro ©imonSfelb, $in oenetian. 9ieije beriet über ©ubbe utfdjlanb,
Über beut &od)altar befinben fid) bic (Srabmaler ber früheren
&er$öge. Unter bem (Giebel ber Stauer foQ einer ber 9tägel (S^rifti
fein, oor toeld&em immer ein fiämpd&en brennt, unb bem grofje üBer^
errang gesollt roirb.
ftaruaef) beftd&tigten untere ©efanbten ben §oi wo ber oerftorbene
$er$og mof)nte, ber fef>r fc^ön unb grofi ift. sJiad) &aufe jurütfbegleitet
fpetften fie. Mad) lifd) mürben fie oon ben beiben ©belleuten mieber
abgeholt unb befugten baö &ofpital, bao rounberfdjön ift. (Sie be-
fid)tigten )o bie ganje Stabt, oon ber ia) nichts weiter fdjreibe, ba
fie jebermann ganj befannt ift. 25a giebt e$ fo oiele ©eroerbe, fo
oiele fiäben aller 3trt; ba finbet man foft alle erbenfltdjen Sachen,
benn eö giebt majte, maß man ^ier nidjt fertigt. 2tUe ©trafen finb
geoflaftert unb fortroäfnenb arbeiten in benfelben oiele Arbeiter.
©ine satyllofe 33coölferung finbet fid) (ner unb befonberß in ben
Vororten außerhalb ber Stabt, oon benen einige $roei teilen lang
finb, unb biefe finb es aua), melaje bie (Stabt oiel fdjöner madjen;
benn bie Stabt otjne bie Vororte f)at nur fünf teilen unb mit
ttynen meljr als fieben im Umfang. @s gäbe noa) oiel über biefelbe
5U fagen, aber idj unterlaffe es, meil fie, wie ermähnt, allen fe&r
befannt, unb eö nidjt meine 2lbftd)t ift, oon ben Stäbten 3taliene
ju reben."
„33ei bem Ztyoxz, meines no$ (£omo füfjrt, fliegt ein 3rm ber
Slbba, ber fe^r Hein ift unb 9tooilio Reifst «r ift jeboa) nia)t
fcfjiff bar ; nur &0I3 fäbrt man auf bemfelben mit f leinen Warfen
2lu6er biefem giebt es nur 93runnen unb (Sifternen, meiere oon allen
benufet merben.
Sie befugten bann aua) baß &auö eines 2Baffenfd)miebeö, mit
tarnen Antonio SJieffaja43), ber ein reifer 9)Jann ift unb fomoä^renb
**) b. i. SDlifiaglia, über welchen Söenbelin öoe^eim im „3al)rbua) ber
fiinftbifiori)d)fn Sammlungen be« «Uerbödjfteu Äaijer&aufeS", ©b. IX, 8. 391
(„ffierfe mailäubifdjer fflaffenfd)roie&e in ben taifertidjen Sammlungen")
gebanbelt bat. 21u« biejer ©teile erfafcre ia> — im legten fcugenblicfe! —
fcajj unfer SReijebencbt aueb in einer $anbf$rift ber Biblioteca Trivubriana
in SRaÜanb Überliefert ifl. unb jroar, roic id) bann roeiter aud bem „Catalogo"
biefer ^ibliotbef doii ^orro (Biblioteca Storica Italiana, tom. II) pag. 269
entnebme, in einer ÜMiSceflanbaubfdjrift Vit. 161, meldte oerfdjiebene ©tßrfe
saec. XVII, XVIII unb XIX enthält. T>fmnad) unb nad) bem Don ©oeljeira
a. a. O. au« einem (mir uidjt jugäuglirbeii) Äuffay oon (Safari (in ber
„Perseveramsa", 1871, I. unb 3. 9totmnber) mitgeteilten ^affu* barf man
f-^ließen, baß audj ificx nidjt ber «eriajt im Original, fonbern nur in einer
flbfdjrift erbalten ift.
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bie DfMcfjrocia unb Obrritalien au« b«m 3afjrr 14»2
281
oiele Arbeiter ^ölt / bic in feinem $aufe SBaffen ^erftellen mit fe()r
großen Soften. Sein ßaus ift ooll oon 2Baffen aller 2lrt, bie oiele
Saufenbe uon Untaten wert finb. (5r liefert faft jebermann folche
Staffen. $>ann fafjen fie noch ben ^alaft beö &errn 3)torfgrafen
Stanga, eines Der erften in ber Umgebung beS £erjogs. Sein
^palaft ift nid)t üollenbet, rovrb aber einft ju ben Schönheiten 3)toi=
lanbs gehören. Sann fpeiften fie 5U Slbenb.
3lm 21. mürben fie von ben genannten ©belleuten ju Sßferb ab=
geholt unb ritten jur 3)teffe nach *>*m $om, hierauf fpeiften fie.
$ema$ erhielten fie nochmals ben 23efud) jener ©belleute unb bes
oenetianifchen ©efanbten, fticgen $u ^ßferb unb reiften ab. £err
Antonio 2Waria oon S. Seoerino, Diele (Sbelleute unb eine große
3Jcenge — es waren etroa 150 berittene im ganjen — begleiteten
fie mit flingenbem Spiel bis oor bie *<orftäbte SHailanbs, bann
oerabfctnebeten fie fich unb ritten baoon.
Slbenbs gelangten fie nach einem feften $lafc bes £er$og« oon
SKaüanb, namens £rej$o, Jtoanjig teilen oon 2Jtoilanb entfernt,
roofelbft fie in ben Vororten in oerfdneDenen Käufern abfliegen, #ier
ift bie ©renje jtoifchen ben ©ebieten bes &er$ogs unb ber SRepublif
söenebig. £>aS ÄafteU liegt über ber 2tbba, roelche basfelbe faft ganj
umliefet, unb ift fehr ftarf. Ohne Schreiben bes £er$og$ barf
niemanb eintreten."
3lm 22. festen fie mit einer gährte über bie 3lbba unb gelangten
in baö ©ebtet oon Bergamo, bann tarnen fie nach s^onU San ^ietro
bei Bergamo, einem Drt, ber burch eine Steinbrücfe über ben in bie
iHbba fliejjenben iörembo in jwei Xeile geteilt ift.
„3u Wittag langten fie bann in Sergamo an, einer Stabt
mit einem Jöifchof, oon £re$$o jelm teilen entfernt. 6s fam ihnen
ber Sßobeftä entgegen mit Xruppen ju gufe unb 2lrmbruftfchüfcen,
Xrompetem unb XambourS unb begleitete fie bis ju einem £aufe
bes ©rafen £rufarbo, Softors unb Zitters, eines feljr reichen, liebens-
mürbigen $erm, eines ber oornehmften oon Bergamo.
Bergamo liegt gan* auf einem $erg unb ^at eine längliche
©eftalt; es ift ftarf, mit einer 23urg im Innern, bie ganj wie eine
geftung gebaut ift. §ier befinbet fich auch eine ßitabelle mit sDlauern
für (ich, bie fehr fchön ift unb gleichfalls oon einem Kapitän be=
fehligt mirb. $)ie Stabt ift nicht all$u grofe, aber bie Vororte oer^
gröfjern fie um oieles unb jioar namentlich jroei: ber SCorort
S. Seonarbo, ber fehr grofj ift, unb ber Vorort 3. Antonio , bie
rechts (?) oon dauern eingefchl offen finb. $)anu giebt es noch jioei
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282 fttnxx) ©imonafftb, ®in oenftion. föfifeberidjt über §übbeutf$fanb,
anbere flcinere Vororte: ber eine <S. (Saterina, ber anbete <S. Sorenjo
3n bem Vorort S. Seonarbo ift ein Atlofter ber ®omimfanermöncf>e,
bas auf einer &öl)e iüie eine Jyeftung liegt ; bie bem fjeiligen £)ominitus
gemeinte Äirdje ift redjt fdjön. 3m Vorort B. Antonio befinbet ftd)
eine Rtrdje bes tjeiligen 3luguftinuS mit 9)ibnd)en; es ift bie« eben=
falls ein redjt fa^bner Crt. 3n ber Stabt felbft ift eine Äirdjje ber
^eiligen 9Jtarta, ber $om oon mäßiger Scijbnljeit. Qod) befinbet
fid) bafelbft eine fefjr fdjbne Capelle, gan^ oon Marmor, unb aud)
ein feljr pompbfes ©rabmal bes Sartolomeo <£olleoni4*). $ie
Straßen ber Stabt finb mdfjt fetyr rein, aud) giebt es nidjt allju
oiele gefdnnütfte ^Jaläfte, aber bod) einige wenige fdjöne. 3Me
Brunnen geben bas nötige Gaffer, beffen fict) alle bebienen, ba fonft
fein Jluß oorfyanben ift. 25ie Sage ber Stabt ift unausfpred)lid)
fd)bn. 2luf ber einen Seite außerhalb ber Stabt finb bie $3erge,
auf ber anberen erftreeft fid) eine ©bene, foroeit bas Sluge reicht —
ein entjütfenb fdjbner 2tnblitf, fo baß Bergamo als 33ergftabt für
bie oorjüglidrfte gilt.
2lm 23. gingen fie jur 2)ieffe in ben $)om unb bie SHettori
begleiteten fte mit einer großen Saty oon ©belleuten unb Xoftoren.
9lad) Xifd) tarnen ber &err ©raf Srufarbo unb ber ©enetiamfdje
Hauptmann ber Gitabelle nad) ber iBel)aufung ber ®efanbten; alle
äufammen fliegen bann ju ^ferb unb befugten bie 33urg, bie feijr
ftarf unb für bie Stabt oon großer ^idtfigfeit ift. £>ann befugten
fie bie fogen. „Äapelle" außerhalb ber ©tabt, bie auf einem ^oljen
SBerg liegt unb ebenfalls eine ftarfe geftung ift- ift oon Bergamo
etwas weniger als eine 2)tetle entfernt unb ber 2L*eg bat)tn feljr
fd)led)t. Xet ßaftellan geigte alles in juoorfommenber 5Beife; es ift
einer ber ftarfften ^läfee unter ben ©eftfcungen ber .SRepubltf mit
gemauerten (Kraben ringsum unb maffvoen türmen. 25ie Öeute finb
fortroäljrenb oerprooiantiert unb SDJunitton aller 2lrt ift oortjanbeti.
SBenn man ba oben ftel)t, fietjt man, wie fdjön Bergamo oon außen
ift unb in einer nrie l)errlid)en Sage es fid) befinbet
SHefes Äaftell Ijeißt „Eapelle", weil, wie bie 2)ominifanermbnay
behaupten; ber beilige $omimfuS luer moljnte unb in biefem ßlofter
feinen 3lufent)alt tjatte unb nad) feinem Xobe baraus eine Äapeße
bes ^eiligen ^ominifus gemadjt mürbe ; unb obwohl biefelbe jerftört
unb bann biefe !öurg barauf erbaut warb, ift bod) ber frühere 9tome
geblieben unb fie Ijetßt nod) „Capelle".
**) 2>c8 befannten üeiiftianijc&rn SRcitcrgencral*.
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bte OftjAroeij unb Obcritaltfn au« bnn Satfve 1492
283
3n ber Stabt befafyeu fie bann bie (Sitabeöe, bernad) famen fie
ju bem ermähnten Hlofter bes ^eiligen Sominifus, ioo ifynen alles
gezeigt roarb, barunter aud) ein v33ud) in Pergament, gefdjrieben oon
ber &anb bes heiligen Tbomas oon Stquino, roouon man fein 3i>ort
lefen fann, nid)t wegen bes (of>en Hilters, fonbern toeil es eine fetjr
fd)lea)te, fet»r feine Schrift ift. itfiele tjaben es oerfuc^t unb Imben
nichts t)etauöa,ebrad)t. Wan fietjt 2lusftreidmngen unb 3u1a&e m
Wentje, aber man oerfteljt fie nid)t; man glaubt ba^er, bafe es fein
Stonjept fei. Sie trüber galten eö boa) in (S^ren. Sann febrten
bie ©efanbten nad) &aufe $urütf.
3lm 24. gingen fie sur 9)ieffe, roobei au$ bie Wettori amoefeub
maren. 9tod)bem fie bas ganje ßlofter gefetjen fjatten, rourbe itjnen
ber tfopf ber ^eiligen Urfula gezeigt, eine fd)öne Reliquie. Mad)
lifo? mürben fie oom .Uapitän unb oielen ^bedeuten Bergamos,
morunter aud) <perr Trufarbo, fortbegleitet bis jroei teilen außer;
Irnlb ©ergamos. Sann oerabfa)iebeten fie fid) unb reiften weiter.
3ie famen burd) mehrere %*löfce unb au$ burd) ein ÄafteU, namens
"JJelaciol (sJtala$$olo), bas im ©ebiet oon Skescia liegt unb burd)
einen glufc in jmei Seile geteilt wirb, roeldjer Oglio Reifet, jiemlia)
breit ift, aus bem Sago S'3feo fommt unb in bie 2lbba fia) ergie&t.
3lbenbs famen fie nad) einem ^lafc namens (So call ((Soccaglio), oon
Bergamo sroanjig teilen entfernt, 100 fie im ©aftljaus „3nm
Cdnen" übernadjteten.
3lm 25. gelangten fie mittags nad) ^rescia, oon (Socali jioölf
teilen entfernt; jroet teilen oor ber 3tabt famen Urnen ebenfalls
ber NJ>obeftä ju Sßferb unb oiele Softoren oon sBresäa entgegen,
ebenfo #err ^öeroarbm 9Jiartinengo, einer ber angefeljenften Bürger
ber Stabt, mit Sienern unb beuten ju gufj unb begleitete fie ju
iljrem Quartier, bem (^aftlmus „3 um .Urebs". Sann fefcten fie
it)ren sBeg fort über Verona, i^icenja, s^abua unb langten enblid)
mit ©ottes £ilfe roieber in beliebig an."
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öcö sojä^riflen Grießes.
Von Ht^arb mflller.
(@$(ufc.)
I
$)er proteftantifdje ^effüntemus ftef)t in bem gewaltigen Äriege
fogar ben oon Paulus „cor etlid> hebert 3fthr" prophezeiten S3or=
boten be« SBeltenbeS (ogl. SDitf. 9tr. 41). ©in anbermol wirb ba$
große @lenb auf bie ©rbfünbe jurücfgeführt; jeber folle betrauten:
3)itf. 9lr. 33: Sie ber @ünbflu& b* gange ©elte,
«IS fle fein ©ujj tljun roötten,
$at in'« $rrber6en gebracht. —
$)afj man felbft burä) innere Uneinigfeit fehr oiel $u ben Erfolgen
bes Slatt)oliji«mud beitrug, wirb auf proteftantifdjer Seite nicht etn^
gefehen ober roenigftenfi nicht eingeftanben. SSielmehr ftehen fid)
Sut^eraner unb (Saloiniften auch im £iebe manchmal fd^roff gegen=
über, namentlich roenn — roie häufig — ©eiftliche ben ^egafuä
beftcigen. $)er pfeubonnme „Jrieblieb oon £offftabt, Styeo. ©rub."
fingt in ©tr. 18 feine« „Triumphus Suevo-Saxooicus" (&itf.9ßr. 70):
(i* flrctt öor fir (nämlitb bie tfut&eraner) ber ftorfe SRann,
#err 3e^aot^ lem 9fame.
3) er $abfte* unb daloini tfebjr
tfetb't ntdjt be« Wautfnfiänjlein« <5&r
$m fjotjm <Sacb|en Stamme.
$Die auf fädrfif$em Soben entftanbenen fiieber machen fidfc) auch fonft
oft burch fletnlichc ©efinnung unb p^iliftertjaften Eon unangenehm
bemerfbar. 9tor bei ben großen 3$icffatafd)lägen oerfchnrinbet biefer
partifulariftifdje ©egenfafc eine 3eü lflnd » alöbann f ommt bie grenjen;
lofe Erbitterung gegen ben gemeinfamen geinb roieber jum Suöbrua)-
2lm meiften roaren entfchieben bie 3efuiten oerhaßt, ihnen traute man
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9?. SRüHer, lieber btc friflorifaVn Colttlieber be3 aojö&rigen jcriege* 286
ofjne Sebenfen baß &rgfte ju. 3n bcm „fa)ön @efpr&d& fo anriföen
Äarbinal (Slefel, ben 3efun>itern unb &icifem ftatt gehabt" (2>itf.
9tr. 4), tröftet ber 3efuit ben über fein ©a^irffal betrübten Äarbinoi
©lefel: jie würben fdwn alle« roieber in'« redete ©elei« bringen,
benn if>re 2Rittel feien unerfd(jöpflid&:
©tr. 9: öift unb 4)ol$ jum SRorbe,
SDlrineib, Irug unb ?tft,
ftalfte ?ebr unb ©orte.
Unfcr ©erzeug ift;
Damit wirb »ertappet
21D ber große $auf,
Unb ba« Wfid) erbappei,
»So wir fu$en auf.
$a« wirb felbft bem Teufel $u ftarf, fo bog er fic^ in einer ener=
giften Stbfage für i&re ©efcflfd&aft bebanft:
Sucifer.
©tr 11: Si, t^r (Erjbanbiten @tr. 19: $ab nidjttSnnen glauben —
@($le<fcter nod), als fd)led)t, ©ag'« eueb. obne ©pott —
Cudj in fcottenmitten 3)a§ mit tfttgen, fflauben,
2K3d)t id) nid)t ai« Änedjt! 2Ran min) überbot;
©rädjt't mit* felbft um'« 2>o<b, ibr ^efuiten
Sieben, ©cob mir roeit gu ferner,
2>a§ mein tföttenreid) ©id nidjt eud) inmitten -
(Sud? toflrb Ubergeben $alt bod) rca* auf Sbr. -
2)urd» ein SWörberflreid). Kyrie eleison!
Kyrie eleison!
sJ)ian befdmlbigte bie ©efeflfdjaft 3efu audfj olme weitere« ber drgften
fletfdjlidjen ©elüfte; ein feltfamer Vorwurf biefer 2trt wirb ifjnen
bei SDitf. 9ir. 117, 10 gemacht:
©autter (.^efuiten) galten tt aua) mit (namlid) mit ben füfternen
Äapujinern)
galten $uren in ib.rem $abit;
San fte foflten nadenb baben,
©ürb man fedjen ifcren ©djaben.
6« mangelt überhaupt auf beiben Seiten an jebem ©ered&tigfeitöfinn,
felbft 3üge oon roaf)rf)after Sßerrofmng finben fia) nia)t feiten. 2)er
^erfaffer eine« Siebe« über bie böfjmifd&en Unruhen oerf)ef)lt j. 93.
feine greube über ben ^rager ^enfterflur$ feine«roeg«, bodfj fud)t er
biefe %$at roenigften« nodf) $u entfa)ulbigen :
Ditf. 9lr. 1,14: ©old) £l)un b>t jwar fein 8oben,
2>od) 3orn $filt Übel $au6.
$a« f)ält jeboa) ber fcidjter ber „2öaf)rf)aftigen 3eitung unb &t-
fd&id&te" aud) nid&t einmal meljr für nottoenbig. 2ftelmef)r finbet er
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>Hid>arb SDMiüei-
biefe &anblungsioeiie oöllig in ber Orbnung unb fro^orft über Die
angeblich lahmen ärme unb »eine ber $inau«geftür$ten :
3>itf. 9tr. 2. I«: iHauf bie ©täub frifd) jur frlbnt ©tunb
Sold) meineibigr falfdje fcunb,
töedit nad) altem (Sebraudjc,
©ttttftlcn berab Dom Uvagrr ©d)lo&,
flu* Den f^cnfrrrn üon ibrrni ©rmadje.
21: T>ie« »oat nun it>i $errätber*?obn:
$lu*'m ©rabeu tbäten fie aufjlon,
SN« labmen Slrm unD $Mnen.
3um 2Babr$fid)tn fte'« tragen uuu,
3)a& ftc'ä titelt tonnen oernfinen.
$afür entblöbeten fich aber ibrerfeite bie ftatholifen nicht, über Die
3crftÖrung SMagbeburgö in lauten $ubel auszubrechen ober nach bem
£obe ©uftao silbolf$ ber „(Smangelifchen ^üraerfdjaft" in Augsburg
brutal jujurufen:
$itf. 98,22: «Ho ytfl bri§t(«): gieb (9elb tjerau*
Ober mit bir 311m XtfOt \)'u\au$.
derartige fleine 3nge führen uns bie heftige Spannung fttmfdpn
beiben Teilen recht beutlid) oor 91ugcn. ftein Sihmber, bafe ed in
biefen Biebern an eigentlichem £umor mangelt, benn biefer fe$t ein
geioiffes ©rbabenfein über ben Stoff oorauä, roas bamaU nur feiten
ber $all war. ^eitere lipifoben, nufcige iöemerfungen fehlen ja
feineäroegd, aber fie fyaben faft immer einen Anflug oon 33itterfeit,
ber bem eckten ftumor fremb fein follte. Cber ber Junior ftreift
ein roenig an's Unflätige. $ie belagerten oon £ohentroiel rufen
3. b. ben ab$iet)enben Jeinben folgenben IHbfchiebsgrufe ju:
£itf. 111,27: Slttcin. man iljr fommt roieber ber,
SBoüt nod) mebr ©offen reißen,
©0 tbuen ben öerg nit t)\n ber,
SWit ©unfi! fo gar ooU feb
25ie einig Älag nriber eud? id) \)ab,
Äan fonfi nidjt« anber* flagen;
2>ann o$ne bie«, tan id) üor groi|
$ür befte ftreunb end) baben.
3>aö ift gut, aber etroaö berb. ähnlich mirb bad red>t gelungene
Sieb 00m „babft *u Horn" (s& 26), in meinem fich bie „Pfaffen"
beim „$>ater babft" bitterlich über ben Mücfgang ihres 2Bot)lftanDe*
beflagen unb ihn wehmütig um 3lbl)ilfe bitten, gegen ©d)lufo bureb
eine obfcöne Beübung entftellt. —
2lu« ben angeführten groben ift fdjon erftchtlicb , eine wie
reiche gunbgrube biefe lieber für bie ©harafteriftif ber oerfchiebenen
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lieber bie ty|torif4en SoIMlieber be« 30iä^rigcn Äriege« 287
Parteien bilben. sJlber aud) für bie Kenntnis bes ^erbälrmffes bcr
bcibcn Stäube, bie bamals befonbers ^eroortraten , bes 9tätjr= unb
bes SHebrftanbes, erbalten mir intereffante 2tuffd)lüffe. 3n einer NJlrt
von ©enrefcene treten fid) (Xitf. 9Jr. 37) ein £anbsfned)t unb ein
Sauer gegenüber unb »erfechten in heftiger 2i.ied)felrebe bie Sorjüge
bes Kriege« einerfeit«, ber griebeus anbrerfetts. $er £anbsfned)t
freut fi($, bafe er balb mieber bie „pfeifen unb bie Irummen" werbe
„brummen" boren, ber Sauer ^ört lieber „wenn feine Riegel watfer
fingen". SäJjrenb ber 6olbat mit bem Settelfade umherlaufen unb
ftd> mit grünen ftüben unb .Hraut mäften müffe, um am ©übe bod)
erfdboffen $u werben, werbe er, ber Sauer, im &Mrtsbaufe ge*
mädblid) feinen „füblen »in" trinfen. Xer £anbsfned)t weife aber
ftets eine treffenbe Antwort : er werbe fdwn nicbt »erhungern, f olange
nod) Rennen auf bes Sauers &ofe unterliefen unb Äorn in beffen
Scheune läge. Über bie traurige 3eit werbe er fid) mit ber Säuerin
3U tröften wiffen; fäme man itmi aber mit „sU?iftgäten", Xrefcbflegeln
unb Slorngabeln auf ben £als, bann werbe er einfad) bem „©ütlein"
ben roten <ealm auf's Xad) fefcen. Xa ift ber Sauer gefdjlagen;
täme es fo, bann werbe er lieber felbft ein £aubsfned)t:
lö: Unb roenn id) bab fein ©elb nod) Out,
@o $eudj (idj) in baS ftelb
3um 2Ran«felber, bem frühen «Int,
$er friegt aU Xag. Öelb, jc.
$5as gefaßt bem ©olbaten wobl:
17: ©o redjt, mein Vxtbti Säuerlein!
<£« t^ut birroeil rein gut
©i* baß all ©auern i*anb«tnea)t fein;
£c#gleicben au$ mit 9Hutt)
Die ©ettler roerbrn Qbelleut
SÖorauf ber anbere mit wabrem Öalgenbumor erwibert:
18: %\\o (jat biefe« ?ieb ein Snb
3e$unb ibjr (ieben feut.
Unb nenn geboren roirb fein Ä in b ,
2)a roirb e* gute 3fit-
©enn man nidjt« mebr um'« OMb tfcut taufen,
©o wollen roir bi8 Weunen f^lafen.
duftig.
Äann es für bas ganje ßlenb jener Seit etwas (ifmrafteriftiicneres
geben als biefe Bezweifelte i'uftigfeit bes armen Säuerleins!
3lus bem^abre 1628 ftammt ein biefem febr äbnlia)er Dialog:
„loter Ulmenses vnnd einquarttirten Militemu. 3lud) t)icr äiel)t ber
3it)iüft ben Kürzeren, ber 3olbat giebt iljm, bem alten „©rotoatter",
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288 Wi#arb SWilHer
ben tromfdjen SHatfduug, ein „alt's Troftpfälmlein abpnagen" unb
oerabfdnebet fid) oon ifmt mit ben Sorten:
28: ÜJ'mad) an, (Srotoatter! la'uty in« SNflnjter!
Sin gute 9iad>t, ba* ©Ölfletn ifi ftiifler. —
siluffaUenb ift eä, mit ioeld)er Älarbeit baö iöolfalieb oielfad) bie
Urfadjen erfennt, meiere ju bem uuljeiluollen «Streite geführt ^aben
unb tote fdjarf e$ bie b,anbelnben sJ*erfonen burebfebaut. Opel unb
(Solm machen mefjrfad) barouf aufmerffam, fo namentlich in ber
2lumerhmg $u 9ir. 77, in meinem „in furjen prägnanten 2Ui$-
fprüdjen" bie „politifdje unb religtöfe Stellung Ijeroorragenber ^Jer^
fönlid)feiten" jufammengefaftt merbe. 3lHe ©rofjen ber haben
fid) t)ier $u bem „Mamobifd) ^irfetfpiel" oereinigt unb entbüflen
uns nun itjre Spielregeln.
Ttx Äaifer beginnt:
3$ roiU bie (Sparta mifd)en, mir einen Äbnig geben unb barouf battrn.
Sönig in Jranfreid?:
34 fyabe auf Sllle« gehalten unb babe fdjon ciel erhalten, t)oftt et
flllel )u erbalten.
Äöntg in $ifpanien:
SBenn idj ncd) einen Üönig bätte, io tonnte tdj ein ffiepide «eben.
Äbuigrei4 ©flroeben:
Söenn i4 uidjt meinen Jtöntg üerroorfen l)ätlc, wollte i4 ba* ©piet
gewonnen baben.
•flapft in fflom:
34 mag fo gerne Änbere jebn fpielen unb oiel lieber, at* wenn id)
felbft mit fpielte.
$ottänber:
Sir fpielen, unb anbere miiffen für uu« auffegen u f. ro.
sJiod) gröfeere politifay (Sinjidjt oerrät bao traftatä^nüdje
bilbe „Nova nova antitjua conti nuationis ber neuen 3^itungen oon
unterfcbiebliajen Orten" (Opel unb Gobn 9tr. 83), über beffen tymox-
ragenbe 33ebeutung fieb bie ,§eraudgeber in ber 3lnmerrung (S. 476)
auofüfjrlid) oerbreiten, $er ^erfaffer ber feltfamen 2lbbanblung
gtebt namltd) in gorm oon Sentenzen, ioeld)e unter furje Über-
fünften roie $. „2lue ber 2Belt", „N3luö ber .Hirzen'', „2tuo
Deutfdjlanb", „Sluö 33öbmeu" u. f. 10. gruppiert ftnb, bie treffenbften
Semerfungen über bie oerfdnebenften fokalen 3uf*änbe unb
ftiturionen ber bamaligen 3ett. sMt 5icd)t bemerft Opel S. 477:
„Die einzelnen Äurjreben unter ben ttberfa^riften: oom ©of aud,
00m ßanb, au« bem ©eriebt, aus ber Unioerfttät, oon ba^eim fjer,
tönnen gerabeju als (tberfd^riften über eben fo Diele hiltur^iftoriiaV
Äapitel gelten, fo furj unb prägnant finb fie."
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lieber Vu biftorifdjen $olf«lteber ber 30jäbjigen ÄriegeS 289
SRanche biefcr 2lusfprüchc fchetnen nicht aus bem 17., fonbem
aus bem 18. 3al)rf)unbert $u ftammcn. 2Her wirb $. 93. burd) bie
^Jemerfung : „bat* oiel Religionen, aber roenig (Gottesfurcht unb £ieb
bes 9töd)[ten untern beuten [et", nicht an Schillers aHerbings geiftooller
pointiertes £iftid)on erinnert! ©laubt man nicht einen ganj 3)tobernen
$u hören, wenn ber unbefaunte Slutor biefes Xraftats, — hinter
welchem Cpel S. 485 ben Strafeburger ©ottfrieb £ad)tler oer-
mutet — ben iMusfpruch tt)ut : „bafe ben ju oiel (Sioilifierten jeber^
weil ein Heiner Öarbarismus, unb ben ju oiel Schamhaften eine fletne
Smpubenj nüfcer märe !" ^nbeffen nötigt uns gerabe biefer Umftanb,
oon einem genaueren @ingef)en auf biefeö für bie ^itteraturgefchichte
höd)ft roertooÜe $)ofument tUbftanb ju nehmen. $enn mir oernehmen
hier bie Stimme eines hochbegabten Einzelnen, ber feiner $ett meit
oorausgeeilt ift , — nicht aber ben breiten Stccorb ber öffentlichen
Meinung, auf ben co uns oornehmlid) anfommt. §ür biefen Qmed
erfcheint j. 93. ber prächtige Dialog „jioifchen St. s$etro onb (Sarolo
Üftagno im Gimmel ober bie ifcigen 3eiTtaufftc anni (Si^rifti 1631"
($ttf. s)lx. 90) bienlicher. greilid) ift tycx oon einer objeftioen siluf-
faffung feine iHebe mehr, oielmehr tritt ber s^arteiftanbpunft — ber
proteftantifche — ftarf tyxv or, allein gerabe bas fem^eidmete ja bas
bamalige oolfstümliche Senfen, bas fid) ohne ^ermittelungsoerfuche
in einer ber beiben feinblichen Seltanfdjauungen bemegte. $arl b. ©r.
fragt St. $eter nach ber Urfache ber herrfchenben Unorbnung. Schon
biefe Einleitung ift oon fcharfer ßbarafteriftif : ein gewaltiger ©reis
mit ungebrochener £errfd)erfraft fleht in Entlüftung oor uns unb
Sarolu« SWagnu«
1. 81$ jüngjl gur (Jrben fdjan barniebrr
fluf mein fo liebe« beutfcfje« tfanb,
©inet faft ein ©djred burd? alle ©lieber,
Dieroeil fid) 9UT« fo umgeroanb't.
fßo id) flreng Orbinanj get/alten,
©ef<H} unb flfcedjt fte fjab gelehrt,
<Erfar>e arge ffiiDfiir fdjalten,
Unb ?anb unb Peut oerftört, üerbeert.
2. Sie bat fid) ©oldjS nur mögen fügen,
Sa« ift bie Urfad) bann baju,
Dafc unten mufs ju oberft liegen,
Unb oben niebertriit ber ©djnb?
#ör, s#etre, föunteft bu'S erflären —
Qfrfäbrft ja täglich oon Der 6rb —
«So bitte runb e$ ,}it gerodt/ren,
35ie @ad) rrfdjrint ber 9tcbe toertl).
Seitfdmft für Jhilrutgefdiiitte. II. 19
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m&axb SRüÜer
i
St. Petrus, im ©egenfafc ju bem ftürmifd&en Marl milbe unb frcunö^
iid), erteilt bereirrotUigft Sludfunft:
3. $a leiber finb es anber feiten,
Äl« ba bu führten Regiment!
®ar Ärge* fie bo brunt beretten,
Unb nimmt be« Übels nodj fein (Jnb.
3t>t bfi&t'* einanber tobt ju ftrjlaqfn
Hu* tfiebe $ur SRetigion;
©o rotO ben $imme( man erjagen,
Ob «Rädjftenlieb aud) meit baoon.
4. 3fr aber alle* ©tant unb fünfte,
Weligion get)t nebenbei,
auf ©eltberrfdjaft gebt all ©efpunfle . .. .
@r flagt bann bie ©eiftlidjfeit, bie „Jllerifei" unb feinen „9iad>folger",
ben Spapft, an, biefes ßlenb über ßarls „fjeilig beutfdjeö Üanb" ge=
bracht ju fjaben. ©rimmig fätjrt biefer empor:
ld. 2>a mödjt bocr) gleid) ber ©life breinf$(agen !
£ebt benn fein ftaifer met)r im Weid),
2)ie Xeufeteroirtbfdjaft ju »erjagen,
Unb roieber alle« machen gleidj?
$ie nun folgenbe (Sfjarafteriftif jerbinanbö ift, ba fie uns aud)
fonft begegnet, für ba$ itolfölieb tupifd). s$etruö entgegnet nämlid):
(Sin ftaifer? <JH roie tannft bu benteu,
$>ajj ber bie töotb abfteöen mödjt,
2) er (önnte m o t> ( bte $11 gel lenfen,
3fi aber b ä bfl f i ftammer t nedjt.
12. £but nur roa* $efuiter roöUen,
Unb ift in berer $anb ein ©piel,
2Neint fid) ben $tmmrl ftdjer fleüen,
Senn ibren fflünfdjen wotgefiel,
15. 3ffrci§ft aIt oerbriefte Siebte
3Rtt eigner $anb, roirft fte mit ftotb,
StxiTb ftfleft gern öerberben möd)tf,
Sa« iefuttifd) 9Wad)t bebrobt
Sin 3rrer, ber fein dingeroeibe
3erroiit)let fid) mit eigner #anb,
$tnfd>lad)tet feine ftreunb als ftfinbe:
«Ifo ift ftaifer gerbtnanb.
Xie Xenbeus, ben ftatfer $u entlaften, ilm nur ald ein SBerfjeug
frember ©eroalten f)injufteUen, ift unoerfcnnbar unb erfdjeint um fo
auffalienber, als ba$ ©ebidjt aud bem 3«f)re 1631 ftammt, alfo aus
einer $eit, roo ber ftaifer ber proteftantifa)en 3ad)e bod> bereits fo
oielen Sdwben .lUgefügt f)atte, bajs man fid) rounbem mujj, roie ftdj
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lieber Die t>iflorif*en *Jolf«lieber be* 80jäbrigen Äriege« 291
bamals nod) Sßroteftanten alo feine „greunbe" bejetdmen fonuteu.
3(ud) in bem fd)on ermähnten (Sefpradie jioifcben £iu*n unb 3Wagbe=
bürg (3Mtf. 9Jr. 60), baö aus bem 3af)re 1632 ftammt, wirb ber
„löflid) ftaifer, bat ebel frame »loet" (Str. 41) entf dmlbigt ; er fei
nur nid&t oon ben Sdmnbtlwten £illns unb ber ^efuiteu gehörig
unterrid&tet, roenn er aber erroacbe, bann werbe es anbers geben:
©tr. 32: 3(f fegg: roerb &e uproafen
iöeb. rceb, juro ^apenfnedu!
Seebarben ftnb aQ iura @afen,
©erb b.er '* berietet red>t!
3hi berfelbeu Stelle wirb $roifd)en ben 3ntereffen bes Äaifers unb
ber jefuitifdien £iga fdjarf uuterfdjieben ; ja man fpielt i^n gerabeju
gegen bie £iga aus, als ob er eigentlia) auf Seiten ber ^ßroteftanten
ftünbe ober i^nen $um minbeften nid)t feinblid) geftnnt fei! So
appelliert aud) in sJir. 62, 17 ff. (bei Xitf.) ÜNagbeburg bem ftürmenben
Xxüx) gegenüber an „ifjren Äaifer", meiner fie „red)t n>ot)l fenne",
ba fie tym ju „jeber grift trato pareret" tjabe, er merbe fie fdmfeen,
benn fein fei bas „fcöff im Mefe" (§eft im Neta». 2lud) in bem
bramatifdjen £iebe oon ber Sd)lad)t bei £eip$tg ($itf. Mr. 86) mirb
ber ßaifer ftets oon feinen jefuitifdjen Ratgebern in einer 2lrt unb
SBeife $u feinen (£ntfd)lüffcn gebrängt, bie tyn faft roiflenlos unb
jebenfatts uumännlid) erfdjeinen lägt, fönmal fdjeiut er fid) beffen
fogar beroufjt ju roerben, benn er bemerft ärgerlid):
Str. 17: SWein SRätb cunetieren lange,
3ft ttjnen g'roifj and) bange,
Äein Pater tomtm je&t tyt.
Söenn'S fällt, t&ut man an«Meiben,
8or tbat man mid; antreiben,
3'roerben ber SBelt ein $eer.
Ü&ie ift es ju erflären, bafe baö 2*olf$licb, meines mir fo fjäufig als
fcbarfblitfenb erfannten, ()ier fo fd)ief urteilt unb namentlid), bafe bie
«Proteftanten einer für fie fo bebrotjliajen «ßerfon gegenüber $ur 3d)ön--
färberei neigen V Ober follte man annebmen bürfen, ba& baö $olf
trofc bes entgegengefefcten Scheines bie geheime llnfelbftänbigfeit
gerbinanbs burd)fd)aut babe, oon toeldjer Öinbelv) bemerft, bafe fie
tym erft nod) längerem $orfd)en aufgegangen fei V &ielleid>t liegt
bod) bie Vermutung näljer, bafc mir es t)icr mit ben legten heften
ber unmillfürlidien ^erebrung bes ftaifertums $u ttjun fjaben, roeldje
trofc aller ©egnerfdmft immer mieber ju Tage fam. @S muftte bem
$olfe unfaßbar erfdbeinen, fid) in einem mirflieben, unoerföbnbaren
Öegeufa^e $u ber oberfteu (bemalt ju befinben, bie immer noa) als
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292
9tid)arb JRütlcr
bie Quelle allen SHedjteö angelegen rourbe. Xtfyaib appellierte man
immer mteber uon bem fehlest unterrichteten an ben beffer $u unter
richtenben Äaifer, ein 23eroei$ bafür, ba&, wenn man in Söien ei«-
lenfen roollte, ber 5lrieg jeberjeit ^ätte beigelegt werben fönnen.
Mein roie bie 3)inge fich nun einmal $ufpifcten, mar es nicht ,u
oermunbem, bafc bie faiferliche 3bw im $toltöberouf}ifein immer mehr
oerblafjte, unb bafe man fchliefjlid) einem 2lu$länber bicjenigen Snm-
pattjiecn entgegenbrachte, beren ber .ttaifer nicht mürbig erfdnenen mar.
$)iefe Beübung tritt aud) in unferem Dialoge ^eroor. 2luf
flarlö b. @r. Älage:
16. ©ei Sbrifli SÖnnben! 2>at>in fommen
3f! e« mit meiner Äoiferfron,
$>ajj fte jum $errn ft$ angenommen
2>em i<b gefdfenft fein ^atrimon?
roeift ^etrus auf ©uftat) 2lbolf alo ben Detter bin. $>a$u tagt „(Sarolus
2)fagnus" fein „2lmen" unb fd)lie?jt ben ald Äunftmerf mie alö
fulturgef(f)ia)tlic^eö SDenfmal gleich hoch baftebenben Dialog mit ber
bumoriftifch-grimmigen $emerfung :
20. !ßetre, ba« fann rool aber faa,en:
fBann normal* brunt auf (Erben mär,
Webt »abfl nod) ©äbfUein bttrft bafl roaa.cn,
Ääm i&m gar Übel in bie Ouer!
3Wan mar fiel) alfo recr)t mot)l bes fdwtählichen 9tiebergange$ ber
beutfehen Nation bemufet unb flaute febnfüa)tig in bie 3c^ew feer
alten ßaiferherrlichfeit jurütf.
$)ie Stellung, meldte ber ©egner beö ftatfero, ber trieloerfpottcte
„SBtnterf önig", im $>olfoliebe einnimmt, bat SBolfan in feinem
bereits citierten, fefjr lefenswerten Mffafce eingehenb gefdnlbert. 'Jlud)
bem 9öinter(önige gegenüber ift man geneigt, ©ntfdmlbigungdgrünbe
gelten ju laffen, namentlich mirb oft hervorgehoben, bafj er von
feiner ehrgeizigen ©emafylin uerfütjrt morbeu fei (SBolfan, ©. 405).
Mein eö mitt bod) f feinen , alö ob hier otelf ad) Sronie mit unter-
läuft. 3cbenfaHö entlaftete man itm auö gan$ anberen SWotioen alo
ben ftaifer: griebrieb mürbe entfdmlbigt, meil er jung, unerfahren,
leichtfinnig märe, Jerbtnanb, weil er itaifer mar, unb ein flaifer
boch unmöglich baä Unrechte thun fönne.
©anj anbers als biefen beiben ftellt fich baö SBolfslieb ben
übrigen Reiben beö Atoeges gegenüber. 2>iefe roerben burdjauö für
ooü angefehen unb im ganzen Umfange für ihre Saaten oerantmortlid)
gemacht
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Uebfr Die fjtfiorifdjfn ^oir#Iteber be« 30jäbrigen «riegr* 293
Dafc Di Iii) ebenfalls an otelen Stellen alö „$faffenfned)t"
aufgefaßt wirb, bafr einmal, als nach ber Schlacht oon Leipjig feine
J^atfraft erlahmt, ber ^Japft ifm $u neuer (Energie anjuftadjeln t>er;
fud)t (Ditf. 9ir. 91), bafc er alö ber getreuefte, fanatifdjfte Diener
ber Liga erfcheint, wiberfpridjt bem Obengefagten feineöwegö. Denn
ftetö wirb er alö ein .Hatt>olif bargeftellt, ber biefe ftonfeffion beö=
halb befenne, weil fie feinem Denfen oöllig entfpreche, ber fte alfo
auö innerer Überzeugung unb Snitiarioe für wahr t)alte, nict>t weil
man fie ihm — roie bem Slatfer — burd) Überrebungöfünfte auf*
gefchroafct Imbe. Xiüx) oerliert alfo niemalö feine geiftige Selbfc
ftänbigfeit unb gilt bem ^olföliebe oöllig alö ber Später feiner ^aten.
Den ^efuiten mürbe er an Soöheit unb Sätjigfeit ju fdjaben gleich
gefefet; ja, er follte, mie mir fd)on ermahnten, felbft ein ©ertappter
©etftlicher fein. Vielleicht mag DMnö befannte SRäfeigfeit unb tfeufd)-'
tjeit baju beigetragen ^aben, biefe ^Meinung ju beftärfen. Die oolle
Schale beö 3oruö mürbe oon proteftantifcher Seite nad) ber 3**-'
ftörung 3)togbeburgö über ifm. ausgegoffen, feine ©raufamfeit märe
jd)on immer Derjenigen eineö 9iero, (Saltgula unb „du« d'Alba"
gleich gewefen, jefct aber tyabe er alle« übertroffen, benn er, ber oer^
rudite „9ionneubruber", habe bie „ebelfte Jungfrau" gefd)änbet (Ditf.
S. 329). Demgegenüber ftetjen bie Lobeserhebungen, welche Dtllp
oon ben flatlwlifen juteil mürben, bod) mufj man geftehen, ba& ber
Dabei baö Lob an Sflaffentjaftigfeit meit übermiegt. Üßie ungleich
lebhafter roirb & in gan$ entfprechenbem galle ©uftao silbolf oon
feiner Partei erhoben! Dtefeö s)Jftnbermaft beö (£ntf)ufiaömuö er:
flärt fid) einmal burd) bie Spaltung ber 5latf)olifen in ftaifcrlidje
unb Ligiften, bie fid) ja ftetö etmaö rinalifierenb gegenüberftanben,
anbrerfeitö auch burd) Die etwas in fid) geführte, refernierte sJiatur
liünö. (£r mar oorfid)tig, perftanbeofübl unb bafjer nid)t fet)r ge=
eignet, alö ©egenftanb begeifterter Oontionen 511 bienen; benn ber
^olföentbufiaomuö oerlangt für gewöhnlich, ein gewiffeö <£ntgegen=
fommen oonfeiten beö Gefeierten. iBie ganj anberö noch ^ Wollte
märe „s£iipa SBrangel" im Volfoliebe erhoben worben, menn er beffen
Xhaten aufjumeifen hätte.
Lift unb ^erfchlagenhett erfcheinen in unferen Liebem alö Diünö
hercorftechenbfte ßigenfchaften. $L*enn man 2i>attenftein mit einer
ungeftümen SLUlbfau, ©uftao Slbolf mit einem Löwen oerglich, fo
hiefe DiHu „ber gudjö". 9Iuf einem 5lupferftid)e im germanischen
SWufeum (cf. Ditf. Dir. 91) fiefjt man ihn, biefer Sluffaffung enfc
fprechenb, auf einem &afen reitenb unb mit einem gud)öfeUe befleibet.
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294
<£r war Übrigend eine fc^r oolf8tümlid>e gigur, wenn er audj bie
haften nid)t pm Gnttjufiaömuö binjureifjen raupte. 3(nn gegenüber
— mie früher, aber oiel feltener beim 2Öintertonig — fdjlägt man
am etjeften einen wirflictjen, oon ©itterfeit ntct)t all$u getrübten ed)t
bumoriftifdjen £on an, nne mir it)ii bann in nnferen fpäteren
$olf«liebem fo 00U erflingen fjören. 3)ad gefdjietjt namentlich nad)
ber 8d)lad)t bei Seipjig; fet^r erflärltd), meil man bamals biefen
Wann juin erftenmale ot)ne 33eforgnis betrauten fonnte. 2)amaU
jubelte man, jefct fei bod) enblid) einmal bem „Monsieur* — roie
Xillu oft Reifet — bie „platte gefroren" morben (£itf. 9tr. 68, 1 )
unb ein Trompeter mürbe auögefdndt, melier nad)fel)en foQte, in
„ma$ Söinfel ber £iUu fliegt" (£>itf. 9fr. 78). Diefer öote reitet
im ganjen beutfdjen iianbe umfjer, otme ben ©efuebten anjutreffen;
enblidj aber rufen ibm Die ©eifter au« ber £ölle $u, bafe „ber
£togel" bier fei unb mit ©öfe unb ^appenfjeim nun emiglid) braten
müffe.
Sltlein bie beitere 9luffaffung überroiegt; man fprad) oon bem
„alten ©renfe" ($itf. Sir. 76), bem baö „fieipjiger (Sonfect" fo
fd)led)t befommen fei unb ber auf ber gluckt „fein ©eftiefel" balb
oerloren t)abc, jroar mit unterbotener Sdjabenfreube, aber bennod)
mit einer gemiffen ©utmütigfeit , bie etwa an bie Sefwnblungöart
erinnert, meiere bem „9topolium" im preufnfdjen Ütolffiliebe $uteil
mürbe, ©an* in biefem ©eifte mürbe $. bie Scene jmifeben
„bem armen lilhjlein" 74) unb bem „langen $eter" ausgemalt.
2ludj oon feinen eigenen eolbaten mürbe er manchmal mit
einem leifen Anflug oon &umor betrad)tet, gans anbers alo ©atten--
ftein ober ©uftao 2lbolf, roeldje beibe im Senmfetfein ber Solbateäfa
ftets nur bie großen erbabenen gelbberreu roaren. £ißn entbehrte
oiefes 9lnfet)ens natürlich aud) itidjt ; Imnbertmal beißt er „ber &elb",
ber „treuer mertfje SHitterömann" u. f. m., aber baneben bod) mieber
„ber ^llte" ober gar — mie ilm ©uftao 9(bolf getauft bnben foÜ —
Der „alte Gorporal", — ©ejeicbnuugen , bie au äbnlidje fctyerjbafte
Beinamen ber mobernen ^eit, an ben „alten grifc", ben „petit
corporalu ober „^ater iBlüd)er" erinnern.
35aö ift fulturgefd)icbtlidj intereffant, benn $um erftenmale fiebt
man tyiex, mie fid) neben ber ftarren (£ljrfurd)t einem CberbefefuV
Ijaber gegenüber eine ganj anberöartige ßmpftnbung spiafc maa)t
grüber mar baö 3nbioibuum fyintex ber 5)Iad)tftellung , bie e$ be*
fleibete, jurüdgetreten ; in XiUn aber falj man neben bem gelbtyerrn
aud) ben 9Renfd)en. Unb eben meil biefer 3JJenfd) aud) mit gemiffen
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Ueber bie btflorifüVn ©olf«lieber be« 30 jährigen Äriege« 2i»6
f leinen 3Rängeln unb ©ebredjen behaftet war, fo gab ba« 2*er=
anlaffung $u einer ljumoriftifdjen 2luffaffung. hierin liegt ein be?
beutung«ooUer Stritt von ber älteren hjpifa^en Sluffaffung eine«
gelbfjerrn al« eine« £ero« jur mobemen inbioibualiftifa^en 2te
tra<btung«ioetfe.
Merbing« tritt und biefe unoeränberte 2lnfd)auung ber Sperföm
lidtfeit aud) bei ©uftao 9lbolf unb SBallenftein entgegen; allein, ba
itpre Naturen roenig $umoriftifd>e« barboten, fonbern in ber £t>at
einen ftarf ^eroifa>en ©runbjug Ratten, fo ift ber Äontraft gegen bie
ältere Sefwnblung ber 3elbt>erren in ben oolf«tümlia)en Siebern bei
weitem nidfjt fo ftarf.
©uftao 2t b o lf namentlto) toirb oom iüolfdltebe oft gerabeju
n>ie ein $ero« ber)artbelt : man erwartete alle« oon ü)m, benn er
fönne ja alle« oollbringen. ©eine ^Jerfon oerfdjioanb in ben 2lugen
ber ^roteftanten hinter feiner oermemtlid)en ^tiffion. (£r fei bie
§anb ©otte«, ioeld)e ben päpftlicben 2\}xo\\ umftofeen werbe, ber „£eu
oon SRitternaajt", ber „^^aru« be« ©lauben«", ber „©ibeon", man
möge alfo nidjt oerjagen!
«r ift ber bo$erf>obne $elb,
Wadj (ÖotteS roeijen SBiOcn
S3on (Sroigfeit barju erroäblt,
Den «nttirift ju füllen
oerfünbet einer biefer länger, ber fia) fdf)lie&lid) ju bem bod) etroa«
bebenflidben 2öunfd)e oerfteigt:
bafj balb ©djroebifo} gemalt
3n EeutfcfManb mög floriren. Smen! (2)itf. 9lr. 82.)
tiefer politifdjen Sltnbbeit ber ^roteftanten tritt baß fatbolifebe
Sieb mit ber 93ebauptung gegenüber, ©uftao 3lbolf fyabe nacb ber
flaiferroürbe geftrebt, aber e« fei ibm gegangen wie feinem „Hov-
läufer", bem ©intertönig. Sie biefer, fo gleite aud) er
<Rr. 10«, 9: bem $unb
55er über'n Steg ift gongen,
Irug ein Btüd ftletfd) in feinem ©a)lunb
2öoflt na$ bem anbern langen.
$ie fd)ioebifa)e Krone babe er befeffen, aber al« er nad) ber flaifer=
frone gelangt, ba griff er
in'« ffioffer naa) bem Sa)ein,
^njroiftben lieg er fallen ba« ©ein,
$at alfo fein« empfangen.
2Bo feien benn nun bie ^ropbejeibungen be« „^Jrognofticanten £alb=
mair" geblieben, roo fei ber ftarfe Seu, ber angeblid) im 3abre
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fflidparb aRUHer
1633 bie .Ülerifei aus Mom uer jagen unb Ätatfer werben foHte, fragt
ein fer)v gutes 9lugsburger „^asquill". 2)iefer $olm mufjte bamals
übenualtigenb wirfen, beim bie ^roteftanten waren oon ber 3)ltffion
ityres gelben fo feft überzeugt, baß fie — fo fcfjeint es wenigftens —
teilwetfe im elften Moment an feinen Tob nidjt glauben tonnten
ober wollten Tljatfädilicf) wirb in einer aus proteftanttfcber geber
ftammenben 23efd)reibung ber Sd)lad)t bei £ufeen ber Tob bes Äönigs
nid)t nur ntdjt erwälmt, fonbem es wirb ibm fogar ©lud für bie
Hufunft gewünfdjt:
Eitf. Wr. 101,23: ?ob, ßbr, *Jkci« unb Eanf fei) uuferm ®ott,
5)a6 Da- 3br Äönigltdjen SWajrflat
Äbcrmal <2>ieg bat gegeben !
öott rooüe u od) lang nad) feinem fBiU'n
£egnrn fein £b"n unb Peben. —
Ober follte man heraus fdjliefwi bürfen, bafe fein Tob bem Sänger
eiit einige Tage nach ber Sdjladit befannt würbe V
iHls man fid) ber traurigen 3i>af)rbeit ganj bewufti würbe, ba
fang man fein fceib in bat vielen „tflageliebern", in benen ber oer-
ftorbene &elb gerabe^u oergöttert würbe. 95?te Samfon fei er ge-
ftorben, .mfammen mit „ feineu Serben alle", Reifet es bei £itfurtl)
s)k. 102, 9. 2ln anberer Stelle wirb er mit (Sljriftus r»erglid)en, für
ben er jefet fein Slut uergoffen tjabe, wie jener einft für itm:
Wr. 102, 13: Sin Äöuig fitr Den aiiDtni
^rrgi'iigt fein tl)euir$ ©Int;
2)er Stoma, aud @d)ti>eben(anbe
■So ttjut mit frifdjem SRutfj;
sIiMr (?) (Sljrifti ©lut oevgoffen,
(Jr genoffen,
■Älfo er roiebrum tbnt.
T)ie (*rbe fei „gebenebeiet, wo nur ein Tröpflein" jeines Blutes fiel,
bie Sonne traure wie bamals, als „$efuo mr 9fonc" ftarb. — 3n
biefem oerflärenben ©lai^e entfdjwinbet uns ber Sd)mebenföuig,
unb ba uns aud) bas fatt)olifd)e Vieb feinerlei inbioibuelle 3üge auf:
bewahrt bat, fo ift feine Stellung im Ütolfsliebe nidit bie einer
^Serf önlidtfeit , fonbern mehr bie eines Sumbols, unter welchem bie
tfaujolifen alles 23öfe, bie ^roteftanten alles ©ute begriffen. 3ebenfaüs
bat niemanb bei ben Sedieren jemals fo uiel — sit venia verbo —
Ärebit befeffen wie bieier Wann, unb man wirb bei ber fieftüre ber
auf itjn bezüglichen lieber baß ©efübl nidrt los, als t)ätte er
bei längerem £eben biefen AUebit mit 9iotwenbigfeit mifjbraucjben
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lieber bie Morifdjen Solttlieber be« 80iä&rigen Äriege*
muffen. $>enn roie feiten fjat jemanb berartigen Vertorfungen roiber*
ftanben.
3m ©egenfafe $u &n)tax> Slbolf ftetjt ä&aUenftein im VolfSliebc
mit ben fdwrfften inbiuibuellen 3u9en wnb jtuar beeft fid) ba$
oon biefem feltfamen Planne entworfene £ttlb im iuefentlid)en mit
ben iKefultateu ber tnftorifdjen $orfdmng.
Seine geroaltige sJiatur wirb aud) auf feinblidjer Seite rotUig
anerfannt; ein „grofjed 2öalbtt)ier" (Sirf. 40, 7) nennt ifm mit
parobi|"tifd)er 2lnfpielung auf feinen Tanten ein proteftantifdjer £)id)ter.
3Jian fennt baö ungezügelte Streben btefer „l)ifcgen Stime" (2). 46,4),
man roeife, baft er naa) einer Krone ringt, bafj er fid) gierig bawad)
fefmt, „ein &err $u fenn üb'r ©rb unb sDteer" {X. 43, 5). 3U:
meilen mamt man ilm in Weiterer gorm:
D. 43,6: ?Ber aflju febnefl fieigt über fid),
£>er fällt gewiß balb unter fid),
Öleid) roie ein (Jierludjen,
25er roirb gebaden alfo balb,
(SJrfrrffen aud), eb er roirb tatt.
Sein ungemeffener Stol$ wirb gern ins Vaajerlidje gebogen, roieber
Ijolt neeft man ilm mit feinem berühmten Slusfprud), oafe er Strak
funb erobern wolle, unb „wenn fie fdjon am Gimmel f)od) mit Stetten
gebunben märe" (35. 43, <♦)• @in anberer $>id)ter beutet einmal oer^
rounbert auf SMenfteino niebere &erfunft unb meint:
D. 46,8: (S« roär Diel beff'r, SaOftein b.ätt {Hub
ftiir Ärieg unb ftrieg£befd)roerben ;
3n feiner (Sbrouif «nan ftnbeu tb,ut,
2>a& er ffp g'ialbt Dom #erren.
(Sar eigentlich Sie id) beridjt,
3ft er fein Äönig erforen,
3a weniger, Unb nod) oieltnebr,
SRöm'fcb dürften ^obu geboren.
25ann fügt er noa) einen red)t pbüifterbaften 9iatfa)lag unb bie
SNafmung tjiti3U :
$itf. 46,9: SRedn war'* er ließe Äönig feun,
£em ®ott bie (Jb,r bot geben,
Unb tbät in ©öb.men rool babeim
SHedjt als ein (Sbelmanu leben.
25er alte Xropf 3n feinem .Hopf
(Einen letztem bat fottt fefoen;
Tit Äron ifl fdjroer, 2Jtod)t if>n ju febr
I>rücfen unb ^art oerle^en.
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9lt<$arb SHtiÜer
©injelne perfönluf>e Sdnoädjen geben roillfommenen Slnlafe ,utm Spott:
$u fannfl ben (Söder ntt frören frören,
Unb roiüft ber Nürnberger ©tobt »erfiören?
®cl>, lag bitf geigen bnin! (35. 100, 1.)
rufen tym bie Nürnberger über ben ©raben 3U. — Selbfroerftänblia)
erflingen manchmal ganj anbere X5ne: S)eutfd)lanb, — Reifet eß
einmal — ^abe rool)l erfahren, ba§:
35. 43, 16: Sin (Sujon, bor jum dürften wirb,
Unb SKadjt befommt, febj id»arfe febiert,
©Ott roerbe aber balb bie „eiferne 9iutf)" in bie „höllfdje ©tut''
werfen. $)af$ man trofe biefeß &affe3 Söaflenftein« öebeuhmg nia)t
ungerecht oerfleinerte, fonbem ftd) ftetö feiner ©rö&e beroufct blieb,
geigen bie auf feinen £ob bezüglichen ©ebidjte. $)ie oon $)ttfurtt)
unter 9fr. 108 unb 109 abgebrueften ©eifpiele finb foroofn* als
Ehrungen roie als 2)enfmäler oolfotümlicber Ütafdwuung ungemein
bemerfensroert
3n beiben roirb bie Sdmlb ber (Srmorbung auf ben ßaifer ge-
fdroben, weil SBallenftein ifnn „oiel 5U ^oa)" geftiegen fei unb ed
mit ben Schweben gehalten f)abe. 3war tym mit Mtfyt ber
„iBerrdterlobn" geworben, aber bad müffe man gefteljen, bafj er ein
„berühmter ©eneral, an Siegen grofc, an ©orten fafjl" geroefen
fei, ein #elb, ben „feiner nit befielen" tonnte, benn „allein ber
Sdjroebenfönig füfm". Sei Sebjeiten Imbe er, ber ,,bod) ber Äart;
taunen gelabt", feinen £afm fräßen unb „fein beUenb §ünblein um
ftd) fefjen" fönnen; nun — fein Söunfd) gefje jefct in (Erfüllung:
3). 109,7: 3tyt bat er SRub, unb langen ftrieb,
5fräf)t il)m fein $abn unb $u&n ein ?ieb,
Unb fann fein Oljren fdjonen.
©ott möge fid) feiner „armen Seel" erbarmen unb u)m „all Sünben-
fdiulb unb get)l um Gljrifti 2Mut oergeben".
£ie gleite oerföfmlidjc Stimmung gegen ben toten geinb, bie
freilief) auö ben legten Schritten SÖallenfteinö erflärlid) roirb, $eigt
baö fünftlerifd) nod) ^ö^er ftefyenbe: „emftlicf) ©efpräety jrotfdjen bem
Xob unb ajerm ©eneralen gürften SBaUenftevn". 93eibe Jiguren
finb mit ungemeiner Sebenbigfeit geftaltet unb ber ^Dialog »errät
gerabeju eine sJJ(eifterl)anb. 3>er Xob, unerbittlich, aber oon ironifeber
$öflid)feit, forbert SBaUenftein $um Mitgehen auf:
35. 108,1: Sfiün fomm $eran, mein lieber $üx%
Wacb. bir fd)on lang (ed)gterig 35urR,
$itft me&r fein ©e&r unb «Baffen!
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lieber bie biflorifdjen Softelieber bei 80 jährigen «riege« 299
$afl nun genug bie Seit turbiert,
2Hir Diele ?aufenb jugefübrt,
3(j mu§ id> bid) erraffen.
©r finbe wenig ©efdjmacf an bem „gemeinen ^umpenpad" mit
ihrem „tfamentiren, fceulen, Sdjrein", er brause einen gelben,
ffiaüenftein, «ans oerfenft in tiefe ^läne, ift über bie brutale Störung
unwillig: aber furdjtlod fragt er ben Xob:
@tr. 6: ©avum paft beim in aller Sd)lad)t,
©o reept Äartaunenbonner fratpt,
9Ridj nit jh bir gerufen?
©a« foÜ e$ beut, n?o mir fo oiel
Stept auf Dem jubereitet Spiet,
Wabe be« Xprone* stufen?
Ter lob fdjlägt ifm aber luifcig mit 3^aUenfteinö eigenen Söaffen:
©tr. 7: ftreunb, müßt id) ©rünbe führen an,
©arum abruf Äinb, grau unb SWann,
2>a ftätte oiel gu fepaffen!
Xu warft ja felber oon ber Slrt,
T'\r jäuberlicp au ©orten fpart,
Unb ©ibrrfprud) tbät ftrafen.
©allenftein oerfudjt es jefct mit biplomatifdien Äunftgriffen : er oer=
fpridjt bem Tob all fein ,,©ut unb ©elb", er fragt ifm ftol$, ob
berfelbe benn nia)t baö ©ro&e bebenfe, roaö er „ein Sßunber aller
3eiten" getfwn tyibe! folle er nun fort, roo er baö „2lllerf)öd>ft,
roaö fann ein SJJenfdj bereiten7', im 25>erf fefem motte. 2>er Xob
nmrnt tyn oor Übermut, fein Stern müffe unb roerbc balb für immer
erlösen. 2i>allcnftein enoibert trofeig, bas erfdjrede it>n ni^t, er
oertraue ber „Stern s2löpect", bie tl)m eine „gülbne Äönigöfrone" oer=
Rieften. 2)a werbe ber gürft betrogen fein „wie oon 2lprilemoetter",
lacbt ber Tob: er foüe nur alleiwStolj ablegen, ber gar nict>t ins „tiefe
®rab" paffe, — nod) beute molle er Den .fcelben „jur groß 2lrmaba"
bringen. 35a ergiebt fid) &>allenftein in fein £oö: refigniert, aber
immer nod) im ^eumfetfeiu feineo Wertes fagt er:
£tr. 16: SKufj i<p mid) benn ergeben brein,
(Sin ftiibrrr fein in beinern SHeibn:
2ep vale ©fit, gefungen!
Sin großer ©eneral idj mar,
9iod) rrbrn roerben lange 3abr
3? oh mir ber fflenfdjen 3un9en-
17: grieblaub bat man mid) ja genannt,
Sin Ärieg«belb aller ©elt betannt,
$ab wenig ftrieb gegeben.
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300
fflicbarb SWiiUcr
$u $ob erfüflfl ben Warnen mein:
Mein, allein in beinen ffleibn
ftft ftrieb unb croia« Pcbenl
sJ)tit einem &inmeiö bed £obes auf bie ;)iid)tigfett aUer irbifdjen
$errlid)fcit enbet biefe prad)tt>oUe Sceuc, beren Jöerfafier otjne 3»>rifel
bic befannten loteutäuje oorgefdnuebt fjaben. 23eumnbernsmert ift
namentlich bie Aunft, mit meldjer in feinfter SJtobulation nad)einanber
alle Raiten beö i&aUenfteinfdjen 28efen$ angefangen roerben: eo gab
in ber £fmt fdmu oor Sd)iller einen $id)tev, roeldjer biefcm form
plijierten (Sljarafter geioad)fen mar.
$on fatbolifdier Seite roirb luentg über Sitallenftein aerebct.
Sein „Gbarafterbilb" idnoanft bafjer roie in ber ®efdnd)te fo aurf)
im &iebe: oon feiner Seite unbebingt oerebrt ober oermorfen, äuftcrn
fidt) irjm Gegenüber roeber &afj nod) i'tebe fo unoermifdjt mie bei ben
übrigen güfjrem be$ gro&en Streiteö. sMud) mar fid) ba$ £>olfölieb
ber Sdjroierigfett, bieten 9)tonn ju burdjidjauen, roofyl berouftt, benn
er mar, fo Reifet es einmal, „an Söorten fafjl, f)ielt feinen Sinn
oerfa^loffen" unb fyabe leiber „#einb unb greunb übel tractirt".
9)Jan bielt beatjalb mit einem ©efamrurteil meift prücf, nur über
bie ©runbäüge feines (Stjarafterö ift man fid) oöflig im klaren: eine
bämonifdje 9iatur von unermeßlichem @tjrgci$e.
©6 mürbe an bie) er Stelle $u meit füljren, neben biefen £aupt=
gelben beö ©efangeö mie ber ©efd)id)te nun auaj ben geringeren
@rfd)einungen mie söernr)arb oon ©ctmar, (*mft oon 3Kanöfelbt u. f. ro.
mit äljnlidjcr 2lusfüf)rlia)feit $u folgen, obmoljl aud) t)ier manches
rulturtjiftorifd) $i>id)tige fid) oorfinbet.
gür ben bamaliaen fo innigen 3ufammenl)ang ber ^oefie mit
ber 2&rflid)feit fetjr be$etd)nenb ift bic Xljatfacrjc, bafc etwa um
1632 bie ^robuftioität itjren £ol)epunft erreichte; mit bem 3«riid-
treten ber großen 4)Jänncr oerftummte aud) bie 2)id)tung immer
met)r, nur um 1648 griff mau tuieber in bie Saiten unb begrüßte
mit frommem ©cfange bie: „Jriebenö £aube, So bem auf bem
£t)rftncn 3)ieer Mxd) tfriegeo Sturm arg oerfd)lagenen XeutfAen
iKeidje enblidc) glücfoerfjci&enb ben grünen Oel^meig mieber brad)t":
5>itf. Nr. 121,1: Wun fo fdjroebefl enolid) roieber,
«n« bev Sertegedjünbflutb. 3Rcer,
(Hülben Jriebenfltaube, nieber
SWit bem öljroeig ftii und fyer!
Der Äartbaunrn üDonnerracben,
Schroetter, ^artifanen, Drohn,
2)er OTuMeten töbtlid) Ärad)fn:
@$roid)tet ftriebenSpfalterton.
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lieber bie tfftoriften «olfSIieber be« Söbrigen Ärtege* 301
7: ©Ott ber Vicht, OJuabe, (»üte.
$ilf, baß flflf« mög gebetbn,
fange fdjredbcbrangt <&emfltf)e
@tdj ber giifbfttSfonn erfrcti'n!
©cgcti träuf auf imfer ftlnrrn
9lad) bfin fdjioeron Sctterftreidj,
$>afj erblilb au« Xobcdfpurrit
llnjrr beiltg Dcutfdjc« Wfid)!
«men!
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j$erfuufcf)es (^elmöcroefen int 17. unö
48. £df)rJ)unöert.
Don 3. Silbcrmaiin.
2)te (Sntiuicf elunö bes ©efinbewefens in ©erlin ^at
$war benfelben ti)pifd>en Verlauf genommen roie in ben übrigen
beutfa>n Statten, ftc weift jebod) einige bura) eigenartige örtliche
unb politifcfje sJ>ert)ältniffe bebingte Sefonbertyeiten auf.
gehört baju bie jiemlia) fpäte (Sntmicfelung Berlins $ur reinen $anbel«--
unb ^nouftrieftabt. 9iod) im Seginn bes 17. ^atjrlmnberts würbe
t>ier $iemlid) oiel 3tcfcrroirtfdt)aft getrieben, meld)e bie £f)ätigfeit rein
lanbwirtfa)aftlid)en ©efinbes nötig mad)te. ©inen ©inbluf in bie
fojialen 3uftänbe biefes ©efinbes giebt uns bie retnbierte 3lcferorbnung
beo diätes oon Berlin vom 10. 2lugu|t 1624 worin es unter
anderem fjeiftt: „äiknn ein 2lcfermann ober 9)teier fäf>e, bajj bie
5lued)te im gelbe jufammenliefcn unb Unterrebung ober fonft Büberei
treiben ober fid) fcr)(afen legten, follen biefelben jebesma^l mit brei
©rofajen geftraft werben. Meiner foU beo "ilnbern ©ejinbe abmieten
bei Strafe eines £balers in bie i'abe. 3o ein ftnedjt ober 3unge obne
erljeblidje Urfadje ben £icnt't oerläfjt, ber foU nid)t allein feines ^obneö
uerluftig fein, fonbern barf aud) ein ^atjr lang in beibcn*) Statten
nid)t bienen. 2i>enn bie Mnedjtc bes Bier unb Branntwein trinfens
fia) befleißigen, it)ren $ieuft oerfäumen ober fpielen, follen Tie auf
4 ©rofdjen unb ba fie nod) baju bes 92ad)ta oon ben ^ferben bleiben,
aud> auf 4 ©rofdjen, ber s))teier aber ober felbe .Unecht, bie fola)eo
') 5'to'c'«. T'iplomatif^-ljitioriicbc Jöeitiäge j. ®ejd?. b. Stobt ©erltn, IV.
») Wätnlid) »erlitt itnb Götttt , bie erft ju *ea.iiut be« 18. 3abi&. ju
einer eitrigen «Stabt ürifd^mol^cu tottrbcii.
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3. eilbermann, ©erltntf<$e« (Befinbe »cfe n im 1 7. unb 18. Sab, r&unbert 303
ttjun, auf 6 ®rofd)en geftrafet; fo aud) ein #ned)t, ber Sonntag
über 4 Ufn* (9iadj)mittag) au$ bem £aufe bleibet, foll jebedmat)!
4 ©rofdjen Strafe geben". Die &anbroerferlot)ntare oom $af)re
1623 5är)tt unter ben männlichen Dienftboten nur auf: ben ®roßfned)t,
s3JJittelfnecf)t, Dd)fenfned)t, Ddrfenjungen, roas ebenfalls auf ein ftarfefi
silcferbürgertum t)inroetft. 211$ jroeiter ^punft, ber bem berlinifdjen
Öefinberoefen eine befonbere gärbung oerliet), ift ber berliner 33oIfö=
djarafter t)eroorjuI)eben. 9Wan hat ftdj feit ben Öroßtyaten griebridjfi II
baran gewöhnt, ben berliner mit bem 9ftmbuö ber 21rbeitfamfeit,
Xttcfftigfeit unb eine« mit gefunbem ÜJtotternrifc burdjtränften bebend;
ernfted $u umgeben. Unb bod) beroeift eine eingeljenbe Betrachtung,
baß Berlin nur burd) bie £in$u$iefmng oon gremben, bie fdjou im
15. unb 16. 3aMunbert eine ert)eblid>e ftoUe fpielen, ju bem gemacht
rourbe, roaä bie Betounberung ber iüelt erregte. Der berliner felbft
ift ofme eigene ^nitiatioe. geig unb faiftaffartig nennt ilw Sdjroebel s)
bis jum Auftreten beä großen fturfürften, unb nod) am ©nbe be«
18. 3of>rt)unberts bejeidwet it>n ein unbefannter 5öcrf affer*) als einen
ju bracht unb Prahlerei fet)r geneigten 3Renfdjen, „wenn auch ber
beutet leer ift unb bie ©laubiger fich ftetö cor bie Z\)vlt lagern".
„Die nieberen Stänbe befifcen einen lächerlichen Stolj." 9luf bie
©efinbeoert)ältniffe roaren biefe ©tgenfchaften infofern oon großem
©influß, al« auch ganj armer fieute Äinber nicht gern in ben Dienfr
botenftanb traten, weil ihnen bie ($ebunbenf)eit nicht besagte, greilich
trug ^ierju auch bie fa)lea)te $et)anblung feitend ber §errfd)aften
roefentlich mit bei.
(Snblid) beeinflußten auch politifche ^erhältniffe ba$ <&efmbe?
roefen. Der bretßigjährige Ärieg brachte unfäglichefl ßlenb über bie
3Kart unb über Berlin, bad fd)ließ(ia) auf ben britten Xeil feiner
©inroofmer rebujiert rourbe. 3eglia^e Sicherheit beö (Snoerbfi hatte
aufgehört, unb ed bemächtigte fich ber Beoölferung eine Stumpfheit
unb 2lrbeitdunluft, bie erft roieber burd) 3ufuhr ncucr aud Dcr grcmbe
geholter Beuölferungöelemente belebt werben fonnte. Um bie länb;
liehen Seroohner — im 3ntereffe ber an 3trbeitermangel leibenben
©utfiljerren — an tyre Scholle ju feffeln, erfdnoerte man ben Über=
tritt nom fianbe in bie Stabt auf jebe 2&tfe unb entjog fo ben
©tabten ba« befte ©efinbematerial. 2lUe biefe Umftänbe trugen *u
*) <8ef$. b. etabt ©erlin, 1862
*) ©erlin oon feiner (Sntftebuna, bi* auf bie gr^fiiwärtifle 3^ b'fto*-
geogr. befflr., ©erlin 1798.
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304
5- ©ilbfrmann
bem ftarfen $ienftbotenmangel bei, über ben in Berlin vor jroei
Sahrbunberten ebenfo geflagt ivurbe ioie beute.
Urfprüngltd) fielen bem ©efinbe mir geiuerblidje unb twudmirt-
fd>aftliche $ienfte $u- 3lUmäblid) aber mit bem Einbringen ver-
mehrter fcebendbebürfniife, mit ber Stetgerung ber XiebenÄ^altung
begann fich eine Äategorie von ©ienftboten für perfönlicbe bequem;
liebfeit ^eraudjubilben, junaebft nur in ben ivoblhabenben gamüien,
fpäter jeboeb, aud) in ben mittleren Stufen bed Söürgertumd. ^n
jener 3^1, n'° W bod mirtfchaftliehe lieben im £iaufe felbft jum
größten £eile abfpielte, iuo eine ganje fHeitje von ©egenftänben, bie
man fpäterhiu auf bem 2)Jarft ju taufen fictj gewöhnte, im $aufe
felbft t)ergeftellt mürbe, beburfte ed $ur erfolgreichen Jvübnmg ber
3öirtfd)aft einer verhältnidmä&ig beträchtlichen ätosahl ftilfsfräfte,
bie gefonnen unb imftanbe maren, fid) in bie ftaudgemeinfebaft mit
£uft unb £tebe bineinjufinben. Solare perfonen gab ed aud bereitd
angeführten ©rünben nicht viele, unb ihre 3^1)1 verminberte lieb noch
roäbrenb bes breiBigjäbrigen ftriegee unb nach bemfelben. Ühtohl gab
es ald golge ber eben begonnenen fapitaliftifa^-iubioibualiftifa^en
(£ntmitfelung, bie in Berlin fpäter eintrat ald in ben Stäbten bed
roeft liehen unb f üblichen Teutfd)lanb, bereits ein ftäbtifdjeö Proletariat,
bae gerabeju gezwungen mar, fich bureb persönliche £icnftleiftuugcn
ben Unterhalt 511 erwerben, aber ed beftanb bod) bie allgemeine 3lb=
neigung, fid) in eine bauembe Slbbängigfeit $u begeben. 3)Jan per;
fudjte gelegentlich etwad $u verbienen. $ad Ütarbältnid jwifeben
§errfchaft unb ©efinbe mar bid jum beginn bed 18. ^ahrhunbertö
gefefclicb gar nicht geregelt, unb es fanben nur ganj allgemeine
^oli^eioorfchriften 3lnwenbung, bie tjauft^ auf ftäbrifche ^erbältniffe
nid)t paßten, $ie fcharfe fokale .vUaffenfcbeibung jener Seit batte
ber SMenftbotenfategorie alo ber unterften Stufe ber Stevölferung
ben Stempel ber sDiinberwertigfeit aufgebrüeft, unb biefe noch tyutt
nicht verfebwunbene 3lnfchauung mar aud) in ben fpäter erlaffenen
©efinbeorbmmgen feftgelwlten. So fann man benn bie ftraffe &b--
hangigfeit bed ©efinbed von ber &errfd)aft "id>t ald &audjucht unb
patriürcbalifdjed s#erbältnid auffaffen. ©a hanbelte fich thatfächlich
um ein reined iHrbeitaverbältnid, bad wohl tiefere fittliche Ziehungen
hervorbringen fonnte, fie aber nicht $ur notivenbigen itoraudfefcung
ober golge h^. $ad mar fo im beginn bed 17. ^rhunbertö
unb am ©nbe bed 18. 3ahrbuHbertd, wie und ber Xit. „©efinbe"
in ber gncnflopläDie von x>f). ©eorg tfrünitj (Berlin 178?) leb«.
$ort heiüt ed: „$iele ^errfchaften achten ihr ©efinbe gar nichts.
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©erlinifdKÖ ©efinberoefen im 17. unb 18. 3aMunbert
Sie galten cd nicht oiel beffer als bas lieberlichfte Setteloolf in ber
■Republif, ja fte betrachten fie Eaum als 9J?enfchen. Sie finb graufam
roiöer fie unb forbern mehr Arbeit oon ibnen als SJtenfchen leiften
fönnen unb als fie oermöge ihres Vertrages $u leiften fdtjulbig jinb.
3BaS fruchtet biefes betragen? sJiid)ts ©utes. &afe gebiert £afc,
Verachtung jeugt 33erad)tung." £!erfd)ärft mürben biefe 3uftänbe
noch burd) bie Wechtlofigfeit beS ©efmbes, bas bereits oor ©rlafj
ber ©efinbeorbnungen ber ^olijei unterfteÜt mar.
$>a man nun aber ©efinbe brauste, fo fuct)te man es fielt) auf
anbere SSeife ju oerfchaffen. man oerfprach itjm höheren tfofm, als
in ber £are feftgefefct mar unb fonftige Sequemlichfeiten. 2>tan
machte einanber bas ©efinbe abfpenfttg, unb fo entftanb ein
SBettlauf ber &errfchaften um $ienftboten, ber auf bie 3Roral ber
lefcteren um fo roeniger günftig roirfen fonnte, als bei allem 33er=
fprechen höhten Sohnes bie thatfächliche Öehanblung bod) feine beffere
rourbe. Schon bie oorher ermähnte 2lcferorbnung hatte bas Abmieten
ber Änechte mit Strafe belegt, ©leiche Serbote finben mir bas
ganje 17. unb 18. ^ahrlmnbert tunburch, unb ihre Sßieberholung
bemeift nur ihre (Srfolgloftgfeit. sMe für bie ganje 37torf (b. h- für
Stabt unb Üanb gemeinfam erlaffenen) ©efinbeorbnungen enthalten
biefes Verbot, bereits bie ©epDrbn. oon 1620 5) enthält ben $affu$ :
„diejenigen aber, fo auch noch barju, mieber bas ausbrüefliche
oerbott ©Ott es, anbern, 3hr ©efinbe, baburd), bas fie ihnen
einen mehrem Sohn bieten, ober burch gefchentfe, onb gaben an fich
loäen, onb jiehen : abfpenftig machen : biefelben foHen jebesmahls, in
brenffig Xhaler ftraffe gefallen fein". 9iod) 1 26 Qafyxt fpäter
1746 6) in ber oon griebrid) II erlaffenen ©ef.^Drbn. hei&t es über
biefen ^ßunft: „@in ©efinbe aber feiner bisherigen §errfd)aft ab=
roenbig $u machen, unb unter ©efehenefen, Serfpredmngen, ober
anbere ©erebungen, folches, ba es mit feiner &errfdwft jufrieben, unb
toohl länger in bem £)ienft geblieben märe, oon berfelben ab, unb ju
fich jie^en, ftehet feiner (Sht-liebenben ^errfchaft an, unb fott
nach öepnbew emftlich geafjnbet werben". Unb noch üierjig 3ahre
banaa) flagt ein Schriftfteller 7) : „£abei f ommt es auch oor >
&errfd)aften nach bem ©efinbe anberer Veute heimlich fehiefen, f elbiges
anfprechen laffen, ihm mehr bieten, allerlei Verfpredmngen tfmn unb
•) 3JtyltuS, corpus coiistitutionura Marchicarum V, 3.
•) 2RqliuS, corp. const. Marchic. Continuatio III.
7) «rttnifc, o. a. O.
3«tf(ftrift für ÄultutgefdjitMf. II. 'JO
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30Ö
3. ©Ubermann
fold^ergeftalt iBerbredjer ber ^ßolijei unb fluten Drbnung werben,
^fui einer folgen &errfdjaft, bie nid)t mefjr (Sfjre fwt aU baß fie
fid) bem ^ttutnuflen eines $)ienftboten oreiögiebt ober oielmetjr ilm
übermütig, auffäfeig unb ftolj mad)t". Qn ber Xtjat trugen foldje
©eroofjnfjeiten jur Sefferung ber bamalö rotjen 2)ienftboten nic^t bei
Bie mürben oerftocft unb faben in ber &errfd)aft fdjliefclid) nur ben
geinb, beffen Eigentum fie nia)t einmal arteten. Xie roiberfprud^-
oolle 23eljanblung beö ©efiubes, 3u^rbrot bei ber Anwerbung *um
$)ienft, Sßettfa^e im $>ienft, ©djläge unb barte, Ijerabfefcenbe SBorte *)
bei jeber ©elegenfjeit fonnten natürlich feine anberen ©efüljle tjemor-
bringen. So lefen mir in allen ©bitten unb Drbnungen über biefe
Slngelegentjeit „oon ber Soweit" unb bem „SRutnriUen" bes ©efinbe*,
inbem man einfach bie ?f}atfa$e, mie fie eben oorlag, regiftrierte,
ofme fid) um ben ©runb ju fümmern. 2Birb aber t>te unb ba ein
©runb angegeben, fo ift e$ ein rein äufjerltdjer: baG ©efinbe ift
bann fd)ledn\ roeil ilrnt oon böfen beuten »orfdmb geleiftet roirb.
S3on ber Sdmlb ber &errfa)aft fein SBort Unb bod) ift bie fdjlimmfte
©igenfd)aft eine« fcienftboten, bie Une(jrltd)feit, bie, unter bem (Sin-
flufe beö breijngjäfjrigen Äriegeö entftanben, bis über bie 3)Utte bee
18. 3aljrl)unbertß Innaua ben 6djrerfen aller ^aud^alrungöoorftdnbe
bitbete # bamal« burdj bie fd)led)te 23ejaljlung unb niebrige Sebent
Haltung be$ ©efinbeö gefräfrigt morben. $)ie oon $ienftboten aus-
geführten $af)lreid)en £auöbiebftäf)le, oon benen aud) bie furfüritlia>n
<Sd)löffer nid>t oerfdjont mürben, nefjmen einen breiten 9iaum in ber
ftriminaliftif jener @poa)e ein. Wlan faf) fid) fd)liefjlid) genötigt,
§au$biebe ofjne roeitereä mit ©algen ju beftrafen, ma$ 1736 nod)
bat)in oerfd&arft rourbe, bafe ber ©algen oor ber Xfulr beö $aus;
oorftcmbes errietet mürbe.
2Ba$ bie i'eute häufig ju folctyer Unetirlidjfett trieb, mar bic
bei gemeinen Seuten fo natürlidje ©ud)t, es ben höheren Älaffen
in äußeren fingen naa)$umaa)en. £rofc bed ungeheuren roirt=
fd)aftltd)en 35rucfeö, unter bem ber berliner roäfjrenb ber Iner
•) SS ijl bejeid)nenb, bafj nad> ber beute geltenbm prrufjtfdpen ®ff. Orbn.
oon 1810, bie grofjenteil* bem Hflg. ?.-8fl. entnommen ift, ben $err|(baften
beleibigeube Sorte gegen 2)tenftboten gemattet finb, ein ©e tu eis , mie felbfl
bie 3'it b?f Slufflärung oon ber Überzeugung ber fojialen SRinberroertigfcit
oon^ßerfonen burdjbrungen roar, bie fid), wenn aua) burd) ib.re toirrfa)aftlid»e
Page gejroungen, in perfbnlidje «bb,ängigfeit begeben (f. Pangenftb,eibt, „Statur'
gejeb. b. ©erliner«" über ba« prügeln ber 3)ienftboten jur 3eit jriebri*
köil^elm« I).
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©erlinifdje« GUfmbewefen im 17. unb 18. ^a&rbunbert
307
befprochenen $n>et 3at)ff)unberte lebte, trofc 23ranbfchafcungen, enorm
hoher (Steuern unb 3öHe, t)atte er fid) boa) feine Neigung jur bracht-
entfaltung erhalten, unb biefe Neigung erhielt $eitroeife burd) baö
öetfpiel ber oberen Ätaffen eine bebenflich ftarfe Stüfce. ffiaö
Sitonber, bafe bie $>ienftboten, um biefem Triebe ju genügen, $u um
lauteren Mitteln griffen? 5Dic Sucht, ben Vornehmen ju fpielen,
mar fo grofe, bafe nach einer Mitteilung beö „£eutfchen SWercur" oon
1785") bie ftöchinnen bafelbft, bie nur ein roenig auf ftd) gelten,
i&eiber ober Stäbchen aus eigener 2afa> bellten, bie ihnen baö
SBaffer holen unb anbere Arbeiten oerrichten mußten, bie ihnen felbft
ate ju niebrig erfcbienen. ©ine gefchmacflofe s3ka)a^mungöfua)t
jetchnete bie weiblichen $>tenftboten namentlich t)infta)tlia) ber äleibung
aus, unb in ben ftleiber; unb &uruöorbnungen roirb ihrer ftetö
ganj befonber* gebaut. $er prad)tliebenbe Äurfürft griebrid) III,
ber felbft einen oerfchroenberifchen ^urud trieb unb baju oiel ©elb
brauste, befürchtete eine ©rfdjöpfung ber Steuerfraft feiner mit ihm
toetteifernben Untertanen, unb barum oerbot er ben ©ürger= unb
£anbtoerferfrauen , foroie bem ©efütbe, irgenb etroaö in ©olb ober
Seibe ju tragen10). $)amit mar freilich nicht oiel unb nicht auf
lange $eit t)inauögel)olfen. Unter bem Nachfolger bed erften preufeu
fdjen Äönigö allerbingd, bem fparfamen griebrid) 2Bilhelm I. ber es
liebte, in ben &auafwlt ber ^rioaten fdwrf einzubringen, burfte un=
roirtfchaftlid)e ^erfcbroenbung ftd) nicht fo leicht heruorroagen, beflo
mehr aber liefe man unter griebrich II bie 3itgel fdnefeen. &ören
mir, roie eine grau am ©nbe be$ 18. ^ahrhunbertö in biefer grage
urteilt11): „gür bie erfte unb fchäblidjfte Duelle be$ junehmenben
2>erberbeno bed ($efinbe$ halte ich ben beinahe alle ©chranfen über=
fteigenben Jtleiberaufioanb. Sonft pflegte ich eö roohl für ©igenftnn
ju halten, roenn ich &auöfrauen fah, welche ihren SRägben biefe
ober jene gorm bes Slnjuges *u tragen unterfagten — nun aber
habe ich fct)on längft su meinem eigenen Nachteile erfahren, bafe mit
•) fcbgebritrft in „©erlitt im 3abre 1786. ®<bilberungen ber 3*it-
genoffen", ffeipjig 1886.
'•) (Äönig,) :üerfii($ einer bifiorifäen ©dnloerung ber fcauptDeränbe*
rnngen oer Religion, ©ilten, ®eroob.t^eiten , Äünfte, ©iffenf<baften ic. ber
ÜHeftbenjfiabt ©erlin, ©b. II. Übrigen« meint ber ©erf., baß biefe« ©erbot
Don bem Streben bittiert roorben fei, ben $of tnöglidjft Don ber ©ürger»
fd)aft obftedjen (äffen.
»') 5. U geb. ffl. in ber ©erlin. 9Ronat*fcbr., XI, 1788 (abgebruett
in : ©erlin i. 1786. @<bi(b. b. 3*itfltn.).
20»
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308
3. ©ilbermann
gorm unb Schnitt bie Meinung biefer ßeute oon fid) felbft unb it>re
2lnfprüd>e ebenfalls eine gan$ anhexe ©eftalt gewinnen, ©ine $>irne,
welche bie t)ier gebräuchliche £aub' unb sJ)füfee mit einer £aube
— ober in ihrer Sprache $ormeufe — mit SBanb oertaufcht, efelt
balb bie Arbeit an, welche fie fonft mit ihrer ÜHüfce willig $u oer=
rieten pflegte, ©ine foldje $)ormeufe jietjt balb einen falbalierteu
2ln$ug nach fidt) ; $u biefem gehört ein beträufeltes glortuch ....
Ilm bie (£legan$ oollfommeu 311 machen, wirb enblid) bes Bonntage
bas §aar geträufelt unb burch ^Juber unb ^Jomabe oerfdjönert
Natürlich gefällt fie ftch fo unb wenbet alles an, fidf) biefen Slnjug
ju erhalten, 3U oerfchönern unb su ueruielfältigen. ©in Nüttel
hierzu bilntt ihr bie 3a^e«l°tte^c • • • • tfur biefen ^erluft (in
ber Lotterie) foll ihr nun ber ©infauf befonbers foldjer SMngc, bie
feinen beftimmten $reis tyaben , ©rfafc geben .... $u bex Legion
ein^eimifdjer $)ienftmagbe tommt jätjrlid) eine nid>t geringe 3ahl
^Hefruten aus ben ^rooinjen binju. ©0 lange biefelben in ihrer
einfachen £rad)t recht unb fehlest einhergehen, werben fie feinesmegs
ju ben 3irf*(tt Der verfeinerten Köchinnen unb &ausmäbd)en ,^u-
gelaffen : bann erft wirb ber 2lnf ömmling in bie eble ©cbwefterfdjaft
als meine befte unb meine liebe — benn mit biefen traulia)
fügen Öeinamen pflegen fie fieb nad) bem ^eifpiele ibrer jungen
tarnen ju nennen — aufgenommen, wenn fie fich nach berliner
Schnitt ausftaffiert Ijat. $as f leinftäbtifche , biebere Räbchen atyit
anfangs nichts arges; erft fchüchtern, bann, bei ieber äÖieberholung
fchneüer f ortfdjreitenb , befugt fie mit ben anberen jene fchäblicben
öffentlichen totale, bie fajon $u einer oerberblicben SJJenge am
gefdnooQen finb — ich meine bie Xanjhäufer. &ier mürben fie ben
©tufeem in £ioree jum ©efpött werben, wenn fie nicht bie englifeben
unb frait3öfifc§en ^as unb alle Touren ber £än$e $u machen wüßten,
^es^alb wirb in uerfdjiebenen Käufern unb ©ärten Unterriebt im
Xanjen für $)ienftmägbe unb ^afaien gegeben Xatjin eilt
nun öfters bie ftödnn 00m sJ)iarfte, fefet ihren ©infaufseimer ooni
2lrme ab, fpannte ihre breiten güfje ins JuBbrett, ober ftolpert
fdnoerfällig eine franjöfifcbe Duabrille, inbes ihre arme wartenbe
Hausfrau in ber raucfjenben ftüdje fdjwibt." ....
Die $ame, bie wir foeben Imben reben hören, bat fchon barauf
fnngemiefen, bafi $ienftboten burd) ihre s$ufcfucbt 3ur Unreblichteit
beim ©infauf oerleitet worben. 9)Jan nannte bie „©rfpamiffe", bie
babei gemacht würben, 8 djwänjel Pfennige, unb es banbelte
fich Dabei burchaus nicht um eine fpejififch berlimfche, fonbem um
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$frlhüfd><ö ©efinbfroelen im 17. unb 18. $a$rfcunbert 309
eine burdj ganj Deutfd)lanb oerbreitete ©igentümlic&feit. 2lbraljam
a Sancta (Slara geifeelte biefen f oktalen Jefjler braftifdj in folgenben
Korten: „grau ftunigunb unb Jungfer Margaretha, bic erftc eine
(Sinfaufferin, bie anbere eine &öd)in, wie Riebet tt)r fo prächtig ba^er?
eine reid>e $aube mit golbenen Korten, ein ©djlaffrocf oon par terra-
3eug, $men abgefteppte fenbene Dber^ unb Unter=iHöcf; wie nid)t
weniger ein f oftbares oerbrämtes -©lieber sc, mann eure Sefolbung
im 3at)re jmewmal foUte 3u«9e baben, mürbe foldje bennoa) nidfot
erfletfen; alle £age beim ©infauffen läßt ftd) freilid) otel profperiren,
aber wo bleibt bas ©ewiffen?" ©ine genaue söegriffsbeftimmung
ber ©d)män$elpfennige giebt bie ©ef.*Drbn. oon 1746 12) in folgenbem
Safoe: „2£ann es (bas ©efinbe) etwas einjufauffen, ober $u be*
jaulen bat, ber fterrfdjaft ju oiel an$ured)nen, ober ein$ubel)alten,
ober an SWaafe unb ©ewid)t weniger, als es bringen fott, $u nehmen,
ober aud) mit jtratjmern, Dörfern, Sdjlädjtem, Jif$ern, 3öein= unb
Sier-Sdjenfern Durd)fted)ereien ju treiben". Slllerbings t)atte audj
hier ber Dicnftbote in feiner &errin eine gute Se^rmeifterin gehabt.
Denn bie Hausfrau pflegte ihrem ©emahl gegenüber ebenfalls
3djwan$elpfennige ju machen, bie ju S3anb unb anberer $\ex »er=
wenbet würben.
21U ein 2lnfpom $ur Unebrlic^feit mag wof)l aud) bie £f)at;
fache gebient baben, bafc in Berlin ber Unterhalt bem ©e=
finbe nidit iu natura bargereidjt würbe13); jebenfalls ift
bies feit bem 6nbe bes 17. ^ahrlmnberts fidjer. 2öela)e ©elegem
beit jum Unterfdjleif würbe ba gegeben ! Da« Äoftgelb reichte häufig
nicht aud, $umal es nicht feiten gleia^ bei Seginn ber 2öod)e ju
anberen 3wecfen oerwenbet würbe ; ba war im $aufe felbft nament;
lid> für weibliche Dienftboten, aber aud) für männliche, wenn biefe
fid) mit ibren Kolleginnen gut $u ftellen wußten, Gelegenheit genug
oorljanbeu, bas gel)lenbe oom £ifd)e ber £errfd)aft $u ergänzen.
Die 2\)at)aty, bafc bie SBeföftigung nicht oon ber Äüd)e ber £err=
fdjaft ausging, ift mieber ein beweis gegen jene 2tnfd)auung, welche
in bem Verhältnis $wifchen £errfd)aft unb ©efinbe ein befonberes
fittlicb perfönlicbes Verhältnis fiebt ; man fann in biefem gaHe nicht
einmal oon einer engeren 3"9ehörigfeit jur $ausgemevnfchaft fprechen,
weil bas mefentlichfte SJterfmal berfelben, bie Xifchgemeinfd)aft, fehlte.
'*) 2Äplin8, corp. const. March. Contin. III.
'*) $aut Äottmann, ©ff(ptd>te unb Stattflil be* (Befinberoefen* in
3>eutf$lanb, £Ub«branbt« 3af>rb., 8b. X.
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310
3. ©ilbermann
3n fet)r grofjen Käufern, fo in bcncn be$ mof)lr)abenben 9lbel$, modjte
ba§ nod) einen Sinn t)aben, aber in einfachen 93ürgerl)aufern
beutete biete ©eroofmfjett nid)ts anbete«, al$ bie ßluft $roifd)en iia)
unb ber fojial tiefften klaffe ber Seoölferung möglidnl weit ju er;
galten, $arum n>ar ber ©efinbemangel aud> t)ier am ftärfften
unb machte fid> in ber 28irt|d)aftsfül)rung iefjr fühlbar, dagegen
mar ein ©efinbemangel in reiben Käufern unb insbefonbere in ber
Kategorie ber £uxuöbebienten nidjt uorfmnben. Med, roafi fid)
irgenbnrie tauglid} baju füllte, brannte babin. $)enn junädrft roar
bie 33etwnblung fner in ber Siegel eine bcffere unb ebenfo bie
materielle Stellung, ba an Xrinfgelbern u. bergl. manches abfiel,
roärjrenb anbererfeitß bie 2lrbeit nid)t befonberd grofe mar, roenn man
aud) bem berliner 3lbel nia)t nadjfagen fann, bafj er nbermäfiigen
Sebientenluruö trieb im ^ergleid) $u bem Slbel anberer sJteftbenj-
ftäbte14). 3mmerfnn jebod) chatte fid) bie 3a^l unb bie 9lrt ber
SMenftboten oom beginn bes 1 7. Qafjrlnmberte an ftarf oermebrL
Sie fd)on ermahnt, mürbe in ber Sobntare oon 1623 an bürget;
liefen männlidjen ©ienftboten folgenbe genannt: ©ro&fnedjt, 3Wittel-
friert, D(l)fenfnecr)t, Ddjfenjunge; ba$u fommen an roeiblidjen ^>ienft=
boten bie Stöd)in, bie ©auömagb, bie Äinbermagb. 31m (Snbe bedfelben
3ar;rr)unbertö 1697 finben mir in bem ©eneralfopffteuerebift ls) fc&on
folgenbe Sebiente aufgellt: ftüftfnedjt, Xr)ürfned>t, ^ferbefnedjt,
3Hei)erfned)t, ^ittelfnedjt, Üaquau, SReyer, SBogt, äutfdjer, $irt,
3unge, s3luögeberin, 2lmme, 3J?agb. 9?ad) ber ©efinbe^Drbnung von
1746 gehörten jum ©efinbe: alle bei ben ^artifulier-^errfa^aften in
mirflia^em fiofm unb 5Örot ftetjenben &au$:©ofmeifter, &ammep
biener, Sereuter, £afelbeder, Äonfiturierfi, öct)e, £äujfer, ftenbudeii,
£afaien, $a$ex, $)ienftgärtner, ^ortierö, Äutf(t)er, $orreuter, SKeit-
fnedjte, $raufned)te, 2Bagenfned)te, $tüct)en: unb $)tenftjungen ; ferner
t)om meiblia^en ©efcr^led^teÄammermäba^en^auörjälterinnen^Öa^irinen,
Slmmen, &aufimägbe, Söraumagbe unb anbere s)Wägbe w). SBeit größer
'«) 2>er Xabel oon Jtrüuife gegen bie „©ebientenfudjt" befc&ränft W
immerhin nur auf bie fräße, in benen weniger bemittelte Peute au* r<in«
9tad)abmung*fud)t fid) einen Sebienten galten.
*•) SDtüliufl, corp. const. March. IV. — 2>icfe flufjäbtang umfo&t
ba« länbltc^e ®efinbe, roe«balb für ©erlin 2Reoer unb ©ögte foroie
Weberinnen faum in ©etradjt fommen.
*•) (S* ifi bejeicfcnenb für bie rotrtfdjaftlidjen 3nflänbe unb fojiatett *»•
fUbten jener 3eit, ba& ^erjonen ju bem ©efmbe fleredjnet ronrben, bi^ vn
fftütt in ben »vbettern, ^anbroerfern, Beamten jä^len.
«
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©erlimtof« ©eftnberoejen im 17. unb 18. 3af>r&unbert 'M\
unb mannigfaltiger mar natürlich bie 3af)l beß §ofgefinbeß, baß jum
großen Xeile aus ber ftüche felbft gefpeift routbe; allein baß Äüchen=
unb Stallperfonal machte ein ganjeß &eer auß unb oerfdjlang bereit«
unter bem großen Äurfürften gan$ erflecf liehe Summen; eß ift be-
fannt, roie eß eine ber erften 2^aten griebrid) 2öilr)elmd I mar, baß er
baß $ebientenbubget auf ein Minimum rebu^ierte ; t)atte boch allein ber
Unterhalt ber StaHbebienten unter Äöntg griebrich 1 außfchlteßlich
ber betreffenben Öebienten ber Äömgin unb beß Äronprin^en 11660
X^aler betragen, unb noch r)ö^er [teilte fidt) ber ©tat beß fluchen*
perfonalß n).
Den in ber iBolfßroirtfchaft fornie in bem 93erhältniß ber (£efett=
fchaftßfdjichten $u einanber Ijeroortretenben Mängeln abjuhelfen mar biß
in unfer 3at)rhunbert hinein Sache ber ^oli$ei, unb ba baß ©efinbe*
mefen oon ^en>orragenbem öffentlichem 3ntereffe mar, fo unterftanb
es oon jer)er ber polizeilichen Überwachung unb Reglementierung,
inbeffen eine lange 3e^ l)inburd) nicht in ^ö^erem 27iaße alß anbere
«perfonen unb Dienftleiftungen, oon benen bie allgemeine Söo^lfaljrt
abging. 3m 17. Qa^rljunbert dnberte fid) baß, unb roährenb oiele
anbere bisher ber ^olijei unterteilte Dinge in ben ^Bereich anberer
SSehörben übergingen, nmrbe baß ©eftnbercefen außfchließlich ^oli$ei*
fache. 33iß jum (£nbe beß 17. ^a^r^unbertö t)atte aHerbingß einige
Regellofigfett in biefen Dingen geherrfdjt, ber breißigjährige flrieg
unb feine golgen waren an biefer JHegelloftgfett jum größten Zeil
tdmlb. Roch gab eß feine fefte Storni in Berlin, an roeld&e fich
^errfd^aft unb Dienftbote galten tonnte18), roorunter beibe £etle
litten. Da« ©eroohnheitßrecht mürbe unter bem Drude ber 33erhäit=
niffe häufig burdjbrochen. Der große Sturfürft fyatte mit äußeren
geinben unb im 3nneren mit ber Ordnung ber Slgraroerhältniffe,
mit ber SBieberbelebung oon &anbel unb Söanbel fo oiel &u tfjun,
baß i^m nicht 3eü blieb , ber grage beß ftäbtifchen ©efinbeioefenß
befonbere 3lufmerffamfeit jujuroenben. ©rft am @nbe feiner 9fle=
gierungßjeit, im 3aljre 1684, erfuhr eine Seite biefer grage gefefc
liehe Regelung l9), unb mir fönnen bieß ©bift alß bie erfte ©efinbe*
Crbnung für bie Refibenjftäbte Berlin unb ßöfln auff äffen. Räch-
bem im Eingänge barüber geflagt roorben ift, „maß geftalt bie 93oßt)eit
(Äönig,) ©erfu<$ e. &iflor. ©$ilb. :c.
") 2)ie XeU'öef.-Drbn. be* 16. 3apr$. unb bie utnfaffenbe ®ef..Otbn.
oon 1620 waren für ba« platte Panb beregnet.
»•) STOpliu«, corp. const. March. V.
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312
3. ©tfbermami
ber $ienftbotl)en an 5tned)ten unb SJtögben in fjieftgen dtejtbeiu,;
©tabtcn bergeftalt übcrl)anb ne&me, bag fein £>au&wirtl) faft meqr
mit ifmen ■ sured)t fommen fönnte", werben folgenbe Seftimmungen
erlaffen: bie Stttetjeit mu& mtnbeftens ein ^aljr banern; niemanb
barf bei 20 Xf)a(em Strafe einen 2)ienftboten aufnehmen, ber nid)t
einen (£ntlaffungs= unb gütyrungsfd)ein oon feiner früheren $errfd>aft
auf roeifen f ann ; bie &errfdmft ift bei orbnungsmäfjiger 2luff ünbigung
oerpflid^tet, einen folgen <Sd)ein ju oerabfolgen. ©ir fjaben es t)ier
nid)t mit einer 9ieuorbnung ju ttmn, fonbern mit einer gefefcltdjen
gtrierung alten ©eroot)nf)eitsred)tes, bas, mte bereits ermahnt, fyäufig
burd)brod)en mürbe, ^nbem man biefem 9ied)te gefefelutye ftraft gab
unb feine 3nnet)altung einfd&ärfte, oerfolgte man babei folgenbe 3u>erfe:
SDurd) bie einjährige £auer ber 3)ienft$eit unb burd) bie Jorberung
eines (SntlaffungSfdjeineS roollte mau bem all$uf)äufigen 3Bed)fel beö
©efinbes unb bem 3lbfpeuftigmad)en »orbeugen, gleichzeitig aber aud)
eine Äontrole fdmffen, bafj bas oom £anbe bereingefommene ©efinbc
biefen Stritt mit Erlaubnis feiner Cbrigfeit ttjat. Söefentlicb er-
weitert unb gletd)fam bis in alle @in$elljeiten hinein interpretiert
mürben biefe Seftimmungen burd) bie oon Äönig griebrid) SBilqelm I
erlaffene ©efmoe-Orbnung20), meiere freiltd) audf> nid)ts mefentlid)
Weue« bot, aber bem ©eftnbeoert)ältnis , mie es ji$ bis baljin eut=
roicfelt fwtte, eine beftimmte, fefte ©runblage gab. $ie allgemeine
fojiale Hnfdjauung oon ber fittlidjen 9)finberroertigfett ber unteren
SJolfsflaffen, bie nur aus Bosheit unb Übermut i&re Aufgabe uno
^flid)t nid&t erfüllen, namlid) üjre Äräfte, freilid) gegen (fritgelt, ben
2Bot)ll)abenben jur Verfügung ju [teilen, erhielt t)ier berebten gefefc
geberifdjen 3lusbrurf. £ie ©ef.^Drbn. oon 1718 flogt in iljrer ei*
leitung über ben 3JhitmiUen bes ©efinbes unb über bie eingeriffene
Unorbnung, um bann biefem Übelftanbe in folgenber SBorfd&rift ab-
helfen ju moüen: „£afi, meil bas ©efinbe baburd) merflid) in ber
Soweit geftärfet roirb, manu £nea)te ober 2)tägbe, bie ifjren $err;
fdmften nia)t reblid) bienen unb toie ficfy'S gebühret, begegnen motten,
oon anberen Seuten, mann fie ^errenlofc feon, get)aufet unb gef)eget,
aua) roorjL gar ju unjüd)tigem lieberlidjen fceben oerleitet werben,
bafj tjtnfünfftig niemanb einiges ^erreu-lofes ©efinbel, meines niajt
mit gutem ©ejeugnüs feines äBotyloerljaltens oerfefjen, .... bep fia)
Verbergen unb aufnehmen folle, ben ^ermeobung emftlidjer öeftraffung,
ju meinem <£nbe gemiffe, ebiftens ju beftellenbe ^olijei; = öebiente
") SWpliu«, a. a. c.
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©erlinif$e3 ®efinbewefen im 17. unb 18. ^abrbunbert
313
Ouartaliter unb 3war allemahl 14 £age nad) Dftem, 3<>hannis,
SHidjaelift unb iffiennachten oon $aufj JU ©auf? in bcnen sJiefibenfrien
unb ^orftäbten heimgehen unb alle £aufj-sBtrthe, wegen bes in
ihren Käufern oortjanbenen ßerrenlofen ©efinbes eraminiren, fich auch
barnach ben ben Siachbabrn erfunbigen unb bie Stotnnen unb 3aljl
iolches ©eftnbes, 3Jiämt; unb leiblichen ©efchledjts aufjeidmen, unb
rote weit fie täglich mit ber ^erjeidmüfi gefommen, bem dichter jebes
Orths sufchtefen follen." Wlit biefer SJorfchrift wollte man bas
„©efcen auf eigene £anb", b. h- bie ©elbftänbigmachung als Spinnerin,
Näherin u. f. m. r>erhinbern, ba bie ©elbftänbigfeitsgelüfte als ©mnb
für ben ^errfc^enben ©eftnbemangel angefehen mürben. ®ie Er-
haltung unb $Jefeftigung ber fokalen 3lbhängigfeit ber einzelnen
Stäube ooneinanber galt als eine ber mirtfehaftspolittfehen Haupt-
aufgaben, unb batjer ift es itict)t ju oerwunbern , bafj bie ©efinDer
orbnung bas ^ntereffe ber wirtfchaftltd) beffer geftellten klaffen ma^r-
nahm n). $ie einfettige Sntereffenmahrnehmung finbet berebten
^lusbrucf in bem ^erfammlungdoerbot2')- danach burfte niemanb
3ufammeufünfte bes ©eftnbes geftatten noch julaffen, ba& basfelbe
„unter ftd), roie fic benen ^errfchaften begegnen unb ftd) in ihren
$)ienften ©erhalten wollen, oerabreben". desgleichen jeugt r»on
Parteinahme für bie 3ntereffen ber &errfd)aft bas ©ebot, bafj ber
anjiehenbe dienftbote feine fämtlichen ßaben unb ßoffer $u ber neuen
$errfd)aft mitbringen müffe unb bas 5ied)t ber fcerrfchaft, jeberjett
bie Saasen bes dtenftboten 511 niftrieren. ©nblid) mürbe bem ©eftnbe
jur Pflicht gemacht, fich „im l'eben gottesfürchtig, fromm unb nüchtern,
im -Sienfte treu, fleißig unb unoerbroffen unb gegen bie #errfd)aft
ehrerbietig unb gehorfam" ju verhalten. die bisherigen Sorfchrtften
über 3Riets$eit unb Entlaffungsjeugnis, bie ebenfalls im ^ntereffe ber
^errfchaften lagen, wenngleich fie (ich burch bie 3u0e^°fi9^cit oes
©efinbes rechtfertigten, blieben beftehen. 3lm mtchtigften finb jeboch
bie 33eftimmungen über SRietsgelb, tfolm, tfoftgelb unb ©efinbemäfelet.
2)te Einrichtung bes sJJitetSgelbeö ift fet>r alt, unb bas ©eben unb
5iehmen ber arrha hatte Den (Sfmrafter eines ooUgiltigen Vertrages.
•Jtochbem bas ÜWietsgelb, bas übrigens in ber JHegel nom iiohne
nicht in 2lbjug gebracht werben fonnte, gegeben unb empfangen war,
st) 2)od) tann nid)t geleugnet werben, baß ^riebrid) ©tlbclm I gleid)»
jettig ba« Sufftetgen in eine ljöljere Älaffe begünftigte, roa* j. 33. ba§ Verbot,
bie 3<»^ 3nnung*initglieber &u fdjlie§en, betoeift.
") 5>a*felbe gilt b,eute noQ für gan* Greußen.
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ft. ©ilbermann
fonnte feiner ber beiben Seile mehr uon bem Vertrage jurücftreten.
3n ber ©epDrbn. oon 1718 mürben nun als SJttetSgelb für weib;
liehe 3Menftboten 8, für männliche 12 ©rofd)en feftgefefct, nad> bem
bamaligen Staube bes ©elbeS eine immerhin ausreichenbe Summe.
$)asfelbe mufe auch oon ber &öt)e bes £ofmes gefaxt werben, bie
mot)l ttid^t niebriger feftgefefet mürbe, als fie um jene 3eit überhaupt
üblid) mar; man wollte mit ber gefefclichen geftlegung nur ein adju
rafches Sluffteigen bes Sohnes oerfrinbern, unb bie ©ef.Crbn. felbft
giebt f olgenbe Begrünbung : „Söeil aber auch baß ©efinbe am meiften
baburd) oerberbet roirb , ba& ein $err ober JJrau oor ben anbem
mehr Sohn, auch offters mit unnötigen unb übermäßigen SBeimachtS^
unb 9teujatjr3=@efd)enfen einen 9tuhm $u ermerben fudjen; fo foQ
hinfünftig an Solm 3äljrlia^ nicht mehr gegeben werben als:
(Sinem äutfcher nebft ooHer Sioreo73), meiere jeboch Die §err;
fchaften insgemein nur alle $mei Sa^re ju geben, felbige aud) ben
Seuten $u laffen nicht fdmlbtg feijn foflen, wenn fie nicht jwet 3<*hre
auögebienet ^aben, 12 bis 14 ^aler, einem &utfd)er bei) 4 ober
6 ^f erben 14 bis 16, einem Bor-Deuter 8 bis 10, einem Saquanen
10 bis 12, einem jungen oon 12 bid 16 3ahr 5 bis 6, einem
flnedjt, ber otjne Äleibung bei 2ltf erbau, Juhrmerf, Brauen unb
3Malfemad)en ober anberer fernerer Arbeit bienet, 18 bis 20, einem
Brauer, ber alle Berantwortlichfeit übernehmen, auch ^eben^egifter
führen mufe, 30 bid 40, einer ftödnn, fo nur gut fochen unb braten
fann, 8 bid 12, einer anberen (Äödjin), bie mit hafteten unb Bacf-
werf sugletch umgeben unb fo gut als ein Äoch beftehen fann, 14
biß 18, einer 3Wagb, bie $um Stöben, SBafchen ober anberer £aus=
arbeit gebraust roirb, 8 bis 9, einer 3Hagb, bie beim Brauen fnlfft
ober Branbwein brennet, 8 bis 9, einer Sehend =9Ragb 9 biß 10,
einem Cammer SJiäbchen 12 bis 16, einer Bimmen, wenn fie feine
geheiratete ^erfon unb fein lebenbiges Äinb für fich hat, 12 bis 14,
einer Slmmen, fo lange fie ein lebenbes Äinb hat, 16 bis 20, einer
Äinber-grau 10 bis 12, einem Äinber-3Wäbd)en 6 Xfyaiex." 2lu§erbem
mar an 91eujahrs= unb 2ßeihnachtsgefchenfen 1 bis 2 Xfyakx geftartet
„unb über folches nichts, es beftetje worin es wolle unb unter was
Bormanb es gefchehe". SRoch am Anfang bes 17. 3<*h*hunberts
war es üblich, bem weiblichen ©efinbe ein Stücf Seinen, bem männ-
lichen $emben, auch Schuhe als 2eil bes Sohnes ju gewähren.
**) Wad) Ärünttj a. a. O. foflete bie all« $wet 3a$re ju erneuernbe tftoree
in ben ac&tjtger Saferen be* vorigen ^aferfe. burctydjnittlUfc 20 £baler iäferli$.
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©erlinifae* ©ffinbfWfffn im 17. unb 18. ^afcrftiinbrrt 315
2>iefe Sitte oerlor ficb allmählich im £aufe bes 3at)rhunberts, mat^
fcheinlich unter bem Einfluß bes breifeigjährigen ßrieges. 2ln #ofc
gelb war feftgefefct: für flutjcher, Unechte unb fcafaien 21 ©rotten
biö 1 tyaiex-*), für Vorreiter 16©rofchen, für Sunden unb 3)^ögbe
1 2 ©rofehen wöchentlich- Mit biefem ©elbe mar bei fparfomer £ebeno-
haltung auöjufommen. äUeber bie ^itetogelb^ nod) bie £obn=, noct; bie
ßoftgelbtare burfte übertreten tuerben; bei ^uwiberhanblungen' foUten
jeben über bie Xare hinausgehenben Xtjaler Lolm baß erfte 3Ral 5n, für
bas anbere 3Wal loo X^aler Strafe erlegt werben, bei einem sJJiebr
an ©efdjenfen für jeben ©rofeben 1 Snaler. 92ur in brei gälten
mar es erlaubt, bief e geftfefcuna, ju überf abreiten : wenn bie £errfd)aft
©efinbe auf Reifen mitnahm, wenn bas ©efinbe bie £errfd)aft
wätjrenb einer Äranfheit auf aufjerorbentliche Steife gepflegt tyatte,
wenn ber Dienftbote brei 3abre nacheinanber ber £errfchaft ehrlich,
willig unb treu gebient t)atte, ein beweis, baft lange S)ienftjeiten
nur fpärlich oorfamen. Langel an 2lrbeitfamfeit unb ©eborfam,
„Xrofe unb Siberfpenftigfeü" würben bagegen mit Sirbettshaus unb
Äarre beftraft, unb bei klagen ber ^errfa^aft gegen bas ©efinbe
würbe eine mehr als prompte (^olijeio^uftig geübt — gan$ im
©egenfafc $u bem langfamen ^ro$efcoerfahren bei Streitigfeiten unter
gleichberechtigten bürgern; im jroeifefofatte mar bie (Sntfchetbung
jugunften ber fterrfchaft Megel.
bewegten fid) bie bisher aufgejagten ^eftimmungen im JWafjmen
ber ©emotmheitsformen, wie fie fich bie 1718 entwicfelt Ratten, fo bot
bie Drbnung bes © e f i n b e m a f l e r w e f e n s etwas 9ieues. ®efinbe=
mafier, b. h- £eute, welche ftd) gewerbsmäßig mit ber Vermietung
oon ©efinbe beschäftigten, gab es feit langer 3eit m Verlin, aber
es Ratten ftch owle unlautere Elemente biefes ©rwerbsjweiges be-
mächtigt, bie i^re Kenntnis oon ^erfonen unb Verhältmffen baju
benufcten, um im Grüben $u fifc^en unb fcbliefelid) nicht Mos ©ienft-
boten, fonbem auch fcerrfchafteu ausjunufcen. Sie ließen es ftch
bef onbers angelegen fein, einen möglicbft häufigen SBechfel ber 3)ienft=
botenftellen herbeizuführen, ba jebe neue Vermittelung ihnen eine
neue ©ebühr einbrachte. Vielfach gewählten fie auch ungetreuem
©efinbe Unterfchlupf unb begünfttgten unehrliches ©ebahren, natürlich
unter ©inhetmfung bes Löwenanteils, ^xem 3wecf entfpraa) es,
bas ©efinbe aufauhefcen unb unjufrteben $u machen, wobura) bie
Äluft äwifchen ben unterften unb oberen Veoölferungsflaffen nur
«) 1 - 24 ©r., jpätcr na* 1750 glei$ 80 <&r.
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3. «Silbennann
erweitert mürbe. (Ss rourbc bemgemäfe bett OJefinbeoermietern bei
harter Strafe oerboten, 3wfammenfflnfte fomplottierenben ©efinbes
bei ftc^ ju bulben, ferner ©efinbe, bas fidj im $>tenfte befanb, feiner
£errfd)aft abfpenftig ju machen einen Tienftboten otjne (Snt^
laffungSjeugniS $u oermieten, enblid) für ibre Vermittelung eine
bösere ©ebüfyr als 4 ©rofdjen oom ©efinbe unb ber $errfd)aft $u
nehmen „ben Straffe boppelter ßrftattung unb ©efängnis". Um
grünblid)e Drbnung $u fcbaffen, rourbe bie freie Ausübung ber ©e
finbemafelei aufgehoben, unb man befteüte „in jeber ber iHefibenjien
2 etjrbare Männer unb 2 ebrbare Leiber" ju ©efinbemafleru, nacb=
bem man fie geridjtlicb oereibigt t)atte; nur biefe burften bas ©efdjäft
bes ©efinbeoermietens betreiben. Übrigens icbeint bie Xbätigfeit
eine ganj rentable geroefen $u fein, benn birefte Vermietungen
jmifcben jperrföaft unb ©efinbe fanten nicbt baufig oor, faft alle
gingen burdj bie ,§anb ber ÜJtafler. 3« Berlin mar bei ber ftrengeu
5ßolt3etauffid)t biefe sJ)Iaj?regel mof)l oon ßrfolg, weniger jebocb in
mittleren unb Heineren Stäbten ber 3Karf, roo es trofe bes Verbots
nod) geheime Unterbänbler gab26). $)oa) Weint in ben meiften
anberen Vejiebungen bie gefefclicbe Regelung bes ©efinbeioefens nidjt
oiel genufct $u tyaben, benn ßönig griebria) II fab fidtj 1746 oer--
anlagt, megen ber eingeriffenen Unorbmmg bie oon feinem Vater
erlaffene ©epDrbn. neu $u reoibieren unb jmar red>t grünblidj. 3"
aller Schärfe finben mir l)ier ben ©runbfafc oon ber fokalen SHinber=
mertigfeit ber unteren klaffen gefefelid) feftgelegt, oor allen fingen
in ber Veftimmung, bafe ©Item gemeinen Stanbes it>re Äinber, bic
fie nidjt ernähren fönnen ober nid)t felbft gebraueben, anberen beuten
in. ben $ienft tjin^cben muffen, too.tu fie allenfalls mit 9tocbbrud
angebalten merben follen. ©benfo mürbe bas Sefeen auf eigene
$anb ftrengftens oerboten unb jur ftberroadmng bes ©efinbes ein
Spionagefnftem eingeführt, meines über bas oon griebrid) SSilbelm I
befohlene nod) meit hinausging. 2)ie miebtigfte Steuerung unter
§riebrid) II mar bie (£inrid)tung eines befonberen ©efinbeamts, bem
ber ^Solijeibireftor unter 21)fifteu$ oon oier Mdjtero oorftanb. 3>em
$)ireftor lag junädjft ob. alle ©efinbefadjen fdmeü felbft ju erlebigen,
unb erft menn bies nid)t möglid? mar, trat ber sJiid)ter in ^bötigfeit.
$)od) galt bies nur für Vürgergefinbe, roäbrenb bas ©eftnbe ber
©eneralität unb Äommanbeurs bem ©ouoernement unterftanb, beffen
**) (Ein gleite* ©erbot erging au&> an bic $m;fd)aften («Iber.
«•) Äriinifc a. a. O.
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©crltnitof* Öcftnbfweffn im 17. unl> 18. ^a^unbcrt 317
Entfdjeibungen bann aber beo Beiftanbeo unb ber Genehmigung bes
^olijeibireftore beburften. 2)ie Erlebigung ber Streitfadjen fotlte
fc^neU oor fich gehen, „fofort jur Erefution gebracht unb barin meber
Slppellatione« noch ^rooofationes" geftattet fein. 9Jur „föniglicbe
Bebiente unb Erimierte" burften in widrigen unb zweifelhaften gätten
an bas ©eneraUCber-ginauj.Uriegs-- unb Xomänenbireftorium Be-
rufung einlegen, Bor bao ©efinbeamt geborten alle ©efinbefachen
ohne Unterfdneb, auch bie Unorbnungen, bie oon ben allgemein un^
beliebten commissaires des quartiers gemelbet werben. £>ie mit
^usna^me weniger gälle ino freie Ermeffen beo ©efinbeamto ge=
[teilten Strafarten beftanben in ©elbftrafe, namentlich für bie $err=
fdjaften, unb in ©efäugnioftrafen ober förderlichen Züchtigungen für
Xienftboten. £ie Strafe follte möglicbft ^art fein. 9fea)t be$eid)nenb
ift in biefer Begehung f olgenbe Borfdjrift : „Xamit eines I^eilö bas
Öefinbe^mt wegen feine* ju bejeigenben glei&es einigermaffen be-
lohnet, anberen ^Ijeile bie eommissaires tles quartiere, Policen
Bebiente unb anbere, pr Sinnige ber Übertretungen angefrifd)et
werben mögen; So follen bie Strafen bergeftalt getheilet werben,
baB bie Hälfte baoon bem ©efinbe 2lmt , oon ber anberen &älftc
benen Unterbebienten bes s}>olicet) = $irectorii ein Viertel, nnb bas
lefete ein Viertel, mann Bürger bann oerfallen, ber StabkEämmeret),
bie oon benen Erimirten aber, bem l)ieftgen tUrbeitshaufe jugeeignet
. . . . werben." 2)iefe mittelalterlich anmutenbe Verteilung ber Straf;
fumme bat ihren ©runb unter anberem nud) wohl in bem Beftreben,
ben färglid) befolbeten Beamten einen Sufdmfe ju gewähren. Slber
fie braute auch bie Wcfahr willfürlichev Denunziationen unb trug
jur Beliebtheit bes ^nftituto nidjt gerabe bei. s)loti) in einem
anberen fünfte oerfolgte bie ©ef.:Drbn. oon 1746, übrigens bie aus;
führltchfte unb erfchöpfenbfte oon allen, fisfalifdje 3"tereffen: ^ao
EntlaffungSjeugnis , ohne beffen Vorzeigung fein 2)ienftbote an-
genommen werben burfte, mußte gebrueft fein unb uou ber Stabt=
fämmerei für 6 Pfennig getauft werben; auch bie ©eftnbeoermieter
mußten für bie Äonjeifion 16 ©rofdjen befahlen unb fich aufeerbem
eine gebruefte ©efinbeorbnung für 4 ©rofdjen anfehaffen.
Bon ben übrigen Beränbemngeu unb Erweiterungen gegenüber
ber Regelung oon I71H ift folgenbes heroorjuheben : bas s3)hetogelb
würbe auf 8, bejm. VX unb 16 ©rofehen erhöht; bie neue i'ofmtare
erhielt für bie weiblichen 2>ienftboten faft burchwegs eine Erhöhung
um 2 Xhaler, wäbrenb oon bem männlichen nur bem unteren ©e=
finbe eine gleiche Erhöhung juteil tourbe. 2)as floftgclb für ben
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318
©ilbcrmanit
Vorreutcr würbe um 5, für ben Quugen unb bie 3)togb um 6 ©rofdjen
ertiötjt. 3>iefe "Jlnberung tjat ihren ©runb wot)l teils in bcn oer-
änberten ©elboerhältniffen — mürbe bod) oier 3a^re fpäter ein
oeranberter SRünsfufj eingeführt — , teilö in bem 23eftreben, ben
Langel an bem ju fchweren Arbeiten oerwenbeten ©efinbe ju be-
feitigen. 2lber biefe 2lbfid)t würbe mieber paralnftert, inbem bie Ve
bienten ber oornefjmeu §errfdwften oon biefem &otmrahmen auf-
genommen waren, b. tj- bafe biefe 9lrt ©efinbe höheren #olm
annehmen, allerbingä nicht forbem burfte. 3ßir finben in folgen
Veftimmungen jene Veoorjugung be* 2ibelö, welche griebrichö II
innere ^olitif im ©egenfafc ju ber feineö Katers fennseidmet. $>ie
«Pflichten ber ©efmbemafler, bereu nunmehr 6 befteüt mürben, finb
genau präjifiert unb e$ ift ihnen namentlich eine „orbentlidje unb
accurate" Buchführung auferlegt, fo baß aud ihren ^erjeid^niffen
jeberjeit entnommen werben fann, meiere $)ienftboten nach 9iamen,
Sllter, ©eburtöort burch it)re Vermittlung oermietet morben rtnb.
3ln Vermittelnngögebühr burften fie je bie £älfte bes SWietöpfennigs
oon &errfd)aft unb ©efinbe erbeben, bod) „bei Strafe boppelter @p
ftattung unb 48ftünbiger &aft" nid(>t mehr. 2)ie Scbroänjelpfennige
werben bem ©efinbe bei Ijotjer Strafe unterfagt. (Snblich wirb baö
©efinbe unter eine überaus ftraffe §au$bi$ciplin geftellt, fo ftraff bafj fie
bem ©efefcgeber felbft fdjlieftlid) bodj etwas roeit ju gehen fehlen unb
er in einer befonberen Veftimmung bie £errfdmft ermalmt, „mit
fonjt gutem ©efinbe nid)t $u hart $u oerfahren, noch basfelbe olme jebe
Urfacbe unb um jeber Äleinigfeit willen, mit empftnblichen Schimpfen
unb Schlägen, 'Jlrreft unb bergleidjen übel ju tractiren". Um bas
©eftnbe folibe ju erhalten, mürbe wie ben ©efinbemaflern fo ben
Vier- unb Äeßerwirten oerboten, „3ufammenfünfte ober ^Berfamm-
lungen jum Saufen, Spielen, Muppelenen unb anbere Üppigfeiten,
ober aud) Verleumbungen , Ülfterreben, $)urd)f)ed)elnng unb ©erat-
fd)lagung roiber ihre £errfcbaften . . . bei) Vermeibung unausbleik
lieber Strafe . . . $u geftatten". $)ie ftutfeher, Liener, äödje muffen
oon ben Söirten beim 3öpfcnftreid> nachhaufe geroiefen werben. Qk-
tjolfen haben freiließ alle biefe Verbote, Drohungen unb polizeilichen
Überwachungen fetjr wenig, wie aud ben klagen am @nbe bes 3a^r:
hunberts über ben „Mutwillen" unb bie „Schlechtigfett" Oed ©e:
ftnbes hervorgeht.
>JHan fann mit gutem Mety behaupten, bafe bas ©efinbe bie
unterfte fojiale Sticht ber ftäbtifeben SBeoölferung bilbete, unb bafe
fowohl bas gefeUfchaftliche wie bas rechtliche Verhältnis allmählich
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«erlmtfäes ®eftnbewefen im 17. unb 18. ^abrbunbert
319
eine thatfadjliche ä$erfchlimmerung infofern erfuhr, ab ber gemohn=
heitsmäfeigen SRinberfchäfcung bed ©efinbeä im 17. 3at)rt)unbert
fpäterhin rechtlicher SludbrucE gegeben würbe. 2luö bem ©efinbe
waren im Saufe oon jwei 3ahrhunberten Sienftboten, auo ben
Stenftboten Someftifen geworben. X>od) würbe man ftd) fefjr täuühen,
wollte man glauben, bafe mit ber gefellfchaftlichen #erabbrücfung
auch bie materielle £anb in §anb ging. 25er „ftberfefcung" an
So^n würbe im ganjen 17. jiahrhunbert in Berlin fein ©inl)alt ge;
ttjan 21b ber Sohn bann 1718 reguliert würbe, gefdmh eö auf
©runblage beä um jene tbatfächlicf) oorhanbenen 3uftanbes, unb
ebenfo trug bie Solmtare oon 1746 ben oeränberten SBerhältniffen
Rechnung. 2ln ber S t eu er l a ft nahm baä ©efinbe in ungefähr gleichem
SJtafje wie bie übrige Seoölferung teil, ©in fel)r grofjer Xeil ber
Staate unb Stabteinfünfte beftanb in inbireften Steuern unb 3<Men,
unb an biefen hatten bie berliner Sienftboten um fo mehr mit ju
tragen, ab fie [ich felbft 6ef öftigen unb bef leiben mu&ten. Sßurben
tfopffteuern ausgefchrieben, fo hatte baö ©efinbe natürlich ebenfalls
$u jahlen. $>a$ gefaxt) &. 23. 1648 $ur Abführung ber fchwebifchen
Sffilijgelber 28). Samab mufete jeber Änecht 12, jebe sJ)tagb 6 $fg.
geben. Riecht häufig würbe eine folche einmalige Sfcopffteuer unter
Äurfürft griebrich III (Äönig griebrich 1) erhoben, j. 8. 169? 29)
für 3wecfe be$ SWilitäretab. Me &ofbebienten mußten beitragen,
unb jwar ber geheime äammerbiener am meiften mit 15 Xtyaievn
unb am wenigften bie gewöhnlichen flnechte mit 1 tyatex. &on
anberem ©efinbe, bürgerlichem unb abeligem, gab ber iHüftfnecht
4 tyalex, ber £tmrfnecht i Xt)aler, bie übrigen ftäbtifdjen Stenfr
boten swifchen 18 unb 6 ©rofdjen, für bie ^erhältniffe jener 3^t
eine nicht unerhebliche Summe. Sie in bem betreffenben ©bift auö-
gefprochene Hoffnung, es werbe wohl bie lefete ©eneralfopffteuer fein,
erfüllte fich nicht, benn bie 3ahre 1 701 unb 1704 brachten eine
neue Steuer mit ähnlichen Säfeen. Sie inbireften Steuern waren
namentlich unter griebrich U befonbers hoch/ uu° b*e Neuerung,
welche bie golge baoon war, brücfte naturgemäß auch auf bie Sehens-
haltung be$ ©efinbeä, baö ja feinen Sebarf an Nahrung unb 5llei=
") 2>te aablreidjen t ä ti b 1 i d) e ti ©ef.»Drbit. be« 17. 3abjb- roenben fid>
bagegeu mit affer ©d)ärfe gegen bie boben Poljnforberungen bc« ®eFinbe«;
ftefce bie Sammlung öon Sauer-, <Sd)äfer», ©efmbe- Orbnutigeu in 2Jtpliu«,
corp. const. March. V.
"•) (Äönig,) 93erfu<b einet ^iflor. Sdjitb. tc, ©b. II.
«•) ARpliuS, corp. const. March. IV.
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32« » ^.eilfcrrinonn, 9<rlintf(M ÜrUnbrnefm im 17. unb 16.3abrb.unb«t
bung üon Dem H'obn; unb Jloftgelb befreiten mußte ; in biejem sJ)io
mente lag oielleicbt ebenfalls ein xMnjponi ju ber r»ielfad) beflcuuflt
Unebrlicbfeit be« ©efinbee, jumal basfelbe [ich im ^aufe ber Sabxt
unter bem Öeifpiele ber ^errfcbaft an tytytxe &eben$bebürfnitie flf-
roötmt hatte. 3i*enn baö heutige berliner ©efinbe an ßbrlidtfcit
weit über bem be$ nötigen ^al)rbunbertö ftetjt, fo ift al« ^aupt-
grunb roohl bie 2lufnabme in bie häuölidje 5toftgemeinf(^aft anju-
fefjen. 3roeierlei hat fich fett jener $e\t aber faum geänbert: baö
gefellfcbaftliche ^erhaltniö ^uifd^en fterrfebaft uub ©efinbe unb bie
Jyreiheitdluft ber unteren .Klaffen; barum tyaben auch bie heutt8en
^uftänbe im berliner fcienftbotenroeien eine fo grofje ^h«1^^1
mit benen oor ino fahren.
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l^TitteUungen unb ^lotijcn.
% o If «f »nbliepe ©eftrebungen. fcuf bem (Gebiete ber 33olf$funbe
ift jefct an Dielen Orten eine gefteigerte Xljdtigfeit roaprneprnbar. 3n Stedten'
bürg pat bev i'anbtag fiirjlicp 7000 2Wc. für ein ooltSfunblicpe« ©ammel»
werf unb 1000 SWf. fUr bie $anbbibliotpef be« Herausgeber« bewilligt. $n
©oben tourbe ba« angemalte ^ntereffe burep maffenpafte Verteilung bon
Fragebogen an geeignete ^erfonen für bie Sammlung öolfSfunblicben 9Ha-
teriat« rege gehalten. (Ebenfo pat bie @efel(f$aft jur ftörberung beutfeper
SBiffenfcpaft, Äunfl unb ?itteratur in ©öpmen $evrn Dr,. $auffen bie @antm«
lung foldjer $olf«überlieferungen übertragen. 2>erfelbe pat ebenfalls jtoect*
mä&ige Fragebogen planmäßig oerteilt unb erftattet jept feinen © triebt über
ben bi«perigen Fortgang ber ©ammlung. Kud) an anberen Orten fuept
man biefe Ipättgfeit buro) (Brünbung oon $efcüfd)aften ju förbern, fo in
©aoern unb ©cplefien unb in Sien.
fflir beurteilen biefe ©efirebungen mit großer ©pmpatpie unb folgern
barau« ein immer flattere« ^ntereffe für bie Äulturgef c^tt^t r überhaupt,
©ir werben bemnäepft öieüeicpt ©elegeupeit paben, biefe« ^Jntereffe auch, für ein
ajofjeS Unternehmen jur beutfepen ScHlturgefcpid)te in ttnfprucp ju uepmen. —
£iftorifcpe ©ereiu«fcprif ten. 3)ie ©teigerung be« ^ntereffe« für
bie Äulturgefcptdjte unb bei- Xljätigfeit auf biefem (Bebtet äußert fiep fepr beutlicp
auep in ben 3"M<pnften ber piflorifcpen ©ereine. SRan oergleicpe j. 9. bie
3eirfepriftenttberfi(pt biefe« $efte«, unb man wirb ben reiepen fulturpiftorifcpen
$npalt gerabe biefer 3<>Mo>riften feftfMen tönnen. «injetne bringen über-
haupt nur tulturgefcpicptliepe«. 9Hur fo weiter!
«Reue ©üeper:
«. ©olt?, ©afantafena u. bie fcetä'ren im inbifepen 3)rama. $a« ©eba»
ool! in feinen OJefamtoerpältniffen. 3wei Vorträge. Earmftabt (66 ©.).
G. Maspero, The dawn of civilisation. E|jypt aud Chaldaea. Edit.
by A. H. Sayce, traoslat. by M. L. Mc. Cläre. Bonbon (806 ©.).
L. Gravez, Manuel d'antiquites hom6riques devant serrir princi-
palement a l'etude de l'Iliade. Pouöain (Vül, 116 ©.). — 2). Sofepp, £>te
^aläfte be« pomertfepen (Jpo« m. SRüdfiept auf bie Äu«grabungen # einrieb
Scpliemann«. ©erltn (VIII, 107 4 laf.). — G. FougereB, La vie
3dtf(»iift fit ÄulturgcfHitfcte. II. 21
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322
Mitteilungen unb Norken
publique et priv6e des Grecs et des Romains. Album. ^Jari* (124 ©.). ~
P. De Vincentis, Dell' antica vita romana. Milano (48 ©.) — W.
Ramsay, An elementary mannal of Roman antiqnities. 9. Sufl. Bonbon
(280 ©.) — Lexiqne des antiquites romaines, red. s. 1. dir. de R. CagnaL
$ari« (IV, 337 ©.). — H. Malegue, Antiquites gallo - romaines de la
Haute -Loire. Pe $ub (104 ©.) - O. ©eecf, ©efdjtd)te be* Untergang*
ber antiten ffielt. ©b. I u. «nf>ang ©b. I. ©erlin (VII, 651 ©.).
E. Em ertön, Mediaeval Europe (814—1300). ©ofton (XXV, 607 ©.). —
®. © r up p, Äulturgefdjidjte be* SWittelalter«, ©b. II. Stuttgart (VII, 466 ©.).
D. $öcfer, SRerffteine beulten ©ürgertum*. Äulturgefdjtdjtlidje ©Über
au« bein SWtttelalter, ber reiferen Qugenb geroibm., ©b. 4. 3m golbenen
?lug«burg. Petpjig. — g. ü. Pö$er, Äulturgefdjidjte ber Deutfd)en im SKittet-
alter, 3. (©d)lufc-)©b. SRündjen (VII, 383 ©.). - 5- ©eiler, Die (Snt-
rotdelung ber beutfdjen Äultur im ©ptegel be* beutfdjen Pefjnroort*. I. Die
3eit bi* jur Öinfüljrung be* (Jljrißentum*. $alle (99 ©.) — 3. 3anffen.
®cfd)id)te be* beutfdjen ©olte* feit bem HuSgang be* SWittelalter*, ©b. VIII:
Äulturjuftänbe, 4. ©ud?. (Ergänzt u. &erau*g. 0. P. $auor. ftreiburg i. ©.
(LV, 719 ©.).
©riefe ber fcerjogin Clifabetb, «barlotte oon Drlean* an tyre
frühere $ofmeifterin %. Ä. o. $arling unb beren ©emabl, &r«g. o. 6. ©obe«
mann, tfannooer (XXXII, 234 ©.). — *?• »• Ompteba, 3rrfaljrten unb
Abenteuer e. mittelftaatl. Diplomaten. Sin Peben*- unb Äulturbilb au* ben
3eiten um 1800. Petpjig (XIV, 435 ©.). — Dagebud) SBtltyelm v.$ui<
bolbt* u. feiner Steife nad) Norbbeutfdjlanb im Qab^re 1796. #erau#g. Don
2. Peifcmann (Dueflenfdjriften j. neueren beutfd)en Pitteratur« u. ©eifie*gefd).,
III). Seimar (X, 168 ©.).
Die Cfcronifen ber beutfdjen ©täbte oom 14. bi* in* 16. 3b>U
XXin. *ug*burg. ©b. IV. Peipjig (VIII, XL VIII, 546 ©.). — P. ©eiger,
©erlin 1688-1840. ©b. II (1786-1840). ©erlin (XVI, 661 ©.). - Ä. 8.
3fdjiefdje, $>alberftabt fonft unb jefct. 2. Äuff. #alberflabt (VII, 256 ©.). —
§. ©djud), Nadjridjten Über Papin unb anbere §ofpitalgflter oon Danjig.
(Sin ©eitrag gur pommereflifdjen Jculturgefdjtdjte (fcbfcanblungen j. Panbe*-
!unbe b. $roo. ©eflpreufjen, VII.) Danjig (VI, 104 ©.). — B. @d)leid>er,
©D(f*tümltd)e* au* ©onncberg im SWeininger Oberlanbe. 2. Suff, ©onne»
berg (XXV, 158©.). — Ä. ©d)öppe, Da* alte Naumburg. Äulturgefd?id)t.
Itd^e ©Über au* ben legten 70 fairen. Naumburg (66 ©.). — P. 918 fei,
Bit- Nürnberg, ©efdjidjte einer beutfd)en ©tabt. Dürnberg (X, 686 ©.) —
2llt • Nürnberg. Äulturgefdjidjtlidje ©Über au* Nürnberg* ©ergangentyeit.
1. Pfg. (Nat^au*, Regiment u. {Rat). Nürnberg (14 Daf., 8 ©.). — 3. %
Ariern, ©efd)idjte oon Nürnberg. 2. Bufl. Pfg. 1 — 23. Nürnberg. —
5. Zf). Neiffenftetn, ftranffurt a. 9R., bie freie ©tabt, in ©auwerten unb
©trajjenbilbern. 1. £eft. ftranffurt a. SN. (12 ©., 12 Daf.). — 3. ©reitfc,
en*b.eim oor 60 3a$ren. ©ilber au* bem tynterpfäla. Dorf leben, gorbad)
(HI, 50 ©.). — Äölner ©d?rein*urfunben be* 12. 3f>bt«. OueHen s«r
Nedjt*' u. ©irtfdjaft*gefd>idjte ber ©tabt Äöln, l>r*g. o. ^oeniger. 2. ©b.,
2. $ä(fte. (^ublüationen ber ©efeüfd)aft für rljcinifdje ©efd)id)t*(unbe I, 2, 2.)
©onn (VII, 320 ©.). — (S. ®otb,ein, ©Über au* ber Scultnrgefdjidjre ber
ber ^falj nad) bem 30fä$r. Äriege (©abifcb,e Neujabj*b!ätter V). Äarl*rub,e
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2BitteÜungen unb «Rot^rn
323
(63 ©.). — St. Äalcbfajmibt, ©rfä. be* Älofler«, bec ©tabt unb be*
Äird)fpie(« ©t. ©eorgen auf bem babifdjen ©d)roargmalb. $eibetberg (VIII,
174 ©.)• — ©itte, Da* beut|d)e ©pradjgebiet Lothringens unb feine
SBanbelungen bon ber JeflfteDung ber ©pracbgrenje bis j. ttu*g. b. 16. 3^bt«.
Stuttgart (III, 129 ©.). (ftorfa>ungen j. beutfa)en Sanbe*. u. ©olHtunbe
VIII, 6.) — Äntebe, ©Uber au* ©aarbrutfenS Vergangenheit. 1. SRei^r.
©aarbrüden (V, 263 8.).
5. Umlauft, Wamenbud) bec ©tobt ©ien. Sien (VI, 806). —
3. $auffen, 3)ie beutfcbe ©pradjinfel (8ottfa)ee. <8efä)iä)te unb SWunbart,
£eben*öerbältniffe, ©itten unb <8ebräua)e, ©agen, 9Rär$en unb lieber.
(Cuefl. u. $orfc&. jur töefa)., 8itteratur u. ©praa>e Öfterr., m.) Öraa (XVI,
466 ©.).
6. o. Hobt, 3)a« alte Sern. 8. Orolgc. ©ern (26 ©1.). — Ä. 2>änb«
Itter, ®efd)ia)te ber ©a)roeij mit befonberer {Rttcfftc^t auf bie ©nt'
mtdelung be* ©erfaffung«. unb Äulturleben*. 8. Ob. 2. VufL 3ttricb,
(X, 865 ©.).
C. Douais, Des fortan es commerciales a Toulouse et de la topo-
graphie des eglises et maisons religieuses de Toulouse d'apres deux
testaments (XÜIo-XV* siecles). $ari* (28 ©.). — Lille au XVm«> siecle,
d'apres l'abbe d'Expilly et Robert de Hesseln. 2. Zeil Siüe (59 ©.).
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unb ©ergeben be* ©ubb$i*mu*. Ulm (IV, 48 ©.).
21*
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unb £ujulrn. Sien, (Jjernowty (20 ©.).
A. L ehmann , Overtro og Trolddom fra de Holdste Tider til vore Dage.
III: Modern Spiritisme og Okknltisme. tfobenbaön (176 ©., 3 tof.). —
Bonzel, Histoire et philosophie dn magnetisme. II: Chea les modernes.
$ari« (824 ©.).
3f. SRoner, 2>eutf$e ©agen in tyrer Cntftefcung, Jortbilbung unb
poetiföen ©eftaltung. ©b. I: ftauß; litt (Eulenfpiegel; 3)er eroige $ube;
SMtyelm £eH. (Siegen (IX, 146r 63, 88, 79 ©.). — «• 3- ©tetner, 35a*
aRineralreid? nad) feiner ©teflung in SDlptfjologte u. ©olfSglauben, in ©itte
u. ©age, in ®rf<^icf>te u. ?ittcratur, in ©prfl$roort u. ©olf«feft. 0otb.a
(X, 142 ©.).
©. ©orcfcarbt, 3)te fpri^wortlidjen «eben*orten im beulen Solid-
mnnbe. $n gän$luber Neubearbeitung $erau«g. non @. ©uftntann. 6. VufL
eeipaig (X, 634 ©.).
91. 8. ©erger, SWartin Putzer in tulturgefd)id)tli<ber Starftettung , I.
(®eifte«&elben ©b. XVI, XVII.) ©erlin (XXH, 506 ©.). — <S. ©olff,
®ottf<bebe ©teflung im beutfdjen ©Übaing«leben, I. Äiel (VI, 281 ©.)•
@. 2> i e , 3Mc beutfdje ©urfdjenfdjaft in $eibelberg. GKn ©eitrag jur
ftulturgrfa)ia)te beutfäer Uniberfitäten. $eibelberg (III, 162 ©.). - Won er,
®efd?id)te ber Uniöerfität 3freiburg i. ©oben in ber erften fcälfte be« 19. $bbt«.
8. (©d^lulO^eil, 1830-1852. ©onn (186 ©.). - 3. W. $oUwetf, 0e-
fd^ic^te be« ©oir«fdjuln>efen« in ber Dberpfatj. «egen«burg (VII, 452 ©.).
0. ©ä) arff enort, 3)ie $agen am branbenburgtf$en unb preußifdjen
$ofe. 1415—1895. öeiträge jur Äulturgefdjt$te be« $ofe«. ©erlin (Vm,
168 ©.).
be ©rö, Emblemata nobilitatis. ©tamm- unb ©appenbu<$. (Franco-
furti 1598.) ARU einem ©orroort über bie gefdjidjtl. Cntmicfelung ber ©tamm«
büdjer bi« jum (Enbe be« 16. 3$bt«. b.erau«g. oon ©arnecfe. ©erlin
(10, VI, 81 ©. u. 68 £af.). — be ©ru, Emblemata saecularia. Äultur-
g,»jd}i<$tli($e« ©tamm* unb ©appenbu$. (Oppenhemii 1611.) Kit einer
«inleit. über bte ©tammbü<$er be« 17. 3&bt«. &erau«g. bon ©arnede.
©erlin (8, 56 ©. u. 100 £af.).
Ä. 28 alder, ©efd). ber Wationalöfonomie unb fces ©opa(i«mu«. Seipjtg
(X, 113 ©.). — *öfer, p^rer bürg bte fokale &rage be« «Itertum«, be«
SRittelalter« u. ber tteujeit ÄartSru^e (V, II, 172 ©.).
© eitr äge jur ®ef$t$te ber ©ebölferung in 2)eutf$lanb feit bem Anfange
biefe« 3ab,rb.. V: Ä. ©eutemann, Äinberfterblidjfeit fojialer ©eoblferung«-
gruppen. Bübingen (VI, 167 ©.).
2f. Äeutgen, Unterf ucbungen über ben Urfprung ber beutföen ©tobt*
»erfaffung. Peipjig (XI, 236 ©.).
3. Dann eil, ©eitrag jur <0ef^. be« magbeburgif^en ©auernftanbe«.
I: 3)er Ärei« ©otmirftcbt. £eft 1.2. ^aüe (64 ©.). — ©. 0. ©rünnetf,
3ur Oefdji^te be« örunbeigentum« in Oft- u. ©eftpreufjen. II: 25ie 8eb.n-
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SWittetlungen unb ^ottjut
325
guter. 1. SDo« Wittelolter. ©erlin (128 ©.). - »• Vuignier, L'eyolution
agricole aux Etata-Unis. Wancu (41 ©.).
«. Änittel, ©eiträge jur «efd>. beft bentfd}en <»enoffenfd)aft*roefen*.
Bübingen (VII, 124 ©.).
J. E. T. Rogers, The indnatrial and commercial history of England.
2. %nfL 2 ©be. Bonbon (610 ©.). — M. Phillips, A history of banks,
bankera and banking in Northnmberland, Dnrham and N. Torkahire.
Bonbon (89 ©.).
©erebariu«, 3>a« ©n$ oon ber ©eltaoft, «ntwidel. n. ffiirfen ber
$of» u. £elegra»b> im ffieltoerfe&r. 3. Vufl. ©erlin (VIII, 867 ©.). —
C. E. Stretton, The locomotive engine and ita development. «Reue Üufl.
Bonbon (216 ©.). — S. G. Marghetiteh, Etüde snr les chemina de fer
de l'empire ottomau. Apercu historique etc. Brnxellea (205 ©.). —
SRarggraff, 3)ie löngl. baoerifd)en @taat6ei{enbab,nen in gefcbtd)tttd)er
u. ftatift. ©fjtfb,ung. ÜRüncfcett (178 ©.). — H. Decugis, De l'influence
dn progres des Communications anr Involution des societes. $ari* (27 ©.). —
A. Martin, Etüde historique et statistique sur lea moyema de transport
dans Paris. $ariö (463 ©.).
<£. Siegel, 3ur ®eia)id)te be* $ofamentiergeroerbe6 mit befonb. SRütf«
fldjtnabme auf bic eragebirgtfä)c ^ofamenteninbujlrie. 2. (Ittel.) Hufl. Unna»
berg (VIII, 126 ©.)•
A. Weber, Un apothicaire vervietois et le chat-volant Supplement
Ü?c roier«.
L. Bourdeau, Etudes d'histoire generale. Histoire de l'alimentation.
$ari* (876 ©.).
3ur ©efd)id)tc ber Äoftüme. 2 Xeile. («u« „SRflnfl. ©ilberbogen").
9ttünd)en (50 u. 41 ©ogen). — Th. Child, Wimples and crisping pins:
being studies in the coiffure of women. 9lem $orf (VIII, 200 ©.). —
$ottenrot$, 2>cutfd)e Irod^t. 11. Bfg. Stuttgart.
F. Ongania, L'arte della stampa nel rinaaeimento d'Itaiia. 2 volumi.
©enejia. - D. o. $e in emann, Sie Ex-Libris-©ammlung ber berjogl.
©ib(iotb.ef ju »olfenbattel. 160 auftgetoätyte ©üayrjeid>en be* 16-19. Sfobt«.
mit einer Einleitung, ©erlin (38 ©.). — L. Pelisle, Un feuillet des
heures de Charles, frere de Louis XI. Lettre a M. Chabouillet. '.Hogent*
Be-SRotrou (6 ©.)• — W. S. Brassington, A history of the art of book-
binding. Bonbon (290 ©.) — H. Beraldi, La reliure du XIX. siecle. I.
«Bari« (XLIII, 127 ©.).
Dictionnaire de l'ameublement et de la decoration depuis le
XIH. siecle jusqu'a nos jours. 4 ©be. $ari« (Vin, 1092, 1886, 1361,
1768 ©.).
«. ©ebler, ©efd)i$te ber ©iegel. (^flnftr. ©ibl. ber Äunfl. u. «ultur-
ge|d)i$te, ©b. VI.) Beiojig (VIII, 893 ©.).
T. E. Thouvenin, Precis historique illustre du train des equipages
militaireB. $ari« (VIII, 297 ©.).
H. S. Salt, Animal's rights considered in relation to the social pro-
gresa. 9lero ?)ort (XI, 177 8.).
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326
ÜHitteitungen unb »Otiten*
3eitfo}riftenauffät>e:
3fttf*rift für ©oatal- unb ©irtf$aft*ge f$i$te m, 2:
«. ©pulten, Die römifdfcen ®runb$errfo}aften I; SB. Cunningbam, Die
(Einroanberung Don 9u«(änbern in (Sngtanb im 19. 3al?r$.; St. o. SRobr«
treibt, Die ttufna^me ber ©eroerbefreibeit in Greußen II— IV; 3. 9tebli$,
?eibeigenf$. u. Bauernbefreiung in Cfterreidj.
2Ri Heilungen au« bem <B ermanif c^en ftationalmuf eum 1894,
©. 105 — @a}(u{j: ©öfo), Da« fcänfeln ber ftufcrleute in »Arnberg;
©bfa), ?anbwirtf(baftli<$e öefäfiftigungen int 15. 3abr&.
3 ei tf c^rtf t be« ©erein« für ©olt«funbe IV, 4: et. $rato,
3nm Sptfoben au« jroei tibetaniföen ftooetten in ber orientaHfäen u. oeci-
bentalen Überlieferung; $. fteilberg, Die 3a*?lfU im bäniföen ©rau$
unb ©olf«glauben (©$(.); C. fträntel, Hlte« u. SReue« jur 9Heluftnenfage.
S. $trrmonn, Der ooIf«tttml. Äalenbergtaube in Ungarn; O. Daoibffon,
3roei (Erinnerungen an ben $anbet ber Hamburger mit 3«Ianb; Sß. ©attori,
Der©a>ub im ©olttglauben; ©. Smalfi, Sine türKf^e (f rjäblung in einem
italien. ©$toan!e; 3. ©olte; 3»ei ftlugblfitter oon ben fteben ©<$waben;
Gcnglert, Da« ?ieb Dom $ater Ouarbian.
iKitteilungen be« 8 er ein« f. (Srbfunbe 31t #aüe 1894: ©tein»
tyoff, ©on ben $eufe(«mauern bei ©lanfenburg unb bei 3$al am #arj;
<&. ^ oppe, kleinere Witt, au« Srtern. (Darin II. (Einfübr. b. ÄartoffelbaueS ;
III. Shoa« oon ber ftafyrnng, ©irtföaft u. £(eibung unferer ©orfa^ren.)
SKitteilungen ber geogr. @efellfo>aft in Sien 87, 10: K.
Äatnbl, Die ©etterjauberei bei ben fflutbenen u. ^ugulen.
OUobu« 67, 1: SR. £e$mann.$ill>6«, 3«länbifcber $erenfpuf im
17. 3abrb.; 67, 2: «. $oft, 3ur <Jntwi(felung«gef($i<bte ber ©tragen;
67, 8: ©. 3- $offmann, 3U* ©olf«funbe ber Deutfdjen in $ennfDloanien.
SRitteilungen be« ©erein« für bie ®efd). oon Arfurt XVI:
©. Oer gel, 3ur Srinnernng an bie Unioerfttät Arfurt; 3L $i(f, ©riefe
92eitt)arbt* 0. ®neifenau an Dr. ©• ©i*gf»ng; ®. Oergel, Urfunben
jur ®e|d)io}tc be« Collegiums majus ju (Erfurt: 13. 3 f r^ ief e, ©etträge jur
©orgef(bia>te X&üringen«. 4. ©ebrannte ©alle in Ebringen. 6. Der ©olf««
tifd) bei #ifeelrobe. ©etyeft: Da« Collegium majus oon ©. Oer gel.
$reu&if$e 3af>rbfl#er 79, 1: ©. Delbrütf, Da« SWutterreajt bei
ben Qnbogermanen.
{Mitteilungen ber ®ef ettf djaft für beutfdje (Erjtel) 11 ng«« unb
©$u(gef$td)te IV, 4: ®. ©teinljaufen, 'Die Jbealerjtelpung im gcit.
alter ber ^errücfe.
3eitf c^rif t für ben bcutfa} eu Un terriä)t IX, 2: O. ölbbe, «inber.
reime au« SWetflenburg.
Äorrefponbeniblatt be« (Sefamtoerein« beutf(ber ® ef o>.. unb
a(tertum«o ereine 9tr. 11: 0. Xbubicbum, Die 9ie<bt«fpracbe a(« ^ilf«*
mittel jur $eflftettung ber urfprünglid)en ©ebiete ber beutfa)en ©tämme;
92r. 12: ©er^anblungen über bie Äircbenbud)«fragen ; ©ello, 2>ie Äird>en«
büa^er im ^ergogtum Olbenburg; 3* 8Warbad>, 2>ie Suffübrung bes geif)-
litten ©piel« „oon ben jetyn Jungfrauen".
3eitf(^rift f. b. «ealfo^ulwef en XIX, 10: SR. S&rat, Die ©ebeutung
u. ©ertoertung b. Äulturgefö. i. b. SWittelfa^ulen u. öerwanbten Unterrid)Wan^.
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Mitteilungen unb Wotiaen
327
Mitteilungen ber f$feftfd)en ©efetlfdjaft für ©ott«tunbe I,
1: Bogt, Über f$tefif($en ©olf«glauben; 35 renaler, ©agen 00m Staffier«
mann au* ber ©egenb Don ffatfdjer.
©epbeutfdje 3eitfd)rift fttr«ef$. u.ftunftXm, 4: «.©agner,
fflömiföer ©iergbtterftein unb reitenber 3upptter au* Stein - ©tetnbatb,
«. Durlaa}, ©aben; 9t. ffnipping, 2>a« ©djulbenroefen ber ©tobt Äöln im
14. u. 15. 3&bt.; ©abimann, 3)ie SWilitär.«fabemie ju ÜRünfler i. Sö.
Mitteilungen be* ©erein* für ©effl. ber ©tabt SKei&en III,
4: Poof e, 2>ie älteren SKei&ner 3unftorbnungen, II. 2)ie ©cbnetber; 9Hbf $e,
©efdjidjte be* ©olf«f<bulroefen* ber ©tabt SWei&en; Poofe, SfranifäV*.
Mitteilungen an bie flRitg lieber b. 8 er ein* f. beff. ©efd/idjte
1893, 1/4: 3. ©ircanf, ©ei«tum Don ©aljfälirf.
3eitf<brift b. ©er ein* f. beff. ©efebidjte. 91.5.19: 3. Ärefcffl mar,
$te ^ngenbjeit Oobann SaSpar* 0. Dörnberg; SB. f^afcf enbetner, Urfiinben
jur ©ef<b. b. Unio. Äaffel.
©cblefien* SJorjett in ©ort unb ©ilb VI, 2: «. ©eder, 3)a*
©rabmal ber fcerjogin 9Recbtbilbe öon ©logau; (£. ffiernide, 3ur ®ef$i*te
fd>leftfd)er ©djlo&bauten; ©. ©rempler, SNittelalterli($e ©ronaefäalen;
d. ©ua>roalb, 2>a« $au« eine* ©tabtapotbefer« Don ©rieg; ftrauenjimmer-
Drbnung £er$og $eorg« II oon ©rieg Dom $abre 1654; 9teujabr«tounf<b
eine* ©re«laner* 00m 3abre 1738.
«beinifcbe ©efdjidjt« blätter I, 9: Ä. Dirffen, Bolf«funblicbe«
au* SWeiberitt).
Xburgauifdpe Beiträge j. Daterlänb. ©efdj. 84: 21 mftein, StuSjug
au* bem „Journal" be* 3ob. Äonrab Sreienmutb, (ftortf.); 3. SWeper,
Drbnung oifd)en«balb im ©obenfee 1544.
3eitfd)rift be« bergifdjen © ef ($irbt«D ere in« 30: ®. D. ©eloro,
Oueüen jur ©efd>. ber ©cbörbcnorganifation in 3üliäV©erg im 16. ^abrb«;
». SRöratb, öin bergiger 3olltarif 00m Qabre 1639; Urtunbe 00m 6. 3Rai
1437, betr. Wieberlaffung eine« flpotbefer« ju Cleoe; Ä. ©pannagel, 2>ie
©rünbung ber Peiueroeberjunft in Glberfelb u. ©armen im Oftober 1738;
Urtunbe oom 2. Cftober 1290, betr. einen ©einberg be« lemplerbaufe« in
«Rieberbreipg ; ft. Si'adjter, Briefe nieberrbeinifäVr tfumaniften an ©rafimu«
(1529—36); St. Ärafft, 9Utenftiide, betr. ben Äauipf im ©uppertbale gegen
Die (Erbauung eine« £b"ter« ju (Slberfelb (1806): je. Ärafft, Der roefl*
fälifdje Reformator ©erwarb Oemifen über feine PcbenSgefcbidjte; St. Ärafft,
(Jrjäblung be« Scrftrr *ßaftor« ^obanne« SDioDeru« über fei »1 Peben bi« jum
$abre 1709; S. Ärafft, (Einige V eben«umftänbe be« ^rebiger« 3 £. $enfe
ju Duisburg; Urtunbe Dom 22. Hpril 1431, betr. (Smpfcbluug be« Pieentiaten
^. Clobebot au« ©c^teRen f. b. jüliaj'bergifdjen ^ofbienft.
ÜWitteiluugr n ber beutfdjen © efellfd). in Peipjig IX, 1 : ©fintber,
3ur ©ef<bi<^te be« Peipjiger Mufenfriege« im 3abre 1768; 3)erfelbe, fluet
©ottfdjeb« ©riefrocdjfel; ©ucbmalb, ©imon ©übe au« 3n?'t'au- ®'n
Jöittenberger ©tubnitenleben jur Qt'u ber Deformation.
3abrbucb f. ©ef(b-, ©prad)e u. Pitteratur (Slfafi-Potbringen«
X: ©. Deede, Die Pigurev im dlfafi; 5. (J. 9iep, 35ie gefd)i(btl. (Sntroidelung
ber je^igen (Eigentum«Derbältniffe in bem beiügen gforftc bei Hagenau (JJortf.);
Ib- ©ulpinu«, 8e<bjeb,n ©riefe $eter ©ebott« an ©eiler D. Äapfer«berg;
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328
äfeitteilungert unb töettjett
SC. $erjog, 3)a* elfäfftfcbe SBtrtSbauStoefen wäbrenb be* SRittelaltc r$ ;
«affel, 3ur ©olföfttte im Clfaß; ©r. @tet)le, ©oir*tum(io)e ftefle, ©Uten
unb ©ebräucbc im (Slfaß; ©olf«trao}ten in Oberfeebao}.
3 e itf <^rif t be« $ar joerein* XXVII, 8: ft. 2) anneü u. d.^acob*,
$anbtoerfer-, lagclöbner» u. ®efinbe«Drbnung f. b. (Sebiet ber ©tifte SWagbe-
bürg, $alberftabt, $ilbe*tyeim u. b. Herzogtümer ©raunföroeig, Dom 26. 3uni
1445; SL flfteinccf e, Sie ©d}ü&enbrttberf4jaft gu Oftenoietf; 9. (£(üffen,
(finbecf im 16. $bbt.; 2)omeicr, Qnx ©cjdjicbte be* Cinbccfer ©ter«:
U. $ölf$er, ®o*larifcbe fteuerorbnung Dom 19. Februar 1540; $. gacob«,
Bu* bem 9tcebnung*bu<$e be* SBernigeröber Sekanten $ob. Äertener (1507
biä 1641); 3. SWofer, kleiner ©ettrag $. <&efd>. b. Oueblinbnrger $e?en«
projeffe; 3>erfelbe, ^crengefcbtdjten au8 bem $farrar$ior gu ©ennungen.
♦jettftbrift bc« ©ereilt* f.fcamburger (Befd). IX, 8: Ä.tmfind,
3)ie erften bamburgijdjcn Slffecuranj » (Sompagnien unb ber 9Utieut)anbel im
3>abre 1720; O. 91 II biger, ©erfucb, einer 3unf^bung unter ben ©djul«
baltern im ©t. Sacobifircbfptel um 1700; C. ©aebecbcn*, 2>er Herren*
flafl unb bie dt fiten • Liener; SR. $eraeud, Hamburger ©tubenten auf
beulen unb au*läubif(ben $ocbJ<bulen 1290—1650.
SRitteilungen b. ©efellfcbaft f.Äicler ©tabtgef d?tdjte $eft 18:
(£. SRobenbcrg, flu« fcem Vieler tfebcn im 14. unb 15. 3abrt)unbert.
Mitteilungen De* ©erein* für Pübetfer ©efo>. u. «Itertum*.
tunbe VI, 7/10: ^ äffe, ©ilblidbe 2)arfteÜuugen au* üttbcd* ältcfier
©eftbtcbte; SB. ©rebmer, tfotjn eine* ©efcbüfcgiejjer*; (l. SBaltber, Wein,
fpricft ©varoert; SB. ©reljmer, flu* ?iibrcf3 ^ergangenbeit; SB. ©rebmer,
Hu« lübedifoVn Seftamenten ; <J. ©tiebl, $te lübedif^en ©tabt- unb gelb-
trompeten; $affe. ©Uber «©erfteigcrungen am (£nbe be* 17. u. ©eginn
bc* 18. $bbt«.; SB. ©tieba, 35ie ftomtlie ©römfe u. ba* tfnbe be« ©iirger.
meifter« ©ietricb. ©römfe; ©run«, 25a« ©djidfal bc« ©ilbcrgeräte« ber
?übeder ©ergenfatjrcr; fcaffe, ©aUfpiel im 15. 3bbt.; SB. ©rebmer,
©ertrag mit einem Xurtnbeder.
3 eitf d> ri f t f. tfübeder ©efcb. VII, 1: ft. Xecben, 5>ie örabjleine
be* 2) om 4 ?übcd; ö. SB ebrm an n , SDtc ©cebabcauftatt &u Xraocmünbe;
d. $acb, 3ur ©cfd)id)te ber großen Orgel in ber ©t. 3afobi«Äiro>e $u ?ltbed
unb bc* fcpitapbmm* Don 3od)im SBuiff bafelbft.
©eiträge jnr ©efc$icbte ber ©tabt «ofiocf IV: Ä. Äoppraann,
3ur &e\d)\(S)te ber Pänber SBerle unb ©a)roan; Ä. Äoppmann, ©on ber
Ober * SBarnom; ZI), ©obm, 2)er 9tat*berr 3ob,ann SButf ber ältere unb
feine Wa$fommcn; $. Äraufe, flu* $cter ?auremberg* !£agebu(^. ©eitrag
jur @efd)i(bte bc* ©arten*, namentlich Obflbaue* ju 9loflo(f mä^reub be*
aojätjrigcn Äriegc«; Ä. Äoppmann, (Statuten unb 9tat*miUfflren; Sl. ^of»
meiftcr, 3uv ®ef$io>te ber Äircbfpietfcb,ule ju ©t. SRarien; Äleinere SRit-
teilungen unb Wotijen: 1. Ärfujbrüde, 2. ©tangenlanb, 3. Äarl*b,of, 4. Ztfoten-
üfte, 5. W-Äpotbetc, 6. SRagifter Wtfolau* 8tu\}e, 6. 3otbim ©cb.lu, 8. Hoftotf*
längfte ©tunbe.
«Itpreu6if<be 9Ronat*f cb. rift 31, 6/B: 2. ©tieba, 3»ei Äonig*-
berger (SJelcbrte be* 17. u. 18. 3l)bt., bie beiben ©djrciber; H. Xrcic^cl,
©olt«tümlicbc* au* ber ^flanjcnroclt; 10: ©. ftroeblitb, «in ?anbfd)u|.
tatalog Dom 3abre 1766.
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Ufeitteitongcn Uttb töotljett
©Triften bei ©ercttt« f. QJefcb. ©ertin* 81: 3f. $olfce, Die
©erolincnften be* $eter ©afftij; O. $infee, Gtne Denffärift über ©erliner
2J?annfaitun>erbaltniffe au* bcm 3abre 1801; «tau*mi$, itrit. Überflcbt
Uber bie 8tttcratur 9. «efcb. ©erlin*; S. ferner, 2>enffc^rift be* ©erfincr
©tabtrats Doete Aber bie 9ia$tei(e ber ®en>erbefreibcit aus bem 3abr 1818.
«Reue* Paufife. 3Jtaq,ajin 70, 2: 3*$** $cinridb 00m Dorfe. (Sin
GJörlifcer Bürger bor 600 ^obren; ©. t>. ©öttid^er, Die roenbiftben
Öbebienjbörfer unter bifööfl. mei§nif<ber unb furfürfll. fötbfifcber $errf$aft;
«notbc, Da« @$ulwcfen auf ben Dörfern bc* ©einübe* 3ittau bi« 1835;
3e$t, «efä. oon ®örli|} bi« um bie SRitte bc* 18. 3bbt«.; «. «abe, Der
Äontor (£b«nopb Demant in 3ittau (1597—1604).
$abrbucb b. b'ftor. ©eretn* bc* Äanton GMaru* 30: IE. $after,
Der römiftbe $anbel*u>eg oon $üx'\Q na<b $bur; ®. $eer, Da« glarneriföe
^oftroefen in 16. 11. 19. 3bbt.
SWitteilungen ber ®efellf d>. f ür ©aljburger ?anbe«funbe 34:
5. ©. 3il(ner, Der $au*bau im ©atjburgifdfen (^ortf.); $. $artmann,
2b»pi>™ftu* $araeelfu«; $i<f, ©ebiaud? bc* foa.cn. „ Bügen.® lö<f (ein*" im
faljburg. «ebirge; 3. ©. 3t 1 In er, Die faljburgif^cn SRarttfledcn. «ine
gefcbi<b«. ©tubic; 3- $injgaucr Wanggelfefte ; Ä. ©uttfc, „©efutb-
briefe" au* bem 16. 3bbt.
Äorrefponbcniblatt bc* herein* f. fiebenbürgifd)e ?anbe««
(uube 1894 7/8: 3. ©agner, 3ur ©olH'unbe au* Draa*.
SWitteiJungcn be* herein* für ®r{$. oon O*nobrücf XIX:
*. o. Düring, ©ef$ia)te be« ©Ufte* ©Örflel II; «onrab*, Der Urnen-
friebbof auf bem fogen. ©Oesterberge bei ©ernte; *JJrejaroa, Die Pontes
longi im Sfdjcncr SKoor unb in SRcttingbaufcn ; ©ermifebte«.
2R onat«fd>rif t bc« ^ t fl 0 r. ©crein« oon Oberbaocrn IV, 1:
9R. ftafHinger, Die Ätrcbenpatroctnien be« l^etl. ^Sttrud u. bc« b*u\ SRartinu«
in ber (Erjbiöjefe SRünd)en»3reijtng u. beren futtur^tflorijetje ©ebeutung.
3eitjd)rift f. b. ®e|tbid)te «• »ttertum«f unbc «rnttanb« XI, 1:
Dombron>«fi, Der Dugenbbunb in ©raun«berg; 3. ©cnb er, $etbengräber
in Srmlanb; $ipler, Die ermlänbifä)en ©tubenten auf ber »Ibertina.
ttr^io ber „©ranbenburgia", ©b. I: ®. ©abrfelb, Da« mfirtiföe
SRungtoefen im Mittelalter ; ®. ®allanb, ©a« eine branbenburgifebe Äur«
fttrfliu an ©ebmuef, ©erätfäaften u. bergl. befa§; <E. 0. 9Ra(tity, Qux Qöt.
fdjicbte be« Siftercienfer« u. 3ungfrauen « Älofter« unb ©tift« j. tftxl. ®rabe
bei ©il«nacf; <E. ©cbtlb, Da« branbenburgifebe u. preu&ifaV ftelbprebiger»
toefen in feiner geftbicbtl. Cntroicfelung ; 9t. SKielfe, Da« ©auernbau« in
ber STOarf; ©a>roar<}, ittr^Uc^e« ?eben in einer märt, ©tabt roäbrenb
be« 17. 3bbt«.; ©• ©a^roai^, ©om ©agenfammeln.
3eitfcbrift be* «ar^ener ©ef(bi(bt*Der ein* XVI: S. 3ai«,
^rantcntbaler ^orjeflan in Stadien.
92orbb<iufer Familie 11 blätter 1894, 9ir.77— 79: |>. ^ eincef, $ro^eg
unb Regung be« $ocbnotbpcin(icben ^a(g-®eri(bt« al^trr 3U 9lortbaufcn oor
bem ©cinfcHer gcbalten 5Wai 1694.
©onntag«beilagen jur ©offifeben 3eitung 1894, 92r. 41. 42:
(Srnft, Die Anfänge ber Religion; «Kr. 42. 48: ®. ©immet, Der Dlili-
tari*mu* unb bie ©teßung ber grauen; Wr. 45: 9t. (Sn gel mann, Die
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Mitteilungen unb 9cotijen
pomerifcpen ©offen; <Rr. 49: St. &inr, 9ieu.©raunfel«: Wr. 49. 60: 0. Äern,
$er griecpifepeSWarft; 92r.61.52: «. äReper-Ärämer, Ku« ber altromifcben
Siuberftube; 1895, <Wr. 11. 12: ©. «Steinhaufen. ftrauenbriefe.
Krcpio be« p iftorijcpen Verein« t>. Unterfranfen 86: ©. ©öbl,
2)ie erfte öffentlicpe Pefegefeüfcpaft in Sürjburg; S. (Sbrenburg, Beiträge
j. ©efcp. b. fränt. Kartographie 3- b. Jürftbifcpof« 3uliu« (Stüter o. SRefpel»
brunn II. (Sine SRunblarte be« «inte« 9ieufiabt a. b. ©aale oom Sapre 1589.
Wacpricpten oon ber ©cjellfcp. b. SBiff. au ©ottingen 1894, 4:
®. (Sopn, 3ur ©efcpicpte be« englifcpen Äanalroefen«; IE. $ren«borff, $ie
Pepn«fäpigfeit ber ©ürger.
3eitjcprift f. cpri fil. Äunft VII, 11: S. ^ufti, Sie ©olbfcpnmbfamilie
ber Krppe II.
3citfcprift f. bcutjcpe« Altertum 39, 1/2: ©cpulte, 2>ie ©tanbe«»
üerb,ältniffc ber 9Rinne|änger.
3eitfajrift be* beutfa)en ^aläftina. Verein« XVII, 4: tt.Höp.
ricpt, 3>ie Serufalemfaprt be« ^einrieb, ü. 3cblip (1493), ©cplu§.
Km Urquell V, 2-12: K. yoft, 2Rittcil. a. b. bremifepen Volf«leben;
O. Knoop, 2)te neuentbedten beulen ©öttergeftalten unb ©ötteruamen ;
K. ffiiebe m ann, &gpptifd>e Xotenopfcr u. ipr3roed; Sl.$errmann,SRagpar.
ftodjjeitbräucpe in Siebenbürgen; K. Ireicpel, ^Jolniicpe Heber; Ve$eia>-
nuugen ber Srunlcnpeit i. b. ©praepe be« Solle«, eine Umfrage; K. Vrunt,
Xierflimmen im Volfmunbe; (5. Mab em ad) er, äRatfttten am »pein: 2p.
&cpeli«, Über ba« roiffenfcpaftl. ©tubium ber «Maturoölter; y. ©artori,
©onberfpracpen; ®ep>tme ©praepweiien, eine Umfrage; Üopfloje ©pul-
geifier, eine Umfrage; Vergrabene ©cpä|jf, eine Umfrage; SBoper fommen
bie Äinber? eine Umfrage; K. fiparap, Voltglauben galijifcper ^uben;
K. ©icbemann, 3ur ^olpppemfage; Xp. Volfob, 3>er ©elbflmörber in
?itpauen; ft. ^eilberg, 35ie ©aumfecle bei ben 9Zorbgermanen; K.
Cpamberlain, Über ben 3auber mit menfdjl. ölut u. beffen Gerrmonial-
brauep bei ben ^nbiauern «Rorbamerifa« ; ?. aßanbl, £erappine; K. (Eng.
lert, 3u ben Webern „3n be« ©arten« bunfler Paubc" unb „2Rübe leprt
ber ©anber«manu judict"; 2>a« 3au&crfW f'nc Umfrage; O. Änoop, Die
neuentbedten beutfepen ©öttergeftalten unb ©öttcruaiueu; K«mu«, 3auD'r'
gelb; D. ©cpell, (Einige ©emerfungen über bie (Eibecpfc im ©olfgtauben;
K. ireidjel, 3un9fnü&unflen au* Greußen; Herfen«, Da« ^oepjeit«
$eulbier im ©rohltpal; P. fträntel, Die Peonorenfage, eine Umfrage;
©. ©pifecr, ©lut u. (Eifcn; K. Söiebem ann, (Sine «eft^ergreifung im
17. ^aprpunbert: «. ©prenger, Sit ©urjel be« Cebcn«; 3. SWefiorf,
P. a«anbl, ^. Volfdmann, «auopfer; ©. SB. ©ebiffer, 3ur VolHunbe
paläüinijcper 3u^fni ^aut oerfaufen; ©curat, K«mu«, Volt«*
mann, Siebglauben; $. ^. ^eilberg, Sie fiep $oit«märcpen verbreiten;
©. ©a^roeinburg • ßtbeujcpifc, 3ur Volffunbe ber 3uben $öpmeu«;
ft. (S. ^aafe, Äinberfpiele au« ©reuten in Xpüringen; O. ©cpell, Cinige
©emerfungen über ben „SKonb" im peutigen ©lauben be« bergiiepen Volfe«;
St. $opp, Volfglaube im nieberöfterreia). ©alboicrtel; K. ^aa«, Da« Äinb
iu ©laube unb ©rauep ber Bommern; P. Jränfel, Die ältefle 9(teberfcprift
beutfeper ©ol(«märcpen; 3K. Panbau, 3ur (Stpnograppie oflgali^ifcper (jluben:
P. g ra^m, ^olfteinifa)e 5rinberfptete; Pöfung be« 3un9en^änbcpen«, ein«
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Mitteilungen unb töotijen
331
Umfrage; ©piel, eine Umfrage; »afUÖferetme, eine Umfrage;
3. Äröning, 3n be* ©arten* bunHer faube; 2R. »erfotoiej, Keime
galtjifdjer S"**"*"1*«; SW. ^ öfter, leufelnamen ; 8. ©trgpn*fi, ©er
©elbflmorb bei ben Xfdjutfdjfen; Ä. $aa*, 2)rei alte 9ted)t*braudje Don ber
3nfel fRiigen; ?. gränfel, Beiträge jur ÄDffpäuferfage; 3. SRobinfon,
3um Bolfglauben ber $uben ©alijien*; O. ©löbe, 3)ie Brautwerber in
HRafuren; 3l*mu*, ©iblif^e SRätfel in Bommern; «. 2>örfler, Bolt««
lieb ber Offner ©cbwaben; «. (Sngtert, «Ite ©prüdje; $. £b"n, $elgo*
länber Sagen; $. «Werfen«, 3wei polnifdje 5Bolf*lieber; «. ©pr enger,
3u ben Sinber« u. $au*märdjen ber ©rüber ©rimm; J. Mooney, Songs of
the indian ghost dance; Ä. <E. $aafe, ©prttdjroörter au* ber ©rafftgaft
$obnflein; 91. Jreidjet, Äartenfpiet« unb Po«glaube au* Seftpreufjen;
?. 2Ratua«, 3U Dem ?iel)e: famen brei 2>iebe au«"; Ereidjel,
Steinerne Sabaffacbel ; <ßp. ©olbbf rg er, Die roilbe Braut; <£. O. Boije,
of ©ennä*, Biennijauber u. Bienenjudjt; 2>a* «u*buttern; «.Öfter-
bing, 3ur Äöffoäujerfage Dou Äaifer griebrid?; 5)er SRann im SWonbe.
Beiträge jtir Äunbe fteiermärl. ©efdjidjtöqu eilen XXVI:
9. SRell, 3»m »tnbifcQen Bauernaufftanbe be* ^abre* 157B; 3. 8ang, 3n»
formationSbucp eine* fteirifipen Üanbpfarrer* cor 150 3<>bren; 91. ©ubo,
Hu* ben fflat*protolotten ber ©tobt ÄiÜi; %. SM eil, 3lu« bem $errf<paft*.
unb ?anbgeri(pt«protofoÜe oon ©ro&lobming.
SKitteilungen b. fctjtor. Berein* für ©teiermart 42: «. SWell,
5)ie fogenannten ©djüfeenbbfe unb ©(püftenlepen in ©teiermarf.
3aprbucp f. f<ptoeiaerif<pe ©efepiepte XIX: C. Jobler, «lt.
f<pn>ei$erij(pe Bolf«fefle.
SUjeiger f.fa)n>eiaerifd)e«ltertum*funbeXXVII, 1: 8f.3etflin,
Äultur« unb ßunftgef(pid)tli<pe* au* ben Sburer fflat*aften.
Cberbap erifdje* Srcpi» f. öaterlänb. © ef <p. 48: $>. Ära Hing fr,
lieber ba* Bolffifdjultoffcn ber ©tabt 8anb*berg am ?cd) oon ben früpeften
Anfängen bi* jur 3)urd)f«b,rung be* ©cpuUroange«; ©. Ärau§, Über
fiferne Äircpcngloden Oberbapern*.
ffitirttembergifd) granlen V: Äerler, Urfunblidje* jur öe«
fdjitpte be* ^rämonftratenferinnenfl öfter« ©(päfterSljeim 1155—1437; £art»
mann, 2otalgef(piiptU(pc Slcinigteiten: 6. 3)er mittelalterliche 3ubeneib,
7. 38eiter*petmer ©otbfdjmiebeorbnnng oon 1593 u. f. to.
gorfepungen jur Äultur« unb ffitteraturgef dj. Bapern* II:
«. 0. KeinbarbflÖttner, Bolf*)(priftfteaer ber Gegenreformation in »lt.
bapern; ©. ©üntper, ^oljann ®d al* öeograpp; g. ©<b,mibt, (Sine un*
freiroiflige tteife fürftlid;er Sinber; SR. bu SDioulin ©dort, ©aperifdje 3"*
flänbe unb bie fran^öfifef^e ^ropaganba im 3ab,re 1796; St. x>. ffiein^arb*
flöttner, SÄÜndjcner 3e^un9^P°'em^ ge9<" Voltaire im ^ab^re 1769;
Ä. 0. 9ieinb^arbftÖtter, Bauern u. feine $auptftabt im ?id)te oon ffleife-
fdjilberungen unb fremben Äunbgebungen.
(Sin größerer Üeil ber Überfielt mu&te jurüdgefleat werben.)
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$. *. Jtfd|er - feilen, JUtHrutrdrf (ÜBarteiifUra. Unter;
fu^ungen über Die }iufepflan$en beö beuifdjen NJHtttelalterd, itjre
SBanberung unb tyre 33orQefdjid)te im HafnMjen Altertum. ßiel u.
£eip$ig, Verlag uon Sipfiuö & lifdjer 18y4.
lieber ben ^nljalt unb üöert beS oorliegenben ©uä)eS tyabe i$ mid) au«*
füt) dieser bereits an anberer ©teile (SBocbenfcfcrift f. flafftfebe Ätiologie 1895,
9fr. 10) geäußert. 3d) wteberbole, ba§ bie 2>eutung ber $flan|ennamen beS
70. ÄapitelS beS Capitulare ÄarlS beS «ro&en de villi«, »on welkem bat
2öerf feinen ttuSgang nimmt, einen unjweifelljaften ^ortf^ritt gegenüber ben
tJrüljeren bejeidjnet, unb bafj baS ©u<$# ba eS jugleidj äße« ©tätige an
birelten Duellen einer altbeutföen (Bartenflora umfa&t, als bequemes unb
nflbti$eS Hilfsmittel allen, meiere für bie (Befcbi$te unferer iRufcpflanjen
^ntcreffe baben, beftenS empfohlen werben (ann.
(SS jetgt ficb, bog unfre ©auerngärten notb am Bnfang btefeS ^abjbun»
bertS ein sirtnlic^ getreues ©Üb beS ©artenS ÄarlS beS (Strogen barftettten,
ein 3ufammenb,ang, ber tnbeffen ni<$t, wie man glauben tonnte, auf eine
©eeinftuffung berfelben bureb baS Capitulare de yillis, fonbern auf ben Um-
ftanb aurttcfjufüljren ifl, bajj beibe, bie (SJartenoorffbriften ÄarlS beS (Großen
wie ber Sbaratter unferer ©auerngärten, bura) baS ©orbilb ber Äloflergärten
befttmmt mürben, meiere namentlia) bie ©enebittinermönd)e oom a$ten unb
neunten 3abrl)unbert an in 2)eutfcblanb anlegten (ogl. ben (Entwurf ju
einem Äloflergärten im ©aurife beS ÄloflerS ©t. (»allen bom $abre 820
0. 3..©., &. 184 f.).
3u einer 9letr>c oon «uSfleOungen unb ffittnfcben giebt bingegen bie
Ausführung ber meltergebenben Aufgaben beS oorliegenben ©udjeä Wittag,
bie ©orgefebtebte unferer Wu^pflanjen im flafftfäen (ogl. hierüber ffio<b«n«
f$rift f. (1. "Jtyil. a. a. O.) unb if>re QJefcbidjte im beutfeben Altertum.
(Sine mabrtyaft ^iftorifc^e ©etraebtung ber altbeutfcben Gtartenflora müßte
meines (Sra$tenS auf eine funbamentaleUnterfttyeibung binauft«
geben, 33et einer jeben unferer 9tufcpflanjen mü&te bie ftrage aufgeworfen
unb, fo weit eS möglich ifl, beantwortet werben: ©ar bie Äutturpflanje ben
$eutfd)en f$on oor ibrer ©erübrung mit fflom betannt, ober Derbanten fie
biefelbe eben biejer ©erttbrung? (Sine fol(be Untertreibung wäre bei jebrr
ber feebs Don bem ©erfaffer unterfebiebeuen $flan)entategorieen, 3^pflanjfnr
Heilpflanzen (gerabe tyier wäre eine no<b (aum oerfuebte, reinlid)e ©cbeibung
gmif$en urgermanif$en unb römifeben (Siementeil erroüttfdjt), teebnifeb oer-
wertbaren ^flanjen, $flan}en beS GfcmÜfegartenS, Obftbäumen, (Betreibe«
arten notwenbig. ©tatt beffen b,at ber ©erfaffer nur feiten ben ernflltyett
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Sefpredjungfn
333
«nlonf au einer folgen Unterfudjung genommen. JRedjt btttftig iß, roa«
©. 168 übet bie älteße ©efdjidjte unferer ©etretbearten gejagt, ganj unoer-
ßänbltd) , was @. 86 über bie 8orgefdndjte be« ftfacbje« bemerft wirb.
„Dag ber t£facb«", fjeigt e« t)\tx, „Aber galten nadj Deutftblanb gefommeu
iß, iß ßdjer (warum?). Da aber bie 91a<b*futtur in ben norbeuropäifcben
Pänbern febr alt iß, älter als ba« (Einbringen römifcber Äultur, fo mug er
feinen ©eg b^ierbrr burdj onbere Jfinber, oielleidjt burdj Ungarn ober
ttuglanb genommen baben." Da« ift bog ein offenbarer ffiiberfprnd). Ober:
©ebören 8obne, Grbfe unb tfinfe ber urgermanifcben ober ber römifdjeu
Äultur an? lieber biefe unb äbnlicbe ^fragen erteilt ber 8erf. feine ober nur
ungenttgenbe «u«funft. Auf feinen $aH bätte er fia), J- 8. wa« bie $fltfen-
früdjte betrifft, bie widrige ©teile ber Lex Salles, bie fdjon bie älteßen
Codices entbalten, entgeben laffen bflrfen: si quie in napina, fauaria, in pis-
saria vel in lenticlaria in fartum ingTessus fuerit, u. f. W. (f. u.).
Merbtng« fönnen foldje Unterf Übungen nad> bem 8orbilb 8. $ebn«,
auf beffen 8a&nen ber 8erfaffer bod) im übrigen ju waubeln beftrebt ift, nidjt
obne 3ufnlfena$tne ber oergleidfenben ©praebforfdjung mit «rfolg unter-
nommen werben. 8ielleid)t bog ber 8erf affer, ber felbft über bie b^ierju
nötigen Äenntniffe nidjt oerfttgt, ftdj bemogen fflblt, für eine etwa nötige
Neuauflage feine« ©udjeS ftdj mit einem fpradjwiffenfibaftlid) gefdjulten <üer>
manißen ju oerbünben. ©djliefjlicb bUrften aud) bie (frgebnifle ber prä-
$ißorifd)en Srdjäologie für bie Pöfung ber ffitx beaeidmeten Hufgabe niebt
außer 3d)t gelaffen werben. — ©a« nun ben Uebergang ber unjweifel&aft
römtfeben Äulturpflanjen in ben germanifeben Horben anbetrifft, fo b>nbelt
e« ftcb. für bie $ißorifdje 8etrad)tung oor allem barum, ben 3«^punft 51t be-
ftimmen, in toeldjem bie einzelnen ^Jflanjen in bie g ermanifdje ©elt eintreten.
Der 8erfucb ju einer foldjen 8eßimmung ift oon bem SJerfaffer mieberum
faß niemal« gemacht worben. greilia) lägt ftcb aud) bjer bie ©pradjwiffen-
miffenfebaft, b. f>. bie fprad;licben ©djlfiffe au« ber gautgefialt ber römifdjen
eebnroörter im öermanifd?en niebt entbebren. 8erwunberUd)er iß, bag ber
8erfaffer eine rein bißorifdje Ouctte, bie aud; für bie altbeutfdje ©arten-
flora oon ©icbtigleit ift, bie 8eßimmungen ber fogen. leges barbarorum, für
feine ßmeefe (bis auf eine 8emerfung ©.81) ganj außer Idjt gelaffen \)at.
©0 iß j. 8. in ber Lex Salica, in ben älteßen oier Codices (nadj ber eng-
tifeben Ausgabe 0. $effe(«) oon Dbßbäumen überhaupt nod) nidjt bie Webe.
3n ben fpäteren flbfaffungen treten ber Slpfel- unb 8irnbaum, pomarius
(audj melarius, milariua) unb pirarius (perarius) auf. 8gl. 3. 8. Cod. 6 u. 5,
VII, 11 ober Cod. 10, XXVII, 21. Offenbar befmben mir un« b»« am
Anfang einer Äulturbcmegung, bie im 70. ftapitet be* Capitnlare de villis
(ängß aum Sbfcbluß gefommeu iß.
Dag enbltd) ju einer umfaffenben DarßeQung ber ®efdjid;te einer alt-
beutfetpe n ©artenßora niebt auf bie Verwertung aud) ber altbeutfcben n t dj t -
botanifd>en ?ittcratur bätte oer^iebtet werben bürfen, bilbe ben ©cblufc
biefer 8emerfungen, bie ba« Olntereffe befunben foflen, ba« bie «Itertum«-
tunbe an bem oorliegenben 8ud;e 3U nebmen 8eranlaffung bot. 3m ganjen
fann man fagen: ber Xitel be« 8ucbe« iß für feinen 3nf)alt $u weit; aber
e« lägt fidj wobl benfen, bag ba« 8ud) bei bem gefunben Äern, weldjen e«
enthält, in feinen litel bineinwüd)fe. O. ©Araber.
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334
©elpredjungen
(&aaebudj pilljelm uon gnmbDlbts non feiner $eife naoj
Jlorbbenifdjlanb im Üaljre 1790« herausgegeben uon jl. f etymann.
2öeimar 1894, (*. gelber (X, 163 £.).
2>ie oon ?eitymann herausgegebenen unb bei bcin Serifger unferer $t\U
fdjrift erfdjeinenben „D u e 1 1 e n f dj r i f t e n ;ur neueren b e u t f d> e n
? i 1 1 e r a t u r > unb <8eifie«gef(bi<bte" h°ben oon oorntjerein ftdr
nid)t nur auf bie eigentliche Pitteraturgefcbicbte beftyranfen wollen. 25er üor-
liegenbe britte Öanb berfelben, ber ba« töeifetagebucb. ©ilbelm Don .fcumbolbt*
enthält, ift benn aud; oon erheblichem ungemeinen, iu«befonbere aud) oon
fulturgefcbicbtlicbem ^ntereffe. 2)er Herausgeber legt ben $auptwert barauf,
baß gerabc ©ilbelm oon $umbo(bt, beffen ^erfönltcbteit er preifenb erbebt,
ber Serfaffer be« Xagebudje« tfft. «Natürlich gewinnt ba«felbe baburd? be>
fonberen ©ert. gfür ben Äulturbiftorifer haben aber auch bie ^artieen, wo
$umbolbt« ^erfönlidjfeit gurüeftritt, wo ausführliche ober furje Mitteilungen
über gefeüfcbaftlidje, mirtfcbaftlicbe unb ftttlidje 3uflänbe oorliegen, febr wefent»
lieben Siei*. ©olebe ^artieen ftnb namentlich bie Bewertungen über Stettin,
bie 3nfel »lügen. @retf«malb unb «oftoef, ?übecf unb Hamburg, «ber aueb
bei ben übrigen Orten finben fteb. berartige bödjft intereffante Mitteilungen.
Äud) bie ©djilberung oon $erfönli$feiten ift in biefer ©ejiebung wertooü.
£a« war ein febr wefentlicbe« Moment ber früheren „ gelehrten Weife", ba«
ftuffueben oon ©efanntjdjaften. 2>ie Qlütejeit biefer gelehrten Steifen war
bamal« fchon lange oorüber, aber in gewiffer ©eife ift auch biefe $umbolbtfcbe
Äeife mit ihnen berwanbt. 2)em üitterarbiftorifer werben bie — übrigen«
hödjft anfehaulichen — ©ebilberungen Äofegarten«, 3. ©offen« unb Älop-
ftod«, auch bie furje oon Slaubiu« am wertoollften fein. 2>aß ba* lagebuch
un* nun auch bie ^erfönlidjfeit unb ben ©eift feine« großen SJerfaffer« nahe
bringt, muß ben ©ert ber IJublifatton, wie gefagt, natürlich gan§ mefentlicb
erhöhen. 3>er $erau«geber höt ft<h noch burch zahlreiche unb grttnbltcbf 5r
läuterungen berbient gemacht. (öeorg «Steinhaufen.
germann Jttjraber, Jer gHlberfripnuin ber beutfdjrn §nradjf
in (Kaurenben ualkstuntliajer Lebensarten. Smtitt oermefyrte unb
cerbefferte Auflage. Jßeimar 1894, (Smil gelber (XX, 543 6.).
2>a« Such h°t f<hon große «nerfennung in ben breiteren «Schichten
unfere« gebilbeten $ub(itum« gefunben. €5o wenig ich häufig mit bem ©er-
faffer in feinen wiffenfehaftlichen unb fonftigen Hnfcbauungen einoerftanben
bin, fo muß ich i«" «nerteunung boch eine burebau« oerbiente nennen. 3)er
SJerfaffer hat e« fid? feinröroed« leidet gemacht, unb wenn ben greifen, für
bie ba« Such beftimmt ift, immer eine auf fo großen gleiß gegrünbete unb
mit fo großer Piebe &ur @a<be burchgeführte Arbeit geboten würbe, tonnte
man nur aufrieben fein. 25er Serfaffer ^atr wie er fagt, „nicht für bie gacb»
gelehrten gefcbjieben". ßr benft unb wfinfdjt ftcb „benfenbe gebitbete ?efer,
bie fid) freuen ©eutfdpc ju fein unb bie unfere prächtige Sprache lieb haben".
Man muß barnach ba« Sud; beurteilen unb e« burebau« wiüfommen heißen.
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©efpiecbuugen
335
2) er fcenbenj beS ©ucbeS rntfpric^t eS, wenn ber «erfaffer eine äußere
tabeflarifebe «norbnung beS etoffeS oermetbet, Pielmebr bie japlreicben LebenS.
arten gruppenmrife nach faepliepeu ©efiebtspunften bebanbelt. dr will eine
U«bare ©arfteflung bieten, freilich ift bei* 3ufantmenbang, in bent bie Per«
febiebenen Lebensarten bebanbelt werben, bin unb wieber ein gezwungener.
$ocb, wirb baS febwer 311 oermeioen fein. 3)aß ber SJerfaffer ben Leidjtum
nnferer bilblichen Lebensarten niept nach allen leiten t)'in erfepöpft hat, ift
ia felbfiPerftänblicp unb wirb poii ihm felbfi jugegeben. 3$ b,abe mir beim
Vefen baS »ergnögeu gemacht, $u feben , ob mir nicht uoefy weitere btlblicpe
Lebensarten in bem betreffenben 3ufammenhang einfielen, bie bei ©grober
niept erwähnt ftnb, unb fte fielen mir febr jablreicb, ein. 35aS bemetft eben
bie Äraft unb ben Lcicbtum nnferer Spraye. 2)aß ber ©erfaffer bie $aupt=
maffe menigftenS gehoben unb flufammengefaßt unb babureb, eben biefe ®or«
jüge jur Haren Änfdjauung gebracht bat, wirb man ihm immer banten.
3) em beulten $aufe unb ber @a)ufe ift baS ©ueb febr warm ju
empfehlen. (Beorg Steinhaufen.
Pförtner $tatnmbud) (1543—1893) jur 350jäljr. Sitiftongs-
feter ber Rönigl. jnnufsfdjule -pforta, herausgegeben oon jjttar
fjofmann. Berlin, ^eibmannfcfje Sudj^anblung, 1893. (564 <3.)
Söie wenig biefeS ©uä) auf ben erftru (Sinblicf ifin jur Veftttre geeignet
erfd)einen mag, unb wie ungenießbar eS auch manchem porfommen bflrfie,
ber a(S alter Pförtner feine Hoffnung, in behaglicher Seife über baS Sdjicffat
feiner ehemaligen Äommilttoneu unterrichtet $u werben, getäufebt ftnbet — eS
ifi tro& aüebem ein im hopfn Örabe oerbienftticbeS JEBert, welkes nicht allein
als bie ftrucht eines feltenen Fleißes unb peinlicher ©emiffenhaftigfeit rüpmenb
erwähnt werben muß, fonbern auch als eine ganj Portreffliche Duelle für
bie Äultur-, Schul« unb Jamiliengefchichte Pon Lufeen fein wirb. <SS ifi
banfbar ju begrüßen, baß ber SJerfaffer bei ber mttbePollen 3ufammenfle((ung
beS Stammbuches an biefen Qrotd gebaut unb bie ganje Anlage feiner
Arbeit bemgemäß getroffen hat. Sie oereinigt bie <Sigenfa)aften eines per»
traulichen Familienbuches mit einer Sr)ronit, (Etgenfchaften, bie inSbefouberc
ber ÄulturgefchichtSfor}(her an bem SGBerfe fcbä&en muß. 3hm wirb bie tabel-
larische ^orm, welche §offmann für feine «ufjeichnungen gewählt hat, febj
miüfommen fein, wenn es gilt, befiimmte 3»t*aiime nach gewiffen (BcfichtS«
punften t)\n febuefl ju überfebauen. £)a$u fommt noch, baß ein feh* genaues
Wegifter bie Orientierung unter ben Flamen ber 12000 ^Jortenfer, bie baS
Sllbum Perjeichnet, mefentlicb erleichtert.
®anj abgefehen pon bent Serie, ben baS ©tammbuch für baS Stubium
ber Familiennamen benfet, wirb eS $ur SBebanblung einer gangen Leihe Pon
fulturgefchichtlichen Fra9pn bienen rönnen, bie fieft fchon bei einer flüchtigen
(Sinfcbau in baS porbanbene Material unb bei ber ?eftiire oft felbft ganj
fleiner, anfeheiueub uubebeutenber Lotion aufbrängen. Sollte 3. 33. bie
Xhatfache, baß anno 1544 etwa aep^ig Schüler, im 3at)re 1545 bagegen nur
elf in ^forta aufgenommen würben — offenbar eine (Sinwirfung beS bamalS
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3?efpre<$ungen
entbrannten fdjmaltalbtfdjen Äriege« — ni$t öeranlaffen, ben «inflüfftn
natbjugeljen, reelle ber ®ang ber äußeren <Befd)t$te einß auf ben ©efudj
ber 8ilbuug«anftalten gehabt $at? ©oflten Flamen nie Älopftod, £$. 9.
®$(cgcl, Ärup,, 8afyrbt, $unfen, Naumann »c. nidjt nalje fegen, bem Strome
ber t>erfd}iebenartigen geiftigen unb ftttlidpen fträfte &u folgen, bie eine einzige
Unflott wie $forta mäbrenb be« Verlaufe* oon mefjr alt brei 3ab.rb,unberten
in« beutfdje »off entfanbt b.at? »are au« ben Hubrifen „<Beburt«ort",
„&ater" nidjt oielletdjt ein ganj intereffanter «uffdjluß ju erhalten über ben
ÜDecbfef, ber unter ben 2Jolf8jd)id)ten unb ?anbfd)aften eingetreten iß, an«
benen rofib,renb ber derfdjiebenen 3"träume bie Bnftalt if)r ©djülermatenal
)ogf über bie (Brünbe ber hierbei eingetretenen Serfdjtebungeu ic? SXogen
immerhin Diele einzelne 92otijen im ©tammbud) oermerft fein, bie (eine
weiten ©litfe erfdjließen, SRotijen, bie im Siefen nur ein Dorflbergebenbe« ®r
benfcn »abrufen an „öerfdjoflene", an $ortenfer, bie in „miferablen Um«
flänben" geftorben finb, an foldje, bie flubierten, um r« bi« jum „ftelbmebel"
ju bringen, an anbere, bie e« fclbft fo weit nidjt brauten, wie einer (offenbar
ein Ib, unidjtgut) , ber unter bie franaöfifdjen $ufaren ging, „bie ibn aber
aud) nidjt behielten" — ber ©iograpb wirb felbfl foldje 9uf}etd)nungcn
banfbar begrüßen, 3n ©umma: 3>a« ©tammbud) bilbet eine $rimärqueu>
oon unzweifelhaftem SBerte, unb fein Serfaffer fyat fidj burdj bie (Eröffnung
berfelben ein entfdjiebene« »crbienfl erworben. 35öljler.
*
Bartjtrag jnm oorigen |eftr §eiti 234:
9tad> bem 2)rud meiner 91e)eufion werbe ia) barauf aufmerffam, baß fidj
ber erfic Skr« be« ^cijmäfjliebe« gegen $aflc nod> bi« in«3a&r 1780, aflcrbing«
mit einigen Beränberungen, erhalten f?at unb baß er ju jener Seit in ftub<n»
tifdjen Äreifen gefungen ift. 3n bem 1840 b^audgetommenen erften ©anbe
ber „SDeutfdjen $olt«lieber mit ifjren Original • ©eifen" oon £rebja>mer
finbet ft$ ol« <Rr. 272 (©. 476 f.) folgenber Cor« mit ber Ueberfd)rift „Site«
©tubentenlieb" unb ber 9loti$ „3n $afle »or fedbjig 3abren". 2>ie SRelobie
ift auf |wei (Eljöre oerteilt:
ftalfdje«, falfdje«, falfdje« $aOe, gute Wadjt,
ftalfdje« $aüe, gute 9la$t.
2>u gicbft beinern SRufenfofjne
(Jareer unb Sonfil jum flofjne,
(Et wer, ei wer, ei wer Ijätte ba« gebaut,
falfdje« $afle, gute SRadjt,
5alfd)e« $ade, gute Wad)t.
$afle a. b. im Januar 1895. 3°*)" SReier.
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£ur <&ef$\$te belüften 18o(&$Qeiftc$
im ^Uttetattet ßte ju ben Reiten
«Ärinricfte öes gierten.
Don Kuöolf (Soette.
£>ie uorliegenbe Arbeit beeft fid) in ihrem Öegenftanbe $um
guten Seil mit ber „©efehiebte bes beutfdjen 9totionalgefühles" oon
5ran$ (Guntram ©dmltheifj. SBenn fie, nachbem injnnfchen bieß
Öudj erfd)ienen, bennod) veröffentlicht roirb, fo bebarf baß ein äöort
ber Rechtfertigung. -äWir fommt eo barauf an, einer ganj befthnmten
Slnfchauung r»on bem ©erbegang beß beutfct)en Golfes jum Slußbrucf
$u verhelfen, einer 2lnfcf>auung, ber fid) ©dmltheife trielfad) nähert,
bie mir aber bei itjm bod) nicht $u ihrem 9fed)te $u fommen fchetnt.
3)ür erfdjeint bie beutfdje itoltegefchichte oon ben Anfängen bis jur
©egenroart burdj bie 9totrocnbigfeit ber 2lbroehr gegen anbringenbe
frembe demente beftimmt, meiere oftmals bie Eigenart unferes %\o\t&
tums 3U erftiefen brohten. Siefe 3luffaffung ift feinesroegs neu, fie
ift eine jrucht ber nationalen Bewegung bes 18. unb IM fyxfc
fmnberts, aber fie t)at fid) bisher nod) nicht genügenb burdjjufefcen
r»ermod>t, nicht ben gebüt)renben Einfluf? auf bie ©eftaltung ber
Söiffenfchaft unb bes Gebens erlangt, ©in 2Mlb oon bem ©rabe an
Stärfe unb Deutlichkeit, ben fie bislang erreicht tjat, mögen bie
folgenben Jpinroeifc geben. Die furje Entfernung r»om eigentlichen
©egenftanbe wirb man mir oieHeia^t mit Mücfftcht auf bie Sebeutung
ber grage für bie ©efamtauffaffung ber beutfdjen ©efduchte oerjei^en.
gidjte entmicfelt in feinen „9teben an bie beutfdje Nation" bie
Anficht, bafe bie Deutfchen im ©egenfafc ju ben meiften Nationen
bes feurigen Europa ein Uruolf finb unb baju berufen, bie Präger
äeiH«ttft für ftulrncflcfdiictite. Ii. 22
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338
fflufcolf GJoettf, 3ur (Defc^td^fe fcfutfäen $oHSgfiftf# im
neuzeitlichen ©eifteö in all feiner Xtefe ju fein. 3wetfelIoö liegt in
feinen Ausführungen ISinfeitigfeit nnb Ueberhebung; anbrcrfeitö $eigt jid)
in ihnen aber eine fchr richtige ©mpfinbung oon ber befonberen %\\[
gäbe, reelle bie ©cfd)id)te bem bentfdjen v#olfe fteDt, eö jeigt fub
baö 33erou&tfem, bafe bie beutfa> Kultur nod) etwas nachholen hat,
was ©buarb 3eüer in feiner Abbanblung „3- ©. gierte alo ?oli
tifer" leiber oerfennt. l) $>er fluf nad) Erhaltung beö beutföen
Wechtö, nach Befreiung oom römifdjen ertönte feit bem (Sinfefeen ber
germaniftifeben ©eifteöftrömung, mel)rf ad) recht oernebmlicb. Sdjon
Eichhorns „;£eutfd)e Staats- unb Necbtsgefdjichtc'', (1808) n>ar eine
Mahnung an bie ©egenwart; fie mies burd) ihr ©rfebeinen baranf
bin, bafe bei und ein entmidluugsfähigeö ^cimifd)eö ?Wed)t bura) ein
frembes, aufgebrungeneö gefd)äbigt unb eingeengt morben tft. ^Hicfjarö
Sdjröber „i'ebrbud) ber beutfd)en 9fed)tsgefd)id)tc'' Seipjig 1 88^,
meint, baf* bie ^erbinbung ber römtfdjen Maiferioürbe mit bem
beutfdjen Königtum bie beutfebe Äulturentiuirflung in hohem ®rabe
geförbert, nber bie 9<ed)töbübung minbefteus ebenfofebr gefdjäbiat
habe, ©ebr lebhaft menbet fid) 3£olfgang Wentel in feiner „beut
fa)en Sitteratur" (2. 9lup. Stuttgart 1836, II. Seil, €. 243 f.)
miber bie Unnatur ber &errfd)aft beö römifehen Rechtes. 3n feinen
Ausführungen jeigt fieb, fo wenig fie im einzelnen einer 3ergliebe^
rung fticbbalten, bie aufguelienbe nationale (Smpfinbung. (£r will
nicht bie formale Sogif ber ftomanifteu, fonbern bas ©emifien jutn
SWafiftab beö sJted)teö erbeben unb fagt oon ber lateimfcbcn Spraye:
„fie fm* baö 9iea)t aus bem ©emiffen an ben ^erftanb ber Äaftf
unb bie 9ted)töpflege aus bem üebeit ins Rapier, in bie Süreau
tratic oerwiefen." Stößel „bie iSntmitftung beö gelehrten ^ter-
tumö in beutftfjen Territorien", Stuttgart 1842, führt es in ein*
gehenber $>arfteüung aus, mie bouptfddjlicb im Saufe beö 15. unb
16. 3abr|mnbertö fid) bnö römifdje ftedtf allmählich an eteHe beö
beimifdjen fefete; er ttmt bar, mie bies in urfächlichem 3ufantinen-
^ang mit einer rüdläufigen politifdjcn (Sntroidlung gcfdmh. $abno
oor einigen fahren in einer giugfcbrift ausgefprochene ^Behauptung,
bie Annahme beö römifdjen Wedjteö burd) baö beutfebe $olf fei eüe
burchauö unfreie gemefen, finbet bier ihre 3tüfce. ©djmeller faat in
ber SHorrebe $u feiner Ausgabe ber „Carmioa Burana u <Stutt9drt
1844: „itoteinifdje Aibling unb Spraye tjat gleich in ben erftf'1
3at)rlmnberten nnferer ®efcbichte einen Seil bes germamfehen
») Vorträge unb «Mjanblmigen 1865, ©. 172.
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ÜHtttctalter bis p ben 3ftten $einu$« b<« ötertcn
339
ftodes, oietteidjt nid)t ben Heineren, fid) felber untreu gemalt unb
aud) für ben iHeft ift fie $um sJDiebium geworben, aufeer welchem itjm
lange 3eit trinburd) jebe l)öbcre ^ebensttiatigfeit erfdjmert, wo md)t
unmöglid) war." $)ic grage al« ($3an$eo faßt Wuftao grentag in ieinen
„Silbern auö ber beutfeben Vergangenheit", sB5ö. XVII, 3. 53 f.
ins Auge: „£>ie Hellenen muebfen in feljr günftiger geograpfnfdjer
£age, burd) fortwäbrenbe leife sJiaa>t)ilfe frember SJoltofraft ju t)oljer
.flulturblütc auf, wäbrenb bie (Germanen unter bem ftrengen norbifdien
Gimmel langfam bis $u einem $unft menfcblidjer Entroitflung famen,
ujo fie bie (>ötiere 33ilbung grember nid)t mehr in ihren alten
(Stfcen mit bem eigenen i&efen ©erarbeiten fonnten, fonbern ge=
jmungen waren, in klaffen einer tfultur entgegen$u$iehen, welche
teils tötenb, teils erhebenb ihr ferneres ©rbenlcben beftimmen follte".
SBerf affer biefer Arbeit b«t im „3eitalter ber beutfdjen Erhebung"
I, ©ot^a 1891, 6. 4 feinen Stanbpunft nid)t umfaffenb genug
folgenbermafcen getennjeiebnet : „SBährenb es bem Uroolf bes Alter-
tum© r>ergönut mar, fid) unter allmählicher Aufnahme frember iöilbungs-
elemente mefentlid) felbftäubig *u entwideln, mürbe bie beutfdje ©e-
fd)id)te feit ber Abionberung ber auf frembem ^oben angefiebelten
Stämme burd) eine frembe, fiegreid)e .tfulturmad)t in beftimmte
Halmen gclenft, burd) bao (Shriftentum." s}>iper „bie ältefte beutfdje
Xiitteratur" ©. U oerurteilt jebes Einbringen nid)t nationaler ober
antinationaler Einflüffe in bie beutfebe 9tationaU^itteratur. —
ganzen ift bie Xtyatiafye, baß bie ftulturentmidlung ber $eutfd)en in
Dieler #infid)t eine unfreie mar, mehr Empfinbung geblieben, als jur
flaren Erfenntnis gemorben. 9iad) meiner Auffaffung ift es nun
eine ber oornebmften Aufgaben beutfetyer ftefd)ict)tsforfchung, bem
Kampfe jmifchen Einbeimifdjen unb gremben nadjjugehen unb
ju unterfucfyen, mo unb inmiemeit eine ^Beeinträchtigung bes Eigenen
burd) gemaltfame Einflüfie bes Momanismus unb bes fjelienifierten
Ehnftentums ftattgefunben tjat, mo bie frembe ultur in gleifd) unb
iölut germanifdjen Volfstums übergegangen ift unb mo es fid) ihrer
ermehrte. £a$u fann biefe Arbeit oielleid)t einen gan$ befcheibenen
Beitrag liefern.
3Han barf es nicht bezweifeln, baß bie (Germanen im erften
^ahrtumbert o. Ehr. eine mebr ober weniger beftimmte Vorftellung
oon ihrer 3ufammengel)örigfeit bcfa&en, wenn fie fid) auch ihren
tarnen nicht felbft gegeben haben. £ie Ufipier unb lenfterer weifen
Eäfar (De bello Gallico IV, 7) ftolj barauf l)in, baß es (Germanen-
fitte fei, feinem Angreifer 5U weid)en. Ariooift oereinte eine An$af)l
22*
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340
Hubolf ©oette, 3ur @ffct?id}te beulen »otf«geifie« im
oon oerfdnebenen Stammen unter feinem Sanner unb bafür, bafc
feine £elbengeftalt in weiteren 33olf streifen ^inbrucf Inntertiefc, fpri^t
De hello Gallico V, 29, roo berietet roirb, bafc bie ©ermanen
tiefen ©d)mer$ über feinen £ob empfanben. Deshalb ift ^djult^eife'
93efmuptung, bafc 3lriomft burd>aud feinen SHücfyalt an feinen &mb$:
leuten jenfeitö beö feines gehabt tiabe, 2) entfdjieben $u fd>roff.
©benfo ift md)t abjufet)en, roarum nad) ©. ber 93ericr)t bei Xacitus
fiiftorien IV. 64 auö ber römifdjen 2luffaffung rjerauö getrieben
fein fofl. 66 roirb bort erjä^lt, bafj im Verlaufe beö grofeen
23atar»eraufftanbe$ im 3af>re 70 r>. (Sfjr. bie ©cfanbten ber Send);
tyerer $u ßöln ben gemeinfamen ©öttern unb bein erften ber ©ötter,
2)far$, für bie Mrffefjr ber Ubier ju bem großen ©anjen unb bem
tarnen ©ermaniens gebanft hätten. 3Wan brauet bamit nur Slnnalen
II, 10 jufammenju^alten, roo 2lnnin feinen S3ruber glaouö an be«
Skterlanbe« iHed)t, bie angeftammtc ^reitjeit unb ©ermanien$ f)eimifdje
©ötter erinnert unb bie 9tod>rid)t bei Dio Cassius 54, Äop. 33,
roonad) bie @igambrer 11 t>. <5f)r. bie Ratten mit i^rer gefamten
Sftannfdmft angriffen, weil ledere allein fid) weigerten, fid) einem
SBünbniö gegen bie Börner anaufdjlieften. 2)ie 2lusbrud$roeife, Die
£acitus bem Strmin unb ben ©efanbten ber Sendjtyerer in ben sJttunb
legt, ift natürlid) römifdjen ^orftellungen angepajjt; aber eö ift nidjt
abjufe^en, roarum bie römifdjen Sdjriftftefler berartige 2lnfd)auungen,
für bie fid) nod) weitere Belege ftnben, ben ©ermanen angebietet
rmben füllten. 2lrminS Erfolge, fein fortleben im Siebe3) fpred>en
gleidrfaUd für einen, freiließ ben zentrifugalen Gräften gegenüber
unenblid) fdjroacfyen ©mfyeitebrang. S)ie ©lieberung in bie 4 grojjen
2lmpl)iftnonien ber Sngaoonen, Sftäoonen, föermionen unb ÜSanbilier
mit fafralen 3ftitte(punften, Umzüge mit ben ©ötterbübem $u 2öagen
ober ju ©d)iff jeigen bod) immerhin ein geroiffeö 3ufanimenftrc^en
ju einem ©anjen. S)ie SBeretyrung beö ßimmelögotteö 3ü* mm
fie aud) frütj burd) ben SBobanbienft gefär)rbet roirb, bod) einmal
aßen ©ermanen gemeinfam geroefen. $>ie Sflöglidjfeit ber Slusbil-
bung einer eigenartigen ßultur mar gegeben. 3n ben 2lnfäfcen einer
§nmnen,= ftätfel; unb 6prud)btd)tung , eine« oolfetümltd&en gelben-
') ©efd>. b. bentfdjen Wattonatgefüble« 0. 21, 29.
') 3Me @agenforfd)itng tjat im aQqetn einett bie Spanier, na<fj mptfiole-
qij$ei 2)eutung ju futtjen, roo eine gefd)t(t)tlid>e Srflärurtg letctjt unb einfaA
ift, glüdlidj über $orb geworfen, ©o ift audj fiter fein ©runb oerbanben
bem £aeiteif<tjen «erteilte eine 58erroed>felung «rmin« mit bem ?i$tgottr
3rmin iu^utrouen.
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Mittelalter b\S ju ben 3eiten $einrid>5 be« Vierten 341
gefangö unb formelhaft gebunbener $Red>t$meiöheit ftnb bie ßeime
einer folgen oorhanben. S)ie mehrfach ausgefprochene Behauptung,
bafj bie Stiftung, wie überhaupt bie geiftige Kultur ber ©ermanen
o(me rei^Uc^e Berührung mit auswärtiger ßultur oon ber ©efahr
ber ©rftarrung bebrofjt gewefen wäre*), ift oöHig aus ber Suft ge=
griffen. ®aö Betfpiel ber norbifchen Sfalbenbid)tuug ift bedwegen
ganj unbrauchbar, weil t)ier nur bie ©ntwitflung ber Dichtung eine«
oerhältntemäfcig geringen Bolföteileä »orliegt, welche bie jeber
funftlerifchen ©ntfaltung nötige oielfeitige Anregung entbehren mußte,
auf unnatürlich formaler ©runblage ruhte, ©in ganj anberefi BUb
mürbe man erhalten, roenn man ftd) baö geiftige können ber oieU
oerjweigten Stammeögruppen unb Stämme ju einheitlicher ©efamfc
wirfung oereinigt benft. 3roiWen ben entfernteften ©liebem bed
Bolfeö fxnb burdj» bie Sänger mannigfache Beziehungen angefnüpft
worben, wie e$ ba$ ©alhfnlblieb im agf. Widsid oeranfd>aulicht fi).
$er „2öanberer, ber oiele fianbe befugt, @ute$ unb Uebleß erfahren
bat", bringt in feinem Siebe bie Äönigöhöfe ber Burgunber, ber
Sangobarben unb ber s])inrginge im ertlichen £olftem, feinem Bater:
lanbe, in Bejiefmngen ; er preift bie Surften unb §ürftinnen biefer
Käufer, bie ihn gütig aufnahmen unb befchenften, aber er fühlt fich
ihrer wert. 3)ie (Shen ^er beutfd)en gürftenhäufer finb ein fehr be=
merfenswerter Beweis für bas Bewußtfein gemeinfamer 2lbtunft bei
ben ©ermanen, wie baö Dtto 2lbel in feinen Stammtafeln ber lang=
obarbifchen Stönige6) bargethan h&t. 9?ur ein einiges Beifpiel ift
ju finben, bafj ein langobarbifcher gürft (Catchte) eine nicht beutfche
grau genommen fyat, währeub bie Könige bes Stammes burch ihre
^hen mit faft aßen beutfchen Jürftengefa^ledtjtent oerfchmägert finb.
So ift eine gewiffe auf Bereinigung gerichtete Bewegung in ber ger=
manifd)en Borjeit auf oerfchiebenen ©ebieten wohl ju belegen. 2lber
nicht genau erfennbare wirtfchaftliche Urfachen, &ang $u ungebunbenem
2Öanberleben, Verlangen nad) milberen ^immelöftrichen unb ber Um=
ftanb, bafj bie 3^e^wng beö römifchen SBeltretches einen ©inbrudj
begünftigte, waren bie Urfachen ber großen Bölferbemegung beö 3.
unb 4. ^ahrhunbert«, welche bie Bilbung eine« ftarfen germanifchen
Bolföförperö oer^ögerte unb Dem übermächtigen ©inbringen frember
Äulturelemente Borfdmb leiftete. 3)ie ©ermanen h<u>en ihr @efd)icf
*) SReuerbing« Don SRidjarb ©etljge im $anbbu$ beutjdj. QJefcb,. I, 62f.
•) Sgl. ©runbrifj ber grtmanif^ru ^ßbjlologie, II, 1, ©. 642 f.
•) ®ei$t<$tf$reiber ber beulen öorjett, 8. 3at)tt). IV, 264 f.
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342 töubolf GJoctte. 3ur ©cfdjtdjtf bcut^cn «oltegeme« im
felbft beftimmt, beim in bei £>auptfad)e finb bie Bewegungen ber
Stamme aus beren freiem (£ntfd>lujj t>erü orgegangen. 2)ie ältefien
9Bot)nfi^e bes Golfes jwifdjen (Slbe unb SBeidjfel blieben flaoüdtfr
©inwanberung offen. 3öclc^e Vorteile bie norbifcbe $eimat für
bie (Spaltung unb Entfaltung bes JNolfotumß bot, ift ben Äufc
gewanberten fpätcr jebenfaüs flar geworben; Paulus $iafonuö be=
merft im Eingang feiner tfangobarbengefcmcbte mit unbeftreitbarem
#erftänbms für bie er$icblia)en (Stnflüffe bes ÄlimaS, oafc es um fo
gefunber für Die ftörper ber 3flenfd?en unb um fo günftiger für ibre
Vermehrung fei, je weiter ber nörblidje &immelsftricb oon ber £i$e
ber Sonne entfernt unb oon Scbnee uno Eis falt märe, wäbrenb
er alles mittäglidje fcanb ooH oon Äranftjeiten unb für bie (Srjie^ung
ber 3)tenfd)en wenig geeignet finbet; bie Vanbalen in 3lfrifa gelten
bem einbringen ber 5urücfgebliebenen StammeSgenoffen gegenüber
3&t) an ibrem ^eimatsreebt in ben Sifcen bes Stammes cor ihrer
legten SBanberung (im blutigen Sdjleften) feft").
3)ie jerfefcenbeu (Jinflüffe ber Völferwanberung würben leiber
beftimmenb. 2i>obl wirrten bie mannigfachen ©rlebniffe unb ftampfe
ber langen Säuberungen anregenb unb befrud)tenb auf bie bicbterifcfie
(£inbilbungsfraft unb jeitigten eine reiche, oieloerjweigte $elbenbid)-
tung; aber burdj bie allju burebgreifenbe i'öfung oon ben beimifa)en
iBerbältniffen, oom 3ufammenbange mit ben Volfßgenoffen warb bas
(iJefütjl ber $emeinfamfeit tief gefdjäbigt, wofür ja bie ©efdwbte Der
Sßanberjeit in brubermörberifchen 33ünbniffen unb Äämpfen eine über-
reiche gülle oon Beifpieleu bietet. £em iianbsfnecbtsgeifte unb ber
©efinnungslofigfeit jener faxten gegenüber wirft ber Bericht oon
jenen Sarfjfen wahrhaft befreienb, bie mit ben fiangobarben nad>
3talien gebogen waren, unb weil irmen oerfagt würbe, nach iln*"1
sJted)te ju leben, unter oielen Abenteuern ben Wücfweg antraten, wenn
fie auch ben burgunbifeben ^atrijius 3Wummolu$, ber oon irjneit
Üöfegelb forberte, mit falfdjen tfjolbftücfeu febmäblicb betrogen").
$ic 3erfplittemng itjres Volfstums machte bie ©ermanen un-
fähig, ber 3bee bes römifchen Sikltreicbes, bie fieb ihnen nach djrift;
lieben Verkeilungen gemobelt barbot, $u wiberfteben. $>ie 8n-
ferjauung oon ber £auer bes Imperiums bis ans ©nbe ber £ödc
war aus ber Sebnfucbt nad) einer fiebern weltlichen 3lutoritat in bem
unrubigeu Okfchiebe ber Völferwauberungsseit ^eru o röc^an^en-
*) ftorfdjungfn jur bfutfdjen (Keid)i(^te VIII, ©. 4l8f.
•) ?angobarbengej$id>te III, 6; ©rfflor oon Xour« IV, 40.
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^Mittelalter bi« *u ben ^t\ttn $einri$S be« Vierten
343
3Baf)rf$einlid) im 2lnfd)lu& an anbcre Vorgänger etflärt £ieroni)=
muö in feinem Kommentar $um ^ropbeten Daniel sJJebufabne$arö
Xraum unb beö ^ropfteten Deutung (Xan. 2, Hl f.) alö bie oon
©ort porbeftimmte 3°^öe Dc6 babulonifd)en , mebo=perfifd)en, mace=
bonifd)en unb römifdjen sÄltreid)eö, roäbrenb ftuguftin beren nur 2,
ein öftlidjeö unb ein roeftlidjeö, untertreiben roill. 2>ie Meinung beö
£ieronpmuö tntg aber ben Sieg bapon9). 3)fit ber 31uffaffung pon
ber irbtfdjen $auer beö römifd)en :2i>eltreid)eö perbanben ftdj bie sV>ox*
ftellungen beö Sluguftinifdjen ©otteöftaateö, unb eö roirb bem 3m=
perium bie Aufgabe jugeroiefen, bie civitas coplestis ju verwirft
lieben, bem 3beal beö ewigen griebenö unb ber göttlidjen ©eredjtig*
feit jujuftreben. 9itd)t ba& biete 3bee ftd) pon pomberein ftegreid)
behauptet (jätte. Äarlö beö ©rofjen rebfeliger itoefjrer, ber 3Könc$
oon St. ©allen, beutet (I, 1) ben 2raum 9tebutabne3arö fo, baft bie
3erft5rung beö römifdten 2Beltreid)ö uadj bem 2^iüen ©otteö fdjon
ftattgefunben Imbe, unb an beffen Stelle bie golbene SMlbfaule ber
tfranfenfjerrfdmft aufgeridjtet fei. 33ei ägibufinb erfd&etnt baö Meid&
burajauö als eine Sdf)öpfung ber fädmfdjen &erjöge, alö ein rein
germanifdjeö Staatöroefen, fo Ijarmloö er au$ SBenbungen, bie nur
auf römifdje 2>erf)ältmffe paffen, in feine ©efd)id)töer$ät)lung über=
tragt, hingegen ift bereits in bem ©ebidjte ^rotfuit^« pon ben
£baten Ottos beö ©rofeen in ber an beffen 9tod)folger genuteten
3lnrebe ber 33atcr „ein t)od)oere£)rter Sluguftuö", ber Sofm ein „tyelk
fdjtmmernb 3utncl beö römifdjen Mcidjeö". £t)ietmar pou 2fterfe=
bürg benft jioar nid)t an einen 3ufammeuf)ang mit bem legten 2öelt*
reiche beö 3lltertuntö. $eutfd)laub, baö Meid), ragt, roie er im SBor=
roorte jum erften Stocke feiner (Stjronif fagt, ftol$ nrie beö £ibanonö
3eber cor ben übrigen Meiden ber (£rbe empor1"). 3lber bei ilmt
jeigt fid) ber allgemeine ©influfe ber (Sluutajenfer Meformberoegung
^icmlid) beutlid), obgleid) ober weil er biefer feineöroegö freunblia)
gegenüberfteljt. üird)lid;e öcbenfen fpielen eine grofce Molle unb
werben gegen bie 6l)e &einrid)ö mit ftattjeburg iuö treffen geführt.
2)aö .Uaifertum t>at jefet ein entfdneben gciftlidjeö ©epräge angenommen,
unb im Sinne ber peränberten äeitoertyäUniffe bebauert eö Dietmar,
bafe §einrid) l bie fircbUdje Salbung unb (Sinfegnung jurüdgewiefen.
%\iö) bie Kaifer foüen nad) ifjm (I, 15) betten „unterbau fein, bie
•j Sgl. Gbert, aUgenmne ©ej#id>te b. Pitt, b. 3» «. I.
,0) $ier unb bei anberen 3itaten liegen bie Ueberfefcungen in ben „(Sie-
f$i$tf($teibern beutfäer «orjeit" ju Orunbe.
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344
SRubolf (Koettf, 3ltT ®'lrt)id)te beutföen ©olfSgeiftr« im
nach bem dufter bes &errn burch bic (Glorie geiftlicheu Segens unb
geiftlicher Krönung oor allen Sterblichen h*n>orragen". ©ine ent=
[Rieben mnftifdje Sluffaffung ber Katfermürbe jeigt fid) bei SBipo in
ber Krönungsrebe, welche 2lribo oon 3ftain$ Konrab 11 hält. @r
nennt ben König „ßbrifti Stclloertreter", er f priest oon ©ottes
fctebe, bie ben König jefet in einen neuen 3)?enfd)en oerroanbelt, ihm
Xeil an feiner ÜKadjt gegeben tyabe. Säljrenb noch Dotter ber
©eutfdje in ganj tiarer Würbigung ber gefchidjtlichen Vorgänge oon
einer 2luflöfung bes alten römifchen Meiches burch bie (Germanen,
oon feinem Aufhören fprid)t, erfcheiut fjunbert 3ahre fpäter $ur 3^t
Lothars bie 3bee ber gortbauer beß römifchen Meiches gefiegt $u
^aben. 9cad) ber Kaiferdjronif finb bie beutfeben Kaifcr einfach sJJad>:
folger ber (Säfaren, rote auch Slbam oon Bremen unb ©ffeharb oon
9lura bie Könige unb Kaifer oon 2luguftus an rechneten. So ift es
benn für Otto o. greifings (it^ronif feinesroegs jtoeifeltjaft, baß mit
bem eifemen Unterteile bes öilbeo bei ©aniel bas biß ju feinen
Sagen fortlebenbe römifche Weid) gemeint ift, welches burch ben Stein,
bie Kirche, an feinen thönernen güßeu ins hänfen f ommen roirb. tiefes
2lnroacbfen ber Kirche ju einem »erge erfcheint Otto o. greifing aber
nur als eine Quelle grofjen Unheils (VI, 36); nicht fie hält er für
befähigt, ben 9Beg $ur Befreiung aus biefem ©lenb $u roeifen;
fonbern baju finb bie (Sinfiebler unb ÜJiönche erforen, bie in ftitter
3elle ober roeltentlegener ©rotte ein gottgeroeihtes iteben führen.
Sie bilben ben ©ottesftaat auf ©rben, finb bie geeigneten unb
gütigen gürfprecher unferer Sünben. — So ift bie 3bee bes 3m;
periums als einer Stüfce ber chriftlichen Kirche ju ben Reiten ber
2luflöfung bes römifchen Weltreiches oon Romanen ausgeftaltet, auf
baS "Jieich Karls bes ©rofren unb oon biefem auf bas $)eutfche
!*Hcid> übertragen morben. sJJad)bem fie anfänglich, unter ben Sachfen-
faifern, oor einer nüchteren 28ürbigung ber gefdncbtltcben Verhältniffe
hatte jurücf treten müffen, gelangt fie $um Siege, als bie :Heichs=
gemalt @tnbuf?e erleibet unb bie 9)iad)t ber Mirale über fie empor^
roächft, fie ift eine 33egleiterfd)eiuung bes Weberganges ber ftaatlichen
2J(ad>t.
(§s wirb erlaubt fein, bie oon £>aus aus febr oerfchiebeuartigen
morgenlänbifchen , chriftlichen unb griechifch: römifchen ©inflüffe, bie
bem (Germanentum burch bie Vermittlung ber römifchen 2Helt=Kultur
jugeführt mürben, unter bem Tanten ^omanismus sufammengufaffen.
tiefer JHomantSmus brang burch jährte Kanäle in bas beutfaV
Volfsleben ein. 3m allgemeinen mies ihre 9<aturanlage bie @er=
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SDttttrlaftrr bi« ju brn Qtittn $etnrtd>6 bf« Vierten
345
manen auf ein unbefangenes ©eltenlaffen oerfdnebenartiger geifttger
sJWäd)te f)in; Der djriftlidjen Äirdje tjatte fid) aber, inobefonbere feit
Dem 4. 3af)rl)unbert, ein Streben uad) ^cntralifierung, nad; einbeitltdjer
©eftaltung aller ISrfdjevnungen bee bebend bemächtigt. $em
römif d>en 33iötum follte fidj bie Mirale, bem bogmatifctyeu (Sbriftentum
bie "Jiatur unterwerfen. 9iad) 2lmbrofiu$ nüfct es nichts jum ju^
fünftigen Sieben, oon ber 39efc^affenr)eit ober ber Xiage ber (Srbe
tjanbeln, jur 2Biffenfd)aft genügt, was bie heiligen Sänften hierüber
mitteilen, baf? ©Ott bie ©rbe in nichts aufbangt — ($eraßmeron I, fi),
bie SMbel reicht aud) für bie 3Jaturerfennrnis aus $>ie Crrfennt;
nie oon einer gefefemäfjigen ^erfnüpfung ber ?f)atfac$en, melier bie
ftultur beo 3lltertums nat)e gefommen war, trat jurücf; gerabe im
2öunber geigte fid) bas SBirfen ber göttlichen Mmacbt. 60 hefteten
fid) ^Uofe ihtonber an bie &benögefd)id)ten ber ^eiligen , ir)rc
^äljlung nimmt aud) in ben $arftellungen weltlicher ©efcbid)te ben
breiteten JHaum ein. (Tregor oon Xourö berichtet in feinen 10 fächern
fränftfcher ©efdnchte „bunt burd)einanber oon ben 2öunbertf)aten ber
^eiligen unb ben Unfäüen ber Golfer". $ie s,Nad)bilbung ber bib--
Uferen 9öunbergefd)id)ten ift meift leicht ju erfennen. $em frommen
33ifd)of Söriccius oon xours toirb ber £ob bes unrechtmäßig er=
nannten ©egenbifdwfs burd) ein ©eftetjt oerfünbet; mährenb er burd)
bas eine Stabttljor eingeht, mirb ber £ote jum anbem binauege-'
tragen. — 5öci bem SBerfud), einen sfcUinben ju feilen, mirb ber
arianifdje löifchof oor bem Anhänger ber fatf)olifd)en Äirdje elenb
ju Sdwnben. — ßin .Hrieger null ben gotteöfürd)tigen 2lbt 3Kapen=
tius mit bem Schwerte treffen, aber ber 2lrm bleibt iljm erftarrt
ftefyen; 9Jtajentiuö muft tfm burd) :Öeftretd)en mit bem ^eiligen Dele
roieberherfteUen. — Oer ^riefter ^julianuö geniefjt weber Sein, noch
3u!oft, trägt immer ein f)ärencö Sufifleib unb ift unermüblid) im
Söadjen unb Seten. $aber oermag er Sefeffene ju feilen, ^linbe
feljenb §u machen unb mit bem 3e^n beo ftreujeo alle möglichen
ßrantyeiten $u bannen. — @in tropfen Sßaffers 00m ©rabe be$
heiligen Martin oon Xourö füllt ein ©efäfe, baö jur &älfte leer
mar, biß $um staube; es toirb mehrmals geleert unb immer toieber
burd) einen tropfen angefüllt. Ü£o fid) bie ©inbilbungöfraft ber
3eit fclbft überlaffen bleibt, oerirrt fie fia) leidet ins Unflätige.
$>er ^anbalenfönig Xrafimunb lä&t eine gottgeweihte 3ungfrau fol=
tem, um fie ber ariamfdjen 3rr(ef)re jusufübren. tiefer Jungfrau
'») »gl. (Sbcrt 1, 147.
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346
ffiubotf <$ortte, 3ur töcfdjic&te brutföen fJoltogrifte* im
roirb nachgerühmt, baß fie bas ju einer jroeiten Saufe herbetgebradne
SBaffer mit ber Salbe benefet j)abe, bie tym gebühre: mit ber 2lu$
leerung ibres £eibes. £en 33öfen begegnet bas Unheil oftmals im
geheimen Gemad), roie bort bem Sirius bie ©ingeroeibe aus bem
Unterleib (jeroorgetreten fein follen. So ftirbt bort ein fd)änblid>er
s$riefter, gerabe, als er entfdjloffeu ift, roiüjrenb ber Sruljmette bcn
gottesfürctjtigen $3ifdrof Stboniuß oon iilruern geroaltfam aus ber
kixö)t ju entfernen l2). s)Nit einiger Sdjalfrjaftigfeit erjätjlt aud)
©ffermrt IV13), roie ber ubelrooUenbe :Huobmann oon 9ieidjenau,
ber fid), um Unregelmäfcigfeiten ju entbecfen, bei 9tod)t in bas SUofter
eingefajlidjen batte, im geheimen Gemadje entbeert unb empfinblidj
beföftmt wirb.
$)er Geift ber morgenlänbifcben Slöfefe gehört gleichfalls $u ben
s})Jäd)ten, bie mit roaebfenbem ©influB auf bas in feinem Selbft-
beroujjtfein unb im Gefühle feines ©igenroertes allzufrüh erfetjütterte
Germanentum einroirften. 2lud) luer weifen bie einzelnen <^rfdr>ci=
nungen immer roieber oerroanbte 3üge auf. Söenn ein gereifter
s])tonn et)elia)en ftreuben entfaßte, fo feinen bas weniger oerbienftlia),
als wenn ein Brautpaar bem naben Glücf bie tfrone ber tfeufcfjrjeit
oorjief)t. XUuguftin roirb burd) bie Geid)id)te jroeier foldjer tyaaxt
ba$u getrieben, in ben geiftlidjen Stanb einzutreten, Gregor oon
Xours erjagt oon bem beiligcn 3njuriofus unb ber tjeiligen Sdjola^
ftifa1*), baf? fie ftdt) bei Bereitung bes etjeltd)en Kagers .Heufcr)t>ett
gelobt unb il)r Herfpredicn bis jum 2obe gehalten garten. Xa feien
buret) ein ÜUmber bie beiben Gräber, bie getrennt roaren, in ber
9tod)t nad) ber 33eftartung bierjt jufammcngerücft roorben. $as er-
baultcrje sDfotio febrt bann mannigfach, in oerfefnebenartiger Raffung
mieber. 3d)on recht früh roirb bie Belohnung ber weiblichen Äeufa)-
Ijett burd) ben bimmlifdjen Bräutigam finnlich ausgemalt. Sdjola-
ftifa roill ihren tteib unbefleeft oon eines Cannes Berührung (^tjrifto
beroahren. Sie rettet fid) baburch bie 3)iorgengabc bes s}ktrabicfe$,
oon ber fie ihrem gleidjgeftnnten (beliebten einen Teil r»erfpria)t.
Leiter gebt febon Gregors ^citgenoffe, ber &ofbid)ter ^enantius Jor
tunarus in einem ^obgcbidjte auf bie jungfr&ulictyteit auf biefem
SBege. 2ln ben finnlicb,'überfinnlicr)en ^iebesbienft ber fpäteren tatet-
niferjen sDZaricnbid)tung, bes geiftlicben Holfßliebes unb ber fo fleißig
") Ofrreqot o. Xour«, 10 ©ü$cr fränf. ©cf*. II, 1; II, 3; II, 37; IV,
32; V, 2t; II. 2; II, 23.
") Casus Sancti Galli X, 81.
>«) Sbenba I, 47.
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Mittelalter bis in ben 3eiten £einrid>« b<* Vierten
347
briefwechfelnben 9)inftifer am Ausgang bes 3)tittelalters barf ^ter
nur erinnert werben.
Das frühmittelalterliche (Sbriftentum mufjte, weil es bem geifc
lid>en unb Kranichen ©ebot eine all^errfc^enbe SteUung oerfebaffen wollte,
eine allfeitige "ilusbilbung ber ^erfönlicfjfeit oerneinen. 2lucb tykv
ift lUuguftins Seifptel oorbtlblicb. ©r bebauert in feinen Confessiones
felbft, oafe er bie greube am febönen .ftirebengefang unb bie Söijg;
begierbe noch oöllig überrounben habe, benn bas ftnb weltliche
Singe. Webt einheitlich auSgeftaltete S^erf önlicbfetten , fonbern ge;
brochene G bereiftere h^ran.^ubilben, war bas 3iel ber möncf)ifcben (*r=
jiebungsfunft. ^n einem ftlofter ju Sorbeaur bewahrt ein neu ein;
getretene Mönd) 3 SBispel betreibe burch fein ©ebet oor einem
plöfclicben Megenfchauer. Der 3lbt aber läftt ihn fogleich geißeln unb
lieben läge einfperren unb hungern, bamit feine (fttelfett in feine
Seele eingeht. Das trägt gute Früchte, benn er urirb ein ÜNufter
oon grömmigfeit unb Gnthaltfamfeit unb geniefjt in ben oierjig--
tägigen gaften nichts als einen Secher fcaferfcbletm an jebem 3. Dage.
(SJott möge ihn bis an fein l'ebensenbe fo bewahren, fchliefjt unfer
Gewährsmann feinen Bericht Demütigung unb (Srniebrigung ber
eigenen ^erfön liebfeit war eins ber höchften Siek fittlichen Strebens.
Die guftmafdmng ber &erm würbe oorbtlblich; oomehme grauen
waren befltffen, biefen Dienft Ernten unb ©eringen ju erweifen. Die
burgunbifche .HönigStod)ter (Sbrobichilbe wäfdjt, um ftch ©otteslolm
ju oerbienen, bem als Settier oerfleibeten Soten (Slobowed>s bie
güfee, bei welcher Gelegenheit ftch b\e\er burch einen 9iing als Sraut;
werber feines ^perrn offenbart l6).
Die inneren 3uftänbe bes granfenretebes im ti. Qabrbunbert,
oon welchen uns fein 3lnberer ein fo umfangreiches unb genaues
üBUb giebt, wie ©regor oon Tours, ftnb oon hoher Sebeutung für
bie Beurteilung ber weiteren (Sntwicflung ber beiben Sölfer, bie aus
bem granfenreid) beroorgehen follten. 3)üttelnlterlicbe Söeltanfchau-
ung unb mittelalterliches ©eiftesleben in romauifcher Prägung unb
Sluffaffuug, alle bie 3)iäd)te, bie fo tiefgreifenben (£tnflu§ auf bas
Äulturleben bes beutfehen Golfes gewinnen follten, erfcheinen tytv in
ber großen 2>ier)r^af)l ihrer (Srfcbeinungsformen oorgeprägt. Die Gnu
pfinbung oon ber 3erKfeung einer alten tfultur unb bem ÜHufbau
einer neuen rief eine franfhafte unb ängftliche ©rregung ber ©e^
»•) ©regor öon £our* IV, 35.
'•) Jrebegar 18.
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34«
Mubotf ©oette, 3ur ©efcbi$te beutfdjen t*oir«3ciM int
müter road). $n oielen bei* 3eid)en, man roabrnimmt, offenbart
fid) bie ©rtoartung oon etioaö Slufcerorbentlidjem. $er 3erfaß ber
alten :Hed)tdanfd)auungen unb (§tnrid)tungcn roirb im granfenretd>e
burd) bie ©rfjöfmng ber Äönig$mad)t unb bie &erabbrücfung ber
greien gefennjetdjnet. önte^renbe JÖeibeöftrafen treffen alle, bie fid»
oergef)en ober mtfeltebig madjen. 2)aö Seifpiel ber S3t)jantiner regte
Su auögefudjter, fdwuberrmfter ©raufamfeit an; man sroiefte bie
Opfer ber sJted)tspflege mit glübenben <£ifen, pfählte, entmannte unb
liefe ju Xobe prügeln. $a« Königtum erlitt ©rnbufee an feinem ur
fprünglicrj oolfötümlidjen ©epräge. (Sljlobotoed) erhielt oom oft-
rönüfa>n Staifer 3lnaftafiu« ben (Sonfultitel unb legte na$ bem $or-
bilbe ber öerrföer in $n$anä in ber Äirdje be6 fyl 2Rartin *u Xour«
«Purpurmantel unb labern an17).
2lud) in bie Stammeäfagen brangen oerfälfdjenb au& gräco^ro^
manifdjen Slnfdwuungen gelehrte SNeftanbteile ein. (Safftobor unb
natt) tf)m ^orbaniö fnüpfen bie ©efdjidjte ber ©otfjen an bie ber
tbraftfdjeu ©eten an: müßige ©ele^rfamfeit leitete bie $etfunft ber
grauten oon ben Trojanern l8), bie ber <Sad|fen oon bem §eere
2Ucranberö bed©rofjen ab IÄ) unb führte SRerfeburg alö Surg oe$9Harö
auf 3U^UÖ ©&fw jurücf20). (£ine folay $erfälfdmng oolfstümlid)er
Ueberlieferung giebt gleichfalls oon einem ©djiroinben narunoüdtfigen
Selbftgefuf)l$ ftunbe, oon einem (Streben nadj 2tnlefmung an gefdjict^
Lidt) e^rroürbige ©ebilbe ber 9Belt beö Altertums.
$)ie SHiffion Oer Sro^Sdjotten unb 2lngelfad>fen unb baö 3öclt=
rcid) ftarld beö ©rofeen tjo-ben eö bewirft, bafe bie geiftigen Wachte,
meldje fid) auf bem 33oben ber alten Stultur innerhalb beö 9)iero;
loingerreia^eß entiotcfelt fmtten, ju loeitreidjenbem ©nftufc, jur §err-
fd)aft gelangt fmb. $)as Streben nad) innerer unb äußerer ©in^eit
gewann oerboppelte Äraft. 3n einem an ftarl gerid)teten ©ebid)te
bes Hibernicus exul roirb gefagt: nrie ein ©Ott im Gimmel, foDe
audj nur ein Äaifer auf (Srbcn unb ein ©laube fein21). $a$
geiftige £eben, baö feit bem 5., namentlia) aber feit ber Serni^tung
ber Dftgotbenfjerrfdwft im (i. 3al)rbunbert, im SRärfgange begriffen
mar, na^m unter ben (Sinioirfungen, bie oom &ofe ÄarU ausgingen,
") ©reqor oon lour«, IT, 88.
'•) ftrebegar 2. (Uebrtgen* rnü»ft aua) bie Ueberlieferung »enebig*
bie örünbung ber ©tobt an ben Untergang Xroja« an).
••) SBibuHnb I, 2.
»•) Hoetmar I, 2.
*») (Jbert n, ©. 38.
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SKtttelalter bi* ju brn 3eitfn $rinn$$ bcö JBietten
349
einen entfdjnebenen Sluffchroung, unb auch hierin geigte bie junge
SBeltmacht ihre Ueberlegenheit gegenüber bem (Staate ber 33u$an=
tiner. 3lber wenn auch Karls beutfches ©emüt am eigenen SBolfo
tum hing unb bie«, foroeit es nicht bem (Shriftentum roiberftritt, ju
förbern unb ju erhalten fudf)te, fo mar bod) bie ganje ©eroegung auf
öefeftigung unb Vertiefung einer Kultur gerietet, meiere bie natio?
nalen Unterfdnebe auszugleichen berufen festen. 3eboa) bie &au$-
politif ber Karolinger unb bie Unnatur bes romanifch-beutfeheu
Meiches brachten bie unter bem gro&en Karl angebahnte (Sntroicflung
$um Scheitern, ber Kern bes Staates ber Karolinger fiel in eine
beutfehe unb eine loeftfränftfche Hälfte auseinanber. Der romanifdje
©eift fanb fchon früt) bie größte ©enugthuung in ber 2luSgeftaltung
bogmarifcher Safcungen, meldte bie SÜMt beö SBiffens unb beö
©laubens bcr)errfdt»cn follten. 91id)t umfonft ift bas fogenannte apo^
ftolifd&e üBefennrnis auf bem SBoben beö iüblidjen granfreichs aus
einem Sauffnmbol erroachfen. Der ©ef^iajtfäjreiber beö älteren
sltteronringerreia>ö finbet feine tieffte fittliche Vefriebigung in ber
geftftellung feiner Uebereinftimmung mit bem bogmattfehen fceljrgebäube
ber Kirche, bas er im (Eingänge feines »rfes in ben Hauptfragen
oerhältniSmä&ig eingetjenb befmnbelt; bei ben Deutzen hingegen
$eigt fidf) oon Anfang an ein Streben nach fittlid)er Vertiefung bes
(Shriftentums. Die Mätfel beö Seelenlebens erfdjienen ben Romanen
gelöft burch bie Sinnahme einer 3,l,ci()eü oon Seele unb Üeib, bie
meift als im SiMberftreit befinblich gebaajt werben, ftafylxeity tet>r-
hafte 3!t,^gcfPrö(l)e beljanbeln ben ©egenftanb, ber auch in bie
&ebesbta)tung ber Volfsfprachen einbringt unb in ben ©ebichten ber
£roubabors eine grofje Molle fpielt. Dem beutfehen ©efehmaef fagt
biefe f lügelnbe 3ergliebemng bes (Smpfinbens nicht ju ; eine berartige
Vehanblungsroetfe fam erft ju ben Reiten bes SOfinnefanges unter bem
Ginfluffe ber ^rooen^alen mit ben ßiebern griebric^ oon £aufens
unb Meinmars ooritbergetjenb jur ©eltung, um bann in ber lehrhaften
Dichtung ber lefeten 3a^hunberte bes Mittelalters noch einmal auf-
jutaud^en. 3n ©allien nahmen ju ben 3«^« ber Karolinger Dog-
matil unb ^pintofophie, in Deutfchlanb grammatifche unb allgemein
roiffenfdhaftli^e Stubien unb im Slnfdjlufe baran bie poetifche £f>ä%
feit eine reifere (Entfaltung.
Die romanifa>päpftlia)en (Eimoirfungeu auf bas geiftige ^eben
unb bie 91nfa)auungen ber gebilbeten Kreife fmb unter Karl bem
©rojjen recht bebeutenb, toie bie Betrachtung ber &itteratur jener 3eit
lehrt, es ift wohl unreif elhaft, bafj Karl gemäfj ben übereüt;
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350
fflubolf Ivette, 3ut ©rjctjidjtc beutfäeu öo(t«geific« im
ftimmeuben 5terid)ten (Sinfjarbs (Vjta, Kap. 28) unb bes 9)Jönd)es
oon St. ©allen (I, 26) oom ^apfte mit bcr Kaiferfrönung über;
rafdjt unb $max unangenehm überragt mürbe. Der ©laus unb bas
2Infef)en feiner Regierung rourben aber burd) biete SBeifje entfdneben
erl)Öt)t. ^n ben ©flogen 9iafos, beren 2>erfaffer bem ©eletjrtem unb
Künftlerfreis am §ofe bes Katfers angehört haben mujj, roirb in
einem Settgefang gefdrilbert, roie Karl oon ber 33urg ber neuen
9toma, oon 3laa)en aus, äße iReidie feiner &errfd)aft unterworfen
fieht, wie bas golbene 9iom erneuert bem ©rbfreife miebergeboren
fei. Xfjeobulf fagt gar in einer ©oiftef, mie ^etrus bie Sd)lüjfel
bes Wimmele, fo folte Karl bie ber Kirche führen, bura^ ifnt befäfeen
bie Sifchöfe ihre geheiligten Med)te. Dod) aber mar auch im
©Ratten ber stacht biefes übergeroaltigen &errfchers, trofc aller
Demütigungen einzelner Sßäpfte, bie Sebeutung bes apoftolifa>n
Stuhles im $unel)men. Slngübert löfet im Carmen He Carolo magno
bas ganjc jur Befreiung &os ausgesogene granfenheer breimal oor
bem $apftc bie Knie beugen, um breimal ben Segen $u empfangen.
Der Meliqutenbienft trug mit ba$u bei, ben t&influji ber Kirche ju er;
höhen. Die bebeutenbften unb geiftig freieften Seilte ber 3*i* meinten
$eiltgengebeine für ihre Sieblingsflöfter jufammenfa^leppeu ju muffen,
mie fid) ©inljarb gegen ©nbe feines Gebens für fein geliebtes Seligem
ftabt im Cbenroalbe reblich abmüht. Der Dämonenglaube unb ber
iföalm ber £eufelsbüubmffe uerroies bie heibnifdjen Vorftellungen in
ein nächtiges Meid) unb lieft fjierburd) bie Kirdje als eine ftegreidje
3Rad)t bes dichtes erf feinen, greilid) fehlt es nidjt an äöiberfprud)
gegen bie 2i>erfheiligfeit ber Kirdje. ^t^cobulf menbet ficf> in Epi-
grammen gegen Momfahrten unb fagt, nicht ber 9Beg ber güfee, fon=
bern ber bes (Stjarafterö führe in ben Gimmel. Der granfe silgo-
barb, <£r$bifd)of oon fioon (-[- 840), befampft mit grofeer Schärfe
unb (Sntfdjiebenheit Öilberbienft, iHeliquienoerehrung , gerichtlichen
^meifampf, (Gottesurteile unb bie oerfdnebenften Ausgeburten bes
VolfSaberglaubens.
Marl ftanb in ber Jreitjeit feines Urteils and) über feiner tmaV
gelehrten Umgebung. (Sinharb bemerft im £one bes Öebauerns, bafe
er auf bie oielfaa^en Reichen, in benen ber ©ef$id)tsfchreibcr bes
.Maifers ßinroeifungen auf feinen £ob erfennen null, gar nichts ge-
geben habe, gür Karls ©eiftesrid)tung ift es fetjr fenn$eid)nenb,
bafe fein fcieblingsbud) Sluguftins Schrift oom ©ottesftaate mar. 3in
ihm jeigt fid) in bem fjerjlidjen Verhältnis ju feiner gamilie, bem
tiefen Sd)mer$e, ben er beim Dobe fetner Söhne unb feiner Xodjter
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Mittelalter bift ju beu 3eiten $«nri$« be« »terten
3.M
$ur (5d)au trug25), in ber pflege ber Sreunbfdmft mit feinen ©e=
finnungsgenoffen ber rotyen unb fjerjlofen Üfteroroiugerjeit gegenüber
eine Vertiefung beö ©emütölebenö , ein Jortfcfyritt ber inneren 3Ml=
bung, ben man, roo nidjt bem ganjen ©efd)led)t, bodj fidjerlid) ben
oberen klaffen ber ©efeüfd)aft ^billigen barf. Sd)on früt) mürbe
feine ©eftalt $um Volfsibeal , mie fid) baß in ber begeifterten <Sd)'\U
berung feiner Umgebung beim (Smpfange grieclnfdier ©efanbten burd)
ben alten ßriegsmann, beffen 33erid»te im 3Köncr> oon St. ©allen
aufberoaljrt finb, fajon redjt beutlid) jeigt, ebenfo in ber 3age oom
eifemen 5larl, bie fid> bereits in berfelben Duelle finbet").
£>aft inbeß in ben geiftigen Veroegungen ber tfarolinger$eit ber
iKomantemu« bie ftärfere 3Kad)t mar, oeranfd)aulid)en ©alaljfrieb
Straboö Versus de imagine Tetrici fet)r beutlid). Xljeoboridj
ber ©rofte roirb t)ier im ©eifte ber römifd) = flerifalen lieber
lieferung al$ ein ber £öUe überlieferter £nrann betrautet,
al$ ÜBeifpiel ber avaritia unb superbia. unb ber SDid)ter
fteöt ibm bann bie £td)tgeftalt Äarls gegenüber, ber bie Völfer bem
(S^riftentum jufübrt -*). $n ben Sßirren ber folgenben ^a^eljnte
waren bann bie (ftnflüffe ber römifer) = crjrift lidjen 2ßeltanfa}auung
nod) im ^une^men. $m erften Teile be« £ubroigöliebe$ fütjrt bie
leibfame S5etrad)tung$tueife bes geiftlia)en Sidjterö bie §eimfud)ung
bes Jranfenreidjes burd) bie Normannen auf bie ©ünben bes Volfes
jurücf: ,,©ott oerl)ängt oerbiente 3üd)tigung über bi* Uebelttjäter.
Viele geljen jefct in fid). ©er bislang ein $)ieb mar, faftet nun unb
mirb bann ein guter sJ)ienfd). Lügner, Räuber, 3uc^0ic belfern
fid)." 2tuf fold)e im ©eifte ber Äreuj- unb £eibenstf)eorie oerfaftten
Verfe folgt bann aber eine frifdje unb fröfylidje 3d)ilberung beö fieg^
reiben Kampfes. £ie aUmaf)lid)e ©Reibung ber r»on beutfdjrebenber
93er>ölferung bewohnten £anbe oon ben übrigen Meidjsteilen mirfte
anregenb auf baö r»olfötümlid)e ©mpfinben. $)er $id)ter beö föelianb
füt)rt bie galjnenflua^t ber 3ünger bei ber ©efangennafyme bes
Herren auf bie jroingenbe 9Hadjt beo Verbängniffeö jurürf; benu
fonft müfcte fie biefe nad) germanifdjer 2lnfd)auung für eroig oer-
Unehren.
2luf bem ©ebiete be§ r)ied)tcö jeigt in ben t)ier betjanbelten
3eiträumen bie ©efd)id)te ber ©ermatten eine immerhin in ben
") (Sinbarb, ftaifrr Äarl# ?cben 19.
") 3Hönd> ». et. ©allen II, b unb II, 17.
") (Sbert II, 6. 155.
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352
ffiubolf ©oette, ßur G>efd>id>te teutfdjen ©olf«geifte« im
©runbjügen felbftäubige (£ntmicflung. 3n ber islänbifdjen ©rägaö
befifeen wir bas 2)enfmal eines oöütg frei ausgeftalteten rein germa^
lüften 'Weltes. 3n bie ^BolfSrec&te ftnb $mar melfad) bwanti;
nifcfye ©inftüffe eingebrungen, ober ber ftern ift bod) germanifd) ö*:
blieben. 93on £au$ aus waltet in ben Stammeöredjten eine ge-
wiffe Abneigung gegen überflüffiges ^lutuergiefeen twr; wie bas
WedjtSinftitut ber (Sfjrenefrube (Lex salira Tit. 58) beweift").
Das #eben bes freien ©tammeseingefeffenen wirb bo$ eingefd)ä|t.
$as jeigt bie Einrichtung bes Söergelbes, bie fid> aus bem alteren
3uftanbe einer größeren 3"riicft)altung ber $3el)örben blutigen 0e^
fd)led)terfel)ben gegenüber jum Vorteil ber ©cfamtljeit eutwidelt l)at.
3n einer gcwiffen fliücfftdjt auf bie £iere ift menfdjlidjes SWUgefübl
erfennbar; nad) Tit. 2 ber Lex saliea ift ber $iebftat)l eines fäugem
ben gerfels mit :* <5olibi ju büjjen, wätjrenb auf bem 9taub eines
bereite entwöhnten nur 1 Solibus ftefjt. Unmittelbar fjat bie roma;
niftifd)e Kultur bis jum 13. ^ötirfjunbert feine bebeutenbe @inwir-
fung auf bie Mectytsbilbung in £>eutfd)lanb ausgeübt; bie Jöeränbe-
rung ber gefellfdjaftlidien ©lieberung bradjte aber eine allmäf)lid)e
(Sinfdiränrung bes ©tnfluffes ber ©efamtbeit Der greieu, eine Hkx-
minberung ber lebenbigen £eilnat)me ber urfprünglid) jum Jinben
bes $ed)ts berufenen ©emeinbe mit fidt>. So fanb eine jeitgemäjjc
3\5eiterbilbung nur in befdjränftem -Dfatfe ftatt; baö oolfstümlia^e
Medjt begann frültfeittg $u fümmern, mäljrenb bas fanonifdje Med>t
ibm SBoben abgewann28), ©in frifdjeres ßeben entwüfelte fid) im
germanifebeu Horben; es fei nur auf bie üerbältmsmäjjig grofee
güfle ber flobiftfationen unb bie Teilnahme ber ^errfdjer, wie ber
©emetuben am fled)tsleben in Norwegen, ©otljlanb unb Stfcmeben
uerwiefen.
(Sin unuerfennbarcr Sluffdjwung twlfstümlidien ©elftes ging bem
3eitalter ber fädrfiföen tfaifer Horner unb begleitete es, ein 2luf;
•*) ©« beliebt bariu, baß ber S3erfeb,mte au« ben 4 SUtntetit feine«
$aufeö ®taub jufammenrafft, ib,n üon ber Örfjroefle au« mit ber linffn
$anb über bie Schulter auf feine nädjflen Berroanbten roiift unb bann nur
mit einem #entbe befleibet, ungegürtet unb oljne @a)u&f mit einem ötab
in ber $anb über ben 3aun entweiht, ftür ben ntdjt gebedten ffirfl ber
©nfje einzutreten fäat bann ben ©erroanbteu *u. Sgl 3acob ®rimm, beutfebe
9tea)t«altertümer II. «uff. ©ött 1&54 ©. 110.
") Sdjröber. beutfetye 3ied)t«gefd)id)ie ©. 72 fagt gerabebtrau«, ba«
©trafredjt ber germanifd?en Urjeit, wie mir e« au« Xacttu« unb bura) SHüd«
fdjlüffe au« fpäteren Äufjeidjnungen, namentlich fädjftfäjen unb friefifd^ru Duel-
len, erfennen, fei ooafommeuer, al« ba« be« a)riftlid)en SWittelalter« geroefen.
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3Ritte(altet bi« jit ben 3('ten f>«nric$« be« Vierten
353
fd)ioung, ber feine ftärfften Antriebe oon Der :Hegierung Otto« beß
©rofcen empfing. 3unäd)ft äußerte fid) baö gefräftigte Selbftben>uftt=
fein in einem urroücbfigeu Stammeögefüt)l. 3iemlid> lebhaft war
bies bei Skiern unb granfen eutnucfelt. 2)ie enteren rühmen fi$
ihrer Ueberle<\enbeit gegenüber ben Si>elfd)en febon in ben Äaffeler
©loffen (um 8(>ü): Tole sint uualhn. spähe (flug) sint peigiru.
luzic ist spähe in uualhun mera hapent tolaheiti rienne spähi.
35a bie Skiern im \). unb 10 3flbrl)unbert nad) Süben t)in erobemb
gegen bie Romanen oorbrangen, fo ift eö nid^t unioabrfd)etnlid), bafe
eö fid) (jierbei um eine fpricbroörtlid) geworbene, etwas prablerifdje
Lebensart ^anbelt, benn aud) ber Skier SBolfram oon ©fdjenbad)
fagt im gJaräiDüP7):
ein Tpxli ben mir Seier tragn
muo$ icb, Don 2B&lei8en fagn:
bie ftnt toerfdjer benne beierfd) Ijer.
^iutpranb oon (Sremona?R) Gilbert ben Uebermut ber Skiern, bie
mit 9lrnulf nad) 3taKen tarnen; ein Skier habe bie 3talicner fort;
gefegt burd) feine Meiterfünfte oer^ötmt unb fie alö Feiglinge be=
$eidmet, bie uid)t reiten fönnten, er fei bann aber im 3n>eifampfe
trofe feiner ©eroanbtbeit burd) einen £an$enftofe getötet loorben.
(*inen fdjönen unb mannen Sluobrurf finbet baö Stammeögefüf)l
ber ftranfen in Dtfriebo CStjrift.
„Vuanana sculuo frankon einon thaz binnankon ni sie
in frengiskon lnjriun^n, sie gotes lob singen?"29) fragt ber
Siebter. Qx rühmt oon feinen i'anböleuten, fie feien fo füfjn nrie
bie Börner unb matten ben ©riechen ben Vorrang barin ftreitig.
(Sie tjätten genug &errfd)ermad)t unb feien fdmell jum Sdjroerte.
Sic befäfeeu SJcrftanb $u t(jrcm 9iufeen unb wohnten mit allem ©e-
räte roobl oerfeben in gutem £anbc. Sieht JBolf entjiebt fid) i^nen/
baö tf>r Saab berührt, bind) iln*e Südjtigfeit mirb eö $u bieuen ge=
jtoungen, fo alle 2Kcnföen, wenn nia)t bie See bajwifdjen tritt.
(Sin Holt, baö miber fie fampfen möchte, belehren fie mit Schwertern,
nid)t mit Sikrten, unb mit fdiarfeu Speeren. $5e$balb mögen fie
fid) fürchten. Sie finb an Sippe unb SÖert oon Slleranberö ©e=
fdjledjt. Limmer bulben fie, baf? einer bei ihnen ßönig fei, ber
nid)t unter ihnen aufgewadjfen. Sie mirfen alles mit ©Ott unb finb
*7) ?a$mann III, 121, 7.
") Antapodnsis 2.
") ©arum fotlcn bie ftranten c« aaein entbehren, ba§ fie nit^t b:»
ginnen, @otte« l?ob ftänfifd) ju fingen.
irttfdirift für ffulhitflefd»t(fttf. II. 23
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364 föubolf (SJoette, 3>»r ©ei$i<$tc beutföen ©olf«geiftei im
nadj feinem ©ebote gar fe^r flei&ig bas $u lernen, wa« ifmen bie 8ücr>er
er$ä(jlen, e« audwenbtg l)er$ufagen, unb efi bereitwillig ju erfüllen.
3)od) aud> bie Soffen wollten nidjt jurücfftefjen. (Sfl erfüllte fic
mit freubtgem Stolj, bajj if)r Stamm jur fierrfd^aft im 9tetdj>e be=
rufen mürbe. SBibuftnb, ber ©efcrndjtfdjretber ber ©lan&jett bes
fädrfifdjen Kaufes, roenbet fic^ in feinen fäd)ftfdjen @efd)id)ten mit
roarmer öegeifterung feiner Aufgabe $u. $>ad jeigt fid> fd^on
in ben ©ingangoroorten: 9Kit feinen Heiligenleben l)abe er nad)
Gräften bie litterarifd&en Sßflic^teri erfüllt, bie er feinem geiftlidjien
Söerufe fdmlbe; jefct wolle er, fomeit er vermöge, feine Gräfte
ber SBerefjrung gegen feinen Stamm unb fein $?olf meinen, $ie
Sadjfen erfreuten ifmi als ber bevorzugte Stamm. Sie, bie einft
„Sunbesgen offen unb greunbe ber grauten waren" — (er (jai
babei ben gemeinfamen Äampf gegen bie Düringer im Sluge) —
finb nun mit 3^nen ein 93olf im djriftlidjen ©lauben geworben.
(Sin lebenbige« 33ewufjtfein von ber friegerifd&en Äraft unb ber
9Raa)tfteHung bes «Reidjes äu&ert fid) aua) in ber Siebe, bie 2Bibu=
finb Otto oor ber Sd&ladjt auf bem Sedjfelbe in ben SRunb legt
„93is fnerfjer", fagt Otto feinen Mannen, „fmbe id) mit euren rüftigen
armen unb ftets fiegreia>n Staffen ritymlicr) gefämpft unb au&erljalb
meines 93obens unb 9teia>« allenthalben gefiegt, unb foHte nun in
meinem eigenen £anb unb SReid&e ben «Rüden $eigen". — Unb
weiterhin: „Sdnmpflid) wäre es für uns, bie §erren faft gan$ 6u=
ropas, jefct ben geinben uns ju unterwerfen80). 2lu$ Xfnetmar
von 3Rerfeburg ift ft# einige 3ar)rjer^nte fpäter ber begünstigten
Stellung bes ®eutfä>n 9ietd)es unb ber fäd&ftfd&en $errfa)er mo&l
bewußt. 3n bem poetifdjen Vorwort ju feiner G^ronif oerfünbet
er, er wolle fdnlbern :
Jeben unb traten ber $errf$er, bir, fäd)fifd)ftn ©tamme entfproffen,
2)eutfd)lanb lentten, bad SRrtd), ba« flotj, wie be< Libanon« «ebrr.
9taget empor bur$ fte por ben übrigen Weisen ber ffrbe.
Unb im älteren Seben ber Äönigtn SRatrnlbe (Äap. 4) Reifet es mit
33ejug auf bie £önigswaf)l £einrid}$ I: „$urc& biefe gügung mit
einem Könige begabt, genießen bie Saufen gar tjofjer ©tjren, fte,
benen niemals früfjerfnn foldj anfefmlictjer Vorrang befd&ieben war.
D ©ermanien! ®u einft unter anberer Wülfer 3o<$ ßebeugt, jefci
aber in faiferlidjem Sdjmud ercjityi, liebe ben Äönig" u. f. f.
fiiutpranb, ber fiangobarbe, ber ergebene 2lnf)ängers Otto« be$
©rofeen, fütjlt fi$ ganj als ©ermane. <Sr fagt bem griea)tfd>en
»•) ©ibutinb, Sänfte ®eW4ten I, 18 unb 16, III, 46.
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2Hitte(a(trr bis ju b«i 3«trn #rinrirfj3 beß $irtten
355
Stoifer, ber ifcm oorroirft, baft er fein ?Hömer, f onbem ein Sangobarbe
fei: „2Bir ßangobarben, ©adjfen, Jranfen, fiotbaringier, Saiern,
©d>roaben unb öurgunber oeraa^ten biefe — (bie Börner) — fo
fetjr, ba& mir für unfere geinbe, n>enn roir redjt jornig finb, fein
anberes ©Zeitwort fwben, alfi: Börner".31) — <£r finbet in bem
öeroufjtfein, t»cr Liener eine« gewaltigen Surften, eines lebensfrifdjen
©taatöroefend ju fein, faum genügenb Söorte ber SBeradjtung für
9lifept)oruö, ber ifm nid)t fo betwnbelt fyattt, roie e$ bem ©efanbten
jufommt. „35er $Jef)errfd)er ber ©riechen trägt langes $aar, ©d)lepp-
fleiber, roeite Bermel unb eine 2Beiberf)aube, ift ein Lügner, ein )Be=
trüger, ein unbarmfjerjiger, fud>filiftiger, übermütiger 3ftenf$, oott
IjeudGlerifdjer $emut, getjig, Iwbfüdjtig, nä^rt fi$ oon Änoblaud),
3roiebeln unb dorren unb fäuft Öaberoaffer. dagegen trägt ber
Äönig ber granfen fdjön gefügte« $aar, eine Äleibung, bie oon ber
SBeibertradjt ganj oerfdneben ift unb einen §ut, ift ein Jreunb ber
3öa^rbeit, aller fiinterlift fremb, barmljer$ig am regten Ort, ffreng,
roo es nötig ift, immer oon roatjrer £)emut, nie geijig unb nä^rt
fid) ntdtf oon 3roiebeln, Änoblaua? unb dorren, um babura? bie
Xiere $u fporen, inbem er biefe nidjt ifct, fonbem oerfauft, ©elb gu«
fammen ju fdwrren82). 25ie fiotfwringer genießen als £albfd)läger
am roenigften Vertrauen. SBibufinb fagt oon tfmen, inbem er fie
älmlid) roie (Säfar bie ©aUier fennjeidmet: fie feien unauoerläfftg,
an SRänfe geroö^nt, ftets fertig jum ßrieg unb $u SSeränberungen
geneigt, — ein Urteil, roeldjes allerbings roo&l bura? bie Haltung
bes lotyringifdjen ^erjogtumö unter Dtto bem ©ro&en mit beeim
flu&t ift.
3m ©eroujjtfein t)öt)crcr ©efittung roerben foroot)! bie ©laoen
ber DftgTenje, wie bie Ungarn jefct oon ben ©cfyriftfteHem als $ar=
baren bejeid&net. 3ln ben ©efaugenen roarb oftmals graufame 93er:
geltung geübt. 9todj ben ©d&ladjten bei £enjen unb auf bem £ea>
felbe roerben fie fämtlid) getötet. 3)ie in einer ftegreid&en ©d)lad(>t
in Galabrien (969) gefangenen ©riechen roerben mit abgefdmittenen
Wafen nad) ifjrer #eimat jurücfgefanbt 83).
©s roäre nun irrig, einen 2luffdjroung bes SBolfsgeifteS lebtgltd)
in ben Sleufeerungen bes ©elbftgefüf)les im ©efamtberoufjtfein ober
aud) im gürfid)empftnben ber ©tämme fudjen $u motten, er muß jid|
") 0ffanbtfdjaft*beri$t 12.
»«) «benba 40.
M) ©ibnfinb III, 72.
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356
Wubolf ISJoettf, 3ur Ö5cfdji<^te beutf$en ©olfSqeifle« int
uielmeljr aud> barin funbtrjun, wie bic übcrfommcnen SMlbungSfeimc
fortenttütcfclt, bic geiftigen Sertürner oermefjrt werben. Ta i)t
nun unter ben Sactjfenfaifern eine frudjtbringenbe Aneignung unb
Vertiefung ber überfommenen d)riftlid)en ©ebanfcnmelt im S&ergleid)
$u ber weit met)r äujjerlicrjen, wertyeiligen Sluffaffung ber 3)iero-
wingep unb ßarolinger$eit in ben Greifen ber §öcr)ftgebilbeten mcrf-
würbig. £)ie Vorftellung ber perfönltdien Verantwortlidjfeit oor ©ort
tritt lebenbig rjeroor, bas (Stjriftentunt wirb als ©eiinnungsfadje em-
pfunben unb bie Aneignung feiner ©ebote burd) ben äBillen betont
£etnridf) fagt nad) Sibufinb oor ber Sd)lad)t bei 3ttabe, inbem et
ben ©ebanfen oerwirft, ben Ungarn fernerhin Xribut $u jaulen:
„Soll id) nid)t ber Verehrung meines ©otte* ben irbif^en ^eiditum
wibmen, bamit wir uns oielmefyr oon bem erlöfen laffen, ber
marjrrjaft fowobl unfer Sdjöpfer als ©rlöfcr ift."3*) ©in jarteö
empfinblidjefl ©ewtffen jeigt Dietmar, barin gan, ein Äinb ber 3^
bes jweiten £etnricr). <^m fommen mehrfach Stebenfen wegen ber
weltita) gerichteten Staatöfunft bes erften fädjftfcben Königs, er finbet
feinen £roft barin, baß ^einrieb wegen feiner Hergeben gegen ©ott
ftetö Su&e getfian rwbe unb fdjenft einem 3Jfärcr;eu ©lauben, nad)
welchem biefer als Süfjer naa) Moni gewallfabrtet fein foll. fr
bittet ©ott, ifpn in ©naben $u oer3eiben, bat? er wäljrenb feiner Re-
gierung unreajtmäfngen Sefife an fid) geriffen babea£i). 3n rcU:
mütiger ©efinnung blieft er auf feine eigenen Sünben juruef, ba er
früher in feiner äBeife bas &eil fetner Seele bebaut babe. frnen
ajütmenfe^en, ber bies ©eftänbnis lieft, erfud)t er, irnn mit ben
nötigen Heilmitteln $u fjelfen unb irmi in bem 3)ta&e bie ftit^nbe
<panb ju reichen, wie er fclbft oor feinem ©ewiffen entlaftet ju er-
fdjeinen wünfcr)e. 2ln anberer Stelle bittet er ben Sefer, if>m burd)
tbränenreidjes gletjen bie Verjeirrnng bes geftrengen 9fid)ters bafür
erringen ju Reifen, bafe er bie ^ropftei §u SBalbecf nad) ber Sittf
ber 3e^ Dur(i Simonie erworben tjabe. $ann mafjnt er bie
33ruber in <£t)rifto, bie im Ämtern verborgene 5tranft)ett bem lunun-'
üfcr)en Slrjte offen barjulegen, bie beilenbe Slrjnei, bie er barbietet,
nidjt gering ju aalten; ber Stinber möge, wenn fein lefctes <3tüvh'
lein fernlägt, nid)t mit bem reueooßen ©ingeftänbniffe sögem, um
einen gnäbigen Vergeber im Gimmel 5U finben. 2ßieberr)olt
••) fcbenba I, 88.
••) Ctyron. I, 8-9.
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aRittelaltfr bis jtt ben 3ett«t $rtnrid)* be« «iertcn 357
er in einer eingeljenben Darlegung feiner geiler bie SBadrfamfeit
feines ©emiffens nnb feine $emut funb3*).
Weine djriftltdje (Smpftnbung jeigt fid) fet^r anfpredjenb in ben
©efprädjen be$ ©rjbifdwfs Sruno oon Köln auf feinem Sterbelager,
wie fie oon beffen SMograptjen Wuotger aufge3eidmet finb. „3dj
warte auf ba$ Nüttel ber ©nabe", fagt ber ßranfe, ,,id) bin in ben
£änben meine« Sdjöpferd: id) erwarte in %xtye, baß er mit mir
mad)e, waö ilmt gefällt. — Unfern &errn 3efu$ (Sfjriftua fann nie=
manb nennen, eß fei benn im ^eiligen ©eifte; nad) i&m ift all mein
Öegefjren, unb mein Seufzen ift il)m nidjt oerborgen." $ie
grömmigfett jener 3^1 äußerte fid) oor allem aud) in unermüblidjer
3)tilbtt)ätigfeit unb 9iäd)ftenliebe ; burd) biefe ©igcnfdmften ift bie
Königin 2)Jatt)ilbc 3U einem fittlidjen SHorbilbe geworben. $\)tt ©es
ftalt erfdjeint in etwaö unbeftimmtem feilte, ba bie beiben £eben$=
befdjreibungen 3um großen Xeil Kompilationen auö allen möglichen
älteren !laffifd)en unb früt)mittelalterltd)en Sd)riftftellern finb, aber
jebenfalls ift fie eine außerorbentlid) wof)ltl)ätige unb in frommen
Herfen unermüblidje fixem gewefen. 9tfad) ber gortfefcung oon
SBibufmbö 3ad)fengefd)td)te erfüllte fie aud) in ber 3lad)t iljre jjiält,
bie fidt) gan3 in ber 9iäl)e ber Mirdje befanb, mit bem 2itof)lflange
bimmlifdjer lieber, fie entließ niemanben ofme freunbltdjen 3ufprud)
unb feiten jemanben olme ©efdjenf. Sie lernte raftloö unb untere
roieö Ü)re Liener in fünften unb SBiffenfdjaften. 3ebe freie Stunbe
Oes Xageö füllte fie mit nüfelid)er 33efd)äftigung auö.
So jeigt fid) im jefmten 3af)rt)unbert in $eutfd)lanb ba« 2luf=
ftreben $u einer geläuterteren gorm ber grömmigfeit, man fann
biefes mit einigem 9ied)t als eine s-8lütejeit beutfdjen ©laubenölebenfi
be$eid)nen. 3» bogmatifdjen Tüfteleien ift wenig Neigung oorljanben.
(£s gebeifjt aber eine fd)Iicbte unb ernfte Sittlidjfeit. $er 5Dicnft
©ottes oerlangt f)ol)e Cpfer an Söequemlidjfeit unb irbifdjem 33es
bagen, bie oon ben tljatfräftigen Naturen miliig bargebradit werben.
£aö 9lnfel)en ber geiftlid)en ©ewalt ift fortmäfjrenb im Steigen,
bod) iua)t fid) bas SBifdjoftum auf baß Äaifertum 3U ftüfcen unb
wibmet feine beften Kräfte bem Weidjöbienfte. Allein neben einer
tieferen Sluffaffung beö ©eiftigen im (Sljriftentum erfdjeint bei ben
$urd)fd)ntttömenfd)en ein naioeö Vertrauen auf gute SBerte, ja
biefeö jeigt fid) bod) aud) wieber in 3iemlid) urmüd)figer gorm aud>
bei oornetjmeren ©eiftem, bie anbrerfettö ein mef)r innerliches &er=
") Sfcron. VI, 30, VII, 10, VIII, 8.
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358 «ubolf ©oettf, 3ur ®e|<$t$tf beulen 8oU«geiM im
ftänbni« für bie djriftüdje 2ef)re befunben. ©in roher 2£unber:
glaube befteht ungebrochen fort, wenn bie ^S^antafie hier auch nicht
mehr bie gleiche gruchtbarfeit wie in früheren 3ahrhun°erten ent-
faltet, daneben erhielten fidt) in breiten 93oltefcbichten hetbnifche ®e-
bräune unb &nfchaungen ober auch ein d&riftlid) übertünchte« Reiben:
tum. 35er SHeliquienaberglaube beftebt in alter Starte. $>er äönig
ber SBeftfranfen führt bei Söibufinb") bie innem Streitigfeiten in
feinem deiche unb bafi ©ebenen be« Sachfenftamme« barauf jurücf,
bafj bie ©ebetne befi heiliflen £tttuö oon ^ari« fortgeführt unb naa)
Äoroei gebracht feien, unb ba« wirb oon bem ©efduchtfchreiber aus
führlich beftatigt. Sluch ber weitfichtige unb thatfraftige Sruno
mar ein eifriger 3tfeliquienfammler, unb nach 9ruotger foß er mit
biefem 53eftreben auch Den beraubten ©ute« erwiefen traben, inbem
er bei ihnen ba« Verlangen nach folchem Sefifc burch ben Skrluft
anfachte 93or ber Ausübung ber ehelichen fechte jur gaftenjeit ober
oor fachlichen geften wirb in hö<hf* gefchmacflofen Seufelögefchichten
gewarnt 2lu« einem folgen ©runbe mufj ber Sohn Heinrich« I
fogleich mit ber heiligen £aufe gereinigt werben, unb bennoch frören
unter beiben $errfchern oiele Unruhen ben grieben be« Cetebe« M).
Unmittelbar baran fdjliefjt ftch bann eine ahnliche marnenbe ©cfdnchte
aiio bürgerlichen Greifen. SlUerbing« erfcheinen befonber« tüchtige
Äinber aU bie grüchte eine« folgen fünbhaften SBerfehr«, fo auch ber
geftrenge unb unermübliche St. ©aller fiehrmeifter 3fo. Neffen
©Item werben nach einem berartigen Vergehen oon plöfclicher 9ieue
ergriffen. Sie thun öffentlich SUrchenbufje unb erlangen babunh
Reinigung unb SSerjeibung be« Gimmel«, bie ftch Dann w ber ©nk
mieflung be« Spröfjling« offenbart40). 5Me 2löfcfe unb Selbfi-
erniebrigung erfchien auch ben heften ber 3cit al$ oafl flc^erfte
9Rittel jum grieben mit ©ort ju gelangen, ©raf 2ln«frieb oon
£öwen, bem einft ber grofee Otto in 3taKen wegen feiner 3u»er*
läffigfeit bie Obhut feiner ^erfon anoertraut hatte, wünfdjt nach bem
Xobe feiner ©attin nicht« fehnlicher, als unter einer recht ftrengen
Drbenfiregel in ein Älofter einzutreten. 3luf ben SBunfch Ottoö III
übernimmt er ba« 23i«tum Utrecht. 3n feinem hohen 3Uter wirb
er aber sDcönch. ©r fpeift täglich 72 3lrme mit eigener $anb unb
habet bie Schwachen trofc feiner ©rblinbung. 3n einem oon ihm
") I, 83.
") fltuotger, Äap. 32.
••) Dietmar, I, 14.
*°) Cfttehorb Casiu Sancti Galli II, 30.
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flWttelaUet bt« ju ben 3eiten $etnrid)S bt* Sterten
359
f elbfit gegründeten Älofter unterwirft er fich ftrenger 3**$*/ wirb oft
wegen SBiberfefclicbfeit mit Ruten ge$ü<htigt unb fofieit fich in
jämmerlicher SBeife $u £obeil). (Srjbifchof Storno, ber bieSBeifung
feine« löruberö, bie Verwaltung oon fiotbringen ju übernehmen, alö
Vefebl anfielt unb im $ienfte be$ Reiches feine ©rmübung fennt,
fühlt fich bocb im innerften fierjenägrunbe ju befcbaulicbem £eben
unb jur 2Ufefe hingezogen, (Sr gebt unter feinen reich gefleibeten
Vaf allen im baurifc§en Scbafpelj, oerbannt oon feinem fiager jebe
^equemlicbfeit unb enthebt fich trofc feiner ©ewöbnung an größte
Reinlicbfeit bie SBobltbat regelmäßigen Gabens. £r wünfcbt im
Sttofterfrieben ju ruhen; feine fceidje muß auf fein ©ebeiß nad)
einem sIRöncb«flofter gebracht werben, ba« er gegrünbet hatte").
«erwanbte 3üge weift ba« «üb beö ^eiligen Dubalricb, Sifchoffi
oon Augsburg, auf. tiefer mußte es beim Regierungsantritte Ottos I
$u erwirfen, baß an feiner ©teile fein Reffe Abalbert bie Heerfahrten
mit ber bif (höflichen Ritterichaft ju machen tyxttt, bamit er [ich
ganj feinem geiftlichen Amte roibmen fönne. Auch er mar ein SBor=
bilb gottfeligen SBanbels in bem an beftimmten äußerlichen £anb=
lungen h^ftenben (Sinne ber 3eit <£r enthielt fich h^Ö be«
gleiföes, roährenb es um ihn am Xifcbe im Ueberfluffe genoffen marb.
"Sei feinen taglichen SRabl&eiten mürben Arme, Ärüppel unb £abme
juerft bebient. SBäbrenb ber Jaftenjeit unterwarf er fich 0an$
außerorbentlichen frommen Uebungen, bie befonbers in ©efängen,
©ebeten, ftniebeugungen unb täglicher gußroafchung unb Vefleibung
oon 12 Firmen beftanben. $abei führte er in geiftlichen unb weit:
liehen Angelegenheiten eine mufterhafte Verwaltung unb entfaltete
auch im Reicbsbienfte in Ärieg unb ^rieben eine gefegnete Xhätig;
feit43). Seinen ©ipfelpunft erreichte ber Xvieb jur Selbftpeinigung
in bem Opfer, bas bie reclusae für ihr eigenes unb anberer Seelen-
heil brachten, bie fich, ku* bie heilige SBiboraba bei ©t. ©allen (f 927),
in einem fleinen ©elaß einmauern ließen, um bei bürftigfter Raf^
rung, in ftälte, Scbmufc unb Unrat unter frommen Uebungen ihr
Stafein ju friften. 2)oa) finb es begreiflicherweife nur oereinjelte
grauen gewefen, bie es bis $u biefem Aeußerften gebracht haben.
Xrofc ber ©raufamfeit, bie fich im Kriege gegen Anbersgläubige
unb gänjlich Stammesfrembe offenbarte, war bocb bas 2Ritletb unb
*») Dietmar IV, 24.
") Seben, «op. 48.
*•) tfe&en Oubolrufc«, Äap. 3 unb 4.
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360
fflubolf ©octtc, 3nr ©rfdjicijte boutfäcn $oIl*getM im
oerföfinlidier (Sinn bei oornebmeren Naturen rege. Dtto bewies
ben Empörern, bic ju oerfduebenen Reiten gegen it)n bie äöafien er=
fjoben, eine meitgefjenbe 2)iilbe, nnb oon Bruno berichtet iftuotger,
bafj er oft bitterlid) weinte, wo er bart [trafen mufite **). £)ie alte
2Bunberfud)t jeigt fidt) nod) immer in ben oer^errteften gormen. 3e
mein* eine ^crfönltcfyfeit im ©erud)e ber &eiligfeit unb gottfeligen
SBanbelS ftanb, befto ^a^lreid^erc unb erftaunlid)ere SBunber hefteten
fidr> in ber (Erinnerung an fie. Sie (Empörer, meldte in Augsburg,
ju Cubalridf)S Reiten Beute gemalt Imben, werben von böfen ©eiftern
befallen unb müffen §u ©runbe getjen ober tfjren diaub $urütfgeben
unb Buße tlmn. 2)ie Sitanberberidjte ber ©oangclien werben aud)
jefet ftarf ausgenufet. Bon bem eben genannten Bifcbof* werben
allein brei 2Bunbertf)aten auf bem äBaffer erjätjlt; er burdjreitei
einen glu&, beffen Söaffer feinem Begleiter bis an ben ©ürtel reißt,
ofjne fein ©ewanb benäffen; ein lecfeö Sdnff faun nidjt unter-
geben, folange ber Btfdjof fidj auf feinem Berberf befinbet; enblid) ift
er fogar imftanbe, nadjbem er bie Wegfleiber angelegt unb bas
SNefjopfer bargebraebt fjat, ben £aro, einen sJtcbenflufj beö tyo, mit
feinen Begleitern ju überfdjreiten. $a, bei bem erften biefer SBunber
fef)lt fogar nidjt baö ©efjeifj, meldbcö ber Umgebung bie Verbreitung
beö SBunberö oerbietet46), ©ine ungefyorfame Hlofterfrau wirb in
anmutiger 2lbmed)felung gegenüber ber Maßregelung beö 3acbarwö
im fiufaöeoangclium mit Sabmfjeit beftraft, bis ber Bifdjof ber @e-
bemütigten Segen unb Slblafe erteilt. 2>a ift fie fofort geseilt,
läuft bem Bifdjof in ber Hirdie oorauö, wirft fta) iljm 511 gußen,
lobt ©Ott, oerfpridjt ifjren Ungetyorfam abzulegen unb fefjrt fröfjlid)
nadj &aufe 3urütf46). 9tatürlia) muß ber £eib ber oerfd)iebenen
^eiligen einen ffijjen ©erud) oerbreiten, ber oon allen 2lnwefenben
bewerft wirb, ein Sihmber, baö fid) aud) beim Xobe be§ febon er-
wähnten Slnöfrieb ereignete. £er St. ©aller Wönd) 3fo beftreiebt
einem blinben Bettelfnaben mit einer Salbe bie 3lugen unb erteilt
ifmt ben Segen, worauf ber Stnabe plöfclid; laut auoruft : „3:cb febf.
§err, id) fetje — " unb geseilt ift. 3lud) t)ier münfdjt ber Sitonber:
tr)äter feine übernatürlidie Äraft 311 oerljeimlidjen unb fd)iebt baber
alles auf bie Salbe47). (Sine gemifie (Eigenart jeigt biefe fromme
9Jtptf)enMlbung nur in ©eifter= unb leufclögefcbidjten.
♦♦) JRuotgcr, Peben ©rimoö, Aap. 34.
*•) tfeben Dubalrid)«, Äap. 17, 18.
*•) (56enba, Äap. 19.
*7) <Stfff>arb, II, 31.
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SWittelaUfr bi* gii ben 3citen .fcfinrid)« br« «iatcn 361
Ein Schrat, ber bcn Keller beä fleißigen Sifcbofs Sßluto beraubt,
wirb unter 2lnwenbung oon 2i>eihu>affcr in 3)tenfcbengeftalt ergriffen
unb am Schanbpfatjl auogeyeitfcht 48).
$er ältere Dotter $u St. ©allen erfcheint in ber 5llofterd»ronif
al$ ber ftarfe Ueberwinber bee Teufels; biefer jeigt fid) ifjm in
$unbegeftalt, wie ein Schwein grunjenb, wirb aber oon bem uner-
fcbrocfencn 9Hönche mit bem Ärummftab beö ^eiligen ©aliud berb
gezüchtigt unb oertrieben4fl).
©ine natürliche Erflärung ift in anbereu ähnlichen ©efcbicrjten
nicht minber naheliegend wie l)ier. Um bie 9luferftehung ber Xoten
j\u bemeifen, roirb tjeibuijdjcr $>ämonenglaube ju &ilfe genommen,
bie Oieifter ber Verdorbenen muffen ben ^ebenben itn* nahes Enbe
oorberfagen 50). 2ln anberer Stelle*1) bewerft berfelbe iBerfaffer,
biefer entfeelte Sieib ftebe cor ber Sluferftebung allen Jleifcheö nicht
wieber auf, wenn es nicht um ber Verbienfte beö Verdorbenen willen
zeitweilig gefcbebe. 2)ie Seelen ber Verfdnebenen mußten alfo nad)
biefer Vorfteüung ein fc^attentjafteo 3nitf$eubafein führen, eine 2In-
fchauung, bie fidjerlicb oon £>auo auö mehr bem &eibentum alö bem
©bnltcntum angehört, wenn fiel) auch bie firchliche ßefjre oom 5c9e=
feuer ihrer bemächtigt, $en Einflufe, welchen bie 2lnfcbauungen
tjeibnifchen 9iaturbienfteö bauemb auf bie 3)laffe bes Volfö ausübten,
laffen bie gelegentlichen Erwähnungen ber jeitgenöffifchen Berichte
mehr ahnen, als erfennen. 3lm ftärfften ift ber alte ©laubc an ber
Dftgren$e, an ber mittleren unb unteren Elbe geblieben52). <Dort
rourben nach ^hietmarö Eingeftänbniö &ausgeifter ober &ausfobolbe
oerehrt, währenb bie Äirche unb ihre ^riefter faft ohne jeben Eins
flufe waren. SäMr miffen, baft £raban umfonft gegen bie abergläu=
bifche Sitte eiferte, bafe man bei abnehmenbem 3)ionbe £ärm machte,
«Pfeile in bie &uft febofe, geuer hinauf fdjleuberte, ebenfo gegen 91ber=
glauben bei Reifen, Beobachtung ber Vögel unb ihres ©efanges, be$
Xageö ber 2lbreife unb ber xHnfunft, beö Kiefens 53 ). Sehnlich
malmt ^Ttiietmar gelegentlich einer Sonnenftnftemiö, man möge nid)t
glauben, fie werbe burch bie 3aubcrfprüd)e alter Leiber ober ba=
«■) Wond) Don @t. GJatteu I, 23.
*') (fHcljavb III, 41.
••) £f)tetmav I, 7.
«benba VII, 23.
") Xb>tmar VII, 50.
•») fjicr 3af. ©rimin, SDeutfäc «Dipt^otoflie 4. Hnfl. @. 588, 944,
953, 986.
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362 ftubotf ®oettf, 3ur 0ef4icb> beutfafn SoIfftgeiM im
burcf) fieroorgerufen, bafc bie Sonne ben 9Wonb oerfd)lange; er tceiB
otelmeljr, bafj biefe (£rf Meinung mit Äonftcttotion ber Sonne
unb be« äWonbed jufammenljängt 54). — äöenn man ben Stanb ber
geiftigen Äultur beö beutfetyen SBolfeß jur Saä)fenfaifer,
roie er fidj) in ber gärbung unb Starte beö religiöfen öeroufjtfeinß
ausprägt, im ganjen überblicft, nimmt man rooljl einzelne fdjöne
grüßte, 3cugniffe oon einem geläuterten, innerlich ausgereiften
©laubensleben roaljr, baneben aber einen SBuft oon SBerfljeiligfeit,
mannigfaä) auögebilbeter 2Ufefe, rofjem Süunberglauben, tjetbnifdfcm
unb (jalbfjeibnifdjem &ämonenbienft. <£ö ift aber eine auffteigenbe
©ntroidlung $u erfennen, bie, wenn fie fia) felbft überlaffen blieb,
weiter ju führen oermodf)t Ijätte. 2)ie triebfräftigen Regungen ber
Eigenart waren nod) jart, aber fie roaren im nationalen, roie im
religiöfen ©eroufjtfein oor^anben. ©in #emmm* ber freien ©ntroict-
lung roar bie frembe Spraye, roelc&e im ©ottesbienft, im Staate
leben, in ber Sßtffenfd&aft unb teitroeife aud& in ber 2>i$tung, ja in
Slnfäfcen üolfötümlidjer ^ßoefie Ijerrfä^te. 2He au« einer fremben
Äulturroelt übernommenen SBorftellungen trübten felbft bei einem in
feinem &mpfmben fo oolfstümlidjen Sä)riftfteHer roie SBibuftnb bas
33ilb be« eigenen 3«itölterö, fobajj er Jtörng $einrid> na<$ bem Siege
bei ftiabe oom $eer al« $ater be« $aterlanbe« unb Äaifer be=
grüben lägt, ganj ebenfo roie fpäter ben Solm nad) ber Sdjlaä)t
auf bem &<&felb. Äleibete bo$ felbft bie St. ©aller 33er«funft ba«
Sieb oon Söalter, in bem fid> roie in feinem anbem ber urroüdjfige
9fecfenfinn ber ©ermanen ausprägt, in Spraye unb 93er«ma& 53er«
gilö. 9iur in oereinjelten $)enf malen lebte ber ©eift ber germa;
nifdjen SBorjeit unoerlefct fort, fo in bem &ilbebrünb«liebe unb bem
angelfäajftfd&en ©ebid)te oon 9urf)tnoty6 gaU (991 gegen bie £änen),
ba« bie SJtannentreue im legten Äampfe ergreifenb unb marfig
oer^errlid)t.
$>aö gefäf)rltd)fte #iuberniö einer weiterhin auffteigenben (Snfc
roieflung beutfdjen SBoIfetume« rourben bie lnerardf)if$en ^eftrebungen
ber 5tird>e, umfomeljr, als ba« Königtum mit Dtto bem ©ro§en in
näfjere Sejie^ungen jum päpftltdjen Stuhle getreten roar. 3uiar
fa^ien fidj anfänglid) ba« SBerfjältnis burdwu« jum Vorteil be«
Äaifertumd ju geftalten: bie 3öei^e be« Sßapfte« foUte nid)t ftatt-
fmben, ef>e er bem ßatfer Xreue gefd&rooren. 2lber bie weitere &nU
roidflung letyrt, bafi ber 962 jroifdjcn Dtto unb $apft Sodann XII
•*) d^ronit IV, 10. sögl. herüber aueb »bom i>on Bremen.
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2ftittelalter bt« ju bcn 3eiten $einri#« be* Sterten
363
gefdiloffene Vertrag nur ein Ergebnis ber persönlichen unb politifchen
Cbmacht bes bamaligen ftaifers ift. $)er Bunb bes beutfehen ßönigs
mit bem ^apfttum führte in ber golge ju einer Söerquicfung ber
Sntereffen bes Meiches unb ber ftirche, bie als ein fchleidjenbes
Uebel in ber ©efchichte bes beutfehen Mittelalters gewirft ^at.
SÖä^renb ber ftirche burdj bie Reform mächtige Hilfsquellen jufloffen,
fah fid^ bas Äaifertum am Ausgang bes 10. 3at)rhunberts bei bem
Berfuch, eine ^errfd)enbe Stellung über ben Nationalitäten $u ge=
roinnen, an ben Duellen feiner Äraft empfinblich gefchäbigt. 3)ie
mühfelige Regierung Heinrichs II erfchöpft fia) barin, bie X^or^eiten
bes britten Otto") roieber auszugleichen. Unterbeffen ^atte bas
^apfttum 3uroadj)« an geiftigen Machtmitteln erfahren. £)te Reform
ber Älöfter, bie oon Lothringen unb Burgunb ausging, tjatte aller;
bings urfprünglich mit ben 2lnf prüfen ber ^äpfte nichts $u fchaffen;
ihr Hauptziel mar, ben ©influfj ber Siebte ju ftärfen unb bie Befug=
nis ber Gonoente ju befchränfen, fie führte alfo ju einer ftrafferen
3entralifierung ber ßlofteroerfaifung. $>iefe Reform fttefj in 3)eutfa>
lanb oon oornherein auf großen SSMberroillen, roie bas ©ffeharbs
©t. ©aller Jtl öfterer onif trefflich oeranfajauliajt. (Ss ift feine grage,
bafe in ben beutfehen älöftern bamals bie Beobachtung ber Siegel
manches ju roünfchen übrig Hefe, ©ffeharb II, ber am £ofe Otto I
geroeilt hatte, roirb, als bie ©efiajtigungsfommiffion im Älofter an*
gemelbet ift, oom Äönige roie oom Xf>ronfolger befchrooren, „bie
3nfaffen möchten roahrnehmen, roaS jur Iftegel gehört". £)er Bor=
flfcenbe biefer flommiffion, ber ©rjbifa^of Heinrich oon Srier, mujj
bie ßlofterinfaffen mahnen, „fie möchten, um bem üblen 91ufe ju
entgegen, ju bem gemeineren Mafeftabe ber iKegel jurüeffehren" 86).
3n allem, roaS 9tuobmann oon Reichenau unb bann ber ermähnten
ftommifjion gegenüber jum 9tuhme bes ^eiligen ©allus in ber ßlofter*
djronif erjäfjlt roirb, liegt jroeifellos oiel @nftellung unb abfidjtliche
©elbftberäucherung. süber es mufe auf bie grojjen Xfeiftungen ©t.
©allens unb anberer ftlöfter, auf Männer roie &raban unb 2Balah=
frieb ©trabo, auf bie 9iotfer, bie ßffeharte, auf bie roeüfun berühmte
pflege bes ©t. ©allener flirdjengefanges ^ingeroiefen werben; man
mujj fich vergegenwärtigen, roas bie beutfehen Älöfter bei vielleicht
oftmals etroas faumfeliger Beobachtung ber Siegel geleiftet haben.
*•) »gl. SBaifc, beutfcfje Öerfaffung*gef($t<$te V, e. 100 f.
»•) (Slfe^arb XI, 101 unb 106.
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304
SJuboIf ©oftte, 3ur ©rfdjidjtc fceutfäen SolfSgfifif« im
9Iitdt> bie ftttliche 3ud)t ber 5lIofterfd;uIeu ift oor bem (Einbringen
ber Reform bes 11. 3af)rf)unberts im ganjen frud)tbringenb gewefen.
2Bie t)on bem tiefften Tidjter unteres ^Mittelalters wirb auch von bem
St. ©allener (Ehroniften ber 25?ert rechter 3ud)t mit überjeugenber
Kraft betont, ©egen bas. was bie Reformer oerlangten, empörte
fid) nicht nur ber natürliche (Eigenwille, fonbern auch ein fetjr be;
red)tigtes 2Biberftreben gegen (Einführung auslänbifcher ©ewädjfe.
$ie 61untQ3en|er $3eftrebungen, in benen bie Sieform gipfelte, waren
aus romamfehem 3e«^alineningögclüft hervorgegangen, ihre 2Serpflan=
jung nad) £eutfd)lanb bringt 3war eine ftraffere £anbt)abung ber
Klofterjucht, aber aud) Den Siiebcrgang ber geiftigen Slüte in ben
Klöftern mit fidt) ; bie Kirche winbet im SBunbe mit biefer Bewegung
bem Königtum allmählich bas £cft aus ben §änben. 3JJit bem (Er;
ftarfen ber Sieform minbert fid) bie unbebingte (Ergebenheit ber fyofyew
©eiftlid)feit gegen bas Sieid)Soberhaupt ; ber nüdjterne, auf praftifche
Siele gerichtete Sinn, ber bis ju SBiHegis' Reiten ben beutfehen
Klerus befeelte, ift im Sehwinben; es tauchen allerlei Sebeufen auf,
bie fdjon bie "))iög(ichfeit eines Konfliftes anbeuteii. $)er $erfajfer
bes Gebens bes t)ei(igen Cubalrid) berichtet (Kap. 3) oon einem ®e^
ficht feines gelben, in bem ihm ^etrus jroei ^etrlid^e Schwerter
jeigt, eines mit unb eines ohne ©riff: er foH bem König §einrid)
Jagen, bas leitete bezeichne einen König, ber bas -Neid) ohne bifchöf;
liehen Segen innehabe, bas erftere einen folchen, ber mit göttlichem
Segen regiere, eine Mahnung, bie man mit Stnetmars Urteil über
bie Ablehnung ber bifd)öflid)en Salbung burd) £einrid) I ^ufammen-
balten mujj. ©erabe bie 3«t aber $u beginn bes 11. ^ahrhunberts,
als bie ©ebanfen ber :)ieform in £eutfchlanb (Eingang finben unb
bie ^orfteüung uon ber geiftigen Roheit beo ^apftes unb bes
sJ>rieftcrtumS überhaupt fich fd)ärfer auszuprägen beginnt, jeigt eine
bebenf liehe Abnahme wahrhaft chriftlichen unb fachlichen Sinnes.
(Es wirb mehrfach oon Austritten aus bem geiftüdjen Stanbc, oon
nültfürlicher (Entfernung aus bem Klofter berichtet. (Eine entlaufene
Sionne, bie einen Slaoen geheiratet unb oon biefem einen Sohn ge-
boren hat, wirb ju Cttos bes dritten 3rit fpäter gleichwohl Slebtiffm
oon SJiagbeburg.
$on Konrabs II tlmtfräftiger Siegierung ging ein entfehiebener
3(uffd)wuug beö öffentlichen i'ebeno aus. ©in benfwürbiges 3e"9m9
bafür, wie bas 2lnfehen bes Kaifers wieber erftarft war, bietet bie
befannte (Erflärung ber ^afallen bes ^erjogs (Emft ihrem £efmö;
herrn gegenüber: fie hätten in bem König unb Äaifer ben höchften
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SRittflattfr bis ju ben 3eitcn $einrid>« beö Vierten
365
93efcf)üfeer i(n*er greift, bereu fte uerluftig geben würben, faflö fic
fid) mit bem £er$oge wiber ilm empörten57). 3ur iHeformberoegung
ftonb ßonrab II fo$ufagen in gar feinem Verljältniffe ; einem
weiteren Vorbringen ber Bewegung legte er aber fein ftinbernis in
ben 2Beg. £as fird)lid)e ©ewiffen wirb jcfet immer empfinblidjer.
2LUpo tabclt es, bafe Kirdjenfürften in ben Mampf sieben, was früher
unbebenflid) erfd)ieu. SDafe ber .ttönig Bistümer unb Stbteien gegen
©elb$at)lungeu oergiebt, erregt 33ebeufen unb ber eben genannte Öe-
f#td)tfdjreiber berietet 5S), bafe biefer einmal gelobt Imbe, fortfnn
fein ©elb mel)r für geiftltd)e 2lemter $u nehmen, o^ne bafe man
if)tn inbes hierin ©lauben fdjenfen bürfte. ÜU\ ber erwähnten ©teile
rül)int 2ßipo fobann oon Jtonrabs SHadjfolger, biefer habe bisher
nic^t eines keßere Sßert für geiftlidje Stürben angenommen. 3n
einer folgen beiläufigen 33emerfung offenbart fid) mit einem male
eine oerbänqnisoollc SBenbung ber beutfdjen ©efd)id)te: ber .ftaifer
lägt äugunften firdjlidjer gorberungeu finanjpolitifdje ©eftd)tspunfte
jurücftreten; er oerjidjtet auf eine ertragreid)e Steuer, um bie geiftige
2ttad)t ber 5tird)e $u erhöben, bie fid) nur $u balb mit furchtbarer
Schärfe wiber fein £aus wcnben follte. (Sbenfo ausgiebig f>at
&einrid) III ben fünftigen geinben Der faiferlid^en s^olitif burd)
SSMebertjerftellung bes oon feinem Vater oenüdjteten fübbeutfdjen
Stammesl)er$ogtums unb bie Siuslieferung beö päpftlid)en Stutjles
an bie Reformer vorgearbeitet. £ie iHegentfdjaft ber .Maiferin eignes,
2lnno unb 3tbalbert oerfolgten nad) beo ttaifers Xobe biefelben
oerfjängniöoollen SStege, unb als ^einrieb, IV berufen würbe, bie
Regierung felbftänbig $u leiten, fanb er fid) Sdjwierigfeiten gegen=
über, wie fic bisher nod) fein $)eutfd)er tfaifer ju befämpfen ge^
tjabt ^atte.
2)ie Vergewaltigung ber beutfdjen NJ0tönd)sflöfter burd) bie sJie=
form, überhaupt beren Sieg in ben 3lnfd)auungen ber $eit fiel in
bem NJ)tad)tfampfe, ber bie zweite £älfte beo 11. 3atjrbunberts aus=
füllt, gewaltig ins ©ennebt. 2)ic silsfefe gewann gerabc jefet eine
ftärfere sJ)iad)t über bie ©cmüter; bie sJ)iön$e ftrengerer Wartung,
welche 2lnno oon .Köln aus gruetuaria naa) feinen Stiftern Sieg;
bürg unb Saalfelb oerpflanjte, würben oon ber Seoölferung wie
^eilige oerel)rt, inbes bie 3lul)änger ber älteren Siegel 9)JiKaä)tung
erfuhren. 2>ie mädjtigften görberer ber ^eitttrömung wie $einrid) III,
") SBipo, Pfben Jtonrab« II, 20.
••) Gbfiiba, ffap. 8.
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366
«ubolf (Soettc, 3«r ®efd?i$te brutfäen 8olf«gftfte* im
flatferin Agnes unb Anno erfcheinen mehr willenlos bereu <£in-
flüffen Eingegeben, als baß ftc ihr mit flarem Semußtfein Untere
ftüfcung jugewanbt gärten, Selbft ein oon fo weltlichen Neigungen
beeinflußter £err, wie ber Sifdjof ©untrer von Samberg, ber
eifrige görberer ber beutfehen §elbenfage, fdjloß fictj im §erbft 1064
jener abenteuerlichen ÜZBaUfahrt nach Dcm heiligen ^anbe an, auf
welcher es bie ^Mlger für unrecht halten, ihr Seben mit ben SBaffen
$u oerteibigen 5Ä). Lambert oon §ersfelb würbe, obgleich er t>on
&aus aus ein entfehiebener ©egner ber ftrengeren Dbferoanj im
Älofterleben mar, bodj burch bie Slnfchauungen ber 3*** «if bie
Seite ber (Segner bes rechtmäßigen Königs gefuhrt. $>ie firchliche
$)oftrin gewinnt einen unerhörten Einfluß auf bas Staatsleben unb
fefct fich Dielfach gerabeju an Stelle bes iWetchsrechtes. 3flach Sernolb
r»on St. Slafien (ju 1076) beraubt ^apft ©regor mit feinem
S3annfpruche ben König zugleich ber Sreue ber 3Renfchen unb ber
Regierung, unb auch nach Lambert ift §etnrid) burch ben Sann
„nach ben ©efefcen ber ^falj ber föniglichen ("rfjre unwürbig ge=
worben" ($u 1077). $ie gürften, bie bem Kaifer ju Xribur enfc
gegentraten unb ju gorchheim ^Kubolf mahlten, [teilten fich auf bem
felben Stanbpunft. <£s warb uerfucht, ben föechtSgrunbfafc, baß ber
erwählte König nicht im Kira>nbanne fein bürfe, bahin $u roenben,
baß mit bem Kirchenbann für ihn, gemäß bem Anfpruche ©regors, bic
Enthebung oon ber föniglichen Stürbe unb bie fiöfung ber Unterthanen
r-on ber ^flicht ber Xreue oerbunben fein fottte. tiefer Stanbpunft
fanb pm bauemben Schaben bes beutfehen Solfes eine teilroeife Sin-
erfennung. Soweit in bem wilben ^arteifampf ber folgenben 3at)re
bie Haltung ber einzelnen Sfeichsftänbe burch etwas anberes als
naefte Selbftfucht beftimmt wirb, ift es meift bie SorfteHung ber
päpftlichen Seltherrfchaft ; bas weltliche Schwert wirb in ben 9fo;
fchauungen ber 9Renge ju einem bloßen 2lnf|ängfel bes geiftlichen.
£)ie firchliche $>eutungsfunft brachte es fertig, bie für bas SSer=
hältnis r»on weltlicher unb geiftlicher ©emalt gänzlich belanglofe
Stelle oon ben beiben Schwertern bei fiueas 22, 38 ju einer* 2ef)re
$u mißbrauchen, nach welcher bas weltliche Schwert, bie ftaatlidie
©ewalt, jum 3)ienfte bes geiftlichen Schwertes, ber Kirche, beftimmt
fei, eine £ef)re, welcher fchließlid) ^ßapft SonifajiuS VIII in ber
93uüe Unam sanetam ihre fennjeichnenbe Ausprägung gab. 2Benn
■•) Lambert* 3al>rbü$cr ju 1064 unb 1066.
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Mittelalter 6i* ju ben 3"*en $emrtd)3 bt$ Sterten
e« in beut turjen 93rud)ftücf ber 9fegenfiburger 9ieich«annalen (§u 1085)
mit aller $eutlichteit audgefprodjen roirb, bafj ber ftaifer unabfefcbar
ift, unb oon einem Serfuch ber Sötberiacher bie 9iebe ift, ben Äaifer
,,au« it)ren neuen Schriften" abjuwetfen, fo mufj leiber gefügt werben,
bafj biefe Deutliche Äennjetchnung be« einzigen ber Meich«oerfaf[ung
entfprechenben Stanbpunfte« faft oeremjelt bafteht. 3>er Serfaffer
oom „fieben Äaifer Heinrich« be« Sierten" ift allerbing« offenbor
berfelben Anficht; er fagt oon ber erften Sannung be« Äaifer«,
fte höbe Bielen mißfallen, wofern päpftliche ©anbiungen mißfallen
bürften, unb berietet oon Seurteilern, bie ben Sann für wtrfung«:
loa unb unberechtigt gehalten t)ätten (Aap. 3); er wagt inbe« nicht,
ftdj) offen ju biefer Meinung felbft ju befennen. 3m übrigen fehlt
ber jeitgenöfftfe^en @efchichtf<hreibung ein flareß Urteil über bie
reid)«fürftlid)en pflichten ganj unb gar; Slbfatt unb (Empörung wirb
jeberjeü, wo e« angemeffen fcheint, mit pfafftfeher Salbung oerteibtgt.
Son benen, bie ftch nach ber Serfünbtgung be« Sanne«, wie e« fcheint
hauptfächlich unter bem ©influft be« erjbifdwf« oon trier, oon
fceinrich unb feinen Anhängern entfernten, fagt Lambert (ju 1076),
„ihr ©laube an ©ort fei reiner getoefen, ilmen ^abe bie SBürbe
be« Weiche« mehr am &erjen gelegen, als ben Sieibenben; fie hätten
e« für beffer gehalten bem Äönige $u mißfallen, al« ©ort". Äurj
barauf entfcr)lüpft tr)m aber ba« föftliche 3ugeftänbni«, bie gürften
gärten ftd) unter bem Sormanbe ber Religion oon ©einrieb entfernt,
unb fo beleuchtet er felbft ben 2Ltert ber ooraudgefanbten glo«feln
in eigentümlicher SUeife. 2U« ber ©rjbifdwf oon 9)tainj fpöter
gleichfall« ben Äönig oerläftt, fagt berfelbe ©efchidjtfchreiber oon
ihm, er fei oom glühenbften ©ifer entbrannt, ben 3ufianD be« deiche«
ju oerbeffem. $er £ag oon Xribur bezeichnet einen 9tutlpunrt be«
nationalen Ehrgefühl«, ©ine Slnjahl febwäbifcher unb föchftfeher
dürften will ©einrieb nicht eher al« Äönig anerfennen, bi« er öffentlich
Sufje gethan fyat unb burch 3lltmann oon paffau in be« Zapfte«
tarnen oom Sanne gelöft ift; weil bie ©mpörer es fo toünfchen,
wirb e« al« Necbt«grunbfafe ^tngcfteHt, baf? burch jährigen Kirchen*
bann ba« stecht auf ba« Königtum oerwirft roerbe; ber König
unterwirft fich bem Urteil ber 2(ufftänbtfcben. @in fanatifcher £a&
wenbet fich öegen bie Kircbenfürften, welche jum Könige halten.
Sruno bemerft oom plöfcltchen £obe be« Patriarchen Heinrich oon
»quileja (1087), ber ju Heinrich übergetreten war, er fei mit fünfzig
feiner fieute jur $öHe gefahren, unb berichtet bann oon einer ganzen
Wethe oon gällen, wo Anhänger ©einridE)« ein unfelige« @nbe ge=
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3«8
föubolf OJocttf, 3ut ©fjdjidjte bmtf^en »olfagciflc« im
funben; Jöernolb läßt ben benannten an fceib unb Seele fterben;
Lambert ersätjlt oom 33ifd)of SBilhelm von Utrecht, „ber fich ber
Sad)e beö König« unbcr rHed)t unb SÖtlligfeit hartnäcfig angenommen
habe", er fei unter fläglid)em ©cheul unb uielen Selbftanf lagen ge-
ftorbcn. £er $eift bec beutfdjen Golfes fanb, fomett er fid) oon ben
ÜMänncrn ber 3eitftrömuna, beftimmen liefe, jefet feine sBefriebigung
in einer äußerlichen, felbftgerechten Scheinlegalität ; es erfchten alö
fromm, bie $riefterel)e $u uermerfeu, fid) oon ben Simoniften ab-
.^uroenben, bem ermatten Könige bie Sreue $u brechen, bem reidjö-
feinblichen Zapfte anhängen. Sie $u feiner anberen $e\t mar man
befliffen, bie Seele be$ ©egnerö ber jQölie unb allen Teufeln $u=
Sumeifcn; bie &erbammungöfud)t ber Reformer roenbet fid) gegen
jebcn, ber bem gebannten Könige treu bleibt. (Sine unbeutfdje pfäfnfdje
Spifcfinbigfeit fiteste bie begriffe Jreue unb Untreue, iHedjt unb Un-
recht ju oertaufd)en. £ie $auptbrutftätten biefes iHeformgeiftes
roaren bie fübbcutfdjen Klöfter 8t. ^Mafien, ^irfchau unb Schaff;
häufen unb St. ©orje in Lothringen, feine ergebenften Kämpen
unter ber Inneren ®eiftlichfeit bie $Bifd)öfe Slltmann oon sJkffau
unb ©ebl)arb oon Konftanj. 3n ber Unruhe beo ^Bürgerkrieges
fugten oiele $eiftlid)e wie Laien ben griebeu ber Klöfter auf, bie
jefct baö meifte 2lnfehen genoffeu, unb fo warben biefe Stätten in
ihrer frieblid)en iHbgefdjloffen^eit ber Partei neue #reuube. 3^ 1°H3
berietet SBernolb mit SoblgefaÜeu, baß in biefen Klöftern jefct aud)
bie äußeren £ienfte burd) fromme trüber oerridjtet mürben, bajj
bie, mela^e eiuft in ber 2i>clt (trafen unb SHarfgrafen geroefen, es
jefet für bas größte Vergnügen erachteten, in ber Küa)e ober in bei-
chte ben trübem $u bieuen ober ihre Sdjmeine &u büteu. So^
bann fdnlbert er $u 1091 bei ftarftellung beö Mürfgangeo ber auf;
ftänbigen Bewegung als eine erfreuliche (Srfdjeinung ber Laiengenoffen;
fdiaften, befonbers in 3lUemaunien, bie fid) an bie sJJtönd)e anfaßt offen,
nach ihrer Seife lebten unb ben Klöftern il)r Vermögen übergaben.
Tie Aufnahme uon Konoerfen muß alfo bamalö, ad)t ^al)xe fpäter,
fdjon einen größeren Umfang erreicht haben. Sie erlangen fpäter mafr
gebenben Einfluß auf bie flöfterlid)e ^ermaltung. Jür D^e nrirtfdjaffc
liehe iölüte unb ben Einfluß ber Klöfter mar biefes 3u)"trömen
begüterter Laien ein großer Vorteil; $u eben ber 3e^/ bie ^anD^
fdjenfungen faft gänzlich aufhörten, eröffneten fid) ihnen hier neue ©n--
nahmequcllen60). Hon mahrer grömmigfeit, oon ber fchlichten Einfalt
"•) »9t. ?ampred>t, 2>eutfd>e3 3Birtf$aft»feben im SR..«. I, 2 ©.690f.
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Mittelalter bi* jn ben tfriteu fcetnrifl* be« Vierten
36«)
bed 1<». 3ftl)r!)unberts ift wenig mein' bei bem ©efd)[cd)t biefer Xage
ju merfen. Unter ben beroorragenben ©d}riftfteü*em beä 3ritraumeö
ftetjt in feiner 2lnfd)auungdart 2lbam von Bremen ber Vergangenheit
am nächften; boc^ auch ihm gereicht eß jur größten Sefriebigung,
bafe eine ©tmobe $u 3Rainj (1089) „bie Äefoerei ber Simonie nnb
bie verrußten 9Mefterehen" oerbammte. £er ©influß ber Reform
unb ihrer Anhänger war gegen (£nbe be$ 3ahrhunDer^d m ftetem
3<hroinben begriffen; trofc ratlttärifcher Erfolge büßte ber Slnfftanb
mehr unb mehr an Öebeutung ein. $>ie 3ahl Der Dem heiligen
s$etrufi getreuen Sifdjöfe unb tbte oerringerte fich bebenflich; auf
einer Snnobe be« ©egenfönigs ©ermann unb feiner Anhänger be=
hauptete ein Samberger ©eiftlicher oom päpftlichen ^rimat, auf ben
bie ©ochfirchenmänner bie ©errfcf>aft ber ßirche im ©taatfileben
grünben wollten, baß ihn fich bie römifa>n Sifdjöfe fetbft ^u-
getrieben Ratten61); biefelbe 6nnobe mar fo ungefällig, eine Unter*
fuchung über bie Slutaoerwanbtfchaft if)re$ Sdnl&lings ©ermann unb
fetner ©emahlin in beffen ©egenwart anjuregen. 2)er Kirchenbann
oerlor gegen @nbe ber adliger Safyxt faft ganj feine SBirfung, bie
tfatholifchen permochten ftdt) nach Sernolbö 3ugeftänbnifi nicht mehr
oor bem Verfefjr mit ben ©ebannten $u bemalen, mele traten :,um
Äaifer über. 2)er aus Verfaffungöfämpfen entftanbene, aber burdf)
ba« Eingreifen be« ^apfttumö genährte unb in bie Sänge gezogene
Stirgerfrieg tyatte eine furchtbare fittliche Verwilberung im ©efolge,
blutige ©raufamfeit oergalt bem befiegten ©egner. Wit fehreeflicher
©arte ftrafte Sfano 1074 bie Äölner für ihre ©mpörung. 3)ie ©äufer
mürben geplünbert, bie (Snnmolmer getötet ober oertrieben, bie
Sajulbigen ober Verbächtigen geblenbet, gefchlagen ober mit c)or)ec
©elbbuße getroffen; bie Stabt marb nach Lambert, bem begeifterten
Verehrer Slnnoö, beinahe $ur ©inöbe. Sllß ber ©egenfönig SWubolf
ein Sauemheer ©einrichö am Stedar befiegt (1078), roirb ein großer
£eil getötet, bie übrigen werben „jur milberen 3üchrigung" ent=
mannt. 2Rehr noch alö oorbem fanb gerabe jefot, im 3*italter ber
Reform unb ber Sürgerfriege, baö fittliche ^flichtbewußtfein feine
Sefriebigung im Sinnfälligen, äußerlichen, ©in Sttann, wie ber
Sifdwf ©ünther oon Samberg, ließ fich oon feinen Wienern ©chmäh*
morte gefallen, um Daburch feine £>emut $u beweifen. $)er grimmige
9luno biente bem sJlbt unb ben Stefanen beö Älofterö Sigeberg, fo
oft er bort mar, unterwürfig gleich einem Änechte unb befugte bar*
•') «ernotb ju 1086.
iJeÜfdjtift fttr Äultutatf4id>tf. II. 24
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370
SRubolf (Dorttr, 3ut ®cj$i$te bfutfdjen JBolfSgftpf* im
füfng 9tod>tö bie Äird>en. £fmlid) warb oon bem t)od)faf>renben
Abalbert oon Bremen erjagt, baft er oor bem £d)lafenget)en breiig
unb mefjr Bettlern fnieenb bie güfce geroafdjen habe62). 9ieue,
9lül>ruitg unb Ergriffenheit tonnten fief) nur in einem Xljränenftrom
oerbtenftlid) offenbaren. §arte SRänner fdjroammen bei bebeutungö:
oollen Auftritten in frönen. $on Erjbifdwf Abalbert oon Bremen
wirb rüfmtenb ermähnt, baft er baö SHefeopfer nidjt ofme einen reia>
lidjen 3°ß bex SRütyrung bargebradjt f)abe. Abam oon Bremen ^ebt
oon ben Dänen alö ettoaö Seltfamed fjeroor, bafj fic tränen, $8et)=
Magen unb anbere $lufjerungen ber fHeue oerabfa)euten, toeldje bie
Deutf$en für fjeilfam gelten M). 3m ©eifte ber 3eit fud>te $einrid> IV
in reiferem Atter burä) au§erorbentlia)e Söerfe ber Öarmfjersigteit,
bie übrigens mit feiner reiajlidj bezeugten natürltdjen SWübt^dtigfeit
im Etnflang fianben, Jreunbe unb Anhänger gewinnen, 9?ad)
bem 33eriä)t befi marmt)er$igen 93erfafferö feiner &ita pflegte unb
beföftigte er in feiner unmittelbaren Umgebung mit großer Auf-
Opferung Arme unb ftrante84). Dem SReliqmenfult fyulbigen aud)
jefct bie fyeroorragenbften 9)tänner ber &e\tf unter i^nen ber ßönig.
Die Söunber, oon benen berietet nrirb, ge^en jum guten Zeil oon
fjetligen Stno^en au«.
$on ben <Spifcen beö ftaatlidjen unb fird)lid>en Gebens aus
loirtten oonoiegenb jerfefcenbe ©inflüffe auf baö ©eföledjt jener
£age ein. fiilbebranb fudjte feine gorberungen mit bemagogtfdjen
3Ritteln burd)$ufe&en ; ben Eölibat, inbem er bie ©emeinben roiber
iljre ©eiftlidjen, bie lefcteren nriber bie 2Mfa)öfe benufcte •*) ; im Äampf
um ben Einffafj auf ben beutfdjen Äleruö mar if)m bie Bannung
beö Äönigö, eine burajauö reoolutionäre 3Waferegel, eine rotUfornmene
SBaffe. Heinrich irrte ju Beginn feiner Regierung weniger in bem,
toaö er erftrebte, aU barin, nrie er feine $lfine oerfolgte, Er ^at
olme Bmeifel oielfad) perfönliaje fceibenfajaftltd&feit malten lajfen,
unb burdj feinen Sebenfiroanbel gab er fid) manmgfadje Blöfjen. Da
bie unmittelbare Etmoirfung ber ^erfönlidjfeit beö Äönigö aber oon
unbered^ enbarer 2Bi<f)tigfeit mar, fmt er unbeftreitbar in feiner 3ugenb
baö fömglid>e Anfeilen empfinblid) gefdjäbigt. 3n einiger Entfernung
oom 3nuft ber Parteien flärt ftä) baß Urteil. ©a)on ber Berfaffer
ber Bita £einrid)d fagt oon 9hibolf, er fmbe als Empörer ben Xob
•>) «bam oon Bremen III, 2.
•») (Ebenba, IV, 6.
•*) feben #einri$* IV, Äop. 1.
••) »gl. 8runo, Äop. 67 (ju 1076).
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SRtttetalter bt« ju brn 3ritrtt $«mid>5 bf« Vierten
371
burdf) bas Schwert oerbient. (Kap. IV.) @r finbet aud) ben richtigen
Stonbpunft gegenüber ber empörenben ©eroalttfwt $einrid)s V, in
beren Beurteilung bas fittlid&e (Smpfinben pieler 3ritgenoffen oer=
ftumpft erfriert. ©ffebarb oon 2lura ift ja in feiner Stellungnahme
jur »uflefymng bes fpäteren ÄaiferS burd) 5Wücffic%ten gebunben.
33on 9iubolf fagt er aber, bas Ereignis oorroegnefjmenb (ju 1067),
bafc er ftd) $u eigener Verbammnis iniber feinen Äönig unb £errn
empört fjabe. eine flare, naf>e$u befriebigenbe Betrachtung bes
©efamtperlaufes ber ©retgniffe jeigt bei ungenauer Äenntms im
einzelnen Otto pon greijmgs <St)ronif (VI, 35 unb 36). Dbgleid)
er ftd) oorftd)tig ausbrütft, ift es bod) unperfennbar, bafc tym bie
«annung bes römifdtjen Äöntgs als ungeheuerlich erfchemt $ie
Äirthe, bie Porher flein unb niebrig mar, ift jum großen Berge empor=
gemäßen. Sie h«t bas Meich an ben thönernen gfifeen erfchüttert,
inbem fte ben Äönig nidr)t als ben $errn bes (SrbfreifeS et)rte, fonbem
Um mit bem Sa)roerte bes gluches traf. $abur<h ftnb mannigfache
Spaltungen unb (Gefahren für Üeib unb Seele über bie (S^riften^eit
gefommen. ©enau biefelbe 3luffaffung Iftjjt Dtto aud) im (Eingang
ber ©efta Jriberici 1, 1 unb 8 fjernortreten. <£s $eigt fidr) bei bem
burchaus firchlich gefinnten Bifd&of bie ju üoUfommener Älarheü
ausgeprägte (Srfenntnis, bafi bie firchltd)e Bewegung bes 11. 3fafnr;
hunberts $erftörenber 9totur mar, bie SBohlfahrt ber Staaten unb
bas fittlia)e ßeben zugleich ge)a)äbigt hat
gür und fomntt nur nod) eines ^inju: mir roiffen, bafj bie Jttrche
nur burd) ben Sdm& unb bie pflege beö beutfa^en ßönigtumes
einer Stacht unb einem Selbftberou&tfetn angeroachfen ift, bie if>r ben
Mampf ermöglichten. Um fo roeniger fann man ben Stanbpunft
iHidjarb Stöbert") teilen, ber meint, bas Snuefrituroerbot unb
bas Verlangen nach Befestigung ber Simonie fei berechtigt, bas
^ormfer Äonforbat eine befriebigenbe ßöfung beö Streites getoefen.
Tie Bistümer unb Abteien maren t^atfäajlia) iHeidjßamter, auf beren
Üeiftungen f«h bie $afeinsfäfngfett beS Meiches grünbete. $ie Jolge
bapon, bafc bie Jorberungen ber $äpfle jum Seil erfüllt mürben,
mar lebiglich eine anbere Verteilung ber SRadjt ju Ungunften ber
9teicf)Sgemalt, ein beginn ber 3erfefeung Äatfertums. $aS firch*
lid>e Seben hat burd) Unterorbnung ber ©etfilichfeit unter bas $apffe
tum nichts gewonnen, fonbem oerloren.
3Ran fann fagen, ba& ein Sttebergang bes nationalen Selbfts
gefü^ls als Segleiterfd/einung ber roirtfd)aftlid)en unb poütifdfjen
••) «e^tsgtf^t^te, ©. 481 f.
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372 fflubolf ßoette, Sur «rfdji^te bmtfdjtn SoltigeiM im IR.»*. jc.
3Kinberung beß ÜRetc&eß auftritt, 9leue iHec&tßauffaffungen festen fidt»
burdj, bie baß Oberhaupt unb mit biefem bie ©efamtljeit trafen.
2Bol)l entfaltete fid) baß Königtum unter bem erften griebrid) nod>
einmal in glänjenber 3ttad)tftellung; roolu* nat)m baß iBolfßberoufetiein
unter biefem $errfdf)er einen gewaltigen 2luffdjroung unb erreichte eine
@ntf<fnebenf)eit unb ©a^ärfe roie nie poor unb nur feiten in fpäteren
3a^r^unberten 67). Slber baß Königtum mar an ben SBurjeln feiner
Äraft burd) bie ©a^mälerung beß sJieid)ßgutß unb bie ©r^ebung beß
fteidjßfürftenftanbeß bauemb gefdjäbigt, unb ber Üierfud) ber Staufer,
in 3talien (Srfafc ju föaffen, Iwt, obwohl er genial gebaut mar unb
mit furajtbarer Sfjatfraft tnß 2öerf gefefct mürbe, bodj nur ben sJUeber=
gang befd&leunigen fbnnen. 2llß baß beutföe 93otf feine &elbenfraft
unb triegerifdje Überlegenheit am ftoljeften empfanb, fiepte f<f)on
langft ber Saunt beß sJteidjeß, unb eß mar fein Heilmittel gefunben.
3m ©adrfenfpiegel jeigt fid) bereitß ber 9Jiebergang nationalen ©elbft;
gefüljlß in ooUfommener Älarfjeit; in ber gaffung, roeldje bie fira>
liä> jroei ©djroertertfjeorie bort (fianbred&t, 9lrt. 1) erhält, erfdjeint
baß geiftlidie ©dnoert als ba« oornefjmfte. £)ie $erpfltd>tung beß
Äaiferß, bem ^apfte „to bescedener tief* ben ©teigbügel ju halten,
ifi redr)tHdr> anerfannt ©benfo fennt baß nieberbeutf^e 9ied)tßbud>
fdwn bie 9Hd)tergeroalt beß ^Pfaljgrafen über ben Äönig (3lrt 52)
unb roeifj oon brei ©rünben, bie ben ^apft berechtigen, ben Sann
über ben ftaifer außjufpredjen: roenn er am ©lauben jroeifelt, fein
e^elic^e« SBeib oerftöjjt ober Äirdjen jerftört. (2lrt 57.) ©oroeit
gef)t ein Dtedftßbua), baß im allgemeinen beftrebt ift, bie Faiferlid}en
Siebte $u magren. 9Jtan fann fagen, bafc ber Söcltreidjgebanfe bie
beutföen Äönige frühzeitig an ben ^ontififat banb, ot)ne bafc oor;
läufig eine enbgittige (Sntfdjeibung über ba« gegenseitige SSerhälrniß
ber beiben ©eroalten ftattgefunben ^ätte. 91ad)bem unter bem ©in-
flufj ber oon ben Romanen ausgegangenen jentralifierenben $eit:
frrömung beß 11. 3al)rhunberts baö Sßapfttum gewaltig erftarft war,
fanb bie oerdnberte Stellung ber beiben 3Räd)te in ber 3roeifä)roerter:
tt>eorie ihren 2lußbrud ; bie Ueberorbnung beß ^apfttums roarb in ber
Xfyat oorübergefjenb in mehreren fünften burdigefefot. $)iefe 2Rinberung
beß beutfdjen 5tönigtumß alß in fuh ruhenber 9Wacht bilbet neben roirt=
fchaftlichen, ftnanjpolitifchen unb territorialen $erhältniffen ein 9Roment,
roeld&eß ben Sttebergang beß alten 9tad>eß ju erflären oermag.
•') »gl. bie f$öne 3>arfi. biefe« «uffäwung* bei ©djultfcetg, 6. 824-248.
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giften xxnb (Einrichtungen
öer 3lnit>er(ttät $roifsn>att> vom 15.— 17.
£a0ri)unöert.
Von Cßeorg £iebe.
infolge bes juneljmenben öebtirfniffes an gelehrten Äräften
entftanb fett ber mitte bes 15. 3af>rlmnbert$ bic jroeitc 9feif)e ber
älteren beutfa^en Uniuerfitäten , an tyrer Spifce (SretfSwalb 1466.
Sie oerbanft i^re ©rünbung einem Spriuatmanne, betn 33ürgermetfter
&einrid> JHubenom. 9tuf ber Untnerfität ^Hoftodf gebilbet, feit 1442
bis $u feiner bur$ eine feinblia^e Partei »eranlafjten ©rmorbung
1402 Witglieb bes flates feiner »aterftabt war er ein greunb
nnffenfdjaftlid&er HbMlbung, wie feine ber Unioerfität nermaa)te öiblio*
t^cf bezeugt, bie er felbft auf me&r als 1000 (Mben fd&äfct (Sr
war es, ber nid&t nur ben $er$og 2Bratiälaro IX jur Stiftung einer
ljotjen Sdmle brängte, ionbern audj bei beffen mifjlid&er Jinanjlage
au« feinem eigenen Vermögen bie Littel Vergab. @s waren btes
Hebungen aus mehreren Dörfern unb bie Stralfunber Drbare, bas
ftabtifdje ©runbgelb oon 142 Va SJiarf, meines er für 2000 SJtorf
nom &erjog erroarb. £a$u famen, jur ©efolbung ber ßefjrer beftimmt,
einige vom Mat unb uerfdnebenen Älöftem bewilligte &ir<$enpatronate
unb non ^riuatleuten geftiftete Äanonifalprabenben bei ber S. 9ttfolai=
fird>e. SDrei t>om &er$og unb diat ertaufte £äufer würben ju
Söotmungen für &et>rer unb Stubenten beftimmt, jroei als collegium
maius unb minus ber 2lrti|ten=, eins ber ^unftenfafultdt
So empfing Bommern, bas feine Söfjne bisher fjauptfädjlia)
nad) s^rag, £eip$tg, Arfurt, sJ<oftocf gefanbt fyatte, feine eigne 33il-
bungsftätte. £)aö bie Stabt ben geeigneten 33oben für eine foldje
bieten mufjte, erließt barauö, bafe bie iKoftoder £od)fd)ule roäfjrenb
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374
fteorg Plebe, bitten nnb fÜitrichUingen bei
bes T>otn Stofeler ÄonjU über ihre #eimat wegen bürgerlichen Streitig-
feiten ausgefprochenen 3nterbift« 1437—1443 ihre Söirffamfeit nad>
©reifsmalb verlegte. £>em firchlicben (S^arafter ber mittelalterlichen
Unioerfitäten entfprea)enb beburfte bie neue ($rünbung vor allem ber
(Genehmigung bes ^apftes. 3luf £erjog äßratislams ©efuet) beauftragte
1455 Galirtus III ben ©tfdwf ©tephan oon 33ranbenburg mit ber
rid)terftattung über bie ihm unbefannten 33er^altitifie unb als biefe, auf
bie 3eu9mtfe ber ^Sommerfchen Siebte unb Shfdwf Penning« von
Äammin gefitü&t, günftig ausfiel, erliefe er unter bem 22. 9Rai 1456
bie SttftungSbuUe für ein Studium generale, an welchem Theologie,
^h^ofophie, fanomfehes unb bürgerliches Riecht unb bie übrigen ftünfte
unb 28ijfenfchaften gelefen werben foUten unter Ernennung bes SMfdwfs
oon Kammin $um Äanjler. $ie feierliche ©röffnung gefchah am
17. Dftober 1456 burch Einführung bes päpftlicheu ^rioilegtumd
leitend bes Kanzlers in bie Stabt, welcher eine 3Heffe in ber ^ftfolai
firche folgte. 3)er £erjog ftiftete jmei filberne Scepter, welche fortan
unter ben Äleinobien ber Unioerfität aufgezählt bis auf unfere Tage
gebauert ^aben. Heinrich 9iubenow würbe )um immerwährenben
^i^efanjler unb erften iHeftor ernannt
£)ie wertoottfte DueUe für bie wechfelnben (Beichtete ber neuen
$ochfchule bis $um 3af>re 1 700 ift rurjlich burch Die Veröffentlichung
ihrer 9)Jatrifel unb $)efanatsbücher erfchloffen worben2).
Sßelchem SSJebürfnis bie ©rünbung entgegen fam, ergiebt fuh
Daraus, bafe bie erfte am 19. Dftober beginnenbe Smtnatrifulation
242 tarnen jählt, unter welchen allerbings 68 nur ehrenhalber auf;
geführt finb, als erfte $er$og SBratislaw unb 93if<hof Penning,
gortan fdnuanft bie 3^hl 15 — 50 burchfdmittlich, erfährt ©nbe
bes 16. 3af)rhunberts Sluffchwung oon 50—200, ber mit
ftarfen Unterbrechungen währenb bes großen Krieges anhält, um im
legten Drittel bes 3ahrlmnberts $u fmfen. Weithin hat ftch ihre
3öirffamteit erftretft, benn wenn auch ^ufeer ber ^eimatlidhen ßaiü>
fchaft bie SRarf Öranbenburg, SHecflenburg unb bas ©ebiet ber
^rooinj ©achfen bas fcauptfontingent ftellen, fo ift boeb auch ber
3u$ug aus ben ffanbinamfehen Äanben ein ftarfer gewefen unb neben
befonbers oielen dauern fmben fia) burch ein$elne alle europätfehen
Sänber oertreten. $ie 6tanbesherfunft wirb erft feit bem 17. 3ot;r*
') $g(. Icofegarten, ®ef<$t<$te ber Uniorrfttät $rrif*roa(b, 1857.
«) «eitere UntüerfttättmatriMn IT Unioerfität »rriffwolü, 2«be., 1896/94
OJJubt. a, b. f. ör. @taat*ard>it>«n).
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ttntoerfttät <Brfif«wa!b im 15.— 17. $a$r$unbert
hunbert regelmäßiger angegeben nnb roeift bann am fjäufigften auf
©eiftliaje ober ftäbtifche 9iat«mitglieber al« Väter. 2>a« Stlter ent*
f priest meift bem heutigen; für bie 2lu«nahmeftellung groger 3wö*n&
fpricht, bajj ber 3tnmatrifularionöeib bei einem 3llter unter 16, fpäter
imter 18 Saferen au«gefefet rourbe. Stuf bie Vorbilbung wirft e«
fein günftige« Sicht, roenn ein Stubent, ber 1647 au«nahm«roeife,
was in ber sJtegel ber fteftor tt)at, ftch felbft einträgt, feinem tarnen
ben 3"fafc beifügt : eifis Treptowgensis filigus honoris kesa gratis
insdiriptus. Starf macht fidr) ju allen Reiten bie afabemifdje
Söanberung geltenb, am häufigften ift natürlich ber 3u3ug au« ^Koftorf
unb granffurt, bod> werben auch $ari« unb $)orpat genannt. 2lud
granffurt, beffen SJlatrifel 1506 feinen tarnen aufroeift, fam 1509
auch Ulrich oon gurten unb mürbe gratis immatrifuliert — quia
spoliatus omnibus bonis. $>ie foftenlofe Slufnafmte, fei e« au« bem
eben angeführten ©runbe ober ehrenhalber, ift überhaupt häufig genug,
meift wirb ein Bruchteil ber Pflichtigen ©ebüljren entrichtet, feltener ber
gefamte betrag. 211« folcher roerben juerft 2 9Rarf (= 32 (Schilling)
genannt, an beren Stelle im 1 6. Sahrfmnbert bie ©ulben^ unb Xf)aln-
Währung tritt (1 ©Ib. = 24 (Schilling = V« Xt)lr.). Sitte,
©eroerbtreibenbe, bie in irgenbroelcher Vejieljung jur Unioerfität
ftanben, j. V. Vuchbrucfer, $u immatrifulieren, finbet fia) auch h«r
bi« in« 17. 3ah*hmtbert.
SHe afabemifchen (Einrichtungen jtimmen mit benen älterer &och=
l'ämlen überein. (§« beftanben bie brei oberen gafultäten unb al«
Vorbereitung für fie bie ber 3lrtiften. Sie alle hatten ihre befonberen
Statuten, »Siegel, Äaffe unb Vibliothef, unter benen ber Äatalog ber
artiftifchen 1482 bereite 74 2&rfe, meift fdjolafrifchen 31^*$/ auf=
5ät)lt 3n ihrem Veftfe befinben fidt) im 15. 3ahrhunbert auch «n
filbemer Secher unb allerlei Xopf gerät, baö in ber SBirtfchaft ber
tfottegienf)äu}er Vermenbung gefunben fyabm roirb. Sehnlicher 33eftfc
an ^auörat roirb in ben Acta nationis Germanicae ju Bologna
(ed. grieblänber u. SHalagola 1887) aufgeführt. $ie Getane ber
oier gafultäten rourben an ben Sonnabenben nor S. öeorg (25. Sprit)
unb ©. fiufa« (18. Dftober) gewählt, bie Gefroren, folange ihre SBahl
femefterlich ftattfanb — bis 3Mtte be« 16. 3ah*hunbert« — am
Xage äreujeö (Srfinbung (3. sJHai) unb ©. £ufa«. ©in feierliche«
3Kahl burfte babei nicht fehlen. ®ie 3ahl ber £ehrer betrug jroölf
bi« fünfjet)n, roooon jroei s)Nebi$iner; baju famen im 17. 3<*hr()ttnbert
noch ^tge (Sytraorbinarien, foroie ßeftoren ber franjöfifchen, eng;
lifchen, italtenifa>n Sprache, eine auffällige ©rfcheinung bamnter
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376
Q*forg Siebe, bitten unb ©nrid)tungen ber
ift ber 3taliener Sßetrus oon Raoenna, ben föersog 33ogislam X
1498 auf fetner Rücffefjr vom ^eiligen ©rabe ju s^abua rennen
lernte unb nebft feinem Solm $incen$ als Red&tsleljrer für bic
f>eimifd>e #oa)fdmle gemann. 1498 unb 1499, 1501 unb 1502
mürben beibe $u Reftoren gemälzt, unb ^incen^ oerfef)lt nid)t, ge=
legentlic^ ber 3nffription einiger meitf)ergefommener föörer, ju be^
merten, bafj feine« Katers unb fein Ruf fie (jergejogen ^abe.
©einer 1502 im 9Uter oon 20 3af)ren geftorbenen S<hmefter Warieta
mibmet er am Scfylufe feiner Eintragungen einen metjmütigen Radjruf.
3br Xob fwt molu" beiben bie Stabt oerleibet, Tie gingen 1503 an
bie Unioerfttät Wittenberg über, £ie ©mfünfte ber Sefjrer maren
feine fonberlidjen, im Anfange beftanben fie meift in einer ^räbenbe;
beren eine 1470 auf 30 Wart gefdjäfct mirb. 1563 mürben fie
fipiert unb beliefen fid) bann auf 240—600 Warf, 1634 mürben
200 (Bulben für alle feftgefefct l£inen ganj mefentlidjen ^Teil matten
bie 33ejüge oon Nebenämtern aus, roie fie bie Geologen als ^aftoren,
bie Surften als Räte, bie Webijiner als fürftlicbe unb ftäbtif^e
3lerjte genoffen. 3lm fd)led)teften maren bezüglich biefer Wöglidjfeit
bie Slrtften geftellt unb es mürbe baffer 1630 bura)gefefct, fie bei
einer Remuneration für bas ©efamtfoUegium befonbers ju bebenfen.
5Die golge biefer Nebenämter maren aua) in ©reifsroalb f>äunge
„illbfentien", über meiere j. 33. aua) in Veipjig geflagt mürbe. Sdmn
147(i mürbe besljalb bie ©ebaltsfperre über einen ©reifSroalber
Wagifter oertjängt, aber nod) 1 642 erhielt ber mebijinifdje ^ßrofeffor
Schöner bauernoen Urlaub naa? Stralfunb. 2lls Vortragsart mürbe
1480 bie $u s^aris übliche, alfo auf fdjolaftifctjer ©runblage berubenbe,
eingeführt. 2)as jährliche (Srfdjeinen eines Vorlefungsoerjeidmiffes
mirb erft 1621 ermähnt, aber aus einzelnen 2lnfübrungen finb bie ©egem
ftänbe ber fcefttonen, roie fie ftets genannt werben, ju erfefjen. 1521
mürben in ber Slrtftenfafultät gelej'en (Siccros De offieiis unb 6ato,
Saflufts Bellum Jugurtliinum, Nl>crgilö Georgien oerfdnebene
ftt)olaftifd>e 2lutoren unb eine (Hnfübrung in bas ©riednfdje; über
£)onat Disputiert mürbe am Wontag, Wittmocb, Jrcitag. £as ißer-
jeidmi« oon 1 570 jeigt in bem ßinfluft Weland)tbons, ber ^ebräifa>en
©rammatif unb ben erften Spuren ber Realien fä>n bie 3^8* ber
neuen 3eü gleid) bem aus granffurt a. C. oon 1541 erhaltenen ').
$a oon ben brei Webijmern bet)anbeln jmei Welandjtyons ^fjofü
unb fein Öud) oon ber Seele, nur ber als Slrjt Ima? angefe^ene
•) 0. Vcbcbur, «Dg. flntyü «b. 17, 6. 2t«.
Ümüerfttät ©rfifSroatb im 15.— 17. 3a$r$unbert
377
3oel ein Äompenbmm ber 2)tebi$tn. $>ie Geologen Ccfcn über einzelne
biblifdje Sucher unb bie Loci coramunes, bie fünften über einzelne
Seile beß römifdjen Weltes. SHefer £el)rbetrieb jeigt auef) 1609
feine benterf entwerte Beränberung, nur in einer Borlefung über
Arten unb Bermögen ber ^flanjen läßt bie mebijinifdje Safultät unb
in einer folgen über ben ^ßrojeß bie juriftifd)e eine roadjfenbe 91M~
fiefct auf bie prafrifdjen Anforberungen be« bebend tyeroortreten. ®aß
ber fleißige Befud) in ©retfßroalb fouiel wie an anberen Unioerfitäten
$u roünfdfen übrig liefe, fann man au« ber ^orberung ber Kontrolle
fcblteßen, bie 1477 wie 1697 erhoben wirb. 3)as regelmäßige £ofal
bilbeten für bie Borlefungen bie Kollegien, fobaft fdjließlidj beibe
Benennungen jufammenfielen.
3n Urnen fpielte fid) aber bis in« 16. 3a Wunbert and) baß
gefamte übrige afabemtfd)e fceben ab, fo gleid) im Beginn ber Aft,
roeldjer roie bie Smmatrifulation bie restliche fo bie fojiale ©leides
ftettung bes neuen ©tubenten begrünbete, bie £>epofition. IHe $anb*
lung, beren legten die\t bie heutige ^uä^ötaufe barfteüt, ift bem
ßänfeln anberer Berufe ju oergleid>en. ©ie foDte bilblid) jum 2tu«=
bruef bringen, roie ber als £ier gebaute gud)S ber Börner, 3^ne,
£aar$otteln u. f. ro. beraubt unb $um 3Renfa)en gemacht rourbe, aber
burd) bie Anroenbung ungeheuerlicher Jnftrumente — roie bei ber
Schiffstaufe — rourbe bie Ausführung fet)r realiftifa). $>en ©chluß
bilbete ein 3)ia^l auf Soften bes Heuling«. Ausartungen ber ©päße
roie ber Äoften 5U begegnen, rourbe noch 1592 eine $epofitionS;
orbnung erlajfen. Urfprünglia) follten bie Kollegien auch bie sMoty
nung roenigftens für bie Angehörigen ber Artiftenfarultät bieten, bie
als Borbereitung auf bie übrigen ftets bie jüngften SRitglieber jaf)lte.
$ie gleichseitig 1522 gefteHte gorberung eines ©ttteninfpeftorß für
jeben ©polaren mußte ^ierburd) fetjr erleichtert werben, inbeffen
führen noch bie SJJatrifeln t>on 1664 unb 1672 bei bem Warnen
jebeS ©tubenten ben oon ihm $u jener ©tellung erroäf)lten ^kofeffor
auf. 2Bie emft es mit bcr ©ittenjudjt gemeint mar, laffen bie ©ta=
tuten ber Artiften oon 1456 erfennen, nach benen bie Borftcher ber
Burfen fid) bem ©enat ju geroiffenbafter Pflichterfüllung oerbinben
mußten, ©ie follten bie ©djolaren sunt itateinfpredjen anhalten, bas
"paus jur feftgefefcten ©tunbe fließen unb rufjeftörenben £ärm oer^
hinbern. Auch ben Sttagiftern roirb eine Xxaty oorgefd^rieben, ein
gefd)loffener Xalar, ber Befud) öffentlicher Sänje unb ber Berfeljr
mit Shrnen in unb außer bem föaufe unterf agt *). Aber bie roieber=
4) «ofegarten a. a. 0. II, ©. 297 fi.
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Ororg Piebe, bitten unb <fcnrt<&tnngen ber
polten (£infd)ärfungen aller Verbote bemeifen bie geringe Beadjtung,
unb au$ bie 3Ref)r$af)l ber ©reifdroalber Stubenten roirb $u betten
gehört f>aben, roeldje, nrie Xtiomafiud eä in [einer offenen Slnfpradjc
an bie $allenfer 1693 bejeidjnet, auf beut SBege ber Befttalität laufen.
@d)on 1465 nutzte ben Stubenten oerboten werben, 2Bämfer ftatt
ber gefdjloftenen Saläre ju tragen. ÄBurbe bafi SBaffentragen ftetö
als afabemifdjeä 33orred>t betrautet, fo begannen in ©reiföroalb, be=
fonberö in ben 3*iten be$ breifciajäbrigen Äriegefi, bie ftmeil&ttvpit
einzureiben (in arenam descendere), bie fogar auf ber Strafte unb
beut Alirdjtyofe ausgejodeten würben. Der uralte 3roift mü ben §anb:
werfögefetten, juntal Sa^ntieben unb Sdmftern, jiefjt fid^ burdfc bie
gan^e ©efdj)id)te ber Unioerfttät; mit cntlopifa^em ©efd&ret unb Stein--
würfen gegen baöftolleg forbem biefe 1563 bie Stubenten fjerauß, unb
tne^rfad^ waren Xotfdjläge bie Jolge. Der Hufentlmlt in Sdj>enten
unb näd&tltdfjeä &erumfä)märmen nad) ber neunten Stunbe gab oft
genug ben 9ladf)twäd(jtern Slnlaft $um @tnf$reiten. Um bie 9Kitte
be$ 17. 3a^unbert« führte ber ©egenfafc Der Nationalitäten $u
Reibereien jwifd&en ben lanb$mannfd)aftlid(>en Bereinigungen ber
Deutfäjen unb Schweben; erftere lieft fid> ein Siegel ftedjen, bar=
fteUenb einen 3Hann mit einem ^ßfeilbünbel unb ber Umfdjrift unitate
fortior, unb wanbte ba« 3roang6tnittel bed Verruf« an.
3n ben wedrfelnben ©rfd&einungen bes afabemtfdjen Sebcn« bilben
3af>rt)unberte lang bie ru^enben ^ole bie afabemiföen ©rabe, 8ac*
calaureat unb 9Jtogifterium, für beren Berleilmng 1613 ba$ niebere
unb Were Äat^eber beftimmt erfa>eint, fomie als Borbereitung bie
monatltd&en Disputationen unb Detonationen, ©rftere mürben oon
^rofefforen, ledere audf) oon Stubenten gehalten; fte fouten fu$ auf
bie 3eit oon 7—12 Ityr oormittagfi beföränfen. $laä) ber 3a!jl
ber Promotionen ju fölieften, muft entroeber an ber pomtnerfd)en
$o$f$ule ber gleift groft ober bie ©runbfäfee milbe gemefen fein.
Sinb atui) bie 19 Baccalare befl erfiten Semefterö eine Sludnalmte,
fo fd&manft bo# tyre 3af>l weiterhin sroifajen 3—13, bie ber nur in
5lbftänben dou mehreren Semeftern promovierten SRagifter §roifä)eu
2—7. Unter ben lefeteren ftnb bie Sfanbinaoier meift getftlia>n
Stanbe«, erft SRönaje unb ftanonifer, fpater ^aftoren. 6nbe bed
16. 3al>rfnmbert« oerfd&nrinbet baö »accalaureat, 3Jätte beö 17. wirb
neben bem SWagifter ber Doftor ber ^fjilofoptye üblt$; bei anbern
gafultäten bleibt ber Xitel ftet« »uönaE>me. Der 3lft ber Promotion
oottjog fiä) jumal in älterer 3«* wit grofter Seierlidjfeit unter
teiligung oon diat unb $ürgerfd)aft auf bem Watyaufe, wofnn ftä)
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Uniüfrfttät (SreifSwalb im 16.— 17. $abr!)itnbfrt
379
bie SWitglieber ber Bfabemie unter ^aufenföafl unb Storantragung
brennenber gacfeln begaben.
Stofjer tyren befonberen Jeften pflegte bie Umnerjit&t auä) ©reig;
niffe oon allgemeinerer Öebeurung ju begeben. $)aä Jubiläum bei*
9luoi6buri}i|d)en Äonfeffion mürbe im großen &ubitorium mit §fyox'~
gefong, Skrlefung ber Augustana unb Jeftrebe am 26. 3uni 1630
gefeiert.
(Skabe bamalfi maren bie fdjroerften 3^iten ber £>orf)fdntle, benn
burd) Einquartierung faiferlia)er Gruppen maren bie Einfünfte, ju=
mal aud ben ©etreibeerträaen be$ 2lmte3 Glbena, auf ein 9fäü)tö
3ufammengefä)munben. 3tuä) anftetfenbe Äranf^eiten ueranlafjteu
meljrfad) bie jeitroeilige Sluflöfung ber atabemifdpn ©emeinbe, fo
1495 unb 1579. $m Unteren ^atyvt trat jum erftemnal bie
fluenja auf, unuerfennbar in itjren ©nmptomen, beren unerflörlidjen
(Sfjarafter man oon einem Einfluß ber ®eftirne herleitete.
2)afi fefte ©efüge be$ mittelalterlia)en Studium generale ©er=
machte alle otfirme ju äberbauem unb bie Stiftung be$ f)°*>
gefmnten öeinriä) -flubenon) unfern Eagen $u überliefern.
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3ur $e|"d)td)te
ber guöon im ^$lün(lcrfanöc.
Von paul 23ü^lmann.
2116 ber Kölner 3ube 3ubaö ber fpätcr bei ber £aufe ben
Kamen Hermann erhielt unb ber erfte 3lbt beö ^rämonfrratenter^
iUoftere ju 6d>eba würbe, oon feinen (Sltcrn unb greunben an ben
&of beä33ifa)ofs ©gbert (1127— 1132) nad) fünfter gefanbt mürbe,
um bort bie :)tücf$al)lung eines bem iBijdjof gewährten £>arle^nö ab*
Sumarten, warben biefe für ©elb ben bodjbetagten 3"oen SBarud) $u
feiner ^Begleitung, bamit ber jmanjigjäbrige ^mgling bei etwaigem
längeren 2lufentt)alte 2) niajt oon feinem uäterlidjen ©lauben ablajfe
unb in bie djriftlia^en ©e^eimniffe eingeweiht werbe. 3" 3«t
()aben fid) alfo felbft in ber <Stabt fünfter, bem gröfeten unb beö:
[jaib aud) wol)l juerft aufgefudjten Orte be$ ganzen Cberfrifteö, nod)
feine jübifdjen ©inroofmcr befunben, benen fid) ber Kölner ©laubenS;
genoffe f)ätte anfdjliefjen fönnen. 3>afj fid) aber fpäteftcnö in ber
erften &älfte be$ 13. 3af)rfnmberte bafelbft 3uben nicbergelaffen f)aben
muffen, läfit fid) mit Sidjertjcit annehmen. $>aö alte ^Jlainjer
3)iemorialbud) namlid) berichtet3), bafi Sonnerötag, ben 6. 3tb. beö
') ©gl. beffeu ©etbflbiograpbie, roeldje jjncrft 3. Sarpjott nad) einem
3Rauuifript ber üeipjtger UniüerfitätSbibliotbcf ait Slnbang £U feiner Hu*gabe
üon „Raymundi Martini Pugio fidei adversns Mauros et Judaeos (Lipsiae
1687, 2°)4\ ipäter 2). 0. ©teinen (ffurje Beitreibung Der bodjabl. »orte««
Käufer Cappenberg unb ©djeba ;c, 3)ortmunb 1741, ©.91-149) mitgeteilt
unb %ug. $üfing (2)er bt. ©ottfrieb ... unb baS filofler Cappenberg, SRilnfler
1882, ©. 104 — 1«4) au4 bem ?ateinifd)en in« Detufdje nberfefjt b>t.
*) 2)a ber SBijd)of bie ©djulb md>t frübev abtragen tonnte, blieb 3uba«
beinabe 20 SBodjen in INÜnftcr.
■) ©. $er 3«raelit .. ., br«g. öon Dr. J?ebmanii, $abrg. 21» äRainj 1880,
©. 1110, «nm. 1.
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$aul «aljlmaiiu, 3ur OJffdj. ber Subcn im «Wünfierlanbe 381
Oal^rco 5047 11. & b. 2& (alfo im 3. 1287) $u fünfter in 2Befc
faleu eine grofce 3ubenoerfolgung nattgefunben tyabe, bei ber nidtf
weniger ald 93 ^Serfonen, sJJtänner, grauen unb ÄtnDer — barunter
a$t frembe, mabrfdjeinlid) bent «Stubium bes Xalmub obliegenbe
Jünglinge — ben SDcartorertob $ur Heiligung bes göttlichen Ramend
erlitten. 3Iud) gab es nad) einem Kaufbriefe oon 1301 *) in biefem
$af)re bereits einen münfterifa)en ^ubenfirc^r)Df (eimiterium Ju-
deorum), ber fpäter alt) „jmtfdjen £tebfrauen= unb öiöpintföpfortem
2BälIen" gelegen bezeichnet wirb *). $)a ed nun nur größeren jübifd>en
©emeinben geftattet mar, eigene Segräbnidpläfce anzulegen, auf benen
bann aud) bie kleineren umliegenben ©emeinben ihre £oten begruben6),
fo mußten — felbft roenn ber genannte ÄUrdjtjof mch* ian§t r»or
1301 angelegt war — bie erften 3uben minbeftend ein Imlbes Satyr;
tmnbert früher, alfo oor 1:250, nad) fünfter gefommen fein.
$er 5tirdjfwf ber $uben lag außerhalb ber ©tabt. 3t)re
äHotmungen aber befanben ficf> innerhalb berfelben auf bem ^isping^
tyofe unter bem ©djufce ber bortigen 2wrg, meldte — im Saufe beö
12. Satyrfmnbertö, wat>rfd}einlid) $ur 3eit 3Mfd)of ftennannö 11
(1174—1203), errietet — im ^atyre 1278 in ben üöefifc ber ©tabt
gelangte unb balb barauf in ityren bem Innern ber ©tabt jugefetyrten
SJefeftigungen niebergelegt mürbe; bie im 3abre 1633 jur 2>etfung
be$ Eintrittes ber 2la in bie ©tabt angelegte ©dian^e — bie jefcige
Sßromenabe $wifd)en bem 2legibii; unb 2Uifcbnittsttyore — bewahrte
in ihrem tarnen „3ubenfcban$e" noch eine Erinnerung an bas 3uben^
oiertel7).
damals waren bie meiften beutfa)en 3uben bem Äaifer unter:
worfen unb feine Unechte. 35a man nämlich aud ber ©durmoogtei
bes JlaiferS über bie Stirpe bas iHedjt besfelben ableitete, bie 3uben,
als bie älteften geinbe bes (Sfyriftentums, auszurotten, bie Staifer aber
tyieroon feinen ©ebraud) matten, oielmetyr bem ^eifpiele ber ^äpfte
folgten, bie eß felbft für ihre ^flicht gelten, bie 3uben nicht nur ju
bulben, fonbem fogar $u fdmfcen unb nicht burd) (Gewalt, fonbem
burd) Unterricht jum (Sljriftentum $u befeljrcn, fo übernahm nur 31t
4) Slbgebr. oon »Ib. SBilfen«, «Serfudj einer aug. ®efd)icbte ber ©tabt
SRünfter, $amm u. fünfter 1823, ©. 143 f.
») ©. ©auer i. b. 3citf$r. für öaterl. &t]Q. u. «UertumSf. 8b. 32,
SRünfl« 1874, ©. 193 f.
•) O. ©tobbe, 2)ie $uben in 25eutj$lanb wäb,renb be« 2R..*., ©raun«
föroeig 1866, ©. 146.
T) ©auer 0. 0. O., ©. 170-174 u. 194.
382
$auf $ab(utann,
Ijduftg baa 93olf, juerft aufgeregt burd^ bie äreu^üge unb metyr
nodj fpdter burdj uneblere 9Wotioe, fte burd) graufame $)erfo(gungen
511 quälen. Um fie nun hiergegen ju fcl)üfeen, erfldrten fte bie Äaifer
für befonbere Älteste i^rer flammet ; fie liefen ftdj für ben geruderten
£dnt$ von ilmen Abgaben entrichten ober verliefen ba« 5Äed)t be$
3ubenf{fni|je« mit ben baoon abtydngenben Stiftungen, gleich ben
übrigen begatten ber Ärone, an bie !Neid)«fürften 8). ®afe audj bie
münfterifdpn 3uben trofc, ber mat>rfd)etnlid(}en 9tu«übung ber Advocatia
judeorum burcf) bie ^ifcböfe faiferlidje Äammerhtedjte waren, bemeift
jur ©enüge9) bie Seletjnung be« ©rafen $einri<j) oon SSalbecf
(f 1348) 00m 8. 3uli 1337:
2Bir fiubomig, oon gote« genaben ^ömiföer feifer, je allen jeiten
merer be« 9ridje«, ©nbiten ben nrifen ßfiten . . . bem diat onb ben
bürgeren gemeinlü$en je ©fünftem onfem liben getrmen, onfer Ijulb
onb alle« guot, 2Btr ruon ero funt, baj mir ben (£be(n mann, @raf
£ainrid) oon SBalbegf, onferm liben getrmen, enpfoltjen, onb ooüen
geroalt geben fmben über onfer unb be« 9tid)eß juben in ber ©tat
onb bem Jöiftum je ^Wünftcr, alfo, baj er oon onfem onb be« 9hd}6
megen, von in [ilmen] all $in«, ftuoer onb bienft oorbern onb ein
nemen fol, onb baj ft im oudj an anbern fachen warten füllen, al«
on« felber; mellen unb gebieten mir en> oefttdjlid) bei onfern Bulben,
ba$ ir bi oorgenanten 3uben bar ju Ijaltenb, onb oudj) mit in f<$affent
alj oerre ir mügt, ba$ fi im märten, bienen onb geljorfam fein, an
onfrer ftat mit allen fachen, alö fi burd) reä)t füllen. Skier oud)
baj er ft bar omb benoten ober red)tuertigen müft, meüen mir, baj
ir im bann bar gu belmlfen feit, 0I5 lang bi« baj Ii im gelwrfam
merben: ba tuot ir on« lieb an, vnb roeUen fein oud) ni$t geraten,
©eben je Shjepac^, an 3)ienftag oor SRargarete, 3n bem bruo onb
jroenijigiften iar onfer« 9tid>, onb in bem &ef>enben be« fetrfertuom« ia).
•j ©. ©eiberfc, ?anbe*. u. tRedjtSgefct). be* fcerjogt. fficftfalen, 8b. I,
«bt. 8. X. 8, Hrn*berg 1864, ©. 867. — ©gl. Stobbe a. a. O., ©. II.
*) 3»or befiehlt and) Äönig «Ibrrc^t am 8. &ebr. 1801 ben »ttrgern
unb $uben ju Stortmunb unb ben dtei$£jubrn in fBeftfalen (jndels aniTersis
in Westfalia commorantibua), bem (Brafen (f brrfyarb oon ber SRart an feiner
Statt ju geljorfamen (f. Urfunbenbud) f. b. ®t\d). b. ftieberrbein* , bjr*geg.
üon £b\ $of. 8aeomb(et, 8b. III, fcfiffelborf 1863 , G. 9), bodj bfirfte ^ier
unter ©efrfalen nur ba* fcerjogtum ju »erflehen fein.
»•) Original im ftüxfll *rd)to ju troffen. — 3Rtt einec gletdjlautenben
unb oom felben Xage ba Herten Urtunbe fflr b. C*nabrftder 3uben abgebrudt
in ber HRünfler. SWonaWfdjrift 3ab,rg. I, ^eft 8, SRünfter 1786 , G. 98 unb
3. 9. 2. ©ansagen, (Vrunblage ber SBalbedifdyen 8anbe*> n. Äegenteit.
gejd;., (Köttingen 1896, Urfunbenb. e. 166 f.
3ur <8efd>id)tc ber $uben SRtinfterlaube
383
2>iefe Urfunbe beftätigt aud> bic annotjmc, ba& ftd> bic 3uben
nid)t oor ©ntnridlung ber Äammerhtedjtfdmft (um b. 3. 1200) in
fünfter niebergelajfen faben, ba in ben meiften bifdjöflicfcen ©tobten,
wo bie$ Dörfer gefrJ&et)en, ber ßaifer niemals im öefifce bes 3uben^
föu&eö geroefen, fonbern biefer bann in ber Siegel bem $Mfd>ofe üer=
blieben mar11).
93om 3afn*e 1337 btä jur 3$ernid)tung befi münfterifdjen SBteber;
tauf er^eidjed (1535) lajfen fid) münfterlänbifa^e 3wben 12) urfunblid)
nid>t nadnneifen; bie einigen 92aa)ria)ten geben über fte für jene
3ett nur
1) eine (St)ronif beö 15. ^ö^unbert«, in ber e« Reifet18):
„do roen schretT 1350 do was over de gansen werlt
en alto groet sterven . . . Und in Monster storven by
II dusent menschen uod het noch manck den luden
de groete doet. Und byr umme so worden allerwegen
de ioden gedodet, wao men gaff en de schult der sukede."
2) ber münfterifdje SHeftor ^ermann non Kerfeenbroicf (ca. 1520
biö 1585), ber fdjreibt14): „£>a bie 3ubeu bie <£t>rijten
bura) übermäßigen SBudjer audfogen, im $anbel fd)(au be=
trogen, aHed an fid> riffen, unb nad) it)rer ($erootmf}eit nur
auf ba« SBerberben ber ©fünften unb auf ir)ren eigenen SBofjk
»■) ©tobbe a. a. O., ©. 20.
") Sie in jum Urtunben x>. 3. 1349 unb 185« («gl. @taat«-«rd»ii>
fünfter) genannten münflerifaVn ©ttrger ^o^onn 3ube u. Hartwig 3ube,
beren Siegel $lgen (Sie »eflfäl. Siegel be4 TO..«., $eft 4, TOfinfler
1894, Zaf. 176, 9lr. IS u. 13) abgebilbet, n?oren — wie fd)on bie Vornamen
oermuten laffen unb ber ^nljalt ber Urfunbrn beftätigt — dbrißen.
®efd)id)t«quetten br« ©i«t. TOflnfter, »b. I, TOünfler 1851, ©. 131. -
«gl. ebenba 8b. III, TOünfter 1866, © 808.
") ©efefj. ber Söiebertäufrr ju TOÜnfler i. ©. (beutle Ueberfefcung)
o. O. 1771, ©. 23. — 2>ie betr. ©teile be* tat. Original« (Um.) lautet:
Ad occasum aestivum Corus portam Judaicam excipit, a Jndaeorum campo,
quem olim ibidem fixis sedibus coluerunt, ita nominatamt quod Judaeorum
capita ex marmore Badenbergico facta ibique posita etiamnum satis
arguunt Hi enim cum Christianos avido faenore exhaurirent, negotia-
tionibus suis callide circumyenirent, ad se omnia traherent nihilque non
in Christianomm pernitiem, cum suis tantum rebus cumulandis desudarent,
huo more molirentur, dirutis tarn synagoga quam aedibus abacti sunt.
Quorum monumenta et scripta lapidibus incisa ad portam novi pontis
sunt translata, ubi etiamnum tarn ad dextrara muro imposita, quam ab
altera parte in urbe, ubi supra aquas forica publicis usibu» destinata est,
in extantibua extra murum saxis yisuntur.
38-1
$au[ Dahlmann,
ftnnb eifrigft bebaut waren, würben tljre Spulen unb Käufer
niebergeriffen unb fie felbft fortgejagt ; mooon bie Senhnäler,
in Stein auögehauen, auf baö Sieubrücfenthor gebraut morben
finb, mo man fte fomohl rechter &anb auf ber SWauer, alä
auch oou ber anbern ©eite in ber 6tabt (wo über bem
SBoffer bie öffentlichen heimlichen ©emädjer finb) noch t)eu^
tigen £ageö fetjen fann."
3) ber münfterifche ©eneralmajor Lambert griebrich oon (Sorfeo
(1668—1733), ber 511m ^re 1350 berietet15): „Von
dieser judenverbannung sieht man zu Munster noch
viele klare anzeigungen, iudem von ihren grabsteinen
hernacher die Judefelder pforte l6) und maure reparirt,
wie die hin und wieder eingemaurte judische inscrip-
tiones ausweisen."
$lad) ber juerft mitgeteilten ©teile fcr)eint eö $meifelloö, bojj bie
3uben, bie man 1350 in gan$ 3)eutfa)lanb ald 2lnfttfter ber grofeen
^Jfcft oerfolgte, auch au« fünfter in biefem 3<**)re loieberum oertrieben
mürben; benn ihr Verbleiben in ber r»on ber Seuche (sukede) fo hnrt
betroffenen Stabt hätte ber (Shromft, ber ja beren Verluft auöbrüdliä)
angiebt, ftajerlid) nicht unerwähnt gelaffen. sBäre ©ierfe17), ber
auch behauptet, bafe feine (Shronif bie münfterifchen 3uben oor be-
ginn beö 17. 3at)rhunbertö mehr ermähnt, bie angesogene Stelle
nicht gleichfalls uubefannt geblieben, fo mürbe er fid) ber 9)tühe, bas
^ahr 1400 alö ben 3eitpunft biefer ^u&enuertrcibung nachjuroeifen,
faum unterzogen hoben. 2)afj biefelbe oor 1400 ftattgefunben hat,
bürften auch bie beim Abbruche be* Murines ber *tombertirtrd>e ir»
»•) ©efcbutwquetlen De« Eist. iWünfter, $b. in, @. 807.
") Da« ^übefelbertbor bat feinen Warnen ntd)t, rote Äerfjenbroid a. a. O.
nieint, oon bem 3ubenfelbe, ba« noch, cor bem fliebfrauentbor lag, fanbern
oon bem ^übefelberbofe, einem ber oier gro§en $öfe, auf beten Qrunbe bie
©tabt ÜRünfter entftanben ift (f. SBiltcn« a. a. C, ©. 42; *b. Xibn«, bie
©tabt SWünfler, SWünfter 1882, ©. 25 u. 43). <5« fam gleid) bem Üiebfrauem
unb Äreujtbor unter <5br. »ern. ö. ©alen in ffiegfatt, ber bafür ba« Weutbor
anlegte (f. libu« a. a. C, ©. 138).
") »Ib. @ierfe, Sie ®ef$. ber 3uben in Söeflfalen roä&renb be« Wittel*
alter«. Naumburg a. ©. (1878).
'•) Stuf ben unterften, romanifdjen £cil be« ?ambertiturme«, ber nod}
au« bem 11. 3<»&rl>. berrü&rte, rourben im 12. 3<»brl)- nni b. 3. 1400,
a(« ftatt öer alten romanif$en bie iefcige gotl)ija>e Äirdje erbaut rourbe, je
jroei weitere ©efäoffe aufgefegt; f. ®ei«berg, $er Samberti. £urm ju
fünfter (Setter, f. üatert. ©efä. u. aitcrtum«t. XX, 1859, ©. 343-361).
2>ie beiben oberen Oefc&offe rourben 1881, bie brei unteren 1887 abgebro^en.
3ur ©e^idjte bcr Rubelt Im üRttnfterlanbe
385
oorgefunbenen ac^t jübifd^en ©rabfteine19) beweifen, welche in bcn
inneren $erftärtungöpfeilern beö auö bem 12. Sa^unbert ftammenben
$urmteileö oermauert waren. 2)enn felbft wenn biefe $erftärfungö;
Pfeiler, welche bie abermalige Erhöhung beö Purine« erforberte, erft
gegen @nbe beö legten Neubaues ber Äirche, ber befanntlia) 1375
begann *°), alfo oietteia^t erft im Anfange beö 15. 3af>rhunbertö, auf;
geführt mürben, fo müffen bie fraglichen ©rabfteine bod} bereite cor
1400 einem — unb sroeifello« bem münfterifdjen — 3ubenfir<hhofe
entnommen fein, weil fie „fdjon früher als äöafferrinnen, it>ar>rfdt)ein=
lieh auf bem romanifchen ^eile beö Turmes, benufct"31) unb jmar
recht lange benufct waren, ba baö barüber gelaufene SBaffer bie
©puren ber »earbeitungöf abläge in ben binnen fehr abgefajliffen,
ftellenweife fogar gan$ oerwifd)t hatte: oon bem Äirchhofe aber tonnten
bie ©rabfteine fclbftrebenb erft nad> ber Subenoertreibung, alö fie
herrenlofeö @ut geworben, $u bem erwähnten ^rotde entfernt werben.
Ueber bie rechtliche (Stellung ber 3uben wetyrenb ihreö erften
Aufenthalte« im 3Jtünfterlanbe läfet ftch mit Sicherheit nur fagen,
bafe fie faiferliche Äammerfuechte waren, $in& jahlen unb $>ienfte —
aber welche? — leiften mußten unb nicht unter ber SWacht ber 93eme=
gerichte ftanben; ber auf altem brauch beruhenbe 83efef)l Äaifer
fcubwigö oon 1342, ben Äaifer Karl IV 1349 erneuerte"), bie
^uben nicht oor ein anbereö ©ericht $u laben, alö baö, in bem fte
fäfeen, würbe nämlich trofc ber grofjen Neigung ber SBemegerichte,
ihre ßompetenj immer weiter auöjubehnen, anfaugö allgemein ge^
halten23). Sßahrfcheinlich ift, ba§ fie nicht blofc eine religiöfe ©e=
meinbe bilbeten, bie in ber Snnagoge ihren sJRittelpunft fanb, nicht
blofi in lofaler SBeife oon ben übrigen Einwohnern getrennt lebten,
inbem fie ein befonbereö Viertel bewohnten, fonbern auch m fommus
naler unb rechtlicher SBesietmng eine ©emeinbe für itd) waren24).
3Juö Äerfeenbrotcfö Angaben fönnen wir aufeerbem fchltefjen, bafe
Ciner biefer örabfteine, roelrjje ber münflerifd>e 3lttertum*&erein auf-
brroabrt, flammt na$ ber faft ganj ermatten gebliebenen ftnfärift au« brm
gabje 1802 (f. ©eflfäl. SKerfur 1890, 9lr. 853), fo baf? bie «erfolgung üom
3abjre 1287 niebj in ^rage fommen fann.
*°) libu* a. a. O.. e. 161.
") 2u8 brm 1888 berfafiten $erid)te be* tgl. 9ceg.«9aumeifterS 8. $ertel,
bem mir aud) für feine fonfHgen, r>ifr gleichfalls oermerteten Mitteilungen
Uber bie ©rabfteine ju 2)ant oerpflicb.tet finb.
•») »eibe Urfunben im ©tabtanbjo Dortmunb.
M) Üb,, finbner, 2>ie »eme, SWünfler u. ^aberborn 1888, <§. 657.
") »gl. ©tobbe o. a. O., ©. 140.
3etti*rift fttr Änltutflefi«4te. II. 25
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386
$aul ©afjlmann,
ifynen $anbels: unb ©elbgefdjäfte of)ne fc^r brütfenbe $efcfyränfungen
erlaubt waren, unb ber ©rtoerb oon ©runbeigentum geftattet getoefen ift
S3on neuem begegnen und 3uben im 2)iünfterlanbe unter ber
Regierung beö SMfdjofß S^anj oon äßalbed (1532-1553), ber,
uad^bem bie <5tabt in ber 9tod)t oom 24. jum 25. ^uni 1535 ben
^änben ber SBiebertäufer entrijfen, „etzlichu judden binnen Munster
vergliedet; und solchs gesebag für der restitutioo und ehr der rad
»eine privilegia und gerechticheidt wedder krech (5 Aug. 1541);
und sindt auch noch ein tzeidtlanck aldar geplieben na der reati-
tution, und das ist geschein midt verwilgunge des rads, sunst
bette 8i der furste nicht lenger vergeliethen können. Von hier
zogen sie na der Walbecke25), dar sie withers (zu groissen
nachdiele der behoevigen burger und iowonner) von den fursten
noch ein tzeidtlanck vergeliedet worden")."
$ie im Ägl. ©taatfiardno ju fünfter rufjenben ©eleitöbriefe
auö ben ^[abren 1539 — 1654 geben über bie bamaligen red)tlia)en
2$erf)ältniffe bei" 3uben nur geringen 2luffd)lufj. ©ine burd)greifenbe
Regelung berfelben erfolgte erft unter (Sfjriftopf) Semarb oon ©alen
(1650—1678), ber ben 3uben baö erfte ©eleüspatent am 1. £1
tober 1651 gegen eine Serefjrung oon 12 Sßfunb Silber« oerlie^
unb iljnen bi« 1653 einen jaljrlicben Xribut oon 20 ©olbgulben auf;
erlegte, im 3«^" 1654 ba« ©eleit gegen ©riegung oon 600 iHeia>
tfjalern unb einen jäfjrlidjen Xribut oon 88 ©olbgulben erneuerte,
lefcteren aber im 3af)re 1667 auf 78 ©olbgulben unb im ^a^re 1664
(bis tncl. 1669) auf 75 ©olbgulben ermäßigte27), Sief er $ifa)of
erliefe am 29. 2lpril 1662 eine auf ©runb ber sJieta)ö = Safcungen
") ©igbolb ©olbed bei «Wünfter.
**) <Sf)rontf be* mttnfiert^rn Domfantor« 9ReId>ior SRödjefl ((Sefdjidjt««
queüen be« «i«t. SXttnjter, 8b. m, @. 234). — $n ben Wei$«abfaifbrn
au« biefer 3cit werben roieberb>lt Älagen über ben ©u$er ber $uben er-
boben, j. 8. 1530 fcit. 27, 1632 £it. 8, 1541 Sit. 77, 1576 Itt 114, 1577
Xit. 20. 3m 3afcre 1630 (Xit. 22) roirb beflimmt, ba& bie $uben einen
gelben 9ting an bem SRod ober Äappen allenthalben unoerborgen $u tyrer
Srtäntnttfj öffentlich tragen foflen, 1538 (Xit. 23 f.) aud> Jorm unb Orbnung
oe« Oubeneibe« genau feflgefetyt.
*') ®. ©ammlung ber Wefe&e u. »erorbnungen, mel$e in bem tgl.
preufj. (Srbfftrflent. SRünfter . . . ergangen finb, SNünfter 1842, 8b. I. @. 258.
— 9m 1. $anuar I**71 mürbe ba« ÖMeit gegen einen jäbjrl. Xribut oon
300 9ttb(r. in <8otb, am 18. ©ejember 1688 gegen ein ©ifliommen*gelb oon
1000 «tblr. in ®olb unb «inen iAt>rl. tribut oon 800 «t$lr. erneuert (fgl.
©taat«ara)io SRünfler).
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3ur ®ef$i#tf ber Rubelt im 9Rfinfierlanbe
387
unb nach bem 33eifpiele ber9iad)barftaaten feftgefe&teSnbemDrbnung28),
welche auch nach ber ©äfularifation beö 33i«tumd nod) in ftraft blieb
unb im öffentlichen beftimmte:
1) ba& fein frember, lanbeoherrlicb nicht oergleibeter 3ube im
ftiftifchen ©ebiete gebulbet werben fott, roenn er nicht oon
bem föentmeifter $u ©affenberg ober oon ben ©erid)te--
fchretbern in ben ©renkten Treben, Bocholt, ^altern,
Sterne, 33ecfum, Celbe, Vechta, Äloppenburg unb Beppen
einen ^ajj jum Eintritt ins ßanb gelöfet unb feine 2tbfi<ht
$ur ©rlangung lanbeöfyerrlidjen ©elettes auf längere ober
fürjere grift erfläret f)<\t\
2) bafe bie oergleibeten, inlänbifchen Ouben fid) ftiU unb ehrbar,
ofme Ärgernis $u erregen, betragen, fern uon Äirdjen unb
Kirchhöfen loofmen, an ben botyen d)riftltchen geiertagen il)re
Söotmungen unb gäben fchliefjen, mit (Sfjriften in bemfelben
£aufe nicht toohnen, auch feine d)riftlichen $ienftboten galten
f ollen; ba§ fie auf SBaffen, Stcfer* unb Äirdiengeräte ober
auf beö ®iebftahl$ oerbächtige ©adjen fein ©elb leihen,
nod) auch Darlehen an 3Rinberjährige ofme Sonoiffen ber
Altern unb SBormünber machen, unb ihre eigenen gorberungen
an ©Triften biefen nur gerichtlich übertragen bürfen ; bafj fie
fein ungemünjted ©olb unb Silber ofme oorheriges An-
bieten bei ber lanbeöfyerrlidfjen ^ünje aufjer &anbed führen,
unb bie bei ihnen uneingeloften ^Sfanber nur gerichtlich oer-
äufjera bürfen;
3) bafe 3uben, meiere in bie ©tabt 3)tünfter motten, fid) an
ben £f)orroad)en $u melben, bem oerorbneten ^nfpeftor
tarnen, £etmat foroie Sroerf unb $>auer ihres Aufenthaltes
anzugeben unb einen ©rlaubnisfchein ju erroirfen haben;
4) bafr bie oergteibeten 3»uben ohne lanbesherrliche Erlaubnis
feine Immobilien befifcen unb bei ©elboorfdniffen an CShriften
bis $u 20 SHtblr. bödmend 10 °/o, bis ju 50 9fahlr. f)öd)ftens
8 °/o unb oon tydheren ©ummen nur bie lanbedüblichen (feit
1 720 : 5 °/o) 3^nfen °hn* weiteren offenen ober oerfterften
2öujjher nehmen, auch DC* ©etbanleihen oon Gbriften biefen
nur bie lanbesüblicfien 3mf™ 9e&<m bürfen, roibrigenfalls
**) «Sammlung ber ©efetje »c, $b. I, ö. 257; *. Xüding, öcf$. bt*
©tift« aRünftnr, SWüufler 1865, @. 27t. - «in gtbrutftf* «remplar biefer
3ub«n.0rbnung befhtbet ft$ im ©taat«ar<$iö ju SDlttnfter.
25*
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368
$au( Stahmann,
fie ftonfi«farion ber ausgeliehenen ©elber unb eine ©elbftrafe
von 50 ©olbgulben ju erwarten faben;
f>) bafc bie oergleibeten ftuben roegen ftraffäUiger ^ergefen unb
fonftiger ftlagefacfen nur von ben lanbe«ferrli(fen &om=
miffarien $u Sfledjt geforbert unb befprocfen werben, unb
be«faü« foroofl al« rü<ffict)t(ict) ifrer Beiträge ju Auflagen
ober haften nur ber lanbe«ferrlicfen 3H«po|ition unterworfen
fein foUen.
Weitere öeftimmungen über bie münfterlanbifdjen 3uben ent;
falten bie fp&teren gebrurften ©eleitöpatente, bie un« vom 3afre
1720 ab [amtlich oorgelegen faben29). Sie nmrben gegen <£nt=
rief tung eine« beftimmten jäf rlicf en Tribut« auf je jef n 3<*f ™ erteilt
unb erlofd)en fd)on oor Slblauf biefer grift beim £obe be« Vanbefc
ferrn; bemnaef mürben folcfe publiziert
oon ©lernen« $uguft, fcerjog oon 23aqern, (1719—1761)
atn 12. 3<*nuar 1720
„ 6. 3Wärj 1730
„ 19. Dftober 1739
„ 18. September, oom Domfapitel sede vac.
(1761—1762) erneuert;
oon aJJarimitian griebrief , ©raf oon Äönig«etf=9iotfenfel6,
(1762—1784)
am 7. SRärs 1763
„ 30. Sluguft 1773
„ 21. Samxax 1784;
oon SWarimilian Jrans, ©rjferjog oon Cftcrretdt) , (1/84
bt« 1801)
am 21. 3uni 1784
„ 11. 9)cärj 1795.
Sie fefcen mit geringen ^bmeidmngen $iemlicf übereinftimmenb feft:
1) bafe bie oergleibeten 3uben alle erlaubten ©eroerbe unb
#anbel«gefcfäfte — jeboef ba« Scflacften unb gleifa>er
faufen nur in ifren Käufern — betreiben unb baju f öefftens
je einen äneeft gegen Solb unb Srot, nieft aber „auf
falben ^roftt" falten80) Dürfen;
2) bat} fie bei fcfioerer Strafe unb iterluft be« ©eleit« an
$mfen nur forbern unb erfalten bürfen
'•) (Sine uoflftänbige Sammlung befifct ba* tgt. @taat$aufttü ju 2Hiinf)tr.
*°) Diffe ©efarantong enthält juerjl ba$ <0eleit oom 18. @ept. 1749.
Sur ®ffd?ia)te ber ^uben im SRttnfiertanbe
389
oon lüftend 20 fttf)lr. nidjt mein* al* ] 0 °/o, feit 1 739 als 8 %
„ über 20 50 „ „ „ „ 8%, „ 1739 „ 6°/o
// h 50 „ „ „ „ 5°/o.
3) bafe fie bei gleicher Strafe geftotjlene, geraubte ober Äird>en=
Saasen nriffentlid) — aua) wenn bie ©ad>e nur oerb&d)tig —
nid^t alÄ Unterpfanb nehmen ober fäuflia) an fid) bringen
bürfen, unb fol<f>e bem Eigentümer ftetö unentgeltlich jurü<£
juliefern finb;
4) bafj fie jeben oon it)ren ©laubenfigenoffen begangenen unb
ju ifjrer Äenntnid gelangten 9iaub ober $)iebftaf)l bei ^ev-
meibung bes ©elettdoerlufte« unb eigener Haftpflicht fofort
$ur Slnjeige ju bringen tjaben ;
5) bajj fie Sdmlen unb Smtagogen otme befonbere (Srlaubnid
nur an oon $Hterä hergebrachten Orten galten bürfen unb
alle bereits erlaffenen ober nodj ju erlaffenben Drbnungen
gefjorfamft erfüllen muffen;
6) bafe fie in ben jur Cognition ber bomfapitularifdjen 9(ra)i=
biafonate gehörigen gdUen beren ©erid)t*barfeit, fonft aber
in allen QvoiU, ftrimxnaU unb JiflfakSadjen — feit 1784 nur
in &\v\U unb fiöfalifchen Sachen, ba bie Äriminaljurtebiftton
über fie burd> lanbest). iHefcr. o. 12. gebr. 1777") ben Unter:
ridjtera übertragen mar — nur bem dürften, ber $offammer
ober specialiter Comittierten unterworfen fein unb nur
in 3totte$teftoitigfeiten mit Sänften beren gorum folgen
f ollen;
7) bafe fie ju ben gewöhnlichen unb aufeerorbentlichen Schalungen
unb Saften82) in ihren SBolmorten beitragen müffen;
8) bafe ben oergleibeten 3uben jebea Drt$ ein orbentlicher
33egräbntepla| aufeerhalb ber ©tabt unentgeltlich anjuroeifen
unb ihnen olme jebe Beeinträchtigung ju belaffen ift;
9) bafe ber Rabbiner refp. bie oon 3 ju 3 3<*hrcn von ber
3ubenfdjaft ju erroäfjlenben «orftefjer unb Seiftfcer s>), bie
•») «bfdjrift: y. ». 3Rünfter, 3Rff. 67, Nr. 12.
") Sud) brausten weber bie einbeimifäen nod) bie au«»ärtigen <Juben
b.öb.ere Abgaben an 3oH, Ktdje ober ©egegelbern entrichten al« anbere
Steifenbe ((frwiberung be« SWagifirai« ju SWünfter o. 17. 91oö. 1804 auf eine
anfrage ber tgl. preufc. Ärieg«» u. $>omäneutammer d. 27. Ott. b. 0.).
M) Cor 1749 ber „Ober .Vorgänger". VI* folget wirb in bem Geleit
oon 1720 3faaf «bratjam au« Äoe«fetb, in ben Geleiten »on 1780 unb 1739
©alomon Oatob au« ©arenborf befläligt. — ©$on am I. Oft. Itt61 würbe
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390
$aul ©aljtmanrt,
sunfdjen ber 3ubenfa)aft oorfallenben allgemeinen unb be=
fonberen Älagen unb 33efa)roerben bcr fürftlidjen $offammer
jur <Sntfa>ibung oortragen, aud) jö^rlid) ein 33crjcid)md *4) ber
oon 3ubcn ausgeübten treffe Vergehen famt einem um
oorgretflidjen 2lnfd)lag bafür ju jaljlenber ©elbftrafen, bereit
®rt)ö^ung ober £erabfefeung ftd) ber gürft au$brütflir4) r>ov-
behält, einreiben foUen35);
10) bafe ber Rabbiner baö lanbe«^errli(^e ^ntereffe roatjren unb
befonber« barauf aalten foll, bafj bie hin unb nrieber be-
nötigten Sdmlmeifter, bie aber nidjt ben minbeften &anbel
treiben bürfen, getiefte unb e^rlia^e Seute feien unb ber
ganjen jübifd)en Drtögemeinbe, feineäroegö aber einem fyxi--
oaten inöbefonbere bienen. 3ebod) erlaubten bie ©eleit&
briefe oon 1773, 1784 unb 1795 aua) baö galten oon
^rioatleljrern , roenn bie betr. ^wben niagtöbeftotoeuiger jur
Unterhaltung ber gemeinfa^aftlia^en ©a^ulmeifter besteuerten
unb bie ©enefmiigung ber &offammer eingeholt fcdtten;
11) bafj, wenn fid> bie 3^1 ter jübifdjen Familien an einem
Orte oerminbere unb anbere an beren Stelle jugelaffen $u
roerben rounfdjen, biefe oor 9toa)fud)ung bes ©eleitä mim
beftenä ein Vermögen oon 400, feit 1 773 oon 600 unb feit
1795 oon 1000 9ttf)lr. ercl. ber täglidjen $audgeräte, ber
Jtleibung unb ungerotffer 2lftiofdmlben nad^uroeifen fyaben.
^or^er bürfen fie ebenf omenig rote alle anberen fremben,
unoergleibeten 3ubenS6) in ftiftifd)em ©ebiet ftc^ nieber-
laffen ober &anbel treiben.
8d>lief$lta) mürben bie Starben unter 2lnbrofmng einer ©elb-
ftrafe oon 300 ©olbgulben angeroiefen, biefe Söeftimmungen forgfältig
ju beaö)ten unb bie 3uben in ben ifmen oerlieljenen Siebten ju
Wini ?et>t in fflarenborf oom ©ifd>of Stjriflopb. Vernarb jutn ©cfebj*baber
unb Vorgänger bcr oergleibeten 3uben öerorbuet, „bannt Unfeer bierunter
babenbe* ^ntereffe befto befjer unb fleißiger beobachtet unb fein Unterfäleiff
gcfdK&e" (fgl. ©taat«ar<bio gRttntfer).
•*) (Sin namentlich« ^erjekbui« berfetben für ba« $abr 1777—1802
enthalten bie betr. ^abrgänge fce« SJtünfteriftben Slbrejjfafenber*.
'*) @eit 1749 wirb in ben ®f leiten audj befHmmt, baß, fad« bunb, HuS«
manberung, (Srbjdjaft, ©cbenfung »c. jttbifd?c3 Vermögen au&er ?anb gebraut
werben foll, booon ber jebnte Seil an bie $offammer ju entrid)ten fei.
••) »gl. ba« ben «eleittbriefen betgebruefte Cbift Dom 88. äRÄrj 1788
(Sammlung ber (Befetje *e., 8b. Ir ©. 871).
3ur ©ef$td)tt ber $uben im Diünfterlanbe
391
icfmfcen. $>a trofcbem an mehreren Orten, befonberg ju 2Barenborf,
SBerne, Secfum, Treben unb Jretfenfjorft , bic oergleibeten Suben
unter oerfd)iebenen äJorroänben auf aflerfjanb 2lrt infultiert unb ge=
föäbigt mürben, erlieg Sturfürft SJiarimilian griebrid) unterm
24. 3uni 1768 bieferf)alb ein befonbere« Verbot37), ba« befonbers
bie Störung jübifd^er ^oeffteiten unb öegrdbnijfe, bad ©infdjlagen
ber genfter, ba« Slnbinben toter Xiere an ben Käufern unb in ©ärten,
joroie bie ungejiemenbe öefjanblung ber jübiföen öegrdbniöftätten
oerfnnbern foHte.
Seber ©eleitdbrief enthielt jugleid) ein namentliches ^erjeicfyüö
ber gnäbigft oergleibeten b. t). in ben lanbe«f>errlid>en Sdmö aufs
genommenen jübifdjen gamilienljäupter unb ifjre« 2Bof)nftfee$, ben fie
roülturlid) md)t oerlegen burften.
9to<f> biefen 3ufammenfteDungen S8) jaulte
(-tabeflen f. umfte^enb.)
") (8Ieic^fott* brn (BtteUdbrirfcn betgebrudt; Sammlung ber Offene ic,
©b. II, ©. 98 f.
••) 1683 waren 60 3uben öergleibet (f. ben «clei«brief Don 1683 im
fgl. &taat6ar$ib ju SRünfier).
392
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396
$oul ©abimann,
3n ber ©tobt 9Rünfter burften fict> bic 3uben nie bauernb nieber-
laffen; felbft iljr uorüberge^enber Aufenthalt bafelbft mar befäränft
31m 5. September 1 763 rourbe oerorbnet, „bajj fönfftiger 2Bieber=
anlangung einiger &od)fttfft8*3uben ober berer Jomilien biefen, if>rer
@efd)äfften falber basier fid) 2 ad 3 Sage aufhalten ju mögen,
jroam ju oerftatten, jebannocb felbtgen zu bebeuten jene, bafe ou^er-
tmlb benen 3o^rmör(ften alleö twnbelen in SRünfter beu ©troff
confiscirenben SBaaren oerbotten, unb naa) oerri^teten ©efd)äfften
— worunter gleid>roo()l benen Subenfcfcafftö^orfte&eren, mann felbe
eine öefctjeimgung r»on ber $oa)fürftl. $offammer bem (Sommer
banten präfentiren mürben, nad> beffen Sefinben eine längere grift
ju uerftatten — naä) bem Orth i^rer iöegleibung fidr> roieber $u bei-
geben beo Straff oon 10 ©olbgulben unb allenfalls ber corporalen
9lreftirung gehalten femt follen." 35a fidj trofcbem oiele oergleibete
roie unoergleibete 3uben öfters ganze 2ßo<fyen ^inburaj in ber ©tobt
aufhielten unb oon £aus $u £au$ (wnbeln gingen, fo publizierte
ber 3Wagiftrat „um bergleidjen ber 33ürgerfd)afft fo fcf)äblid)es unb
otjnerlaubtes ^aufiren roenigftens für baß 3ufönfftige zu belnnberen,
unb bamit ein 3ube in 23etrettungsfaH mit ber Dfmmii)enl)eit bes
gnäbigften 93erbotts unb bereu barin beterminirten ©traffen fiel) nid)t
entfdjulbigen möge", biefe Verorbnung unterm 7. 3)ejember 1764 im
SJtünft. ^ntettigenjsiölatt (1764, 5Wr. 97) unb befaßt gleichzeitig allen
bürgern, insbefonbere ben Birten, bei benen bie 3uben einzuteeren
pflegten, bem einen ober anberen söürgermeifter bei Vermeibung oon
2 9ltf)lr. ©träfe fofort nad) ber Slnfunft eines Suben ein Verzeichnis
mit ber Eingabe bes Ramend, Heimatorten unb etroa mitgebrachter
ober oorausgefdncfter Söaaren, fomie am oierten Xage eine fdnifc
lid>e Anzeige einzureiben, wenn bann ber 3ube bie ©tabt nod) nidtf
ucrlaffen habe. 3lm ftrengften rourbe gegen bie fremben 3uben,
polnifche unb anbere Setteljuben, verfahren, in benen man nid)t mit
Unrecht bie Verbreiter anftetfenber Äranf Reiten erblufte ; bod) brausen
mir auf bie biefertyalb erlaffenen (Sbifte t)icr roof)l nidjt näher ein-
zugeben, hinzufügen motten mir unferer ©dnlberung ber rechtlichen
unb fozialen Verbaltmffe ber 3"ben unter bem bifdjöflichen ©cepter
nur nod), baf? in bem ©eleit oom 3<thre 1763 40) noch ber bisherige
in Vonn wohnhafte ©amuel 3ob als £anbrabbiner beftätigt, am
2. Scooember 1772 aber biefes Amt bem in Söarenborf fefchoften
♦•) 3ti bem OleCett Don 1720 war ÜHofeS Äfb«, in brm oon 1780 3uba
aWüOfr aus Sonn alfl »abbiner jugelaffen.
3ur ©ffd)i$te btr Suben im SWünflfrianbe
397
^offaftor9Wic^ael3Äet)cr33rcfilauer41) übertragen, unb in bem @e(eit«-
Sßatent oom 3at)re 1773 befttmmt rourbe, bafc ber lanbedfyerrlidj
beftätiate Rabbiner in 3ufanft ftetö im <!pod>ftift ^Jiünfter roofinen
muffe. — $)urdj ben ))iei$dbeputariond:$auptfd)luf} com 25. gebruar
1803 rourbe ba« bereits vorder von Spreufeen befefcte $M$tum in otele
£eile jerrijfen, bie aufeerbem oor itjrer enbaUtigen SBieberoereinipna.
unter ^Jreufjen (1816) oerföiebentlid) ben &errfd|er roedtfelten
<S« roaren £anbe*l)erren
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fofflte 1790 2)oöib 3R. »re*lau, beffen (5o9Httion*.»ffuflniffe
unb (Btbü^xtn ein vorn 18. 9P?at 1790 botiertc* potent ber münflertf^en ^of<
farnmcr (f. ©ammfung b«r ©efe^e jc, 33b. II, @. 208 ff.) frflfr^t.
*«) ©gl. ^. ©a^lmann, 3)<r Heflierungabfjirf TOÜnflcr, SKünfler 1893,
6. 8-48.
Digitized by
398 $auf «abimann,
;£e3t)alb mürbe für btefe ^periobe (1803 — 1815) aud) eine ge^
trennte 53ef>anblung ber einjelnen ^ubengemeinben erforberlid) fein,
wenn t>on aüen 3)fad)tl)abern bebeutenbe $nberungen itjrer 33er^alt=
niffe oerfügt toären. Unter bem 9tyemgrafen, ben dürften oon Salm,
ben &er$ögen von (Sron unb &oo$-(Sorötuaren aber blieb bie Stellung
ber 3uben im wcfentlidjen unoeränbert; ber lefctere erneuerte fogar
auöbrücfltd) am 9. 3Wai 1803 unb 12. Februar 1805") baö lefete
btfdjöflidje ©eleitöpatent. ®ie brei anberen 3Räd>te — ^ßreuften,
93erg unb 5ranfreid) — maren nad) einanber Herren ber Stabt
fünfter unb machten feinen Untertrieb jroifdjen ben bortigen 3uben
unb beren ©laubensgenoffen im übrigen i^nen gehörigen 9Rünfter-
lanbe, fo baü mir nur bie SBertmltniffe ber erfteren ju f ernten brausen,
um aud) über bie Sage ber anberen unter prcufcifdjer, bergiger unb
franjöfifdjer £errfd)aft ftefjenben 3uben unterrichtet ju fein.
©leid) im erften ^a^re ber preufeifd)en ßerrfdwft oerfudjten
bie 3uben, ficr) aud) in ber früher iljnen oerfdjlojfenen ©tobt fünfter **)
meberjulaffen. $ad erfte berartige ©efudj43) reiften Slbratwm ^ef-
mann unb £>er$ Söinbmüller aus SBarenborf ein, infolge beffen bie
.Ugl. sJJreufe. Wünft. Organifatioiiö^ommiffton am 9. Slpril 1803
ben int. sJ)togiftrat jum 93erid)t barüber aufforberte, ob unb nad)
meinem befonberen 9ted)te feine 3«ben ald @inroot)ner in ber Stabt
fünfter gebulbet werben fönnen. £er 3Jtagiftrat erroiberte am
18. 3lpril:
„3«r aOerqr^orfainftrit ©efolgung be8 aflerböd)ften rescripti bejieben
wir und juoörberft auf bie offenfunbige Dbferoanj, bajj, Jolange bie ©tobt
9Jlünfter erifliret, barinnen (ein 3ube atö QHnwobner gebulbet fei).
63 beftättigen aud? foldje* alle Don ben jeitlidjen ?anbe6b,erren erteilte,
im 2/ru£f öffentlich befannt gemadjte ©d)u(j- unb ©eleitSbriffe, moburd) ber*
felben ttufentbalt unb JBot)nung auf fixere barin benannte Drtfc&aften biefe«
Panbe« aufierbalb ber ©tabt 2Rünfler eingefdjränfet tfl.
©ogar ift burd) lanbe«bfvrlidje, bem SRagiurat jugetommene unb burdj
ba* OntcOi^eii^blatt betaunt gemodfte SJerotbnungen Don 1763 u. 1765 ♦•).. .
*») Sammlung ber Öefetje k., ©b. III, @. 806.
'*) SRur 1769, ol« bie ©tabt Don beu Alliierten befefct war, fingen bie
(mot)l babin geflüchteten) Rubelt am 26. Januar „aud) attbie an, in ben $off
be« ö. Wagel ju «ornbolfe auff ©t. Slegibü ©treffen ibre ©onagoge ju
balten" ßeitfdjr. f. Daterl. 0efd>. u. Altertum«!., öb. 88, SRtinfter 1878,
©. 187 f.).
*•) ©. bie arten be« SRagiflrat* &u ÜRünßer, benen aud) bie ferneren
Angaben entnommen ftnb, wenn eine anberweitige OueUe utd)t angegeben.
*•) Dom 6. ©ept. 1763 unb 7. ftuni 1765. — ©. oben ©. 396.
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3ur ©ef<pi<pte ber 3uben im 2Rünflerlanbe 399
ben 3uben 'Prfr ©efcpo'fite palber länger als 8 £age fiep basier in brr ©tabt
aufzuhalten unb aüer $anbcl piejelbft au&erpalb ben frepen Oaprmärften
fcpä'rfeft »erbotten roorbeu, auep finb *u folcpern ipren Äufentpalt ft ©cptlb«
roirtpSpäufer napmeutlicp beflimmet unb gleicpfatl« öffentlhi» befaunt gemaepet.
3n Slnfepung [berj auf bie bief"tgen Sliigerpäiiier firirten 2>ienfien unb
bapevo öon ben ©eroopnrrit berfelben unter anberen haften ju (eiftenben
Sacpen, befonberd bep entftepcnbev tyruer^uotb fönnen roir e4 anberö niept
als oerfaffungdroibrtg palten, tag ein $iirgerpau$ oon einem $uben be*
roob.net werbe, intern ju folepen fBacpen ein 3»&e in meprerer $inftcpt niept
gebrauepet roerben fann unb barf
SDie bapier aufm i'anbe oergleibetcn gilben biirfrn oermöge erpaltenen
lanbe*perrlicpen ©eleit* in i^rem SBopnort allerpanb ©eroerbe, #anbel
unb ©anbei mit Äauffmanfcbafften unb ©cplacpten treiben; iolcpe $efugfam*
feit ßreitet aber roiber bie pieftge Serfaffuug unb ba$ in ber ^oli^ep'Orbnuug
entpaltcue Serbott, jumaplen baburcp faft in alle Remter unb nfften ein*
gegriffen roerben fönnte, roopingegen naep ber erroäpnten ^olijep'Orbtuitug*7)
ein jeber (Eingefeffrner biefer ©tabt mit einem ©eroerbe, fcanbclnng unb
$anbtptrung ftep begnügen laffen muß unb bem Bnbern an feiner ttaprung
feinen ©intrag, Sorgriff ober Sefperruug tpun barf.
©tabtSfunbigermafjen ift bie pirftge Saufmannfcpafft jebou aUju fepr über»
fepet. T>a& Sepfpiel berjenigen, roelcpe c^oon neurrlicp rorgen fanget ber
9?aprung au grunbe gegangen, beftättiget folfpe«, unb bem Sermutben uaep
roerben noep meprere einem gleichen «Scpirffaal unterliegen, rornn ipnen bie
9?aprung annotp ferner* unb jroar oon 3«**'». bmn betrieglicper $anbel
mit uuäcpten ©aaren unb bie baoou entftrpeubcu, bem Staat fo nachteilige
folgen allgemein befaunt ftut, gefcpmälert roeebe, babur(p mitpin bep ipreu
Äinberen ber (Sifcr, jn ©eförberung ber ©eroerbe unb ftanbcluitg nüplidj
unb gepörig fiep ju üerroenben, in ?fbnapme geratpen folte.
©leicprote nun bie oon (Sro. & 2R. jum Sufnepmeu biefer ©tabt unb
Sflrgerfcpafft getroffenen unb ferner ju maepenben flnftalten unb Snorbtnungeu
roir mit alleruntertpanigftem $rei« nnb 2>anf oerepren, jo finb roir aud) ber
allerbeüoteften Änftcpt, baß ben CJuben fup bapier in ber ©tabt nieberjulaffen,
allergnäbigfl nitpt roerbe geftattet roerben."
2luf ©runb biefeö Sdjreibenö mürben Üeftnann unb 2i>inbmüUer
abfct)tä0iö belieben, cbenfo einige Monate fpäter sJ)toies Siaaf
am 6let)c.
9?adjbem SWünftcr an bas ©rofetjerjoahim $erg abgetreten mar,
uerorbnete ein ©lintfterial^effript vom 22. ^uli 1808, bafe, ba bie
jübifc^en Untertanen im ®rofjl)er$ogtume gegenroärtia, foiuof)l ber
SWüüärpfltdjt ald ben öffentlichen Abgaben unterworfen feien, r»on
nun an alle biötjer von ben 3uben an bie $omänenfafie entrichteten
2lbaaben wie Xribut, od^uUijelber, lUbijaben fürö ©eiraten unb anbere
4T) $olicep'Drbuung bcr ^paupN unb Äeftben^ • ©tabt SRünfter i. ©.
(mit 3ujä'een bi« 3. 1607), SWünfler 1740, ©. 40, flft. 2.
400 $au( ©afjlmann,
gänjlich fortfallen unb auch bie rücfftänbigen oon Den £omänen=
iHentmeiftern nicht weiter eingeforbert werben follten 4 8); für bie aus^
wärtigen Suben aber blieb bie Verpflichtung beftct^en, oor ber Webern
laffung im ©ro^erjogtum ben Äonfens ber Dberbehörbe einholen,
ber nur folgen ^uben ju erteilen fei, welche eine gute unb tabellofe
Aufführung bewiefen unb ein mißliches ©ewerbe einfuhren ober liegenbe
©rünbe bafclbft eigentümlich erwerben mürben. Stoburd) roarb bie
Stellung ber ^ubcn gegen früher fo roefentlich gehoben, bafj es ber
münfterifche ÜJtogiftrat bei (Sinretchung ber v$atent;Steuer=8iften am
3. 35ejember 1 808 für angezeigt tyitU, auch bei ber neuen Regierung
eine ©eftätigung feines alten Rechtes, ben juben bie 9tteberlaffung
in ber Stabt $u »erbieten, ju beantragen, babei geltenb machenb,
ba& „man bei) ber Organifation SSeftpbalenS40) ebenfalls bie ©runb;
fäfce ber (Gleichheit angenommen unb ben $uben ben Stufenthalt im
ganzen &anbe geftattete, bie «Stabt Csnabrücf aber, welche roie fünfter
nie erlaubte, baft ;}uben bort wohnen bürften, auf ihre Sitte baoon
ausgenommen höbe". $as 2lbminiftrationS^ollegium fn*l* bie Slm
gelegenheit für wichtig genug, bem 3)iagiftrat bemerflich $u machen,
„baß ein befonberes ©efud) barüber beu ber oberen öehörbe mit
$)arftellung ber bisherigen SSerfaffung unb ber ©rünbe, weshalb
bereu Beibehaltung gewünfcht wirb, anzubringen feun bürfte", unb
feine Befürwortung für ben JaU jujuftchern, bafe ein @utad»ten
barüber oon ihm geforbert werben würbe, daraufhin richtete ber
3)iagiftrat unter bem 17. $)e$ember 1808 an ben SWinifter bes
Innern ©rafen o. ^leffelrobe in $)üffelborf nachftehenbe ©ingabe,
ber er am 23. 2>e$ember ein oon ihm unterftfifctes gleichartiges ©efuch
ber ftramergilbe folgen liefe:
„I)te Dbferüanty ber älteften 3'i|tn fotoie bie oft erlaffenen lanbe«berr*
lieben ©erorbnungen, womit ben ^uben ba« ©eleit ertbeilt mürbe, brioctfrn
*•) $od) joflte bureb, biefe £efHmmung feine $nberung inbetreff bec
©cbulben berbeigefübrt werben, welche bie ^fubengemeinben gemeinfebaftlicb
fontrabiert botten, fonbevn eine folc^c einem etwaigen tttnftigen allgemeinen
SRegtement über bie Weebte unb 8erbinbli$feiten ber jübif^en Untertanen
oorbebalten bleiben. — 2)ie preuß. Regierung ju 2Rttnfier fefcte am 17. ©ejbr.
1834 fef), bafj ba« in bem oormal« bergigen Anteile ifcre« Verwaltung«*
bewirte« bi«ber beobachtete Verfahren beibehalten werbe, wonach bie ^Beiträge
ju ben jübijcben £orporatioit«|ebulben iit bem genannten ?anbe«tei(e erforber*
lieben ftaüti mit (Erefution bureb bie abmirnftratioen Beamten beigetrieben
werben (Bmt«bl. ber tgl. 9teg. $u SWünfler 1834, 8. 540).
«•) Da« Äönigreicb «Beflfalen üerlteb ben $uben 1808 ba« »ürgerrea)t
unb eine Oemeinbeüerfaffung.
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Sur ®ef<bi<pte ber 3uben im SRünfterlanbe
401
e«, baß bi«ber trine Jfuben in brr ©tobt SKünfter wohnen bnrften; fogar
b.attrn fic natp ber Serorbnung oom 5. September 1763 nur bie ©efugniß,
bep ipren $ur$reifen 2 ober 3 Sage fidj barin aufjubalten, obne barin außer
ben frepen 3aprmärtteu tjanbeln ju bfirfen: fte waren oielmebr außmeife iprer
®rteit«briefe mit ibrer $anblunq auf bie Orte bef(pränft, bie ibnen jum
Kufentbalte beflimmt angemtefen toaren.
ffienn nun naä) ben Äapferitcb ftranjöf. Q>efe(jen»0) ben $nben gleicpe
SHcdjtr mit ben ftriften oerlieben finb, fo ftetb nocb mebr ju befflnbten, baß
bep (Einführung ber $atentfteuer bie 3"ben folcbe (Öfen unb bamit in
piefiger ©tabt ben ftpon in fo itberfefeter Änjabl anwefenben WabrumiS»
treibenben ftarten fcbbrucb t^un werben, ben fte bep ben gegenwärtigen Seiten,
loo alles ©tnfommen fparfamer iR unb bie Sonfumtion nocp febr babnrtp Oer*
minbert wirb, baß bie begütertere SWenfcbenflaffe fiep weniger in ber Stabt
auföält, obne oöKigen ©turj eigener (Ertßenj nitpt leiben tonnen.
Ueberbem finb 3uben, befonber« bie bter im tfanbe mobnen, nur foltpe,
bie Wo* üom $anbel (eben, unb nitpt mit Immobilien Ungefeffene; e« ifl
ib,nen bap>r bep ip>er jcplecpten ?eben«weife eben fo leidet, etwa« ju erwerben,
als auep bie* ben fepon fcngefeffenen (Entzogene bem ganzen Uralauf ju ent-
gehen nnb opne Hoffnung e« mieber ju erhalten, außerhalb 8anbe« jju Oer-
bringen. «« paffen awp ibre 9leliqion«grunbfä(}e, wornach fte ben eigenen
8ortpetl fetbft mit Serluft be« anbern ^eil* frep fuepen ju bürfen glauben,
nta)t mit ben recbtlidjften , bie unter $anbelnben angenommen fepn müffen.
2>a übrigen« ber frepe, uneingeftbränfte £anbel mit ber b,ieftgen $$er-
faffung, wonach nur eine beftimmte 3nnft mit ben ibnen jugetbeilten ©aepen
banbeln ober auep nur foltpe oerfertigen fann, breitet, fo bitten (Em. (Erceüenj
wir ganj untertänig, e« bei ber bisherigen SJerfaffung ber ©tabt SRünfter,
foweit felbe ba« Hecht hatte, ben 3uben ben b««Pgen Aufenthalt ju öerbieten,
gnäbigfl ju belaffen unb ba« alte ffleept ju betätigen."
£er 3Kimftcr erroiberte 52 ) mittete Neffripts oom 29. Eejember,
bafe sroor „in 2lbficf)t ber Stabt fünfter foroic in 9tbfidj)t ber nb=
rigen ©täbte, in toelcfjen ber 2tufentt)alt ber 3uben bis jefct nid)t ge=
ftattet ift, feine Shiflnaftme bürfte geftattet werben fönnen, bie ötäbte in-
mittelft oerftdjert feon fönnten, bafe anf bie Sage ber 23erf)ältntffe
••) ©ebou 1791 proflamierte bie franj. 9tationaloerfammlung, in weiter
ifiirabeau für bie Quben eintrat, biefe al« Bürger.
•') 5)er SRagiftrat befürchtete nämlicp — wie er auf eine Anfrage be«
sDiintfter« am 21. 3an. 1809 ausführt, baß bie ijjuben burcp bie ju (öfenben
patente berechtigt würben, im ganzen tfanbe ju banbeln; foflten bie pa-
tente bem Äaufmann aber nur an feinem ©ob>ortc ben ^anbel ge«
flatten, bann fiele feine geäußerte ©eforgni« fort.
") (Eine Vntwort auf ba« <$efucp ber Äramergilbe b.aben wir nidjt auf«
gefunben; aud> inbetreff einer jweiten ©ittftprift ber ©Übe o. 28. 35ej. 1809
entpalten bie un« oorliegenben Sitten nur eine Seu&erung be« $räfetten
(f. ©cpr. o. 8. ^ebr. 1810), baß „oorau«jufeb,en iß, baß fte feinen (Srfolq
b^aben wirb".
3rtti«Prtft Wt Stultvxnimtt. IL 26
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402
$aul ©abjmann,
ber &anbel= unb ©emerbetreibenben chriftlichen Unterthanen alle mög-
liche 9tucfficht genommen morben". £>as um biefe Seit eingereihte
©efud) ber ßanbelsjuben Seoi #effman $u SBarenborf unb befien
Sohnes Salomon ßeoi fieffman ju Telgte um Verleihung bes Bürger-
rechtes in fünfter mürbe com 2)iinifter jroar am B. gebruar 1809
Surücfgemtefen, bem SWagiftrat aber ber leeren Borfdjrift gemäfe
oom 2lbminiftrationS:floUegium am 14. gebruar 1809 eröffnet, bafe
bie Vertagung ber (Erlaubnis fidj nicht auf bas ehemalige ©eneraU
»erbot ber Weberlaffung oon 3ubeu in fünfter grünbe, ba biefe«
ben neueren, nach bem wahren ©taatsmohle bemeffenen unb in ber
3irfular=33erorbnung oom 22. 3uli o. 3. ausgefprochenen ©runb*
fä&en jufolge nicht mehr $lafc fänbe, fonbern barauf jurücfyuführen
fei, bafe bie 3uben nur allmählich in bie nämlichen 9iedt>te unb grei=
Reiten eingefefet merben fottten, meldte bie übrigen Bemotnter bes
@roBher$ogtumS genöffen. ftafür fei ftum £eil auch ausfchlaggebenb,
in roie roeit bie 3Men fetbft fich $u nüfclichen Staatsbürgern bilben
mürben: fo lange fic fic^ blofj bem ßanbel unb bem bamit bei ihnen
nur ju r)äufig t»erbunbenen 5Bucf)er ergäben, tonne eine unbebingte
(Sntlaffung ir>rcr bisherigen ©infehränfungen nidEjt erfolgen; mürben
fic aber auch anbere nüfcliche ©eroerbe ergreifen, liegenbe ©rünbe
eigentümlich erwerben unb überhaupt fich fo benehmen, bafj ber Staat
• in ihnen nüfolicfje SJiitglieber erblufe, fo mürbe bie Erlaubnis jur
häuslichen 9tiebcrlaffung auch an folgen Orten, roo bisher feine
3uben hätten roohnen bürfen, unbebenflia) fein. 9luf ©runb btefes
©imifteriaU Meffripts mied ber ^räfeft gelegentlich bes oon neuem
eingereichten ©efuchs bes ßanbelsmanns Nathan ©liaS 3J?efe5S) in
SBarenborf ben 3)Jagiftrat am 29. Januar 1810 an, ben im ©ms-
bepartement anfäffigen ,3uben ohne Sebenfen ju erlauben, fich i*1 Der
Stabt fünfter aufzuhalten, infofern fie oon ihrer bisherigen Crtö;
obrigfeit ein Slrteftat über ihre bisherige uutabelhafte Aufführung,
fomie barüber beibrächten, bafj fie entmeber Vermögen ober Talente
befäfjen, burch roelche ihr Unterhalt gefiebert fei. Sßach Beibringung
biefer 3eu9niffc nwrbe bem SJtefc — alfo $um erftenmale einem
^uben — am 13. gebruar 1810 bie ©rlaubnis jum Aufenthalt in
Sttünfter erteilt, bie gleichfalls erhielten:
") 3)emfetben war auf fein erfte* ©efueb, um ©eroäljrung be$ ©ärger«
re$te* unb ber (Erlaubnis jum betreiben eine* bürgert, ©ewerbeö in ber
©tabt fünfter in ©emäjfteit bes barüber ergangenen SRinif!erial.©ef<$luffe*
oom 15. SWärj 1809 ber »efdjeib erteilt, baß fol$e« notb. jur 3eit nu$t be-
roiüigt werben fönne.
3ur ®e|djid>te ber 3uben im flWünfterlanbe
403
am 14. gebr. 1810 ber Äaufm. Solomon £eoi £effman aus Xclgte3*)
„ 5. 92oo. „ „ „ tfeffman $ofeph Seffman aus SBarenborf
„ 24. £)ej. „ „ 9Wefcger £eefman «Solomon auß SBolbecf.
$)er Slbleiftung bed Sürgereibed fettend ber ftuben bcburfte eo
nic^t, ba fie olmef)in nad> ihrer Aufnahme bie allen (Singefeffenen
obliegenben 33erbinblichfeiten ju erfüllen tjatten56).
9tod)bem 3Jtunfter bem franjöfifä^en Äaiferreid) einverleibt
war, beriachridjtigte ber prooiforifche ^ßräfeft be§ £ippe=$epartementä
bie Drtflbehörbe am 6. Januar 1811, „bafj bie einlänbifd&en Stoben
wie bie übrigen @in wohner granfreid)« in betreff ihrer SRieberlaffung
betrachtet werben muffen, unb bafe bie 33eftimmungen , bie beöfallfe
für baö ehemalige ©mäbepartement gegeben würben, jefot, infofem e$
jum £ippe=$epartement gehört, nicht mehr oermenbbar ftnb. So
mel übrigens bie im SMufllanbe bomiciltrten 3uben betrifft: fönnen
foldje nadt) bem ßaiferl. 2)ecrete o. 17. sD?ärj 1808") mährenb
10 3af)ren nicht anberö jur Weberlaffung in granfreich jugelaffen
werben, als wenn fte liegenbe ©runbftücfe erwerben, fich oom sMerbau
ernähren unb ftd> mährenb ber mit feiner ftanblung ober ©ewerbe
5U befchäftigen oerfprechen. #ier»on eine Ausnahme ju geftatten, ge-
bührt nur allein Sr. SJtajeftät bem tfatfer". £>anad) fonnte im
3uni 1811 bem 9ttefcger Seelig %acob auö ber franjöfifchen Stabt
Telgte ber bauembe, bem Setfen= unb £ia)terfabrifanten $aruch
3)lofed $ilbedheimer Ä8) auö ber bergifd) gebliebenen Stabt siüaren-
borf aber nur ber einftweilige Aufenthalt in fünfter geftattet werben,
unb felbft biefer lebiglich besfmlb, weil $übe§t)eimer oon ber
münfterifchen 3ubengemeinbe gegen halbjährige ßünbigung als Jüor=
**) Huf ©eqe&ren be* ®at. £em unb be« Hbralj. ?effman rourbe unter
beren £rlaubni«fä)eine nodj bemerft, baß ft<^ bicfelbeu audj auf bie grauen
unb Äinber erflretften.
••) ©ruber be« @al. 8e»i Peffman au« lelgte u. ©etter be« l'effm. 3of.
Peffman au* ©arenburf.
") Cfrroiberung be« SWoire ü. 23. $ebr. 1810 an SRatfr. Cft. Witt}, bev
um 3u^affun9 iur Äbpottung be« (Sibe« eingetommen mar.
") Bulletin des lois de l'empire fran^ais, Serie IV, Tome 8, Paris
1808, pag. 202. — »gl. (S. ©arre in b. preu&. 3o$rbüd)eru, ©b. 67, ©erlin
1891, ®. 148.
••) ©or$er neun 3af>re lang ©efrelär bei bem Oberlanbrabbiner 3)aö.
Wxäf. ©re«lau in ©arenborf, beffen $od;ter Qud^ebeb er bann bmatete.
Abraham i'effman auö SBarenborf
iieffman &em ßeffman auö 9Barenborf 5S)
Abraham Goppel aud SBarenborf
26*
404
$au( SBablmann,
fänger, ©chlächter unb (Sdwllehrer gemietet war unb oerfprocbeu
hatte, fid) alles $anbels unb ©eroerbtreibens ju enthalten.
Storch Das faiferltct)e $efret oom 12. 3onuor 1813") tourben
bic früheren fcefrete com 20. ^fuli 1808 Ä0) unb 18. Sluguft 1811 6 l),
betr. bic gü^rung beftimmter $or= unb 3unamen, auch auf bas
Üippes&epartement ausgebelmt.
&on ber franjöftf^en Regierung waren ben tnlanbifchen Suben
überhaupt gleiche ^Hechte mit ben übrigen Staatsangehörigen ju-
erfannt. @ie waren bei ber Ausübung it)res Kultus*3) gefct)üfct,
bei Segrünbung bes &ausftanbes, bei ber Verheiratung (als 3wilaft),
bei ber SBobnfi^oeranberung, bei ber Erwerbung unb Pachtung oon
©runbftücfen, foroie bei ber Ausübung oon ®emerbe unb Raubet im
ganzen £ippe=$epartement erjeptionetten ©efefcen nicht unterworfen;
ihre Sertragsfähigfeit unb ihre ©laubroürbigfeit als 3eu0cn 007
©ericht mar nicht befchränft; ihrer Militärpflicht mußten fie roie bic
ßfniften genügen83).
3lUe biefe fechte ftnb ben 3uben nach ber enbgiltigen SBieber*
oereinigung mit ^preufjen (1815) um>erfürjt oerblieben, bis
auf bie hinfa&tKch ber ©laubmürbigfeit als 3eu9c °or ©«rieht burch
bie Allgemeine ©erichtsorbnung unb bie Striminalorbnung •*) eim
geführten 3)f obtfttattonen ; bas Stecht ber Sßohnfifcoeränberung freilich
mürbe ihnen nur innerhalb ber früher $u ^ranfreich bejto. ju bem
©rofeherjogtum $erg gehörigen £anbesteile belaffen, nicht aber für
bie gan$e Monarchie jugeftanben. 3">ar t»atte bas preufeifche ßbift
**) Balletin des lois etc., Ser. IV, Tom. 18, pag. 96.
•°) ibid. Tom. 9, pag. 27 f.
•') ibid. Tom. 15, pag. 168 ff.
•*) 3ufolge be« SDefret« o. 14. 3uli 1812 90b e« für bie 2>epartement*
ber Ober«3ffel, 3ffelmflnbungen unb flippe eine ©önagoge in 3w°n. **ttn
jtonftftorium nad) ber ^nftrufttou o. 21. 2)ejetnber 1806 oon notablen
3«raetiten gemäht mürbe (3. ü. SRttnflermann, Ulmanad) bc* ?ippe*3)epar<
tement« für b. 3. 1813, ©. 114 f.).
••) <Rur burften fie anfong« feinen ©tefloeitreter pellen. $>od? mürbe
biefe ©efdjränlung fdjon burdj ein foiferl. 2>efret 0. 9. 3uli 1812 bohin ab*
geänbert, baß fie einen Jübifdjen ©tetloertreter fteflen tonnten, unb burdj ein
anbere« Eefret 0. 22. 3uli l8'2 öoflflänbig aufgehoben.
•*) $a« Mg. Panbredjt u. bie 90g. @er.>Orbnung mürben burdj potent
0. 9. «Sept. 1814 mieber eingeführt unb foüten 0. 1. 0an. 1816 an mteber
gefefclid)e Äraft höben (&t\.- Sammlung 1814, S. 89). — 25ie Ärimtnal-
orbnung 0. 11. 3>ej. 1805 mürbe burd) «. *..D. o. 6. 2>ej. 1818 eingeführt
(SRünfl. 3nteüig..©l. 1814, 9lr. 2).
3ur ®efd)id>te ber ^ubrn im SRünfterlanbe
405
über bie bürgerlichen «öerjjdltniffe ber ^uben vom 11. 3Wär$ 1812 6S)
beftimmt, bafj bie in ^ßreufien tuor)nr)aften , mit ©eneralprioilegien,
töaturalifationdpatenten, Sdmfcbriefen unb Äonjefftonen oerfefjenen
^uben unb beten gamüien für ©inlänber unb preufrifcf>e ©taatö?
bürger ju achten feien / roenn fie feftbeftimmte Familiennamen an=
nahmen66) unb fid) bei Jüfirung ihrer $anbeläbüd)er jc. ber beutfchen
ober einer anberen lebenben Sprache, unb bei ihren 9tomen$unter=
fünften beutfcher ober lateinifcher (Sdjriftjüge bebienen mürben, boch
tjatte biefefi ©btft — roie in ber 3L Ä.=D. oom 8. ^uguft 1830 B7)
uon neuem68) betont roirb — nur in Denjenigen Sjßrootnjen ©iltig;
feit, in benen es nach feiner (Srlaffung publiziert roorben, roälirenb
in ben neuen unb nüeber erworbenen ^rooinjen bis ju weiterer
gefefclicher öeftimmung r)infic^tUct) ber 3uben lebiglich biejenigen SBor*
fünften für fie mafjgebenb fein foUten, reelle bei ber ^eftfcnahme
biefer ^rooinjen als barin gefefelia) befte^enb oorgefunben roaren.
£>er großen Wlefaafyi ber ©eoölferung märe aflerbings eine
SBerminberung ber fechte ber ^uben erroünfdjter getoefen. 2lud) ber
erfte, am 29. Oftober 1826 eröffnete, meftfältfche «prootnjiaU&mbtag,
oon bem ber 3Kinifter beö Innern ein @utad)ten über bie beftefjenbe,
bie ^uben betreffenbe, ©efefcgebung unb beren erforberliä^e 2lb-
önberung geforbert, bemerfte *9) : „Allgemein fpricht fich baö Urttjeil
über ben oerberbltdjen (Sinflufe ber ^uben auf ba$ allgemeine 3Bot)(
au§, befonberö aber finb fie nachteilig für ben SÜJohlftanb beä fianb;
mannd burch roucherifche ©elb-5Borfa)üffe, betrügerifa>en $iefc2Baarem
$anbel unb baö Aufbringen oon £otterie=itoofen, unb für ben ßrdmer
in fleinen ©täbten burch baö ßauftren" unb fa)tug atö mirffame
Wittel oor
a) jur SJerbefferung beö religiöfen unb fittlichen 3uftonbeö ber
fünft igen jfibifdjen Generation:
1) beren Unterricht burch geprüfte unb genehmigte ©djmllehrer
mit feften Sefolbungen, bie ben Unterricht in beutfcher
'*) ®ef.'©ammlung 1812, ©. 17—22. — Über bie (Entfteljung biefcS
«bitte« f. 91. ©fern, 9bf)anblungen u. Slttenjlttcfe jur @efd)i$te ber prrufj.
«eforraieit, Seipjig 1885, ©. 225—26-2.
••) 3n ben neuen Seilen ber 2Ronar$ie würben bie Suben erft bur$
bie *. Ä..0. ». 81. Ott. 1845 jur ftttbrung ffftbefHmmter u. erbli^er Familien-
namen berpfUtyct. — $gf. Stnnterfung 89.
•T) ®ef.'©auimlung 1830, ©. 11«.
") 3früt?ere $etannttna$ung f. 9R. «rat*.©latt 1820, ©. 229.
••) ©. 3>er er|U n>eftfälif$e tfanbtag, SRÜnfler 1827, I, ©. 66 ff.
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406
$aul Safiimamt,
Spraye nach oon ber Staatöbehörbe genehmigten &h*:
büchern erteilen, bewirten ju laffen; — wo aber baö
mögen ber ©emeinbe eine folche 2tnftalt oerlnnbert, muffen
bie ^ubenfinber bie djriftliche ©dmle befugen;
2) (Stnfübrung beutfeher ©efang- unb ©ebetbücher bei fcem
jübifdjen ©otteöbienfte ;
3) Reinigung beö jübifchen 9feligionö:©nftemö von Xalmubii'cben
<Safcungen unb iHabbinifchen Zeremonien.
b) $ur Vefeittgung beö Derberb liefen (£influffeö ber gegen-
wärtigen jübifchen (Generation auf ben SBotjIftanb ber übrigen
(Singefeffenen :
1) bie Stuf bebung beö ihnen ooreilig burch bie Jrembherrfchaft
erteilten Vürgerred)ts;
2) baö Verbot innerhalb ber nächften 10 %a\)Tt ©runbftüde
ober Käufer ju faufen;
3) Verpflichtung, bie jefet befeffenen lanblichen ©runb|tücfe
binnen 10 3<»hren ju oerfaufen, wenn fie fie nicht felbft
beftellen ;
4) güfjrung ber £anbelöbüd>er in beutfdE»er Sprache;
5) oon mehreren Söhnen wirb nur einem ber &anbel geftattet,
bie übrigen müffen anbere ©ewerbe treiben;
6) Verbot chriftlicheö ©efinbe $u galten;
7) Veobachtung Deö gefefclicben 3ta$Mie$ unb Verfall ber
ganzen gorberung an bie Drtö; Ernten, wenn mehr alö
10 % genommen finb;
8) 3ulaffung ber Scfwlbf lagen nur, roenn ber Veroeiö burd)
Seugen ober geridjtlid&e Urfunben geführt werben !ann;
9) Verbot ber Aufnahme frember Suben;
10) Verbot ihreö #anbelö in ber s$rorinj, aufeer
a) in größeren ©efdmften mit auöbrücfltcher ©rlaubniö
ber Regierung,
b) Viehhanbel,
c) Vefucfien ber ^ahrmärfte;
11) mögliche Vefcbränfung beö 28anbernö frember ^ben;
12) Veobachtung beö Wegulafioö wegen Xkitjenö auf ^fänber
d. d. 28. 3uni 1826.
$ie <3taatöregierung Inelt jeboeb fo weit geejenbe Vefchranfungen
nicht für erforberlich unb ließ eö im wefentlichen bei ben früheren
Veftimmungen bewenbeu. 3m fiaufe ber 3eit würben freilich mancherlei
Verfügungen $ur Regelung unb Veffenmg ber Verhältniffe ber 3uben
3ur ®efd)i$te ber $uben im SWünftertanbe
407
erlaffen, in betreff berer roir jebod) auf bie amtlichen Blätter, in benen
fte gro&enteild publiziert rourben, oerroeifen fönnen.
91ur über ben 3uftanD jübifchen ßultus= unb ©dmlroefenö
im ganjen JRegierungdbejirfe rooßen roir einem Berichte beö 3Kagiftrat$
ber ©tabt 2Rünfter, ben berfclbe jur 93eantroortung ber t>om ftultuö*
minifterium unterm 8. 2Jtär$ 1843 gefreuten gragen einreichte, noch
einige Angaben entnehmen : ^ojttioe gefefcliche 33eftimmungen für ba$
jübifdr)e 5tultu8roefen finb nur über ben SRttuö unb bie 3e«wonien beim
©otteöbienft unb beim Herrichten ber ©ebete oorfwnben. tfefctere, bie —
felbft bis ju ben eigentümlichen Sftelobien — überall gleich unb fe^r alten
Urfprungs 70) finb, roerben in hebräifcber ©pracfje vorgetragen; beutfd)
ftnb nur bie ^rebigten unb auch roobl bad ©ebet für ben &errfcher.
3ln Drten, roo mehrere jübifd)e Familien t>on einigem gelange roofmen,
beftehen ©tmagogen refp. Hetftuben. ©in ^arochialjroang roie bei ben
djriftlichen ©emeinben beftetjt eigentlich nicht, inbeö befugen obferuan^
mäfjig atte Quben männlichen ©efchlechts nach oollenbetem 1 3. £eben$;
jähre, roenn fie baö uorfchriftdmäfnge ©laubendbefenntniö abgelegt71),
an ©abbatf)5 unb Safttagen bas Setlofal beö Drteö unb tragen, roenn
fie felbftänbig finb, je nach ih^m Hermögen unb ©eroerbe, foroie
nach D*n ©rforbemifien ber ©emeinbe, ju ben Äultusfoften bei. 2>ie
Heitragenben roerben als ©emeinbe - ÜDtitglieber angefehen unb üben
ba« ©timmrecht au$. ©ie müffen fich burchgehenbö burch einen nach
Herhaltnte beö ©emetnbeoermögenö beftimmten ©elbbettrag einlaufen
unb uerlieren if>r ©timmrecht, roenn fie ihre Religion ober ihren
bißh^ifl^ Slufenthaltdort oerlaffen, bie beftimmten ^Beiträge nicht enfc
richten 2c Sei oerroetgerter 3af)lung fteht jebod) ebenfo roie bei
oorauägefefcten Heemträchtigungen ber iHefurS an bie ©taatöbehörbe
offen, kleinere ©emeinben roerben burch einen Horfteher, größere
burch Horfteher^Äollegien, bie auf brei unb mehr 3ahre Durch ©timmen*
me^rheit gewählt finb, repräfenttert. SMefe überroachen bie Befolgung
ber ©tmagogengefefce, bie 9lufrechthaltung ber inneren Drbnung, foroie
bie Herroaltung bes ©emeinbeoermögenö, baö geroöhnlid) nur in ben
70) 3>ic bamal« üerbreitete 5Reformfu<$t batte aud) unter ben ftuben ber
@tabt SKünfler im ©eptember 1843 einen 3»if» erregt, ber felbfl na$ jebn
^afjrtn no$ niefct beseitigt mar; am 3. Wooember 1853 nämltcb, bat ber
?anbrabbiner ©utro ben Oberbürgermeifler d. Otfer«, bie $nben jur (Ein-
tragt ju ermahnen.
fl) $ie 2Räb<$en legen bad @(aiiben3befenntni8 nad) DoQenbetem
12. $at)rt ab.
408
faul $af)lmamt,
ötmagogen* unb Sdmlhäufern unb Dem flird^ofe heftest72), repar-
tieren bie Beiträge unb oeranlaffen , wenn e$ erforberlia) ift, &er=
fammlungen ber Öemeinbc^JMttglieber. Xie 3lnftellung eine« Rabbiners
für jebe ©emeinbe tft nid)t bura)aua erforberlid), fonbern oon beren
$eftimmung abhängig. Üötrb ein Rabbiner angenommen, fo roirb in
ber iHegel ein Äontraft mit ihm auf beftimmte Söhre geschloffen ''X
oor beren Slblauf er nur bei *>ernad)läfHgung feiner pflichten eut;
laffen werben fann; er tjat bie (§ntfa)eibung über jroeifelhafte ®efefc
ftellen im £almub, leitet bie Beratungen über bas äöohl ber ©emeinbe,
nerria)tet Trauungen, eraminiert unb tonjeffioniert bie 8a)ädjter 7*) >c
^n Ermangelung eine« Rabbiners urteilt ein anberer im Xalmub
erfahrener ^ube in Hultuöangelegenheiten, unb nur feiten bebarf e«
eines ridjterlidjen Sprua)e$ bei Streitigfeiten. 2)er Bann wirb ma)t
me^r gehaubhabt; nur baß ein (^emeinbemitglieb auf längere ober
für$ere3eit nid)t jum beriefen ber^hora75) in ber ©tmagoge aufgerufen
wirb, ift alö Strafe geblieben. Eine befonbere Xradfct ift für bie
Hultuöbeamten md)t oorgefchrieben 7°). 2)er iWeligionfiunterridht roirb
ben jübifdjen Äinbem oon jübifa^en Lehrern unter 2luffid)t ber@emeinbe-
rMepräfentanten, aud) oon anberen baju qualifizierten ^erfonen ober
") 3u dünner war nur bie ©pnagoge (Eigentum ber $uben, Da«
gcbuUotal gemietet unb ber fltrdjbof ihnen lebiglid) jur ©enufcung mit 9or>
behalt be« (Eigentumsrechte« ber ©tabt überlaffen.
**) 3« fünfter würbe nadj ber Verfügung ber Ägl. Regierung Dom
«. Jebr. 1817 ber fRabbiner Slbrah. ©utro (ber 1861 fein 50 jähr. 2)tenft*
jubiläum feierte unb 1869 ftarb) Dom 3ioi(gouDeruement im %$x\l 1817 an*
gcfteOt unb jein Don ber $ubenf$aft aufoubringenbe* Qfebalt bamatt auf
350 flttblr. feftgefejjt, woju bie Beiträge oon ben ©äumigen fetbft erecutorifdi
beigetvieben werben tonnten, ©erartige Beitreibungen burften für ipfitrr
angefifüte ÄultuSperfonen nach SKafigabe mehrerer SWinifterialoerfflgungen
(Äampfe, Ännalen 1823, $eft 4, @. 847—851) ntdjt erfolgen.
'*) ©d)äd>ten = nad> jübifdjem Witu* mit 2>urd)fineibung ber ruft-
röhre f<hladpten.
") Ib,ora = ^übifebe* ®efefc (^entateud)).
'•) Wur ber Obervabbiner in 2Hüufter trug einen febmarjen ©(bulter«
2Rantel. — $a in oerfdjiebenen $rooinjen iüb. Rabbiner eine bt« babtn
nidjt ttblidj gewesene HmtStradjt annahmen , weldje an einigen Orten ber*
jenigen ber eoangel. ©eiftlidjfett gleich, ift, fo befabl eine 91 «O. D. 87. ftebr. 1843,
baft bie« fernerhin nid)t gemattet, fonbern ben Rabbinern bie Annahme unb
Anlegung einer amtStradjt nur erlaubt fein foQ, wenn unb infoweit joldje
nachweislich, in früherer &tit Don beren Vorgängern bereits getragen, an
ben eiujelneit Orten berfömmlid) unb feine Wacbabmung ber flmt#rracbt Ben
»eiftlichen dnifllidjer Äonfeffioncn ift.
3ur GJeirf)i$tc ber 3uben im SRiinfterfanbe
409
oon beut $ater erteilt. SJom 6. Söhre ab befudjen bie Äinber bie
©dmlen, djriftliche aber nur, roo jübifche fehlen 7T). An ben Unteren
jinb burchgef)enbs examinierte Setjrer angeftellt, bie häufig zugleich
alö SBorbeter fungieren unb gleich bie|"en nom ©emeinbe=$?orftanbe
gewählt unb entlaffen roerben. $>ie früher übliche $erbinbung be$
Sd)äd)ter=2lmte6 mit bem beö Sdmllehrerd ift in neuerer 3^it faft
überaß aufgehoben. 2)ie &et)rer erhalten bie .Honjeffion oon ber
Ägl. Regierung unb ftehen unter 3luffid)t ber Wemeinbe^epräfentanten,
äufeerlict) aud) unter bem d)nftlta)en Sdmlinfpeftor. Sie tragen nach
iöerhältnte ihres ©infommens, ba$ fid) nad) bem getroffenen lieber-
einfommmen rietet, gleich allen Suben ju ben ftommunallaften roie
bie &t)riften bei.
hieben gleiten Pflichten auch ungefähr biefelben fechte roie ben
ebriftlichen Untertanen gab ben Suben in ganj ^reuften (mit 5tus=
fchlufe bes ©rofeherjogtum« Sßofen) befanntlich baö ©efefc oom
23. $ult 1847 18). 3)oa) blieben fie noch oon ber Leitung unb
$eauffid)tigung chriftlicher Äultud* unb Unterrichts = Angelegenheiten
au«gefd)loffen unb tonnten fein Staate ober Äommunalamt betleiben,
mit bem bie Ausübung einer richterlichen, polizeilichen ober erefutioen
©eroalt oerbunben roar, auch Lehrer aufeer an jübifdjen nur an
Äunft^, ©eroerbe;, $anbel8s unb 9tomgations=Sdmlen, ^Jrioatbojeuten
ober $rofefforen nur für mebijinifche, mathematifche, naturroiffem
fchaftliche, geographifche unb fprachroiffenfchaftltche gädjer, Getane
unb Gehören überhaupt nicht roerben; roohl aber burften fie jefct
auch ifyrtn Söobnfife ohne ©enehmigung bes SRtnifteriums bes inneren,
bie nur noch bei SRieberlaffung auelanbifcher 3uben erforberlich blieb,
ueränbern. 3b« oöllige bürgerliche ©leichfteHung , bie juerft bura)
bie Serfaffung bes preufjifchen Staates oom 31. 3anuaf 1850 auS;
gefprochen roar, rourbe burch bas 9corbbeutfd)e $unbe$=©efefc oom
3. 3uli 1869, bas fpater auch jum 2Heid)6gefefe erhoben ift, burd>=
geführt.
") 2)ie berborragenbfle jübtfäe ©(fcufe, welche balb jogar üon $ri(l.
(i$en ®o}ttlern befugt würbe, war im $ejember 1825 oon Dr. «ler. $aiu-
borf (t 1868) ju SRünfler «rietet. Buft ber mit ibr üerbunbenen tliiftatt
für jübijdje Sctjullebrrr waren bereits 1833 jwölf ?ebrer bero orgegangen,
welche in meifi bon tbnen felbfl gegrttiibeten Spulen mit (Eifer unb (Srfolg
unterrichteten. (Sgl. SRünft. «mtS • »latt 1826, @. 655 u. 1888, ©. 449;
«Hg. UnterbaltungS-Slätter, ©b. 9, SRünfler u. $amm 1831, ©eibl. ©.84-86.)
") ®ef..@ammlung, ©. 268—278.
^tünf Briefe
öe$ Burggrafen unb ^retJ)errn <Priftop0
ponl)o0na an feine Braut Gräfin ^trful'a
von g>ofms-B™unfete.
mitgeteilt oon 21 11 ton Ctirouft.
Sebermann fennt auö ©uftao grentagö „Silbern aus ber
beutfdjen Vergangenheit" jene liebenöroürbigen Söriefe, bie Urfula
Jrefjer, bie S'oäjter bes Nürnberger ©tabtftmbifus unb ©djroeftet
beö bekannten ©efdnd>tdforfcl)er$, ^uriften unb furpfäl$ifdjen SHates
2Rarquarb %xetyx, im $af)re 1598 an ifjren 93rautigam, ben Runter
3ot)ann 2lbolf oon ©lauburg ju granffurt a. 9tt., gerietet t>at
2lle ein ©egenftücf ju jenen einfach natürltdjen unb tyerjlidjen
Briefen teile id) im folgenben fünf anbere mit, bie jnianjig 3at>re
fpdter, 1618 auf 1619, ber anfjaltifäe unb furpfaljifdje Hat ß&riftoplj
Burggraf unb gretyerr oon $)olma (1583—1636) aus bem oft*
preufeifcfyen 3roeiö Dicfer Soften Samilie an feine Sraut ©räfin
Urfula oon (Solms, Sodjter bes hirpfäljifd>en ©rojftofmetfterö
3of)ann 2llbred>t oon ©olmö^raunfelö (1562—1623), getrieben Ijat
©d>on äufeerlid) maa)t fiä) ber Unterfdneb bemerfltd): ber
©Treiber bebient fidj) ber franjöfifdjen ©praäje, obgleich er unb feine
Sraut bem beutfdjen 3lbel angehören. SlHein beibe gehören jum
£eibelberger $offreis, in bem ftd) fdjon feit ben 3eiten bes ^falj-
grafen Sodann Gafimir unb oollenbß feit ber engliföen Beirat griek
rid)« V bie franjöfifdje ©pradje famt bem franjöfifdjen ßofton eim
gebürgert trotte. ©fjriftopf) felbft t)at oiel in granfreidj oenoeilt
unb beffen Spraye mit berfelben ©icber^eit mie bie beutfd&e be&errfdit,
bie ftrenge ©ttquette beo ^arifer #ofe« fannte er aus eigener Slnfiauung,
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Slnton <tf)rouß, ^rfliif ©riefe brd Surggrafen unb ^reiben™ u. 411
unb er bot wohl felbft, im übrigen eine grofe angelegte 9iatur, ber
über feine Stanbe^enojfen an äennrnijfen wie an ©Übung weit
hinausragte, $ur Einführung franjöftfdjer Soffitte an ben beutfeben
gürftenböfen, natürlich nur ben proteftantifdjen, benn bie fatfwlifchen
oerfchloffen fieb um bee Politiken ©egenfafees wiUen franjöfifcbem
ßinflufj, bas feine beigetragen. %m $of bc* 3öinter(5nigfi bat er erft
eine Stämmerermürbe, bann bie Stelle bee Dberfämmerers bef leibet.
9Ioch merfbarer wirb ber Unterfa)ieb jwifeben ben beiben ©ruppen
von ©riefen, wenn mir auf ben Wortlaut unb ben ^nlmlt achten.
(Ss ift \d)on bejeidmenb, bafe (S^riftop^ ^ ein für jene 3eit t)ert>or;
ragenber Stüift, ber eine treffliche beutfehe ^profa fchretbt unb nicht
unebene ©erfe macht, bie Briefe erft fäuberlicb auffegt, forgfältig
baran feilt unb bann erft abfdjreibt; es ift auch mirflkb nirgenbö
ein 9luöbrucf ftetjen geblieben, ber Seibenfcbaft atmete, ja auch nur
.fcerjltdtfeit perriete. $n ber fonpentionellen Gattung befi bienenben
Äaüalierö nähert er fid) feiner $>ame; ihren 3Bünfa)en ju geborgen
nennt er fein böcbftes ©lud ; feine etfte grage ift, roie er Ujr bienen
fönne ; in it)re #änbe ergiebt er fieb wie ber ©afatt bem ßehensberrn.
$)abei finbet fid) aber in (einem beT fünf ©riefe aueb nur ein 3üort,
bas bie Empfängerin irgenbroie fennjeidmete, unb mären mir über
ben ©Treiber nicht burd) feine autobiograptjifdjjen Sluf Zeichnungen !),
Briefe unb ©eriebte fo gut unterrichtet, mir mürben au« biefen ©riefen
über ilm nid)t mehr erfahren, als bafj er auch bei folgern Slnlafj
religiöfer ©efinnung siluSbrurf giebt unb bafj er feine ©über unb
feine Sprechmeife jum £eil bem franjöfifchen Schäferroman, ber
Sftraea, bem berühmten „pastoral allegorique" bes ßonore b' Urfee
entlehnt tyat.
2)abei leiten biefe ©riefe, bie man ohne weiteres als 9Wufter=
beifpiel in ein Äomplimentierbuch ber jroetten ftälfte bes XVII. 3ahr-
hunbertd hätte aufnehmen fönnen, nicht etma erft bas Siebesoerbältnis
ein. ©hnftophe ©ntfcblufe, um Urfula oou Solms 3U werben, war,
wie wir aus feinen autobiograplufcben Aufzeichnungen wiffen, fdwn
1616 gereift. Seit biefer 3eit oerhanbelte er mit bem ©ater feiner
2tuserroäblten, bem ©rafen Johann Wibrecht. &er Stanbesunterfcbieb
— bie $>obna gehörten bem lanbfäffigen 3lbel, bie Solms bem höheren
Weichsabel an — fcheinen bei bem 2lnfet)en, bas jene oftpreufeifche
gamilie im proteftantifdjen $>eutfcblanb genofe, nicht in grage ge=
») »gl. 3. «oigt, 2>e* trafen (S&rifiopb. be* «eiteren oon unb ju
To^na fcof- unb «efanbtf^afWlebrn. (fciflor. £af$enbu<$, 3.&olge, 4. ©b., 1 ff.)
412 Anton G^rouft, ftünf ©riefe be* ©urggrafen u. $retyerrn (fyriftopb;
fommen ju fein, allenfalls mag er auf beu Sluöbrucf ber ©rgebenfjeit
in unfern »riefen eingeroirfr Ijaben. $ie »ertjanblungen $ioifa)en
ben gamtlien jogen fid) aber in bie *tönge; ber s#ater ber »raut
roünfd&te, bafe Gfjriftop^ in ©übbeutfdjlanb GJüterbefifc enoerbe, benn
ba« ©rbgut ber Do^na im $erjogtum ^reufjen befafeen bie bamals
nodb lebenben fec^d »rüber $oljna $u gefamter &anb; bie »rüber
brauten bann aud) einen Seil ber ©elbmittel auf, mit benen jtoei
Öüter in ber Cberpfalj erfauft mürben. Wadt) Drbnung öiefer 2fa=
Gelegenheit Ijätte ber »erbinbung be« sJtaare« nidjt« mef)r im 2öege
geftanben, roenn nid)t bie politifdjen ©reigniffe ben »räutigam für
fic^ geforbert Ratten. $a« ^aljr 1619 unb ein Xeil be« folgenben
oerging ©Ijriftopf) in Reifen nadf) ©nglanb, na<ty Saoooen, roieber
nad) ©nglanb unb gar nad& Siebenbürgen, enbliä) im 2lpril 1620
fanb ju ^prag bie glänjenbe ^oc^jeitöfeier ftatt $n ben Sturj be«
Üittnterfönigtum« oerroidelt bringt bie junge grau iljr erfte« Äinb
auf ber glud)t jur 2BelL jahrelang lebt (Stiriftopl), über ben bie
iHeid)«a(l)t oerfjangt, beffen ©üter in ber obem Sßfalj eingebogen
roorben roaren, in ber 9Karf »ranbenburg, bann in feiner preufetfdjen
§eimat, bi« tlm audf) von bort bie &rieg«furie oertreibt; bann jiet)t
er mit feiner Familie feinem einftigen fterrn nadf) ben 9tteberlanben
nad). $>ort erft teuftet iljm roieber ber ©lücf«ftern. £)urd) bie
Sd)ioefter feiner grau oerfa)roägert er fid) mit bem §aufe Dranien
unb roirb für ben furjen iHeft feine« £eben« Statthalter be« gürften:
tum« Drange.
$d) toie« oben auf bie »riefe ber Urfula gretjer t)in; bie ©egen^
überftettung, oon ber td) fpracr), ift ein d)arafteriftifd)e« 3^™«/ roa$
ba« beutfdje ©emüt«leben burd) ba« ©inbringen roelfdjer gormen
aud) in ben »eften an £iefe eingebüßt f>at Um ben $rei« ber
9torürluf>tett, ber 3nbioibualität t)at man ba« #ob be« mobemen,
be« „galanten" Äaoalierö eingetaufdjt. Start, leibenfdjaftlid) 311
empfinben, fid) eine« (Befüt)l«au«brud)« nidjjt $u fcfyamen, l)at jene
.Seit oerlernt2). 3Bie fidf) bte« aud) in ben »ejie^ungen äußert, roo
fonft bem UWenfdjen ba« &erj aufgebt, bafür geben bie folgenben
»riefe 3eugnis.
©ie alle entflammen bem gräflich bol)nafdjen Slrd&io $u Sdjjlo-
bitten in Dftpreu&en (ga«j. 59/3) unb lagen mir al« Äonjepte oon
(E^riftopt) oon $olmaS eigener $anb oor.
«) ©gl. ©. Steinhaufen, «efc^te be* beulten ©riefe«, ©b. II, e. 78 ff.,
191 ff.
öon $o$na an feine ©raut $räfm Urfulo Don ©olm*«Shaunfel* 413
[1618—19.]
<Sl)riftopf> oon SDofuta an Urfula ©räfin von ©olmd^raunfeld.
1.
„Dez le moment que j ay premierement eu lhonneur de
Voii8 offrir mon service, il y a eu quelque chose, qui ra'a
tellement donnee i Vous, que rien ue ro'eo retirera que la
mort, confessant que la plus heureuse vie du monde c'est celle
que j ay menee depuis ce temps-la et depuis qu'il Vous a
pleu, me declarer, que n'auriez pour desagreable ni mes lettres
ni les devoires d'amitie et le Service, que je Vous ay voue
comme le plus persecute, mais aussi le plus ardent*) de ceux
qui ont l honneur d'estre dez Vous favorisez; entre lesquels
j'advoue bien qu'il y en peut avoir, qui ont plus de jugeinent
pour remarquer mieux que moy Voz perfections, mais persoone
ne les estimera jamais plus que fait. Madame etc.
2.
Laraitie que sous Vostre permission jose Vous porter et
I'obeissance que je doibt a Voz comandements me donnent la
hardiesse et la curiosite de m'enquerir de Vous4), en quoy je
Vous pourrois rendre du service et selon Vostre merite et
selon mon devois. Car l'asseurance que j'ay en Vostre bonte
et la necessitc, que j'ay de Vostre faveur, me feront tousjours
tenir ma condition plus heureuse, quand Vous me daignerez
honorer de Voz comandemens et m'avder et favoriser en me
requestes, dont tout mon repos et contentement peut proceder.
Certes si les bergers, qui demeuroyent pres la fontaine de la
verite d'amour, attendoyent la morte d'un amant fidele pour
leur delivrance, j'oserois afirmer que ma mort leur eust peu
servis plus que celle d'Alcidon, non par desespoir, mais par
obeissance et pour eviter le blasme d'une foible amitie, mais
tenant desormais si fort vers<> en cet exercice, que je ne refu-
serois d'en teuir escole, en laquelle j'aimerois bien avoir pour
escoliere une dame teile, qui d'ailleurs m'est maitresse et qui
Vous ressemble extremement, voyant mon affection totalement
prevenue par la puissance que Vostre beaute a acquis sur moy.
Madame etc. Vostre etc.
') 3m <Spt fianb juerfl: comtne le moindre et le plus indigne.
*) ftunft im dpt.: la hardiesse de Vous suplier de me dire.
414 flttton £l)roufl, %ün\ Briefe be« Burggrafen u. gretyerrti (J^riflop^
3.
Madame. Mon bon hear a la verite est tres-grand de
Vous avoir choisie, ä qui je pusse dedier mon affection; raais
il sera bien plus grand et plus accompli, quand la Vostre si
joindra, ce que j'attens avec d'autaot moins d'impatience et
et avec plus de bonne volonte, que je sai que celle, de qui la
nostre doibt dependre, a si bien dispose toutes choses que la
prudeuce humaine est contrainte d'advouer qu'elle est auveuple
au prix de la sienne et que toutes choses servent en bien a
ceux, qui par impatience ne les rendent mauvaises. Si est ce
que comme les medecines ordonnees et donnees pour nostre
salut ne laissent pas d'estre ameres et difficiles a avaller,
ainsi ces adversitez, qui pour nostre bien nous arrivent, sont
tres-pesantes et tres griefues ä ceux, qui les endurent, et faut
que celuy, qui ne gemit sous ce fardeau, soit ou tres-opiniastre5)
et tres-dure ou bien doue d'un si excellente magnanimite, qu'il
se puisse exemter de payer le tribut de la foiblesse humaine.
Nous sommes trop sensibles aux maux et trop oublieux des
biens, qui d en haut nous sont envoyees, et la douleur de ceux-
lä efface la souvenance de la douceur, que ceux-cy nous ap-
portent. Mais c'est trop Vous entretenir par cette pauvre lettre,
la quelle Vous daignerez de favorablement recevoir en Voz
mains et en Vostre coeur. Madame etc. Vostre tres-fidele etc.
4.
Madame. C est par I humilite et par la Submission que
les ames genereuses sont surmontees plus aisement, (que) je
me remets donc en Voz mains, tenant les miennes comme Hees
a Vostre service, ma laugue desliee, pour Vous decouvrir ce
qu'il m est desormais impossible de cacher, assavoir la resolution
de Vous dedier et offrire a Vous seul ma sincere affection
et devotion, que je Vous suplie d'agreer, sinon par pitie, au
moins pour Vostre plaisir et par grace, reconoissant, que comme
fortune m a esconduit de ma requeste et conduit en cett estat
et qu amour m'y retient, Vostre faveur y puisse a jamais en-
fermer et asseurer.
Madame etc. Vostre etc.
•) 3u«fi im Äpt. prodent.
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bou 3)of>na an feine ©rout OJräfin Urfnta üon ©ohn*'©raunfel* 415
5.
Madame. Si mes esperances, comroe est leur coustume,
ne sont point de verre fragile, je me promets dans peu de
jours 1 honneur de Vous faire la reverence et de Vous con-
tirmer par ma bouche. ce que depois quelques temps mes
lettre« Vous ont temoigne; raais ces jours uie semblent
des siecles et les momens me sont des aunees. C'est uo vray
songe et a tous coups il ro est ad vis, que je me resveillerai
du 8ommeil et que res i mag es et representations de la fantasie
s esvanouirent. A ces aparences j y opose la verite et solid ite
de la resolution, que j ay prise, de n estre qu'ä Vous, de
sousmettre mes volontez aux Vostres et de rendre ä Vos coman-
demens la parfuite obeYssanre, qu un valet doibt a son maitre.«
Et si jamais mon vouloir doibt pouvoir le contraire ou mon
pouvoir le vouloir, je souhaite, que tout pouvoir et tout vouloir
me soit este, ne presumaot d'avoir nulle autre qualite que celle,
par la quelle je puisse Vous faire paroistre en effect que je
suis sans feinte, sans desguisement et saus contradiction d«
qui que ce soit.
Madame etc. Vostre etc.
2lu$ ber gleichen Duelle ftammt bie nadtfolaenbe 2lufaäl)luna,t)on
71 «Spielen, bie am Slnfana, befl XVII. Safyrlmnbertö im Sdmmnge
roaren. fieiber fe^lt jeber &inroet6 auf bie ©egenb, roo fic bem
Sammler, roa^rfd&einlid) (Sfjriftopl) oon $of)na, befannt mürben. 2Iu«
äußeren ©rünben oermute id), bafe biefe Spiele in ber Oberpfalj
juljaufe roaren. $te tarnen ber Spiele fmb leiber an einigen Stetten
t)offnungdlod oerberbt, an anberen roirb oietleic^t ein Äemter Söefferungd:
oorfä)läge machen fönnen.
1 . Je vous vend mon nom, mon suruom, ma devise, ma couleur
et mon serviteur.
2. Pique, raffe, taille.
3. Au propos.
4. Voster place me plaict.
B. Ainsi fait l oie, ainsi fait lengeor (?) (ainsi) fait le petit
canar.
6. Auf der prucken zu Paris, da man gebt nach etc.
7. Den zeinerdanz spileu oder daozen.
416 gnton C^rouffc, Jönf Griffe bf« Burggrafen u. $retyfrrn G&rifloM
8. Den dritten schlagen.
9. Das stock spilen.
10. Des umblaufens spilen.
11. Des hand werks spilen.
12. Adam, der hat sieben söhn, sieben söhne hat Adam.
13. Weiss hat sein färb verloren, ist nit wahr, etc.
14. Schweinfüsslein tragen, der sonst ein holzlein in 31 thail
gethailet.
15. Gott gruess Euch, bruder Eberhard.
16. Aus den vier elemeuteu etwas nehmen.
17. Wozu ist das stro guet?
18. Die stille inusic.
19. Ein wachte! im sack und ein rechen etc.
20* Koeipichen ohne lachen.
21. Ein bohn in mein sack.
22. Wo beutelt man bftsel(nu8s)?
23. Das eisen halten.
24. Euer platz gefeilt mir.
25. Das holz schneiden.
26. Wechfelde (?) pankeroth.
27. Wie gehts, brueder Gigack?
28. Herr ritter, herr witter ritter?
29. Wer das nicht kau, der kans nit.
30. Der blinden mauss.
31. Der sehenden katzen.
32. Die beide blinden mit den schlüsseln.
33. Herr Schultheis, darf ich zum Puchsichen gehn.
34. Ich hab dich lieb; womit unterheit man die lieb.
35. Forallichen, an mein nüstrieben (!).
36. Was vergleicht sich eines bösen weib am besten.
37. Was hastu am liebsten, ein pferd, ein klaid oder ein ring.
38. Seit ihr frau ros, ich hett gern ein negelestock.
39. Warumb habt ir euern bulen lieb.
40. Das bixicheu von der lieb; was ist etc.
41. Das propos herumb gehn lassen.
42. Ich trag Wohlgemueth, wo tregstu in hin?
43. König alter, wo sol ich mich hinbehalten ?
44. Den König verstecken.
45. Den versteckten schue suchen.
46. Der gluckhennen spilen.
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üon $o$na an feine »rout Olräfttt Urfula öott öolm«.»raunfel« 417
47. Des wolfs spilen.
48. Ich sitz auf mein büttigen.
49. Herr apt, lierr apt, was ist des closters orden?
50. Ich hab ein garten, was für einen bäum, vogel . . ?
51. Stirbt der fucbs, so gilt der balk.
52. Mich muhet, mich muhet.
53. Des Versteckens (spilen).
54. Nun tretet heran, ich will euch frölicli macben, ob ich
kan. Nun sehet auf mich all, die in disem tanze gehen,
die thun wie ich.
55. Frau, wolt ihr sauer milch kaufen?
56. Den alten Haupel (?).
57. Den hirten haissen, wan man euch mit den obren herumber-
führt.
58. Des blinden riehen«.
59. Das schnupfduech fallen lassen.
60. Ich hab dich lieb, reeiproce, wen hast lieber als mich.
61. In der bernhaut.
62. Mit 3 wickfein (!) paschen.
63. Den steinigen erratheo.
64. Blau waschen.
65. Das schaflein aussthailen, den köpf, füs, wanst etc.
66. Herr könig. ich dient euch gern.
67. Das gansei rupfen under dem leilach.
68. Einen buchstaben aus dem abc, darauf sagen die statt,
das zeichen, den vor, (var? = die Farbe), die wiertin etc.
69. Die schwereste gans heben.
70. Den hasen binderm busch.
71. Ich will dir einen pfening geben, kauf darumb, was du
wilt ausserhalb ja und nein.
iJfttfdmft Iüt ffultutflftaitöte. II. H7
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nacf) öcm (teßcniäflrtgen Kriege.
Don €. €tnert.
(Sd ift befannt, nrie jene alte Sanbplage ber Saganten naä)
jebem Äriege in erneuter £eftigfeit £eutfdj>lanba ©auen ^etmjujudjien
pflegte.
2Bie aud) noä) ber fiebenjärjrige Ärieg biefelbe roieber mehrte,
ba er bem r)ertommlia)en Seftanb bes ftreifenben ©efinbletn* Diel
abgebanfte Solbaten unb oerroaifte Solbatenfinber, bienftlod ge-
roorbene ßnedjtc unb 9Jlägbe unb är)nlia)e Elemente fnnäufübrte,
bafür geben bie Rapiere bes alten 9iegierungÄar<$ü>« ju ärnftabt
fixeren Sln^alt
SBityrenb ber Äriege felbft pflegte ftd> ba« lanbftreiä)enbe $olf
ber SRarfdjroute ber jietyeuben §eere angufyeften, um jidj ben Sä)retfen
ber rjeimgefud)ten ©egenben, bie SBemmfhmg unb Serroirrung ringsum
ju 9tufce $u madjen; war aber ber griebe ins Sanb gefommen, ging
ed in roadjfenber Starte feine eigenen 2öege.
Thüringen aber, reo bie ©renken ber Territorien wirr in einanber
liefen, mürbe für bie jiet)enben Seute, bie nirgenb« £au« unb $erb
Ratten, $u einem magren $eimatd(anbe.
Sie l)aben geuer unb SRaudj bei und, flagte bie 33ormunbfd)aft
eine« fa)roarjburgifd)en fcörfdjens ir)rer öerjörbe, $um fcerbft Ijaben
fie if)r SReft in unferen gelbem, bafj mir bereu gar roenig geniefcen.
Selbft bie Dörfer unb glecfen ber Düringer 9Mbberge, obrooty
oon nur enger getbmarf umfränjt, ergeben ein 2ld> unb 9Bef) über
bie Streif er unb Streiter, bie ü)re ofmetnn fo fparlid)e ©rnte fo
fdnoer fa^abigten. $farrr)erren, bie nodj im Tuntel ber 9tod)t tyren
2Beg ju ber Jilialfir^e fugten, mufjten einen fwnbfeften Segleiter
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<£. Gftturt, Die ?anbftrct<$uplage in t^üringen }c-
419
jur (Seite haben, ber innen Laterne unb Salat trug, boch auch bem
freien ßanbftreicher mehrte.
Die ftoljförfter floaten, bafe, wo ba« ©efinbel jtdj lagere, ber
junge 9tochwuch« ber SBalber junichte werbe; boch waren e« namentlich
Heinere gelbhölfcer an ben £anbe«gren$en, wo fkh bie Streicher ju
gemeinfamem JHaubjug anjufammeln pflegten.
Die Jlurhüter waren ^ier unb ba mit bem Auftrag betraut, in
folgen SdUen al«balb eine Reibung ju thun. Dann nmrbe wohl
bie Sturmglode gebogen, unb mit SBefn* unb Staffen brängte man,
wa« fich au« aller Herren Xianber jufammengefunben, bem na^ften
Machbar ju.
3e mehr aber Bürger unb Sauer fich ber SBaffen entwöhnten,
unb je weniger es ber einzelne 2)iann noch wagte, bem anbringenben
Settier unb Sanbftreicher $u wehren, um fo bringender feinen ein
befonberer Schüfe gegen ba« Sagabunbentum geboten.
Surft £t)riftian ©untrer von Schmarjburg, ein forglicher &err,
bem ba« 3Bohl feiner Untertanen warm am -fterjen lag, ©erfprach
fict) oon einer fleinen SHeitertruppe, bie rafch oon Dorf ju Dorf bie
©tragen bereiten fönnte, bie mirffamfte silbfn"lfe.
Schon war für bie untere $errf$aft be« gürftentum« ein Meine«
$ufarenforpä in« ßeben gerufen, ata bann 1 766 auch für ben oberen
«anbe«teU bie neue Einrichtung, bie fich $u bewahren fdnen, in
Öetradft gejogen würbe.
Aber noch würben tyet bie 9to<hwehen be« legten Kriege« fo
fchwer empfunben, bafe nicht einmal bie gewöhnlichen @efäfle ohne
3wang«mittel einzubringen waren, &atte boch Sriebrich ber ©rofee
noch im legten Ärieg«jahre ben thüringifchen Äleinftaaten eine fo
hohe Äriegdfteuer auferlegt, bafj fie an bem 3)torf biefer Sfinber
jehrte!
311« um 1770 bie Angelegenheit oon neuem jur Sprache fam,
fo brach balb wieber mit allen ihren Schreiten bie grofce Hungersnot
herein unb machte ben Sortgang ber Sache unmöglich. Den
Söalbborfern, wo ber „©rbapfel" nod) einen fpärlichen unb ganj ©er=
einleiten Anbau fanb, ergoffen fia) öettlerfcharen in bie SWeberungen.
Selbft in bie grofee herrfchaftliche Stühle $u Arnftabt Drängte ftch
hungrige« Solf, um otetteicht etwa« SRehlftaub ju haften.
So fteigerten bie böien 3eiten be« junger« ba« Übel, fo bajj
bie fchleunigfte Abhilfe in Stabt unb fianb al« bringenbe Sfotmenbig;
feit empfunben unb jefct bie wohlmeinenben Abfuhten be« &mbe«ffirften
allgemeiner geroürbigt würben.
27*
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420
(5. ©nert, 2>te Ponbftretdpcrplage in S^üringen
®od> mar e« bie Regierung 3lmftobt felbfl , bie fid> oon
einem onbern SBege mehr oerfprach, alö oon ber (Srridjtung eines
ßufarenforps. Sie fah bie ©ct)wierigfeit einer erfolgreichen Ööfung
ber Aufgabe befonbers barin, bafj bie ©renken ber 9tod>barftaaten
überall fo nahe gerüeft feien, bafe bie Vagabunben bei ber geringsten
Bewegung, bie ju ihrer Aufhebung gemacht mürbe, ftd^ alsbalb auf
fremben öoben in (Sicherheit bringen fönnten. So fei e$ nur buvefa
eine gemeinfame ©eneralffretfung aller SRachbarftaaten möglich, baö
Öefinbel aufzugreifen unb bas Sanb ju reinigen.
Slber freilich, wohin mit ihnen, wenn man feiner h&bhaft 9e:
worben? SBohin auch Mit benen, bie nur gebettelt unb befdjeiben
2llmofen gefammeltV SBotnn mit ben SBeibern unb Äinbern? 9hir
mit ber dujjerften Vefchwerung ber Untertanen fönnte baß erhafchte
©treiferoolf bewahrt werben, würbe aber bann, freigegeben unb los-
gelaffen, bei feiner rachfüchtigen ©emütdart bad Uebel oerboppeln
unb ben Unterthanen $u dufjerfter ©efahr werben.
3n Anbetracht folcher Umftctnbe würbe eö bann wohl bas ®e-
ratenfte fein, bas aufgegriffene Volf Seiner SJtojeftät bem Äönig
griebrich oon $preu&en für feine enroölferten Sßrooinjen im Dften
anjubieten. ©einer SDIajcftät ©tabdofftjtere liege einer ju Wity-
häufen; ber tönne bann, wafi bei beT ©treifung auf fchwarjburgifchem
Soben in biesfeitige ©ewalt gefallen, unentgeltlich übernehmen unb
in bie fömglichen Üanbe transportieren.
2Jftt folcher ©duberung müffe freilich oon 3«t $u 3«t fontinuiert
werben; es fei aber faum $u bezweifeln, bafj bie benachbarten ©taaten,
in gleichem ©ebrdnge unb in gleicher Verlegenheit, fich ftets $u g^
meinfamem Vorgehen bereit jeigen würben.
$er ßanbeöfürft aber liefe ber 3lrnftäbter Regierung bie 3Rifc
teilung augelm, wie er ihre unterthdnigen Vorfrage wohl in Er-
wägung gebogen, berfelben aber nicht bergen fönne, wie foldt)e mit
oielerlei Vebenfen, über bie man nicht Innausfommen !önne, oerbunben
feien, unb wie es bei Errichtung eine« ßufarenforp« ju verbleiben
habe. 3tur müjjten bie Unterthanen über bie auf ihr Sefted gerichteten
Slbfichten ihre« 8anbe$hetm unterrichtet unb ju jährlicher 99eifteuer
angehalten werben.
£)ie Regierung wie alle Beamten thaten benn auch nach ¥ff«&t
unb ©ewijfen baö 3t>rige; bie ©chuljen unb &eimbürgen aber auf
ben Dörfern liefeen e« fehlen.
3war würbe von hier unb ba an bie Öehörben Verität erstattet,
wie man bem aufbringen Vetteloolf jefct geben müffe, was eö
na$ bem ftebenjä^rigen &riegl
begehre. $)enn man roiffe nur aHsugut, rote f>ier unb ba, felbft au$
bem ©trofjbadj) bürftiger Seute, plöfcltä) ber rote Qafyn gefriegen, rao
bem ßanbftreidjer etwa bie gefjeifdjte ©abe oerfagt roorben. 2)o<$
auberfeits gefd)af) auf ben ^Dörfern gor wenig, bie @od)e in
glufi ju bringen. (Sin Amtmann mufcte roieberfjolt bie bitterften
Älagen über ben läffigen $auer führen unb bie alte 9Bafjr()ett immer
Don neuem beftätigt finben:
Senn er nidjt fott unb muß,
SRrgt er fein #anb no<$ 3fu§.
Unb boa) unterlieg eö ber roürbige £err mdjt, ben @dml&en unb
burd) biefe ben ©emeinben felbft mit &ilfe braftifc^er SBergletdje bie
Saä}e red)t nat>e 5U bringen. 2)as an bem ftörper ber Kommunen
nagenbe unb jefyrenbe fianbftreidjeroolf fei bem Ungeziefer auf bem
Raupte beä 9Renfä)en gleid). 9fur grünblidje Reinigung unb €>äube=
rung fönne ju bem frühem 2öof)lbe^agen Reifen.
Aber ju ber alten ©teuerlaft roieber eine neue Anlage! $)a
lag ber $afe im Pfeffer, unb obwohl nur ein ftteineö beanfprudjt
rourbe, fam bie Angelegenheit nur langfamen ©angeä if>rem Abfd)lu§
näljer.
Abgefetm oon einem 3uf$u£ aus bem <Bäde\ ber ©emeinben
foHten $unää)ft bie Käufer in Stabt unb ßanb ju ber neuen 2ln=
läge herangezogen werben. (£s erfdnen bie« um fo geregter, al«
burd) bie $u erridjtenbe ©dmfctruppe Sefifcer unb Öeftfc geftdjert
unb bie 2llmofen an bie 39ettlerfd)aren in Segfall fommen follten.
Aber obroor)t auf baß Satyr nur mer ©rofdjen £ufarenfteuer, wie
man es nannte, oerlangt mürben, fo erfaßten felbft biefer f leine
betrag bem Amtmann $um ©e^ren für bie armen ßäudletn auf
bem äöalbgebirge, bie oft faum 10 meifenifdje ©ulben roert
unb babei nod) überfd)ulbet feien, nod) immer ju gegriffen.
SBemgftenä fönne er bei bem armen SBolfe ba oben, ba« ja felbft
oft betteln gef)e unb bem Bettler roofjl feiten einen geller retd)e,
für ooUftänbige nötige 3<**)fong o|me Wtroirfung burdmuä nid&t
einfielen.
$ie Jrei^äufer aber, ju benen aud) Pfarreien unb Spulen
jaulten, mußten olmeljin au&er $8etrad)t fommen. SDod) jeigten
fid) gerabe bie ^farr^erren, bie ja unter bem Anbrang ber Sank
ftreidjer am fd>roerften ju leiben Ratten, $u freiwilligen Seiftungen
oon i^rem oft bürftigen ©infommen fdmell bereit Selbft oon
3talienem, flagte ein Pfarrer, burü) beffen $orf bie ßanbftrafje
führte, tyabt er einen ftarfen Anlauf; fie tarnen unb fämen roieber
422
$. dinert, $te StanbflreidKrpfage in $$tiringrtt
unb bettelten ein SKmofen, um ©ruber ober 2toter au« türfifdKr
©efangenfdjaft losjufaufen.
3e metjr bie Hrmut es nod) vom Mittelalter f>er geroolmt
war, in tyrer 9iot juerft bei ber Kird)e anjuflopfen, um fo näljer
lag es aud) bie Kird)enärare, bie jefct wefentlid) entlaftet werben
foUten, jur $ufarenfteuer l)eranjU8tefm. Sie gaben benn aud) nacb
aWafcaabe iljrer oft ^ödr)ft geringen fieiftungfifd^igfeit. 2öie aber,
wenn bie Kirdje felbft ju ben 3lermften ber 2lrmen gehörte V 60
fonnte ein Pfarrer in einem ®örfd)en su gü&en ber alten Käfern
bürg aus bem 3lerar nid^td willigen, benn bie Kirdje n>ar arm wie
eine Kirchenmaus. Selbft aus bem Klingelbeutel glaubte er feinen
Pfennig geben ju bfirfen. $abe er bod) ftets bie Sirmut feiner
Kirdje ben anbringenben Bettlern unb £anbftreid)em gleid) einem
Sd&ilbe vorgehalten, an bem itjre gorberungen abgeprallt feien!
©o waren es feine namhaften Summen, bie aud ben Kirdjen;
fallen entnommen werben tonnten. sJ)iufete bod) ein ©d)erflein für
wirf litt) ^ebürfrtge, bie mit ^efcfjetnigung ifyrer 2lrmut famen,
für Krüppel unb ßafmte, für Sranbbettler unb Kolleften jur
©teile fein!
Med in allem bradjte bie §ufarenfteuer 673 2^aler unb bie
£anbfd)aftsfaffe felbft mufjte jufdneften, bafj ein Korps oon — oier
Weitem gegen bie Streifer unb Streidjer ins gelb rütfen fonnte.
Sin Reibungen fehlte es nid)t. Selbft Kriegsleute oon 33eruf, bie
in ben Sd)lad)ten bes grofjen griebrid) ^uloer gerod&en, boten tbre
SDienfte an. SHittmeifter oon $opfgarten $u Sonbersljaufen , mit
Auswahl, 2lusriiftung unb Cberauffid)t betraut, fonnte bie Heine
Sdmfctruppe im ^erbft 1776 nad) Sfaiftabt entfenben.
3m blauen Sdmürenrocf, ben peljoerbrdmten $)olman übeT
ber Sd)ulter, ritten fic in tyrem Stanbquartiere ein. fßon ba fab.
man fic ju jeber ^ö^es^eit, jumeift $wei unb jwei, auf ben äanb=
ftrafcen bafnneilen. $fom $)ienftorbnung gemäft fottten fie jeben
Ort, aud) im entlegenen <Sdmmr$atf)ale, jweimal wenigstens im
Monat anreiten. $te ftattliajen Männer martialifdjen Slnblids, baö
$aupt umwallt oom geberbufd) unb ben Degen jur Seite, erfd)ienen
um fo geeigneter, bem Vanbftreidjer iKefpeft einjuflöfcen, als fic aud)
mit Karabiner unb ^iftolen ausgerüftet waren.
3m grityling 1780 würbe benn aus ber iHefibenj Serid)t er-
forbert, wie bie tfanbesfmfaren fid) bis ba&er in iljrem $>ienft unb
fonftiger 2(ufffibrung benommen unb auf was SBeife fie ber 2lbfttt)t
ir)rer (Einrichtung entfprod)en.
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rtadj bem ftfbfttjäl>rigen Ärieg*
$>er regierende $Uirgermetfter 511 5lrnftabt tonnte benn ber
SBa^eit gemäfj berieten, bafe feine Sefcbmerbe über bie ßeute ge=
fufjrt werbe, bafc fie fidj be« StoHfaufen« ju enthalten müßten, bafe
jie audj monatlich üjre 9ltteftate 00m fianbe rechtzeitig unb richtig
$ur Stelle brächten, burd) welche fie ftd) bie orbentlidje Slbwartung
beö SMenfte« bereinigen liefen.
Slber ber Erfolg? SBeniger benn nidjt« fei erreicht, war all=
gemeine 2lnfid)t. 2118 wenige 3at>re poor Äoifer unb Äönig um
bad banrifdje <£rbe in ftrieg geroten, Imtte man für Thüringen iUb-
nabme be* ftreifenben (#efinbeU erhofft, ba ed ben fämpfenben beeren
nad)jief)e; aber ba ber fdjlaä)tenlofe Krieg rafd) ju ©nbe gegangen,
batte man ftd) in feinen Hoffnungen bitter get&ufdjt unb bie alte
SJanbplage wteber bebroblid) anwadjfen gefegt 5Dic (Srridjtung ber
ßanbedfmfareu fyattt an bem ©ang ber Sttnge nichts ju önbem
r>enuod)t.
Slud) bie Regierung in Stmftabt mufjte ftdt) bafnn au6fprect)en,
baß baft ftreifenbe unb bettelnbe Stolf in ungeminberter Slnjabl auf
Unfoften unb jum äufeerften S)rucf ber Untertanen nad) wie oor
bie Drtfdjaften tjeimfucbe. Sie tarn auf tyren früheren 5Corfd)lag
eine« allgemeinen Düringer Streif jug« jurücf, wobei e« tf>r gleid)
fein fotte, ob baö f)ter aufgegriffene SJolf in König« ober auä) Kaifers
fianbe abgeführt werbe. @« fomme nur barauf an, wo man ftd)
am bereiteren erflare es aufzunehmen.
9iod) aber fonnte ftd> bie £anbesregierung nidjt jur Stuf^ebung
be« ßufarentorps entfd)liefjen, obwohl if)r nid)t unbekannt blieb, wie
bie Steuer nur mit äu&erftem SöibermiUen gejault würbe. Sie oer-
fprad) ftd) oon einem patent eine wirffame Unterftüfoung, besSHeiterforpö.
Salb faf> man basfelbe in großen Settern, aud> bem blöbeften
Sluge weithin erfennbar, an ben Sd>ultf)etfemolmungen, ben ©emeinbe=
Rufern, an ben $t)oren ber Stabte unb glecfen angeflogen.
©in jeglidjer Streiter, ftanb ba ju lefen, ber in feinem ffinb-
ltd)eu SRufctggange bem fleißigen Untertanen Sllmofen abpreffe, folle
für alle 3«t übe* bie ©renje oerwiefen, bei fernerem betreten aber
eingebracht unb gebunben an einen be)ttmmten Ort transportiert
werben.
Sdjon war in ber Sfleftbenj ein 3wd)tbauö unb ebenfo aud) im
Sfotdjbarlanbe auf ber alten Sdjmarjburg, unb ber 3fi$tfingatorren
gehörte f<$on lange ju ben Straf; unb Sefferungsmitteln.
ÄbeT als nun 1784 oon ber SanbeSregierung wieber eine An-
frage erging, ob es unter SWitwirfung biefes bebro^lid)en patente«
424
5. (filtert, £)ie ?anb|treuherj>l<me in t^üringed
bcffer geworben, fo liefen junädjft au$ aßen Drtfdmften $u güfeen
be« SÖalbgebirges übereinftimmenbe Älagfcbriften ein, wie ba« Saga:
bunbenroefen oon gatjr ju 3afjr im ih>acbfen, in bebrohlichfter $u
nannte fei.
3u 12, 16 ober 20 ^erfonen meiftenfi fallt baö Solf in ein
Dorf, roo eö ju $roei unb jroei bie (Waffen abgeht unb fi$ bie ©äufer
befielt 9iimmt eö etroa oor einem wenigen §äu*chen noch mit einem
(Stüdlein Srot ober einem geller oorlieb, fo h«f<h* es oor ben in
bie klugen fattenben Käufern ungefrüm auch Ääfe, Sutter, <£ier, SRehl
unb <Sped. Um ber ^lacferei unb Sebrohungen mitten giebt man,
roaö ba begehret roirb.
So tomint, roie ber (Strich geht, roof)l morgen« ein „©hör",
bann mittags unb roieber be« 2tbenb«. Salb ficht man hinter bem
Dorfe ein geuer auflobern, ju bem bie ©artenjäune, bie ffleiben, bao
nahe ©efjblj fteuem muffen, unb luftig wirb oerjefnrt, roaö ber
Sauer gegeben.
Die $ufaren fommen jroar bann unb mann, melben fid) beim
Sdmltheifj, reiten oor bie €>d)enfe unb traben meiter. 3ll«balb bridit
baö Setteloolf roie jum &ofme hinter ihnen in bie Dörfer ein, fixerer
ald $uoor, benn ber Sanblmfar reitet jroar fite, aber nicht rütf;
wärt«.
SWdjt anberö lauten bie Sericbte oom J^iiringer SBalb. Der
Anlauf ber (Streicher unb (Streif er mar auch bort unerträglich unb
anhaltenb ftärfer benn juoor. Die $ufaren fommen $roar, aber
nur feiten. (Sie ^olen fid) ihr 21 tieft, bafe fie bageroefen, beim
©dmljen, nicht aber, bafe fie ba$ Setteloolf über bie ©renje ge^
bracht, Sieht eö bod) auch bie h°d)ragenben Leiter $umeift fdjon
au# roeiter gerne fid) nahen unb baö Serftetf bed ifitolbed ober bic
©renje ift leidet $u erreichen.
3Bad 2i>unber, roenn bie £ufarenfteuer, roie ber Hmtmann ber
SBalbfleden unb äitolbbörfer flagte, nur nod) auf Äoften anbercr
©efälle unb nur mit äufjerften 3mangömaferegeln einzubringen mar! @r
mugte ben Raufen üHeftanten mit einem angefeuchteten Sdjroamm
oergleichen, ber 5roar anfangt noch ein roemgeä oon fid) giebt, aber
mehr unb mehr auch bem härteften Drude fich oerfagt
(So roaren bie £age ber fianbfmfaren gezahlt 2£as aber fottte
an ihre Stelle treten, ber fchroeren Sanbplage mit größerem ©rfolg
ju begegnen? Xageroad)ter, ben einzelnen Drtfcbaften felbft ent=
nommen, rourben in Sorfdjlag gebracht, bie, roo eo nötig, auch Sei;
hilfe anrufen fönnten.
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tiä4 bcm (tfbfniä^ngen Stx\t$i
2lber Dagegen würbe roieber oon fad)funbiger Seite geltenb
gemalt, ba& bie Dorfbewohner fid> „für beii Sanbftreidjer met)r
fürchteten, aU biefcr für ilmeu". Sei bod) bie Sorge, ber Strold)
möge jum SKorbbrenner werben, für ben ferner fo beunrutngenb,
bafo er fi# lieber plagen unb platfen, alö fid) fein $au« über bem
flopfe in Branb fteefen laffe.
3)lan begegnete fid) mec^r unb meljr in ber 2lnfid>t, bafe nid)t
einzelne 2Bäd)ter, fonbem auö ber SHannföaft bes Drteö gebilbete
2öad)en bad Nichtige feien. S)er SRetye na# follten bie jungen Ote
feilen unb 9Jtänner, unb bann immer mehrere gufammen bei £ag
unb Stacht fleißig an ben (Umgängen unb Strafen be« Ort« pa;
trouUieren, ben Berbäa)tigen jurütfmeifen unb, wenn nötig, baö
Dorf um Beihilfe anrufen.
(£ö mar im :3)iai 1785, als bie fiufaren vom ^ferbe fliegen
unb in bie gürftlidje gufegarbe eintraten.
£)ie 2lften bleiben uns über ben gortgang ber Sadje bie Ant-
wort fdjulbig. iMber bafe bie Bagabunbenplage mit bem ablaufenbeu
3at)rt)unbert wie in Thüringen überhaupt, fo au$ in Sd)war$burg
nid)t ju if)rem (£nbe tarn, barnuf weift mit Beftimmtljeit ein 2lrtifel
ber „?RationüU3«itwng ber Xeutfd&en" oom 8. September 1796.
„@S ift in biefen blättern fdjon ermähnt worben", lefen mir
ba, „bafe es in Thüringen eine eigene ftaftc oon beuten giebt, bie
feine eigene ßeimat tyxbm, fonbern wie 3ifl^ner umtieräiefm, unb
ben Sanbmann burd) i^re unoerfdjämte, oft bis ju ©ewalttf)ätigfeiten
gebeube Bettelei plagen, tiefes ©efinbel Inelt in IjRocffwufen, einem
fd)war$burg.=arnftäbt. Dorfe, am 28. ^uni b. 3- eine ferjcrlict)e ßoefc
jeit, bei ber man md)t weniger als 48 ^Jerfonen jaulte. Den gar
nid)t unbeträchtlichen ßoftenaufwanb bei biefem gefte beftritten bie
©Item ber Brautleute, bie ausbrürflich oerfichert hatten, if)r altes
©elb bei biefer ©elegenfjeit ein bischen bünne machen ju wollen.
Die Braut hatte, wie es auf bem Üaube gewöhnlich ift, ihre fo-
genannten Brautbiener jur Begleitung, bie reiflich mit feibenen
iüa^ern unb Bänbern oerfehen waren, ^ber oon ben übrigen
#och$ettsgäften r)atte auch ein Xudj erhalten, roomit er währenb bes
3ugeö in bie Kirche parabiren mufete. 9tad) gefebehener Trauung
ging ber 3ug aus ber Jlira)e in bie Sdjenfe. #ier tourbe nun in
bem baju gehörigen &ofe bie ganje ©efeHfa^aft an brei langen Tafeln
feftlid) bewirket. Mehrere gefachte gifchfpeifen, jweuerleu Braten,
gifdje, ©ebadenes unb .ttucheu mürben aufgetragen, unb an Bier,
Branntwein unb Kaffee mar alles in 3Henge oorhanben.
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426
<E. Siliert, 3)ic Ponbfhret^erploge in t^Üringen it.
gür bie gute Bennrtiwng jeigten ftdj min bie £ocfoeüagafte er-
terattliä), unb e$ liefen an bie Brautleute reidjltd&e ©efä)enfe ein, bie
gröfetentheilfl in (Mb, unb jroar in ben au«gefudjteften 3Künjforten,
beftanben. 2Bie bie Beroirtlmng am erften $age war, fo war fie
aua} ben sroeuten Sag unb an jebem £age würbe nad) eingenommener
3Waf)l$eit roaefer getankt, oie Ratten ba$u if>re eigenen 3)hiftfanten,
bie oon einem benachbarten Storfe herbeigeholt waren.
£>en britten Xag ging bie SSerfammhmg roieber auäetnanber.
3eber fudjte nun jufbrberft feine Staatdfleiber in aSerroatjrung ju
bringen unb ba*i Bettlerhabit roieber anzulegen. £aufenroeiö ftrömten
fie bann auf bie benadjbarten Dörfer uub fünbigten fldt) roieber aU
arme ßeute an." —
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Von Hug. Wfinfd^r.
3it ber norbifdjen SJtutfyologie finbcn ftd) uerfdfjiebene Sogen
t>on Sftettfpielen &nrij$en ^tiefen unb ©öttern. @o fütjrt un$ ber
betannte, auö oerfdjiebenen (Sinjelerjafjlungen jufammengeffigte SRptljuö
Don Xfyord unb feiner ©efäfjrten ga^rt uad) Utgarblofi brei fold^er
SBettfpiele t>or 2lugen. 3m erften ©piele fott ft$ jetgen, roer am
beflen effen, im ^roeiten, roer am fdmellften laufen fann, im britten,
toer bie gröfcte Äraft beft^t. ßofi mufe ftd) mit fcogi oerfud&en. ßofi
Derart alle« gleifd) oon ben Änoa>n, Sogi aber ifet baö ^leifd)
mitfamt ben Slnocfjen auf unb ben Xrog nod) obenbrein. 93eim 2Bett=
lauf jtoifdjen Xln'alft unb $ugi wirb jener oon biefem beftegt 3w=
lefct ringen Styor unb (SUi, Utgarblofi« 2lmme, miteinanber. ©tefe
fter)t feft, roäfjrenb tyox balb in bie ftniee fintt. Obwohl bie SBetfc
fpiele junt Slatytik £Emr$ unb feiner ©efäfjrten ausfallen, fo gefielt
il>m bod) Utgarblofi am nadjften borgen, wo er ifjm ba« ©eleite
bi« oor baä £f>or feiner 99urg giebt, bafj er Um am ©ergangenen
Sage geblenbet tyabe. Sogi, ber fid& mit Soft mag, fo erjäfjlt
er ifcm, mar ba« Söilbfeuer, b. u ba« (Srbfeuer, unb $ugt, ber mit
£f>ialft ftritt, ber ©ebanfe, unb (SN, bie Slmme, bad Hlter, oor bem
feiner fo ftarf ift, ba& er nidjt jum gatte gebraut mürbe. Stafi
©ettfpiel mit bem ©ffen in ber Hiefenmelt Hingt in jmei befamtten
SSoltemdrt^en roieber. $n bem 9Rära>n: 3>ie fe$« Liener (bei
©rirnm 3Rr. 134) roirb bem Äömgöfolm, ber um bie fd&öne ^rinjeffm
freit, oon ber SWutter, einer alten Zauberin, unter anberen aua) bie
Aufgabe geftettt, breifjunbert oor bem Sajloffe roeibenbe fette Dorfen
mit $aut unb paaren, Änodjen unb Römern ju Derjefjren, ein Äunfc
ftüd, baß einer ber fed)ö oon ifjm untenoeg« engagierten ©efellen
triftet. Gbenfo foU ber Miefeniolm in einem SRftrajen bei Äulm,
428 *ug. Öflnfae,
ftorbbeutfclje Sogen 9fr. 18, S. 360 f., ben bcr Sauer unb feine &wei
Änedjte, weil er tynen wegen feiner Stärfe gurdEit einpCöfet, auö bem
3Bege räumen wollen, fidt) ju £obe effen. $u biefetn 3wecfe bereitet
ber Sauer einen grofcen ßeffel mit Sori; ber eine ftnedjt, ber mit
bem Miefenfotyt um bie 5ö$ette effen fott, Ijat fidj einen grofcen Sacf
um ben #al$ gebunben, in ben er alles, waö er jum 2Jhmbe fuljrt,
t)ineingleiten tagt. Sdjon ^aben beibe ein grofced fiodf) in ben Äeffel
gemadjt, als ber Äned)t fein 9Heffer nimmt unb faßt: „@s wirb mir
balb juniel, idj will mir ben Saud) ein wenig auffdjneiben, bamit id)
tylals befomme", worauf er ftd> ein £od) in ben Sacf fdjneibet unb
ben Srei tyerauöfcljüttet. 2llö baö ber Miefenfolm fat), freute er fi$
feljr, benn eö fing aud) U)m an fdwn etroas fauer ju werben; er
griff Datjer fofort nad^ bem Keffer unb fdmitt fid) ben Saud) auf,
mouon er umfiel unb ftarb.
Slufeer biefen SBetten jwifdien ©öttern unb liefen weife bic
Sage aud) oon Söetten jwifdjen liefen unb Zeitigen ju berieten.
So fanb einft eine Söette jwifdjeu einer dtiefin unb bem ^eiligen
Olaf ftatt. $)ie JHtefm wollte et)cr eine fteineme Sriitfe über eine
^Meerenge erbauen, aU ber fjeüige Olaf mit feinem Sau ber ftirdje
fertig werbe, bodf) aud biefer erfdjoll fdjon ©lodenflang, watjrenb
bie Srücfe nod) nid)t jur £älfte fertig war. $)ie iWtefin geriet ba;
rüber fo in 3orn/ &a6 ty™ Saufteine ergriff unb fie gegen
ben Xurm fcfjleuberte, fie fonnte Um aber nimmer treffen. $)a
rife fie fid) eins ifjrer Seine aud unb warf es gegen ben £urm,
nad) einer iäJJelbung traf fie ben Xurm, nad) einer anberen aber
fiel aud) biefeö baneben in einen Sumpf, ber nod) tjeute ben
sJtomen ©iögraputten l)at. %L ©rimm, SRutyol., 3. Auflage,
S. 853.
2llö baß (Sf)riftetitum uon ben 9)iiffionaren ben germanifdien
sKölfern geprebigt würbe, rottete man ben alten ©ötterglaubeu nicbt
mit Stumpf unb Stiel aus, fonbern liefe oieleö befielen, nur würbe
eö auf irgenb eine tjeilige Sßerfon bed neuen ©laubenö ubertragen.
$>ad gute ©alten unb SBirfen ber ©ötter ging auf ©ort, @t)riftu$,
bie ßngel, bie Slpoftel unb ^eiligen über, ba$ böfe aber auf baö
^Srinsip beß Söfen, ben Teufel, Sor allem würben bie liefen mit
bem Teufel in 3ufammenl)ang gebraut, unb i&r jerftörenber ©inftofe
würbe aud) biefem jugef djrieben. $5af)er f)aben in bem grofeen Sagen-
freife oom Teufel aud) bie SBetten jwifdjen liefen unb ©öttern ifjren
entfprecbenben iRacfyflang. (£ö giebt eine ganje iHeilje folajer £eufelö-
roetteu, bie alle mit ber ^ointe fdjlicfeen, bafe ber Xeufel bie 2BetU
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Ieuff(«Wfttcn
429
oerliert; unb wenn er fie gewinnt, fo get)t iljm menigftens bas be-
bungene Opfer oerloren.
T>afj eine iterwanbtfdjaft jmifdjen ben mntfjologtfdjen ^tiefen?
unb ben d)riftlid)en Teufelsfagen ftattfinbet, bafür (priest oor ädern
bie T>ummf)eit, bie in beiben ein d)arafteriftifcr)eö ^erfmal btlbet.
3ßie bie Miefen bei aller üjrer Stärfe unb ©eroalt plumpe unb bumme
^kfen finb, bie fomotjl oon ben Keinen, flugen 3wergen ime Don
ben einstigen ©öttern überliftet unb geprellt roerben, fo jeigt fid)
aud) ber Teufel gerabe in ben meiften Sagen, bie Um Stetten eim
geljenb barfteüen, als ein bummes Söefen, bas bie Tragweite ber
xBette nid)t ermißt unb Deshalb ben ftürjeren $ief)t.
$etrad)ten roir bie einzelnen Sagengebilbe näljer, fo besiegt ftdj
bie SBette auf bie ocrfd)iebenften $inge. 2>om Äölner $ome erjä^lt
©rtmnt, beutfdje Sagen I, S. 247, 9ir. 203, bafc ber Teufel mit
3fteifter ©erwarb, bem Erbauer besfelben, roettete, er wolle et>er eine
Stfafferleitung oon Trier nad) ftöln bis an ben T)om suftanbe bringen,
als biefer ben $om oollenbe; gewinne er bie SBette, fo folle if)m bie
Seele bes sJ)leifterS gehören. $)er Teufel gewann bie sBette, benu
als ©erwarb eines Tages oom Turme fcrabfal), gewahrte er (Snten
im öadje am gu§e bes 3)omeS, bie, oom Teufel Ijerbeigelettet,
fdmatternb aufflogen. T)a fprad) er in tjellem 3ome: „3war f)aft
bu, Teufel, mid) gewonnen, bod) bu foßft mid) nid)t lebenbig f)aben."
2Rit biefen Sßorten ftürjte er fict) oom Turme l)erab, ber Teufel
aber fprang ifmt in ber ©eftalt eines &unbes nad). T>er Vorfall
ift in Stein genauen nod) am Turme $u flauen. Wenn ber Teufel
nad) biefer Sage and) SJleifter ©erwarb in feine Prallen befam, fo
war er bod) infofeni betrogen, als er itjm nidjt felbft ben &als um=
bretjen fonnte.
3?ad) Sd)öppner, Sagenbud) ber baierifdjen fcanbe II, 9ir. 635,
S. 185 f. ging einmal ber Teufel mit einem ^riefter bie SBettc ein,
wenn er oier fdjlanfe Säulen aus Marmor aus 9iom nad) Mxn-
berg bringe, beoor er bie 3Jteffe gelefen, fo folle ifmt feine Seele
gehören. Sa)on Ijatie er brei $ur Stelle gefdmfft, als er aber bie
oierte brachte, tönten if)m bie 2öorte: Missa est! entgegen. 3lus
3om, burdj) ^riefterlift übertölpelt worben $u fein, lieft er bie Säule
fallen unb fie liegt nod) Ijeute jufammengeftücfelt auf ber Äaiferburg,
unb baneben fief)t man in Stein genauen bes Pfaffen fjofmladjenb
2(ngeftd)t.
9tod) einer anbern Ueberlieferung bei sJfob. ©fei, Sagenbud) bes
JJoigtlanbes, S. 7, wirb ber Sdjauplafe nad) $rag oerlegt, unb es
430
tjanbelt fiü) nur um eine Säule. $er ^rieftet fprad) gerabe Die
2Borte: Et verbum caro factum est, als ber Teufel vor 2But bie
«Säule $ur ©rbe warf.
$>ie Sage tonn in genriffem Sinne als ein 9taä)flang ber Sage
von ber 9iiefin unb bem ^eiligen Olaf gelten.
©ine anbere Sage bei diob. ©ifel, Sagenbud) bes Soigttanbes,
S. 7, melbet, ba& ber Xeufelsfan$elftuf|l, eine Iwdjaufgeridjtete gels*
maffe neben ber Äülmsmüljle bei S$lei$, baburä) entftanben iftr bafe
ber Teufel mit bem &üt)nsmüller wettete, er roolle bis jum erften
^almfdjrei biefe Äanjel nebft Xreppe aufria)teit, boa) ber £afjn fd^ric
bereits, e^e bie Xreppe fertig mar. 2lus Serger barüber natym ber
Söfe einen großen Stein, ber eben jur nädrften Stufe fommen fottte,
unb fd)leuberte ilm nad) ber Äülmsmüfjle fnnab, roo er nod) tyeutc
mitten im $ofe liegt unb ber SBanberer bie ©inbrütfe von ben fünf
XeufelSfraHen roafyrnelnnen !ann.
©ine brottige SBette erjäljlt 3ttutlent)off , sDiärä)en, Sagen unb
lieber ber Herzogtümer Sd)leSnug=&olftein unb Sauenburg, S. 278.
3)er Teufel vermietete fid> einft bei einem gro&en Sauer in Ingeln
als Stnedjt. ©ines XageS foQte er mit bem ©rofjfnedjt auf ber SBiefe
©ras mätjen. Seibe matten fid> nod) am Slbenb iljre Senfen fdjarf,
aber ber Teufel oerftanb es nidjt red)t, unb ber ©rofjfnafct ntufjte
barüber ladjen. $>er ©rojjfnety mätjte erft nad) SWäljerart einen
flehten runben ^Jlafc in ber SWitte unb maä)te bann auf bes Teufels
2£unfd) ben Sormäl)er. Allein ber Xeufel tarn tym ni$t nad). 9ttd)t
nur, ba& er oft grofee Stüde aus ber ©rbe fneb, moburd) feine Senfe
immer ftumpfer mürbe, er tjatte aud> allezeit ben größeren äreis su
machen, ba er jur Merten bes ©roijfnedjts mctyte. Salb fing ber
£ned)t an, Um. $u foppen unb $u netfen, er foBte bod> mitfommen
unb nidjt immer 3urücfbleiben. £as oerbrofj ben Teufel fo, bafe er
alle feine Gräfte jufammenna^m. $)od) fo jlinf er aud> mäljte, er
tonnte es mit bem ßned&te nidjt aufnehmen. Solange ber SWorgen
fifyl mar, fnelt er aus, als aber bie £tfce mit bem Xage flieg, ftüqte
er ^eulenb nieber, bas Slut brad) iljm aus 3Runb unb 9tofe Ijerwor,
unb in furjem oerenbete er.
9tod) einer oerroanbten Sage bei Ä. Sartfd), Sagen, 9Wär$en
unb ©ebräudje aus SWedlenburg 2, S. 483, 9fr. 41 tarn ber Xeufel
einft $u einem Sauer, als biefer beim Äleemä^en mar. ©r fpraaj
über bas sJttät)en unb fagte $um Sauer, ob fie md)t einmal um bie
Söette mityen rooUten. £>er Sauer mar aber nid&t bumm, er roujjte
men er oor ftd) ^atte unb fagte: „3$ Imbe blofj biefe eine Senfe
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£eufe(S wetten
431
l>ier, fomme aber morgen, ba nriU td) nod> eine beforgen." $)er Sauer
lief; ftä) gefduoinb oom Älempner eine blecherne Senfe matten, bie
)d)x fä)ön glftnjte unb fölug fie in einen Saum, gür fid) felbft aber
fjolte er einen alten, oerrofteten $>egen unb fd)lug if)n aud) ein. 211«
ber Xeufel am anbern Xag fam, jeigte ber Sauer ifym bie beiben
Senfen unb forberte itm auf, ftä) eine au«jufua)en. $er Xeufel griff
flugs nad) ber blanfen unb fagte: „3$ neunte biefe, bu fannft bie
anbete nehmen." $)a« 2Wäf)en begann. $>er Sauer fing in ber
SJHrte be« Stüde« an unb mft^te immer runbfjerum, ber Teufel immer
Innterbrein. 211« fie eine 3eit lang gemäht Ratten, fprad) ber Teufel :
„#alt füll, mir motten einmal toefcen." „9iein", entgegnete ber Sauer,
„ba« ift ma)t au«gemad>t, ba ift feine 3*ü ba$u." $>er Xeufel blieb
immer weiter surüd, julefct famen fie an einen alten SBeibenbufa),
ber Sauer pufcte feine &alfte fd&ön weg, bafe e« eine&tft mar; ber
Teufel bagegen trotte redjt weit au«, befam aber nid>t« ab. 2>a
warf er bie Senfe tun unb lief fort unb f>at in feinem ganzen fcebeu
nid)t roieber ma^en motten.
#u oergleidjen bamit ift auä) bie Sage oon ©rinfenfd^mieba
Hnedjt bei Slufm, SBeftfälifdje Sagen, 9Äära>en unb ©ebräua)e 1,
S. 91 f., ber mit einem Saumeifter fo gewaltig um bie Söette mä^t,
biö biefer ruft, inne $u galten, er motte einmal {unter ben Serg
geben. 2ta er nia;t mieberfam, fo fua)te man ifm unb fanb ifm tot
mit aufgeführtem £eibe am Serge liegen.
Sei ß. aJhufe, ber bie Sage mit oerfduebenen 2lbroeia>ungen,
aber befferer sJKotioierung bringt, Ijanbelt e« ftä) um eine 9Wenfa)en=
feele, bie sroifajen Gimmel unb ©rbe berumirrt, unb auf bie foroo^l
^etru« mie ber Teufel 2fofprua) ergebt. ®a beibe mä)t einig roerben
tonnten, fo befajloffen fie, e« auf ben Ausgang eine« 2öettfampfe«
antommen $u lajfen. S)er Xeufel fä)lug bem ^etru« oor, ju biefem
3mede mit if)tn eine SBtefe 5U mäf)en, roer auf feiner Seite juerft
ba« ©nbe erreidtf fyabe, bem fotte bie Seele oerfatten fein, pernio
t^at fed&« #iebe oorau«, ber Teufel aber fonnte i^m nid)t naä)fommen
unb oerlor bie SBette.
Sitte brei Sagen erinnern unroiflfürlia) an ben SRgtyua oon
Dbbin in ber @bba, $ami Saga 57, 58 oergl. ©rimm, 3Hotf)ol.,
3. Auflage, S. 752, ber fid> al« Slnedjt Söloerfr auf einen Sommer
$um sDtät)en bei Suttung« Sruber Saugi oerbingt, um beffen 3Jiet
$u rauben. 6r far) ba neun ßnedjte &eu möben unb fragte fie, ob
fie ifjre Sidjeln geroefct fjaben roollten. Sil« fie e« bejahten, 50g er
einen Süefcftein au« feinem ©ürtel fjeroor unb mefcte fie Sßeil bie
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432
Sicheln nun fdjärfer fdmitten, trugen aUc Verlangen, ben 9öefcftein
$u befifoen. Dblnn roarf tyn in bie £uft, unb ba jeber Um fangen
wollte, fd)lifeten fie fid) babet mit ben Sicheln bie &alfe ab.
^ebenfalls ift ber mäfjenbe Teufel als SBirbelromb auf$ufaffen,
ber fnnter bem SBinbe etntyerfäfjrt unb bie (Srbe aufrauht. %m §arj
mäf)t ber milbe ^äger eine 2öie)"e beim Teufelslodje, bann aber trägt
er bas $eu baoon, ober es fteUt fia) unter bie ©rasmäljer ber SBerroolf.
(SKnen äf)nlid)en SBettfampf erjdfylt 3mgerle m feinen ftinber=
unb &ausmard)en aus Tirol, ©era 1870, 6, 3. 31 f., oon bem
Teufel unb einer 9tät)erin. Diefe t>atte einmal Iwlb im Spafc, Iwlb
im ßntft geäußert, fie wollte mit bem Teufel ju 9leib unb um bie
SBette näfyen. T)er Teufel fteHte fid) bei if)r in ftattlidjer ©eftalt
ein unb fie ging mit ifmt bie SBette ein, roenn fie fpäter als er ein
$emb fertig mad)e, fo motte fie ifmi gehören. T)od) ba ber Teufel
ftd) gleid) einen ganzen 3w>imfnäuel auf einmal eingefabelt fmtte unb
besljalb bei jebem 8tid) breimal um ein &aus herumlaufen mufjte,
aufeerbem einen knoten ju matt)en oergeffen tjatte unb besf)alb bie
erften 9)tole »ergebene lief, fo uerlor er bie SBctte. Stor Sa)am
mürbe er gan$ feuerrot unb er Iwt niemals roieber mit einer 9täf)erin
um bie SBette gearbeitet.
£)amit f)aben mir bie roid&tigften beutfdjen Sagen aus bem Sagen?
t reife bes Teufel«, foroeit fie fia) auf Teufelsmetten be$iet)en, ju?
fammengeftellt unb ben SRadjroeis geführt, mie biefelben im innigen
3ufamment)ange mit ben ftiefenfagen ber germanifd&en 3Jtytf>ologie
ftefjen unb nur als 9taa)flänge berfelben ju betrauten ftnb.
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^Itttcifungcn unö 'glotijcn.
2>te fcrauerfunbe, welche im SRai bie beutfcben ?anbe burdjflog,
war für und rinr befonber* fdjmerjlidje unb ergreifenbe. Sir betrauern
in ^reotag* 35 ab. inf Reiben ben Serlufi be« warmen ftreunbe« unfern
3fitfd)rift, mir betrauern nod) met)r ben S?erlufl beS ijeroorragenben
beutfdjen ffulturhiflortferä. <58 ift nidjt (finfeitigteit, wenn roir ben
ftulturhiflorifer in ihm b^erDorb^eben. &S ift, glauben mir, biefe Stiftung
unb bie Segabung bafür bei ibm bie b«Dorfiecbenbfte Seite, fo wenig
aud) ba* gebilbetc wie ba« gelebrte ^ublitum fid) beffen bewußt
ifl. Angehöriger ber gelehrten 3«nf* 'ft « freilid) ntdjt lange gewefen.
35er junge ^rtoatbojent, ber fi<b eigentlich für beutjdje Sprache unb
?itteratur in Sre*lau habilitiert blatte, fdjieb freiwillig au« bem Vehr»
beruf, a(8 bie Jafultät jtd) weigerte, „ihm eine beabfieptigte Sorlefung
über beutfebe Äulturgefcbicbte ju geftatten". Sr f)at aber feine fultur-
gefdjicbtlicben ^ntereffen barum nicht oerfümmern laffen, wenn fk au<h
junächft bei ihm in ben $intergrunb traten. $n ben ©ren^boten
öeröffentlidjte er juerft fulturgefcbidjtlidje ftuffätye, bei benen er freitidj
ben gelehrten Jon oöflig unteibrüden mufjtr. $lu*biefen ffffap« ermud)*
bann burd) Überarbeitung unb Erweiterung ba« 1869 erfebieneue Sud;:
„Silber aut ber beutfcben Vergangenheit", b. b- junaepft au* bem
16. unb 17. 3af)*bunbert. (Sine ftortfefcung bis in bie Weujeit erfd)ten
1862 in ben „Weuen Silbern". 1867 erfebienen enblid) bie Silber
,,«u* bem SWittelalter". £ann würbe ade« Si*herige ju einem ein«
bettlicpen ©erf, ben „Silbern au* ber beutfcben Vergangenheit", j»u-
fammengefa§t. (Sie haben beu anfprucb*(ofen Jon eine* fmu-Sbucp*
gebildeter ^amilien ftcb, mutzen woüen: aber man barf nidjt oergeffen,
bafj ftc trofebem ein gelehrte« öerf ftnb, bafj fie für uu* bie beftc
beutfdje Äulturgefdjicpte bebeuten. —
Unfere 3ritid)nft wirb bemnächft bie Sebeutung ftreptag* als
Äulturbtftorifer bureb eine au*fflhrliche Setradjtung feiner Cerbienfte
auf biefem ©ebiet unb feiner Eigenart mütbigen.
iiettfdjnft tür Hultutftfjdjicbte. 11.
4M
Mitteilungen unb Worten
Otto ©ä&r t. SWit bem fürjlid) babingefd)iebeneu trefflidjen Ourtflen ift
rin SRami geftorbrn, ber für bte Sulturgefdjidjte ein große« 3ntfrfffe ,,nb finf
entfdjiebene Begabung r)atte. (S* ift fdjabe, baß Don feinen Dielen IJublifatienen
nur eine einzige ttpn Don biefer ©ette jeigt, feine Dortrefflidje ©tijje: „Sine
beutfdje ©tabt Dor 60 ^abren", in ber er ba« tfeben in Äaffel Gilbert. 25a*
$üd)Iein ift in jroeiter Auflage erfd)ienen.
Dritter beutfcb, er $iftort fer tag. ©om I8.-20. «pril b. fanb in
Jranffurt a. AR. bte britte ©erfammlung beutfdjer $iftoriler flatt. Die t?er-
banblungen richteten fid) einmal auf bie Anlage be« biftorifd)en ©tubium*
auf ber UmDerfttät, fobann auf bie ©ruubfäfee, roeldje bei ber Verausgabe
Don «ttenfiüden jur neueren (Seföigte $u befolgen ftnb. ©ir begnügen un«,
barauf binjutoeifen, baß aud) auf biefcm fciftorifertag bie f ulturgefd)td>t.
lidje ©trömung ber (Begenmart f et) r ftarf b^eroortrat. ©ei ber
Beratung über bie Griurtdjtung be* r^iftorifc^rti ©tubium« meinte u. a. ber
©ericbterflatter, ^rofeffor d. 3»D»<&inecI ©übenborft — mir folgen bem ©eriqt
ber „ftranffurter 3*»tung" — : „Die @pejialgefd)id)te baif rootjl nod> bie
politiföe Don ber tultureHen ©efdjidjte trennen, aber fte fucbt t>od> aud? jdjon
bie Äreujung«punfte mit Corliebe auf; fle Der?ennt ben (Sinfluß ber *n«
fdjauungen ber Waffen auf bie (Entroirfeluug nid): länger unb fanu nid>t
ausgefüllt roerben burd) bie Darfieflung ber btplomatifdjen ©ejiebungen ober
Shtfjäfylung ber bloßen Dbatfacben. Die UuiDerfalgcfd)id)te bat bieje Der«
einigenbe Deubenj ber Gfrfenntui« aller 3uiammenbä'nge 'n gefleigertem
SDia&e". «ine Zte\t be* SRcbner« lautete: „(E* gebort jn ben »ufgabeu be«
ljiftorifd)en ©tubium« auf UiüDerfttäten , baß in einem 3f'tralim Don bt-
fd)räurter auSbcbnung bie genaue ffirfenntni« ber in SBedjfelroirfung ftebenben
polttifctyen unb äultuiDerlpältniffe angefhrebt wirb, ^unerbalb biefe* 3f'1'
räume« foü ber 3«f£»««|t^»b(ang ber (Srfd; einungen, ba* Serben ber (Jreigniffe
311 ergtiinben oerfudjt roerben, um auf biefem öege eine roiffenfd)aftlid)e,
aniDerfeOe ®efd>id)t#auffaffung $u erzielen." ^rofeffor ©rütfner meinte:
„«anle« Definition, l»efd?idjte fei 3uMfn, wie e* geroefen fei, ift überbolt
burtb, bie tfrfenntni*, baß bie Slufeiuanberfolge ber 3uftänbe ba* SBiffen«.
wertere fei". 3m übrigen erfenttt er einen Haren Untertrieb jmifcben poli«
tifcber unb Äulturgefdjidjte nietet an unb meint, baß bie $rage ber ©egrenjung
ber £ulturgefd)id)te auf bie Dage*orbnung einer ber näebften ^iftoriffr«
Oerfammlungen gefegt werben foQte. ^rofeffor ». 3roie^'ne^ erllärt , baß
audj er politifd)e unb £ulturgefd)id)te nidjt trennen , fonbern bie eine burd)
bie anbere ergänzen wolle. 9lber e« gäbe unbeRreitbar immer nod? $iftorifer,
bie nidjt auf biefem ©tanbpunft flehen. ^vofeffor ©adjmann meint über
ba? ©erbältni* ber politifd)en (Sefdjidjte jur Äulturgefd)id)te, man biirfe ni$t
Dergeffen, baß feit 1848 eine DÖOige Umgefialtung unb Vertiefung unjerer
ttnfdjauungen eingetreten ift. „SBir glauben nid)t mebr, baß bie ^ürftrn
ober einzelne ®roß« unb äriegSttyaten bie ©<bi(tfa(e ber Sölfer entf^eiben,
fonbern baß biefe regiert merben burd) bie inneren materiellen Vorgänge". —
$»erDorgeb,oben barf nod) tuerben, baß bie beiben in Jranffurt gebaltenen
Vorträge mefentlidj rulturljifiorifdje* ^ntereffe batten. ^rofeffor ©üd)er fpradj
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flJiittetlungen unb Wütigen
4H5
über beu £au*&alt ber ©tobt granlfurt im ^Mittelalter, 1?vofrffor (5b. 2Reöer
über bie roirtfchaftlicbe (fntroicfelunft beö Altertums.
* *
+
■Diieberlänb ifd> er $ ift orif c rtag. "fluch auf biefec ©erjammlung,
b. b bec erften ©erfammluug ber 2Hitglieber ber „#i|torifcb ©enootfebap" gu
ettrrebt, bat bie Äul tur gefebjehte eine Debatte öeranlaßt. 9iacb bem
©eriebt ber boflanbiieben ßeitfdjrift „flKufeum" gab bagu ein ©ortrag be*
•Öerrn »tot ©eiaulaffung. Vieler bejubelte im «nfchluß an feine antritt*,
rebe in l'riben „beu Unterjcfcitb groi)'cben ber ©efdjicbte ber ©ilbung, ber
©elfäroirtfchaft unb ber (iJefeüfcbaft". (Er glaubte, um SWißberftänbniffen, bie
(ich an jene fliebe getnüpft hatten, entgegen gu treten, Dor aQem eine genauere
©eflintmung ber beljanbelten Sogriffe geben gu müffen unb erörterte gunäcbjt
beu ©egriff „Äulturgcfcbicbte'', in beu 9iieber(auben als ©efcbaptng*gef<hiebeut*
(©tlbung*gefchichte) um 18H0 eiugebrungen. Sie Debnbarfeit btefe* ©egriff*
bat gu oielfadjfn oerfebiebenen «uffaffiiugen Snlaß gegeben, bie ber töebner
turg (fixiert. 9iacb, feiner eigenen Definition begreift bie ©efchaöing*gefchiebeni*
ausifcfytießlicb ba* geiftige Peben unb groar ^Religion, Pitteratur, Äunft, SBiffen«
febaft unb SRoral. Der ©ilbung*gefd)i<hte fleht bie SBirtfcbaft*gefchichte gegen-
über, bie fi(b mit bev <Defd)idjte be* t'anbbau«, be* .ftanbel*, brr 3nb"ft"e,
be* ©elbroefen* unb ber StaatSüerroaftnng befaßt, ©lof betont, baß er ba«
le&te Oebiet, einfcbtießlicb. ber Äonflifte ber Staaten unter einanber, au«brflcf«
lieh gu biefer ®ruppe gerechnet roiffen möchte. ©Übung«» unb ©irtfebaft*'
gefebiebte gufammen bilben bie große ®efeflfcbaft«gefcbicbte, fei fte al« Seit*
geliebte, fei fte al* ©olfSgefchicbte aufgefaßt. 3 11 *>tr Debatte mürbe u. a.
gefragt, ob bieje idjarf gezogenen ®renglinien roobl in ber i<rari* innejufjalten
feien; namentlich ber Staat beeinftuffe boeb, firmer auch bu* geiftige ?eben
eine« ©oHe* Sciter rourbe b,eroorgeb,oben, baß ber Untertrieb biefer neuen
©etracbtung*roeifc nicht fo große Untetfcbiebe mit beu früher gehegten Sin«
flaumigen auftueife. 3n ber ©lofjchru (Einteilung mürbe ferner bie ©ürbi.
gung ber ^ubioibuen mit ihrem roefentlit^en (Einfluß auf allen (Gebieten
bermißt. ©lot iud)te biefe ©ebeufeu gu befettigen. SRan fÖnne auch bei
feiner (Einteilung beu 3,lbioiburn, jebem an feiner Stelle, geredet merben.
Sehr fcharfe ®reitgltnien groifchen beu ringeluen @e bieten gu gieheu, fei über<
baupt unmöglich- Der Uuterfcbieb mit früheren ^Richtungen gebe aber föon
au* ben fet>r oerfebiebenen ©cfufySpitnften berbor, bon benen au* jene
frorfcher tie ®efcbicbte anfabeu. — Sir ftnb nic^t in ber Page, bei bem
SDiangel genauerer ©eriebte, ben ©lofjcben Definitionen nät)er gu treten unb
bejrtjränfen uu« auf biefe furgen Zotigen.
*
$rof efjoven ber Ä u Iturg e jdjicbte. Der in biefer 3eitf<hrift Oer
öffeutlicbte Sufjatj be* .ftcvauSgcber* , betreffenb bie (Einrichtung befonberer
l'ebrftüb,le für Sulturgefd)id)te, bat pielfadje prioate unb öffentliche 3»Pi»nniung
gefuuben. Wir meifeit int eiugelnen auf einen barauf begüglicben Vrtifel
$rofeffor ©ie ber mann* in ber 9(atioualgeitung (^Jcr. 240) bin, roeil berfelbe
noch auf einen Umftanb aufmerHam macht, ber in jenem ftuffafe nicht h^bor*
gehoben mar. ^rofeffor ©tebermann fchreibt: „hieben ben in ber Sache fe(bf)
28*
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2Jtttteilungen unb Wotijen
Hegenben GJrÜnben giebt e* nun ober nod) einen oon ©teinbanjen nidjt er-
wähnten, wahrhaft jwingenben praftifd)e n ®runb für bie fcrridjtung
befonberer ^rofeffuren für Äulturgefd)id)te. ®d)on oorlängft ift fowobl in
Greußen als in @ad)fen, wabrfd)etnlid) au(b nod) in anbeten beutfd)en ?änbern,
erft bie Aufnahme ber Äulturgefd)id)te in ben 8ehrplan für b,öbere €>d)ulen
((Sömnaften unb Wealgümnaften), fpäter ibte Aufnahme unter bie ®egen«
ftänbe ber Prüfungen Oon ?ebramt«fanbiboten oon oben b« auSbrfldlid)
öorgefd)rieben worben. 9lun ift eS aber bod) eine Abnormität, wenn oon
ben £ebrern verlangt wirb, fte f offen ibren ©djfilern £ulturgefd)id)te oor*
tragen , oon Pehramtstanbibaten , fte foffen it)re Befähigung ju folgen Vor«
trägen, ihre felbßeigne $etanntfd)aft mit ber Äulturgejcfyidjte nadjroeifen, wenn
gleichwohl ben €>tubierenben teinerlei gefiederte Gelegenheit geboten ift, ein
ÄoUeg über £ulturgefd)id)te ju bören ober an tutturgefdjicbtlidjen Übungen
teilzunehmen, ©o aber fleht eS, fo lange fein ^rofeffor ba vtft, ben fein «rat
oerpfttebtet, fold)e Äoflegien ju (efett unb fo(d)e Übungen abzuhalten, ©enn
ein SrtraorbinariuS auS $ntereffe jur ©ad)e bie* thut, wie id) e* getban
babe, fo ift baS ein reiner 3ufa^-
91 ii ö all biefen OBrünben wäre roobl ju wünfd)en, bafj @tetnbauicn$
grage: „^rofefforen ber &ulturgefd)id)te?" balb feine ftrage mehr fein möd)tf."
2Btr bruefen uadjflebenb ben eben oerfanbten Bericht über bie bis-
herige «ntwictelung ber Äonferenjen oon Vertretern lanbeS«
gefdjicbtlitber ^ubltfationSinftitute ab, ber grrabe aueb für bie
ftreunbe ber Äulturgef(bid)te oon gr o§ em ^nteref f e iß: „Auf ber
jweiten Verfammluug 3)eutfd)er $ißorifer $u ?eip&ig , int 3- 1894, würbe
in ber britten <3h)ung über ben ©tanb unb bie Bebeutung ber lanbeSgefd)i<b>
Itajen ©tubteit, inSbejonbere über bie Arbeitsgebiete ber lanbeSgefdjtcbtlidjen
^ublifationSgefefffd)aften beraten.*). *Rad> eingehenben Ausführungen ber
Herren ^rof. Dr. oon 3roiebine(f '©übenb,orft (®raj), ®eb>imrat Dr. oon ©eed),
2>ireftor beS babifd?en ©enerallanbeSardftoS (ÄarlSrube), @tabtara)toar
Dr. $anfen (Äöln), <ßrof. Dr. <War!graf (Breslau), $rof. Dr. $rufc («önig*.
berg), Ardjiorat Dr. ^acobd (SBernigerobe) über ?age unb (Sb arafter ber
entfpredjenben ^nflitute *n ©teiermarf, ©oben, ber SR^einproüinj, ©Rieften,
Greußen unb ber ^rooin^ ©ad)fen würbe folgenber Antrag beS 'Prof. ?am»
preebt oon ber Berfammlung einftintmig angenommen: 3)ie Berfammlung
ertlärt eS als bringenb erwünfd)t, bafi im ßufammenbang mit ben fünftigen
$ißortfertagen Äonferenjen oon Vertretern ber lanbeSgefcbidjtlidpen $ubli«
tationSinßitute jur Beratung gemeinfamer Angelegenheiten ftattftnben.
3n Ausführung btefeS Befd)luffeS lub ber Borftbenbe beS gefdjäft*«
fübrenben AuSfa^uffeS ber ^iüortferoerfammlung bie Vertreter einer Anzahl
oon $ublifationSinftttuten ju einer freien gemeinfamen Vefpre$ung auf bie
näwfte lagung nad) Jrantfurt ein. 2)iefer Aufforberung ftnb faft alle «in-
gelabenen gefolgt. $n ben Äonferen^en, bie am SWittwod), ben 17. April.
*) 9eriä)t über bie zweite Verfammlung beutfd)er ^tftorifer, 29. 2Rärj
bis 1. April 1894, ju feipjig; ^eipjig, 2)unrfer & ^umblot 1894; ©. 19-39-
üNttieilungen unb Kothen
unb am Freitag, ben 19. Äpri! 1896, ftattfanben, roaren außer bem Vor-
fifcenben zugegen:
Oberlehrer Dr. fcobeneder-^ena (Sertin für tyttringifdje (Beliebte unb
*Uertum*funbe); Brof. Dr. $in!e .SWünßer i. ©. (Verein für Ofef^i^te unb
%(tertumffunbe ©eftfalen*); Vrof. Dr. <8rößler«<2ft«leben ($iftorifd>e Äommiffton
ber Vrooinz ©aebfen); Srcbtorat Dr. Gkotrfenb • ©djroerin (äommiffton fUr
$etau6gabe be$ metffenburgifdjen Ur!unbenbua)e£); ©tabtanbioar Dr. $anfen>
Äöln (öfjeüfc^aft für rbetnifdje (Öejd)id)t8funbe); @tabtard)ioar Dr. 3un9*
$rantfurt a. Tl. (herein für (Brfd>t(b> unb «ltertum«funbe ftrantfurt«);
«rof. Dr. Äö<ber-$annooer ($iftorif<ber Verein für OTieberfacfyen); Brof. Dr.
^irenne-® ent (CommiBsion royale d'hittoire, Vrüffel); Vrof Dr. Brufc-Äbnig*.
berg i. Vr. (Verein für (9rfd)id}te Don Oft* unb ©eftpreußen); (Beb- Slrcbiorat
Dr. oon ©tälin*©tuttgart (©ürttembergifdje äommiffton für ?anbedgefd>i$te);
flrrfjioar Dr. Sarfd)auer«Vofen (^ißorifdje (Befeüfdjaft für bie Vrooinz Vofen);
Brof. Dr. ©eber-Brag (Verein für bie ®efd)id)te ber 35eutfd)en in Vö&men);
<j*rof. Dr. ©olff-ftranffurt a. SW. (Verein für b>ffif$e öefd)id)te unb ?anbe«-
funbe); Brof. Dr. oon 3roiebiuf<!.@Übenborft«<»raz ($iftorifd)e eanbeMcom»
miffton für ©teiermart; Oberlebrer Dr. ©ebnnann ((Befeüfdjaft für Bommerfcr/e
<Befd)id)te unb «Uertum#funbe); !. u. f. Generalmajor oon ©c|jer • ©ien
(f. u. t. ÄrirgSarcbio).
3ur Äonferenz angemelbet, aber burdj äußere örünbe am Crfdjeinen
oerbinbert waren:
Brof. Dr. STOeoer oon Änonou • 3""$ («ttgemeine ©efdjidjtaforfdjenbe
®ejeüfd)aft ber ©a)roeiz); Brof. Dr. ©djäfer ■ Bübingen (©ürttembergifdje
Äommifüon für ?anbe«gefd>t<bte); Brof. Dr. ©djulte.&reiburg i. V. (Vabifdje
biftorifdje Jtommijfioii).
S$riftlicb juftimmenb jur äonferenz bitten ftdj geäußert:
herein für (Sefcbidjte unb Altertum ©<b(eften6 ju Vre6(au; Verein für
Qtefrfjitye unb $?anbe*funbe gu 0«nabrfl(f; $ißorif$ QJrnootfdjap ju Utredjt;
«ftblänbif£b,e litterärifdje ©ejeafdjaft ju Heoal.
Sinlabungen roaren im gangen 25 ergangen.
3u Veginn ber Äonferenjen ronrbe jundcbH Brof. ?amprea}t zum Seiter
ber Verbanblungen gemäht. 35et|elbe führte barauf über bie $\tlt Dfr
Konferenzen etroa folgenbed aui: 35ie politijdje (Öefd)idjt*for(d>ung, rote fie
fange Qt'u oornebmfieb aüein im SRittelpunft ber gtfd)tcbt8ttHffenf(baftliä)en
Veftrebungen ftaub, ift naturgemäß oor aüem ber Unterfucbung unb $eraut*
gäbe ber Duetten für bat zentrale «efcbtcbMleben unferefl Volted nabe ge-
treten; fit bat bafür große &inrid)tungen, roie bie 3cntralbireftion berMona-
menta Germaniae historica, entroidelt. daneben aber ift fdjon in ber Vlttte*
Zeit ber fpejiflfcb politifdjen ©cf<bid?t3forfd)ung eine autonome XbätigTeit lanb«
fdj oft lieb ober jogar örtlich begrenzter Vereine getreten, bie fidj, neben ber
Bublifation gefd)i$tli$er $orfd)ungen in 3^<tf<briften, oie(fa<b au<b ber Ver«
öffentlid^ung größerer OueOenmaffen jur ©ef(bi(bte ibre* ©ebiete* annaf/in.
3)ie Veroegung in biefer «idjtung, roie fie junädjfl oon ben »ffcbidjMoereinen
ausging, ift in ben roiebtigften Öebieten ber nationalen Gfntroidelung feit
einigen ^abrjfbnten gefteigert roorben burdj (Srridjtung befouberer Äom«
mifftonen ober ®efefljd)aften , bie fieb audfcbließltcb ber $ub(ifation regional
begrenjten Cueüenftoffe* roibmeu. tiefer Oueüenßoff btent nun oornebrntid)
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iDii Heilungen unb Motten
ber Erforfdjung ber. regionalen «erfaffungS-, ffiedrtS- unb ©irtf^aftSenhoidc'
lung, fowie ber Entwidmung ber Sunfl, fttteratur unb ©iffenfcbaft, turj er
ift im weitefle n ©inne beS ©orteS fulturgef cbid)tlid)ett Slarafter*. AIS
foldjer aber mufc er, fomeit bted mit brr Freiheit ber einzelnen $ub(ifationen
Derträglid) ifi» überall in adfeitig oergleidjbarer fiotm herausgegeben werben ;
benn erft feine möglicbü weit entwidelte 8ergletd)bartett ftdjcrt bir ©ewinnung
Don Ergcbntffen jur allgemeinen ®rfd>icbte ber Nation unb maebt babuvd)
bie einzelnen Seröffeutlichungen DodenbS braudjbar. ^ieriu beruht Dorncbm«
lid) bie Wotwenbigfcit, Der Autonomie ber lebhaft oormärtS febreitenbm
regionalen unb totalen ^ublifationStbätigfeit eine gemeinsame zentrale 8er»
ftänbtgung über gewiffe Dichtungen biefrr Xbätigfeit jur Seite ju fleQeu. Tie
Arbeitsteilung auf biefem (Gebiete mnfj, wie überall bei arbeitsteiligem ftort«
fdjritt, bureb eine gemeinjame ArbeitSorgauifation erft mahrhaft fruchtbar
gemadjt werben, liefern 3*»eefe foden nun bie freien Äonferenjen Den $er
tretein bcutjdjer ^ublifatiouSinftitute in erftcr Pinie bienen. Sie werben
aber aud) fouß baju beitragen, gegenjeitige Srrftäubigung über Abgrenzung ar
wiffer SHatrrtcn, gegenfeitigen AuStaufd? Don Erfahrungen bei bem Jßerlag unb
Vertrieb oon^ublifationeu, überhaupt gewinnreidje gegenfeitige AuSfpradjc über
3n?ede unb 3>(le regionaler unb (ofaler CueÜetiDrröffentlichung herbeizuführen.
Weben ben 3*flen öfr Äonferenj berührte ber Sorftfernbe bann aud)
bereu fünfttge finanzielle Sidjerung unb AuSftaüung.
3^ie leilnehmer ber flottieren* erttävten fid) barauf in lebhafter Debatte
mit ben Dorn SBorftfeenben aufgehellten 3«elen im allgemeinen einoerftanben.
2>aS Ergebnis ber (ährörterungen mar ber ttefcblufc, bie Äonferenj als bauernbe
Einrichtung ju begrünbeu:
„2)ie in ber Monferenj Dom 17. April 1895 ju Jranffurt a. SR.
Drrfammelten Vertreter lanbeSgefcbtcbtlidjer ^ublirationfl »^nftitute er*
(läreti eS einftimmig für wünschenswert, baf? jährlid) 3ufania"ntünfte
Den Vertretern fold)er ^nftitute jjur ftörberung ihrer gemeinfamen
3ntereffen ftattfinben."
3m weiteren Serlaufe ber Vcrhanblungcn mürben bann für bie näd>üe
Beratung folgenbe ÜJegenjtänbe in« Auge gefaßt:
1) ^eftfteüung ber Vebiugungen, unter beneu jur gegenfeitigen 8er-
gleidjung geeignete Ausgaben Don SeiStümern unb ErtragSregificrn am
heften b«gefteüt werben fönneu.
H) Erörterung ber ©erbältniffe, inSbefonbere ber SWajjuäbe, unter beren
Veiüdftdnigung Dergleidjbare ^Bearbeitungen unb Ausgaben Don ftlurfarteu,
(SJruiibfartett (im Sinne Xh"bid)um3) unb Warten jur politifdpeu (Sejdndne
möglich ftnb, fowie Erörterungen über bie Äoftcn fotrber Äartenroerfe wie bie
ju beren $erfteUung oerweubbarcit mcdjanifcbcn dieprobufticnSartrn.
») 3ufammeuüellung bcS Materials au mittelalterlichen &tablbütftrrn,
t>aS innerhalb ber beutjeben (Gebiete oorhanben ift.
4) 3iijammenfteÜung beS SRaterialS an OffijialatSaften wie Derwanbten
C.ueflen jnr @cj<bidjte beS rcligiöfen unb fachlichen ?ebenS im auSgeheuben
Mittelalter, baS innerhalb bei* beutjehen (Kebicte Dorhanben ijt.
5) Beratung über bir <$rage, inwiefern ftdj ein gemeinfameS Sorgrhen
ber i>ublifatiou6inftitute für bie Bearbeitung oerwaltungSgrfd)id)t(id)er fragen
als empfehlenswert benfen läßt.
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"-Mitteilungen unb 92oti^en
439
8) Beratung über bie 5rage, inwiefern fUfc bie $erau*gabe nach gütiger
Berwaltung«einteilung abgegrenzter Urfunbenbücher empfiehlt, ober inwiefern
oielmrbr Urfunbenbücher oorzujiehen feien, bie ben überlieferten Stoff eine«
befiimmten^nftitute«, eine« bloßer«, Stifte«, einer fiäbtifchen Verwaltung u.f.w.
nüebergeben.
7) Huf einen Antrag oon $errn Dr. Steinhaufen in 3ena: 3nfammen'
ftetlung ber wichrigflen fpezififch fulturgefcbichtlicben Duetten, beren tfbttion
burcb bie einzelnen ^nftitute roünfchen«wert erlernen fönnte.
8) Sachliche unb finanzielle Vorbereitung einer (Jrgänjung ber SEBaltb,er«
Äonerfcheu SRepertorien oon 1850 bi« jur Gegenwart.
3ur Vorbereitung ber fünftigen Beratung würben für jeben einzelnen
ber aufgellten ©egenftänbe Referenten beftimmt, beju». fomeit biefelben ber
Konferenz nicht angehörten, in flu«ftd)t genommen; unb zwar:
3u Wr. 1 (<Sitrag«regifta): profeffor ftinfe (SKünfter), Prof. J?ampred)t
Leipzig), Prof. Schulte (ftreiburg i. B.).
3u flr. ! (ffieiStümer): «eh- 3»»fKjt<u Prof. eoerfcb, (Bonn), Prof.
Xhubichum (Xübingeu), Urcbiorat (Ärotefenb (Schwerin).
3u x)lt. ü: ©eh. SHegierungSrat Prof. SReifcen (Berlin), $rof. Xbubicbum
(lübingen), Ärchiorat Qrotefenb (Schwerin), unb fpeziefl tut ftofien* unb
ReprobufiionSfrage auch Brcbioar $anfen (Äöln).
3u Wr. 8: prof. ftiule (9RÜnfter), Hrchiöar $anfen (Äöln).
3u SRr. 4: «rdjiorat «rmifaj (35re«ben), «rdjtoar ©arfcfjauer (pofen).
3u 9ir. 6: Prof. oon 3wiebtnecf»Sttbenhorfl (®raz).
3u 9lr. 6: Oberlehrer Dr. 2>obenecfer (3ena), Prof. pirenne (öent).
3u <Rr. 7: BibliothefSfuftoS Dr. Steinhaufen CJJena).
3u 9cr. 8: prof. Äöcber ($annooer), prof. pru& (ÄönigSberg).
Schließlich würbe Prof. Pamprecht mit ber weiteren ftüfjrung ber <#e»
fcbäfte ber Äonferenz beauftragt."
Stubien einrichtiing am leipziger $iflor tfchen Seminar. Äuf
bem ftrantfnrter £>iftoritertag fyabcn bie bort oerteilten „ffiatfcbläge für baS
Stubium ber mittleren unb neueren ©fjdjichte", wie fte oon ben leipziger
$ifiorifern empfohlen werben, eine Rotte in ber Debatte gefpielt. SDlit Recht
hat man fte al« iehr ibeale ftorberungen bingefteflt. profeffor ?amprecht hat
ba« auch anerfannt, aber bie« ibeale 3»fl boch al* ein erflreben«merte« hin*
gefteflt: „2)cm Stubenten mufj man bie 3iele hoch flecfen".
2Bir laffen bie „Äatfcblüge" in 9cachftel)enbem folgen:
„1. ©ie ©iffenf (haften, welche ein ootttommen auSgebtlbeter $ifiorifer
für ba« ©ebiet ber mittleren unb neueren <$efchi<hte ganz 0D*r i"nt Xeil be»
herrfchen muß, tann man in propäbeutifdje, eigentlich hiflonfcbe unb hilf«*
TotfTenichaftliche einteilen.
ttl« propäbeutifche ©iffenf chaften finb zu bezeichnen bie Philo,
fopbjt, bie Philologie, bie Äecbt«roiffenf<haft , bie «Rationalötonomie unb bie
Geographie. 3n ber Philosophie ift bie Äenntni« minbeften« ber ©efcbichte
ber ^Ijilofopbte, ber ?ogit unb ber Pfocbologie zu wünfchen. Auf bem (Gebiete
ber Philologie ift, neben ber Befjerrfchung ber für ba« ^tftortfc^t Jorfcbung««
gebiet jeweils in Betracht fomineuben Sprachen, orf orberlich , bog ber an-
440
Mitteilungen unb Nötigen
gehenbe fcifiorifer auf irgenb eine SBeife, fei e* im Äotteg, fei e* im ©eminar,
bie Äunft philologtfeher Äritit unb $rrmeneutif rennen gelernt b>be. Um
ratfamflen ift e* b^ierju, ein philologifche« $rofeminar &u befugen. Nicht
minber müffen btm $ifiorifer bie (Brunbbegriffe ber 3uri*pruben) geläufig
fein, möge er fte fich nun in recbt*miffenfchaft(icben Uebungen ober burch $ören
minbeften* eine* Solleg* über ^nftitutionen (unb womöglich auch über römifa)e
We^t*gefdjid)te) angeeignet haben. 2>abei bleibt an fich ein noch tiefere* (Sin«
bringen in bie 3uri*prubenft, in*befonbere bie *3ef$äftigung mit Streben-,
Staat*' unb ©ölferrectjt, wünfdjen*wert. «uf nationalöronomifchem ftelbc
bebarf e* einer genauen Senntni* ber tbroretiföen unb prafttfrben National»
öfonomte uub ber ftinanjwiffeufcbaft; anjuflreben ift ferner ein «Berßänbni*
ber politifeben unb jojialen £heorieen, wie einige Vertrautheit mit ben e(emen<
taren SNethoben ber ©tatijtif. $n ber ®eograpt)ie banbelt e* ftdj nament»
Iid> um bie politifeben unb ethnographifchen Xeile ber 2)i*jiplin.
Sie eigentlich t> i fl o r i f cf» e n ©iff enf ctjaften ftnb bie ber politifdjfit
®cfd)id)te, ber ffiirtfchaft«*, ©ojial-, fRecht*« unb -8erfaffung*gefcbicbte unb
uub bei* ®eifte*gef dachte (ftunftgefchichte , ?itteraturgefcbichte unb teilweife
£ird)(ngefd)icbte). 35er $if)orifer mufj, gleidjgiltig auf welchem öebiete biefer
©ebroefterroiffenftbaften er im befonberen arbeiten will, mit bem «Stoff unb
ben SRettjoben aller birfer 35i*jiplinen Oerrraut fein. Namentlich ift fefl-
jub. alten, ba& obne genaue Äenntni* ber ©irtfdjaft*., ©ojtaN, Werbt*- unb
!Berfaffuug*gefd)id>te fein tiefere* «crftänbni* ber polttifc^en <»efd)i$ie, ohne
Ärnntni* wcnigflen* ber Äunftgefd)id>te fein tiefere* ©erfiäubni* ber ©eines«
gefliehte $u erreichen ift . 2)arum ift ju forbern, bafj ber angebenbe ^»tfkortfer
fich nic^t blo* ein befHmmtc§ ffliffen in biefen $t*)ip(inen aneigne, fonbern
auch wcnigflen« auf ben ^auptfädylidyfrnt (Betteten burd> Teilnahme an ben
einfeblägigen Uebungen fteb diuftcbt in beren fpejififche «rbeit*meibobe Der«
f «baffe.
Sie $ilf « wiffenfehaften fann man in allgemeine unb befonbere ber
einzelnen biftorifchen Disziplinen teilen. Hflen Disziplinen gehören an bie
Chronologie, bie ^aläograpbie unb bie allgemeine OueQenfunbe (£ijtorio«
graphif); fle müffen mithin unter allen Umfiänben fiubtcrt toerben. gär
politifche unb ©irtfehaft*«, @ojial>, SHec^tö- unb @rrfaffung*gefchi(hte ift ferner
bie Siplomatif (Urfunbenlehre) unerläßlich- 2>ie $ilf*miffenfcbaften berÖJeifie*.
gefchichte (^nfcbriftenfunbe , 3fonographie, SNetrif, ©prachgefchtchte u. f. ro.)
tonnen bagegen ben fpejiellen Jüngern biefer ©iffenfrbaften oorbehalten
bleiben.
II. Sie Äoöegia wie bie Uebungen foroohl in ben propäbeutifchen al*
auch in ben htftorifchen ©iffenf «haften werben an uitferer Unioerfttät meif) fo
abgehalten, bafj fte ohne weitere ^orauSfe^ungen al* bie einer <8umuaftal*
bilbitng ait* ftcb felbfl berauö oerftänblicb, ftnb ; böchfien* in ber $btlofophie
unb ber Nationalöfonomie wirb teilmeife eorau*gefcfct, bog berjenige ®ang
in ber Aufnahme be* Stoffe* eingehalten wirb, welcher oben burch bie Weihen*
folge ber genannten ÄoHegia angebeutet ift. (£* fleht mithin ben Äomraili»
tonen an ftch frei, fich ber gefchidjtlichcu Siffenfdjaft in berjenigen Weihenfolge
ber (Singelbi*jiplinen ju bemächtigen, welche jeber feinerfeit* für richtig hält.
Gleichwohl iaffen fleh au* ber (Erfahrung be* Pebramte* h<rau* einige SRat«
jehläge erteilen.
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Mitteilungen unb ftottjen
441
3m aügemeinen merben bie erften ©emefler am befreit ben propfibeu-
tifdjen Qiffenfcbaften unb bem #ören politifaj.gefcbidjtlidjer Aottegia geroibmet
merben. SJabei ift in ben fpe^ieO gefd)i<btltd>en ©tubien (immer abgefeben
von bem ber alten ©efcbidjte) mit bem Mittelalter ju beginnen, obue beffen
genaue Acnntni« eine tiefere fcuffaffung ber neueren <8efd)id)te unmöglich
ift. $araUe( birnuit fanu bie £eilnabme an ben oorbereitenben Jturjen im
biftorifdjen ©eminar, aud> bie Aneignung ber bilf«miffentd}aftlid>en 2)i«jiplinen
laufen. 3n ben mittleren ©emeftern mürbe bann ba« ©tubium ber ©irt-
fcbaft««, ©ojial«, ffledjt«. unb 8erfaffung«gejcbicbte foroie ber ®eifie«gef(bi<bte
binjutreten; jugleid) foHte ju ben Oberen Surfen im biflorifdjen ©eminar
nie J» iniiflgeid;td)tlid>en, bejro. litterargefdndjtlidjen unb gefd)id)tlid).f*atij«fcben
Uebungen fortgefdjritteu werben.
2>iefe ©emefter merben bann ber Siegel nad) aud) biejeuigen fein, in
benen ftd) auf ©runb aümäblidjer Seuntni«nabme ber gefamten ^iftorifd^en
$i«jiplinen eine beftimmte Weigung (unb ©egabung) für irgenb ein befonbere«
(iJebiet ober irgenb eine «ßeriobe bfrau«fteflt. 4« ift roünfd)en«roerl , ba&,
natfjbcm eine grünblidje Aneignung allgemeinen ©iffen« unb jeglidjer b>fto«
rifdjen STOetbobe flattgefunben bat ober roenigften« auf« lu*reid>enbfte an«
gebabnt ift, nunmehr biefer Neigung nachgegeben werbe, ©ie roirb bie
neben ber fcuSbebnung be« SBiffen« abfolut notwenbige Vertiefung in bie
(Sinjfltjeiten irgenb eine« ©toffe« ergeben unb bamit ftugleid) ben Stbtdjlufj
be« ©tubium« t)erbeifttbren , wie er in ber $robe einer roiffenfcbafUidjen
l'eifhing ju erfolgen bat.
III. £>er ©tubienbereid) unb ©tubiengang, wie er bi«ber befprodjen if»,
gemöbrleipet eine uad; allen ©eiten bin abgefdjloffene biftonfdje ©Übung.
(Jcine foldje gebt in einigen fünften Uber bie Slnforberungen, weldje nadj bem
H>rüfung«reglement an fünftige $ebrer ber 9Rittelfd)ulen ((Bpmnaften u. f. ro.)
gefleüt merben, binau«. Sie fünftigen Sanbibaten be« ?et)ramte« merben
alfo bie SRbglidjfett baben, oon bem aufgefleOten Qitle nad> gcroiffen ©eiten
bin abjuroeidjen. ©ie merben iu ben propä'beutifdjen $äd)ern einige Vor*
lefungen (j. ©. ftinanaroiffenfdjaft) entbebren rönnen, fie rocrben aud) in bem
©dudje ber Uebungen, namentlich fomeit fie au« bem eigentlichen *8ereid) be«
biftorifdjen ©eminar« t)eraudfalleit , ficfj Öfidjränfung auferlegen, fie merben
enblid) ben $itf«roiffenfd)aften nidjjt übermäßige Sufmerffamfeit juroenben.
ftür fie gilt e«, neben einer ©cbulung in ben ba»ptfäcblicbflen r)tftorif<^rn
SJtetboben, fi<b namentlitb ein fiebere« unb umfaffenbe« b»fiorij<b«« ©iffen
anzueignen.
$ür diejenigen bagegeu, bie ftdj innerbatb be« febrerberuf« einmal
bifiorifd) roiffenfd)aftti<ber Xbätigteit ober au§erbalb be«felben einmal völlig
ben fpegiftfd} bißorifeben berufen, brr atabemifttyen £aufbat)n, bem %rd)io«
bienß u. f ro. roibmen motten, ifi e« unerläfjlidj, ba8 aufgefteflre Qitl doQ
in« Buge $u f äffen. 2>ie mit (Erreichung be«fe(ben fid) ergebenbe AuSbilbung
bilbet jugleid) au<b bie befic Vorbereitung für bie Sbätigteit be« fünftigen
Xage«fd>riftfiefler«.
3nbem bie i'ebrer be« b,if)orifcben ©eminar« ben SDfitgliebem be*felben
bie oorfiebenben ©emertungen iu bie ^anb geben , erft&ren fie ftd) jugleid;
bereit, mit jebem ber Kommilitonen, ber bie« roünfcbt, in eine genauere 33e*
fpred^ung über ben oon ibm geplanten ©tubiengang einjutreteu. ©ie unter-
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i'iitteilungen unb Wottjen
taffcn jebod) nic^t $u bemerten, ba§ fte ibre SRatUbläge, foroobl bif b»r ab'
gebrudten wie bif münblicb ju erteilenbeii, memal« im ©inne tiner binbenbrn
Borfdjrift, fonbern nur im Sinne einer jn beberjigenben "iRittettnng geben.
3eber »ommUitoue bleibt für Die Art, roie er fein ©tubium einridjtet, felbfi
oerantroortlioV'
+
Jöeftrebungeu in Stiftung auf gemeinfame ober größere
$ublifattonen auf bem Oebiete ber Äulturgef<bto}te.
'Der £erau«geber biefer 3eitfd>rift ift feit längerer 3eit bemubt, ba«
^ntereffe mafjgebenber Äretfe für grofje OueÜenpublifationeu auf bem Äebiet
ber Multurgefcbicbte aualog beu großen 'JJublifationen auf po!ittfcf;-^tflortfc^em
©ebiet roacbjurufen. Die bi«ber gepflogenen Betbanblungen ftnb uo$ ni<bt
fororit gebieben, bafj bie Ceffentlidbfeit bamit 31t befebäftigen xft.
3nbeffeu mebren fta) bie 2lnjeto>en, bafj bie publijierenbe Xbätigfeit auf
fulturge^idjtlidjem ©ebiet inber$bat in abfebbarer 3eit ei n e gr ojje © teig e-
rung erfabren roerbe. ©o ifi, roie mir oben gefeben baben , aua> oou ber
bind) beu ?eipjiger ftiftorifertag in« febeu gerufenen unb in 5Tflnffurt be«
feftigten Äonferenj ber Bertieier ber berjebiebenen beutf(ben ^iiblifattnnd*
inftitute ju ermatten, baß fte nad) gemeiufamen (9eftcbt«punften eine (tariere
Beröffentlidjung beftimmter Oueflengruppen feiten« ber einzelnen ^nftitute
berbeifflbren wirb 3n bem SÖe grüfjung«artifel, ben bie granffurter
3eituug bem ftiftoritertag rotbmete unb ber bon einem b«oorragenben
$iftorifer ftmflbrt. futb tiefe Beflrebungeu al« befonber« rofinf(ben«roert be
jeidjnet. <J« bei&t bort:
„Weben ber 5>i«fufftou ftebt in unferm 3f'ta,,ft Dfr Ai*beit«teilung
überall bie Organifation: nie bat ber einzelne ein gejeflfdjaftlidjere«, Don
anbern mebt abbängige« 2>afein gelebt. Äud) in ber Organifation ber
©cfcbidjtöforfdjung bat ftd) neben ba« Alte ein «Reue« jn fteüen begonnen.
Die politifd>e ©efd>i<bt«fd>reibung beburfte eingebenber Äenntni« ber OneÜen
ber Aflgemeingefdjidjtc unfere« nationalen ©taat«leben«: in groften jentralen
Qnftitutionen, in bem Uuternebmen ber Monumenta Oermaniae jur $erau«<
gäbe unferer #iftortfer be« 9Rittelalter«, in ber Brgrünbung ber $ißorif<ben
ftommiffton bei ber 3RÜnd?euev Afabrmie ber SBiffenfdjaften mit ibren Be«
arbeituugen ber SReid)«tag«aften, ibrer Verausgabe einer allgemeinen beutfdjen
©tograpbie u. a. m. bat fte ibre Aufgaben ju löfeu gefudft. Die Äuttur-
gefd)id)t«jdjreibung fiubet ibre Cueücngebiete im fötalen unb Panbfdjaft-
lidjen; fte bat auf bie Aeuöerungen be« Üeben« ber OefeBftbaft. bie naturgemäß
faft immer oereinjelten (Sbaraftev tragen, ju aalten: ibr ftnb 9leobnung«bflo>er
unb ^ribatbriefe, Xorfreibte unb Vanbr«orbnungen, Urfunben unb $ainilien>
aften, SHorgenfpradjen unb 3unfxflatuten gleitb rotdjtige Xenfmäler. Sin
unermefjlidjer ©cbafe liegt bamit bor ilje auggebreitet: roie tbn bfben? 3n
biejem fünfte bat bie Arbeit ber Dielen ©efa)icbt«üereine fett mebr al« jroei
SWcnfdjen altern Dornebmliib eiugefetM; unb feit böcbflen« jroet (Jabrjebnten
Ttnb ibneu in ben roidjtigften PanbeStetlen befonbere ^nflttute, bie ftd? bie Ber.
öffeuttidmng üoruebmlicb fulturgef<bicbtli(ber SRateriatien jur Aufgabe mao^en,
gefolgt: bie tjiftorifcben 5<tommiirtoneu in Baben, SBürttemberg unb &ad>fen,
bie ©efeflfdjaft für rbetnifetje ®cf(bi(bt«tuube u. a. m. 3u furjer j$t\t baben
iWttetlungen unb Stotigen
443
fte üu§erorbentItct)eS geleiftet; fcöon liegt ein unglaublich reicher ©toff für
eine tünftig jujammenfaffeube ©efcbicbtsforfcbiing bereit.
Uber eben mit ber Wotwenbigfeit, ibn weiter *u orrarbeiten, beginnen
noch nicht oöttig gelöftc ©cbmterigteiten. ©ie ibn beberrüben, wenn er nicht
üerglei<bbar ift? SRan fleht wohl: ber emfigen Arbeitsteilung, ber allent*
balben tu beutfebeu tfanben bie <ßublifation f u(turgrf(^id}tlic^er Stoffe im
weiteften Sinne beS SSorteS oerbanft wirb, muß eine ftrbeitSoereiniguug
entfpreeben: mau mufj ftcb, bei meitgehenbfler Freiheit im einzelnen, !lar
werben über eine Craanifatiou, bie bie wiffenfcbaftlicbe ©erqleut, barfeit ber
gebobenen unb gu bfbeuben ©ebätje oerbürgt. SS ift eine Aufgabe oon weit-
tragenber SBebeutung; eine itoufereng ber Vertreter roiebtiger VublifattonS-
inftttntr, bie in Verbinbung mit bem £iftorifertage jufamnientrrten wirb, foU
ben Anfang machen, fie gu löjen. "Kögen auch, ibre Beratungen aUe üöünjcbe
erfüflen, bie ftcb au Tie fnüpfen."
UebrigenS ftnb ärmliche, auf gemeinfame $ublifationen gerichtete Ve«
ftrrbungen tt)attraftig oon r>. 3wiebined in ©rag oerfolgt worben, im Au»
jcbln§ eben an bie Leipgiger Verbanblungou. ffiir freuen uns, in bem foebeu
ausgegebenen H. Bericht ber „$iftorifcben ?anbeSf ommiffion für
©teiermart" freu Snbalt einer Dentfcbrift gu Rüben, bie ^3rof. o. 3roiebinecf
bem öflerretd)i)d)ru ftultuSminifter überreicht bat. öS ift gmar t)ier nur ein
Zeil ber äulturgejdncbte, bie BerfaffungS unb VerwaltungSgefcbicbte, in«
Auge gefafjt, unb aueb nur für bie öfterreiebifeben Räuber ein gemeinjames
Vorgeben geplant: aber immerbiu ift b>r bod) bie wünschenswerte 3entrali.
fierung ber ftorjebung erftrebt. Der wefentlicbe ftnbalt ber Denfjcbrtft lautet:
„öS banbelt Reb barum, ein Gebiet ber tiMdjicbtSwtffenjcbaft , baS oon
einzelnen, getrennt arbeitenben Jorfcbcru niemals eria)öpfenb bebanbelt werben
fanu, fc ab urd) eittwtdelungSiäbia. gu machen, baß bie (druublagen beSfelben
burch gleichzeitiges {Birten jablrr icber Äräfte an oerfchiebenen Orten, aber
unter einheitlicher Leitung uut> mit Beobachtung feftftebenber formen, t)tx-
gepellt werben.
Obwohl burch namhafte ^iftoiiüer Die oerfchiebeufteu $artieen ber fBivt-
jchafi«ge|cbichte bereits ericbloften mürben unb .fcunberte oon Vereinen für
$roOiugial> unb S'otalgefebicbte Detail- Srgebuiffe Oer (Singelforfcbung in ibreu
$ubltfatiouen uieberlegen, lägt ftcb bo<h oon biefen Semübungen nicht er*
warten, bafj fte gu einer frften Begrünbung biefeS wichtigen Seiles ber
£ultiirgcf<hicbte führen, baß ibre Slejultate ben Anforberuugeu entfprethon
iverben, bie an bie <#ejcbtcbtSforfcbuug gefteüt werben.
Dieje Anforberungen ftnb nicht nur toiff enfrbaftltcbeit UrfprungeS — fte
ftnb mit großer (Sinbriiiglicbfeit auch oon ber polittjeben ^rariS erhoben
worben. Die mobernr Verwaltung t)a' baS BebiirfniS. in einer immer
wacbjmbeu 9ceibe 0011 wirtjehaftlichen fragen bie Voratten frnnen gu lernen,
b. h- erfahren, wann unb unter weichet! Umftäubeu biefe fragen bereits
aufgeworfen woiben ftnb, unb wie bie Verwaltung früherer &<Htn gu ihnen
©teUung genommen, fta> mit ihnen abgefunbeu hat. AUmäblicb gewinnt bie
Anficht, bie ber boltrinäre Liberalismus ein Oabchuubert lang gurüdgebrängt
hatte, wieber au Verbreitung, baß eS gu großen Irrtümern unb Fehlgriffen
führe, wenn jogiale Bewegungen nur aus Dem OieftcbtSpunttc ber (Gegenwart
bftrachtet unb beurteilt werben; man erinnert ft<h , baß eS ähnliche <£rfd)ei<
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444
Ucitteilungen unb Wotijen
nungen, tote fie un* gf"te befcpäftigen , fcpon längfl gegeben pat, baß e*
baber jur nötigen tfrfenntni* berfelben bettragen tonne, wenn man ber
©egenwart ba* ©piegelbilb ber Vergangenheit oorpält, in bem ftep bie 9nt>
flepung, Cntwicfelung unb Veränberung biefer (Srf Meinungen beobachten lägt.
Die ©efepiepte foll neuerbiug* in ihr bewährte* Amt al* ?eprmeifierin ber
Menfcppett eingelegt werben; fte oermag aber auf ber ©rufe, bie fte gegen*
märtig einnimmt, bem an fte ergangenen {Rufe niept ju folgen; benn bie
moberne Verwaltung fragt niept naep ben Verwicklungen unb ?öfungen ber
äußeren ^olitit, fte miß niept über Unterpanblungen unb «bmaepungen ber
Diplomaten unterrichtet, niept mit Ärieg*' unb $ofgef<picpten, auep niept mit
ftfinftler* unb @ele t/rten - ©iograppieen abgefertigt werben; fie oerlangt ju
miffen, in welcher SBeife man in früheren $t\ttn bie Änfprücpe Des 3nbi«
otbuum*, ber ©efeöfepaft unb be* Staate« in CSinflang }u bringen gefutpt
bat, wie in biefer unb jener Spocpe oermaltet morben ifi.
®$ toirb ipr nitpt wertlo* erfepeinen, toenn bie tpr geboteneu Suffcplüffe
fotoeit jurüdreupen, al* bie gefcpicptlicpe ftorfepung überhaupt retept, fte wirb
alfo auch au* bem Altertum unb früheren Mittelalter aufflärenbe unb be>
leprenbe Mitteilungen bantbar entgegennehmen; Oon eminenter ©icptigffit
iß it)r aber ber Snfcpluß an bie Mari nun ber ©efepgebung unb Regierung
jener (Bpocpen, au* benen bie mobernen 3uftctnbe gcroorgegangen ftnb unb
in benen fiep ba* öffentlicpe unb $rto atieben unter Vebingungen abgefpielt
bat, Die jum größeren Zeile nocp peute oorwalten. ©ie muß oon ber epriß-
licp«feubalen ©efeüfcpaft au*gepenb bie (Entftepung be* mobernen Staate*
ocrfolgeu unb fiep barüber Älartjett oerfepaffen fönnen, mit in ben 3toif<pen*
ßabien ba* wirtfcpaftlicpe feben orgamftert mar, fte muß bte ©efepiepte ber
Arbeit unb ibter Entlohnung, be* Vertepr*, ber ©flteroerteilung, br* ©titer«
taufepe*, ber 8eiftungen im öffentlichen (Jnterrffe, Sinflu§e* religibfer unt>
politifcper 3been auf bie fojiale ©lieberung ber Stulturßaaten fentten lernen.
Diefe Äenntnt« tann aber peute nur oberflächlich unb lüctenpaft geboten
werben. Wotp liegen in ben ©taat*«, Panbe*», ©labt- unb §amitienarcpioeu
Xaufenbe unb laufenbe oon fta^ifeln aufgefpeiepert, beren Onpalt über alle
Richtungen ber Verwaltung in ben legten fünf ^aQrpunberten ^luficplufj
geben fönnte; bie Meprjapl berfelben ifi aber feit oielen (Generationen un»
berührt geblieben, bie wenigen 92oti|en, bie barau* entnommen würben, ftnb
jerftreut unb ferner ju fammeln. <£* bebarf eine* gewaltigen Jhraftaufwanbe*,
um ba* Material nupbar ju machen, ba* in ben feltenßen $äüen «a*'
einanberfepungen, fonbern metft nur einjelne Xpatfacpen bietet, bie er« in
ihrer Orbnung unb fpftematijcpen 3ufammenßellung ein wiffenfcpaftlicpeS
ffiefultat ergeben. — Die ©ammlung, Orbnung unb ©Uptung biefe* bi* nun
faum ju überfehenben Matertale* muß naturgemäß naep Verwaltung*«
gebieten erfolgen. 911* folche ergeben fiep in Oeßerretcp bte $r Döingen,
bie )um großen Xeile fchon oor ihrer Oereinigung jum ©efamtftaate auto«
nome ©efepgebung*« unb 5Regierung*.Organe befeffen haben, mit benen bie
fcerrttorten unb Dominien in Vejtepung getreten ftnb. Die Materialien |ur
?anbr*gefcpicpte werben teil* in ben PanbeSgauptfiäbten bewahrt, teil* ftnb
fte oon benjelben au* leicht $u errei«pen.
(£* war baher fein Vorgriff, fonbern ein rooblbebacpter, in ben Verhält«
niffen begrünbeter ©chritt. a(* bie fteier märfifebe ?anbe*o ertretuna.
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iDtitteilungen unb Ufotijen
445
einer üon tyr begrünbeten $tPorifd>en Panbe«.Äommifpon bie «ufgabe gepellt
bat, tbre XQätigfeit anf folgenbe (Bebiete ju erpreden:
a) auf bie ®ef<bi$te be« ?anbtage« unb ber ©tfinbe, bie Cntpebung
unb (Entwidelung ber lanbe«fttrP(id)en {Regierung, bie Qerwaltung
bei £anbe«, bie (0efetya.ebung unb ba« ©erorbnung«wefen im Panbe;
b) auf bie 4Befd)id)te ber Verwaltung burd; päbtifdje unb grunbberrlidje,
geiplidje unb wettlidje Obrigfeiten mit befonberer »lüdpdjt auf ba«
Untert^anenoerb; ältni« ;
o) auf bie (Befdjicbte ber firdjlidjen unb fonfefPoneden ©erbältniffe im ?anbe ;
d) auf bie @efdM<bte ber Jtolonifation, ber tJrobuftion, bei $anbe(« unb
©erfebr« im Panbe mit WüdPdjt auf bie Vnpeblung in Dörfern,
©täbten, Surgen, Scblöffcrn, ferner auf ben ©obenbau unb bie fßirt*
fdjaftS' ginridjtungen be« (ftrunbbePtye« , enblidj auf ba« gewerblidje
unb inbupriefle Peben, namentlidj ben ©ergwerfbetrieb, bie ©alj« unb
(Rfengewinnung.
3)urd) bie ibr Dom peiennärtif<ben ftuibtage gemibmete Dotation, burd)
regelmäßige Unterftüfeungen ber ^tftorifc^rii %bel«fami(ien , benen pd> nodj
bie bon geifMiä)en unb meltlidjen Äorporatiouen anfd)(ießen foBen, ift bie
Peiermärfifd>e ?anbe«»Äommifpon in bie ?age oerfefct morben, ibte Arbeiten
beginnen ftu tonnen, ©ie burfte in ifcrem ^weiten Xbätigfeit*beria>te bereit«
für ba« laufenbe 3ab,r ba« Örfd)einen ibrer erpen $ublitationen in *u«pd)t
pellen, burd) weldje bie Duetten für eine ©erwaltung«gefd)id)te ber ©teier»
marf aümäblicb erfdjloffen werben fotten. 35ie (Srreidjung eine« b^b^en
itfiffenfcbaftlidjen Qitlti, an bem and) bie leitenben Äräfte größerer paatlidjen
Organismen lebhaften Anteil nehmen fönnen, ip jebodj nur bann ju erwarten,
wenn bie in ©teiermart begonnene ftorjtbung gleichzeitig auf eine möglid)P
große ßabl anberer ©ermaltung«gebiete au«gebebnt wirb.
3n ber ju Opern biefe« Qabre« in Peinig öeranpalteten j weiten
S> erfammlung beutfdjer $iporifer würbe bie 3medmäßigteit ber «hu
ridjtung ber peimnärtifdjen Panbe« • Äominiffton aüfeitig onerfannt, jebod)
barauf Iptngemiefen, ba§ pd> ber ©erpflanjung berfelben auf bie fänber be«
2)eutfd)en triebe« große ©djwterigteiten entgegenPeüen , weil pd) in biefen
bie mobernen ©erwaltung«gebiete mit ben b'Porifdjeu in ben feltenPen ftäflrn
beden. 9Ran glaubte baber, oorläufig nur babin Wirten ju tonnen, baß bie
bereit« bePebenben Afabemieen, ÄommifPonen unb ©ereine, bie pd) ber $eran«-
gäbe biporifdjen SRateriale« in größerem SKaßPabe wibmen, pd> gemeinsame
3iele fePpeüen. 2)er ©efdjluß , e« feien mit ben tünftigen ©erfammlungen
beutfdjer $iporifer Beratungen Don Vertretern ber bebenter.bPen ^ublifation«»
Onpitute hü oerbinben, foü jur ©erpänbigung über biefe §\tU unb bie Wittel
ju tyrer ©erwtrflidjung fttbren.
©iel günpiger al« im ©entfeben ffleidje liegen bie ©erbält.
niffe in Oeperreidj, in ben unter bem ©jepter unfere« $errfd)er$aufe«
feit ftabrbunberten Oereinten ftönigrrid)en unb Pänbern, oon benen bie meipen
uralte, bi« auf ben heutigen Sag erbaltene ©crwa(tung«gebiete barPetten.
Huf bem ©oben biefe« SReidje« fann bei entfpredjenber ©erwertung ber oor*
banbenen Äräfte unb nötiger Arbeitsteilung für bie iMfjdiicbte ber ©erfaffung
unb ©erwaltung eine monumentale QJrunblage gelegt werben, bie für anbere
©taaten muPergiltig werben würbe.
446
Sttittrifuugen unb Worten
GS roirb Jid) jeboib au^ in biefem n> i f ff n fdjaf tlid? cn ©erte
ber ©egen ber 3cntraüfattott nuv bann beroäbren, wenn bura>
b i e f e b a S Streben ber £ e i l e u a d) SBelbätigung inbt&tbuelten
i'fbeuß nidjtgct^inbrrt, jonberngefräftigt uubjur?öfungroett*
aus greife über, großer 3u f g a be n b'rangejogen roirb. Obne 3n>'M'l
werben einzelne l'änber nad> brm ©eifpiele bcr ©teterinarf febf bead)ten$>
werte Grfolge erringen; biefe werben jebod) wegen ber «erfdjiebenbeit be;
jii (Gebote ftebeuben SWittel nidjt gleid)wertig fein tonnen, DorauSftdjtlicb and)
erfi in weit auSeiuanberliegeubeu 3eiiräumeu jutage geforbert Werben, wenn
ntcbt öon ©eite ber b»ben foiferlicben Regierung bie 3nitiatit>e ftu einer ein*
betthdjen flttion ergriffen wirb. $5te öfterieidjifdjc Regierung bat aud) eine
ganü befonbere ^eranlaffung, ibre SCnfmertfamfett ber ©egrünbnng einer mit
miffenfdjaftlidjer Äritif bearbeiteten ©erfaffung«- unb *>erwaltungSgefd)idne
jujuroenben. 3» feinem onberen Staate bat baS ^iftorifc^e 3iea)t
eine fo af tu eile 33 et) eutuug als in Oefterreid). GS liegt im Staat».
3ntereffe, Jag bie 3>enftnätfr beSfelben erhalten, oor ißerfcbleppuug ober Gm-
fleQung bca»abrt unb ibjein äßefen nad) geprüft werben. 9lur burdj ftreng
fadjgemäße Uuternid)ung föunen bie $um leil uuflaren ©oiftefluugen fiaatS>
recbtlid^rr Watur berid)tigt unb ©djlagroorte aus ber SBelt gefdjafft werben,
beren ©erbriituug nur auf bem 5iäb,rboben b'ftorifdjer ?egenben mögltd) ift.**
*
9teue O lieber:
Spaniers iöuftr. SBeltgejdjicbte m. bef. ©erüdjkbt. b. Äulturgefdudue.
3. *ufl. $b. 8: ©. $otj, 3üuitr. ®efd). ber neueften 3eit. Xeil I. Searb.
üon «. Sturmboefel. i'eipjig (XII, «92 Ö.).
Stegoptifcbe unb oorberaftatifdje "Altertümer a. b. fgl. SHuieen ju Berlin
(87 £af ). ÜDitt erflä'r. Xert (31 ©.). »erltu.
Peop unb Pudenbad), 2>aS Forum Romanum ber Äaiferjeit.
2Hünd)en (21 2 Xaf ).
9t. Äleinpaul. J)aS ÜKittelatter. 1». u. 20. ?fg ?eipjig.
9. l'iub eufebmit ©obn, £ie Altertümer unferer fyeibnifdjen $orjrit.
IV. »anb. 9. £eft. fliainj (lö © , »i £of.).
3. ©djueiber, £>ic alten $eer. unb fcanbelSmege ber Oermanen,
Börner unb ftranten im beutfdjen 9tetd)e. $eft 10. ftrantfurt a. *K. (22
I iaf.).
^fleiberer, 2>aS beutj<be Mationalbewu&tfein in ©ergaugenbeit unb
Gegenwart, ©erlin (28 ©.).
A. ©ergmann, QJejdjidjte ber Oberlauft|jer ©ed)Sftabt ?öbau bis jur
Teilung SacbienS. «ücbofSroerba (VI, 198 S.). - «. Cöbmert, Xie ötabt
8fto6wein oon 1834 bis 1894. fciftor., ooirsroirtfd). u. fiatift. bargefteüt. (€tite
beutfdje Stabt in ibrer roirtfdj. u. fojial. Gntroidelung. Gin ©eitr. j. Kultur-
gefcbidMe). Bresben (SOS). — «nfirr, HU- u. 3uug • «egensburg.
ItRegenSburg i>>6 u 35 S. m. v4llan u. Äarte).
SS. Äifcb, Die alten ©trafeen u. ^lä(je dou SöieuS ©orftäbten u. ibre
biftorifd) intereffanten .^äufer. Gin ©eitr. j. Äitltnrgejcb. ©ienS. 60. (Scblufe-)
£eft. 3ötru. - S. ©tief, ÜJefdjidjte ber ©tabt ©ternberg in 9Hä'bten.
©ternberg ^VIII, 88 ©.).
Mitteilungen unb Zotigen
447
%. SBapf, Dag ©irtfcbaftSnjefen ber ©tabt ?ujjern in alter unb neuer
Seit. 3ttri<b (62 €5.). — SWittrtlunqen b. Ijiftor. u. antiquar. ©efeüfdjaft $u
Safel 91. ft. IV: $acftmite b. planes b. ©tabt ©. 0. SWattbaeuS SRerian,
16lö. Webft »eilage: $ie (Sntroidelung be$ ©ajelrr ©tabtbilbe* bi* auf
3W. OTerian (l ^lan, 9 Xa\ ., 19 ©.)
Claeys, Melanges historiqaes et aneedotique» snr la ville de Gand.
©anb (277 ©.).
«. 2Hrttig, ©ejdjidjte ber ©tobt ffiiga. I. ?fg ffliga (48 ©.).
L. Natoli, La civilta Siciliana nel secolo XVI. Palermo (210 ©.). —
F. Savini, II comune teramano nella sua vita intima e pubblica dai piü
antichi tempi ai moderni. Roma (Hl 2 ©.). — Maggiore-Perni, Pa-
lermo e le sue grandi epidemie dal XVI al XIX secolo. Palermo («22 ©.).
ffi. Ulrich, 5>te ^Itifdnge ber Unioeifttät Peipjig. I. ^erfonen.
üerjeichni« t>on 1409b-1419a. Petpjtg (XV, 118©.). - Äluge, $eutfcfac
©tubeutenfpradje. ©tra&burg (XI, 136 © ).
©. «. SWüller, lieber bie frübcbriftlicbeu üerfptnbole üon *<bmim.
^anapoli* in Obcrägppten u. i. b Äatafomben. 3lug«burg (37 ©.). —
SW. ftrief enegger, 3>ie Ulrich«.. Kreuze. «ugSburg (67 ©., 16 laf.).
3- SBiSnar, T>a« Neujahr. (Sine foltloriftifcbe Klauberei. 3naim
(47 ©.) — #. 8. Neifer, ©ageu, ©ebräudje unb ©priebmörter beft Slflgäu«.
$eft 1. Kempten (64 ©.) - J. Teirliuck, Le folklore flamand.
Folklore roythologique. BruxeDes (165 p.).
2)anneil, ©ffdjicbte be$ magbeburg. ÖauernflanbeS I. 2. unb
3 $eft. §alle. — S. Stein cd, 2>rci sJ>flegfftä'tten beutfdjer ©artenfunft,
ibre SdjÖpfer unb ibre ©teflung in Der ©efeptebte ber bilbenben ©artenfunft.
(©amml. gemetnoerft. 95ortr. 215.) Hamburg (59 ©.).
D. SWünflerb erg, Ofiaftat. Äunftgeroerbe in feinen Öejieb. gu (Snropa.
»aperu unb Bfien im 16., 17. unb 18. $bbt. Peipjig (31 ©.). —
8. ©epinnerer, «ntife fcanfcarbeiten. ÜHit einer r>iflor. Einleitung r-on
%. «iegl. SBien (25 ©.) — S. Davydot'f, La dentelle rusae. Histoire,
techniqne, gtatistique. Tradult du msse. i'eipjig (III, 28©. u. 80 laf.). —
P. 33 ed, ©efebiebte t>e« (Sifeu«. II, 1. Lieferung 7. ©raunfebroeig. —
(£. @(broanbäu§er, £ie Nürnberger «leifHftinbufirir unb ihre Arbeiter
in Vergangenheit unb ©egenroart. Nürnberg (VII, 156 ©.).
J. Fi not, Etüde histor. sur les relations commerciales entre la
France et la Flandre au moyen aye. $ax\$ (VII, 392 ©.).
3. Pöroenberg, ©ffdjidjte ber geograpbifeben <Jntbedung*rei|en. Nene
Xitelan«g. tfeipjig (XII, 458; VIIL 418 ©.).
SBeitbafc, ©ejdjidjte be« SBeltpoftoerrinö. 2. Slufl. ©tra&burg
(184 ©.). — ©cbwabe, ©efdjidjtl. Nücfblitf auf bie erflen 50 ^abre be8
preufj. (Sifenbabuwefen«. Berlin (VII, III ©.).
3. 3ür<bev35än3iqer, 2)te (Jntroidelung ber fteucröerftdjerung u.
b. ^euerlöfdjroefen* in t>. ©(broeij. 5t. ©allen (142 ©.).
A. Manoni, II cos turne e Tarte delle aeconciature nell' antichitä.
SWilano (196 ©.). — Schweiger • Lerchenfeld, Costume delle donne.
Disp. 9. üMitano.
*
*
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Mitteilungen unb ftotijen
tteue 3eitfd>riftenauffä*fce:
3eitf$rift f. bilbenbe Äunft ». VI, 6: «. fcaffe, Da* ©abe.
{immer be« Äarbinal« öibbieua.
3eitf<brif t f. dm ftl. Äunft VII, 12: ©1. «e iffe I, flefiitfte u. gewebte
©orbäuge ber römifdjen Äirdjen in ber jroeiten $älfte be« 8. u. in ber erflen
$ältte be« 9. 3bbt«.
3eitf$rift be« ©erein« f. ©olf«funbe V, I: SW. ©artel«, Ueber
Äranfbeit«.©efd)mörnngen; SW. $artmann, ©d)»änfe unb knurren im
i«lamifdjen Orient; O. ©4 eil, ftbgäblreime au« bem ©ergifdjen; <B. Smalft ,
3mei orientalifdje (fpifoben in ©oltaire« 3a^*95 3R- 5Rrbf* ner, Die SBeber»
3enje; 3R. ?ebmanu*$i(be«, Einige ©eifpielc doii $eren> u. Aberglauben
au« ber ©egeub oon «rnflabt unb Ilmenau in Düringen; Äleine SXit»
teilungen.
SRitteilunge 11 unb Umfragen j. baoerifdjen ©olt«tunbe I, 1:
©agerifdje ©afllöfereime.
9m Urquell VI, 1—3: (trjb^iog (Jofepb, Diere im (Klauben
&er 3'9funff; ©iebemann, Äinberebrn bei ben alten Segtypiern;
2. ©d>erman, Die Sterne im iubogrrmanifd^ftt Seelenglauben; ®or*
tori, 3äblen, SWeffen, ©ägen: 3». *»anbau, ?iebe*$auber; *. ©irjpndi,
3u(b«fnltu« in $apan; «. $aaie, Tie ©etterpropbeten ber «raffdjaft
ffiuppin; $. d. ©li«lorfi, Ouälgeifter im ©olMglauben ber «umänen;
Dbeen»©öbo, ©ieneugauber unb ©ienenjudjt; 9.$.$ oft, SRitteitungtn
a. b. ©rem. ©olt«leben; 9. $aa«, Da« Äinb in GMaube unb ©raudj ber
Bommern; O. heilig, üftor^cngrujj au« ber $iemonteferto(onte $inad>r bei
$forjb*im; 8. ftränfel, 3um gofflore über bie grauen; Ib. ©oltoo,
©eelenfpeifung bei ben ©ei&ruffen; 3. jRobinfobn, ber Pirnif bei ben
«leinruffcn ; Äraujj, SRafamen SRinnebeif(benber in ©o«men; «. $erjog,
©loüa!ifd>e ffifitfel; ». Dreidj el, ^olnifdje lieber au« ©eftpreugeu ; «.WageL
berg, Der ©olf jablt mit ber $aut; © $ ono babo, ©prid>roörter troatifdfet
unb flaoonifd)er 3uben ; O. Änoop, ©obelbier unb ©ebbelbier; ©. W. Stein-
mtij, SHoralifdjer ^olflore; §. Oellingb.au«, ©t. ©ernbarb* Parabel unb
$ermob« ©ttte für ©alber; G. ^eter« u. 8. ftränfel, Sin beutjae«
«Rationalroerr unb SReifterftüd ber ©olf«funbe: «. fcreidjel, «Üerneuefte
^odjüciten; O. $ eilig, ©olf«lieber au« ©aibflabt b. fceibelberg ; O. ©d>ell,
?egenben au« ^aläftina; (5. Äulfe, ©pottlieb a. b. fübl. gRä'bren; 3 ffiobin-
f 0 b n , SRä'tfel galijifdjer Rubelt ;% ©iebemann, Ungerecht ® ut ; %. ft. C b a m «
berlain, Die '.Natur unb bie Waturerfcbeinungeu in ber SRnttjologie uub
©olf«funbe ber »merifa«; ^. 5f»lDfr9» ®tx öamppr;
(E. Wabern aaVr, SRatftttrn am Wb«n; 8. ^rränfel; $etgolänber ©ogen II;
S. Äulfe, 3ubenbeutf(be« ©olt*lieb; (£. ©(bumann, ?aternentieber an«
?öbed; «. Dreisel, Änetftlobn im «rmlanbe. — ©eiträge ju oerfa>iebenen
Umfragen.
©lätter für $ommerfd>e ©olfflfunbe III, 1—6: 9. $aa«, De
^ertbe gifft Q)ra« un füllt ©dftinen un ftafc; <S. Änoop, ©obe uub ba*
£)obebier; ^aa8, ^ommerf<be 9(aucbbäufer ; C. Änoop, Die ©omamen in
Bommern; SWänben, ©o(t«!unbe unb ©olf«fagen; Aberglaube u. ©rau^.
«feiger f. f (broei jer. «ltertum«f unbe 28, 1: ®. lobler, Äultur-
gef<bic^tli(be SRittetlungen.
äHitteilungen unb Wotijen
449
Seitfcprift f. b. beutfd). Unterrt(pt IX. 4; «. $ilbebr an b, Warnen
mit unb opne ©ebeutung.
Mitteilungen aus beut g er man. 9iationalmufeum 189ö. iBogen
1—6: ©oeftp, £ra«mu« Äampn ober Sra«mu« Äo«ler; (0. o. $ejolb,
3)er Xifd) be« ©igmunb ©epleicper unb ber Kegina IRrplingcn; ^ampr,
Sin tfobfprudj auf baä tfammacperpanbroerf oon tpoma« (BriQenmair unb
©»beim ©eber.
ÜlrdjtP f. $oft u. Selegrapp ie 1895, 9?r. 2: $oftgef$ic$ta<$e* a. b.
3eit Äaifer SWariatilian« I.
^aprbuip f. ©efefcgcb., ©ertoalt. u. © olUroirtf <paf t XIX, 1:
0. Wartung, 2>ie Äug«burger 3uWflg*ftfUcr Don 1 475. Sin ©eitr. *ur
(Seftp. b. ftä'bt. ©teuermefen«, foroie ber fojialen u. Sinfommen«oergältniffe
am «u«gang be« SR..« ; ©ernapit, 2)er Mnar<pi«tnu$.
$reu§if(pe 3aprbü<per 79, 2: Seier, Ueber ben Urfprung ber alt.
amerifanifcpen Äulturen.
3eitf(prift f. fatpol. Speol. 1896, 2: «. «röfc, 3>ie Äirtfje unb bie
©Kaperei im jpäieren SR.*3l.
SUtpreufjifrpe SRonat«f<prif t 31, 7/8: Sl. $reicpel, öoltttüml. au«
ber $ftanjenroe(t (ftortfepung).
(Srenjboten 64, 13: «. ^pilippi, 3ur «ef<P«9tc ber feinen ©itte.
15/22: ®.©enfeler, Änabenerjiepung unb Änabcnunterridjt im alten $efla«.
populär. toiffenftp. 9Konatdblä'tter J. ©elcbr. üb. b. 3uben-
tum 15, 4: 3. $et(bronn, 80m $anbtoerf im alten 3|raei.
3eitf<prift für Stpnologie XXVIt, 1: «. «nbree, 5>te ©übgrenjf
be3 jäcpfifcpen $aufc« im ©raunf<proeigifa)en.
3 eitfc^rift be« 3Rün<pener «ltertum«Peretn» VI: 3. feigen*
moofer, 3>arfteQung be« ©egriffe« „fcreue" bnrrp bie 3iffer 8; 0. HRünfler-
berg, ©apcrn unb »pen im 16., 17. u. 18. $pbt. Sin ©eitrag j. Öef(p. b.
oftaftatif<pen jtunftgeroerbe« in feinen ©ejiepungen ju Suropa.
3eitfcprift b. 9er. f. £übc(f. ®cfcp. VII, 2: ß. ©eprmann, 2>ie
?übedifcpen ?anbgüter I; ?en$, 2>ie altfä<pftfcpen ©aucrnpäufer ber Um'
gegenb ?flbed«.
«beinif(pe Öefa>i(pt#bl ätter I, 10: Ä. ©cporn. Sine rpeinifdje
Äleinftabt oor 60-70 ^apren; GHerlicp«, 3)a« SRartin«feuer in ber Sifel
unb am Wteberrpein; 10/1 1 : Dirffen, ©olf«[unbtt<pe« au« SReibericp (Jort-
fepung).
3eitf(prift f. Paterl. <Slef(p. (©eflfalen) 52: Xenpagen, Urber
bie orebenfdpe ©irtu«fage; ©. 9tibbed, ©riefe SRotger Xord« an ^ferbinanb
o. $tirfienberg; 9L Selbmann, ©eftfälifcpe ©tubierenbe gu Srfurt 1892
bi« 1613.
3eitf(prift b. (Befellfcp. j. ©eförb. b. ®e j cp i(pt«. :c. fuube oon
^reiburg 11: 3. Weff, SMartgraf ^afob II P. ©aben unb ber Rumänin
$pil. ©eroalbu«; $. STOaper, iie UniPerfität ^reiburg i. b. $apren 1848
unb 1849; Wtcgel, Sin ittiilarburp brr ftamilie P. ©Idingen (1743):
5. $faff, ®corg ^ictoriu« über ©aber be« Äaiferftupl* unb ©(proarjroalb*
bei ftretburg i. ©.
©altiftpe ©tubien 44: ^. ©aterflraat, OJef(pitpte be« Slementar-
fcpuhoefen« in ©tettin.
3«t1*Tift für «umtractoWc. II. 29
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450
Mitteilungen unb Wotijen
SRonat*f$rtft be* ^ i fl o r. ©erein« Don Oberbattern IV, 2:
SN. 5 aftling er, Die Ätrd>enpatroeinien be* b.(. $etru* u. b. bX SRartinu«
in brt ffrjbiöjefe SRUncbrn ■ {£reiftng unb beren fultur^iflorif^e ©ebeutnng
(©d)tu§); 8/4: 91. $aR(inger, Die ffircbenpatrocinten be* bX SWidjaet n. b.
b(. ©tepljanu« in SHtbaoern u. beren fulturbiftorifäe ©ebeutung.
*Ronat*befte b. Someniu« - «e f ellf^aft IV, 1/2: 8. ft eller,
Comeniu* unb bie flfabemieen ber <RaturpbJlofopb>n be* 17. 3ftbt*. I.
©tininten aud3Raria>?aa$ 1896, 2: H. © a um garten, Der fojiale
SRiebergang Deutfdjlanb* im erften 3abjrl>unbert ber ($lauben*trenniina,;
$ef*# Die fatbolif^e Jrir^e in ib>em ©er^ältni* jur Äultur unb 3it»üi-
fation. II.
Ungarif^e «eoue 14, 9/10: «. ©traufj, ©ulgari|$e ©otf*lieber:
15, 1/2: Daganoi, «ef$i#te ber ftelbgemeinf^aft in Ungarn.
OMd)i(&t«blätter für ©tabt unb ?anb SKagbeburg 29, 2:
C Äretf djmann, SRagbeburger ©$öffenfprü$e; ®. Hertel, 9?ad)rid)ten
über ©ottmar*borf »äbjenb b. breißigj. Äriege*; SR. Diu mar, $ur ®f>
oölferungdftatißit be* magbeburgifäVu Panbe* i. 1634.
Mitteilung en be* ®e f$.» u. Altertum «forfcfc. ©erein* ju Sifeu*
berq 10: SR. 2Ra(frobt, Die Sifenbergifae ©raugerecfctigfeit unb ib.re
aümäbli^e ©efeitigung; 91. l'öbe, fta$rict)ten über bie älteflen «inlünfte
unb SRed>te ber bem Älofter <£ifrnberg incorporierten SWarirnfiraje ju 3toi(faii.
©ranbenburgia 9Jr. 10: (J. ?emte, Äu* ber Urzeit ber Aüc^e;
9ir. 11: ©udjboli, ©erliner SBirtfd»aft*gefä§e au* mittelalterlicher 3"*"»
(5. Solle, Äleine 9lad)lefe ^auptfäc^lid^ mtttelmärtifc&er ^flanjennamen.
©tubien u. Mitteilungen a.b. ©enebietiner» u. ffiftercienfer*
Orben XVI, 1 : ?. Do Iber g. Die ?iebe«tbätigreit ber «iflercienfer im ©e.
berbergen ber ÖJafte unb ©penben oon «Ilmofen I; 9. ©inter, lieber bie
Äulturt^ätigfeit ©reronoo* im Mittelalter. I.
3Ird>it> be* ©erein* für fiebenbürgifd>e Panbe*fuube 25,2:
5- ©. ©erapbin, au« beu ©riefen ber $ami(ie 0. $eobenborff (1787 bi*
1858) (ftortfefcung).
©ürttembergifc&e ©iertelja br*&ef te für 8anbe«gef$idHe III:
Ä. ©eller, Die anftebelung*gefc$icbte be* rofirttembergifaen ftranfen* re$t«
Dom Metfor; 3. 0. ¥fifter, «u« ben Sagen be* $erjog* tfubtoig Öugen
oon ©ürttemberg; ©ecf, ©ebaftian ©ailer, Äanjelrebner, färoäbiföer
$umorifl, ©olt*. unb Dialeftbia)ter.
Mitteilungen b. ©er. f. Hamburg. ®e|<$. VI, 1, 9lr. 9/12: $age*
born, Die Anfänge ber tjambnrgifäVn 3f'*una.*Pwffp5 ©Araber,
Hamburger Flugblatt oon 1629; <5. ft. @a ebenen«, Die ttintünfte ber
Äämmercibürger im 18. 3^bt.; 91. ©Breuberg, Dabacf in Hamburg 169«;
CS.ft. ®a ebenen«, Die ©ergnügungen b. ftortification*bürger; ©. £eoben,
©tammbudjoer* (1778).
Äorrefponbenjblatt be* ®eja mtoer ein * 48, 2/8: ©olf, lieber
oovgeid>id?tlicbre ©efefligungen unb SRbmerfpuren im norbmeftlic^en Deutftb.»
lanb.
fleuo* «r*io f. f ädt^ft f <^c ®efd>i$te XVI, 1/2: O. Opet, Die
ältcftc oenetianifdje ©ergorbnung unb ba« fäc^fifdje ©ergrea^t; St. ©erling,
©tabliiiatlcii brr 3intigiegrr oon DreSbcn, ?eipjig unb db,emni^.
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Mitteilungen nnb Woiijen
451
$effenlanbIX,6/10:©.<»rotefenb,«in gefällter ©rief; 3. *. 31 itf>l(
^adjricbtfn Ober bie Familie Peuberobe; P. 3Wobr, ©or breibunberf 3abren,
5tufturgei#. Sfijje; Äaffefer ©euer; ©. (»rotefenb, Die ältefle ®ej($ic$te
brv Moisburg unb ibrer SeftOer; ©runnrr, Äaffeler Strafurteile bo«
17. 3ftbt«.; P. SWobr, (Srinurrungen an 5. 3«>*nger; Äleiberluru* in Darm-
fiabt im 17. 3bbt.; ©. ©rotefenb, «ine bod)fürftli<fce Verlobung unb ©er«
Blähung in ber erflen fcälfte biefe« O^bt«.; 3. S$roant, «Ite Käufer in
ftulba; ©a* if» ein ö&t?
Urote ftantifo^e ftir^cn jcitung <Rr. 8. 9: O. «Pfleiberer, Das
beutfc^e ftationalberoußrfein in Qrrgangrnfytit unb ©egenroart, 1. 2.
QMobu* 67, 92r. 7. 8: Sartori, Die Sitte brr Alten» 11. ärantrn*
toiung, I. 8; 9cr. 9. 10: 2R. $oerne«, Da« Problem ber mpfenifoVn
Äultur, 1.2; 9lr. 18: «. »oncolorl. Da* filbbeutfdje ©obnbau* „fränfifdjer"
ftorm; 9lr. 15: 3. SReflorf, »eitrag jur $au«forfd)uug.
Oejierreio}. Monat*fd)rift f. b. Orient 1895, 1/2: Die 3ünfte
im alten 3apan-
©eftermanu« SRonat«befte 1895, SWärj: 3 ®. Sd>ult$ei&, $er-
bergen unb f>ofpije im 9R.*tt.
Peipjiger 3'itung, Beilage, 9lr. 26: SR. Pilie, »Jnr @efd)id)te br«
fädjftfaen ©einbau«; 9ir. 30: SR. 39rä§, Mineralien in ber «rjueitunbe
b. 17. u. 18. 3^t*-; 85: *. Dille, Der 26. Mär* al« 3a^e«anfang;
»r. 46: ©. Pippert, 35a* ältefle OM^Ufcroefen brr ©ettiner.
Wömifdje Du artalfdprif t VIII: 3« ^ uta(oro*fo, Sine aU^rifllicfK
(Mrabf ammer in Äertftb au* bem 3<>t>" 491 ; D 1 1 e unb C. a u *'m © e e r t b ,
3n>et frübmittelaltcrlirfjc ©inbrofeu.
Alemannia XXII, 2: (S. Meöer, «abifdje SolfMunbe; ft. Äluge,
Dagmaren unb Segen au* einer frretburger ßanbfärift be* 16. 3bbt*.:
3. ^faff, rfur ÖolfSfunbe.
3nbogermanif$e ftorfflungen IV: 3> D. Sd>ifd) m&n ou, Der
Settoreitfioff in ber bulgarifdjen $olf*poefte.
9ta$rio)ten au* bem ©ucbbanbel 1894, 89: 3ur Sntmidelung**
grf^idjte be* $amburgifd)en 3^ung*n>efen*.
3 et t f r t f t f. Senologie 26, 5: ©. D. Stfulenburg, ©oü«fnnb.
li$e Mitteilungen.
ttorb unb Süb, Dejember 1894: O. P. 3iricjer, Sagen ber
3nbianer üon Dfl-Äanaba; D. Mebing, Die großen Spibemien be*
Mittelalter* ; 3anuar 1895: ©ünfd>e, Der Sagenhei« Dom geprellten
Deufel im 3ufammenbange mit bem o>rifM. Dogma 0. b. Serföbnung u. f. ro.;
?lpril 1896: öf. ©öttidjer, Die S^ifffabrt ju allen 3«»ten unb bei aßen
»öltern.
fceimgarten 1894, Wooember: Ä. Äaifer, Su* bem $oll*munbe;
Ärau§, Sitten unb 9räu$e be* üungaue*.
^o^enjollerii^e ftorfdjungen III, 1: berliner ^ofleben roä^renb
ber erflen 9legierung*jabre Jriebridjö be« ©rogen.
3lrc^io be* Herein* f. b. @ef$. b. ^erjogtum* Pauenburg IV,
2: ffi. Dübrfen, Poroeuburgif(i>er peinlid>er ^roje& uno Urgidjt be* bafelbfi
gefänglia) fujenben «mt«f*reiber* oon »erger*oorf 1603; ^rriroig, «ften-
ftücfe jur Cbronit be* 5)omb.ofe* bei «a^burg.
29*
452
Mitteilungen unb iflotiun
Heutlinger «efcQicfttftblätter V, 4: Zt). ©$ön, ®efai<bte Ott
Ouben in Heutlingeu (©tbjuß); ©d>mibt, «omeringer ©tatutenbü<$lein de
anno 1539.
flnjeiger ber Vfabrmie ber ©tffrnfdj. in Ärafau 1894, Wo«
ormber: ©. Xomf oroiej,'Ärjpitop6r, eine befeftigte SRagnatenburg au« bem
17. 3^bt. unb beten ©aumeifier Porenj ©ene*.
2>a* ?anb III, 6: Srmenbrot l) in ber ©olf*fttte ber grünen ©teier-
inarf oou Ä. 91 o feg g er; 2) in ber t>annoöerf$en 8olt*fttte von
©o&nrep.
eeipjtger 3eüung, ©iff. Beilage (f. a. ©.451) «Hr. 135: SR. «etf,
Martin*tag; 91r. 136: Sin amile* Xeftameu; (5. Müller, Po*bräu$e unter brr
Jtinbertoelt; 9lr. 150: fc. ©u nf (p e, Äu* bem ©agenfreife com geprellten Xeufcl;
9tr. 151: «Itgermanifdje Xra<$t; %r. 154: d. ©epmli<$, 3>a* beutfaje
©etpnatptSfpiel be* Mittelalter«; 1895 9ir. 9: M. ©etf, 5>ie ©dränge im
ttultuS u. 8olf*glauben; »r. 10: (5. ©. 3flrn, ©agenumroobene Sögel;
Wr. 12: $. ©djurfc, #anbroerfer in Mptbologic unb ©age.
Allgemeine 3c^"n9» ©«läge 9?r. 277: ö. ©oepeim, 35ie fttuq*
bitter be* fiaifer* Marimilian I; 9ir. 287: (5b. Meper, 2>er babplomfdje
(Jinflufc auf3ubentum u. tt^riftentum; 1895 SRr. 7: ftluge, X>er ^J^ilifier.
(Situ SBortflubie.
^aprbüdjer fftr Wationalöfonomie VIII, 6: ©.«arge«, 3ur
ttntflepung ber beulen ©tabtoerfaffung II; IX, I: «. Söirmingpau*.
Stabt unb Panb unter bem ffinfluf} ber ©innenmonberungen.
3aprbucp b. herein« f. ni eberb eutfepe ©praepfor jd)ung XIX:
Ä. 9b am, 92b. $od)jeit*gebid)te be* 17. u. 18. O^bt. au* Bommern.
3eitfcprtft f. b. gef. $anbe(*re$t 43, 1/2: 3L ©<paube, Anfänge
ber Tratte.
3eitf<prit f. flffpriologie IX, 4: «. Meper, 2>te djalbäifdje »era
bc3 Älmagefl unb ber babplonifdje Äalenber.
Sie ©artenlaube 1894 <Rr. 52: »ofdj, Sie Vorläufer unferer
9leujapr*farten.
Mitteilungen b. ^ t flor. herein* ber $falj XVIII: ©. <5.
üRotp, ©efd)i(pte unb ötbliograppie bei* ©utpbruefereien ju ©peier im 15.
unb 16. 3bbt. I; «. Htttter, fflömifdje «ebäubettberrefle bei ffrtroetler;
3. Maperpofer, 8on ben Äanonifatapöfen be* ©peierer Somtapitel«. d\n
Beitrag j. ®efcp. ber ?öfung ber ©opnung*frage in älterer 3eit; ©. Äüftner ,
©efcbidjtlicpe* oon ?amb*pfim 1740—1745.
fceutfdjer $auSfcpa& XXI, 32: 3. ÄUbfam, Sti« bem $ofleben
Jrönig Subtoig XIV oon ^ranfreid).
$eutf<pe ©orte XIV, 10: £p. «cpelU, Über bie Buffaffung be«
Waturjuftanbe* im oorigen 3aprp.
Öfterrcid». • ungar. Wcöuc XVI, 4/«: ©oeplert, 2)ie 3uflänbe
ber böpmi|cpen tfanbbeüölferung öor 125 (Japren.
(Jtb^nol. Mitteilungen au* Ungarn III, 9/10: ?. jc&(m4np,
Siuberftbretfer unb Ainberräuber in brr inagpar. So(t*fiberlieferung (©d)lu§) ;
l'. «aröti, ©eitr. j. ®e(cb. b. $amppri*mn* in ©übungarn; 8. ©traug,
3«r vSolf*mebijin ber Bulgaren; St. ftud)«, ttinc alte ©efebroörung«
forme! ; V. M/itpa«, «u* bem $olt*glauben ber ©(^roaben Oon ©olpmftr,
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fltötteilungen unb «Rothen 463
Sjent • ftoan unb $ibegfut; Sofumente jur (Befcbidjte ber 3igeuuer
(©$lu§).
9tomanifd)e 3 abrbüdjrr 10, 7/8: 3. *) arbo ö e* cu, «rf<bid)te ber
Sgraroerfaffung unb be* «grarrorfen* 9lomänten* feit Eroberung Saarn«
burd? bie Äömrr bi« jur ©egemoart (©d)lu§).
©timmen au« 9Raria-?aad) (f. a. ©. 460) 1895, 1: $efd), Sie
tatbo(ifd?e ftir$e in ib,rem Qerf}tt(tni« jur äultur u. 3i°ilifation I.
SRitteilungen bei n orb b öbntif $ en (Jjrf urfion*» Älub* XVII,
1/4: *. ©tolle, (Jlbtbal.©agen au* ©djroaben; «. $aubler, $ugenbfefl«
lidjteiten II; «. fta&l, Sie 2Roneroi& bei Xraufdjrowifc; W. fabmer,
Äulturgefd)id)tltd)e Beiträge; ft. $autfdjel, 3ar 3nbuftriegefd)id}te 9lorb«
bödmen«; 91. 2abmer, Ciubbrud im Wieberlanbe; 8. *3ienert, Sreßler*
5. $autf$rl, 9. $aubler, 9. $. Salter, Jiulturgefdjicbtlidje«; £3
$eimrid), Sir GJenmbc in i'eipa oor unb naä) bem 3abrr 1800, ober: bie
alte $affion**XabeUe; Ü. Äorb, Äoblenbergbau auf bein bifcböfl. ®ute Drum;
3. ©teinife, Bu* oergilbten Sb; ronitblättern ; H. SReidje, Der ©djafe im
3oad>im«berge; 3. SiKe, ©agen au« Werne*; (£. 3abnel, Bu« bem
Muffiger ©tabtbudje; 2B. Äayerorofifp, Sie SWemorabilienbÜdjer ber ©tabt
?eitmerife; Ifdj ernet), 3wr©t.Äummerni*'fegenbe; 2W. Älapper, ©agen;
«. 3inte, Jeuer. u. »lutfegen; «. ^aubler, Sie ©djroörgrube; «. Weber,
Sa« ©teintreuj bei 3aut<9*
3eitf(brift ber t> i ft 0 r. Oefelfdjaft f. b. ^robinj $ofen IX. 2:
Äleinwämter, Sa* ältefte proteftantifibe Äirdjenbud) ber ©tabt $ofen;
$odenbec!, fcerenbränbe in ffiongromifc.
Zeitteilungen br* 9Utertum«oeretn« für 3roi(fauIV: 9t. ©etf,
ttu* bem ?eben ^oadjirn fetter*; Älofc, Sie 3*"i<fauer ttnnalen fcc«
2Jiattbäu« Sinter; (£. ftabian, $ejenprojeffe in 3n>i(fau unb Umgegenb;
(5. gabian, ftabrrnbe flerjte unb Äurpfufdjrr in 3n'i<fau unb Umgegenb.
3ür<ber Safcbenbud) 1896: 6. SWeper 0. Änonau, Sie Soften einer
^fäoerfer »abffur im $abre 1803; SB. Sobler-SReoer, Ser ebemalige
©ilberfcbaU ber engeren unb weiteren Äonftaffel in 3üri<b; ®. 9Reöer
0. Änonau, Sa« Wadjtfdjrctberamt in £ürid).
SKitt eilungen ber antiquarifdjenQJefellfdjaft in 3 ü r i ct> XXIII,
7: 3C H f r ' ^f rc mülle r, 3ür<berifcbe ÜBurgrn II. 2Jt— 3.
Bolletino storic'o della Svizzera Italiana XVI, 11/12: Per la
storia dell' industria del ferro in Valle Morobbia.
Melusine VII, 7: H. Gaidoz, Un aneätre du quatrieme 6Ut da na
l'imagerie populaire; S. Berger, La Grande-Ourse XII; Th. Volkov,
La fraternisation en Ukraine et en Bulgarie; H. Oaidoz, Oblations a la
mer et presage8; J. Tuchmann, La fascination (snite).
Reforme sociale VIII, 1: Hugon, La liberte commerciale an
moyen äge ; IX. 97 : Imbevt de la Tour, La liberte commerciale en France
aux XII« et XIII* siecles.
Revue internat. de »ociologie II, 9: H. Hanser, Une greve
an seizieme siede; III, l: E. Westerm arck, Le mariage par capture et
le mariage par achat.
Revue maritime et coloniale 395: Inflnence de la pnissauce
maritime sur l'histoire 1660—1783 (suite 3 et 4).
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454
2Rittetfottgfn unb ^ortjett
Revue archeologique 1894, SeptwOct. : Carton, Estanipilles
puniqnea aur anses d'amphores trouvees au Belvedere (pre* Tunis1.
Magon, Essai de la reconstitution de I nnere du Musee archeologique de
Marseille.
Revue historique 56, 1 n. 67, 2: H See, Etüde sur le* classes
serviles en Champagne du Xle au XIV« siecle; 57, 2- H. Pirenne,
Lrorigine des constitutions urbaines au moyen age (fln).
Bibliotheque de l'ecole des (hartes 55, 5/6: H. Moranville,
Memoire sur Tamerlan et sa com-, par nn dominicain eu 1403; J. Viard.
L hotel de Philippe de Valois.
Academie des sciences morales et polit. Seancea 18 aoüt:
D rainard , Les Latifnndia: etude sur la propriete rurale ä Rome du II p. av.
J. C. au II s. apres; 15. Sept.: Lagneau, Tiiifluence du mitieu sur la race.
Societe de l'histoire de Paris. Bulletin 1894, 4/5: F. Aubert.
Mandements et arrets du Parleroent en faveur de plusieurs librairea,
imprimeurs et relieurs de Paris au XVI* s.; 1894, 6:Coyecqne, Inventaire
sommaire d'un minutier parisien pendaut le cours du XVI« siecle. 1498
-1600 (auitet.
Travaux de Facademie nationale de Reims, Vol. 93, 1:
.Tadart, Inventaire dn inobilier et des livres de Leonor d'Estampe* de
Valeuyay, archeveque de Reims; Ch. C erf, Aucieus usages dans quelques
eglises de Reims.
Revue de Gascogne 1894, Sept./Oct.: Camorey t, Objets antique*
avec marques de fabricant, inscriptions ou antres signea, trouvea ä Lec-
toure (fin).
Melanges d'archeologie et d'hiatoire 1894. Oct: Gsel), Tipaaa,
ville de la Mauretanie cesarienne: G. Goyau. Le vieux Bordeaux a la
bibliotheque imperiale de Vienne.
Nouvelle Revue histor. de droit 1894, Sept/Oct.: P. Collinet,
Testament de Gaius Longinus Castor 189 ap. J. C. ; J. Fi not, Deux chartes
communales inedites: les lois de Crevecoeur et de Clary.
Revue generale de droit 1894, 6 Hvr: Reusa. . Histoire du
contrat d'assurnnce an moyen-age trad. p. Valery.
Revue des qnestions historiques 57, Livr. 114: G Kurth,
La France et les Francs dans la langue politique du moyen ige;
A. Jacquet. Le sentiment national an XVI siecle: Claude de Seyssel;
Ph. Toreilles, Un bonrgeois de province apres la revolntion. 1800—
1809; d'Equilly, L'inflnence franvaise ä Madagascar 1643-1816:
H. Che rot, La societe au comraencement du XVI« siecle, d'aprea les
homelies de Josse Clichtoue (1472—1543).
Revue d'histoire diplomatique VII, 2: G. Syveton, TJne crise
politique et financiere eu Angleterre au XVIII siecle.
Societe d'emulation de PAix. Annalea 1894 Oct. — Die;
T r u c h e 1 u t , Et udes sur les usages ruraux d e la Bresae et de la Dombea (auite).
Bulletin hebdomadaire des conrs et conförences. I, 8 et 11:
Co ville, La civilisation franvaise au XIV« et XV« aieclea: Originea de
la renaissance en France.
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fflUteitungtn unb ftotijen
455
Journal de la societe de statistique de Paris 36, 2:
0. Bienaymö, Le coüt de la vie a Paris ä diverses epoques.
Le Correspondant 10. Oct. 1894: A. de Oanniers, La vie inili-
taire sous le premier empire.
Etndes religienses 1894, 16. Nov.: Ch. de Smedt. Les origines
du duel judiciaire; 1895: Id. Le duel judiciaire et lf6glise.
Acad6mie des inscriptions. Coraptes-r endus 28. Sept.:
Deloche, Le port des antieaux dans l'antiquite et dans les premiers
siecles du moyen age; 1894, 14: dec. Oppert, Acte de vente d'un terrain
en Babylonie de mai 658 av. J. C. 1896, 25 janv.: Homolle, Le plan et
les docks de Delos.
Annale« de la facultö des lettres de Bordeaux 1894, Nr. 2/3 :
Ch. Joret. Les jardins dans l'ancienne Egypte.
Annales de lest. 1894, Oct.: Ch. Pfister, Histoire de l'ancienne
universite de Nancy.
Revue internationale de l'en se igneinen t XIV, 10: P. G. la
Chesnais, Les Clements scientifiqnes de l'histoire; A. Leronx, Histoire
de l'enseignement public en France; XV, 2: J. Parmentier, De l'edacation
de la noblesse anglaise du XVI« an XVIII« siecle.
Acadeinie d'archeologie de Belgique Bulletin XVIII: A.
van Bastelair, Pavement mosaique en petits careaux ceramiqnes do
XII« siecle trouve une prairie a Ragnier; E. Matthien, La librairie de
Migeot ä Möns.
Bijdragen en M ededeelingen van het histor. genootschap
(.te Utrecht) XV: L. Wichers, Journaal van den Baad - Pensionniarius
Laurens Pieter van de Spiegel; J. A Worp, Constantin Huygens' Jour-
naal van zijne Reis naar Venetie in 1620.
Aunales de l'acad. d'archeol. de Belgique 48, 1: 6. van den
Gheyu, La polychroraie funeraire en Belgique.
Revue de Belgique 1894, 3: Goblet d'Alviella, La loi du
progres dans les religiuns.
Balletin de l'institnt archeologique liegeois XXIII, 2:
Th. Gobert. Le mutier des houilleurs. Le plus ancien reglement connu;
De Cheat r et de Hanefe, La police des vivres a Liege pendant le
moyen age;
Annales de la soc. archeol. de Bruxelles IX, l: F. Donnet,
Note snr quelques achats de tapisseries de Bruxelles au 17. siecle.
Annales du cercle archfeol. du pays de Waas XIV, 4: F.
van Naemen, L'epitaphier waasien.
Revue hispanique I, 2: Le testament d'un Juif d'Alba de Torrn es
en 1410.
Antiqvarisk Tidskrift för Sverige 13, l: 0. Montelius,
Orienten och Europa; ett bidrag tili kännedomen oin den orientalisken
kulturens inverkan pä Europa intill midten af det sista artusendet füre
Kristi födelse; 14, 8: T. J. Petrelli och E. S. Liljedahl, Standar och
dragonfanor fr;1n valplatser i Tyskland och kejserlige artiänderna under
sextonhundratalet hemförda af svenska trupper.
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456
Mitteilungen unb ftotijcit
Archivio per lo studio delle tradizioni popolari XIII, 4:
Corsi, Usi natalizi senesi; Pnlci, Antiche 1 eggende devote di Sicilia;
Seves, Proverbi piemonteai; Ferraro, Feste sarde sacre e profane:
Pires, Formulas portuguezas de juramentos, pragas e impreca^oes na
provinzia de Alemtejo; S 6 bi 1 1 o t , Contes de pretres et de inoines recueilli*
en Haute Bretagne; Ciiuegotto, San Marino e S. Leone. Leggende
del Montefeltro; Pitrö, La leggenda del cicco ingannato; Mondello,
Le pitture popolari nei carretti di Trapani . Lombroso, Adamo ed Eva;
Frosina -Oannella, Improute maravigliose e tesori incantati in Sirilia;
Sanfilippo, La festa delle quarantore al Moutepellegrino in Palermo:
Mnsatti, L'anguilla uelle tradizioni popolari veneziane; Lombroso.
Populär eBtimate.
Rendiconti della R. Accademia dei Liucei, Claase di scienze
morali, storiche HI, 10: C. Val enziani, Proverbi Giapponesi tratti dalla
raccolta Kotowaza-Oo8a.
Archivio della R Societa Romana di Storia patria XVII.
3/4: D. Gnoli, Descriptio urbis o censimento della popolazione di Roma
avanti il aacco borbonico.
Modern Language Notes IX, 7: C. C. Ferrell, Old Germanic
life in the Anglo-Saxon „Wanderer- and „Seafarer".
Edinburgh Review Nr. 370: English towns in the XV. Century.
The Nineteenth Century Nr. 211: Krapotkin, Mutual aid in
the mediaeval city (.Schluss).
Contemporary Review 1894, Nov.: A. F. Leach, School supply
in the middle ages; 1895, Febr.: E. Reclus, The evolution of cities.
Proceedings of the Cambridge Antiquar ian Society 36 (8, 3):
Hughes, On some ancient ditches and mediaeval remains found in the
course of recent excavations near the Pitt Press; W. White, On objects
of antiquarian interest dug up in Trinity College; C. L. Acland, On the
antiquities of the immediate past ; Darwin, On monnraents to Cambridge
meu in the University of Padua; R. Bowes, On the firsl and other early
Cambridge Newspapers; J. W. Clark, On ancient Libraries.
Bijdragen tot deTaal-, Land- enVolkeukundevonNeder-
la ndsch - Indie 45, 1: 0. L. Helfrich, Serawajsche eu Besemahsche
spreekwoorden, spreekwijzen en raadsehv, H. H. Juynboll, De my the van
den berg Mandara In de Javaansche Letterkunde.
Bulletin of the American Geographical Society XXVI, 4,1:
L. Dick er man, The coudition of woman iu ancient Egypt.
Journal of American Folk-Lore 28: W. W. Newell.
Theories of diffusion of Folk-Tales; F. D. Bergen, Burial and Holiday
customs and beliefs of the Irish peasantry; E. Back na, Weather stgns
from Connecticut : J. G. Bourke, The folk - foods of the Rio Grande
Valley and of Northern Mexico ; H. C. B o 1 1 o n , The Porta Magica, Rome.
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^5efprecf)unflen.
£aile a. b. @. 1893, <£ugen (Strien.
3mar ift e« in erfter Striae «Sache ber tbeologifcben tfitteratur, ftcb, mit
bei* Don ©eöfcblag felbft al« fein ÜebenSroerf bezeichneten Arbeit abjufinben,
allein bie Stellung ju brm (degenftaube unb feiner Sehanblung burd) 9.
«ft nach aflen leiten bin Don folcber ©ebeutung, baß e« audj an biefer ©teile
angemeffen ijt, einen ©lief auf ba« SBerf ju werfen. Ser ©tanbpunft beS
©erfaffer* tennjeicbnet ftcb befanntlicb baburcb, ba& er bie eöangelifd)en ©e«
rid)te gletd) »einigen ©efd)tcbt«queUen fachgemäßer ^iflortfc^rr ftritif unter-
werfen will, baß er ftd) aber bagegen oerroabrt, auf ben 3nbatt ber neu«
teftamentlidjen Ucberlieferung ben SDlaßftab be« ^Möglichen unb Unmöglichen
anjuroenben, ben mir SRenfcben Don bleute im gewöhnlichen Peben roie in
ber SBtffmfibaft allein fennen. (£r roabrt alfo bem ÜJegenftanbe ben Änfprud)
be« einzigartigen. Sie ©erfaffer ber (Süangrlien, bereit «bfaffung in bie
jroeite Hälfte be« erften ^ahrbunbert« unferer 3eitred)nung fällt, erflärt er
für ernfte, im wefentlidjeu glaubmürbige SRänner, obne ben (Jtnfluß ber
@age unb legenbenhafter Uebertieferung ju beftreiten. Sie Sunberberid)te
ftnb }unt Seil roobl auf öifionäre, innere örlebniffe jurütfjuf Obren, jum Seil
aber al« unanfechtbare 3fU9n'ffc f^r fBirffamfeit einer göttlichen, un«
unbegreiflichen Äraft anjufeben, bie ficb in 3t)u6 unb aud) tu feinen Jüngern
äußerte. Sa« beliebte Sdjlagroort Don einer £urd)bred)ung ober Unter«
binbung ber Waturgefefee ift unanmenbbar; e« baubelt Rcb. üielmebr um ba«
Eingreifen einer im gewöhnlichen Pauf ber Singe nicbt wahrnehmbaren
^otenj, für beren Safein es übrigen« an Bnalogteen feine«weg« f et>It. Sie
Soppelnatur ^efu oerwirft ©. al« uneoangelifcbc« (Ergebnis bogmatijrfjer
(Grübeleien, ebenfo natürlid) feine s#räerifienj; bie $lu«fprüd)e be« $obanne«>
eoangelium«, welche festere ju ftütyen vermögen, fiebt er al« ftunbgebungen
be« über bie fronten &on 3eit unb Maum b«nmegeilenben göttlichen ©elbft«
bewußtfein« an, wie er überhaupt ba« Dierte (Soangelium außerorbcntlid)
fd)ätjt unb für bie Snorbnung unb innere ©ertnüpfuug ber £batfad)en mit
&IM oerwertet. <©ebr flut ifl, wa« I, 41 f. über bie Jfbee ber GJottmenfcbbcit
ausgeführt wirb; namentlich ift e« auch nid)t unterlaffen, bie Ungeheuerlich'
fett btefer ©orftrüung, wenn fie folgerecht burd)gcbad)t wirb, in« rechte ficht
3U fefeen, ba bod) immer in irgenbeinem 9lugenblicte entroeber ber (Sott ober
ber SWenfcb empftuben, urteilen unb motten Tann, fobaß zeitweilig bie eine
flatur gänjlich jurücttreten müßte. $efu« ifi nach ©• *»n einzigartiger, ton
&ott mit befouberen Äräften au«gerüfteter, ju einer über anbere« SWenfchcn»
roerf roeit hi»au«reichenben Aufgabe erlefener ÜWenfch- freilich führt ihn
bann ba« ^i'roußtfein ber ©otte«fittbfchaft bei ^efu ju einer ganj anberen
468
58efprecb,ungett
Raffung. Diefe« foroir Die ftttlicbe Xabelfoftgfett be« flJtyfia« bebingt „ feine u
abfoluten Uuterfebieb Don aller empirifeben 97teitf(^^ett unb ebenbamit ba#
Werbt unb bie $fli$t be« (Ebriftenglaubeu« Don einer .(Bottbeit Ghrifh' )u
reben" (I, 195). Son ber beflrittenen metapbofiieben ©öttlicbfett 3efu wirb
bie bebauptete etbifdje ©ottbeit untertrieben unb ihm fct/ließlich, weil in ibm
bie eroige Piebe tjoüfommen erjebtenen ift, auch roefeubafte ,<8ottbeit' ju«
ertannt (©. 196). 9Jlan bat ba« (SefübX baß ber Serfaffer unter bem Sann
(lebt, für bie Don ihm beftrittene übermenfcblicbe «bfunft 3efu bureb. eine
mebr at« grjroungcne Rettung ber (»ottbeit einen (Srfat? fud>en ju müffen.
©. felbft lebrt un« Die ®otte«fohnfcbaft $efu al« einen Su«brud feine*
inneren SJerbältniffe« &um SJater anfehen, unb auch ben älteftcn (Jbriften
roar biefe SBejeidjnung roobl fieser nicht« anbere« al« eine Äennjeicbnung
feiner göttlichen ©enbung. 3tn Paufe ber (Sntroidelung rourbe bann ber
jlu«brud begrifflieb üiifiefpi^t unb roarb enbltcb jnm ©ctjiboletb ber lirdjlicben
^arteifämpfe. Die ftorfcbuug, roelcbe na<b ber SJergegenftänblicbung einer
neuen, nir^t ber (Srtenntni« be« Göttlichen, roo^I aber bem Sfebelbunft eine*
Ionftruttion*fücbtigen Dogmatt«mu« entroaebfenen fcuffaffung ringt, foBte fia)
cor 3u9*ftantoniff(n büten, roelcbe bie Seftimmtbeit ibre* ©tanbpuiifte« be-
einträchtigen, ben ©egner, ber an ber überlieferten $ormel feftbält, aber boa)
niemat« befriebigen tönneu.
Die Darfteflung ber inneren Sntroidelung be* #errn im jroeiteu $anbe
ift meiflerbaft. Uiicbt auf ber Unfeblbarfeit ber ttrfenntni« berubt ba* einzig-
artige ber gefcb,icbt(icben fcrfcbeiuung be* SWefjta«. Cr b,at bei feinem erften
«uftreten au ein balbige* (Steinen be« Himmelreiche« auf «rben geglaubt,
©vfl an ber $anb ber (Erfahrung, nacb feinem erfien >Küdjug au* 3ubäa
get)t ibm bie SÖorftellung eine* aOmäblicben Steifen* ber ®otte«faat , eine*
beftänbigen ©erben« be* Himmelreiche« auf. Die Sluffaffung, bie er ftcb von
feinem Berufe gebilbet, ift Don ber altteftamentlicben $ropbetie (namentlicb
3efaia 63 unb Daniel 7) beeinflußt, anfänglich fpiegelt ftcb f«"«n «eben
nur bie ajorftettung roieber, baß er eine« Jage* ben ©einen wirb genommen
werben; gegen (Snbe fetner öffentlichen ©irffamfeit tritt unter bem (Einfluß
ber feinbfeligeu Haltung, roelcbe bie leitenben Äreife ^erujalem* ibm gegen-
über jeigten, bie ttbnung unb fcbließlicb bie (Deroißheit eine« geroaltfamen
Xobe« bei ibm b"Dor. Der ©orberfagnng be« ©Reiben« ift bie feiner
©ieberfimft, ber ^arufte, Derbunben. üRit ber Deutung, roelcbe 8. (II, 314 f.)
ber Prophezeiung $efu giebt, e« ftünben etliche um ihn, bie ben Xob bi«
jur ©ieberfunft be« aWenjcbenfobne« nicht fchmecten roflrben (Utaln). 16,28;
SRarf. 9, 1), werben ftcb fritifebe ©emüter fcbroerlicb befreuuben tonnen. Die
Berufung auf ba« über 3"tmaße erhabene Gehauen be« mit ©ehertraft be«
gabten (Seifte« fann meine« (Krachten« bei einer fo befhmmt au«gefprochenen
^Behauptung nicht ausreichen. $ür bie Gewißheit, baß bie ©einen ihn nach
feinem ©iege über ben Xob wieberfehen, ju 3eugen feine« Xriumpbeä werben
joflten, ift biefe Prophezeiung, bie boeb nur Don einigen bem ©djidfal
ber SKehrjabl enthobenen fpriebt, ftcberlicb. fein angemefffner «u«brud. ©ie
mir febeint, iß ©. t)'\tt in jene aü£u entgegentommenbe Vpologetit Derfaüen,
bie er felbß an anberer ©teile fo nachbrüeflich betämpft. (Staubt man ben
erwähnten 9u«fprucb in ber überlieferten $orm a(« genügenb bezeugt anfehen
$u müffen, fo febeint mir nicht« anbere« übrig ju bleiben al« h"t ein 3mn
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©ffpredjiingen
459
ober bodj ein Unftdjerroerben bfr Dorau«fd)auenben ®eifle«traft 3fefu an«
juerfennen. Uebrigen« wäre für eine unbefangene Erörterung ber folgeuben
«Steden bie $eranjieljung be« (Soang. %ot). 21, 20— 24 Dielleidu ntc^t un«
Dortetl^aft geroefen, roeil bort biefelbe SorfteUung auf ben ?iebling«jünger be«
$errn angeroanbt roirb.
®e$r auffällig iß e«, ba& ber SBerfaffer eine einigermaßen eingetyenbe 91b-
finbung mit bem fürjlid) aufgefundenen ©rudtfüd be« <Petru«eDangelium«
gänglia) Deruteibet, obroobl if?m bod) nidjt entgegen tonnte, bajj jeine Äenn-
jeidjnung ber übrigen unfanonifdjen (Soangelien (I, 112 f.) auf biefe« faum
pa^t. ffi« märe ba« ert(ärlid), wenn bie geringfd)äfcige SReinung ©.« dou
bem mit bem 92amen be« tbatfräftigften jünger* gezierten (Soangelium bon
aflen $orfd)ern geteilt mürbe, roa« aber befanuterma§en nid)t ber $aQ ift.
SBenn SB. bemfelben ieben (Sinflufj auf feine 3)arfieUung be« ?eben«gange«
3efu glaubt Drrroefyren ju bürfen, fo mar bierfür jebenfatl« eine au«fübclid>e
SBegrünbung nötig; ^icr^u finb bie brei 3filen auf®. 113 be« erften öanbe«,
in melden ba« „Dielleidjt gnoftifdje" Coangeüuni für eine mißtürlicbe Um*
bid)tung Don d^gen au« ben anberen oier ertlärt roirb. bod) roobl unju«
reidjenb. Ueberbaupt lägt ftd) ba« SBeflreben SB.«, ben «Stoff, ben er bei
feiner SDarfteüung be« ?eben«gange6 be« #errn berü(ffid)tigt , nadj SRögliä)*
feit einjufdjränfen, iticbt roobl billigen. €>d?on iRenan f)at mit feiner um*
faffenben Äelebrfamfeit ben SBeg gewiefen, roie fid) biird) Wücffajlüffe au« ber
fpäteren jübifd)en ?itteratur bie ©erbältniffe jur 3eit $efu genauer erfennen
laffen (ügl. gur jtennjetd)uung ber ftyarifäer Vie de Jesus 1867 ©. 840 f.);
in fReiferoerfen über <ßaläftina, roie in benen Don fturrer unb @d)netler, finb
bie beutigen 3uf)änbe be« ?anbe« burdj SBergleid? mit ben biblifdjen SBeridjten
mit (^ejcbici bcrangejogen roorben, um ein beutlidjere« SBilb ber Serbältniffe
ju geroinnen, in benen fta) ftefu« bewegte. 3)iefe SHöglidjfeiten , ben Unter«
grunb feine« ©Übe« lebenfioofler jn geftalten, lägt roie e« fdjeint, abfidjtlid)
unbenufet, obgleich fie unter Umflänben aud) jur Aufteilung ber btblijdjen
£9erid)te ju bienen oermögen, ©o roirb 3*M bei SB. nod) immer in tiefer
Armut in einem ©tafle geboren. 2)ie eoangelifcben SBerid)te roiffen aber Don
beiben nidjt«; bie Ärippc, in roeldje ba« ftinb gelegt rourDe, fann ebenfo gut
in einem ©obnraum geftanben boben unb läßt bei ben einfad) • (änbliä)en
SBerbältniffen jener 3f't nid>t im minbeften auf befonbere 2>ürftigfeit
fd)lie§en.
fctle« in allem fdjeint mir bie befriebigenbe tföfung ber aufgäbe, ein ben
fcnfprüdjen ber &t'\i genügenbe« S?eben Qefu ju Derfaffen, oon SB. nidjt er«
reidjt ju fein; td) meine, bafj fein SBert, am Sftafjflabe ber 2Ketbobe roe(t(id>er
®e)d)id)t8!cbreibung getneffeii, ber aöerbing« aufjerorbentlid? fdjroeren Aufgabe
nid?t Döflig geredet roirb. SWeine« (Sradjten« roäre e« für bie Pöfung ber
Hufgabe erroünfdjt, roenn ftd) aud) bie roeltlidje $orfd;ung unb <0efd)id)t«»
fd)reibung an t^r mebr al« gejdjeb,en beteiligte. 2)er ©egenflanb felbfl ifl
ja Don ber ungeb/uerflen ©ebeutung für unier geiftige« Seben. 3)enn im
legten Orunbe fyänqt bod) bie ©teflungnabme ju ben religiöfen fragen ton
bem Urteil über bie gefd)id)tlid)e Crfdjeinung be« Sbriüentum« ab.
öoette.
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460
Sefpredjungen
Driurtdj QBmbl, (ÖfTdprtfte )r$<ßgtrUmfcr$ (bis 1437). ^raß,
fcominicu«, 1893. (433 S.)
Diefe mit Unterftüfcung ber „©ejeflfcbaft $ur ^örberung beutfdjer ©iffen«
fc^aft, Äunfl unb tfitteratur in Söbmen" gfüd(id) bis gum Übt<^(u§ be« crßen
üöanbe« gebie&ene $ubIifation bietet 511m erßrnmale eine fritifdje unb auf
juDerläjftge Duellen fidj fiüfeenbe ©efdudjte be« $ger(anbe«. 3b* Serfafffr
bot mit anertennen«merter ©orgfalt ein reidjbaftig«« Urfunbenmaterial burd>-
forfc^t unb über eine ganje Äeib> bisher unflarer fragen — fo namentlid,
über ben 9ffidj$Ianbdjaratter unb bie Serpfänbuug be« (Sgerlanbe« — redjt
banfenSmerte "flnficbUiffe gegeben. $n einer trefflieben Sorge[d;i<bte befpriept
ber Serf affer, aufyebenb Oon ber $rimorbialjeit, jnnäcbft bie wedrfelnbe 8e>
ftfbelung be« Sgerlanbe«, gebt nätyer auf bie flaotfc^c Ueberflutung biefe«
©ebiete« ein unb weift nad), wie nod; im odjten (Jabrbiinbert bie politifdje
©tettung be« Panbe« unflar war, wie c« jwar ben ©laoen sugeb,ört baben
mufj, aber nidjt jener regfio Sclavoram jugeteift war, meldje bereit« in
farolingifdjer 3eit enbgiltig *um Weiche jäbjte. (Srfi ber Seginn be« elften
§abrt}unbert« brjcidjnet ba« (tnbe be« ©laoentum«, roelcbc« in blutigen
kämpfen in bie SRoOe be« 3)ieneuben gebrängt warb. SWtt ber <0rünbung
ber Si«tümer $rag (978) unb Samberg (1007) unb ber babet erfolgten Buf-
frifdjung ber tirdflidjen (Brenden wirb ba« (Sgerlanb bem fcerjogtum Sapeni
al« ffieicfcdlanb angegliebert burd) fceinrid» II, ber mit 9led)t a(« ber eigent«
licpe Sefreier be« fcgerlanbe« an ber ©pifce ber biftorifdjen (Entroitfelung
be«jelben ftebj. 3" f*! beutfepem Soflbefty aber tft, na<b törabl* £arßeüung.
ba« fanb erft bureb ba« ©ejdjledjt ber Diepolbinger gemad)t werben,
welcpe faft jwei ^ab^rbunbrrte lang in Sgcrlanb eine folgenreiche tolonttatorifdpe
Xbätigteit au«flbteu unb ftd) in«befonbere burd) bie Orünbung be« wichtigen
Älofter« Söalbfaffen um bie 3'bilifterung be« fcgergebiete« bobe Serbienfte
erwarben. «1« um bie SRitte be« brennten 3ab>$unbert« ba« ©efdjledjt
ber Diepolbinger au«ftarb, würbe unter Äonrab III ba« Sgerlanb unmittelbar
ber fReicb«gewa(t unterteilt unb mebr unb meljr oon ben folgenben ©taufern
al« eine ?lrt Familien gut beanfprud)t. liefen Umftanb benufete Äönig
Ottotar II bon Söbmen , ber na<b bem Untergange ber $ol}enftaufen ba«
öfgerlanb befefct b^tte, ba« (entere jtd) üum bleibenben Seft&e ju mad»en. ©r
fudjte iu«befonbere bie ©tabt Sgrr burd) Serleibung oon SRecbten unb ftrei.
Reiten an fiep ju fetten. v«ad> Ottofar« ftall gelangte (fger in Äönig Hubolf«
£änbe, ber e« ben Surggrafeit oon Dürnberg oerlieb, ©eitbem würbe ba«
(£g,ertanb redjtlid) gu Dürnberg grj\äblt, bi« Slbolf oon 9Iaffau e« an ben
Söbmentönig SBrnjel (im ^abve 1292) oerpfänbete , nadj beffen (frmorbung
Sllbrecpt I ba« ©ebiet für ba« beittfdje 9lci(b jurtlderwarb. Unter ^einrieb VII
gelangte ba« Sgerlanb al« unmittelbare« 9teid)«gebiet jum erftenmale in bie
$anb Äönig 3ob.ann« oon Söbmen, ber e« für feine, bem folgenben Äaifer,
?ubwig bem Sapern, geleiteten Dienfie im 3abre 1822 urfunbüdj oerpffinbet
befam. Damit ging ba« ebemalige 9)eid;«lanb in ben bauernben Sffttj
Söbmen« über, au« we(<bem e« nid;t wieber au«ge(öfl warb. 3roar erlieft
e« bura> ^ob^ann bie ©teüung eine« tem übrigen SÖb.mer(anb gegenüber
felbflänbigen ?anbe«teit«, \a e« würbe aud; nodjmal« bem bömifdjen Äönige
abgefprodjen, aber fdjlie&lidj oerflanben bie sJlad;folger 3>obann«, in«befonbere
©ffpreetyungen
461
Äarl IV, fcur(^ ffiiflebriefe unb Urfuuben fid) bie ©eftätigung be* alten $fanbe«
al« «ine« cfigenbefuje« fo gut ju fiebern unb bie ©gerlänber burd) reidjlidje
$rioi(egien fid) fo geneigt gu mad>en, ba§ an einen $eimfatt be« frönen
©lüde« (Erbe an* JReidj nid)t wieber gebadet werben tonnte.
2)ie äußeren unb inneren (Entmidelungeu, we(d)e ba« (Sgerlanb oon nun
an unter Pari IV, unter 20 c n j e 1 unb © i e g m u n b turtum ad) te, bie fdjweren
3eitläufte, bie e« in ben $uffitentriegen erlebte, bie nuebfelnben ©tbidfale,
welebe namentlieb bie ©tobt Cger unb ba« ©tift ffialbfaffen erfuhren,
berietet ®rabl in ben legten Bbfdjnitten feine« ©udje«, worin er gleiajjeitig
in reiebliebem STOafee bie urfunblidjen Belege oeröffentlid) , auf bie ftdj> feine
DarfreQungen grüuben. $ene ©elege macben ba« Sud) befonber« mertoofl.
ftlir bie <8efebid)te ber ©tabt (£ger wirb bie Sammlung Don $rioi(egien,
welebe ©rabl gewiffenbaft oerjeiebnet bat, immer einen trefflieben Beitrag bilben.
3)ie $eranjiebung ber tulturgefdjid} Hieben Ib.atfad)en ifi leiber in bem
öorliegenben ©erfe nid)t erfolgt; e« mar baju oon oornberein ein eigener
©anb in «u«ficbt genommen. SWöge e« bem ©erfaffer oergönnt fein, biefen
balb jum Abfcblufj $u bringen. $>anu wäre aber ju münfeben, ba& ber Ver-
leger für bie äu&ere Äu«ftattung ein wenig beffer forgte al« e« bei ber
„ÜJrfebicbte be« «gerlanbe«" ber gall gewefen ift. Döblev.
(Btty\$U bt$ jjerjügtnms dDffdjfit. 5öon ®. jHerntaun.
2. BufL Seföen 1894, Verlag oon Äarl <prod)a$fa.
2>ie Äulturgefebidjte eine« ©olle« baut fteb au« ben totalen Crfdjeinungen
auf. ®ie SWet)rbeit gleidjer (Srfdjeinungen geftaltet ba« ganje fulturbiftorifay
(Gepräge einer bestimmten (Spod)e. Darum bat bie beferiptioe Äulturgefdjiebte
feit jeber bob«i auf lofale SWonograpbieen gelegt, fte ftnb ©auftetne
für bie umfaffenbere, weitere <$efcbiebt6roiffenjebaft. Unter biefem ®efid)ts«
punfte gebe ieb an bie ©ejprecbnng be« öorliegenben öerfe«, melebeä
meinem $eimatlanbe gewibmet ift. — 34 babe febon bie er fte unb feit
jmanjig Öabren ©ergriffene Auflage be« ©uebe* gefannt unb e« al« ©omnafiafl,
aber aueb bi« in bie (Segenwart binein, oft gelefeu. <S« iß mir ein liebe«
®ueb - bie er fte Auflage. 2Wit bem lebtjafteften ©ebauern muß id)
aber fonftatieren, bajj ieb oon ber jmeiten Auflage tief enttäufebt bin. (£«
ift, al« ob ber ©erfaffer, feit 3abräfbntcn bon unferem ©oben entfernt, aueb
ben riebtigen ©lid für bie neuere ©eidjicljte be« $er$ogtum« Oerloren bätte,
als ob ba« weite ©Üb unferer beigbegrenjten ^anbfetyaft. in me(d?er bie ÖJe-
febiebte fpielt, bie er gefebriebeu, feinem inneren Auge entfebwunben wäre
unb al« ob bafür alte inbioibueüe Steigungen, burd) bie entfernung oerftärtt,
ibm ben ©lief für bie Xreue ber ©eftbidjte getrübt bätten. — 3n ber neuen
Auflage ftnb einzelne febr wertoofle ©teüen ganj au«ge(affen. £>od) biefen
93 f tlufl tonnte man gern oerfebmergen, wenn bie 65efcbid)te ber legten 3at)i'
gebnte, mit welcber ba« SBerf bereiebert worben, ein ©ertäquioalent für ben
Au«fall wäre; bie« ift jeboeb niebt ber ftall. ©iermann teilt fein ©ud) in
brei Abfdjnitte unb beljanbelt in jebem nad) ber politifeben bie prägnanteren
(Srfdjetniingen ber Äulturgefdjiebte unb jmar in ben beibeu erfreu Abfdmttten
462
©efpredjungen
mit auSgejeidjneter gefdjidjtlidjer £reue; ntdjt fo im legten. $ier begegnen
mir einer biflorifdjen Unterlaffung«fünbe oon ganj bebeutenber £r<ig-
roeite füv ben ©erfaffev: ftc wirft einen ©Ratten auf bie <8&rlid>feit be«
$iftorifer«. (S« ift in biefem leile be« $eroorfted)enbften tultur»
tyiftortf $en (£r eignij f e ff, roeld?e« im Panbe Xefcben jemals oor»
gefaden, einer fultnrf)iftorifd)en Xf>at, roeldpe unfer Vänbdpen in mirtfdjoft-
lidjer ©ejiebung roefentlidj gefBrbert unb fein Änfeljen gehoben b.atf mit
feinem ©orte gebaut. 2>ie ,,<Sr ft e bfterr etdjifdj • fdjlefifd) e
roerbe*, Onbuftrie-, lanb- unb f orftroirtf djaftli dje Hu«fteUung in
£efd>en 1880", eine HuSfledung , meiere einen $läd)enraum üon über
brei $ettar einnahm, weldje oon bödmen $eifönlid)feiten befudjt mar, eine
^ugßeBung, bie — wie menige — einen g(an$enben moratifd)en unb nam«
haften materiellen (Srfolg batte, eine 9u«fleüung, roeldje einen ©front
oon SWenfdjen au« allen leilen Oefterreid>-Ungarn« unb be« beutfdjen SReicbe*
nad> Xefdjen geführt, eine Su«ftettnng, beren Wadjroirfungen auf ©djritt unb
Sritt, in ©tabt unb Paub, für alle roabrne&mbar ftnb, roeldje einen »lirf für
bie Srbeit be« ©eroerbe« unb ber Panbtoirtfdjaft ljaben: biefe 9u«fte0ung ifl
für öi ermann unb feine ©efdjtdjte be« ^er^ogtum« lefdjen — nidjt ge*
roefeu! 3>tef c Untrr(affung«jfinbe, roeldje um fo auffaOenber ift, af« bem
SBerfaffer ein reiche« unb guoerläffige« DueQenmaterial leidjt erreichbar mar '),
ift fo unbegreiflich , ba§ aubrre in ben $tntergrnnb treten müffen, roeldje
fonft Unfprud) auf SBeadjtung erbeben tonnten, roie j. $3. bie gänjtidje
Uebergebung ber ©ätulaifeier be« ^rieben« ju lefdjen öon
1779 *). SRogen biefe 3«l'n in SJdlbe einen neuen, unbefangeneren (Befdjtdrt«-
fdjreiber unfere« $er$ogtum« toaeftrufen!
lefdjen. (Sbuarb Slugufl ©djroeber.
in biograpljiftyni u«H fadjltdjen f&rifptdfn. ^Berlin 1893, Cdroalb
Sedjagen.
3roeiertei babe id? au« biefem Jöudje gelernt: eine neue Definition be«
aWittionärfl unb eine ©djreibart, bie felbft in unferer 3eit ungeroö^nlid) fdjledjt
erfdjeint.
Sa« mag ftdj ber SSerfaffer gebadjt tyaben, a!« er ben ÜRiflionär bepnierte
als „ben b.8a>ften Inbegriff prioaten {Reichtum«, bei bem ba« ®elb a(« ibeale
Cuote be« gefamten (Düterborrat« gebadet ifl"? Unb roorin mag ber (Brunb
liegen für ben fteflenroeife abfdjeulidjen ©tü, ber oiel(eid)t mobern fein foQt
aber be«^a(b bod> nidjt roeniger eine ©ergeroaltigung unferer ©pradje be-
') DfrljieÜe 3lu«ftellung«äcttuug ber Qrrften öfterr.« fdjleftfdjen (be-
werbe-, Onbuftrie«, lanb- unb forftroirtfdjaftüdjen 'flusfleü'uug in lefdjeu 1880,
9?r. 1—9. — ®eneral« Situation«plan berfelben. — Äatalog berfelben.
») »gl. fflabba, Der baperiidje ffirbfolgefrieg unb ber ftriebe ju $efd?eu
(Xefdjen 1879), ©. 50 ff.
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$)efprecbiingen
463
beutet? Ob er fo mit «rbett überhäuft war, baß er feine 3eit fanb, an feine
Sdjreibweife bie lefcte fteile ju legen? Der 8efer urteile felbft. S« $eißt
beifpiel«weife auf
©ette 160: „0)0$ bören bie $3erju$e bamit ni#t auf, unb burrt) ibre
gefdjidtere Bu«fübrung ftnb fte al« erfolgreich anjufeben, baß ber $anbwerfer
ficb bamit in bie ©teQung bei bebagtid)eu ©ourgeoi«tum oerfefct."
©eite 307: „Sßeniger al« bie Huffaffiing, baß bie Sb* e»n** Hriftofraten
mit einer teilen ©ürger«tod)ter ber ftamiliene^re be«felben Slbbruä) tbue
bielt eine foldje nod) gegen eine »erbinbung mit einer I&eaterberoine ftanb."
©eite 32ö: „-Die ^erjogiit richtete wie teftamentarifd) gu bebanbeln einen
an fia} intereffanten ©rief an ibreu ©oljn."
©eite 367: „Siebtel, fönnte man fragen, beroirfte ba ein erfdjttrfte«
$funb 05olt> ntdjt berüdenbe flufforberung unb rüfHge Arbeit jur Urreta)ung
oon probuftioem fl&eicbtum in ber ?aubu>trtfd)aft unb mit oielem (Erfolge auf
bie Dauer oftmal«, bei- bunbert $funb ©olbe« wert mar?" —
Der SJerfaffer nennt feine ©djrift ®efdjid>te be« mobernen 8ceid>tum« iu
biograpbifdjen unb fad)lid>en ©eifpielen. Da« fofl wobl befagen, baß er nidjt
ben Änfpru($ ergebt, mit wiffenfdjaftlidjem 3Raßftab gemeffen ju »erben. Aber
ber ©ergibt auf eine ftrengere Beurteilung fjätte ifyn bodj ber 9WÜbe nidjt
entbeben foflen, feine ©eifpiele unb ßitate aufmerffamer aneinanber ju reiben.
2üenn er j. ©. auf ©eite VN)3 ft<b einem Äuffa|j ber Revue des deux mondes
anfdjließt, nad) weitem auf bem töeid)tum ber ®egenmart feine jener politi.
fdjen unb fojialen ^fltc^ten laßen, bie auf ben ariftotratifdjen fReid)tümern
ber öergangenbeit rubten, fo mußte ibn biefe Crfenntni« oon ber in ibrer
9lDgemeinbeit fdnefen ©ebauptung auf ©eite 75 abbalten: baß im feuDaten
S?erf;ältni« be« ®runbberrn $n feinen gärigen 3lu«gleirf)«leifiungen be« erfteren
an feine Untertänigen für feine retylitbe Ueberlegenbeit an 3Ra$t unb Ü)enuß<
mittein. unbetannt gemefen mären. —
?egt man an ba« *ud) nur ben beDetrifKfdjen SWaßftab unb fie^t oon
feiner ©djreibweife ab, fo ift e« eine einfadje 3ufammenfie0ung bio>
gvapbifdjer unb anberer Wotijen, bie fidj oormiegenb „mit ben Denfern, ©abu»
brevem unb fdjöpferifdjen 'Arbeitern auf trdjnifdjem unb inbuftrteÜem ®ebiete"
befaffen. Die populäre ©tijjierung ibre« Peben« unb ibrer Diäten roirb
gewiß mauebem miDfommen fein. ®. 8. Änton.
gar- unb frtiljgffrlndjtHrijf f euhmäler aus^fflfmirii-ilu^am.
ßntroorfen oon jtt. |Wudj. SlquarcDe von f. $. jifrtjer (1 Xafel).
3Rit erläuternbem £eyt (4 8.). 2Kien, ©b. $5ljel, 1894.
Die oorliegenbe inftrufrioe Dafel ift im Auftrage be« öfterreidnfdjen ffultu««
minifterium« oon ber f. f. 3futral»Äommiffton für Äunft. unb fjiftorifay Denf*
male b^ouSgegeben. ©ie fieflt bie wid)tigften bi«ber auf ößerreid)ifcbem
^oben gemalten Junbe bar unb will in ber ftbficbt, bie ©ammlung oder
nod> ber in Srbe entbaltenen Altertümer ju förbein, bie Äenntni« biefer Dinge
nad) SRöglicbfeit oerbreiten. Der De£t enthält aueb bie nötigflen Besaitung« <
maßregeln bei etwaigen Sunben. Die« ©eftreben oerbient wärmfte Unter-
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iöefprecbuitgen
[tü^ung ; namentlid) ift bip Snidjaffiing ber Xafel ®dputen , (Bemeinbe*
ämtrru u. f. ro. bringenb ju empfehlen.
Tie $bbilbungen !elbft ftnb übrigen« trefflidj ati«gefüf>rt. ©ir roünfdKn,
baß tbre Verbreitung ben öfterreidnjcben Sammlungen rettbe neue &d)äfee
Huftieren möge unb empfehlen, baß and) bie reid)«beuifdjen ©erroaltungrn,
roie e« ©ttrttemberg übrigen« fdjon mit (Erfolg getb>n b,ot, in ä$nlid)er Seife
üorge&en mögen. (Beorg Steinhaufen.
* *
£. C. flnbrr, f ir grfdjtdjtlidj* QBntroidtflmtg *t$ modernen
fJttrUljni. Tübingen, <p. i'aupp, 18«3 (VIII, 232 3.).
3d> bebauere, bieje« Sud), ba« ftd) mit einem gewiß baufbaren unb inter«
effauten ©toff befdjäitigt, trofc Dirler fd)ä'(}en«roerter Sinjelauefüfyrungen nidjt
al« eine roefentlidK $creid?eruug ber Derfel)v«gefd)id}tlid)en Pitteratur anfeilen
ju fönnen, wenn e« audj eben wegen jener Spejialforfdjuugrn ©eadjtung
berbtent. 2>er SJerfaffcr ift außerorbentlid) felbftgefäflig unb fdjeint ju glauben,
teilt ©ud> roerbe oon grunblegeuber ißebeutung fein, ganj neue ®efi<bt«puntte
auffiefleu unb eine roirflidj tritijdje öcb,anbluug einleiten. 2)a ttberfdjä&t
ber SJerfaffcr ieiue Peiftung bodj feb,r unb unterfaßt onbererfeit« bie frfibere
Pitteratur oielfad).
Uebrigen« täufdjt ber Ittel über ben 3'<fjalt bt& &ud)e«, roenigften«
benjenigen, ber eine ©rjdjidjtc be« gefamteu neueren ©erfebj«leben« erwartet.
SS fcanbelt ftd? im wefentlidjeu nur um eine fririfd) • bjftorifdje «eleudjtung
ber Sntftebung unb (Sntwitielung ber <ßoft. 2)er «Jerfaffer brüdt ba* 3iel
feiner Stufgabe fo au«, ,,nad) SRafjgabe ber <ikfamt'<5ntwirfclung bie ©ed?fel«
bejtebuug Don £ed>nif uub Organifatton in ba« ridjtige Öerbältnt* ju fefcen,
au« brm ©erben uub au« ben $ebingungen bc« Gntßebeu« ba« (beworbene
unb bie ©urjeln feine« SBeftaube« offen ju legen, neue <Beftd)i«punfte auf*
juftfüfn unb ju weiteren ©pejialforfd)ungeu bie Anregung ju geben".
Seljr fompatljifcb. ift mir junäcbjt fein Wrunbgebanfe, baß er nämlidj ben
inneren ßufammenbang betont, in roelä)em ber «ertefjr unb feine Gfntrotcfelung
mit ber gefamten Äulturentroidelung, ibren 3"lfreffen unb ©ebttrfntffen fteljt.
(£r roifl ben wirtfdjaftlicbeu 3ufammfn^an9 in«befonbere (aud) ber polttifd)*
unb geifte«gefd)idjtltdje ift übrigen« üon ©ert) für bie ®ntftebung«gefd)idjte
ber ^3 oft betonen — aber ift ba« neu? ftür mtcb, roenigften«, rote für jeben
biftovifd) tiefer füblenben, nid)t. Xa«®efa>rei, ba« $>uber, um biefen (Beftcfjts
punft in« redjte l'id>t ju fteHen, auf S. Ift ff. madjt, ifl unerträglid).
ftreilidj, roenn er, um unffare Hnficbten über bie $ou ju oeranfdjaulidjen,
e« für feiner roürbig fyält, fidj mit einem Äuffa|j ber SBÜrjburger „(Bemein'
nü^tgen ffiod^enfdjrift" unb mit anberen bilettantifdjen ^>robutten reinften
©affer« abzugeben, bann mu§ er ftd) febr groft Dorfommen.
©o jebr id) e« begrüße, baß bie einzelnen ©tabien ber (Jntroidelung
ber i<ofteinrid)tungen bicr einmal auf u)re roirtf<baft«gefd)id)tltd)en Ärflnbe
uub $orau«fe&ungen b«n geprüft werben, unb fo eine organifdje ftntroidelung
aufgejeigt roirb, fo tarnt id) aubrrevfeit« bod) nidjt jugeben, ba§ biefer 3u-
fammenbaug bi«b.er oöüig oerfannt fei. $n meiner „®efd^id)te be# bentjdjen
»riefe«" j. — ^. citiert fte nidjt; baß er fte gefannt b,at, fd^eint mir bod>
©efprechungen
465
nach mehreren ©teilen, in«befonbere nach ber wörtlichen Uebereinftimmung auf
@. 19, «nm. I, wahrfchetnlicb, — habe ich, obgleich ich f)ifr bie poftalif<he
gittwicfelung nur ganj anhang«weife behanble, ftet« ba« $anb in $anbgeben
ber (Sntwicfelung be« 39 rief oerf et)r« f e!6fl unb feiner ©ebürfniffe mit ber
brr ©erfehr« einriß tun gen betont (j. ©. I, ©. 34, 39, 139 f. II, 160), unb
infofern ich bie polittfcben, gefeflfchaftlicben unb geiftigen Strömungen, bie
ben ©riefüerfehr beeinfluffen, eingef>enb fcbilbere, auch bie ©ntwicfelung ber
33eförberung«einrichtungen mit ber allgemeinen Äulturentwicfelung in engen
3ufammenhang gebraut, .fcätte ich eine ©efchichte be« ©erfehr« treiben
motten, fo märe et mir unbenfbar gemefen, nicht auch bie gefamte wirtfdjaft-
liehe <£ntwufefnng mit ber ber ©erfebr«etnrichtuugen gufammengubringen. —
aber $uber ift Don ber „Neuheit" feiner ©cfidjtspunfte fo überzeugt,
bajj er wahrfcheinlicb, alle« früher getriebene nach belieben ignorieren ju
fönnen glaubt. ©o fdjreibt er ©. 63: „«ber noch wätjrenb ber Äreugjttge
begann auch ber $anbel bie Anfänge eine« ©otenbienfte« einjurichten. (£§
ifl bie* eine naturgemäße (£n twtcf efung, meiere faß oon allen
©ebrif tftellern nicht feft genug im «uge behalten wirb." 2>aß gerabe
bie «u«behnung be« $anbel« eine «nbabnung befferer ©erfehr«einrichtungen
bireft $ur ftolge blatte, habe ich überaß in ber befferen einfehlägigen flitteratur —
$uber gieb,t fteb. auch fchnefl auf bie fraugöftf^en ©chriftfteller jurüd — ge«
nügrnb betont gefunben.
$uber glaubt eben eine grofje (Srntbecfung gemacht ju haben, wäbrenb
er nur etwa« felbftDerftänbltche« — für $iftori(er wenigften« felbftoerftänb«
liehe« — burch einige oerbienftliche Beleuchtungen unb 3lu$fübrungen nät)er
bargelegt hat. @o bat benn auch feine fortroäbrenbe $o(emif gegen bie 93e=
hauptung ber „(Erfinbung" ber $oft faft etwa« erheiternbe«. Uebrigen«
operiert er mit bem ©egriff „$oft" f^öc^ft wittfürlicb. unb üerlefct burch feine
Definition ba« biftonfehe ©efübl: jeber ©egriff hat feine ©anbiungen. 2>ocb,
baoon abgefeben, bat irgeub ein ernft 31t nehmenber ®elet)rter behauptet, bafj
eine Organifation ber ©ertebrSeinrichtungen, bie mir mit #uber erfl al«
„$oft" bezeichnen fönnen, „über 9tad}t erfunben" (©. 66) fei? ffiirb
nio^t jeber Vernünftige jugebeu, bafj eine joldje Organifation erft allmählich
au« bem ©erfebr«bebürfni« entftetjen tonnte? «ber fetbft roenn mir, was
ich gern tt)ue, jugeben, bafj fola)e (Einrichtungen nur burch beftimmte ©or.
bebingungeu in« tfeben gerufen werben fönnen, baß bie hanbelnben ^erfonen
unter bem 3roang ber ©erhältniffe unb Cinflüffe flehen, fo fann man boch
nicht bie $erfonen überhaupt eliminieren wollen. (E« bleibt auch fo 9"ing
übrig für bie ©erbienfte einzelner. 5)a« fcheint aber nicht jugeben )u
wollen. Namentlich ift öon einem faft auffällig fit 33efrreben, ba« ich mir
nur au« theoretifcher Befangenheit erftären fann, geleitet, bie tart«, in«»
befonbere granj oon Xari«, in ihren ©erbienften h^rabgufe^en. ©arum fofl
an ihren Qerbienften nicht Äritif geübt werben? 2)a« ift ba« gute Stecht
jebe« ^iftoriter« ! Qch habe eben auch au«gefprochen, ba§ mir ba« Beftreben,
nicht aüe« ben $erfonen , fonbern ba« meifte ber $ntwicfe(ung ber ©erhält-
niffe gujufchreiben, fompathifch ift. «ber ift ©i«marcf j. ©. barum ohne jebe£
^erbienft um bie ©egrünbung be« beutfehen Weiche«? ©0 fcheint mir biefe
$oIetmt eine« ungerechten 3uge« nicht ju entbehren. 2)enfe(ben 3ug oerrät
Hcitf djrift für ÄuUurgcjdjictjtf. II. 30
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466
•Bestechungen
übrigens folgenber Safe: „Auch für biefen Nachruhm (nämlich ber Xari«)
giebt e« ein *$enbant au« neuerer 3e'*» nämlich berjenige, in welchem ber
mobeme Nachfolger brr Xari« al« ber Begrüuber brr 9teicb«poft Hebt?'4
$Ür bie Auffaffung £>ubcr« Don ben Dari«fchen ©erbienfien Derroeife ich
übrigen« auf bie Warfe ftrttif , bie ein Äenner biefer Dinge, JRttbfam, im
$iftorif$eu Jahrbuch neuerbing« über ba« $uberjcbe $ucb. getrieben bat.
3m einzelnen ift ba* SBucb, burebau« nic^t fehlerfrei, ganj abgefeben
Don Dielen ftiliftifcben SJcängeln (fehr fcbön ftnb j. «B. @. 2t bie „bcutfcb/
orbenjtb.en ©oofeu"), Drucffeblent u. f. m. Cf« ift ferner nicht burchgcarbtitct,
bie feb> reichlichen Anlagen ftnb Scbni&el unb Späne, bie in bie eigentliche
Darftettung hätten oerarbeitet werben müffen. Unglaublich, ift oft bie fon^
ftruierenbe ffiiüfür, bie bie ®fjd)i$te amingen roiü.
Drofcbem ftnb bem 8ucb manebe ©orjüge nachzurühmen; manch neue«
SRaterial unb manche Anregung wirb ju oerroerten fein. 2Rbge aber ba«
große ©erf, ba« ber Berf affer plant, unb Don bem ba« Dorliegenbe »Buch
einen Deil bilbet, bie Anfprflche ber $iftorifer boch. mehr befriebigen!
©eorg Steinhaufen.
ftol). | an (Ten, ©ffdjtitj.r Des benlfrijen Jjfolltes frit freut
Ausgang ht$ Jttittfkltfra. 7. unb 8. Sanb. ©rgänjt unb ^erauo-
gegeben oon Juonrig pnjlnr. 1.— 12. silufl. 31. u. b. 2. (Sultur-
5uftanbe beö beutfd}en Golfes feit bem Ausgang beö 3JJittelalterd bio
jum beginn bes brcifngjäljrigen Krieges. 3. unb 4. 33ud). greiburg i. 23.
1893. 1894 (XLVII, 660 3. unb LV, 719 6.).
3Weinen Stanbpuntt bem ^anffenfeben ©erf gegenüber habe id) genugfam
in biefer »Jeitfcbrift ber $efpred)ung be« ti. Banbe« bargelegt. min
niebt über ber Xenbeuj, bie ba« ©erf burcfcjicfjt, ba« unzweifelhaft oorbanbene
(Düte, ba« ich namentlich in ber Heranziehung eine« aüerbing« Dielfach in
anberem Sinne ju Derwertenten, reichen fulturgefcbichtlicben flRatcrial« erblide,
Dernadjläfftgen. Unb ich tonn anbererfeit«, fo fehr ich ®erf> mit au«gefprochener
proteftantifcher Denbenj bocbfcbäjje, nicht ihrem ®egenftflcf, ffierfen mit au«*
gefprochener fatholifchcr Xenbeitj jebe« SRecbt auf fcriftenz abfpreeben. Die
gefchichtliche ©ahrheit roirb burch bie gerechte Prüfung be« Don jener «Seite
Dorgebrachten SWaterial«, ba« boch nicht ohne »eitere« ju Derwerfcn ift, nur
gewinnen tonnen.
Leiter giebt e« aber boch ^artieen be« ©erfe«, in bem bie Dcnbenj
be« ©erfe« überhaupt jurüeftreten ober ganj Derfchwinben muß, unb ju biefen
^artieen gehört gerabe ein erheblicher Deil ber Dorliegenben beiben ©änbe.
g« finb Dielfach biejenigen Abfcbnitte, bic Don bem Bearbeiter ber ©änbe,
<Paßor, herrühren, 3. ©. 9caturwiffenfcbaften, $eilfunbe u. f. f.; anbere rühren
noch Don 3anffen fyev, fo dürften* unb ^ofleben, ba« feben ber »Bürger nnb
»Bauern, «ber auch abgefehen Don folgen Abfcbnitten , bie bie Denbenj be«
©erfe«, ben <ßrotcftanti«mu« al« ba« ©runbübel fchlechthin barjufleüen,
überhaupt nicht julaffen, roirb jeber Äulturhiftortfer in bem ©ert Diel #eue«
unb lehrreiche« pnben. Die Anficht ^anffen«, „mögltchft Diel beglaubigte«
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Vefpredjungen
4H7
$batfäd)lidje nadj allen Widmungen bin fammelu ju foHen, bem S?efer c«
überlaffenb, barau« ©djlußfolgerungen ju jieben unb Betrachtungen baran
ju tnüpfen", erleichtert biefe SRufebarreit fe$r. ftreilicb ift mit biefer Vorlegung
be« SHaterial«, jumal e« boa) fein ganj ooflftänbige« fein tann, bie „obiettioe
©abrljeit", bie griffen al« fein 3»«* binftellt, nodj feine«roeg« gegeben.
(Srft ber oon jebor Xenbenj freie ^iftoriler wirb ber objcftiüe 2>arfteller biefer
(Jpodje fein; ^anffen ift e« nid)t.
3)ie meljr ober weniger trotfene Mitteilung eine« großen, bödjft fleißig
jufammengebradnen SWaterial« bat ober audj iljrc gro§en @d)attcnfetten.
©ie oerbjnbert eine mirntdje ®efdjid)t«barfteflung fowobl nad) ber ©eite
be« Äünftlerifdjen wie nad; ber be« ffiiffenf^aftlidjen b»"- §n lefeterer »e»
jiebung meine id) ba« herausarbeiten be« Jopifdjen, be« eigentlid) Sefent»
lidjen, ba« un« bie ©ntwidelung erft eigentlich, oerfteben ler)rt. 3<b bezweifle
febr» baß Qanffen bie JJäbigteiteu ju einem wirflid) großen ÖJe«
fd)idjt«f£breiber befaß. 3" btefem JJafl wollte er aber überbieß nidjt ein
foleber fein, foubern ber fleißige ©ammler, ber fein SWaterial ü&erfidjtlicb au«,
breitet. Un« ift ba«, rote gefagt, für bie ««u^barfeit be« SBerfe« wiUfommen.
2)aß bie ftortfefcung be« SBerfe« nad) Sanffen« £obe überhaupt ermöglicht
mürbe, fönnen mir alfo uadj allem ©efagten nur billigen. 2)er Bearbeiter
unb (Srgänjer, ^rofeffor ^aftor, ift beftrebt, biefe ^ortfe(}ung burdjau«
im ©elfte ^anffen« ju galten. 2>odj babe id> ba« (Smpfinben, al« ob bie
fonfefftonefle ienbenj weniger greU burdjflingt.
bat nad) SKöglidjfeit bie neuefte Literatur heranziehen gefucht, wenn
ibm audj mandje« in biefer Begebung no<b entgangen *u fein fdjeint. Buf-
gefallen fmb mir eine ganje töeibe eigentümlicher Verleben in ben Üitteratur.
angaben. Bei ber Vefprecbung be« H. Vanbe« blatte ich barauf aufmerffam
gemacht, baß ba« SBerf be« 3ot)ann Oforinu« nicht Gtbnograpbia , fonbern
(Stbograpbia betitelt fei. 3n bem Oueflen« unb 3,lbalt«oerjei(bui« jum
8. Vanbe ift ba« jefet richtig gepellt, im £ert febrt aber (Ethnographie wieber«
bolt roieber, $. V. ©. 421 f. 25er «etfeberidjt auf ©. 7 be« 8. Vanbe« flammt
nidjt oon ©amuet Äirdjer, fonbern oon @. Siegel. Oefter nimmt Uaftor
bie oon ber $räpofttion oon abhängige %oxm be« äutornamen« für ben
tarnen felbft, $. V. Vanb VIII, ©. 9, Ouaben oon Äinfelbad) (ftatt Ouabe),
©. 25 ber Äat ©eorg ?auterbecfen (ftatt ^auterbed) u. a.
(Ss liegt im übrigen nidjt in meiner ^bfid^t, bier 9u«ftc(lungen im (Jfinjclnen
gu geben. 3dj will mir nod) einige« Über ben Snbalt ber oorliegenben Bänbe
bemerten. ©n großer Xeil be« 7. Banbe« fd)ilbert junädjft bie 3uftänbe
ber ©djulen unb Unioerfitätcn. $)ier ift gegenüber bem „großartigen auf.
fdftoung be« ©djulroefen« in ber jroeiten Jpälfte be« fünfjebnteu ^ab^bunbert«"
„bie Verwirrung unb ber Verfall feit ber Verbreitung ber neuen ?ebre"
bod) ganj ungebübrlid) betont, ©erabe bier (onnte bei aller SSürbigung ber
Srf Meinungen be« Verfall« ein oon fonfeffioneden SRüdftdjten freier ^iftorifer
*a§ Vilb boeb, wefentlid) anber« geftalten. 25ie jweite ^älfte be« Vanbe«:
„Vilbung unb ffiiffenfdjaft , Vtidjerjenfuv unb Viid;^ anbei" bietet in ibrer
DarfteUung ber bumaniftifdjen ©tubien, ber pbilologifd>en Oelebrfamfeit unb
ber lateinifd)en Xidjtung, be« 3Ked)t«ftubium« unb ber 9ted)t«wiffenfd)aft, ber
GJefcbicbt«fd)veibung, ber Matbematif unb ftftronomie, ber s!Raturwiffeuf(baften,
in«befonbere aua) De« für ben Äulturgrab fo überaus bejeidjnenben 3«ftanbes
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468 ©efpretbungen
ber $eitfunbe — bie tultur^tftortfc^r gBicbtigfeit brr ($ef$i$tf ber ©olfSfrant-
beiten tritt gut fceroor — fe^r Diel lebrretd>e (JKnjelbeiten. $bilofopbie unb
tbeologie werben getrennt nad) ^roteftanten unb ÄatbolÜen bebanbelt, liebe-
öott unb au«fübrlid) nur bie ber Äatbolifen. $n bem «bfebnitt Aber bie ©ibel-
Überfettungen wirb mit (Eifer alle* jufammengetragen, ba* irgenbmie geeignet
ift, flutber* ©erbienft fyerab^ufe^en. fRamentlid) werben bie an fid) Döütg
richtigen einfd)ränfenben Urteile proteftantifdjer ^orfet^er au*gtebig mitgeteilt
35er Slbfdjnitt Uber bie $rebigt fudjt aud) ben proteftanttfdjen ^rebigern geregt
ju werben. Der lefete »bfdjnitt bebanbelt bie ©ütberjenfur, au furj ©ud)bruderei
unb ©udjbanbel unb eift red)t &u für* ba* 3eitung*mefen, meift nad) Opel»
©ud). — Der 8. ©anb bebanbelt bie mirtfcbaftlidjen , gefeafdjaftlidjen unb
religiös ftttlic^eit 3uftänbe. Sei bem wirtfdjaft*gefd)i(btli(ben teil (ber $anbet
unb bie Äapitalwirtfdjaft, 5b"ften- unb ^ubenwudjer; SRUnjmefen unb ©erg»
werte; ©ewerb*wefen; ©auernwefen, wtrtftbaftltdje Sinwirfung be* un»
befdjräniteu ^agbwefen«; ©errümmerung ber l'anbmirtfdjaft) Dermiffe i<b (ebr
bie eingebenbe Darlegung ber eigentlich bewegenben ©trömungen, bie ba«
gefamte 2Birtfibaft*leben bamal* beeinfluffen unb manbein. 5Bir werben biefe
Darlegung, wie üb. meine, Don bem nädjften ©anbe ber ?ampredjtfdjen
$ejcbi(bte ju erwarten baben. (Sin empftnblidjer SRangel liegt ferner in bem
$eb(en eine* fcbfdmitte* über ba* ©ertebr*mefen im weitefien Ginne. (Bang
augcrorbeutlicb tritt audj bie ©d)ilberuug be* gefeflfdjaftlid^n ©erlebr*, ber
gefeüjdjaftlicben Sitten in bem teil über bie gefeüf<baftUd)en 3uftänbe jurüd.
lieber ba« fo intereffante innere ?eben ber Familie unb ber <8efeQf<baft, über bte
(Jntrreffen unb «ufdjauungeu ber SÄaffe erfahren wir au$ bei weitem ntebt aütt,
was Don ©iebtigteit wäre. ftuSfübjltd) unb au&erorbentlid) eingebenb bagegen
ift cor aüern bie bamaiige trunffudjt unb ber junebmenbe Äufwanb bei
ftürften, Äbel, ©ürgern unb ©auern bebanbelt. $n biefem Hbfdjnitt über
ba* gefeflf(baftlid)e feben bätte aber aueb ber beginnenbe (Einfluß ber Spanier,
Italiener unb in*befonbere ber ftranjofen au*giebig bebanbelt werben foflen
(ogl. meinen «uffafc in ber „3eitfcbr. f. Dergl. eitteraturgefdMte" VII, 5/6).
Unb ebenfo |et>lt ba« Hufjeigen ber beginnenben gefeflftbaftlidjen $errfdjaft
be* §ofe*. Die ©rmertung auf ©. 218 genügt bei weitem nidjt. Der lebte
2lbf(bnitt biefe* 'teile* bebanbelt ba* ©eitler» unb ©agabunbenmefen. (Brau
in ©rau erfdjeinen bann im britten teil bte ftttlicben 3uftänbe unfere* Solfe*.
3<b beftreite bie SHidjtigfeit ber fcinjelbeiten niebt burdjau«, aber e* finb bie
notwenbigen (Begenftücfe, bie bo<b au<b eriftieren unb bie un* ein „objei.
tioe«" ®ef(bi<bt*roerf eben bieten muß, Döllig in ben $intergrunb gebrängt.
3n ber ftamilie, bei ben grauen t>or allem, ift bodj ein tüdjtige* ©tfid guter
Urt bewabrt unb aud? burdj bie fdjlimmften 3ftten be* 17. 3abrbunbert*
gerettet (ogl. meine Äulturftubien unb ©efd). b. b. ©riefe* II). $anffen felbft
fprid)t (©. ö61) Don bem unjweifelbaft nod) Dorbanbenen (Buten unb bemerft
febr ridjtig, baß in ber (Bet'cbicbte oorwiegenb ba* ©öfe aufgejeiebnet fei.
Diefe (Srfenntni* tritt aber in feiner DarfieUung faum beroor. SRan barf
aud) niebt üergeffen, ba& bie bamaligen ©ittenprebiger nad) «rt ber 3e'tt
beit 9Hunb febr Doli nebmen, unb ber überfdjwenglübe Hu*bru(( nie brr ©abr«
beit entfpriebt. Ueberbie* febrn fte immer bur$ bte fircbltcbe ©rille, $rote>
ftanten wie ftatb^olifen. ©eweifenber ift ba* Don $aftor Derfa§te Äapitel
über bie 3uita^nir ^fr ©trbreebrn. $m adgemeinrn teile ia> bie Bnftibt Don
fcefpre^ungen
469
beut fUtlidjen 93erfaH burd)au«; tdj lyfitte fogar gemünfcbt, bog bie junetymenbe
Serfebleebterung be« 8olf«ebaraf t er«, j. 8. bie ©eroilität unb äugerli$e
8eben«auffaffung , beren ©löte bann im 17. ^abrbunbert hervortritt, ftärfer
beroorgebobeu märe. 2)en £cblu§ be« $anbe« bilbet eine au«fü$rlic§e 3)ar»
Rettung be« $erenme(en«, bie jmar ben fatljolifdjen ©djriftfteller auf* febärffte
beroortreten lägt, aber bod> nid)t ob,ne SorjUge iß.
Georg Steinhaufen.
<&. Jj emufttjuriHer, ftdmerrafifU unfc ©raffnfdjlolj jjorburg
mit Jtretfliujtern auf bit rflmifrfjf nnlk flfftfftfajf ©f frijtiijte. 3Rit
planen unb 3ci$nungen SBaurat SBinfler. ©olmar 1894,
99arti). (239 ©.)
£. ©ekljitrM, &us Der eefttytr *w Dorfes Poirnjlrbm.
©otya 1894, ©djlöfjmann. (106 8.)
Sein 3roc'9 ber allgemeinen ®ffa>iebte ifl fo auf bie oietoer^weigte 8ofat-
forfcbung angemiefen wie bie Äulturgefebjebte, für bie ja$lreia)e Duellen nur
bura) bie ^ätigtett jener erfebloffen werben fönnen. Uber wie erfebmert
wirb ib,r bie Aufgabe burdj bie Abliebe Art lofalgefcbiebtltcber Darfleuung,
bie gemßbnlid) an bem SQrgei) leibet, ftatt beftimmt formulierter Sinjelfragni
einen mögltcbft meit gefpannten 3fitraum Ätt betyanbeln, Uber bie (Seicljicbte
ber engften $eimat nicbt ein 8ueb, fonbern ba« ©ueb &u {abreiben, ba« nadj
guter mittelalterlicher ©itte jur Ablagerung aDe« möglichen ©iffen«roerten
benufet roirb. (Eine folcbe Sanaibenarbeit liefert ba« erpgenannte ©erf.
76 Seiten lang müffen mir bie römifebe ®efa>iebte burcbmanbern - blo«
meil in Horburg bie dauern eine* römiföen Äaftefl« aufgebest morben
ftnb! Unb meil auf i^nen ein ©cblof ber SWönipelgarber Nebenlinie errietet
mürbe, fo bleibt un« au«fübr(icbe Belehrung Aber bie filtere mUrttembergif$e
©efdjicbte nicbt erfpart. hoffen mir, bafj ba« Söuc^ ben Cinmofenern Don
Horburg, beren Diele tyxt Namen mit Qefriebigung lefen merben, jur 8e-
lebrung über bie Derfcbiebenflen ®rfc$icbt«periobcn bienen mirb — oon anberen
ift bie« nicbt ju ermarten.
Da« aweite ©erf, ebenfall« oon bem Ort«getftU$en Derfafit, ift bei Der«
{laubigem Vergibt auf jtufammenfyängenbe Darfteflung unb ©efärfinfung
auf ba« 3uftanol'(^e c'ne bura>au« erfreuliebe ?eiftung. #auptjädjlid) auf
Äircbenbücbern berubtnb, bietet fte, ma« man Don ber (Befcbicbte eine« be«
beutung«lofen Dorfe« ermarten tann: eine Anja^l Don Mitteilungen mirt*
febaft«. unb fittengefcbiebtlieben 3nt)alt«, beren ©ert eben in ibjrem tppifa>en
Übarafter liegt, $eroorjubebcn finb in biefer $infi<bt bie folgen be«
brei§igifibrigen Äriege« unb ib,re ©efeitigung bureb bie Senkungen be«
fccrjog« «rnft. ®. Siebe.
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470
iBrfprechungen
fjfttri £ oll tu, törfdjidjtr Her franjii|irttjrn Colouic oon |Hnafcf-
bnrp,. 33b. III, Abteilung 1 B. 'üJtaflbelmrcj, Jaber, 1893. (896 3.)
2)em ©erfaffer be« oorliegenben ©erfe« ift Don ©rite ber Äritif gelegent-
lich, ber ©efpredjungen bereit* früher erfchienener Sänbe bec Sormurf ge-
macht morben, baß er in jeiner Arbeit gu bo<h unb gu weit gegriffen unb
ftd) bei betn Äleinen unb (Einzelnen oft gu lange aufgehalten t^abe. 2£ir
glauben nicht, baß biefer ©orwurf oon fflegenfenten be« oorliegenben ©anbe«
gurücfgenommen werben wirb. 2)enn, wenn man auch gugeben barf, baß
ein tiefered (Eingeben in bie ©etail« wohl angebracht fcbeint in einem Suche,
welche« oon Dornhereitt gu einem Jamilienbucbe benimmt mürbe, menn man
auch jugeben barf, ba§ bie ©efchicbte ber SRagbeburger Volonte. au«fübrlicb
behanbelt, ein ©pirgelbilb be« gangen SHefÜge abgeben fann: e« ift bocb ber
Umfang, gu meinem ta« JfiJerf Xoflin« aufchmillt, nacbgerabe über ba« $iaB
hinau«gewadjjen, welche« ein Familienbuch, beanfpruchen barf. Xennocb wirb
niemanb ernfilicb baran benten, ber Arbeit $enri Üoflin« ihren ©ert ab>
fprecben gu woflen. 3m ©egenteil, biete werben bie mtibfam unb fleißig
gujaminengetragenen »ufgeicbnungen be« ©erfaffer« banfbar miflfommen
Reißen, unb bie ©iograpben in«befonbere werben ibre ftreube haben an ber
reichen ^runbgrube, bie ihnen Boitin erfchlteßt.
T\t Abteilung 1 B be« britten ©anbe« hanbelt eingehenb Don bem 9cufcen,
welchen bie ^u^cnotttfdye Äolonie in SRagbeburg für bie fcobengoüern unb
beren Panb im (Befolge gehabt hat. (Er wirb gewiß nicht unterfchätjt werben
bürfen. 3n«befonbere ift bie 3a^ tüchtiger Äräfte nicht gering, welche au«
ben SDtilitär« unb bem »bei ber frangöfijchen Äolonie SRagbeburg« in bie
preußifd)e Armee gelangten. SWan braucht nur an einige Nangootte tarnen
gu erinnern, wie ben eine« (Shafot, ber ^riebrich bem ©roßeu bei SRoOroü)
ba« flehen rettete, eine« Courb iöre, ber ©ranbeng b>l*. "n<* ftran^oi«,
ber bei Peipgig burch lapferfeit glängte freilich ift auch manche« Clement
zweifelhafter »rt ber SWagbeburger Äolonie entfprungen, wie jener berüchtigte
Abenteurer be flangalerte (über beffeu bi«her oielfach bunfel gebliebene
?eben«fcbictfa(e toflin gang fd)ägen«werte Sftittetlungen liefert), wie ferner
jener 5 arl 2>6tr oit , ber in türlifdje Jtienfte trat, feinen ©läuben abfchwor.
unter bem Warnen 9Rehemeb Uli ©afcba al« ftelbherr befannt würbe unb in
ben ©traßen Don Eiamara (1878) ein näglübe« ffinbe fanb.
3>ie biigmottifcben Offigiere unb «bligen famen al« &lebenbe nach
©ranbenburg unb fanben namentlich in bem großen Äurfttrften einen wahr*
haft eblen unb fürforglichen ©önner. Sie arm fte auch in bie neue $eimat
eingogen, ihr abiige« «Sonberbewußtfein gaben fte nicht auf, unb e« ift intrr-
effant, wa« Xoflin in biefrr ftiuftcbt über ba« ©erhalten ber abltgen 9)6fugi6«
gu ihren bürgerlichen ©lauben«. unb 3tamme«genoffen mitteilt, „$iefelbe
breite Äluft gwifchen bem (Sbelmann unb bem Spießbürger, bie in ftranfreicb
j um perfönlichen ©ohlbehagen unb gur Sicherheit be« »bei« nötig fehlen,
gähnte überaü in Deutfcblanb wieber." Cfinen fchlagenbeu ©eleg baffir bietet
ber oon £oflin ausführlich bargefteOte 9Jionftre«©rogeß 2>oll6'8allentin,
ber burch 3at)x< bie frangöftfebe Äolonie SKagbeburg« an ben Äanb br«
SJerberben« brachte, ein ^rogeß, ber auch bie ^ußig ber oergangenen 3eit
trefflich tenngeiebnet.
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JÖefpredjuitgen
471
«ielleidjt ber anjiebenbfte unb roicbtigfte Zt\l be« oorliegenben ©anbe«
ift berjenige, in roeldjem loüin ba* ftabrif roe je n, ben $anbel unb ba«
$anbroert ber ftranjofenfolonie idjilbert. <&i ip be!annt, bog bic Hugenotten
burd) ibre ©erriebfamfeit ^nbuftrie unb (bewerbe in Deutfdjlanb förberten
— führten jte bort) in ber SRarf ©ranbenbnrg allein 65 neue (Semerbe ein — ,
bafj fie bie Sudfubrartifel mehrten, baß fte jur Slnfnüpfung neuer $anbel8*
oerbinbungen üerfjalfen. Sflein materiell üorroärt« famen bie bugenottifdjen
ftabrifanten, Äaufleute unb fcanbroerler ber Äolonie SRagbeburg nidjt, roie
iottin burd) jablreidje Belege beroeii't. 3>er SHangel an 8etrieb*lapital , an
«bfafc für ibre ©aren, au genügenber paatliroer Unterftüfeung, an ebrlicbem
9ted)tdfd)u^ K. ftnb nadj be« Cerfaffer« $u*fübrungen bie roidjtigften ©rünbe
ber Dielen unb ferneren Ärtfen gemefen, meldte über bie W6fugi6« b"ftn«
brauen, fo ba§ in ber (defamtb^eit ber 3Ragbeburger ^nbuftrie fdjon bunbert
3abre nad> ber (Etnroanberung bie bugenottifdje ^nbuflrie feine tjeroorragenbe
9ioÜe mebr fpielte. 2Rag e« audj ein roenig ju oiel behauptet fein, menn
ioOin fagt, „bie Hugenotten fdjienen nur baju ba ju fein, fkb im SJienfte
auberer 3« öerjetjren", jebenfafl« mar bie ©efdjidjte ber bürgerlichen 5R6fugi6«
in SRagbeburg eine J?eiben«gef(^id?te , an roe(d)er felbft ba* fran jöftfd)«
reformierte $re6bqterium nur roenig gu finbern t>ermod)te troft feiner $ür«
jorge, bie Äolonie über ©affer ju fyaUtn. bie Sderbauer unter ben
9i6fugi63 in SKagbeburg bitten baSfelbe Sdjidfal roie ibre geroerbetreibenben
8anb«leute; bie meiflen roanberteu roieber an«, „roeil ibnen bie beutfdjen ©c>
börben fortroäb.renb ibr ©ort bredjen, bie ben 9J6fugi6* fo feierlich, unb
roieberbolt burdj bie $obenjolIern gegebenen $rioi(egien mit ftüfjen treten,
bie *ßädjte in bie ^öf^e fdjraubeu, ibnen unter aüerlei SJorroänben ben fcder
nehmen, bie armen (Srulauten mit Jrobnben belaften; inSbefonbere aber roeil
bie Domänenfammern fte barfd) jurüdfloßen unb mifjbanbeln". <£« ift geroig
eine bemerfenSroerte Ibatfadje — unb loflin roeift in fdjarfer ©eife immer
roieber barauf bin — , ba§ bie eble unb aufrichtig gemeinte ftürforge, roeldje
bie bobfnjoOerfcbfu dürften ben SR6fugi6« jubadjten, nur att$u regelmäßig
burd) ba« Verhalten unb bie ©illfür unfreunblidjer Cebörben vereitelt rourbe,
eine Xt^atfad^e, bie bem oielgerübmten preu§ijd;en Seamtenftanb frübeter
Oabrb^unberte nidjt gerabe ju (Bunpen fpridpt.
2)er britte £eil be« Xoümfrfjen ©uebe« ^anbelt oon bem franjöfifd)en
Äolonie • (Beriet ÜRagbeburg«, in*befoubere oon ber ©eridjtäprari* , ben
Wicbtern, «ffefforen, «Rotaren, ®eridjt«fcbreibern ber Äolonie, oon ib«m
©erid;t«bau« jc. Bud> barauf näber einjugetjen, oerbietet flc^ b»er. ©ir
mflffen auf Xollin« ©er! felbft oerroeifen unb wollen jum ©djluß nur no<b*
mal« unfere Slnerfennung audfprecben über eine Arbeit, bie bem Jorfdjergeifle
unb bem Jorfcberfleiße ibre« ©erfaffer* aUe ffi&re ma<bt. (S. Nobler.
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